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2011 Korridorfortbildung Deutsch Berufliches Gymnasium Schleswig-Holstein: Kompetenzorientiertes Aufgabenbeispiel zur expressionistischen Lyrik (vgl. Kernbereich 5 – Lehrplan BG) mit Hinführung Jürgen Bucksch 16.05.2011 Inhalt: Beispielaufgabe: Georg Heym: Printemps Was ist Expressionismus ? Epochenüberblick Expressionismus Kontext: Medien der Zeit Expressionistische Lyrik Großstadt im expressionistischen Gedicht Schülerlösungen zu den Großstadtgedichten TIL 420 Szenische Interpretation expressionistischer Gedichte TPI 33 Analytische Interpretation expressionistischer Gedichte SMF 30 Rhetorische Figuren – Überblick – SMF 31 Rhetorische Figuren – Übungen – SMF 32 Rhetorische Figuren – Lösungen – TIL 312 Lyrikinterpretation – Kontexualisierung / Aufgaben – TIL 313 Lyrikinterpretation – Kontexualisierung / Lösungen – TIL Textinterpretation Lyrik Beispielaufgabe eA Name: Datum: www.fo-net.de TIL 320 1. Aufgabenbeispiel für die schriftliche Prüfung: Beispiel für untersuchendes Erschließen literarischer Texte a) Prüfungsaufgabe für den erhöhten Anforderungsbereich Georg Heym: Printemps 1 1. 2. 3. 4. Ein Feldweg, der in weißen Bäumen träumt, in Kirschenblüten, zieht fern über Feld. Die hellen Zweige, feierlich erhellt, zittern im Abend, wo die Wolke säumt, 5. 6. 7. 8. ein düstrer Berg, den Tag mit goldnem Grat, ganz hinten, wo ein kleiner Kirchturm blinkt. Das Glöckchen sanft im lichten Winde klingt herüber goldnen Tons auf grüner Saat. 9. Ein Ackerer geht groß am Himmelsrand. 10. Davor, wie Riesen schwarz, der Stiere Paar, 11. ein Dämon vor des Himmels tiefer Glut. 12. Und eine Mühle fasst der Sonne Haar 13. und wirbelt ihren Kopf von Hand zu Hand 14. auf schwarze Au, der langsam sinkt, voll Blut. 1 (französisch) Frühling Text aus: Lyrik des expressionistischen Jahrzehnts, Einleitung von Gottfried Benn, Limes-Verlag Max Niedermayer, Wiesbaden 1955, S. 56 Eduard Mörike: Er ist’s 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. Frühling läßt sein blaues Band Wieder flattern durch die Lüfte; Süße, wohlbekannte Düfte Streifen ahnungsvoll das Land. Veilchen träumen schon, Wollen balde kommen. - Horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bist’s! Dich hab ich vernommen! Text aus: Eduard Mörike, Werk in einem Band, Hanser Verlag München 1976, S. 29 Aufgabenstellung 1. Interpretieren Sie das Gedicht von Georg Heym! 2. Vergleichen Sie Eduard Mörikes Verwendung des Frühlingsotivs mit der Gestaltung von Georg Heym! 3. Erläutern Sie am Beispiel dieses Motivwandels Charakteristika von Expressionismus und literarischem Biedermeier! b) Erwartungshorizont Unterrichtliche Voraussetzungen Als Voraussetzung gelten die Kernbereiche “Epochenwandel (12.1)” und “Die Entfaltung der literarischen Moderne (13.1)”. Die Schülerinnen und Schüler kennen expressionistische Themen und Motive. Aus der Unterrichtseinheit “Epochenwandel (12.1)” kennen sie Epochenübergänge am Beispiel von Weimarer Klassik / Romantik und Biedermeier / Frührealismus bzw. Poetischer Realismus und Moderne. Zielsetzung dieser Unterrichtsreihe waren reale und imaginierte Sichtweisen von Realität. Beschreibung der erwarteten Prüfungsleistung Zu Aufgabe 1 Grundvoraussetzung ist, dass Form, Sprache, Motivik und Inhalte funktional und Einheiten bildend untersucht wird. Form: Vier Strophen, zwei Quartette mit dem Reimschema abba und zwei Terzette mit dem Reimschema abc / bac, Sonett Sprache: Die ersten beiden Sätze entwerfen ein impressionistisches Landschaftsbild. Ein “Feldweg” “träumt” im folgenden Relativsatz und “zieht” als Subjekt des Hauptsatzes “fern über Feld”. Dem zweiten Hauptsatz, der im 3. Vers beginnt, sind zwei Nebensätze angehängt, die mit “wo” beginnen und in der zweiten Strophe im 5./6. Vers mit einer Apposition zur “Wolke” und dann mit dem Objekt “den Tag mit goldnem Grat” erweitert werden. Das einzige zunächst nicht sichtbare Phänomen, das Glöck chen, klingt zunächst und wird dann auch visualisiert ”goldenen Tons” Motivik: Das nahe reine Naturbild der 1. Strophe wird in der einer Gegenbewegung im 2. Vers in die Ferne erweitert. In den ersten beiden Strophen wird ein reines (weißes) Naturbild gezeichnet , das im 2. Vers eine helle Farben annimmt (“grüne Saat”) und leicht durch etwas Metaphysisches berührt wird (“kleiner Kirchturm” / ”Glöckchen” ). Im 3. Vers kommt ein “Ackerer” ins Bild, der “ groß ”ist, auch wenn er am “ Himmelsrand ”, also am Horizont “geht”. Im 10. Vers kommen “Stiere”, groß “wie Riesen ”, vor des “Abends tiefer Glut” hinzu. Die Farbe “schwarz” stellt eine weitere farbliche Steigerung dar. Im letzten Terzett wird das neue Motiv der “Mühle” hinzugefügt., die “der Sonne Haar” erfasst ( Sonnenstrahlen ). Eine langsame ( “langsam sinkt” ) löst schnelle Bewegung ( “wirbelt” ) ab. Das nachgestellte “Blut” verstärkt im Reim “tiefe Glut” die Farbmetaphorik, die auf den Kopf bezogen ist Thema: Umfassende synästhetische Veränderung ist Bedrohung und Hoffnung zugleich Intention: Es gibt keinen statischen Zustand gibt; dennoch wird der Versuch gemacht, Bilder zu bewahren. Zu Aufgabe 2 Das Gedicht „Er ist ’s“ von Eduard Mörike beinhaltet den nahenden Frühling. Es lässt sich gedanklich in drei Abschnitte gliedern. In den Verszeilen 1 – 6 wird der Frühling personifiziert dargestellt, der ein blaues Band flattern lässt. Frühlingshafte Düfte durchziehen das Land und die ersten Veilchen sind bereits zu erwarten. Im zweiten Teil fordert das lyrische Ich den Leser auf hinzuhören und den ankommenden Frühling gleichsam akustisch wahrzunehmen (V. 7). In den Versen 8 und 9 schließlich wird der Frühling direkt angesprochen und seine Ankunft erwähnt. Das Gedicht besteht formal aus einer einzigen Strophe mit insgesamt neun Verszeilen. Es erinnert somit an eine einfache Liedstrophe. Der gedanklichen Gliederung entspricht auch die syntaktische Einheit. Die Zeilen 1 und 2, sowie 3 und 4 sind durch Enjambements verbunden, die Zeilen 5 und 6 durch eine Satzreihe. Die verbleibenden drei Verszeilen beinhalten Ausrufe. Hinsichtlich der Sprache fällt auf, dass vorwiegend Verben der Bewegung und der Tätigkeit verwendet werden, so „flattern“ (V. 2), „streifen“ (V. 4), „träumen“ (V. 5), „kommen“ (V. 6), „horch“ (V. 7), „vernommen“ (V. 9). Weiterhin tragen zur stimmungsvollen Wirkung des Gedichts die vielen Adjektive und Adverbien bei: „blaues“ (V. 1), „süße“ (V. 3), „wohlbekannte“ (V. 3), „ahnungsvoll“ (V. 4), „balde“ (V. 6) und „leiser“ (V. 7). Die Substantive kommen im Allgemeinen erwartungsgemäß aus dem gedanklichen Bereich „Natur“. Das Gedicht ist von vielen rhetorischen Stilmitteln geprägt. Am Anfang fallen Personifikationen auf wie der Frühling selbst, der „sein blaues Band“ (V. 1), welches beim Leser den Himmel assoziieren lässt, durch die Lüfte flattern lässt. Ebenso werden die Düfte personifiziert, die das Land streifen. Und letztlich „träumen“ die Veilchen und „wollen balde kommen“ (V. 5f). Daneben werden die unterschiedlichen Sinnesbereiche angesprochen: Der Frühling mit seinem Band und die Veilchen werden visuell wahrgenommen, der Harfenton akustisch und die Düfte als Geruch. Dadurch und durch die Personifikationen wird der Frühling für den Leser unmittelbar erlebbar. Auch klanglich finden sich im Gedicht Verbindungen, so durch die Alliteration „blaues Band“ (V. 1) und die „Ü“-Vokale bei „Lüfte“ (V. 2), „süße“ (V. 3) und „Düfte“ (V. 3).In Vers 7 wird zunächst der Leser vom lyrischen Ich direkt angesprochen und unmittelbar in das Geschehen einbezogen. In den letzten beiden Verszeilen dann wird der Frühling als „du“ angeredet, somit vermenschlicht und vergegenwärtigt. Daraus ergibt sich auch, dass in den Versen 1 – 6 die Natur eher objektiv dargestellt wird, während in den Versen 7 – 9 die persönliche Beziehung zwischen Leser, lyrischem Ich und dem Frühling hergestellt wird. Besonders hervorgehoben ist die 7. Verszeile mit ihrer Anrede, dem gefühlsbetonten Ausruf, dem 5-hebigen Metrum und dem Herausfallen aus dem Reimschema. Diese Zeile stellt den Gipfelpunkt des Gedichts dar, in der das lyrische Ich den Frühling wieder erkennt. Zu Aufgabe 3 Das Motiv „Frühling“ hat Dichter der verschiedensten literarischen Epochen immer wieder beschäftigt. Auch Eduard Mörike, ein Vertreter der Biedermeierzeit, und Georg Heym, ein Expressionist, befassten sich mit dieser Thematik in ihren Gedichten „Er ist ’s“ und „Printemps”. Eduard Mörike spricht in seinem Gedicht den nahenden Frühling in Einzelheiten an, die eher idyllisch Details der Natur wiedergeben. Der Dichter stellt in seinem Werk seine subjektiven Empfindungen in Bezug auf die Ankunft des Frühlings dar. Der Text ist gefühlsbetont und entspricht der kleinbürgerlichen Sichtweise des menschlichen Lebens in der Biedermeierzeit. Mörike gehört zu den Bürgern, die sich unbeeindruckt von den Forderungen der Französischen Revolution und den politischen Gegebenheiten ins bürgerliche Leben zurückzogen, ohne sich von ihrer Sichtweise der Dinge abzuwenden und sich neuen Dingen zuzuwenden. Im Gedicht „Printemps“ von Georg Heym beginnt mit einem impressionistischen Bild . Er steigert die Anfangsidylle bis hin zum Tod. Er versinnbildlicht die Unruhe und die leidenschaftliche Intensität des neuen Lebensgefühls des beginnenden Expressionismus. Der Dichter wollte kein Naturgedicht verfassen, in dem er den Beginn einer neuen Jahreszeit in seiner subjektiven Empfindung niederschreibt, sondern ein Gedicht, das die Aufbruchsstimmung der expressionistischen Zeit vermittelt. So wie das helle auch akustisch ruhige den Auftakt gibt zu neuem Leben, so glaubt der Dichter, dass auch der Mensch aufgerüttelt werden muss, vorwärtsdrängen muss, selbst in unbekannte Fernen, um zu neuen Erkenntnissen, zu letzter Wahrheit zu gelangen. Ein neuer Mensch soll geschaffen werden, eine gewandelte Welt, ein neues Lebensgefühl. Die beiden Gedichte „Er ist ’s“ von Eduard Mörike und „Printemps“ von Georg Heym entstammen unterschiedlichen Epochen und wurden von den Dichtern aus unterschiedlichen Gründen verfasst. Mörike gibt in seinem Werk sein subjektives Empfinden in Bezug auf den Frühlingsbeginn wieder, während Heym ein typisch expressionistisches Gedicht verfasst, in dem er vor dem Hintergrund der Ankunft der neuen Jahreszeit die Aufbruchsstimmung und Unruhe im Expressionismus darstellt. Bewertungskriterien für die Noten “gut” und “ausreichend” Die Note “gut” verlangt - bei Schwerpunktsetzungen - die diffenzierte und kompetente Erfüllung des Erwartungshorizents, ohne jedoch auf Vollständigkeit im Detail zu drängen. Signifikante Unterschiede zwischen biedermeierlicher und expressionistischer Naturlyrik müssen Teil der Erschließung sein. Die sprachlich-stilistische Gestaltung der Arbeit muss flüssig, korrekt und verständlich und der Aufbau klar gegliedert sein. Für die Note “ausreichend” genügt es, wenn Georg Heyms Gedicht richtig verstanden worden ist und die Form / Sprache - Inhalt - Analyse einige wesentliche Ergebnisse funktionalisiert erbracht hat; wenn Eduard Mörikes Ansatz der Personifizierung und der Synästhesie prinzipiell erkannt worden ist, wenn die fundamentalen Unterschiede expressionistischer und frührealistischer Naturlyrik beschrieben worden sind. Der Aufbau muss erkennbar geordnet, der Stil verständlich und die sprachliche Gestaltung muss weitgehend fehlerfrei sei. mehr zur Literatur in der Zeit der Moderne auf www.fonet.de LGE 31 LGR 30 Die Reihe wird mit der Beschreibung des Bildes von Otto Freundlich begonnen. Otto Freundlich (* 1878 in Stolp, Pommern; † 1943 im KZ Lublin-Majdanek) war ein deutscher Maler und einer der ersten Vertreter der abstrakten Kunst.1912 entstand die Plastik "Der neue Mensch", die 1937 auf dem Titelblatt des Katalogs zur Nationalsozialistischen Ausstellung "Entartete Kunst" erschien. Was ist Expressionismus ? Arbeitsaufträge Aufgabe 1: Aufgabe 2: Stellen Sie das Bild “Zirkusreiterin” von Ernst Ludwig Kirchner im Kontext der Kunstwerke der Zeit als Werk des Expressionismus vor. Referieren Sie über die Ausstellung Gesamtkunstwerk Expressionismus. Kunst, Film, Literatur, Aufgabe 3: Aufgabe 4: Stellen Sie eine Filmsequenz als Beispiel für den expressionistischen Film vor! Betrachten und bewerten Sie das Video. Erstellen Sie als Gruppe zu einem selbst gewählten Text ein Video und stellen Sie es bei Youtube ein! Georg Heym "Die Stadt” Das Cabinet des Dr. Caligari Originaltitel: Das Kabinett des Dr Caligari Laufzeit: 72 Minuten. Produktionsjahr: 1919 Theater Tanz und Architektur 1905-1925 24. Oktober 2010 bis 13. Februar 2011 Link zur Vertiefung Epochenüberblick zur Abiturvorbereitung BG SH Expressionismus Name: Datum: www.fo-net.de LÜE 50 Dauer und Bezeichnung der Epoche: Der Begriff Expressionismus wird aus den beiden lateinischen Wörtern „ex“ und „premere“ zusammengesetzt, die zunächst „ausdrücken“ bedeuten. Kurt Hiller hat den Begriff geprägt und benennt als Zeit 1905-1925. Bedeutende Vertreter und Werke Dramatiker: Ernst Toller, Georg Kaiser Lyriker: Ernst Barlach, Johannes R. Becher, Gottfried Benn, Else Lasker-Schüler Mindestens fünf Angaben zum Charakter der Zeitstrahl Literatur Zentrales Thema expressionistischer Literatur ist der Aufbruch, der sich im Verkündigungspathos der Expressionisten widerspiegelt. Das Bewusstsein, sich von politischen, sozialen und ästhetischen Fesseln der Vergangenheit befreien zu müssen, war allen Vertretern gemeinsam und äußerte sich in neuartigen Formen u. Inhalten. Gattungen Vor Kriegsausbruch wird der Krieg in der Lyrik häufig als Motiv herangezogen.Nach Kriegsausbruch entstehen in Bezug auf das Kriegsmotiv ebenfalls fast ausschließlich Gedichte. Vertreter aus der Dramatik sind Ernst Toller oder Ernst Barlach. Themen und Motive Themen Krieg, Großstadt, Zerfall, Angst, Ich-Verlust und Weltuntergang sowie Wahnsinn, Liebe und Rausch. Epochenmerkmale Sprache und Stil Figuren Sprache: Subjektiv, übersteigert, überhöht, verzerrt. Versuchte die traditionelle Bildungssprache zu zerstören. Rhythmen flossen, hämmerten oder stauten sich. Man ließ Füllwörter, Artikel und Präpositionen weg, bildete neue Wörter, und betonte sie anders. Keine pers. Charaktere, sondern typisierte Charaktere oft übersteigert bis grotesk verzerrt Protagonisten (Wortführer) ohne Namen, meist mit Maske um das allgm. vorzutragen Telegrammstil/Sprachverknappu ng - Verbalstil ("Entsubstantivierung der Welt", Schaffung neuer Verben: tieren, blumen, ...) 1905 Die Verwirrungen des Zöglings Törleß (1906) Musil Masse Mensch (1920) Toller Zeitstrahl 1915 1910 Die Ermordung einer Butterblu me (1910) - Döblin Gesän ge an Berlin (1914) Lichte nstein Gehir ne (1915 )Benn Technische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und soziale Entwicklung entstand am Vorabend des II WK’s ausgelöst durch Erlebnis der inneren Krise vor I WK (Auflösung der alten Gesellschaft - innere Leere) technischer Fortschritt, industrieller Aufschwung Vertreter des Expressionismus waren mit ihrer Zeit unzufrieden.,.. 1920 Welte nde (1918) Hoddi s Menschheitsdäm merung, Symphonie jüngster Dichtung (1920) - Pinthus 1925 Masse Mensch (1920) - Toller Link zur Vertiefung Abiturvorbereitung BG SH Expressionismus Medien der Zeit Name: Datum: www.fo-net.de LÜE 51 1. Das Radio von 1923 - 1934 2. Der Film in den zwanziger Jahren 1. Das Radio 1.1. Die erste Rundfunksendung Berlin 29.Oktober 1923: Drei Minuten vor acht Uhr! Alles schweigt. In das Mikrophon ertönen die Worte: Achtung! Hier Sendestelle Berlin Voxhaus, Welle 400. Wir bringen die kurze Mitteilung, dass die Berliner Sendestelle Voxhaus mit dem Unterhaltungsrundfunk beginnt." (BZ am Mittag, 30.10.1923) Die Ansage leitet die erste Radiosendung des neuen "Unterhaltungsrundfunks" ein, es war wie wir heute sagen würden - eine Live-Sendung. Die Musiker, die einzeln vorgestellt wurden, spielten als erstes von zwölf Musikstücken ein Cello-Solo mit Klavierbegleitung, das "Andantino" von Kreisler, und zum Schluss das Deutschlandlied. Nach dem einstündigen Programm erklang dann die Absage: "Wir wünschen Ihnen eine gute Nacht! Vergessen Sie bitte nicht, die Antenne zu erden!" Gesendet wurde aus einer Dachkammer des Vox-Hauses in der Potsdamer Straße 4. das eigentliche Aufnahmestudio lag im 3.Stock. Hier war ein Zimmer durch Wolldecken im Verhältnis 2:1 geteilt worden. im größeren Teil stand auf einem mit zwei Adressbüchern erhöhten Stuhl das Mikrofon. Zur Abdämpfung des Schalles waren die Wände mit violettem Krepppapier behängt. Im kleineren Teil waren die notwendigen technischen Einrichtungen untergebracht. Berliner Tagblatt vom 30.10.1923: "Es gibt ... noch keinen Menschen in Berlin mit einem rechtmäßig, d.h. postamtlich erworbenen Apparat. ... Dagegen wird es wie auch in England, eine ganze Anzahl sogenannter „Schleichhörer‟ geben." Dahinter standen die Bedenken, ob sich der "Unterhaltungsrundfunk" in der wirtschaftlichen und politischen Krisensituation der jungen Weimarer Republik durchsetzen würde. 1.2. Die Papensche Rundfunkreform: Gründung der Reichs-RundfunkGesellschaft Im Mai 1925 war die organisatorische Pionierphase des Rundfunks beendet. Als Dachorganisation sämtlicher Rundfunkgesellschaften wurde die Reichs-RundfunkGesellschaft (RRG) gegründet, der 51 Prozent der Stimmanteile aller Gesellschaften übertragen wurden. "Der Gegenstand des Unternehmens ist die zentrale Leitung der angeschlossenen Rundfunkgesellschaften", hieß es in §2 der Satzung. 1.3. Rundfunk wird Teil der Reichsverwaltung Im Februar 1926 trat die Deutsche Reichspost der RRG bei, bei gleichzeitiger Übernahme der Gesellschaftsanteile in Höhe von 51 Prozent. Damit lagen Verwaltung und Wirtschaft des deutschen Rundfunks in den Händen der Post, d.h. der Rundfunk war ein Teil der Reichsverwaltung geworden. Am 1.Juni 1926 wurde der bisherige Staatssekretär im Reichspostministerium, Hans Bredow, zum Rundfunkkommissar des Reichspostministers und Vorsitzenden des Verwaltungsrats der RRG bestellt. 1.4. Entwicklung der zahlenden Hörer Am 29.Oktober 1923 wurde kein einziger zahlender Teilnehmer registriert, am 1.Dezember waren es erst 467. Das ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Inflation zu diesem Zeitpunkt in Deutschland auf dem Höhepunkt war. Aber es gab zahlreiche "Zaungäste", wie Schwarzhörer damals genannt wurden. 1.5. Der Rundfunk in der NS-Zeit Hitlers Ziele Vom ersten Tag der Regierung an verfolgte Hitler mit den Prinzipien eines ideologischen und terroristischen Systems seine Ziele: unbedingte Unterwerfung unter das "Führungsprinzip", ideologische Gleichschaltung auf allen Ebenen, Ausrottung der Juden, Eroberung von "Lebensraum im Osten" - diese zentralen Punkte benannte er schon 1924 in seinem Buch "Mein Kampf". Erste Rundfunkansprache Zwei Tage nach der Machtübernahme, am 1.Februar 1933 sprach Hitler zum ersten Mal vor einem Rundfunkmikrophon und verlaß den Propagandaaufruf der Reichsregierung "An das deutsche Volk". In den Wochen danach benutzte die NSDAP den Rundfunk intensiv für ihre öffentlichen Auftritte, anlässlich der Reichstagswahl. Rundfunk in jedes Haus Um Goebbels Ziele zu verwirklichen, wurde unter der Parole "Rundfunk in jedes deutsche Haus" die Massenproduktion von billigen Kleinradios ( Volksempfänger) beschlossen. Mit dieser Aktion sollten möglichst viele Hörer für die offiziellen Propagandasendungen erreicht werden. Nach außen hin wurde hingegen die Befriedigung sozialer Bedürfnisse verkündet. Die politische Bedeutung der Geräte wurde auch von den Gerichten bestätigt. Volksempfänger VE 301 Für die Rundfunkindustrie brachte die Volksempfänger-Produktion nur Vorteile: Bereits am ersten Tag seiner Vorstellung in der Öffentlichkeit, dem ersten Tag der Funkausstellung 1933 ( 18. August), war die erste Produktion von 100 000 Apparaten verkauft. Im gesamten Jahr 1933 wurden über 650 000 Volksempfänger produziert. 1934 waren es über 840 000. Die Produktionskapazitäten der Industrie waren zum ersten Mal fast ganzjährig ausgelastet. 2. Der Film in den zwanziger Jahren Während des 1.Weltkrieges war Deutschland von internationalen Entwicklung abgeschnitten, anschließend boomen wegen des Einfuhrverbotes private Filmfirmen. Deshalb werden Filme nur für Inland produziert, Filmthemen ab 1910 waren Rührseligkeit und Selbstmitleid Anschließend erfolgte die Verarbeitung des Kriegstraumas in Filmen, Themen in den 20ern sind Lebenspläne. Die Jahre 1919- 1924 sind die künstlerisch reichste Zeit des deutschen Films. Ab ist 1920 Einfuhr ausl. Filme wieder zugelassen. Ab 1920 regelt das von der Nationalversammlung in Weimar erlassene Reichslichtspielgesetz eine Regelung, dass alle Filme vor der öffentlichen Vorführung von amtlichen Prüfstellen zugelassen werden müssen. 2.1. Die Entwicklung der Ufa: 1921 Gründung der „Efa" ( europäische Filmallianz) als deutsch- amerikanische Verbindung 1922 Höhepunkt der Scheinblüte des deutschen Films - Erste öffentliche Vorführung verschiedener Kurzfilme mit Ton (vom Publikum anfangs abgelehnt) 1926 Beschluss des Reichsrats: Vereinheitlichung der Vergnügungssteuersätze 1927 Übernahme der Ufa durch Hugenberg „Metropolis" von Franz Lang ist ein filmtechnischer Erfolg, aber internationaler Erfolg bleibt aus 1929 Ufa präsentiert in Neubabelsberg vier neue Tonfilm-Ateliers - November: Beginn der Dreharbeiten zum „Blauen Engel" - allmähliche Umstellung von Stummfilm zu Tonfilm - Ufa stärkster Produktions-Verleih-Theater-Konzern (Gründung 1917) - Ufa eher politisch & wirtschaftlich orientiert als künstlerisch (Produktion künstlerisch ambitionierter Filme eher von: Nero, Prometheus & Studio 29) 2.2. Babelsberg (bei Berlin): in Babelsberg sind anfangs nur Ateliers Erich Pommer und Fritz Lang sind die ersten, die eine reale Außenwelt im Atelier nachbauen lassen unbegrenztes Außengelände und kapitalkräftige Firmen machen Babelsberg zum Hauptdrehort wandelte sich von weit abgelegener und streng bewachter „Filmfabrik" (Anfang 20er Jahre) zur bizarren Metropole in Dimension kalifornischer Filmstädte ( ab Mitte 20er Jahre) Fritz Langs „Nibelungen" & „Metropolis" dort teilweise gedreht Babelsberg langsam zu klein Aufrüstung bzw. Vergrößerung; Schaffung eines Kunstlichtateliers: Neubabelsberg wird durch Größe, technischer Ausstattung und Mitarbeiter zum Hollywood Deutschlands Babelsberg wird zum Instrument gemacht, dass dem öffentlichen Image der Ufa dienen soll (auch Regierungsbehörden sollten dem Film größere Beachtung schenken) 2.3. Fritz Lang Im Gegensatz zu Murnau benutzt Lang nicht bewegte Kamera und Montage, sondern Bauten und Beleuchtung für Schatten und Lichteffekte Architektonische Strukturen dominieren über graphische Der Raum wird in Gestaltung einbezogen Die übereinstimmende Meinung verschiedener Autoren ist , dass „ Die Nibelungen" und „Metropolis" narzistisch angehaucht sind (in „Die Nibelungen": Kult d. Norwegen; Diffamierung des „Undeutschen" ; Unterordnung unter d. Willen des Führers; Vergötzung des Heldentodes; in „Metropolis" Verschleierung der sozialen Gegensätze & „Erlösung" des Proletariats durch den überlegenen, dem Klassenkampf entrückten Führerwillen Langs Regie war objektiv betrachtet nicht so frei von faschistischer Ideologie wie seine subjektiven Überzeugungen Lang emigriert in die USA; seine Filme werden von den Nazis für sich reklamiert Lang ist zwar fasziniert vom Chaos, lehnt es jedoch ab; er sieht dazu keine andere Alternative als die Diktatur Die Ordnung ist in allen seinen Filme Konzentration auf ein Machtzentrum Nachdem sein Film „Metropolis" ein Misserfolg ist, begnügt sich Lang mit bescheideneren Themen Beispiel-Analyse: “M- eine Stadt sucht einen Mörder” (1931) als DVD vorhanden 2.4. Der französische Film der 20er Nach 1. Weltkrieg hat die französische Filmindustrie grosse Schwierigkeiten In Kriegs- und Nachkriegsjahren entstehen neue Bedürfnisse beim Publikum nach einer Teilung in kommerzielle und intellektuelle Produktionen Der Avantgardefilm gibt der französischen Filmindustrie (wenn auch nur vorübergehend) neue Strukturen 2.5. Der sowjetische Revolutionsfilm Im zaristisches Russland entsteht erst spät eigene Filmproduktion Im 1. Weltkrieg gibt es eine günstige Wendung für die russische Filmindustrie (es gab plötzlich keine Konkurrenz mehr) neue Produktionsfirmen, Studios und Laboratorien entstanden Nach der Oktoberrevolution (1917) emigrieren die meisten bekannten Regisseure und Darsteller in die Hauptstädte der westl. Länder Franz. Intellektuelle und Filmkritiker helfen mit im Paris der 20er Jahre eine Mode des russischen Emigrationsfilms zu schaffen Andere russische Emigranten lassen sich in Berlin nieder 1927 entsteht der Revolutionsfilm Panzerkreuzer Potemkin s/w, 75 Min. in der Regie von Sergej M. Eisenstein 2.6. Das Hollywood der 20er Jahre Die 20er Jahre sind für die amerikanische Filmwirtschaft eine Zeit radikaler Expansion nach innen und außen Durch Krieg ist der Import europäischer Filme in die USA gestoppt und gleichzeitig erfolgt der Einbruch des amerikanischen Films in europäische Märkte Neben Sowjetunion Vorherrschaft der Filmkonzerne in Europa bis gegen Ende des Jahrzehnts Am Ende der Stummfilmzeit beherrschen 7 Konzerne den amerik. Markt (Fox, Warner Brothers, Paramount, Universal, United Artists, First National, MGM) 1920- 1928 erfolgt ein starker Anstieg der Produktionskosten durch hohe Konzerninvestitionen Finanzielle Unterstützung durch New Yorker Großbanken: Erwerb der Aktienmehrheit der wichtigsten Produktionsgesellschaften Durch Bankenbeteiligung Mitspracherecht in Produktion Anonymisierung der Filme & Verfestigung der Klischees Überwindung der Klischees nur durch schwere äußere Erschütterungen (Wirtschaftkrise & Krieg) möglich Wirtschaftlicher Aufschwung trifft auf Skepsis, die dem Krieg folgt Hektische Munterkeit (Kennzeichen der Atmosphäre der „roaring twenties" Erwartung der amerik. Gesellschaft vom Film: Bestätigung ihrer Einschätzung der Wirklichkeit Vermehrte Proteste von religiösen Gruppen, Bürgerlichen, Frauenclubs & Kriegervereinen gegen den Film 2.7. Charlie Chaplin 20er Jahre Übergang von zu Kurzfilm zu ausschließlich langen Filmen mehr zur expressionistischen Lyrik auf www.fo-net.de LGE 32 Die Bilder von van Gogh Sternennacht (1889) und Der Schrei von Edvard Munch (1892) eignen sich sehr gut, um Vorwissen zur Epoche abzufragen und zu fixieren. Besonders das Munch-Bild ermöglicht die Thematisierung von Epochenübergängen. Zu van Goghs “Sternennacht” passt das Lied von Don McLean - Stary Stary Night Die Expressionisten drücken die innere Not der Menschen der Zeit aus - im Gegensatz zur Beschreibung der äußeren Not im Naturalismus. In der Lyrik wird das Anliegen der Expressionisten am deutlichsten. Gottfried Benn beschreibt es als "Wirklichkeitszertrümmerung, als rücksichtsloses An-die-Wurzel-der-Dinge-Gehen". Das Gedicht "Weltende" des Frühexpressionisten Jakob van Hoddis (1911) drückt die Weltsicht der Autoren aus. Dieses auf den ersten Blick eher unscheinbare Gedicht wird - analog zum Munch-Bild “Der Schrei” - Tagesgespräch in den literarischen Kreisen der Avantgarde, weil es nicht nur die Verachtung einer Welt der stumpfen Bürgerlichkeit zum Ausdruck bringt, sondern bereits die Katastrophe (1914) vorwegnimmt. Als ein Meilenstein expressionistischer Lyrik gilt die 1920 von Kurt Pinthus herausgegebene Anthologie "Menschheitsdämmerung", die 1920 in einer Auflage von 6.000 Exemplaren im Rowohlt-Verlag erschien. Dieser Gedichtsammlung wird das van-Hoddis-Gedicht "Weltende" als Motto vorangestellt. Die Kapitelüberschriften spiegeln das Lebensgefühl der Expressionisten wider: 1. 2. 3. 4. Sturz und Schrei Erweckung des Herzens Aufruf und Empörung Liebe den Menschen Vertreten sind Autoren wie Georg Heym, Franz Werfel, Gottfried Benn, Else LaskerSchüler, Ernst Stadler, Georg Trakl. Die wichtigen Themen- und Motivkomplexe des Expressionismus sind Angst, Tod, Wahnsinn, Melancholie, Krieg. Ähnlich wie in der Malerei die Künstler ihre Emotionalität, ihren seelischen Ausdruck in neue vereinfachte Formen, grelle Farben kleiden und verfremden, so bedienen sich die Literaten neuer sprachlicher Mittel: Die Sprache ist oftmals stakkatohaft, abgerissen, voller Wortneuschöpfungen und erscheint in ungewohnten Rhythmen. Für den Leser entsteht eine unwirkliche Welt, doch geht es dem expressionistischen Autor eben nicht um die Wirklichkeit, sondern um die Wahrheit, die er vermitteln will. 3. Die Gedichte zum Motivkomplex “Menschheitsdämmerung” Jakob van Hoddis 1887-1942 Weltende 1 Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut, 2 in allen Lüften hallt es wie Geschrei. 3 Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei 4 und an den Küsten - liest man - steigt die Flut. 5 Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen 6 an Land, um dicke Dämme zu zerdrücken. 7 Die meisten Menschen haben einen Schnupfen. 8 Die Eisenbahnen fallen von den Brücken. Interpretation: Das Gedicht „Weltende“ (1911) ist das bekannteste von Jakob van Hoddis. Das Besondere an diesem Text ist der sogenannte „Reihungsstil“ (manchmal auch als „Simultanstil“ bezeichnet). Mit Reihungsstil ist die Schilderung simultaner Ereignisse gemeint, die gleichzeitig geschehen. Jeder Vers bildet jeweils eine Sinneinheit. Diese Sinneinheiten stehen in keinem offensichtlichen Zusammenhang mit den anderen Einheiten, sodass der Leser den Eindruck hat, dass das Gedicht wirr, abgehackt oder zusammenhanglos ist. Dieser Reihungsstil wurde von vielen anderen expressionistischen Lyrikern verwandt, u.a. auch von Alfred Lichtenstein in dem Gedicht „Dämmerung“. Nachfolgende Epochen haben diese Technik für sich übernommen (z.B. der Dadaismus). Die beiden Strophen des Gedichtes bestehen aus jeweils vier Versen . Die erste Strophe enthält einen umarmenden Reim (abba) , die zweite Strophe einen Kreuzreim (abab). Das Metrum ist ein fünfhebiger Jambus (unbetont-betont). Bereits aus dem Titel geht hervor, dass es in dem Text um den Weltuntergang geht. Sehr grotesk klingen für den Leser nicht nur die disparaten Einzelbilder aufgrund des bereits angesprochenen Reihungsstils, sondern auch wegen der unverhältnismäßigen Gegenüberstellungen von Katastrophenszenen. In den Versen 1 und 2 berichtet das lyrische Ich davon, dass es sehr stürmisch sei und dem Bürger der Hut vom spitzen Kopf fliege; Hoddis spielt damit nebenbei auch gleich auf das Spießbürgertum an. Im Gegenzug dazu fallen die Dachdecker im 3.Vers von den Häusern und zerfallen durch den Aufschlag. Noch deutlicher sind die letzten beiden Verse: Die „meisten Menschen haben einen Schnupfen“ und im nachfolgenden Vers fallen die Eisenbahnen von den Brücken. Trotz des apokalyptischen Sujets, welches viele Bezüge zur Bibel hat, wie z.B. Z.2: „Zerdrückende Dämme“, Z.5: „Wilde Meere“ oder Z.2: „In den Lüften hallt es wie Geschrei“ (Offenbarung des Johannes/Apokalypse), werden die Beobachtungen verharmlost dargestellt, der Beobachter ist geradezu euphemistisch. Der grausame Tod der Dachdecker wird nur lapidar mit „Dachdecker gehen entzwei“ geschildert; die Dachdecker werden „verdinglicht“ und depersonifiziert, als sei ihr Tod zu vergleichen mit dem Entzweigehen einer heruntergefallenen Dachpfanne. Das Tosen des Meers wird nur mit „hupfen“ verniedlicht. Die Dammbrüche werden durch die Alliteration „dicke Dämme zu zerdrücken“ (Z.6) bagatellisiert und die Parenthese in Vers 4 („liest man“) scheinen dem Leser klar zu machen, dass der Sprecher sich vom Weltuntergang gar nicht betroffen fühlt. Das Gedicht wirkt daher teilnahmslos, distanziert und emotionslos auf den Leser. Es fällt schwer, dieses ironisch-satirisch klingende Gedicht in seiner tatsächlichen Dimension ernst zu nehmen. Dazu setzt der Reihungsstil und die sehr starre äußere Form einen Kontrapunkt zu dem ansonsten sehr bewegten Inhalt des Gedichtes; denn bei einer Beschreibung über den Weltuntergang erwartet man nicht unbedingt, dass noch auf Reimschema und Metrum geachtet wird. Äußere Form und Inhalt stehen also im Kontrast zueinander. Dieser schwarze Humor von van Hoddis speiste sich im Wesentlichen aus der Angst der sich vollziehenden Industrialisierung. Erfindungen wie die Eisenbahn waren für viele Menschen zunächst sehr befremdlich und man stellte absurde Theorien darüber auf, dass ein Mensch nur eine Geschwindigkeit bis 50 km/h aushalten könne. Die Städte erfuhren einen rasanten Bevölkerungswachstum und Zustrom aus der ländlichen Umgebung. Viele Städte waren dem nicht gewachsen und so machte sich Armut breit. Weltuntergangsstimmung war latent vorhanden. Ganz besonders traf dieses Ereignis mit der Wiederentdeckung des Halleyschen Kometen zusammen. Der Halleysche Komet versetzte die Menschen in große Panik, da man einen Aufschlag mit der Erde befürchtete . Van Hoddis verspottet die Weltuntergangsstimmung seiner Zeitgenossen in „Weltende“. Nun wird analog das folgende Gedicht interpretiert. Alfred Lichtenstein 1889-1914 Die Dämmerung 1 2 3 4 Ein dicker Junge spielt mit einem Teich. Der Wind hat sich in einem Baum gefangen. Der Himmel sieht verbummelt aus und bleich, Als wäre ihm die Schminke ausgegangen. 5 6 7 8 Auf lange Krücken schief herabgebückt Und schwatzend kriechen auf dem Feld zwei Lahme. Ein blonder Dichter wird vielleicht verrückt. Ein Pferdchen stolpert über eine Dame. 9 An einem Fenster klebt ein fetter Mann. 10 Ein Jüngling will ein weiches Weib besuchen. 11 Ein grauer Clown zieht sich die Stiefel an. 12 Ein Kinderwagen schreit und Hunde fluchen. Im nächsten Schritt entwickeln die Schülerinnen und Schüler Inszenierungsdieen zu Georg Trakls Morgenlied. Anschließend betrachten die SchülerInnen den DVD-Clip von David Benned zum Morgenlied und diskutieren die Umsetzung durch Ralf Schmerberg in dem Film-Projekt POEM. Ralf Schmerberg gehört zu einer Generation von Filmemachern, die, wenn nötig, auch mal hergehen und schlichtweg konstatieren: "Hey, Kultur ist was Geiles!" So steckt er den mittlerweile längst der "Blechtrommel" entronnenen Schauspiel-Star David Bennent in eine Ritterrüstung und lässt ihn mitten in Berlin Georg Trakl rezitieren: Georg Trakl: Das Morgenlied 1 Nun schreite herab, titanischer Bursche, 2 Und wecke die vielgeliebte Schlummernde dir! 3 Schreite herab, und umgürte 4 Mit zartlichten Blüten das träumende Haupt. 5 Entzünde den bangenden Himmel mit lodernder Fackel, 6 Daß die erblassenden Sterne tanzend ertönen 7 Und die fliegenden Schleier der Nacht 10 Aufflammend vergehen, 11 Daß die zyklopischen Wolken zerstieben, 12 In denen der Winter, der Erde entfliehend, 13 Noch heulend droht mit eisigen Schauern, 14 Und die himmlischen Fernen sich auftun in leuchtender Reinheit. 15 Und steigst dann, Herrlicher du, mit fliegenden Locken 16 Zur Erde herab, empfängt sie mit seligem Schweigen 17 Den brünstigen Freier, und in tiefen Schauern erbebend 18 Von deiner so wilden, sturmrasenden Umarmung, 19 Öffnet sie dir ihren heiligen Schoß. 20 Und es erfaßt die Trunkene süßeste Ahnung, 21 Wenn Blütenglühender du das keimende Leben 22 Ihr weckest, des hohe Vergangenheit 23 Höherer Zukunft sich zudrängt, 24 Das dir gleich ist, wie du dir selber gleichst, 25 Und deinem Willen ergeben, stets Bewegter, 26 Daß an ihr ein ewig Rätselvolles 27 In hoher Schönheit sich wieder künftig erneuert. Auf der Grundlagen der Übersicht zu rhetorischen Figuren arbeiten die SchülerInnen nun nach Lerntyp zu strukturellen, visuellen und klanglichen Aspekten des Gedichtes und tragen ihre Vorschläge in Gruppen auf OHP-Folien zusammen, um im Plenum die Ergebnisse aspektiert zu ordnen. Die Hausaufgabe ist das Anfertigen einer schriftlichen Interpretation zu dem Gedicht . Ein Schülerprodukte ist hier beispielhaft einzeln und dann übereinander gelegt dokumentiert: Anschließend wendet die Klasse sich dem Thema der Großstadt über ein Bild von Ernst Ludwig Kirchner zu. Auswahlkriterien für das Bild und für den Text waren: Das Thema Großstadt wird im Expressionismus in einer Mischung aus Liebe und Hass betrachtet. Diese Unterschiede sollen (nach Bearbeitung der Hausaufgabe) deutlich werden. Die Vertrautheit mit dem Motiv "Abend" Das Synästhetische der Epoche soll durch die Verbindung Bild (von Ernst Ludwig Kirchner- Potsdamer Platz 1914 - Kurzbeschreibung: Die freie Sinnlichkeit wird abgelöst durch die brutale Erotik der Großstadtprostitution. Elegant gekleidete Prostituierte beziehen Blicke und Gesten animierend auf Männer. Die beiden Koketten, auf einer Verkehrsinsel stehend, überragen bedeutungsperspektivisch ins Monumentale gesteigert die Szene, die sie beherrschen, auch durch die Formspannungen zu den anderen Figuren und Raumteilen. Prostitution versinnbildlicht Käuflichkeit und Egoismus auf eine besondere Weise. Kirchners stilistisches Verfahren ist dem “steinernen Stil” Döblinsnicht unähnlich. Die winkelhaften Züge und die Zwanghaftigkeit der Bewegungen zeigen Nähen zum Kubismus und Futurismus und zu frühen Filmbildern. - zur genaueren Bildbeschreibung gelangen Sie durch das Anklicken des Bildes) und Text deutlich werden. TIL Textinterpretation Lyrik Sekundarstufe II Szenische Verfahren Name: Datum: www.fo-net.de TIL 410 Eine ergänzende Erarbeitungsmöglichkeit ist die Szenische Interpretation von Texten (am Beispiel des Gedichtes “Blauer Abend in Berlin” von Oskar Loerke) Vorbereitung: - Besprechung der Bewertungsmöglichkeiten der szenischen Interpretation 1. Die SchülerInnen wählen eine Rolle und unternehmen in dieser Rolle (z.B. vom KirchnerBild ausgehend) eine Phantasiereise in das Jahr 1914. Sie notieren Eindrücke aus der Sicht einer Frau usw. 2. Die SchülerInnen sprechen den Text (in diesem Fall zunehmend chorisch). 3. Die SchülerInnen gestalten vier Bilder zu den vier Strophen, die vom Kurs - vom Text ausgehend - in die (hier abgebildete) richtige Reihenfolge gebracht werden müssen. 4. Als abschließendes kleines Spiel zu Stilmitteln der Lyrik legte die Gruppe Begriffe des Gedichtes aus. Die Mitschüler mussten einen Begriff nehmen und den entsprechende Partner(begriff) suchen und diesen anschließend erläutern. Beispiele für die Begriffskarten: 2. Die Gestaltung des Gedichtes Zielsetzung: Die Gestaltung ist auch eine vertiefende Textanalyse. Der ganzheitliche und schüleraktive Ansatz fördert die Freude am Lesen (Selbstkompetenz) im gemeinschaftlichen Umgang von Schülerinnen und Schülern (Sozialkompetenz) unter Verwendung unterschiedlicher Verfahren der Texterschließung (Methodenkompetenz) mit dem Ziel Inhalte und Formen von Texten mit angemessener Begrifflichkeit zu erfassen (Sachkompetenz). Die SchülerInnen wählten selbst folgende A. Formen der Gestaltung aus: 1. Das sprechende Gestalten und Deuten 2. Das bildnerische Gestalten und Deuten 3. Das szenische Gestalten und Deuten B. Ergänzend sind noch Formen eigener Textproduktion zu unterscheiden wie 1. Das Schreiben nach Leitbegriffen 2. Das Erstellen von Gedichtcollagen 2. 3. 1. 1. Das sprechende Gestalten und Deuten unterscheidet sich fundamental vom Lesen anderer Texte. Qualitätsmerkmale des üblichen Lesens sind Flüssigkeit, Artikulation, Tempo und Infomationsentnahme. Weil Gedichte vernetzte Gebilde sind, gelten für das Lesen andere Grundsätze wie Lesen im ursprünglichen Sinne (Lautieren und Buchstabieren) Rhythmisches Lesen Wiederholtes Lesen (abwechselnd überartikuliert - schleifend, laut - leise, melodisch - unmelodisch usw.) Das Tempo aus dem Text herausnehmen. In der Klasse/Gruppe bieten sich folgende Umsetzungsmöglichkeiten an: Reihum-Lesen: jemand fängt an, entscheidet, wann er aufhört usw.. So wird das Gedicht mehrfach gelesen. Lesen mit Stimmvariation: im Zeilen- /Strophenwechsel Rhythmisches Lesen allein oder gemeinsam mit Körperbewegung (Fuß, Kopf usw.) steigernd, abfallend usw. Rollenlesen: gelangweilt, pathetisch, feierlich o.ä. Echolesen: Worte/Zeilen werden leiser werdend von mehreren Sprechern wiederholt. Das Gedicht (hier dier erste Strophe des Boldt-Gedichtes “Auf der Terrasse des Café Josty “) wird zerlegt und die SchülerInnen wählen jeweils eine Kartei (Arbeit mit farbigen Karten) aus und bilden Paare / Gruppen zusammengehörender Stilmittel, z.B. Wortarten: Sieben Nomen (im Endreim) und kein Verb Wortfelder/Metaphern: : Kälte, Akustik. Ellipsen Klimax Synäthesie: 1. Zeile Reim: männlich / weiblich Lyrisches Ich Klangfiguren: Alliterationen usw . 2. Das bildnerische Gestalten und Deuten Ziel dieses Unterrichtsvorgehens ist es, ästhetische Erkenntnisprozesse als sinnliche Prozesse zu organisieren. Es geht vor allem darum, eine Einheit von Emotionen und Denk-Assoziationen herzustellen. Ein Bild kann die Aussage eines Textes wiederholen oder dekorativ schmücken Diese Gestaltungsform soll nicht dazu führen, dem Sprachkunstwerk ein gleichweitiges Bildkunstwerk hinzuzufügen, wie es z.B. in der Anthologie “Gedichte auf Bilder” Hrsgg. von Gisbert Kranze (München dtv 1975) realisiert wurde. Über diesen Link gelangen Sie zu weiteren Beispielen. Das bildkünstlerische Gestalten und Deuten liegt vielmehr auf der Ebene der Gestaltung und Deutung eines Gedichtes durch Typographie (Beispiel: Eichendorff: Mondnacht) oder der Gestaltung und Deutung durch Hypertexte (Beispiel: Die Todesfuge von Paul Celan). Die beiden Bilder visualisieren zwei Strophen des Boldt-Gedichtes “Auf der Terrasse des Café Josty “). Im Gespräch werden die Bezüge herausgearbeitet. Veröffentlichung der Bilder mit freundlicher Genehmigung von Ann-Kathrin Jennet Schließlich ist auf dem dritten Bild ein SchülerInnen-Gespräch im Rahmen eines kontrastierenden Verfahrens zu sehen. Zu dem Gedicht “Die Stadt” von Georg Heym hatte eine Gruppe außerhalb des Unterrichts Gestaltungen vorbereitet, die dann mit in Gruppen erstellten Bildern verglichen wurden. Zunächst einmal mussten die Bilder den vier Strophen des Sonetts zugeordnet werden. 3. 3. Gedichte inszenieren Die Inszenierung eines Gedichtes bildet die Aussage eines (lyrischen) Subjektes ab, während ein Theaterstück dialogisch angelegt ist. Die Dramatisierung eines Gedichtes kann in der Form eines Puppen-, Masken- oder Schattenspiels erfolgen. Die Inszenierung des Boldt-Gedichtes “Auf der Terrasse des Café Josty “ stellt den Aspekt der Entindividualisierung, der Enthumanisierung und die Perspektive der Tiere auf der Flucht pantomimisch dar. 4. Das Schreiben nach Leitbegriffen Das Selbstschreiben eines Gedichts gelingt den Schülerinnen und Schülern, wenn sie sich an vorgegebenen Mustern orientieren. Die Form der Textproduktion erfordert eine gründliche Textanalyse. Einfache Schreibregeln ohne Metrum, Rhythmus usw. haben sich in diesem Zusammenhang bewährt. Schreibmuster können z.B. Anfangsbuchstaben von Zeilen sein, die z.B. das Wort STADT bilden. Oder es werden Muster der KONKRETEN POESIE vorgegeben: TIP Textinterpretation Lyrik Sekundarstufe II Name: Datum: www.fo-net.de TIP 33 Wie interpretiere ich einen lyrischen Text ? Kontextuelle Methode: Durch biografische, geistesgeschichtliche oder sozialgeschichtliche Hintergründe gelangt man zu einem vertiefenden und weiterführenden Verständnis eines poetischen Textes. Werkimmanente Methode: Über den hermeneutischen Zirkel (Interpretationshypothese, Analyse, Deutung, Verifizierung oder Falsifizierung der Interpretationshypothesen) gelangt man zu einem vertieften Textverständnis. Dabei ist sowohl eine induktive als auch eine deduktive Vorgehensweise möglich. Textanalyse Äußere Struktur des Gedichts: - Vorliegen einer festen Gedichtform: Sonett, Ode, Hymne, Ballade, Bänkelsang, Elegie, Emblem, Epigramm, Freie Verse, Lied, Minnesang, Prosa-Gedicht - Reimart: Endreim, Binnenreim, unreiner Reim, reiner Reim, männliche oder weibliche Kadenz, Assonanz, Schüttelreim - Endreimarten: Paarreim (aabb), Kreuzreim (abab), umarmender Reim (abba), Schweifreim (aabccb), Haufenreim (aaa) Textur des Gedichts: - Inhalt, Gedankengang, Wiederholungen: Versfüße, Laute, Wörter, Bedeutungen, Alliteration, Endreim, Binnenreim, Parallelismus, Anapher, u.a. - Ausdrucksmittel des Gedichts: - klangorientierte Ausdrucksmittel (Klangfarben, Melodie, Rhythmus, Onomatopoesie) - bild- und vorstellungsorientierte Ausdrucksmittel (Bild, Vergleich, Metapher, Metonymie, Akkumulation, Oxymoron, Synästhesie, Allegorie, Symbol, Gleichnis, Periphrase, Pleonasmus) - bedeutungsorientierte und argumentative Ausdrucksmittel (Antithetik, Klimax, Antiklimax, Wortspiel, Paradoxon, Anspielung, Akzent, rhetorische Frage u.ä.) - auffällige Stilmittel (Parataxe, Hypotaxe, Inversion, Parallelismus, Antithetik, Euphemismus, Hyperbel, Anapher, Personifizierung) Stilhaltung: empathisch lyrisch neutral sachlich distanziert kritisch heiter spielerisch emphatisch pathetisch trocken reflektierend spöttisch ironisch witzig komisch enthusiastisch didaktisch sarkastisch absurd/nonsens praktisch Betroffenheit unterhaltend Entspannung Schärfe Leichtigkeit Intendierende Wirkung: emotiv kognitiv Ergriffenheit Einsicht Tiefe Klarheit Interpretation 1. Worauf will das Gedicht hinaus? Was ist sein Zielpunkt, seine Botschaft oder sein gedankliches Zentrum? 2. Wie entwickelt es sich auf den Zielpunkt hin? 3. Wie wird die innere Entwicklung durch die Ausdrucksmittel und die äußere Struktur formal realisiert? 4. Lässt sich das gedankliche Zentrum eindeutig ausformulieren oder ist es mehrdeutig? 5. Gibt die Mehrdeutigkeit dem Gedicht einen reicheren Sinn oder macht sie das gedankliche Zentrum unklar? 6. Wie ist die Wahrnehmung, das Verhältnis zur fiktiven Wirklichkeit, das Empfinden, die Stimmung, die Erfahrungen im fiktiven Raum seitens des lyrischen Ich? 7. Aus welchem historischen Bewusstseinszustand heraus ist das gedankliche Zentrum zu verstehen? 8. In welcher literarischen Tradition, welchem Zeithorizont steht das Gedicht? Arbeitsschritte 1. Gesamteindruck und erstes Gesamtverständnis - mehrmaliges Lesen der Aufgabe und des Gedichts - persönlicher Leseeindruck - Assoziationen zu Titel, Autor, Thema, Epoche - Bildung von Interpretationshypothesen 2. Besonderheiten von Aussage und Form in ihrer Wechselbeziehung - Analyse des Gedichts (Inhalt, Textaufbau, Klanggestalt, Bildern) - Textdeutung : Es muss der Zusammenhang zwischen Inhalt, Aufbau und Formmerkmalen erschlossen werden! 3. Erstellen eines Konzepts für den Interpretationsaufsatz 3.1. Einleitung Mögliche Elemente können sein: - Informationen über Autor, Titel, Gattung, Epoche - Primärverständnis - aktueller oder persönlicher Themenbezug - Bezug zum inhaltlichen Kern oder einer Schlüsselstelle 3.2. Hauptteil: - kurze Textbeschreibung - geordnete Wiedergabe der Textanalyse und -deutung - Kontextuierung 3.3. Schluss: Mögliche Elemente können sein: - rückblickende Bilanz - Verallgemeinerung zentraler Aspekte - persönliche (nicht formelhafte) Reflexion - offene Fragen erwähnen - Bezug zur Einleitung herstellen Rhetorische Figuren: Gedankenfiguren Wortfiguren KlangfigurenSatzfiguren Name: Datum: www.fo-net.de SMF 30 Rhetorische Figur Definition Beispiel Wirkung Allegorie Konkrete Darstellung Amor für Liebe anschaulich Alliteration / Stabreim Hervorhebung mehrerer aufeinander folgender Wörter durch gleiche Mit Kind und Kegel Anlaute eindringlich Anapher Wiederholung am Satz- /Versanfang Er kam, er sah, er siegte. eindringlich Antiklimax Das Gegenteil der Klimax. Stufenfolge von Gedanken, deren Bedeutung zum Ende hin abnimmt. Es kamen Edelmann, Bürger, Bauern spannend Antithese Gegenüberstellung zweier Wörter oder Begriffe, um gegensätzliche Gedanken zu verdeutlichen. “Irren ist menschlich , vergeben ist göttlich.” eindringlich Arm und Reich, Jung und Alt Apostrophe Die überraschende Abwendung von seinem Publikum, um eine abwesende / verstorbene Person anzusprechen. “Oh göttlichste Melancholie, dein überirdisch Antlitz ist hell.” "Oh mein Gott!". Ausruf Stilmittel des Affekts “O Schurke..” Chiasmus Überkreuzstellung, spiegelbildliche Anordnung von Satzgliedern "Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen." Ellipse Auslassung als Stilmittel Schon wieder? eindringlich Euphemismus Beschönigung Vergehen statt sterben anschaulich Hendiadyoin Doppelung All ihr Bitten und Flehen half nichts. eindringlich Hyperbel starke Übertreibung Er trank ein ganzes Meer Tee unterhaltend Inversion Umstellung der Satzglieder, um eine andere Wirkung zu erzielen. “Grau ist alle Theorie..” eindringlich Ironie Übertriebene Aussage, um das Gegenteil des Gesagten auszudrücken. Das ist ja wieder eine Leistung! überraschend Klimax Steigerung von Sätzen oder Satzteilen, vom schwächsten Glied ausgehend Veni, vidi,vici spannend Litotes Hervorhebung einer Aussage durch Verneinung des Gegenteils Der Referendar hat ein nicht unerhebliches Wissen. auflockernd Metapher Bildhafte Bedeutungsübertragung Am Fuße des Berges anschaulich Metonymie Ersetzung eines Wortes durch ein gebräuchliches anderes Wort Der Kreml war nicht beteiligt. anschaulich Onomatopöie Lautmalerischer Ausdruck Kuckuck anschaulich Oxymoron Verbindung von sich ausschließenden Vorstellungen schwarze Milch der Frühe anschaulich eindringlich eindringlich unterhaltend Parallelismus Wiederholung gleicher syntaktischer Er kam, er sah... Strukturen eindringlich Paradoxon Aussage, die im Widerspruch zum gesunden Menschenverstand zu stehen scheint. Rüsten für den Frieden anschaulich Periphrase Umschreibung Der Tod ist ein Meister aus Deutschland anschaulich Personifikation Vermenschlichung Die Türen ächzten. anschaulich Rhetorische Frage Frage, die nicht gestellt wird, um eine Antwort zu erhalten. “Hast du mir je geholfen, als ich Hilfe brauchte..?” kommunikativ Symbol Sinnbild, das auf etwas Allgemeines verweist Das Kreuz anschaulich Synästhesie Verschmelzung der Sinneseindrücke, in der Romantik und im Expressionismus bevorzugt verwandt Golden weh’n die Töne nieder.. spannend Tautologie Zwillingsbegriffe der weiße Schimmel eindringlich Vergleich Stilmittel zur Veranschaulichung wie anschaulich Zeugma ungewohnte Beziehungen von Satzgliedern Als Peter zu Karin kam, hatte sie Halsschmerzen und Besuch von ihrer Mutter hervorhebend Rhetorische Figuren Name: Aufgabenblatt Datum: www.fo-net.de SMF 31 Aufgabe: Notieren Sie bitte die rhetorische Figur! Beispiel Auf dem Theater der Welt sind alle Menschen Spieler: Mancher bekommt die Rolle eines Königs, mancher die eines Bettlers Mit Kind und Kegel Ich fordere Moral. Ich fordere Verständnis. Ottos mops trotzt ( Ernst Jandl ) Na und? kräftig (anstelle von dick ) todmüde Schöne Bescherung! Sie arbeiten zehn zwölf ja vierzehn Stunden täglich am Erfolg... Er verdient sich eine goldene Nase. alter Knabe Geiz ist geil Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft. ( Emil Zatopek ) Der Krieg ist der Vater aller Dinge. Der den Tod auf Hiroschima warf. Was ist schon normal?! in Reih und Glied „Schläft ein Lied in allen Dingen…“ Toilette statt Klo, vergehen statt sterben. „lautloser Schrei“ „Es sinkt der Tag, es sinkt das Jahr, es sinkt der Mann...“ „Sie kennen sich bei den rhetorischen Stilmitteln ja schon phantastisch aus.“ “Irren ist menschlich, vergeben ist göttlich.“ „Sein Redefluß war nicht zu bremsen.“ Das Restaurant hat eine gute Küche. Der brummende Kreisel Bei Wind und Wetter Rhetorische Figur Rhetorische Figuren Name: Lösungsblatt Datum: www.fo-net.de SMF 32 Aufgabe: Notieren Sie bitte die rhetorische Figur! Beispiel Rhetorische Figur Auf dem Theater der Welt sind alle Menschen Spieler: Mancher bekommt die Rolle eines Königs, mancher die eines Allegorie Bettlers Mit Kind und Kegel Alliteration Ich fordere Moral. Ich fordere Verständnis. Anapher Ottos mops trotzt ( Ernst Jandl ) Assonanz Na und? Ellipse kräftig (anstelle von dick ) Euphemismus todmüde Hyperbel Schöne Bescherung! Ironie Sie arbeiten zehn zwölf ja vierzehn Stunden täglich am Erfolg... Klimax Er verdient sich eine goldene Nase. Metapher alter Knabe Oxymoron Geiz ist geil Paradoxon Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft. ( Emil Zatopek ) Parallelismus Der Krieg ist der Vater aller Dinge. Personifikation Der den Tod auf Hiroschima warf. Periphrase Was ist schon normal?! Rhetorische Frage in Reih und Glied Tautologie „Schläft ein Lied in allen Dingen…“ Personifikation Toilette statt Klo, vergehen statt sterben. Euphemismus „lautloser Schrei“ Oxymoron „Es sinkt der Tag, es sinkt das Jahr, es sinkt der Mann...“ Klimax „Sie kennen sich bei den rhetorischen Stilmitteln ja schon phantastisch aus.“ Ironie “Irren ist menschlich, vergeben ist göttlich.“ Parallelismus „Sein Redefluß war nicht zu bremsen.“ Metaphern Das Restaurant hat eine gute Küche. Periphrase Der brummende Kreisel Personifikation Bei Wind und Wetter Alliteration TIL Textinterpretation Lyrik Kontextualisierung Epochenmerkmale aus Texten ableiten Aufgabenblatt Name: Datum: www.fo-net.de TIL 312 Aufgabe: Füllen Sie die vier Kästchen und leiten Sie daraus Epochenmerkmale ab! Epochenmerkmale lassen sich aus Texten ableiten: Literarische Texte sind durch die Themen, die Sprache, den Stil, die vorherrschenden Gattungen. Epochenbilder sind Konstrukte. 1. Hauptthemen und motive: aus: Simplicissmus. Jg. 16, H. 27, S. 450 vom 2.10.1911 2. Gattung / Genre: 3. Sprache, Stil: Alfred Lichtenstein (1889-1914) Die Dämmerung 4. Menschenbild: 1 2 3 4 Ein dicker Junge spielt mit einem Teich. Der Wind hat sich in einem Baum gefangen. Der Himmel sieht verbummelt aus und bleich, Als wäre ihm die Schminke ausgegangen. 5 6 7 8 Auf lange Krücken schief herabgebückt Und schwatzend kriechen auf dem Feld zwei Lahme. Ein blonder Dichter wird vielleicht verrückt. Ein Pferdchen stolpert über eine Dame. 9 An einem Fenster klebt ein fetter Mann. 10 Ein Jüngling will ein weiches Weib besuchen. 11 Ein grauer Clown zieht sich die Stiefel an. 12 Ein Kinderwagen schreit und Hunde fluchen. Abgeleitete Epochenmerkmale: TIL Textinterpretation Lyrik Kontextualisierung Epochenmerkmale aus Texten ableiten Lösungsblatt Name: Datum: www.fo-net.de TIL 313 mehr zur Lyrik des Expressionismus Die Entfaltung der Moderne Medien in der Zeit Epochenmerkmale lassen sich aus Texten ableiten: Literarische Texte sind durch die Themen, die Sprache, den Stil, die vorherrschenden Gattungen. Epochenbilder sind Konstrukte. 1. Hauptthemen und motive: Sammlung trostloser Alltagsszenen, Mitleidlosigkeit aus: Simplicissmus. Jg. 16, H. 27, S. 450 vom 2.10.1911 2. Gattung / Genre: Die Form dieses Gedichtes ist konventionell: drei Strophen zu je vier Zeilen sind im Kreuzreim (abab) gehalten, die einzelnen Zeilen bestehen aus je fünf Jamben, abwechselnd stumpf und klingend. 4. Menschenbild: Zivilisationskritik und der Weltuntergang werden durch die Wörter „dick“, „fett“ und „grau“, dem Bordellbesuch des „Jünglings“, der sich damit seine Unerfahrenheit rauben lässt und dem Zeitpunkt Dämmerung (wobei hier Sonnenuntergang gemeint ist) ausgedrückt. Alfred Lichtenstein (1889-1914) Die Dämmerung 1 2 3 4 Ein dicker Junge spielt mit einem Teich. Der Wind hat sich in einem Baum gefangen. Der Himmel sieht verbummelt aus und bleich, Als wäre ihm die Schminke ausgegangen. 5 6 7 8 Auf lange Krücken schief herabgebückt Und schwatzend kriechen auf dem Feld zwei Lahme. Ein blonder Dichter wird vielleicht verrückt. Ein Pferdchen stolpert über eine Dame. 9 An einem Fenster klebt ein fetter Mann. 10 Ein Jüngling will ein weiches Weib besuchen. 11 Ein grauer Clown zieht sich die Stiefel an. 12 Ein Kinderwagen schreit und Hunde fluchen. 3. Sprache, Stil: gleichmütigdistanzierter Ton, nur Hauptsätze mit geradezu eintönigem Satzanfang. Abgeleitete Epochenmerkmale: 1. Motive: Großstadt, Natur, Verlorenheit 2. Gattung: konventionelle Lyrik zu Beginn des Expressionismus 3. Sprache: Reihungsstil und Simultantechnik 4. Menschenbild: Das ausgelieferte Ich in einer absurden Welt, die ihre Farbe verliert.