Erfahrungsbericht Université Catholique de Lyon / ESTRI von

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Erfahrungsbericht Université Catholique de Lyon / ESTRI von
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Erfahrungsbericht Université Catholique de Lyon / ESTRI
von Verena Pries
WS 2008/09
Die Stadt
Lyon war im römischen Reich die Hauptstadt Galliens und liegt im Flußdelta von Rhône und Saône.
Das gesamte Stadtzentrum wurde 1998 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt und bietet mit
seinen historischen Gebäuden, seinen Flussufern und malerischen Gassen ein besonderes Stadtbild.
Heute ist Lyon die Hauptstadt des französischen Départements Rhône und der Region RhôneAlpes und mit etwa 450 000 Einwohnern die drittgrößte Stadt und eines der größten Wirtschaftsund Kulturzentren Frankreichs (1,3 Mio. Einwohner im Großraum Lyon).
Cathédrale St-Jean am Saône-Ufer,
im Hintergrund Notre-Dame de Fourvière
Blick auf die Saône bei Nacht
Die Uni
Die Université Catholique de Lyon (offizielle Abkürzungen: «la catho», im Internet aber auch «la
kato») wurde 1875 gegründet und besteht aus fünf Fakultäten:
- Théologie et Sciences Religieuses
- Philosophie et Sciences Humaines
- Droit Sciences Economiques et Sociales
- Lettres et Langues
- Sciences
Seit März 2007 kooperiert die Catho im Bildungsnetzwerk der «Université de Lyon» mit den anderen Universitäten und Hochschulen der Stadt. Die FH Köln hat seit WS 08/09 ein ErasmusAbkommen mit der «Ecole Supérieure de Traduction et Relations Internationales» (ESTRI), das pro
Semester zwei Studienplätze betrifft. Das ESTRI gehört zur Fakultät «Lettres et Langues» und befindet sich am Standort «Place Carnot», im südlichen Teil der Altstadt.
Das Gebäude am Place Carnot ist modern, verfügt über eine Bibliothek, Computerräume mit ausreichend vielen Arbeitsplätzen und WLAN (accès Wifi). Einige Bilder unter folgendem URL:
http://www.estri.fr/48536013/0/fiche___pagelibre/&RH=1193317112125
Organisation des Studiums am ESTRI
Am ESTRI werden Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und Deutsch sowie Russisch, Chinesisch und Japanisch unterrichtet. Im Unterschied zum Studium an der Kölner FH belegen alle französischen Studenten drei Fremdsprachen. Nach der dreijährigen «licence langues étrangères appliquées» können die Studenten zwischen einem Übersetzungszweig und der Studienrichtung
Interkulturelle Kommunikation/Internationale Beziehungen wählen.
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Das Studium ist nicht in Semestern, sondern in Studienjahren organisiert. Demzufolge bleiben die
Studierenden im Verbund ihres Jahrgangs und werden ihrer Sprachenkombination entsprechend
in Gruppen eingeteilt. Es gibt keine Wahlmöglichkeiten, sondern festgelegte Stundenpläne für jede
Gruppe. Nach dem ersten Semester und einem Prüfungsblock vor den Weihnachtsferien gehen die
Studenten acht Monate ins englischsprachige Ausland,
viele verbringen diese acht Monate als Au-pair oder jobben in der Gastronomie. Gleichzeitig wird
die Teilnahme an Sprachkursen vorausgesetzt, am Ende des Praktikums steht eine CAE- oder CPEPrüfung. Außerdem wird die eigenständige Erarbeitung von Studieninhalten in den anderen
Fremdsprachen erwartet.
Im vierten und fünften Studienjahr erfolgt außer dem Studium jeweils ein sechsmonatiges Praktikum in einem Land der zweiten und dritten Fremdsprache. In Frage kommen Übersetzungsagenturen, Unternehmen und internationale Organisationen. Hier steht am Ende ein Praktikumsbericht.
Im vierten Jahr ist alternativ zum Praktikum ein Erasmus-Semester an der FH Köln möglich, diese
Option ist allerdings neu, es gibt an der Uni sonst keine Erfahrungen mit dem Erasmus-Programm.
Vorbereitung
Frau Verzola als für die Erasmus-Kooperation mit Lyon zuständige Betreuungsdozentin vermittelte
mir diesen Austauschplatz, nachdem ich ihr meine Bewerbung eingereicht hatte.
Frau Schall gab meiner Kommilitonin und mir bei einem Treffen Informationsmaterial der Uni (u.a.
«Livret d’accueil pour les étudiants étrangers») und einen Stadtplan, was natürlich sehr hilfreich
war. Außerdem erhielten wir die e-mail-Adressen unserer Ansprechpartner am ESTRI: Das war einerseits Frau Rodenas, die im Sose 08 noch pädagogische Leiterin des ESTRI war, andererseits Frau
Ughetto vom International Office. Von Frau Rodenas erfuhren wir, wann die Vorlesungszeit beginnt
und dass wir unsere Prüfungen semesterbegleitend noch vor den Weihnachtsferien ablegen könnten. Später im Semester stellte sich heraus, dass Frau Schall von dieser Übereinkunft nichts wusste
und vorgezogene Prüfungen grundsätzlich nicht mit dem obligatorischen AS vereinbar sind. Wir
durften dennoch unsere Pläne wie vereinbart verfolgen, weil wir keinen Nachteil dadurch haben
sollten, dass wir die ersten Studenten in dieser Kooperation waren. Frau Schall schrieb, dass alle
Erasmus-Studenten nach uns an den «partiels» im Januar teilnehmen müssten. Die Vorlesungszeit
endete am 19.12.08. Im Januar finden nur noch die Klausuren statt.
Außerdem konnten wir die beiden französischen Erasmus-Studentinnen kontaktieren, die an unserer Stelle in Köln studieren wollten. Eine der beiden Studentinnen konnten wir nach unserer Ankunft in Lyon treffen, bevor sie nach Köln fuhr. Dieser Austausch war sehr nett und interessant.
Erste Schritte an der Uni
Als ich mich in der ersten Septemberwoche im Sekretariat des ESTRI vorstellte, wurde ich sehr
freundlich begrüßt. Ich hatte alle Unterlagen für die Einschreibung mitgebracht und gehofft, dass
ich mich bereits einschreiben könnte, um sobald wie möglich den damit verbundenen Internetzugang im Wohnheim nutzen zu können. Es stellte sich heraus, dass meine Einschreibung erst in der
Folgewoche stattfinden konnte, weil meine deutsche Kommilitonin und ich für den 10.9. einen
Termin mit dem pädagogischen Leiter des ESTRI, Herrn Mercklen, und dessen Vorgängerin, Frau
Rodenas hatten. Bei meinem ersten Besuch im Sekretariat wurde ich auf den Begrüßungs- und
Informationstag am Freitag, den 5.9. hingewiesen. Diese «Pré-rentrée»-Veranstaltung, bei der vor
allem die Organisation des Studiums am ESTRI vorgestellt wird, ist eigentlich für alle Erstsemester
und Quereinsteiger gedacht. Meine deutsche Kommilitonin konnte an dem Tag noch nicht teilnehmen, weil sie erst am darauffolgenden Montag in Lyon ankam. Für mich war die Veranstaltung
eine erste Möglichkeit, anderen Studenten zu begegnen und mich mit dem Studienverlauf der
französischen Studenten vertraut zu machen. Außerdem stellten sich dort die Leiter des Fachbereichs vor und einige andere Dozenten.
Wie oben erwähnt fand am Mittwoch, den 10.9. dann das Treffen mit Herrn Mercklen und Frau Rodenas statt. Die beiden sollten im Gespräch mit uns entscheiden, in welches Studienjahr wir eingeordnet werden. Wir wurden ins dritte Studienjahr eingeschrieben, auch wenn wir in den ersten
zwei Wochen zu den Kursen im zweiten, dritten und vierten Studienjahr hingehen durften, um
herauszufinden, welche Kurse uns interessant erscheinen und unserem Niveau entsprechen. Wir
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erhielten eine Immatrikulationsbescheinigung (certificat de scolarité) und später im Semester eine
elektronische Karte, ähnlich unserer MultiCa.
Von Frau Schall hatten wir im Vorfeld den Studienverlaufsplan erhalten und ich hatte mir darin die
Kurse markiert, die mich am meisten interessierten. Auf Nachfrage erläuterte Herr Mercklen die
Kursinhalte und druckte uns die Stundenpläne der verschiedenen Jahrgänge aus. Daraufhin gingen wir alle Pläne durch und markierten die Kurse, die für uns interessant sein könnten.
Am Freitag, den 12.9. konnten wir im Sekretariat unsere Nutzerdaten für den Internetzugang abholen (identifiant et mot de passe). Der Zugang wurde zu Beginn der Vorlesungszeit am Montag,
den 15.9. freigeschaltet. Man erhält ein e-mail-Konto auf der Seite «Bureau virtuel de la région Rhône-Alpes»: https://www.bv.rhone-alpes.fr/
Darüber laufen alle Informationen des Fachbereichs, z.B. werden auch Praktikumsstellen oder
Zimmerangebote rundgemailt. Für e-mail-Anfragen an das Sekretariat gilt es zu berücksichtigen,
dass nur e-mails beantwortet werden, die man von dieser offiziellen e-mail-Adresse verschickt.
Mit allen organisatorischen Fragen kann man sich zu folgenden Öffnungszeiten an das Sekretariat
(im 3. Stock des Gebäudes am Place Carnot) wenden:
Mo, Do und Fr 9-13 Uhr
Die und Mi 14-18 Uhr
Internetzugang vor Semesterbeginn
Wer über einen Laptop verfügt, kann damit in ein Café gehen, das kostenlose WLAN-Nutzung bietet (wifi gratuit). Am Place Ampère in der Rue Victor Hugo und am Place Bellecour am Anfang der
Rue de la République gibt es McDonalds-Filialen, die mit WLAN werben, allerdings hat es mit meinem Laptop dort nicht geklappt.
Wer in ruhigerer Umgebung mit mehr französischem Flair online gehen will, dem kann ich folgende Adresse empfehlen:
Lig² - L‘instant gourmand et l’instinct gourmet,
Bar à soupes, Thés, Cafés, Tapas, Bières & Vins
17, Rue Auguste Comte
Dieses kleine Café liegt in einer Parallelstraße der Rue Victor Hugo in der Nähe des Place Bellecour.
Öffnungszeiten:
Die und Mi 10-20 Uhr,
Do, Fr und Sa 10-22 Uhr
Am Place Carnot auf der gegenüberliegenden Seite von der Catho gibt es ein «Cyber Café», das ich
allerdings erst viel zu spät entdeckt habe. Dort gibt es Computer, so dass man sich das Schleppen
seines Laptops und die Suche nach einem Hot Spot ersparen kann.
Kurswahl
Einige Dozenten bemerkten sogleich unsere Anwesenheit und begrüßten uns in ihren Kursen. Außer einer Schweizerin gab es in den Jahrgängen, in denen wir „unterwegs“ waren keine Austauschstudenten. Man nimmt also an Kursen teil, die sich an französische Muttersprachler richten. Vor
diesem Hintergrund ist bemerkenswert, dass sich insbesondere Frau Cooke und Frau Dolliat uns
gegenüber äußerst aufgeschlossen, freundlich und entgegenkommend gaben. Mein besonderes
Interesse lag bei den Übersetzungskursen. Im Folgenden erläutere ich die Kurse, für die ich mich
nach den beiden Einstiegswochen entschieden habe.
Die Kurse dauern normalerweise 90 min und werden anders als bei uns als 1,5 SWS (anstelle von 2
SWS) gezählt. Zwischen den Kurseinheiten ist keine Pause eingeplant. Das führt dazu, dass Studenten oft fünf bis zehn Minuten zu spät kommen, weil die Zeit für eine Toilettenpause fehlt. Die französischen Studenten haben einen sehr vollen Stundenplan, 24-26 französische SWS sind normal. Es
gilt Anwesenheitspflicht und in den meisten Kursen gibt es Hausaufgaben. Die hohe Stundenbelastung hat zur Folge, dass nicht immer alle vorbereitet sind und sich jeder überlastet fühlt. Wir als
Erasmus-Studenten müssen mindestens 10 Unterrichtsstunden (akademische Stunde vor Ort), also
7 Kurse, besuchen. Mir hat das auch völlig gereicht, so konnte ich meine Hausaufgaben gründlich
vorbereiten, Vorlesungsstoff aufarbeiten und - was mir persönlich ganz wichtig ist - französische
und englische Zeitung lesen.
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Übersetzungskurse bei Frau Dolliat
Frau Dolliat bietet die Übersetzungskurse Französisch-Deutsch und Deutsch-Französisch im zweiten und dritten Jahr an. Sie ist Französin und hat einen Teil ihres Deutsch-Studiums in Saarbrücken
verbracht, daher hat sie einen leichten Dialekt, ist aber sehr kompetent. Sie wählt anspruchsvolle,
häufig umfangreiche, aber interessante Presseartikel aus. Im zweiten Jahr werden allgemeinsprachige Artikel aus der politischen Tagespresse übersetzt, im dritten Jahr fast ausschließlich Artikel
aus dem Wirtschaftsteil von Zeitungen.
Die Übersetzungen werden Zuhause erarbeitet und im Unterricht besprochen, die Methode ähnelt
der, die einem aus dem Studium in Köln vertraut ist. Bei den Übersetzungskursen ins Deutsche
(semestre 3: Grammaire et thème allemand, semestre 5: Traduction thème allemand) schreibt Frau
Dolliat eigentlich immer eine Musterlösung an die Tafel, weist auf Schwierigkeiten hin, erklärt Vokabeln und Kollokationen. Im zweiten Jahr wird noch stärker auf die Grammatik eingegangen als
im dritten Jahr.
Bei den Übersetzungskursen ins Französische (semestre 3: Traduction, semestre 5: Traduction version) schreibt Frau Dolliat keine Musterlösung an die Tafel, wiederholt sie aber mündlich. Kommt
man mit dem Schreiben nicht so schnell mit, kann man jederzeit nachfragen - dasselbe gilt auch für
Verständnisprobleme bei unbekannten Wörtern. Frau Dolliat hat gleich zu Anfang angeboten, unsere Übersetzungen und Mitschriften zu korrigieren. Durch dieses individuelle Feedback habe ich
viel gelernt.
In allen vier Übersetzungskursen haben meine deutsche Kommilitonin und ich Prüfungen abgelegt, pro Übersetzungskurs fanden zwei «contrôles continus» (Probeklausuren) statt. In der vorgegebenen Zeit musste ein Text übersetzt werden, dabei durften wir ein einsprachiges französisches
Wörterbuch zur Hilfe nehmen. Frau Dolliat bewertet ziemlich rigoros nach einem absoluten Maßstab, der Leistungsdurchschnitt des Kurses spielt dabei keine Rolle.
Übersetzungskurs Englisch-Französisch-Englisch (semestre 5: thème-version anglais)
Den Teilkurs «Traduction thème anglais» (französische Texte ins Englische) bei Frau Cooke kann ich
uneingeschränkt empfehlen. Frau Cooke ist Amerikanerin, sie kommt aus Kalifornien, lebt aber
schon seit Jahren mit ihrer Familie in Frankreich. Übersetzt werden relativ kurze, allgemeinsprachige Presseartikel. Frau Cooke lässt die Studenten jeweils einen Satz an die Tafel schreiben, der dann
diskutiert wird. Besonders viel Wert legt sie auf die Anpassung des Textes an den Verständnishorizont des Publikums, für das der Artikel ins Englische übersetzt wird.
Der Teilkurs «Traduction version anglaise» bei Herrn Basset hat mir nicht so viel gebracht, weil er
eng mit dem Kurs «Méthodologie version anglaise» verknüpft ist. Darin werden die Schwierigkeiten
französischer Muttersprachler bei Übersetzungen ins Englische behandelt. Dieser Kurs schien mir
für meine Bedürfnisse ungeeignet, also besuchte ich nur den Übersetzungskurs. In den ersten Wochen ließ Herr Basset uns nur aus dem Kontext gerissene Problemsätze übersetzen, was ich nicht
be-sonders sinnvoll fand. Interessanter fand ich die Wiedergabe englischer Sprichwörter und Redewendungen im Französischen. Dazu gab es eine Aufgabe, in der man unter vorgegebenen Sätzen
die Entsprechungen herausfinden sollte. Zuletzt übersetzten wir zwei ziemlich schwierige Presseartikel aus dem Wirtschaftsteil einer Zeitung. Nie gab es eine schriftliche Musterlösung, die Diskussion beschränkte sich teilweise darauf, dass Herr Basset im Schnelldurchgang seinen Übersetzungsvorschlag diktierte. Frustrierend war, dass in dem Übersetzungskurs oft Übungen aus dem
Methodenkurs besprochen wurden.
Landeswissenschaft USA (semestre 3: Anglais - langue et civilisation US)
Dieses Modul besteht aus einer Vorlesung (cours magistral) und einem Begleitseminar, in dem die
Inhalte aus der Vorlesung diskutiert und vertieft werden. Im Mittelpunkt standen die Gründungsdokumente der US-amerikanischen Verfassung (Unabhängigkeitserklärung, Verfassung, Bill of
Rights) und deren Entstehungskontext. Im Anschluss an die Diskussion der Inhalte wurde die Geschichte der Minderheiten in den USA und die Bürgerrechtsbewegung thematisiert. Außerdem
ging es um multikulturelle Gesellschaft, Immigration und 'affirmative action‘. Desweiteren wurden
wichtige ‘Supreme Court‘-Entscheidungen und gesellschaftlich umstrittene Themen (z.B. HomoEhe) erläutert. Nicht zuletzt verfolgten wir im Rahmen des Kurses intensiv den Wahlkampf um die
Präsidentschaft und lernten die Positionen der zwei großen Parteien besser kennen. Ich habe in
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diesem Modul viel lernen können, Frau Cookes motivierte und lebendige Art machte diesen Kurs
ganz besonders interessant.
Wohnen
Frau Verzola hatte mir Ende April eine Ansprechpartnerin beim Wohnungsamt der Catho (service
logement) genannt, an die ich umgehend eine e-mail-Anfrage sendete.
Andrée Neyroud [email protected]
Ich erkundigte mich nach Zimmerangeboten in Wohnheimen oder WGs. Als Frau Neyroud mir ein
Zimmer im «Maison Saint Laurent», einem Wohnheim der Catho, vorschlug und mir Informationen
über das Haus zuschickte, nahm ich dieses Angebot an. Mit 350€ pro Monat ist das Zimmer zwar
alles andere als günstig, doch hoffte ich, dass es sich für diesen Preis um ein sauberes Wohnheim
handelte. Diese Hoffnung wurde nicht enttäuscht: Die sanitären Anlagen, die man sich mit seinen
Flur-nachbarn teilt, sowie die Wohnheimküchen werden außer am Wochenende täglich sehr
gründlich geputzt.
Bilder von meinem Wohnheimzimmer
Schreibtisch im Wohnheimzimmer
(Blick auf den Balkon)
Flur im dritten Stock
Sonnenaufgang über der Autoroute de Soleil
(Blick aus meinem Wohnheimzimmer)
Das Haus verfügt über 65 möblierte Einzelzimmer, gemeinsame Aufenthaltsräume, Küchen sowie
eine Waschmaschine und einen Trockner. Die Zimmer sind etwa 10m² groß, darin befinden sich ein
Waschbecken mit Spiegel, Regale, ein Bett, ein Kleiderschrank und ein Schreibtisch mit Stuhl. Zwölf
Flurbewohner teilen ein Bad mit zwei Duschen und zwei Toiletten, da kam es selten zu Wartezeiten. Der Heizkörper in meinem Zimmer funktionierte, das war allerdings nicht in allen Zimmern der
Fall. Auf meiner Etage konnten die meisten Bewohner die Heiztemperatur durch einen Regler einstellen, auf anderen Etagen gab es keine funktionierenden Temperaturregler. Die Heizung im gesamten Wohnbereich wird durch einen Thermostat gesteuert, der allerdings nicht perfekt eingestellt ist. Im Herbst waren die Nächte häufig sehr kühl und der Duschraum morgens ziemlich kalt.
Als die Temperaturen auch tagsüber nicht mehr mild waren, sorgte der Thermostat für ausreichende Beheizung.
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Der größte Vorteil des Maison Saint Laurent ist seine Uninähe: Bis zur Catho am Place Carnot sind
es nur 10 min Fußweg. Dort befindet sich auch der Gare Perrache, man hat also eine gute Verkehrsanbindung. Dadurch brauchte ich nicht unbedingt eine Monatskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel. Allerdings liegt das Wohnheim an einem Hang direkt über der Autoroute de Soleil, die parallel zu einer anderen Hauptverkehrsstraße und Bahngleisen verläuft, die zum Gare Perrache führen.
Der Verkehrslärm ist nicht unerheblich und hat meinen Schlaf besonders in den ersten Wochen
sehr gestört. Praktisch und kostengünstig ist es hingegen, dass man durch die Uninähe sein Mittagessen selbst in der Wohnheimküche zubereiten kann, was auch fast jeder deshalb so einrichtete.
Zu Beginn des Aufenthalts kann man gegen 20€ Kaution ein «kit vaisselle» mieten. Dieses Paket
besteht aus einem kleinen Stieltopf, einer Pfanne, einem Teller, einer Müslischale, einer Tasse, einem Glas und einer Ausführung Besteck. Was man darüber hinaus braucht, findet man mit etwas
Glück im «placard commun», ansonsten kann man sich z.B. im «Marché U loisir» in der Rue de la
Charité günstig ein paar Einzelteile besorgen.
Die Wohnheimplätze im Maison Saint Laurent sind etwa zur Hälfte Erstsemestern vorbehalten. Auf
meiner Etage waren lauter Erstsemester-Studenten vom ESTRI. Die andere Hälfte machen ausländische Studenten aus, zu meiner Zeit waren besonders viele Asiaten da. Die sind größtenteils etwas
älter als die französischen Erstsemester. Ich habe viele Japanerinnen kennengelernt, die Französisch studierten und deshalb für ein ganzes Jahr in Frankreich blieben. Anfangs war die Kommunikation nicht immer leicht, doch je besser ich die anderen kennenlernte, desto interessanter wurden
die Gespräche. Nach einer kleinen „Aufwärmphase“ haben wir am Wochenende in unserer Wohnheimküche Buffetabende organisiert und zusammen etwas unternommen. Nur wenige Französinnen1 haben sich daran beteiligt, viele fuhren am Wochenende zu ihren Eltern. Die Hausleitung unterstützt den Austausch unter den Bewohnern, indem sie z.B. alljährlich eine Weihnachtsfeier organisiert.
Ein Argument, das mich von dem angebotenen Wohnheimplatz überzeugte, war der Internetzugang über das Uni-Netz. Mir wurde WLAN auf dem Zimmer versprochen, das hat bei mir zum Glück
meist auch funktioniert, allerdings war die Verbindung sehr langsam und so schlecht, dass z.B. Telefonieren über skype überhaupt nicht möglich war. Zwei Zimmernachbarn am Ende des Flurs mussten sich mit ihrem Laptop immer in den Flur setzen, um überhaupt Empfang zu haben. Zeitweise
war das Internet im Wohnheim komplett lahmgelegt, in den vier Monaten kam das immer wieder
für ein paar Tage oder eine ganze Woche vor. Da blieb mir dann zumindest noch der Internetzugang in der Uni, allerdings war es schon frustrierend, dass man im Wohnheim häufig vergeblich
versuchte, online zu
gehen.
Ein Vorteil des Wohnheims besteht darin, dass eigentlich immer jemand am Empfang sitzt oder im
Büro erreichbar ist, so dass sich jemand kümmern kann, wenn irgendetwas nicht funktioniert. Außerdem kann man das Wohnheimpersonal jederzeit ansprechen, wenn man Auskünfte oder Tipps
zur Bewältigung von Alltagsproblemen braucht.
Besucher sind erlaubt, allerdings darf man niemanden bei sich übernachten lassen. Es gibt ein Elternzimmer, in dem für 35€ pro Nacht die Eltern unterkommen können. Für das eigene Zimmer
zahlt man eine Reservierungsgebühr von 55€ und bei einem Aufenthalt unter 7 Monaten eine
Miete von 350€. Am Ende sind noch etwa 10€ Stromkosten pro Monat zu begleichen.
Will man Wäsche waschen, muss man für 1€ pro Stück Wasch- und Trocknermarken am Empfang
kaufen. Man kann maximal zwei von jeder Sorte bekommen. Obwohl es nur eine Waschmaschine
und einen Trockner für das ganze Haus gibt, hielten sich die Wartezeiten in Grenzen. Man muss
jedoch Zeit einplanen und unter Umständen häufiger durchs Haus laufen, bis man zum Zuge
kommt und die Wäsche dann mal fertig ist. Nutzt man die Bettwäsche (draps), die das Haus zur
Verfügung stellt, profitiert man zwei Mal im Monat von einem Wäsche-Service. Man gibt die Laken
zu angegebenen Zeiten am Empfang ab und kann später frische Wäsche mit hoch nehmen. Zunächst waren nur Laken und eine Wolldecke auf dem Bett. Wenn es einem nachts zu kalt wird, kann
man eine Steppdecke (une couette) bekommen.
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Der Fachbereich Sprachen ist genau wie in Köln eine Frauendomäne. Erfahrungsbericht Université Catholique de Lyon / ESTRI
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Essen
In der Cafeteria im Gebäude am Place Carnot wird ein warmes Tagesgericht angeboten, außerdem
gibt es u.a. Salate und Baguettes. Die nächste Mensa befindet sich in der Rue du Plat am Place Bellecour, dort gibt es neben einem der Cafeteria ähnlichen Angebot ebenfalls ein Tagesgericht und
Pommes. Wer sich vegetarisch ernährt und Wert auf eine gesunde Ernährung legt, kommt da leider
nicht wirklich auf seine Kosten. Der in Plastikschälchen eingepackte Salat ist in Ordnung, aber auf
Dauer sehr einseitig und in der kalten Jahreszeit nicht wirklich das, was das Herz begehrt. Rund um
die Uni gibt es relativ günstige Schnellrestaurants, aber Zuhause kochen ist natürlich weniger teuer.
Organisatorisches
Bescheinigungen, die man aus Deutschland mitbringen sollte:
Zunächst einmal empfiehlt es sich, den Bescheid über die Erasmus-Förderung als vorläufigen
Nachweis über den Austauschplatz dabei zu haben. Außerdem braucht man fast überall, wo man
einen Vertrag abschließt, ein Passfoto. Es ist also praktisch, bereits Passfotos im Gepäck zu haben.
Für meinen Mietvertrag im Wohnheim musste ich eine Kopie meines Personalausweises vorlegen,
eine Kopie der Immatrikulationsbescheinigung der Catho (certificat de scolarité) und eine Bescheinigung meiner Privathaftpflichtversicherung (attestation d’assurance résponsabilité civile).
Ist man gesetzlich krankenversichert, sollte man sich vor dem Auslandssemester kostenlos eine
Europäische Versichertenkarte zusenden lassen. Für die Einschreibung an der Uni wird eine Kopie
dieser Karte benötigt. Außerdem muss man dort eine Kopie der Geburtsurkunde vorlegen und ein
Passfoto.
Noch einige Worte zur Krankenversicherung:
Zunächst habe ich bei meiner Krankenkasse im Internet geguckt, was die zur European Health Insurance Card und zur Gesundheitsversorgung in Frankreich schreiben. Dort wird eine private Zusatzversicherung empfohlen, weil im Behandlungsfall zumindest eine eventuell anfallende Eigenbeteiligung oder Abrechnungen als Privatpatient nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden. (Es kann ja gut sein, dass man im Krankheitsfall nicht unbedingt die Kraft hat, sich
mit dem behandelnden Arzt über die Art der Abrechnung auseinanderzusetzen, geschweige denn
das alles sofort zu durchblicken.) Normalerweise muss man bei einer Behandlung 60-70% der Kosten vor-strecken und bekommt diesen Anteil dann von der Krankenversicherung erstattet. Durch
die Zusatzversicherung entfällt diese Vorauszahlung bei einigen Ärzten, in jedem Fall sichert sie
aber die Erstattung der Kosten innerhalb der nächsten fünf Werktage ab. Ich hatte das Glück, in den
vier
Monaten keinen Arzt aufsuchen zu müssen, also kann ich nicht von eigenen Erfahrungen mit dem
System berichten.
Außerdem gilt es zu bedenken, dass im übelsten Fall ein Krankenrücktransport nach Deutschland
versichert werden sollte, damit man nicht im Ausland fernab von der Familie und engeren Freunden längere Zeit im Krankenhaus verbringen müsste. Auch dringend erforderliche Zahnbehandlungen sollte die Zusatzversicherung abdecken.
Außerdem sollte man klären, ob die bestehende Privathaftpflichtversicherung auch im Ausland gilt
und falls man über eine Unfallversicherung verfügt, dasselbe dafür klären. Für mich bestand in beiden Bereichen internationaler Versicherungsschutz, ich habe also nur eine Reisekrankenversicherung abgeschlossen. Nach einem Vergleich verschiedener Tarife kam eine Versicherung bei der
Hanse-Merkur in die engere Auswahl, weil sie in der Zeitschrift Finanztest mit „sehr gut“ bewertet
wurde. Letztlich habe ich aber die Versicherung bei der LVM abgeschlossen, weil ich dort meine
anderen Versicherungen habe und wir mit dem Service der Außenstelle im Wohnort meiner Eltern
gute Erfahrungen gemacht haben.
Es empfiehlt sich, ein Konto bei einer französischen Bank zu eröffnen2, um Gebühren für Bargeldabholung zu sparen, aber auch, um Wohngeld von der Caisse Allocations familiales (CAF)3 erhalten
zu können. In Frankreich ist die französische Bankkarte (Carte Bleue) das ultimative Zahlungsmittel,
deshalb ist sie beispielsweise von Vorteil, wenn man ein Stadtrad (vélo‘v) mieten möchte.
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mehr dazu auf der Folgeseite CAF de Lyon : http://www.caf.fr/wps/portal/votrecaf/691 Erfahrungsbericht Université Catholique de Lyon / ESTRI
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Öffentliche Verkehrsmittel
Es gibt zwischen Lyon und Köln eine gute Zugverbindung, entweder über Brüssel oder über Paris.
Mit Thalys oder TGV ist man insgesamt knapp 7h unterwegs. Man kann drei Monate im Voraus online buchen, meine Ticketpreise lagen zwischen 80 und 110€. Am besten wählt man die französische Webseite als Suchmaske, damit habe ich bessere Erfahrungen gemacht.
Lyon selbst ist von der Verkehrsinfrastruktur mit Metro-, Tram- und Buslinien gut erschlossen. Wie
bereits erwähnt, benötigte ich aufgrund meiner Wohnlage kein Monatsticket für die öffentlichen
Verkehrsmittel. Für Studenten kostet das 31,50€. Für eine gelegentliche Nutzung empfiehlt sich der
Kauf von 10er-Tickets (carnet de 10 tickets), die mit Studentenrabatt 11,10€ kosten. Pro Fahrt zahlt
man dann 1,11€ statt 1,60€ für ein reguläres Einzelticket. Details zu den Tarifen und eine Suchmaske für alle Verbindungen findet man auf der Seite des TCL (Transport en commun de
l’agglomeration de Lyon): http://www.tcl.fr/
In der Stadt gibt es ein relativ gut funktionierendes, günstiges Leihsystem für Stadträder. Die
Stationen sind zahlreich und die Räder meist in gutem Zustand. Allerdings sollte man sich nicht
darauf verlassen, dass man immer gerade dort ein Fahrrad ausleihen oder zurückgeben kann, wo
man sich befindet. Es ist gut möglich, dass vorübergehend alle Fahrräder ausgeliehen oder alle
Andock-Stationen besetzt sind.
Es gibt zwei Haupttarife4, einerseits die Wochenkarte (Kurzzeit), andererseits das Jahresabo (Langzeit). Wenn man sich direkt zu Beginn des Semesters entscheidet, häufig ein Stadtrad zu leihen,
kann sich ein Jahresabo lohnen. Ich persönlich habe ab und zu eine Wochenkarte (für 1€) gelöst
und bin damit ganz gut gefahren. Die erste halbe Stunde zahlt man für die Nutzung gar nichts, mit
einer Wochenkarte sind es für eine weitere Stunde 1€. Nur wenn das Fahrrad nicht zurückgegeben
wird (oder nicht richtig „angedockt“ war), wird die «Carte Bleue» mit der Kaution von 150€ belastet.
Was ich im Laufe der Zeit feststellen musste: Ich bekam Probleme mit der Nutzung meiner «Carte
Bleue», weil pro Ausleihe 150€ „Umsatz“ registriert werden. Mein „Umsatz“ mit meiner Carte Bleue
vom Konto der Société Générale war auf 400€ pro Woche begrenzt und so konnte im ungünstigen
Fall schon nach zwei Fahrradleihen nicht mehr mit der Carte Bleue bezahlen oder kein Geld mehr
ab-heben, unabhängig vom Guthaben auf dem Konto. Durch ein Gespräch bei der Bank konnte ich
die Angelegenheit klären, mein „Umsatzlimit“ pro Woche wurde angehoben. Abgesehen von den
Schwierigkeiten, die ich aus diesem Grund mit vélo’v hatte und der Tatsache, dass es häufiger
Probleme mit den Automaten gibt5, ist das Leihsystem ganz praktisch.
Bankkonto und Wohngeld
Es empfiehlt sich, so bald wie möglich ein Bankkonto zu eröffnen. Ich persönlich habe die Konditionen von Société Générale, BNP Paribas und HSBC verglichen. Wer ein Konto bei der Deutschen
Bank hat, profitiert von der Kooperation mit der BNP Paribas, in dem Fall kann man kostenlos Geld
in Frankreich abheben. Sowohl BNP Paribas als auch Société Générale bieten sehr günstige Bedingungen für Studenten der Catho. Von der Société Générale gab es zur Eröffnung des Kontos
sogar 60€ geschenkt, außerdem kostet die Teilnahme an Veranstaltungen der Fachschaft (ESTRIBU/BDE Bureau des Etudiants) dann weniger, weil die Bank sie bezuschusst. Eigentlich sind die
Konten beitragsfrei, allerdings wird zunächst ein Monatsbeitrag von etwa 5€6 abgebucht und später wieder gutgeschrieben. Ich kann nur empfehlen, einfach direkt ein Konto bei der Société
Générale in der Rue Victor Hugo abzuschließen. Diese Filiale ist der Uni am nächsten und von der
für die Studenten-konten zuständigen Frau Poquet wurde ich kompetent und sehr freundlich beraten. Für die Er-öffnung des Bankkontos benötigt man eine Kopie des Personalausweises, eine Kopie
des Miet-vertrags als Nachweis für den Wohnsitz und die Immatrikulationsbescheinigung von der
Catho.
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hier nachzulesen: http://www.velov.grandlyon.com/Tarifs.12.0.html manchmal werden keine neuen Wochenabos ausgestellt u.ä. 6
Da ich schon 26 bin, bekam ich nicht das „normale“ Studentenkonto, sondern den Tarif «Jazz», deshalb weiß ich nicht genau, wie hoch der Beitrag für den normalen Studententarif ist. Ich weiß aber, dass der Beitrag auch da erst abgebucht und dann wieder gutgeschrieben wird. Ich hatte das Glück, trotz meines Alters noch ein beitragsbefreites Konto zu erhalten. 5
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Einen Antrag auf Wohngeld kann man stellen, sobald der Mietvertrag vorliegt. Die vorläufige
Immatrikulationsbescheinigung (certificat de scolarité) reicht aus, man muss nicht erst auf den
Erhalt der elektronischen Karte warten. Unter dem oben angegebenen URL kann man den Antrag
online stellen und dann ausdrucken.7 In meinem Fall musste die Wohnheimleitung eine Bescheinigung ausstellen und so konnte ich mich dort auch versichern, ob mein Antrag korrekt ausgefüllt
war. Ich war zunächst davon ausgegangen, dass ich für den Antrag meine Studentenkarte benötige
und weil dann auch noch die Wohnheimleiterin eine Weile im Urlaub war, schickte ich den Antrag
erst Anfang Oktober an die CAF. Mir war aber von der Wohnheimleiterin versichert worden, dass
ich auch rückwirkend für den Monat September noch Wohngeld bekommen könne.
Normalerweise erhält man nach Eingang des Antrags eine Benachrichtigungskarte mit einer
Referenznummer, mit deren Hilfe man online sein Konto bei der CAF einsehen kann. Ich bekam
seltsamerweise keine solche Karte, hatte aber unverhofft eine Überweisung von der CAF in Höhe
von rund 95€ auf meinem Konto. Daraufhin versuchte ich, herauszufinden, ob dieser Betrag mein
Wohngeld für die gesamte Aufenthaltsdauer (von 4 Monaten) sei oder ob da noch etwas käme.
Leider war über die Internetseite keine e-mail-Adresse herauszufinden und die dort angegebene
Telefon-nummer ist eine teure Sondernummer. So schrieb ich eine Postkarte, mit der ich um Benach-richtigung bat. Eine Rückmeldung kam nicht, jedoch eine weitere Überweisung von 95€. Aus
dem Gespräch mit meiner deutschen Kommilitonin schloss ich, dass es sich bei der Überweisung
um das Wohngeld für jeweils zwei Monate handeln musste, also bekam ich etwa 47,50€ pro Monat.
Umfassendere Informationen zur Vorbereitung eines Studienaufenthalts in Lyon findet man online
auf den Seiten der Universität.
Freizeitangebote
An der Uni
Bereits am Begrüßungs- und Informationstag hat sich die Fachschaft ESTRIBU/BDE Bureau des Etudiants vorgestellt. Das Büro ist für alle Fragen rund ums Studium und zum Kontakteknüpfen eine
gute Anlaufstelle. Die Studenten dort organisieren verschiedene Veranstaltungen, z.B. das WEI
(week-end intégration) und «soirées». Das WEI findet hauptsächlich für die Erstsemester statt, die
Teilnahme steht aber auch für alle anderen ESTRI-Studenten offen. Zu Beginn des neuen Semesters
sind alle, die Lust dazu hatten, gemeinsam für ein Wochenende in ein Städtchen im Süden Frankreichs gefahren.
Das Bureau des Sports bietet günstig Unisport-Kurse an, einen Link zum Programm findet man im
Internet über die Seite der Catho, indem man dem Link Vie à l’université → les sports folgt. Ich persönlich habe mich in einem «club de forme» angemeldet, weil es vom Unisport nur einen Gymnastikkurs pro Woche gab und ich dazu durch die halbe Stadt hätte fahren müssen. Im Club konnte ich
einen Vertrag für ein Semester abschließen und hatte so die Möglichkeit, unbegrenzt häufig und
zeitlich flexibel an Kursen teilzunehmen. Ich habe verschiedene Clubs verglichen und mich nicht
zuletzt aufgrund der Lage für einen am Place Bellecour entschieden.8
An dieser Stelle möchte ich nur kurz darauf hinweisen, dass an der Catho um Allerheiligen herum
eine Woche vorlesungsfrei ist (Vacances de Toussaint), das kann man sich schon im Kalender vormerken und für Besuch oder eine kleine Reise einplanen. Sofern man keine Möglichkeit hat, Freunde bei sich übernachten zu lassen, ist die Jugendherberge in der Altstadt zu empfehlen (Auberge
de jeunesse du Vieux Lyon).
Außerhalb der Uni
Die kulturellen Freizeitmöglichkeiten in Lyon sind unerschöpflich, einen Überblick kann nur ein
Reiseführer aus dem Buchhandel bieten. Man kann sich aber auch kostenlos über die offizielle Homepage der Stadt (lyon.fr) informieren. Hier nur einige „highlights“:
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Eine Kopierkarte, mit der man im Computerraum der Uni auch drucken kann, erhält man an der Rezeption des Gebäudes am Place Carnot. 8
http://gymsportsloisirs.fr/ Erfahrungsbericht Université Catholique de Lyon / ESTRI
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Ein absolutes „must“ sind die Basilika auf dem Hügel von Fourvière, der die Stadt überragt, und die
römischen Amphitheater hinter «Notre-Dame de Fourvière». Im Sommer bietet sich eine Bootsfahrt
auf der Saône an, entweder zum Zusammenfluss (confluent) von Saône und Rhône oder zur Ile
Barbe. Ansonsten kann ich nur jedem, der Lyon einmal besucht, empfehlen, durch die Altstadtgassen zu spazieren und nach den für die Stadt charakteristischen «traboules» Ausschau zu halten. Das
sind historische Tunnelgänge, die Parallelstraßen miteinander verbinden und durch teilweise idyllische Hinterhöfe führen. Die Stadt unterhält Verträge mit den Anwohnern, so dass viele «traboules»
für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Trotzdem herrscht in den «traboules» eine geheimnisvolle
Atmosphäre. Außerdem wird das Stadtbild von der Vielzahl prachtvoller Kirchen geprägt. Im ersten
Arrondissement gibt es bemalte Häuserfassaden zu entdecken.
Einige Tipps für Museen und Oper
Studenten genießen freien Eintritt im Musée des Beaux-Arts, man muss nur seinen Studentenausweis vorzeigen.
Ein anderes Museum, das ich empfehlen kann, ist das Miniaturenmuseum im Quartier St-Jean (Musée des miniatures et décors de cinéma). Dort kann man Filmkulissen, die hauptsächlich aus der
Zeit vor der Computeranimation stammen, bewundern. Manche sind lebensgroß, z.B. für den Film
„Das Parfum“, viele jedoch im Miniaturformat. Das Gebäude, in dem sich das Museum befindet,
und die Hintergrundmusik machen den Besuch des Museums zu einem Erlebnis.
An bestimmten Tagen (zwei Mal pro Woche) findet mittags in der Oper ein kostenloses Konzert
statt (eine Probe für die Abendveranstaltung), das Programm reicht von klassischer Musik über Jazz
bis zu bretonischem Chanson. Das Konzert geht von 12.30-13.15 Uhr, man sollte sich gegen kurz
nach 12 Uhr in die Schlange im Eingangsbereich einreihen. Nähere Informationen findet man auf
der Internetseite der Oper unter dem Stichwort «l’amphi à midi»: www.opera-lyon.org
Wer ein Semester in Lyon verbringt, sollte sich den 8. Dezember rot im Kalender anstreichen: Dann
wird mit dem Lichterfest (Fêtes de Lumières) die unbefleckte Empfängnis Marias gefeiert. Abends
stellen alle Bewohner Kerzen auf ihr Fenstersims, das ist ein herrlicher Anblick. Aus dem ursprünglich religiösen Fest ist zu ein touristisches Großereignis geworden: Vier Tage lang sind in der ganzen Stadt Lichtprojektionen auf historische Gebäude und Plätze zu bewundern, häufig gibt es eine
musikalische Untermalung. Die aufwändigen Illuminationen sind schon ein besonderes Erlebnis,
auch das rege Treiben in den Straßen. Mit jährlich etwa vier Millionen Besuchern kann es auf den
Straßen Lyons allerdings eng werden.
Fêtes des lumières
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Wer die Stadt kulinarisch entdecken will, dem sei das Adressenbuch «Le petit paumé» und die Zeitschrift «Pilipili» empfohlen, weil sich darin nicht nur Fotos und Beschreibungen von Cafés, Restaurants und Clubs befinden, sondern auch Gutscheine. «Pilipili» erscheint monatlich, liegt überall in
den Fußgängerzonen aus oder wird verteilt. «Le petit paumé» wird auf dem Place Bellecour an einem Herbst-Samstag in einer Volksfestaktion kostenlos verteilt.
Hier nur einige Adressen, zu denen man im Internet Details finden kann:
Teesalons:
A chacun sa tasse, 2 Rue du Griffon
L’arbre à thé, 4 Rue du Petit David
Café du bout du monde, 3 Rue d’Austerlitz
Confidences, 8 Rue du Fleurieu
(Bild links unten)
Café-Librairie Le Tasse Livre, 1 rue Vitet
(Bild rechts unten)
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Restaurants:
Flam’s, 12 Rue Tupin
New Delhi Restaurant, 5 Avenue du Doyenne
Toutes les couleurs, 26 Rue Imbert Colomès
Bilder vom Weihnachtsmarkt auf dem Place Carnot
Gesamtbeurteilung
Insgesamt kann ich auf ein eindrucksvolles, interessantes und lehrreiches Semester in Lyon zurückblicken. Die Stadt bietet eine hohe Lebensqualität und an der Catho fühlte ich mich willkommen.
Durch die geringe Anzahl von Erasmus-Studenten am ESTRI sind die Kontaktmöglichkeiten zu den
französischen Studenten besser als an vielen anderen Unis. Allerdings lässt die hohe Stundenbelastung der Studenten an dieser Privatuni wenig Raum für Freizeit und alle sind immer furchtbar gestresst. In meinen Kursen konnte ich viel lernen, ohne überfordert zu sein. Wer Übersetzungskursen
gänzlich abgeneigt ist, hat in den höheren Jahrgängen allerdings nicht besonders viel Auswahl.
Zwar kann man am ESTRI Französischkurse für Franzosen besuchen, doch hatte ich den Eindruck,
dass die Aufgaben darin für Nicht-Muttersprachler kaum zu bewältigen sind. In anderen als Übersetzungskursen herrscht der Stil des Frontalunterrichts vor und für die Klausuren gilt die Devise
„auswendig lernen“ - da hat sich leider das Vorurteil gegenüber dem Unterrichtsstil an französischen Unis bestätigt.
Meine Unterbringung im Wohnheim war insgesamt in Ordnung, allerdings lag der Preis doch recht
hoch. WG-Zimmer oder Zimmer bei Privatleuten sind häufig günstiger und das Zusammenleben
mit wenigen Mitbewohnern hat sicher Vorteile gegenüber dem Wohnheimleben. Wer das Risiko
und die Unsicherheit nicht scheut, kann sich vor Semesterbeginn in der Jugendherberge einquartieren und vor Ort suchen. Im Gebäude am Place Carnot gibt es ein Schwarzes Brett mit Wohnungs- und Nebenjobanzeigen. Vielleicht könnte man auch im ESTRI-Sekretariat darum bitten, eine
Rundmail mit einem Zimmer-Gesuch an die Studenten zu schicken. Ich könnte mir gut vorstellen,
dass dieser Weg zum Erfolg führt. Von einigen französischen Kommilitoninnen habe ich erfahren,
dass sich die Suche nach
einem privaten Zimmer in Lyon nicht unbedingt schwierig gestaltet.
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