Begleitmaterial für Pädagogen zu „Bluthochzeit“

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Begleitmaterial für Pädagogen zu „Bluthochzeit“
Begleitmaterial für Pädagogen zu
„Bluthochzeit“
am Schauspiel Dortmund Spielzeit 2011
Premiere: 6. Mai 2011, Schauspielhaus
Mutter: Frederike Tiefenbacher
Braut: Caroline Hanke
Schwiegermutter: Jele Brückner
Leonardos Frau: Luise Heyer
Magd: Bettina Lieder
Nachbarin/Tod: Eva Verena Müller
Leonardo: Björn Gabriel
Bräutigam: Sebastian Graf
Vater der Braut: Axel Holst
Mond: Ekkehard Freye
Mädchen: Hannah Bortz/ Rebekka Pattison
Junge: Oliver D. Endreß
Inszenierung: Paolo Magelli
Bühne: Hans Georg Schäfer
Kostüme: Leos Kulas
Komposition: Paul Wallfisch
Licht: Sibylle Stuck
Dramaturgie: Alexander Kerlin
Regieassistenz: Oliver Endreß
Bühnenbildassistenz: Nora Franzmeier
Kostümassistenz: Theresa Mielich
Inspizientin: Tilla Wienand
Soufflage: Christine Hevicke
Dramaturgiehospitanz: Henrik Wehmeier
1. Stückeinführung
2. Federico García Lorca / Biographisches
3. Hintergrundwissen
4. Lorcas erstes künstlerisches Erschauern
5.Textausschnitt
6. Einführung im Unterricht
Kontakt und theaterpädagogische Begleitung: Sarah Jasinszczak,
Theaterpädagogin Schauspiel, Kuhstr. 12, 44137 Dortmund
0231/5022555 oder [email protected]
1. Stückeinführung
Ein junges Paar steht vor der Hochzeit; doch die Vergangenheit holt beide am Tag
der Vermählung ein: Vor Jahren wurden Bruder und Vater des Bräutigams von einer
rivalisierenden Familie ermordet. Auf der Hochzeit erscheint ein direkter Verwandter
der Mörder, der junge Leonardo, die erste Liebe der Braut. Dieser ist inzwischen
selbst verheiratet, allerdings unglücklich. Kurz entschlossen fliehen Leonardo und die
Braut von der Hochzeit in die staubige Weite der Landschaft. Mit gezückten Messern
nimmt die Sippe des Bräutigams die Verfolgung auf ...
2. Federico García Lorca / Biographisches
Federico García Lorca wurde am 15. Juni 1898 in Fuentevaqueros in der Provinz
Granada geboren und wurde am 19. August 1936 in Viznar nahe Granada ermordet.
Frederico García Lorca zählt zu den bedeutendsten spanischen Autoren des 20.
Jahrhunderts und ist heute vor allem für seine Werke für das Theater bekannt.
Seine Herkunftsregion spielt eine große Rolle in seinen Werken, angefangen bei
Ersten Liedern (Primeras Canciones) bis zu Bernarda Albas Haus (La casa de
Bernarda Alba), das zusammen mit Yerma und der Bluthochzeit (Bodas de Sangre)
eine Trilogie bildet, die die Stellung der Frau in der ländlichen Bevölkerung zum
Thema hat.
Die Macht des Schicksals, die menschliche Leidenschaft, das Ehrgefühl, Liebe und
die Allgegenwart des Todes sind zentrale Themen von García Lorcas literarischem
Werk, das in der Kultur Andalusiens verwurzelt ist, die Heimat mythisch überhöht und
Einflüsse sowohl der arabischen Kultur und der Schriften Luis de Góngora y Argote
als auch der Lebenswelt der Zigeuner (der „Gitos") aufweist. Er schildert elementare
Gefühle und Konflikte des Menschen und zeigt, wie Traum und Wirklichkeit einander
durchdringen. In seine Dramen flossen sowohl Elemente volkstümlicher Musik wie
auch Poesie des Surrealismus ein. Seine melodische und reine Sprache ist stark
lyrisch und romantisch geprägt und zeichnet sich durch ungewöhnliche, bisweilen
komplizierte Metaphern aus.
„Bluthochzeit“ ist die früheste lyrische Tragödie des spanischen Autors. Lorca schrieb
das Theaterstück 1933, im gleichen Jahr wurde es am 5. März in Madrid
uraufgeführt. Die erste Inszenierung im deutschsprachigen Raum fand 1944 in Zürich
statt. Lorca thematisiert den Konflikt zwischen Gefühl und Vernunft in den Zwängen
einer archaischen und sittenstrengen Gesellschaft. Inspiriert zu diesem Stück wurde
Lorca durch eine Zeitungsmeldung vom Juni 1928 über ein Verbrechen in der
spanischen Provinz, als eine Hochzeitsgesellschaft auf der Suche nach der Braut auf
die Leiche ihres Vetters stieß.
Seine gesellschaftskritischen Arbeiten hatten Lorca bei der politischen „Rechten“
unbeliebt gemacht. Dies und wohl auch seine Homosexualität führten zu seiner
Ermordung am 19. August 1936, zu Beginn des Spanischen Bürgerkriegs, durch die
spanischen Nationalisten um Franco.
Nach seinem Tod war sein Name unter der Diktatur „Francos“ in Spanien etwa
zwanzig Jahre lang tabu und seine Bücher verboten.
3. Hintergrundwissen
Es ist nicht möglich und letztendlich auch unwichtig, Lorcas „Bluthochzeit“
literaturgeschichtlich einzuordnen. Dazu war er ein zu eigenständiger Künstler. Fest
steht, dass sowohl der Lebens-Kosmos, aus dem Lorca seine Inspiration bezog, als
auch der literarische Kosmos, dessen Grenzen er in akribischer Arbeit beständig
erweiterte, von einer überwältigenden und aufregenden Vielschichtigkeit sind.
Der intuitiv verstehende Zugang zu Lorcas Werk hat sich in den 75 Jahren seit
seinem Tod sukzessive verkompliziert. Viele der kulturellen Referenzen sind aus
dem Bewusstsein des 21. Jahrhunderts verschwunden. Schon während Lorcas
Schaffensperiode stellten sie sich als stilles, im Verschwinden begriffenes,
überwiegend im regional begrenzten Raum Südspaniens verwurzeltes Wissen über
eine andere Ordnung der Dinge dar, um dessen Verstehen und Erhalt Lorca
gerungen hat. Unsere gegenwärtigen Vorstellungen von Welt erleichtern den Zugang
zu bestimmten Regionen des Lorcaschen Kosmos nicht, im Gegenteil: Wir bilden
unsere Vorstellungen seit langem auf Grundlage technischer Messungen,
massenmedialer Berichterstattung, sorgfältiger Klassifikation, Rasterung,
Kartographierung und Kontrolle, selbst der kleinsten Lebensdetails. Von dieser
gleichsam sauberen Ordnung aus betrachtet, in der jedem Ding und jedem
Lebewesen ein mit sich selbst identischer Ort mit bekannten Eigenschaften, Regeln
der Beziehungsaufnahme und unverrückbaren Relationen zu den anderen Dingen
und Lebewesen zugewiesen ist, geben diverse Konstellationen bei Lorca Rätsel
buchstäblich kosmischen Ausmaßes auf – wie zum Beispiel die mörderische
Kooperation zwischen Mond und Tod in „Bluthochzeit“.
Mond: Sie nähern sich. Die einen durch den Hohlweg, die anderen durch den Fluss.
Was brauchst du?
Tod: Viel Licht! Schnell! Hast du gehört? Kein Entweichen! Beleuchte die Weste und
trenne die Knöpfe ab, damit später die Messer ihren Weg wissen.
Welche Ordnung der Dinge erlaubt es, zwischen Mond und Tod ausreichend
Ähnlichkeit vorzustellen, dass zwischen ihnen nicht nur Kommunikation sondern
sogar eine Praxis des Tötens möglich wird? In welchem Raum begegnen sie sich?
Es ist jedenfalls gedanklich reizvoll, diese und unzählige andere Konstellationen bei
Lorca nicht vorschnell mit diesem oder jenem Stichwort („Das ist doch bestimmt
Surrealismus“) zu neutralisieren oder mit fortschrittlichem Geist in die Niederungen
des Voraufgeklärten abzuschieben. Ohnehin wissen wir längst, dass unsere
angeblich aufgeklärte Gegenwart von mindestens ebenso vielen Fiktionen
durchdrungen ist wie in den sogenannten nicht aufgeklärten Epochen oder
Bevölkerungen: Auch an Verträge, Geld oder das Grundgesetz muss man glauben,
damit sie im gesellschaftlichen Raum Realität entfalten können.
Mond und Tod vollstrecken also in gemeinsamer Sache das Schicksal der
menschlichen Figuren. Was für ein Mörder-Duo! Wozu aber benötigt der Tod den
Mond? Lorcas „Bluthochzeit“ beantwortet die Frage schnörkellos: Ohne Mondlicht
wäre der Tod im nächtlichen Wald praktisch blind und würde die fliehenden
Menschen nicht einmal finden. Eine Argumentation von bestechender und einfacher
Logik, die jedes Kind versteht. Und doch wird sie für uns heute vieles sein:
phantastisch, gewitzt, kindisch, märchenhaft, archaisch, was auch immer, aber eines
niemals: wahr. Davon muss man bei Lorca allerdings ausgehen: dass es für ihn
immer um die Wahrheit geht. Das ist die erste Lorcasche Zerreißprobe: Das Ringen
um eine andere Objektivität in der Beschreibung der Welt – objektiver noch als jede
empirische Wahrheit.
4. Lorcas erstes künstlerisches Erschauern
In einem Interview, welches Lorca 1934 gab erinnert er sich an sein erstes
künstlerisches Erschauern:
Es geschah etwa 1906. Unser Land, Ackerland, war immer mit den alten Holzpflügen
gepflügt worden die kaum die Erde aufkratzten.
Aber in jenem Jahr erwarben einige Bauern einen der neuen „Bravant“ Pflüge – der
Name ist mir unvergesslich – die auf der Pariser Weltausstellung von 1900 für ihre
Effizienz einen Preis erhalten hatten.
Ich war ein wissbegieriges Kind und folgte unserem neuen, starken Pflug über das
ganze Feld. Ich sah gerne zu, wie die riesige, stählerne Klinge einen Einschnitt in die
Erde öffnete, aus dem anstatt Blut Wurzeln hervorquollen.
Einmal hielt der Pflug an. Er war gegen etwas Hartes gestoßen. Eine Sekunde später
hob der glänzende Stahl ein römisches Mosaik aus der Erde.
Es trug eine Inschrift, deren Text mir entfallen ist, aber – ich weiß nicht warum – mir
fallen in diesem Zusammenhang Namen der Hirten Daphnis und Chloe ein.
Dieses erste künstlerische Erschauern ist untrennbar verbunden mit der Erde.
Die Namen von Daphnis und Chloe besitzen auch den Geschmack von Erde und
Liebe.
5.Textstellen für den Unterricht
Begrüßung der Braut
Die Braut erwache am Hochzeitsmorgen.
Auf dass die Flüsse der Welt deinen Kranz tragen.
Auf dass du aufwachst mit dem grünen Zweig des blühenden Lorbeers.
Die Braut erwache am Hochzeitsmorgen.
Es dreh sich die Runde zum Tanz
und auf jedem Balkon ein Kranz.
Auf dass du erwachst mit dem grünen Zweig der blühenden Liebe!
Die Braut erwache am Hochzeitsmorgen.
Auf dass du erwachst mit langem Haar,
Mantel aus Schnee,
Schuhe aus Lack und Silber und Jasmin auf der Stirn.
Auf der Hochzeitsgesellschaft / Thema Familie
Mutter + Vater + Magd + Schwiegermutter
+ Kinder + Frau:
Die Braut
mit ihrem weißen Kranz
und der Bräutigam
schmückt sie mit Schleifen aus Gold.
Im Orangenhain
bietet der Bräutigam Löffel und Tischtuch an.
Mond + Tod:
Wach auf, Taube!
Der Morgen erhellt die Nachtglocken.
Die Braut, die weiße Braut,
heute Jungfrau, morgen Frau.
Braut:
Liebhaber, lass deinen Hut im Olivenwald.
Durch die Felder nähert sich schon
die Hochzeitsgesellschaft,
mit Gestecken aus Dahlien und Zuckergebäck.
( 1. Gruppenübung Familie: 1. eng zusammen, 2.verteilt im Raum, 3. die Familie
gegenüber die Braut beobachtend
2. Gruppenübung: Bemerkungen über die Konstitution der Braut, wie wenn sie auf
dem Markt feilgeboten wird )
Im Wald / Zwiesprache der Natur
Mond:
Sie nähern sich. Die einen durch den Hohlweg, die
anderen durch den Fluss. Was brauchst du?
Tod: Viel Licht! Schnell! Hast du gehört? Kein Entweichen! Beleuchte die Weste
und trenne die Knöpfe ab, damit später die Messer ihren Weg wissen.
Bräutigam:
Hast du einen Mann und eine Frau auf einem Pferd
gesehen?
Tod:
Ja, aber du wirst sie nicht finden.
Bräutigam: Ich frage dich, hast du sie gesehen? Sind sie hier vorbei?
Tod: Nein, aber sie kommen gerade vom Hügel. Hörst du sie nicht?
Bräutigam: Nein.
Tod: Kennst du den Weg nicht?
Ich begleite dich. Ich kenn’ die Gegend.
( Metaphern für den Tod in der Natur finden, wie verschieden könnte er dargestellt
werden, warum braucht der Tod den Mond für seine Arbeit?)
Die Liebe zwischen Leonardo und der Braut
Leonardo:
Braut:
Leonardo.
Braut:
Leonardo:
Leonardo:
Braut:
Bitte sei still!
Leonardo. Ab hier gehe ich allein.
Geh weg! Geh weg!
Still sag ich!
Diese Hände, die deine sind,
aber die, wenn ich dich ansehe,
die blauen Zweige aufbrechen wollen,
und das Gemurmel deiner Adern.
Ich liebe dich!
Wenn ich dich töten könnte.
Ich wollte vergessen,
und baute eine Steinmauer
zwischen deinem Haus und meinem.
Doch wenn ich auf’s Pferd stieg, ging es zu deiner Tür.
Und der Traum füllte mir das Fleisch mit Unkraut.
Ich habe keine Schuld, Schuld hat die Erde
und dieser Duft, der aus den Brüsten und Haaren strömt.
Gehen wir ins dunkle Versteck
wo ich dich immer liebe.
Wenn sie uns trennen, dann nur, weil ich tot bin.
Und ich auch.
( Thema Sehnsucht. Gegenüber Begriffe, wonach ich mich sehne, 3 Begriffe wählen,
2. Über den Körper: ausdrücken, Arm bleibt in der Luft oder in Ohnmacht fallen)
Frauen bei Lorca / Textstelle am Ende des Stückes
Braut:
Ich bin gekommen, damit du mich tötest und man mich zu
ihnen trage. Ich werde zu euren Füßen schlafen, um eure
Träume zu bewachen. Aber nicht mit den Händen, mit
Eisenhaken, mit einer Sichel und solcher Gewalt, dass sie
an meinen Knochen zerbricht. Du sollst wissen, dass ich
rein bin.
Mutter:
Und was geht mich das an?
Braut:
Mutter:
Du wärst auch gegangen. Ich war eine verdorrte Frau.
Innen und Außen voll ätzender Wunden und dein Sohn
war ein wenig Wasser, von dem ich Heilung erhoffte. Der
andere aber war ein dunkler Fluss unter Zweigen, der
mich das Rauschen seiner Binsen hören ließ und seinen
leisen, verhaltenen Gesang. Und ich ging mit deinem
Sohn, der ein kühles Bächlein war, aber der andere
schickte hundert Vögel, die mich am Gehen hinderten und
meine Wunden mit Raureif bedeckten.
Ich habe es nicht gewollt, hörst du! Dein Sohn war der
Sinn meines Lebens, und ich habe ihn nicht betrogen,
doch der Arm des anderen riss mich fort wie der Schlag
einer Welle, und er hätte mich nachgeschleift, immer,
immer, noch als alte Frau, und wenn sich alle Kinder
deines Sohns an meinen Haaren festgeklammert hätten!
Wer hat denn Schuld? Du bist eine schwache,
zerbrechliche Frau, die ihren Brautkranz wegwirft für ein
Bett, das noch warm ist von einer anderen!
Braut: Ich bin rein wie ein neugeborenes Kind und stark genug, es dir zu beweisen.
Wir wollen die Hände ins Feuer legen, du für deinen Sohn, ich für meinen Leib. Du
ziehst zuerst zurück.
( Wie stark sind die Frauen im Stück? Welches Schicksal teilen sie?)