Insolvenzrecht

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Insolvenzrecht
-1-
Skript Insolvenzrecht
von Privatdozent
Dr. Joachim P. Knoche
© für dieses Skript Joachim P. Knoche 2001.
Jede kommerzielle Nutzung, auch auszugsweise, verboten.
-2-
Einleitung
Das Insolvenzrecht ist der rechtliche Bereich, in welchem um eine möglichst umfassende
Befriedigung der Gläubiger gerungen wird, wenn ein Schuldner zahlungsunfähig geworden oder
überschuldet ist. Viele Rechtsfragen im Zusammenhang mit sog. dinglichen Sicherheiten
(Eigentumsvorbehalt, Sicherungsübereignung...) gewinnen erst ihren eigentlichen Sinn vor dem
Hintergrund einer möglichen oder bereits eingetretenen Insolvenz des Schuldners. Seit dem
01.01.1999 gilt in der Bundesrepublik Deutschland die Insolvenzordnung (InsO) als
Rechtsgrundlage für Schuldnerinsolvenzen. Lassen Sie sich im Folgenden durch das Regelwerk
dieser Insolvenzordnung führen. Sie sind herzlich eingeladen. Paragraphen, welche im
Folgenden ohne Gesetzesbezeichnung angeführt werden, sind solche der InsO. In ihrer
Grundstruktur
folgt
die
vorliegende
Abhandlung
der
Darstellung
von
Jauernig,
Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, welches zur vertiefenden gründlichen Lektüre
nachdrücklich empfohlen wird.
-3-
Inhaltsübersicht
I.
EINFÜHRUNG ......................................................................................................................4
1.
2.
ZIEL DES INSOLVENZRECHTS ................................................................................................4
GRUNDSÄTZE DES INSOLVENZVERFAHRENS .........................................................................4
II. BETEILIGTE DES INSOLVENZVERFAHRENS............................................................7
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
INSOLVENZGERICHT..............................................................................................................7
INSOLVENZSCHULDNER ........................................................................................................8
INSOLVENZGLÄUBIGER .......................................................................................................13
GLÄUBIGERORGANISATION.................................................................................................14
INSOLVENZVERWALTER ......................................................................................................15
AUSSONDERUNGSBERECHTIGTE .........................................................................................18
ABSONDERUNGSBERECHTIGTE ...........................................................................................20
MASSEGLÄUBIGER ..............................................................................................................22
III. DIE INSOLVENZMASSE..................................................................................................25
1.
2.
3.
4.
5.
EINFÜHRUNG ......................................................................................................................25
SOLLMASSE: .......................................................................................................................26
AUFRECHNUNG IM INSOLVENZVERFAHREN ........................................................................26
ABWICKLUNG NOCH NICHT ERFÜLLTER GEGENSEITIGER VERTRÄGE DES
INSOLVENZSCHULDNERS .....................................................................................................27
INSOLVENZANFECHTUNG ....................................................................................................30
IV. DAS INSOLVENZVERFAHREN .....................................................................................33
1.
2.
3.
4.
5.
6.
V.
ERÖFFNUNG ........................................................................................................................33
ERFASSUNG UND VERWERTUNG DER INSOLVENZMASSE.....................................................35
FESTSTELLUNG DER SCHULDENMASSE ...............................................................................35
FESTSTELLUNGSPROZESS ....................................................................................................37
VERTEILUNGSVERFAHREN ..................................................................................................37
BEENDIGUNG DES INSOLVENZVERFAHRENS ........................................................................38
DER INSOLVENZPLAN ...................................................................................................39
VI. BESONDERE VERFAHRENSGESTALTUNGEN.........................................................40
1.
2.
3.
4.
5.
EIGENVERWALTUNG ...........................................................................................................40
VERBRAUCHERINSOLVENZVERFAHREN UND SONSTIGE KLEINVERFAHREN .........................40
RESTSCHULDBEFREIUNG.....................................................................................................41
NACHLASSINSOLVENZVERFAHREN UND VERWANDTE VERFAHREN ....................................43
INTERNATIONALE INSOLVENZVERFAHREN (VERFAHREN MIT AUSLANDSBEZUG) ...............44
-4-
I.
Einführung
1.
Ziel des Insolvenzrechts
Bestmögliche Befriedigung aller vermögensrechtlichen Gläubiger.
Um dieses Ziel erreichen zu können, sind viele Themenbereiche von ganz besonderer
Bedeutung. Oberste Priorität nehmen m.E. folgende Fragenkreise ein:
a)
Was gehört alles zur verwertbaren Insolvenzmasse, welche Gegenstände/Rechte
kann umgekehrt ein Gläubiger aus der Insolvenzmasse abziehen, welche Rechte
werden bevorzugt befriedigt?
b)
Wie kann verhindert werden, dass der Insolvenzschuldner noch nach Eröffnung
des Insolvenzverfahrens über die Insolvenzmasse verfügt, und wie können
massegefährdende Rechtshandlungen des Insolvenzschuldners „unmittelbar vor
Toresschluss“ rückgängig gemacht werden?
2.
Grundsätze des Insolvenzverfahrens
a.
Gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger
Das Insolvenzverfahren ist dem Wesen nach Vollstreckung (keine Entscheidung eines Streits
über Insolvenzforderungen, vielmehr insofern Verweisung in ordentlichen Prozess (§§ 179 ff.).
b.
Verhältnis des Insolvenzverfahrens ("Totalvollstreckung", Gesamtvollstreckung") zur
Zwangsvollstreckung ("Einzelzwangsvollstreckung") nach ZPO
Insolvenzverfahren erfasst grundsätzlich ganzes Vermögen des Schuldners, dagegen
Einzelzwangsvollstreckung wegen Geldforderungen nur in bestimmte Sachen oder
-5Rechte. Im Insolvenzverfahren (anders: Einzelzwangsvollstreckung, siehe § 804 Abs. 3
ZPO) kein Prioritätsprinzip dergestalt, dass etwa Gläubiger, die ihre Forderungen zuerst
anmelden o.ä., bevorzugt befriedigt würden. Vielmehr wie gesagt gleichmäßige
Befriedigung aller Gläubiger. Unpfändbarkeit bestimmter Sachen und Forderungen gilt
auch
im
Insolvenzverfahren
(insofern
"Insolvenzfreiheit").
Während
des
Insolvenzverfahrens keine Zwangsvollstreckung in Insolvenzmasse und massefreies
Vermögen des Schuldners, § 89. Gilt auch für Vollzug von Arrest und einstweiliger
Verfügung (berechtigte Kritik an der Streichung einer entsprechenden ausdrücklichen
gesetzgeberischen Klarstellung innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens bei Jauernig aaO
§ 47), ferner für Gläubiger, die erst während des Insolvenzverfahrens einen
vermögensrechtlichen Anspruch gegen den Insolvenzschuldner erworben haben. Bei
Verstoß gegen Verbot des § 89: Wirksamkeit der Vollstreckungsmaßnahme (insb. auch
Verstrickung und Pfändungspfandrecht entstanden, str.), aber Anfechtbarkeit mit
Erinnerung zum Insolvenzgericht, § 89 Abs. 3 Satz 1.
c.
Vertiefung:
(1)
Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens: Einzelzwangsvollstreckung zulässig;
Einschränkung: Rückschlagsperre, § 88.
(2)
Während
Insolvenzverfahrens:
Einschränkung:
Durchsetzung
Einzelzwangsvollstreckung
von
ordnungsbehördlichen
unzulässig,
Forderungen
(umweltrechtliche Sanierungsanordnungen!) nach – abzulehnender – h.M. auch
noch nach Verfahrenseröffnung mit Verwaltungsakt und anschließender
Vollstreckung möglich (Forderung soll dann Masseverbindlichkeit sein, §§ 53 ff.,
s.u.).
(3)
Nach Ende des Insolvenzverfahrens: Einzelzwangsvollstreckung zulässig,
Anmeldung
von
Insolvenzforderungen
im
Insolvenzverfahren
Vollstreckungstitel, § 201; Einschränkung: Restschuldbefreiung, §§ 286 ff.
ergibt
-6- Insolvenzschuldner verliert mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens Verwaltungs- und
Verfügungsbefugnis über gegenwärtiges und während des Insolvenzverfahrens erworbenes
Vermögen (siehe § 35), die sog. Insolvenzmasse. Befugnis geht über auf Insolvenzverwalter.
Gläubiger benötigen im Insolvenzverfahren keinen Vollstreckungstitel (beachten: Eine während
des Insolvenzverfahrens festgestellte Forderung verleiht demgegenüber im Nachhinein einen
Vollstreckungstitel für die Zeit nach Beendigung des Insolvenzverfahrens, § 201).
- Grund für Insolvenzrechtsreform, welche durch Inkrafttreten der InsO abgeschlossen ist:
"Konkurs des Konkurses" durch Verarmung der Insolvenzmasse infolge von dinglicher
Übersicherung durch einzelne Gläubiger => In der bisherigen Praxis gingen mangels Masse etwa
70% aller Konkursgläubiger völlig leer aus, da ein Konkursverfahren wegen Massearmut gar
nicht erst eröffnet wurde. Nunmehr zwei Möglichkeiten für Gläubiger-Befriedigung: Liquidation
(Verwertung des Schuldnervermögens) oder aber Sanierung durch Insolvenzplan. Ob Ziel der
InsO erreicht werden kann, ist fraglich, da durch die InsO die Insolvenzmasse nicht angereichert
wird (weitgehende Beibehaltung der Insolvenzfestigkeit dinglicher Sicherheiten). Allerdings
nunmehr Abschaffung der Konkursvorrechte innerhalb der Insolvenzforderungen (nach
bisherigem Recht insb. Bevorrechtigung von Arbeitnehmern und Fiskus).
- Außerhalb von Insolvenzrechtsverfahren: Restschuldbefreiung für redlichen Schuldner (§ 1
Satz 2).
-7-
II.
Beteiligte des Insolvenzverfahrens
1.
Insolvenzgericht
(Nur) verfahrensleitende Funktion. Eigentliche Entscheidungskompetenz über Ablauf des
Insolvenzverfahrens aber nicht bei Insolvenzgericht, sondern bei Insolvenzverwalter und
Organisation der Gläubiger.
a.
Sachlich zuständig: Amtsgericht ausschließlich zuständig, § 2 Abs. 1.
Örtlich zuständig: Mittelpunkt der selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des
Insolvenzschuldners (§ 3 Abs. 1 Satz 2); sofern es hieran mangelt, allgemeiner
Gerichtsstand des Schuldners (§§ 12 ff. ZPO) entscheidend, § 3 Abs. 1 Satz 1. Achtung:
Erweiterung der örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts auf LG-Bezirk, § 2 Abs. 1.
Andere Festlegung der Gerichtsbezirke durch Landesrecht möglich, § 2 Abs. 2 (in Bayern
siehe hierzu § 29 Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz - GZVJu).
Funktionelle Zuständigkeit: weitgehend Rechtspfleger (§ 3 Nr. 2 lit e RPflG).
Richtervorbehalt:
Eröffnung
des
Insolvenzverfahrens
incl.
Verfahren
über
Schuldenbereinigungsplan und Ernennung von Insolvenzverwalter, siehe ferner § 18 Abs.
1 (bestimmte Angelegenheiten bei der Restschuldbefreiung). Ferner dem Richter
vorbehalten: zwangsweise Vorführung und Haft des Schuldners (§ 98 Abs. 2 - siehe auch
§ 102 - InsO i.V.m. §§ 4 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 RPflG.
b.
Aufgaben des Insolvenzgerichts:
Eröffnung, Aufhebung und Einstellung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss (§§ 27, 200,
258, 207, 211-213); Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters und vorläufige Bestellung
eines Insolvenzverwalters, §§ 21 Abs. 3 Nr.1, 27 Abs. 1, 58, 59 (Gläubiger können gem. § 57
-8sodann anderen Insolvenzverwalter bestellen, was in der Praxis aber nur sehr selten geschieht);
Einrichtung und Überwachung der Organisation der Gläubiger, insb. Einberufung und Leitung
der Gläubigerversammlung (§§ 74, 76 Abs. 1, 29 Abs. 1) und vorläufige Einsetzung eines
Gläubigerausschusses (§§ 67 f.); Feststellung der Schuldenmasse durch Eintragung der
Forderungen der Gläubiger in Insolvenztabelle (§ 178), was aber keine rechtsverbindliche
Feststellung der jeweiligen Forderung ist (insofern ggf. streitiger Zivilprozess erforderlich);
Bestätigung, Versagung oder Zurückweisung des Insolvenzplans (§§ 231, 248 ff.); Anordnung
und Aufhebung von Eigenverwaltung, §§ 270, 272); Entscheidungen im Verfahren der
Restschuldbefreiung (§§ 289 ff, 296 ff., 300, 303).
c.
Form der Entscheidungen/Rechtsbehelfe
Entscheidungen durch Beschluss; Entscheidungen nur in den Fällen anfechtbar, in denen InsO
sofortige Beschwerde vorsieht, § 6 Abs. 1. Rechtsmittelfrist 2 Wochen (§ 4 InsO i.V.m. § 577
Abs. 2 Satz 1), Beginn mit Verkündung oder Zustellung der Entscheidung, § 6 Abs. 2 Satz 1.
Möglichkeit der Abhilfe durch Insolvenzgericht, § 6 Abs. 2 Satz 2). Bei Nichtabhilfe: Vorlage an
Landgericht als Beschwerdegericht, § 4 InsO i.V.m. § 571 ZPO => Wirksamwerden von dessen
Entscheidungen erst mit Rechtskraft (Unanfechtbarkeit), wobei Landgericht sofortige
Wirksamkeit anordnen kann, § 6 Abs. 3. Gegen Beschwerdeentscheidung gemäß § 7
Zulassungsbeschwerde zum OLG (in Bayern aufgrund § 7 Abs. 3 i.V.m. VO vom 06.07.1995,
GVBl. S. 343 BayObLG, in anderen Ländern Aufgabenkonzentration ggf. ebenfalls aufgrund
landesrechtlicher Regelungen, Nw. hierzu bei Kirchhof, in Eickmann et. al., InsO, § 7 Rdnr. 46)
in Form sofortiger weiterer Rechtsbeschwerde.
2.
Insolvenzschuldner
a.
Keine Beschränkung auf Kaufleute. Allerdings in §§ 304 ff. Sonderregelungen für
"Verbraucherinsolvenzverfahren und sonstige Kleinverfahren".
-9b.
Insolvenzfähigkeit
Jeder Mensch und jede juristische Person des Bürgerlichen Rechts, welcher wiederum der
nichtrechtsfähige Verein gleichsteht (§ 11 Abs. 1). Nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 ferner insolvenzfähig:
Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (OHG, KG, BGB-Gesellschaft als Außengesellschaft
etc.). Juristische Personen des öffentlichen Rechts weitgehend insolvenzunfähig (Einzelheiten
Jauernig aaO § 40). Nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 können bestimmte Sondervermögen (Nachlass,
Gesamtgut fortgesetzter Gütergemeinschaft bzw. gemeinschaftlich verwaltetes Gesamtgut)
Gegenstand eines Insolvenzverfahrens sein.
c.
Pflicht des Insolvenzschuldners, den Verwalter zu unterstützen, § 97 Abs. 2.
Auskunftsverpflichtung gegenüber Insolvenzgericht, Verwalter, Gläubigerausschuss und
Gläubigerversammlung, §§ 97, 20. Weitere Einschränkungen: siehe Jauernig, § 40.
OLG Celle, ZIP 2000, 1898
1. Die Anordnung einer Postsperre im INSOLVENZVERFAHREN nach INSO § 99 Abs 1 S 1 hat
zur Voraussetzung, daß konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Masse geltend gemacht
werden, um die Angemessenheit der Einschränkung der Grundrechte des Schuldners zu
überprüfen.
2. Die Anordnung der Postsperre (auch gegenüber einer juristischen Person) bedarf einer
eingehenden Begründung, die erkennen lassen muß, daß sich das INSOLVENZGERICHT bzw das
Beschwerdegericht mit der Frage der Erforderlichkeit der Postsperre auseinandergesetzt hat und
konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die die Anordnung einer solchen Sperre rechtfertigen. Eine bloß
stereotype Begründung unter Wiederholung des Gesetzestextes genügt nicht dem
Begründungserfordernis.
3. Daher muß auch eine Entscheidung des Beschwerdegerichts, der kein subsumtionsfähiger
Sachverhalt vorangestellt ist, im Rechtsbeschwerdeverfahren nach INSO § 7 aufgehoben und an
das Beschwerdegericht zurückverwiesen werden.
OLG Düsseldorf, ZIP 2001, 25
1. Die Erklärung der Amtsniederlegung durch den alleinigen Geschäftsführer und einzigen
Gesellschafter einer GmbH, der nicht zugleich einen neuen Geschäftsführer bestellt, ist in der
Regel rechtsmissbräuchlich und daher unwirksam.
2. Die Eröffnung des INSOLVENZVERFAHRENS über das Vermögen der Gesellschaft wegen
Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sowie die unterbliebene und für die Zukunft nicht
gesicherte Vergütung des Geschäftsführers begründen keine besonderen Umstände, die der
Beurteilung der Amtsniederlegung als rechtsmissbräuchlich ausnahmsweise entgegenstehen.
- 10 d.
Speziell: Vermögensrechtliche Stellung des Insolvenzschuldners
-
Insolvenzschuldner bleibt rechts-, geschäfts-, partei- und prozessfähig. Aber Verlust des
Rechts, sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verwalten und darüber zu
verfügen (§ 80 Abs. 1) und darüber zu prozessieren. Dieser Verlust erstreckt sich auf
gesetzlichen
oder
gewillkürten
Vertreter
des
Insolvenzschuldners
bzw.
auf
Vertretungsorgane oder vertretungsberechtigten Gesellschafter des Insolvenzschuldners.
Beachten: Insolvenzgericht kann im Eröffnungsbeschluss Eigenverwaltung anordnen (§§
270 ff.)!
-
Unwirksamkeit von Verfügungen, welche Insolvenzschuldner nach Verfahrenseröffnung
über einen Massegegenstand vornimmt, § 81 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27 Abs. 3. Gleiches
gilt bei Verfügungsbeschränkung, die im Eröffnungsverfahren ausgesprochen wurden, §
21 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m § 24, ferner für Verfügungen eines Vertreters, welcher die
Verfügungsbefugnis verloren hat (siehe soeben).
-
Absolute, also nicht nur relative Unwirksamkeit von Verfügungen, welche gegen das
Verfügungsverbot verstoßen. Aber Möglichkeit der Genehmigung durch Verwalter, § 80
Abs. 1. Verfügung ist auch Entgegennahme von Zahlungen und anderen Leistungen,
ferner
rechtsgeschäftliche
Handlungen
mit
verfügendem
Charakter,
ferner
Prozesshandlungen mit verfügendem Charakter (Geständnis, Anerkenntnis...).
-
§ 91 Abs. 1: Kein wirksamer Erwerb von Rechten an Massegegenständen nach Eröffnung
des Insolvenzverfahrens. Unanwendbarkeit von § 91 Abs. 1, wenn Erwerbstatbestand
bereits vor Verfahrenseröffnung vollendet. Erwerb vom Verwalter ist möglich, § 80 Abs.
1.
-
Ausnahmsweise Gültigkeit von Schuldner-Verfügungen: §§ 892 f. BGB i.V.m. § 81 Abs.
1 Satz 2 InsO. Allerdings beachten: Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird gem. § 32
ins
Grundbuch
eingetragen,
um
gutgläubigen
Erwerb
vom
Schuldner
=
Nichtverfügungsberechtigten zu vermeiden. Bei rascher Beantragung dieser Eintragung
durch Insolvenzgericht oder (vorläufigen) Verwalter bleibt kaum mehr Zeit für
gutgläubigen Erwerb, da das Grundbuchamt später eingegangene Anträge, etwa auf
- 11 Umschreibung des Eigentums, erst später als den Antrag auf Eintragung des
Insolvenzvermerks bearbeiten darf (§ 17 GBO); ist dann der Insolvenzvermerk bereits
eingetragen, wirkt der öffentliche Glaube des Grundbuchs nicht mehr zugunsten eines
Erwerbers,
der
das
Grundstück
oder
Rechte
daran
vom
Schuldner
des
Insolvenzverfahrens nach Eröffnung des Verfahrens erworben hat => Antrag auf
Eigentumsumschreibung o.ä. wird dann vom Grundbuchamt abgelehnt! Grundbuchsperre
erst durch Eintragung des Insolvenzvermerks, nicht bereits durch Kenntnis des
Grundbuchamts von der Verfahrenseröffnung. Das heißt: Grundbuchamt muss, selbst
wenn es von Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiß, mit Rücksicht auf § 17 GBO eine
Verfügung, welche unter Verstoß gegen das Verfügungsverbot vorgenommen wurde,
eintragen, wenn der Antrag auf Eintragung des Insolvenzvermerks erst nach dem
Umschreibungsantrag o.ä. gestellt wurde! Bei beweglichen Sachen kein gutgläubiger
Erwerb möglich, da §§ 932 ff. nur auf Erwerb vom Nicht-Eigentümer anwendbar sind,
der Schuldner aber noch Eigentümer der Massegegenstände ist. Nach § 81 Abs. 1 Satz 3
ist bei gegenseitigen Verträgen, welche beiderseits erfüllt wurden, und zwar seitens des
Insolvenzschuldners nach Verfahrenseröffnung, die dem Vermögen des Schuldners und
damit der Insolvenzmasse zugeflossene Leistung aus der Masse zurückzugewähren.
Dieser Anspruch des Vertragspartners ist nicht etwa nur eine Insolvenzforderung,
sondern eine Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 3).
-
§
878
BGB
beachten:
Verfügungsbeschränkung
(also
insb.
auch
Verfügungsbeschränkung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens), nachdem dingliche
Erklärung nach §§ 873, 875, 877 BGB abgegeben und für den Erklärenden bindend
geworden ist und nachdem beim Grundbuchamt Antrag auf Grundbuchänderung gestellt
wurde, führt nicht zur Unwirksamkeit der Erklärung! Die Regelung des § 878 BGB ist
über § 91 Abs. 2 InsO in der vorliegend behandelten Konstellation anwendbar.
-
Bei Leistung an den Insolvenzschuldner nach Verfahrenseröffnung, aber in Unkenntnis
der Verfahrenseröffnung: Leistender ist befreit, § 82 Satz 1. Nach § 82 Satz 2
(Beweislastregel!) Vermutung der Nichtkenntnis der Verfahrenseröffnung bei Leistung
vor öffentlicher Bekanntmachung der Eröffnung. Stets Befreiung bei Leistung an die
Insolvenzmasse oder bei Leistung, die in die Insolvenzmasse geflossen ist. Bei nicht
befreiend wirkender Leistung (in Praxis selten): Bereicherungsanspruch gegen den
- 12 Insolvenzschuldner, der außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend zu machen ist (keine
Insolvenzforderung, da erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden, § 38!);
aber § 89: keine Vollstreckung in Schuldnervermögen während Insolvenzverfahren! =>
Da auch Vermögenserwerb des Insolvenzschuldners während des Insolvenzverfahrens in
die Masse fällt (§ 35), i.E. nur Realisierung aus Vermögen möglich, das nicht zur Masse
gehört (unpfändbare Gegenstände) bzw. erst nach Verfahrensbeendigung erworben wird;
dann aber Konkurrenz mit Insolvenzgläubigern, soweit diese nicht aus der Masse
befriedigt worden sind, §§ 201, 215 Abs. 2 => Einzelzwangsvollstreckung dann wieder
möglich, es gilt das zwangsvollstreckungsrechtliche Prioritätsprinzip. Gleiche Rechtslage,
wenn Insolvenzschuldner nach Verfahrenseröffnung Verpflichtungsgeschäfte eingeht
(diese sind wirksam, da ja die Verfahrenseröffnung nicht die Geschäftsfähigkeit beendet,
s.o., begründen aber gemäß § 38 keine Insolvenzforderung).
e.
Vertiefung
Verpflichtungsgeschäfte des Insolvenzschuldners nach Verfahrenseröffnung sind wirksam!!!
Forderungen gegen den Insolvenzschuldner hieraus nehmen aber nicht am Insolvenzverfahren
teil (keine Insolvenzforderungen, § 38, und keine Masseverbindlichkeiten, §§ 53 ff.).
Befriedigung
nur
aus
massefreiem
Vermögen
(beachten:
auch
Neuerwerb
des
Insolvenzschuldners nach Verfahrenseröffnung gehört zur Masse, § 35, daher insofern kaum
Befriedigungsmöglichkeiten der Neugläubiger), aber insofern: Vollstreckungsverbot während
Insolvenzverfahren gemäß § 89 gilt auch hier (Eickmann, in Eickmann et. al., InsO, § 89 Rdnr.
12) => im Ergebnis meist daher erst Befriedigung der Neugläubiger nach Ende des
Insolvenzverfahrens möglich. Rechtsgeschäft unterliegt zugunsten des Neugläubigers aber den
allgemeinen Regeln der §§ 275, 320 ff. Wenn Gegenleistung des Neugläubigers in die Masse
gelangt: Rückgewähr über § 81 Abs. 1 Satz 3 analog. Beachten: Verpflichtungsgeschäfte des
Insolvenzschuldners nach Verfahrenseröffnung erfüllen meist den Tatbestand des Betrugs (§ 263
StGB), da der Insolvenzschuldner bei Abschluss des Geschäfts genau weiß, dass er die von ihm
geschuldete Gegenleistung nicht erbringen kann.
- 13 -
3.
Insolvenzgläubiger
a.
§ 38: Insolvenzgläubiger = wer als persönlicher Gläubiger (nicht dinglicher Gläubiger,
dann
Aussonde-rungs-
oder
Absonderungsberechtigung,
s.u.)
z.Zt.
der
Verfahrenseröffnung begründeten (bei nachträglich erworbener Forderung siehe
soeben) Vermögensanspruch
gegen
Insolvenzschuldner hat.
Unterscheidung in
nichtnachrangige und nachrangige Insolvenzgläubiger, § 39 (z.B. Zinsen seit
Verfahrenseröffnung).
Bedingter
Anspruch
ausreichend:
Auflösend
bedingte
Forderungen werden vor Eintritt der Bedingung als unbedingt behandelt, § 42;
aufschiebend bedingte Forderungen: werden bei Abschlagszahlung berücksichtigt, aber
Betrag wird zurückbehalten, § 191. Noch nicht fällige Forderungen gelten als fällig, § 41
Abs. 1. Bei Gesamtschulden kann voller Betrag angemeldet werden, § 43.
OLG Zweibrücken, ZIP 2000, 2172
1. Die Parteifähigkeit des Gläubigers im INSOLVENZVERFAHREN ist nach INSO § 4
entsprechend ZPO § 50 zu beurteilen. Bei einer ausländischen Gesellschaft ist dabei das für die
Beurteilung der Parteifähigkeit anzuwendende Recht entsprechend der ständigen Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs nach der Sitztheorie zu bestimmen. Das gilt ungeachtet der EuGH-Vorlage
vom 30. März 2000, VII ZR 370/98 <ZIP 2000, 967, dazu EWiR 2000, 793 (Roth)> jedenfalls
dann, wenn - wie hier - eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Costa Rica den
INSOLVENZANTRAG stellt.
2. INSO § 5, wonach das INSOLVENZGERICHT alle Umstände zu ermitteln hat, gilt nicht, wenn
es um die Zulässigkeit des Eröffnungsantrags eines Gläubigers geht.
b.
Nicht Insolvenzgläubiger: Aus- und Absonderungsberechtigte (dazu im einzelnen unten),
Massegläubiger (§ 55, dazu ebenfalls unten). Zur Terminologie im einzelnen Jauernig
aaO § 41. Familienrechtliche Unterhaltsansprüche, § 40 Satz 1: nur die bis zur
Verfahrenseröffnung entstandenen Forderungen sind Insolvenzforderungen. Nach
Verfahrenseröffnung
entstandene
Unterhaltsansprüche:
unmittelbar
gegen
den
Insolvenzschuldner entstanden, Vollstreckung in den nicht zur Insolvenzmasse
gehörenden Teil des Arbeitseinkommens, §§ 36 Abs. 1, 89 Abs. 2 Satz 2.
- 14 c.
§ 45: Umrechnung in Geld, wenn Forderungen nicht auf Geld, sondern auf geldwerte
Leistung gerichtet sind. Aber Umwandlung in Geldforderung erst mit Feststellung der
Forderung zur Insolvenztabelle. Wenn zuvor Abbruch des Insolvenzverfahrens mangels
Masse o.ä.: Forderung bleibt in alter Gestalt bestehen.
4.
Gläubigerorganisation
a.
Gläubigerversammlung
Alle Insolvenzgläubiger und Absonderungsberechtigten, § 74 Abs. 1. Einberufung und Leitung
durch Gericht. Wahl eines Insolvenzverwalters, wenn anderer als der vom Gericht eingesetzte
Verwalter gewählt werden soll (in Praxis selten). Entscheidung über Einsetzung von
Gläubigerausschuss. Kontrolle des Verwalters. Zustimmung zu besonders bedeutenden
Rechtshandlungen des Verwalters, sofern Gläubigerausschuss nicht bestellt ist, § 160. Weitere
Aufgaben: siehe die Auflistung bei Jauernig aaO § 42.
OLG Zweibrücken, ZIP 2000, 2173
(Unzulässige Beschwerde
Gläubigerversammlung)
gegen
Abwahl
des
INSOLVENZVERWALTERS
durch
die
Ein Beschluss der Gläubigerversammlung ist keine gerichtliche Entscheidung. Da gegen einen
solchen Beschluss nach der INSOLVENZORDNUNG keine Erstbeschwerde eröffnet ist, findet
gegen ihn auch keine sofortige weitere Beschwerde statt. Ein Antrag auf Zulassung der sofortigen
weiteren Beschwerde ist unzulässig.
b.
Gläubigerausschuss
Fakultative Einsetzung durch Gericht vor erster Gläubigerversammlung, § 67 Abs. 1.
Unterordnung unter Gläubigerversammlung: Existenz und Zusammensetzung hängen von
Gläubigerversammlung ab, § 68.
- 15 -
5.
Insolvenzverwalter
a.
Bestellung durch Gericht, § 27, und zwar durch Richter (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG). In
erster Gläubigerversammlung Möglichkeit zur Wahl eines anderen Verwalters, § 57 Satz
1 (selten). Aufsicht über Tätigkeit des Verwalters durch Gericht, mit Möglichkeit zu
Zwangsmaßnahmen, § 58.
b.
§
80
Abs.
1:
Verwaltungs-
und
Verfügungsrecht
über
Masse
geht
mit
Verfahrenseröffnung auf Verwalter über. => Recht und Pflicht des Verwalters, Masse
sofort in Besitz zu nehmen (§ 148 Abs. 1). Notfalls Wegnahme durch Gerichtsvollzieher
(§§
883,
885
ZPO,
Vollstreckungstitel
ist
vollstreckbare
Ausfertigung
des
Eröffnungsbeschlusses, 3 148 Abs. 2). Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) zum
Vollstreckungsgericht, § 148 Abs. 2. Nach BGH, MJW 1994, 326; Jauernig, FS Weber,
307, Unwirksamkeit offensichtlich zweckwidriger Rechtshandlungen des Verwalter, z.B.
Anerkennung evident unberechtigter Absonderungsrechte.
c.
Erstellung von Vermögensübersicht (§ 153 Abs. 1) auf der Grundlage von Inventarliste (§
151) und Gläubigerverzeichnis (§ 152).
d.
In erster Gläubigerversammlung = Berichtstermin, § 29, Bericht über wirtschaftliche
Lage des Insolvenzschuldners sowie über Aussichten, bei Unternehmensinsolvenz
Unternehmen
oder
Teile
davon
zu
erhalten,
ferner
über
Aussichten,
Gläubigerbefriedigung abweichend von gesetzlichen Vorbildern durch Insolvenzplan (§
217) zu erlangen (in Praxis entgegen den Vorstellungen des Gesetzgebers fast völlig
bedeutungslos, nur 2% aller Insolvenzen über Insolvenzplan abgewickelt).
- 16 e.
Anmeldung der Insolvenzforderungen beim Verwalter, § 174 Abs. 1 Satz 1, der sie dann
in die Insolvenztabelle einträgt, § 175. Zur Abwehr unberechtigter Forderungen:
Widerspruch mit anschließendem streitigen Prozess, § 178 f.
f.
Weitreichende
Verfügungsbefugnis
Masseverwertung
des
Verwalters
(freihändiger
Unternehmensfortführung
oder
bezüglich
Verkauf,
-schließung,
Verkauf
der
Art
der
Zwangsversteigerung,
von
Unternehmen
oder
Unternehmensteilen...). Bei Betriebsveräußerungen während des Insolvenzverfahrens:
Geltung von § 613a, aber Möglichkeit des vorherigen, sozialplangesicherten
Personalabbaus, §§ 123, 125 - 128. Bei Rechtshandlungen von besonderer Bedeutung:
vorherige Zustimmung des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung, §§
160 f, z.B.: beabsichtigte freihändige Grundstücksveräußerung.
g.
Ausübung des Anfechtungsrechts, §§ 130 ff., durch Insolvenzverwalter, ferner
Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplanes, §§ 260 ff. Weitere Aufgaben des
Verwalters: siehe Jauernig aaO, § 43, auch zur Haftung des Verwalters (§ 60) sowie zum
Vergütungsanspruch (§§ 63 ff. i.V.m. Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung.
h.
Ausübung des Prozessführungsrechts durch Verwalter. Neue massebezogene Prozesse
sind vom Verwalter als Kläger und Beklagtem zu führen. Anhängige Prozesse:
Unterbrechung nach § 240 ZPO. Ablehnung der Aufnahme eines Aktivprozesses durch
Verwalter, § 85 (bei Aussichtslosigkeit), beinhaltet Freigabe des Massegegenstandes ins
insolvenzfreie Vermögen (kein Neuerwerb i.S.v. § 35, da Rechtsinhaberschaft des
Insolvenzschuldners bereits vorher bestand). Passivprozesse: Aufnahme ausgeschlossen
bei Insolvenzforderungen, § 87: nur Verfolgung der Ansprüche im Insolvenzverfahren.
Bei Aussonderungs- oder Absonderungsrechten (keine Insolvenzforderungen!) Aufnahme
des
Prozesses
durch
Verwalter
oder
Gegner
möglich,
Prozesskosten
sind
Masseverbindlichkeiten, § 55 Abs. 1 Nr. 1.
BGH, NJW 1999, 2822
Ein
anhängiger
Rechtsstreit
wird
durch
die
Bestellung
eines
vorläufigen
INSOLVENZVERWALTERS für das Vermögen einer Partei dann nicht gemäß ZPO § 240 S 2
unterbrochen, wenn dem Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot, sondern nur ein
- 17 Zustimmungsvorbehalt iSv INSO § 21 As 2 Nr 2 auferlegt wird und deshalb die Verwaltungs- und
Verfügungsbefugnis über sein Vermögen nicht gemäß INSO § 22 Abs 1 S 1 auf den vorläufigen
INSOLVENZVERWALTER übergeht.
Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, ZINSO 2000, 505
Ein Rechtsstreit wird auch dann gemäß ZPO § 240 S 1 durch die Eröffnung des
INSOLVENZVERFAHRENS gegen den Beklagten unterbrochen, wenn das INSOLVENZGERICHT
Eigenverwaltung angeordnet hat, sofern der Rechtsstreit die INSOLVENZMASSE betrifft.
i.
Kein Verwalter: bei Verfahren mit Eigenverwaltung durch den Insolvenzschuldner
(selten) und in vereinfachten Insolvenzverfahren (dort aber Bestellung eines
Sachverwalters, § 270 Abs. 3 Satz 1).
j.
Theorienstreit über Rechtsstellung des Insolvenzverwalters. Nach BGH "Amtstheorie"
(Verwalter ist nicht gesetzlicher Vertreter des Insolvenzschuldners, sondern besonderes
Rechtspflegeorgan). A.A. im Schrifttum: "Vertretertheorie" (Verwalter ist gesetzlicher
Vertreter des Insolvenzschuldners bezüglich der Masse). Vermittelnd "Organtheorie":
danach Insolvenzmasse als Art einer juristischen Person mit organrechtlicher Stellung des
Verwalters im Sinne eines gesetzlichen Vertreters. Theorienstreit heute weitgehend
bedeutungslos, da Konsens über wichtigste Fragen bzw. gesetzgeberische Lösung von
Einzelfragen (insb.: § 19a ZPO => allg. Gerichtsstand des Insolvenzverwalters für
massebezogene Klagen beim Sitz des Insolvenzgerichts; nach früherer Ansicht der
Vertretertheorie am [Wohn-]Sitz des vertretenen Schuldners; nach früherer Ansicht der
Amtstheorie am Wohnsitz des Verwalters). In formellen Fragen ("Wer ist Partei eines
Zivilprozesses, der Insolvenzverwalter oder der Schuldner vertreten durch den
Insolvenzverwalter?", "Vollstreckung aus einem gegen den Insolvenzschuldner
ergangenen Titel gegen den Insolvenzverwalter mit oder ohne Titelumschreibung?") von
Praxis seit langem im Sinne der Amtstheorie entschieden: Insolvenzverwalter ist selbst
Partei, ein Titel gegen den Insolvenzschuldner ist gegen den Insolvenzverwalter
umzuschreiben.
OLG Dresden, ZINSO 2000, 607
- 18 Bei Gesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit sind nach Eröffnung des
INSOLVENZVERFAHRENS bereits bestehende Titel der Gläubiger gegen persönlich haftende
Gesellschafter in entsprechender Anwendung des ZPO § 727 iVm INSO § 93 auf den
INSOLVENZVERWALTER umzuschreiben.
6.
Aussonderungsberechtigte
a.
Wer aufgrund dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, ein zur Masse
gezogener
Gegenstand
gehöre
der
Masse
in
Wirklichkeit
nicht
an.
Kein
Insolvenzgläubiger, da er nicht Befriedigung aus der Masse verlangt, sondern im
Gegenteil eine Bereinigung der Masse an sich anstrebt.
b.
Aussonderungsrecht entspricht funktional/systematisch der Drittwiderspruchsklage (§
771 ZPO) in der Einzelzwangsvollstreckung (so zutreffend Jauernig aaO, § 44).
c.
Hier Brennpunkt des Insolvenzrechts schlechthin, weil die Rechtsordnung hier Farbe
bekennen muss, inwieweit sie dingliche Sicherheiten akzeptiert, welche die Masse
schmälern, meist sogar aufzehren. Genuine rechtspolitische Entscheidung. Immerhin
führt die vorbehaltslose insolvenzrechtliche Anerkennung des gewachsenen Systems
dinglicher Sicherheiten faktisch gesehen dazu, dass die Banken sich im Insolvenzfall
vollständig
befriedigen
können,
während
für
die
ungesicherten,
eigentlichen
Insolvenzgläubiger nichts mehr übrig bleibt.
d.
Eigentümer einer massebefangenen Sache ist aussonderungsberechtigt. Aber beachten:
Sicherungseigentümer
hat
im
Insolvenzverfahren
über
das
Vermögen
des
Sicherungsgebers kein Aussonderungs-, sondern nur ein Absonderungsrecht (jetzt
ausdrücklich in § 51 Nr. 1 geregelt, zuvor st. Rspr.); allerdings Aussonderungsrecht im
Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Dritten (wenn z.B. der Sicherungsgeber die
Sache dem Dritten überlassen hatte). Bei Insolvenz des Sicherungsnehmers =
Sicherungseigentümers: wenn Sicherungseigentum auflösend bedingt durch Begleichung
- 19 einer Forderung, Aussonderungsrecht des Sicherungsgebers bei Begleichung der
Forderung; nach st. Rspr. aber ebenfalls Aussonderungsrecht des Sicherungsgebers, wenn
dieser die Forderung begleicht und das Sicherungseigentum nicht auflösend bedingt
vereinbart war, so dass eigentlich nur ein obligatorischer Rückübertragungsanspruch
bestehen würde.
e.
Eigentumsvorbehalt:
Aussonderungsrecht
des
Vorbehaltseigentümers
im
Insolvenzverfahren über Vermögen des Vorbehaltskäufers, sofern Verwalter nicht mehr
über § 47 InsO i.V.m. § 986 BGB zum Besitz berechtigt ist (Besitzrecht des Verwalters
entfällt insb. bei Rücktritt des Verkäufers vom Vertrag, § 455 Abs. 1 BGB; Verwalter
kann nach § 103 Vertragserfüllung wählen oder Erfüllung ablehnen, bei letzterer Wahl
sofort Aussonderungsrecht des Vorbehaltseigentümers; Zeitpunkt der Ausübung des
Wahlrechts: § 107 Abs. 2). Verlängerter Eigentumsvorbehalt mit Verarbeitungsklausel
und Vorausabtretung von Ansprüchen aus Weiterverkauf der verarbeiteten Sache): nur
Absonderungsberechtigung.
Insolvenzverfahren
über
Vermögen
des
Vorbehaltsverkäufers: § 107 Abs. 1: Insolvenzverwalter kann nicht über § 103 Erfüllung
des Vertrages ablehnen und damit dann Anwartschaft des Vorbehaltskäufers zerstören!
f.
Ebenfalls aussonderungsberechtigt: Inhaber eines beschränkten dinglichen Rechts (z.B.
eine entgegen dem ersten Anschein valutierte Eigentümergrundschuld, die der
Insolvenzverwalter als Eigentümergrundschuld des Insolvenzschuldners behandelt).
Ferner:
Inhaber
einer
Forderung,
die
vom
Verwalter
als
Forderung
des
Insolvenzschuldners behandelt wird. Aber beachten: bei Sicherungsabtretung einer
Forderung durch den Insolvenzschuldner: nur Absonderungsrecht, § 51 Nr. 1. § 354 a
HGB beachten.
Auch aussonderungsberechtigt: Inhaber von Herausgabeansprüchen, §§ 861, 1004, 1007,
auch wenn nicht Eigentümer (z.B. als Verleiher oder Vermieter).
g.
Wenn Verwalter sich dem Aussonderungsbegehren widersetzt: Berechtigter muss gegen
Verwalter Klage einreichen. Herausgabeprozess, der bereits bei Eröffnung des
- 20 Insolvenzverfahrens schwebte, kann nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 wieder aufgenommen
werden.
h.
Inhalt des Aussonderungsanspruchs: bei unberechtigtem Besitz des Verwalters
Herausgabeanspruch, bei berechtigtem Besitz, z.B. als Mieter, Feststellung des
Eigentums.
i.
Bei
Veräußerung
eines
massefremden
Gegenstandes
durch
Verwalter:
Ersatzaussonderung nach § 48. Falls Veräußerung unwirksam (Bsp.: Käufer kannte die
Eigentumslage und ist daher nicht gutgläubig i.S.v. § 932), so kann Eigentümer
unmittelbar Leistung (Herausgabe, § 985 BGB, oder Schadensersatz, §§ 989 ff. BGB) an
sich verlangen oder aber über § 48 Ersatzaussonderung aus der Masse verlangen.
BGH,Großer Senat für Zivilsachen, NJW 1998, 671
1. Der Sicherungsgeber hat bei formularmäßig bestellten, revolvierenden Globalsicherungen im
Falle nachträglicher Übersicherung einen ermessensunabhängigen Freigabeanspruch auch dann,
wenn der Sicherungsvertrag keine oder eine ermessensabhängig ausgestaltete Freigabeklausel
enthält.
2. Bei formularmäßig bestellten, revolvierenden Globalsicherungen sind weder eine ausdrückliche
Freigaberegelung noch eine zahlenmäßig bestimmte Deckungsgrenze noch eine Klausel für die
Bewertung der Sicherungsgegenstände Wirksamkeitsvoraussetzungen.
3. Enthält die formularmäßige Bestellung revolvierender Globalsicherungen keine ausdrückliche
oder eine unangemessene Deckungsgrenze, so beträgt diese Grenze (unter Berücksichtigung der
Kosten für Verwaltung und Verwertung der Sicherheit), bezogen auf den realisierbaren Wert der
Sicherungsgegenstände, 110% der gesicherten Forderungen.
4. Allgemeingültige Maßstäbe für die Bewertung der Sicherungsgegenstände bei Eintritt des
Sicherungsfalles lassen sich im voraus weder bei der Sicherungsübereignung noch bei einer
Globalabtretung festlegen.
5. Die Grenze für das Entstehen eines Freigabeanspruchs für Sicherungsgut liegt regelmäßig bei
150% des Schätzwerts (BGB § 237 S 1).
7.
Absonderungsberechtigte
- 21 a.
§§ 49 52. Absonderungsberechtigung = insolvenzfestes Recht auf abgesonderte
Befriedigung an Massegegenständen. Wichtigste Fälle (siehe z.T. schon soeben unter
"Aussonderungsberechtigte"): Pfandrecht, Sicherungseigentum im Insolvenzverfahrens
über Vermögen des Sicherungsgebers, zur Sicherheit abgetretene Forderung.
b.
Aussonderung richtet sich auf Folgen der Nichtzugehörigkeit einer Sache/eines Rechts
zur Masse, wohingegen Absonderung auf bevorzugte Befriedigung aus der Masse
gerichtet ist.
c.
Unbewegliches Vermögen
Absonderung folgt Regelungen des ZVG, § 49 InsO. Dort in § 10 ZVG Bestimmung der Inhaber
von Befriedigungsrechten, insb. Grundpfandgläubiger.
d.
Bewegliches Vermögen
wem Pfandrecht zusteht, § 50. Kein Unterschied zwischen rechtsgeschäftlich oder gesetzlich
begründetem Pfandrecht (Pfändungspfandrecht, aber auch Vermieterpfandrecht!). Freihändige
Verwertung durch Verwalter, § 166 Abs. 1. Gilt auch für Sache, an der Pfändungspfandrecht
besteht
(nach
Jauernig
aaO
§
45
hier
gesetzliche
Festlegung
von
anderer
Verwertungsmöglichkeit i.S.v. § 825 ZPO).
e.
Sonstige Absonderungsberechtigte
Insb. Sicherungseigentümer im Insolvenzverfahrens über Vermögen des Sicherungsgebers,
ferner Sicherungszessionar, § 51 Nr. 1. Auch Absonderungsrecht bei verlängertem
Eigentumsvorbehalt mit Verarbeitungs- und Vorausabtretungsklausel (hier aber nur bezüglich
Forderungen, die bereits vor Verfahrenseröffnung entstanden waren; später entstandene
Forderungen können nicht mehr wirksam erworben werden). Einziehung von Forderungen, die
der Insolvenzschuldner sicherungshalber abgetreten hat, nur durch Verwalter, § 166 Abs. 2.
- 22 -
f.
Wenn
Insolvenzschuldner
auch
persönlich
für
Forderung
haftet,
sind
Absonderungsberechtigte zugleich Insolvenzgläubiger, § 52 (ist meist der Fall, da
Pfandrecht o.ä. das Bestehen einer Forderung voraussetzt, anders aber insb. bei
Grundschuld). Aber beachten: Bei Absonderung, welche nicht zur vollen Befriedigung
des Absonderungsberechtigten führt, nimmt der Absonderungsberechtigte wegen einer
persönlichen Haftung des Insolvenzschuldners anteilmäßig an der Verteilung der Masse
nur noch bezüglich des nicht durch die Absonderung bereits befriedigten Teils seiner
Forderung teil (Bsp. nach Jauernig aaO, § 45: pfandrechtsgesicherte Forderung über DM
100.000, Befriedigung aus Absonderung DM 60.000, 5% Verteilungsquote unter den
Insolvenzgläubigern => Teilnahme am Verteilungsschlüssel nur bezüglich der nicht
befriedigten DM 40.000 => Ausschüttung DM 2.000).
g.
Zinszahlung (§ 169) und Ausgleichszahlung (§ 172) bei nicht rechtzeitiger Verwertung
bzw. bei weiterer Benutzung von Sicherungsgut => nach Jauernig aaO § 45 Gefahr
schneller Verwertung anstelle längeren Zusammenhaltens von Sicherungsgut, was im
Einzelfall sinnvoll sein kann.
h.
Verwertung: §§ 165 ff. Zugunsten Masse nach §§ 170 f. sind bestimmte Beträge
abzuziehen vom erzielten Erlös.
i.
Ggf. (bei unberechtigter Veräußerung) Ersatzabsonderung nach § 48 analog.
8.
Massegläubiger
a.
Keine Insolvenzgläubiger, sondern Gläubiger, deren vermögensrechtliche Ansprüche erst
nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, gleichwohl aber unter
- 23 Umgehung von § 38 aus der Masse vorweg befriedigt werden müssen, § 53. Gehen den
Insolvenzgläubigern vor.
b.
Massegläubiger unterliegen nicht dem für Insolvenzgläubiger nach §§ 87, 89 geltenden
Klage- und Vollstreckungsverbot, sondern können während des Insolvenzverfahrens ihre
Ansprüche gegen den Insolvenzverwalter einklagen. Allerdings nach § 90 Abs. 1
sechsmonatige Vollstreckungssperre bezüglich Masseverbindlichkeiten, die nicht durch
eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet wurden.
c.
§ 54: Kosten des Insolvenzverfahrens sind Massekosten. Dies sind die Kosten des
Gerichtsverfahrens und die Vergütungen/Auslagen des Insolvenzverwalters.
d.
§ 55: Sonstige Masseverbindlichkeiten. § 55 Abs. 1 Nr. 1: alle Verbindlichkeiten, die
durch Handlungen des Insolvenzverwalters begründet worden sind. Z.B. Kosten aus
Verkäufen/Käufen zur Verwertung der Masse, Kosten aus Dienstverträgen, die vom
Verwalter geschlossen wurden. Auch deliktsrechtliche und andere haftungsrechtliche
Ansprüche aus Handlungen des Verwalters. Auch Prämien für vom Verwalter
abgeschlossene Versicherungen etc. Ferner Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen, die
der Insolvenzschuldner vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen hat und deren Erfüllung
der Verwalter wählt (§ 55 Abs. 1 Nr. 2). § 55 Abs. 1 Nr. 3: auch Masseverbindlichkeiten
sind Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Masse, die nach Eröffnung
eingetreten sind. Ferner nach § 55 Abs. 2 Satz 1 nach Verfahrenseröffnung
Masseverbindlichkeiten:
Verbindlichkeiten,
die
von
einem
vorläufigen
Insolvenzverwalter vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingegangen wurden.
Außerdem:
Verbindlichkeiten
aus
Sozialplan,
der
nach
Eröffnung
des
Insolvenzverfahrens aufgestellt wurde, § 123, dort aber summenmäßige Begrenzung
vorgesehen.
e.
"Insolvenz in der Insolvenz": wenn Masse zwar zur Befriedigung der Kosten (§ 54)
ausreicht, nicht aber zur Erfüllung sonstiger Masseverbindlichkeiten zum Zeitpunkt der
- 24 Fälligkeit. Dann Anzeige des Verwalters gegenüber dem Gericht, § 208 Abs. 1, die aber
gemäß § 208 Abs. 3 die Pflichtenstellung des Verwalters nicht berührt. Nach § 209
Rangordnung für die Befriedigung der Masseverbindlichkeiten in diesen Fällen der
Masseunzulänglichkeit. Haftung des Verwalters nach § 61 Satz 1, wenn er
Masseunzulänglichkeit durch Begründung von Masseverbindlichkeiten herbeigeführt hat;
aber Exkulpationsmöglichkeit nach § 61 Satz 2.
- 25 -
III.
Die Insolvenzmasse
1.
Einführung
Insolvenzmasse = Gesamtes Vermögen des Insolvenzschuldners zur Zeit der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens einschließlich des während des Verfahrens erworbenen „Neuerwerbs“ (§
35). Haftung des Neuerwerbs nur zugunsten der Insolvenzgläubiger (s.o.), also derjenigen
Gläubiger, deren Forderung z.Zt. der Verfahrenseröffnung begründet war (§ 38) => Zahl der
Insolvenzgläubiger kann sich während des Verfahrens nicht erhöhen, wohl aber Insolvenzmasse
infolge Neuerwerbs (selten, leider). Nicht zur Masse gehören: unpfändbare Sachen und Rechte,
ferner Nicht-Vermögensrechte, siehe im einzelnen Jauernig aaO § 48.
OLG Köln, ZIP 2000, 2074
1. Der Schutz des Existenzminimums gebietet eine entsprechende Anwendung der Bestimmungen
der ZPO §§ 850ff auch im INSOLVENZVERFAHREN, wenn der Schuldner seinen Unterhalt,
bemessen nach dem gemäß ZPO § 850c pfändungsfreien Betrag, erhält.
2. Für die Entscheidung über einen Antrag des Schuldners nach ZPO § 850g wegen Änderung der
Unpfändbarkeitsvoraussetzungen
ist
im
eröffneten
INSOLVENZVERFAHREN
das
INSOLVENZGERICHT und nicht das Vollstreckungsgericht zuständig.
OLG Frankfurt, NZI 2000, 531
Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen obliegt es den
INSOLVENZGERICHTEN, im Rahmen ihrer Aufsicht nach INSO § 58 sicherzustellen, dass der
Schuldner entsprechend dem gesetzgeberischen Willen den notwendigen Unterhalt aus der
INSOLVENZMASSE erhält. Dies bedeutet, daß entsprechend dem Regelungsgehalt des ZPO §
850f Abs 1 Buchst a eine Erhöhung des pfändungsfreien, nicht vom INSOLVENZBESCHLAG
erfaßten Teils des Arbeitseinkommens erfolgen muß, wenn das unpfändbare Einkommen das
rechtlich geschützte Existenzminimum des Schuldners nicht sichert.
OLG Köln, NZI 2000, 529
Das Sozialstaatsprinzip aus GG Art 20 Abs 1 iVm GG Art 1 Abs 1 verbietet es, durch staatliche
Maßnahmen dem Einzelnen den Teil des selbst erzielten Einkommens zu entziehen, der als
Mindestvoraussetzung für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird (Anschluß BVerfG, 25.
September 1992, 2 BvL 5/91, NJW 1992, 3153 und BVerfG, 17. November 1992, 1 BvL 8/87, NJW
1993, 643). Dieser Schutz des Existenzminimums wird im Verfahren der Einzelvollstreckung nicht
allein durch die Pfändungsfreigrenzen des ZPO § 850c, sondern auch und gerade durch die
Bestimmung des ZPO § 850f gewährt. Das spricht für eine entsprechende Anwendung dieser
Bestimmung auch im INSOLVENZVERFAHREN.
- 26 2.
Sollmasse:
Gegenstände, die rechtlich zur Masse gehören. Ist-Masse. Tatsächlicher Massebestand. Differenz
zwischen den beiden Massearten, wenn zur Masse gehörende Gegenstände noch nicht zur Masse
erfasst sind (z.B. bei Verschiebung durch Insolvenzschuldner) oder umgekehrt noch
massefremde Gegenstände in der Masse befindlich sind.
Änderung des Masseumfangs während des Verfahrens (neben Verwertung): Abwicklung von
noch nicht erfüllten gegenseitigen Verträgen des Insolvenzschuldners (§§ 103 ff.); Aufrechnung
von oder gegenüber Gläubigern des Insolvenzschuldners (§§ 94 ff.); Anfechtungen von
Rechtshandlungen
des
Insolvenzschuldners
(§§
129
ff.);
Erfüllung von
Aus- und
Absonderungsrechten und von Masseverbindlichkeiten.
OLG Rostock, ZINSO 2000, 604
1. Der INSOLVENZVERWALTER ist berechtigt, zur Masse gehörende Vermögensgegenstände,
aus deren Verwertung ein Ertrag nicht zu erwarten ist, mit der Folge freizugeben, daß die
freigegebenen Gegenstände wieder INSOLVENZFREIES Vermögen des Gemeinschuldners
werden. Dies gilt auch in der INSOLVENZ einer juristischen Person, da diese trotz der
INSOLVENZBEDINGTEN Auflösung weiterhin als Träger von Vermögensrechten erhalten bleibt
und die Vollabwicklung juristischer Personen in der INSOLVENZ nur ausnahmsweise vorgesehen
ist.
2. Solange der Gesetzgeber die Zulässigkeit der Freigabe wertloser oder übersicherter
Vermögensgegenstände durch den INSOLVENZVERWALTER anerkennt, bedarf eine diesen
Grundsatz durchbrechende vorrangige Durchsetzung der Ansprüche aus dem SachenRBerG in der
INSOLVENZ eines gesetzlichen Ausnahmetatbestands, welcher jedoch nicht existiert.
3.
Aufrechnung im Insolvenzverfahren
a.
§ 94: Regelung für die Fälle, in denen Aufrechnungslage bei Verfahrenseröffnung bereits
bestand: Aufrechnungslage bleibt bestehen, Insolvenzgläubiger kann mit seiner
Forderung (die ja eigentlich Insolvenzforderung ist) gegen eine Forderung der Masse
aufrechnen. Nach Jauernig aaO § 50 ist rechtspolitische Legitimation für § 94
zweifelhaft, da Bestehen der Aufrechnungslage oft nicht vom Zutun des Gläubigers
abhänge und hier in Wahrheit entgegen der Regelung des § 94 gar kein schutzwürdiges
Vertrauen herrsche.
- 27 -
b.
§ 95 Abs. 1: (noch) keine Aufrechnung, wenn bei Verfahrenseröffnung Aufrechnungslage
noch nicht bestand (ungleichartige Leistungen der Forderungen, Ausnahme § 95 Abs. 2
bei frei umtauschbaren Währungen, ferner bei bedingten und noch nicht fälligen
Forderungen). Aufrechnung in den Fällen des § 95 Abs. 1 Satz 1 nach Auftreten der
Aufrechnungslage noch möglich. Allerdings § 95 Abs. 1 Satz 3 beachten: War
Hauptforderung (also die Forderung gegen den Insolvenzgläubiger, die dieser zur Masse
zu erfüllen hat), bereits unbedingt und fällig, bevor während des Insolvenzverfahrens die
Aufrechnungslage eintrat (hätte also der "Aufrechnende" bereits zuvor zur Masse leisten
müssen), so ist Aufrechnung ausgeschlossen. Grund hierfür nach Jauernig aaO § 50: Es
soll verhindert werden, das Insolvenzgläubiger so lange mit Erfüllung seiner Forderung
wartet, bis er mit Gegenforderung aufrechnen kann.
c.
§ 96: Ausschlussgründe für Aufrechnung im Insolvenzverfahren bei künstlich oder sogar
in anfechtbarer Weise herbeigeführter Aufrechnungslage => In § 96 Übertragung des
Grundgedankens von § 91 ins Aufrechnungsrecht: Verschärfungen und zeitliche
Vorverlegungen des Gegenseitigkeitsverhältnisses (Nr. 1: ein Insolvenzgläubiger ist erst
nach Verfahrenseröffnung etwas zur Masse schuldig geworden; Nr. 2: Erwerb der
Gegenforderung, mit der aufgerechnet werden soll, erst nach Verfahrenseröffnung von
einem anderen Gläubiger - damit sollen Forderungs-Verschiebungen verhindert werden,
die zwischen den Gläubigern das Herbeiführen von Aufrechnungslagen bezwecken; Nr.
3: Erlangung der Möglichkeit der Aufrechnung erst durch anfechtbare Handlung; Nr. 4:
Gläubiger schuldet selbst etwas zur Masse, Gegenforderung bezieht sich aber auf
massefreies Vermögen des Insolvenzschuldners).
4.
Abwicklung noch nicht erfüllter gegenseitiger Verträge des Insolvenzschuldners
a.
Beachten: Wurde Vertrag seitens des Gläubigers des Insolvenzschuldners bereits (voll)
erfüllt, selbstredend nur bezüglich der vom (späteren) Insolvenzschuldner vor
- 28 Verfahrenseröffnung
nicht
mehr
erbrachten
Gegenleistung
nicht-bevorrechtigte
Insolvenzforderung (nur Insolvenzquote, sofern für die Insolvenzgläubiger überhaupt
nach
der
Befriedigung
Masseverbindlichkeiten
von
etwas
Ausübrig
und
bleibt).
Absonderungsrechten
Dagegen
bei
noch
sowie
von
nicht
vor
Verfahrenseröffnung (voll) erfüllten Verträgen: Insolvenzverwalter kann Erfüllung
verlangen, dann aber umgekehrt Erfüllung der Schuldner-Verbindlichkeit aus der Masse
(§ 103 Abs. 1)! => Masseverbindlichkeit, § 55 Abs. 1 Nr. 2 (s.o.). Bei Ablehnung der
Erfüllung durch Insolvenzverwalter: Forderung des Gläubigers wegen Nichterfüllung nur
als Insolvenzforderung, erbrachte Teilleistungen verbleiben in der Masse (§ 105 Satz 2).
Sonderregelung des § 107 für Kauf unter Eigentumsvorbehalt (siehe bereits oben unter
„Aussonderungsberechtigte“, Vertiefung/Wiederholung hier: kein Ablehnungsrecht des
Verwalters in Verkäuferinsolvenz, Käufer kann Erfüllung verlangen, § 107 Abs. 1 Satz1;
in Käuferinsolvenz: Aussonderungsrecht des Verkäufers, sofern Verwalter nicht mehr
zum Besitz berechtigt ist, s.o., insb. bei Ablehnung der Vertragserfüllung durch
Insolvenzverwalter). Verträge über teilbare Leistungen (Dauerschuldverhältnisse!): § 105
Satz 1: nur Insolvenzforderung bezüglich der vom Insolvenzschuldner zu erbringenden
Gegenleistung, selbst bei Erfüllungsverlangen des Verwalters bezüglich noch
ausstehender Leistungen (Gegenforderung für diese noch zu erbringenden Leistungen ist
dann allerdings natürlich Masseverbindlichkeit, § 55 Abs. 1 Nr. 2). Sonderregelung in §
104 für Fix- und Finanztermingeschäfte sowie in § 108 für Dauerschuldverhältnisse, insb.
Miet- und Pachtverhältnisse über unbewegliche Gegenstände oder Räume sowie
Dienstverhältnisse des Insolvenzschuldners (Fortbestand für die Insolvenzmasse). Bei
Dienstverhältnissen
Kündigungsmöglichkeit
nach
§
113
beachten;
zwar
Kündigungsschutzbestimmungen des Arbeitsrechts anwendbar, aber über §§ 125 ff.
erleichterter Personalabbau möglich. Dienstbezüge des Insolvenzschuldners und deren
etwaige Abtretung vor Verfahrenseröffnung: § 114. Erlöschen von Aufträgen und
Vollmachten: §§ 115 ff.
b.
Theorienstreit über Einfluss der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Schicksal noch
nicht erfüllter gegenseitiger Verträge! 1) „BGH neu“ (Rechtsprechung seit 1987): Durch
Verfahrenseröffnung endgültige Umwandlung des Vertrages in Abwicklungsverhältnis.
Lehnt Verwalter Erfüllung ab: nur deklaratorische Wirkung. Wählt Verwalter Erfüllung:
- 29 Wiederaufleben der alten Forderungen ex nunc. 2) „BGH alt“ (Rechtsprechung bis 1987
sowie bis heute h.M. im Schrifttum): Erfüllungsanspruch des Gläubigers wird mit
Verfahrenseröffnung zur Insolvenzforderung. Lehnt Verwalter Erfüllung ab: konstitutiv
Umwandlung des Vertrages (die nach Gegenansicht bereits durch Verfahrenseröffnung
eingetreten ist). Wählt Verwalter Erfüllung: Umwandlung der Insolvenzforderung in
Masseschuld ex tunc, also mit altem Inhalt.
c.
Konsequenzen des Theorienstreits:
1)
Nach “BGH neu” Einschränkung des Gläubiger- Aufrechnungsrechts bei
Aufrechnung
gegen
den
infolge
von
Erfüllungswahl
des
Verwalters
umgewandelten (nach BGH völlig neu entstandenen) Erfüllungsanspruch:
Aufrechnung nach § 96 Nr. 1 unzulässig, da Forderung gegen den Gläubiger nach
BGH erst durch Erfüllungsverlangen des Verwalters entstanden.
2)
Nach
“BGH
neu”
werden
Sicherungsabtretungen
des
schuldnerischen/-
insolvenzschuldnerischen Anspruchs gegen den anderen Teil unwirksam: Mit
Verfahrenseröffnung erlischt Forderung und damit auch Abtretung. Bei
Erfüllungswahl lebt Abtretung nach BGH nicht wieder auf und kann wegen §§ 81,
91 nicht mehr wirksam vorgenommen/erworben werden. Abmilderung durch §
108 I 2 bezüglich abgetretener Leasingraten bei fremdfinanziertem Leasing.
OLG Hamm, NZI 2000, 475
Die Kündigung des Anstellungsverhältnisses eines an der GmbH beteiligten
Geschäftsführers (hier: Beteiligung als Gesellschafter zu 50%) durch den
INSOLVENZVERWALTER richtet sich nach INSO § 113.
d.
Achtung: Ein Anspruch, der im Grundbuch durch Vormerkung gesichert ist, ist nach §
106 Satz 1 voll aus der Insolvenzmasse zu befriedigen! Vormerkung muss vor
Verfahrenseröffnung eingetragen sein, danach aber noch Erwerb über § 878 BGB i.V.m.
§ 91 Abs. 2 InsO möglich, s.o.
- 30 -
5.
Insolvenzanfechtung
a.
Erfahrung lehrt, dass Schuldner "kurz vor Toresschluss" noch Vermögensgegenstände
verschleudern oder aber an Verwandte/Freunde übertragen, um sie der Insolvenzmasse zu
entziehen. Dem wirkt das Anfechtungsrecht der §§ 129 ff. entgegen. Betrifft
Verfügungen vor Insolvenzverfahrens-Eröffnung, die somit wirksam sind, aber die
Insolvenzmasse verringern und daher rückgängig gemacht werden sollen.
b.
Anfechtung durch Insolvenzverwalter, § 129 Abs. 1 (bei Eigenverwaltung durch
Sachwalter, § 280, im Vereinfachten Verfahren ist jeder Insolvenzgläubiger zur
Anfechtung berechtigt, § 313 Abs. 2 Satz 1.
c.
Heute h.M. (zum Theorienstreit im einzelnen Jauernig aaO § 51): Mit Vollendung des
Anfechtungstatbestandes entsteht ein obligatorischer Rückgewähranspruch auf der
Grundlage eines gesetzlichen Schuldverhältnisses. Nach BGH steht Anfechtungsanspruch
nur dem Insolvenzverwalter zu. Folgeprobleme im Vereinfachten Verfahren (§ 313 Abs.
2 Satz 1, Anfechtung durch jeden Insolvenzgläubiger möglich) insb. prozessrechtlicher
Natur => nach Jauernig aaO § 51 über notwendige Streitgenossenschaft analog § 856
ZPO zu lösen.
d.
Folge der Anfechtung: Rückgabe des Erlangten an Masse, umgekehrt bei erbrachter
Gegenleistung des Anfechtungsgegners Rückgewähr aus Masse in natura, sofern nicht
mehr in Masse vorhanden Umwandlung in Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 3.
e.
Beachten: Rückschlagsperre nach § 88 => Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens
werden Sicherungen unwirksam, die durch Zwangsvollstreckung in die spätere
- 31 Insolvenzmasse erlangt wurden, und zwar wenn die Sicherung im letzten Monat vor
Verfahrenseröffnung erlangt wurde; insoweit Anfechtung entbehrlich. Anfechtbarkeit
eines Rechtserwerbs nach Verfahrenseröffnung, der nach § 892 f. BGB wirksam ist (s.o.),
§ 147 Abs. 1. Fallbeispiel hierfür bei Jauernig aaO § 51. Gilt nur für Eintragungsantrag
des redlichen Erwerbers nach Verfahrenseröffnung. Antrag vor Verfahrenseröffnung: §
878 BGB i.V.m. § 91 Abs. 2 InsO., ggf. Anfechtbarkeit zwar nicht über § 147 Abs. 1,
wohl aber nach den allg. Vorschriften der §§ 129 ff. Stellt der künftige
Insolvenzschuldner den Eintragungsantrag vor Verfahrenseröffnung, so ist nach dem
Gesetz die Anfechtung ausgeschlossen, ein schlichtweg untragbarer Zustand. Nach
Jauernig aaO § 51 hier Panne im Gesetzgebungsprozess, zu beheben durch berichtigende
Auslegung von § 140 Abs. 2 (entscheidend ist wie bei § 878 BGB nur, dass überhaupt
Eintragungsantrag gestellt wurde, gleich von wem).
f.
§ 145 Abs. 1: War Anfechtung gegen Erblasser oder anderen Gesamtrechtsvorgänger
begründet, so ist sie auch gegenüber Gesamtrechtsnachfolger begründet. Bei
Einzelrechtsnachfolge Anfechtung nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des §
145 Abs. 2, wichtig hier insb. Nr. 2: Rechtsnachfolger ist nahestehende Person (§ 138),
welche dann Unkenntnis von den anfechtungsbegründenden Umständen beweisen muss.
g.
Tatbestände der Anfechtbarkeit:
1)
Vorsatzanfechtung bei Rechtshandlungen zur Gläubigerbenachteiligung innerhalb
von 10 Jahren vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, § 133, wobei
auch der Erwerber den Vorsatz des Schuldners zur Gläubigerbenachteiligung
kennen musste, Beweislast Insolvenzverwalter, anders nur bei Anfechtung gegen
nahestehende Person, § 133 Abs. 2 i.V.m. § 138.
2)
Schenkungsanfechtung bei unentgeltlicher Leistung des Schuldners innerhalb von
4 Jahren vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, § 134.
- 32 3)
Besondere Insolvenzanfechtung (keine Parallele im AnfG, welches für die
Anfechtung
von
Insolvenzverfahrens
Rechtshandlungen
gilt),
in
Form
des
von
Schuldners
außerhalb
Kongruenzanfechtung,
§
des
130,
Inkongruenzanfechtung, § 131, Unmittelbarkeitsanfechtung, § 132.
4)
Kapitalerhaltende Anfechtung, §§ 135 f.
BGH, NJW 2000, 1259
1. Wird der eingeklagte einheitliche Anspruch auf Rückgewähr von
Vermögensgegenständen, die der - nicht am Verfahren beteiligte - Schuldner an den
Beklagten verschoben haben soll, zugleich auf die Vorschriften über die
Gläubigeranfechtung und andere Rechtsnormen (z.B. über unerlaubte Handlung)
gestützt, so unterbricht die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des
Schuldners das Verfahren insgesamt; nimmt der Konkursverwalter dieses auf, so kann er
den Rückgewähranspruch unter sämtlichen rechtlichen Gesichtspunkten geltend machen.
2a) Der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der angefochtenen
Rechtshandlung und der Beeinträchtigung des Gläubigerzugriffs ist gegeben, wenn die
Rechtshandlung im natürlichen Sinne eine Bedingung für die Gläubigerbenachteiligung
darstellt.
2b) Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung setzt nicht voraus, daß der weitere
Umstand, der zu der angefochtenen Rechtshandlung hinzutritt und erst mit dieser
zusammen die Gläubigerbenachteiligung auslöst, seinerseits durch die angefochtene
Rechtshandlung verursacht ist.
BGH, MDR 1998, 426
Der Rechtsanwalt und Steuerberater eines (Gemein-)Schuldners ist in der Regel nicht
eine diesem nahestehende Person im Sinne des Anfechtungsrechts ( § 138 Abs. 2 Nr. 2
InsO).
Thüringer Oberlandesgericht, ZIP 2000, 1734
Es liegt eine inkongruente Deckung im Sinne der INSOLVENZORDNUNG vor, wenn der
Schuldner zur Abwendung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen auf eine fällige
Forderung zahlt.
OLG Köln, ZINSO 2000, 156
1. Hat sich die Gemeinschuldnerin zur Sicherung einer Schuld ihrer Muttergesellschaft
mitverpflichtet, stellt dies regelmäßig eine unentgeltliche Verfügung iSv INSO § 134 Abs
1 dar, wenn sie nicht aufgrund einer entgeltlich begründeten Verpflichtung zur Bestellung
der Sicherheit verpflichtet war.
2. Die aus einem Beherrschungsvertrag herrührende Verpflichtung der
Muttergesellschaft zum Ausgleich von Verlusten ist kein wirtschaftliches Äquivalent, wenn
die Schuldnerin im Zeitpunkt der Mitverpflichtung ihre geschäftliche Tätigkeit bereits
eingestellt hat. Aufgrund der Geschäftseinstellung muß die Muttergesellschaft nicht
ernsthaft mit der Erwirtschaftung von Verlusten rechnen.
- 33 -
IV.
Das Insolvenzverfahren
1.
Eröffnung
a.
Beginnt stets mit Eröffnungsantrag, § 13 Abs. 1 Satz 1. Abweisung des Antrags, § 26
Abs. 1, wenn Antrag zwar zulässig und begründet, Schuldnervermögen aber nicht
Verfahrenskosten (§ 54) deckt und auch kein ausreichender Betrag vorgeschossen wird.
Sind Kosten gedeckt => Verfahrenseröffnung (sofern nicht Schuldenbereinigungsplan
nach § 306), gleichzeitig Ernennung von Insolvenzverwalter (außer bei Eigenverwaltung,
§ 270, oder in Vereinfachtem Verfahren, § 313 Abs. 1 Satz 1). Einstellung des Verfahrens
mangels Masse nach § 207, wenn sich im weiteren Verfahren herausstellt, dass Kosten
doch nicht gedeckt. Einstellung wegen Masseunzulänglichkeit („Insolvenz in der
Insolvenz“, s.o.) nach § 208, wenn sich im weiteren Verfahren herausstellt, dass zwar
Verfahrenskosten gedeckt, dass aber Masseverbindlichkeiten nicht befriedigt werden
können. In den übrigen Fällen: Verwertung des Schuldnervermögens und (anteilige)
Verteilung an Insolvenzgläubiger. Verwertung eines Unternehmens: Stillegung oder
Übertragung auf anderen Rechtsträger (übertragende Sanierung), auch auf Grundlage von
Insolvenzplan. Ist Schuldner natürliche Person: im Anschluss an Insolvenzverfahren auf
Antrag des Schuldners Verfahren zur Restschuldbefreiung (§§ 286 f.) mit Zielrichtung
„Befreiung von denjenigen Schulden, die im Insolvenzverfahren nicht erfüllt wurden und
nach Ablauf einer Wohlverhaltensphase noch übrig geblieben sind“.
OLG Köln, ZIP 2000, 2031
1. Beantragt der Schuldner die Durchführung des INSOLVENZVERFAHRENS in einer
bestimmten, für ihn aber nicht zutreffenden Verfahrensart - als Regel- statt als
VERBRAUCHERINSOLVENZVERFAHREN oder umgekehrt - und stellt er seinen Antrag auch
nach einem Hinweis des INSOLVENZGERICHTS auf die zutreffende Verfahrensart nicht um, so
ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen.
2. Die auf die Wahl einer unzutreffenden Verfahrensart gestützte Ablehnung seines
INSOLVENZANTRAGES kann der Schuldner mit der Beschwerde anfechten. Wird auf den Antrag
eines Gläubigers das REGELINSOLVENZVERFAHREN eröffnet, so kann der Schuldner seine
Auffassung, das Verfahren sei als VERBRAUCHERINSOLVENZVERFAHREN durchzuführen, mit
der Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss geltend machen.
3. Auch im INSOLVENZVERFAHREN kann über einen Hilfsantrag nicht vor der Entscheidung
über den Hauptantrag befunden werden.
- 34 b.
Antragsberechtigt bezüglich Eröffnungsantrag: Schuldner und jeder Gläubiger (§ 13 Abs.
1
Satz
2).
Zur
Antragsrechterweiterung
und
zur
Antragsverpflichtung
im
Gesellschaftsrecht siehe Jauernig aaO § 54.
c.
Eröffnungsgrund (§§ 16 ff.): Zahlungsunfähigkeit und nach § 18 auch drohende
Zahlungsunfähigkeit; Überschuldung bei juristischen Personen und nichtrechtsfähigen
Vereinen (§ 19 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Satz 2), ferner bei Gesellschaften ohne
Rechtspersönlichkeit - § 11 Abs. 2 Nr. 2 -, bei denen keiner der persönlich haftenden
Gesellschafter eine natürliche Person ist (GmbH & Co. KG!) – Begriff der
Überschuldung: wenn Passiva die Aktiva übersteigen, nach § 19 Abs. 2 auch bei
günstiger Zukunftsprognose.
Antrag des Schuldners auf Verfahrenseröffnung immer zulässig, Antrag eines Gläubigers
nur bei rechtlichem Interesse an Verfahrenseröffnung sowie bei Glaubhaftmachung eines
Eröffnungsgrundes, § 14 Abs. 1.
d.
Sicherungsmaßnahmen
während
Eröffnungsverfahrens:
alle
Maßnahmen
des
Insolvenzgerichts zulässig, die nachteilige Veränderung der Vermögenslage des
Schuldners verhindern (§ 21 Abs. 1). Beispielhafte Aufzählung in § 21 Abs. 2: Bestellung
eines vorläufigen Insolvenzverwalters, Anordnung eines allg. Verfügungsverbots.
e.
Entscheidung über Eröffnungsantrag: Richter durch Beschluss (§ 5 Abs. 2 InsO i.V.m.
§ 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG). Inhalt des Eröffnungsbeschlusses: §§ 27 f. Verfahren ist mit
Unterschrift des Richters unter Eröffnungsbeschluss eröffnet, Eröffnungsstunde ist
möglichst genau anzugeben, § 27 Abs. 3. Gegen Eröffnungsbeschluss Möglichkeit der
sofortigen Beschwerde durch Insolvenzschuldner (§ 34 Abs. 2) – aber keine formelle
Beschwer, wenn Schuldner Verfahrenseröffnung selbst beantragt hat. Nach Jauernig aaO
§ 55 neuere Ansicht, wonach materielle Beschwer ausreiche, mit § 212 unvereinbar.
- 35 2.
Erfassung und Verwertung der Insolvenzmasse
a.
Sache des Insolvenzverwalters (s.o.).
BGH, ZIP 2001, 296
Dem vorläufigen INSOLVENZVERWALTER obliegt es regelmäßig nicht, Schuldnervermögen iSd
INSO §§ 159, 165ff zu verwerten.
b.
Im Berichtstermin (= erste Gläubigerversammlung, § 29 Abs. 1) muss Verwalter über
wirtschaftliche Lage des Insolvenzschuldners und über Insolvenzursachen berichten. Bei
betroffenen Unternehmen: Darlegung, ob Sanierung oder Insolvenzplan möglich ist .
Danach Beschluss der Gläubigerversammlung über diese Punkte.
c.
Unverzüglich danach Beginn der Verwertung der Masse, soweit nicht Beschlüsse der
Gläubigerversammlung entgegenstehen, § 159. Verwertung nur in Ausnahmefällen durch
Zwangsvollstreckung, sondern durch freihändige Veräußerung.
3.
Feststellung der Schuldenmasse
a.
Besonderes Feststellungsverfahren zur Anmeldung, Prüfung, Erörterung (bei Bestreiten
einzelner Forderungen) und Feststellung der Insolvenzforderungen; letzteres im
Feststellungsverfahren oder in einem streitigen Zivilprozess.
b.
Anmeldung: durch nicht-nachrangige Gläubiger (§ 39, s.o.) und absonderungsberechtigte
Gläubiger,
sofern
durch
das
Absonderungsrecht
eine
Forderung
gegen
den
Insolvenzschuldner gesichert ist. § 94: nicht anzumelden sind Forderungen der
aufrechnungsberechtigten Gläubiger, soweit sie sich durch Aufrechnung befriedigen
können. Anmeldung hat innerhalb bestimmter Frist zu erfolgen, welche wiederum im
Eröffnungsbeschluss festgesetzt ist (§ 28 Abs. 1). Nachträgliche Anmeldungen möglich,
- 36 aber regelmäßig mit Kosten verbunden (§ 177 Abs. 1 Satz 2 und 3), ferner Möglichkeit,
bei Verteilung zu kurz zu kommen (§ 189). Anmeldung schriftlich beim
Insolvenzverwalter (Nennung von Grund und Betrag der Forderung, Urkunden über die
Forderung sollen in Kopie beigefügt werden (siehe § 174). Durch Anmeldung der
Forderung keine Rechtshängigkeit der Forderung, wohl aber Unterbrechung der
Verjährung (§ 209 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 214 BGB).
Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, ZINSO 2000, 349
1. Auch Inhaber öffentlich-rechtlicher Forderungen, die im Verwaltungsvollstreckungsverfahren
beigetrieben werden können, wie zB das Finanzamt, müssen ihre Forderungen im
INSOLVENZERÖFFNUNGSVERFAHREN substantiiert darlegen.
2. Dazu muß das Finanzamt nicht unbedingt die entsprechenden Steuerbescheide vorlegen,
sondern die Substantiierung kann auch auf jede andere Weise erfolgen. Es reicht aus, wenn die
Forderungen identifizierbar und im Rahmen des Eröffnungsverfahrens als quasi streitiges
Verfahren einlassungsfähig sind, damit sich das Gericht von der hinreichenden
Wahrscheinlichkeit des Bestandes der Forderung überzeugen kann.
c.
Eintragung in Insolvenztabelle: ohne inhaltliche Prüfung durch Verwalter.
d.
Prüfungstermin: § 176, innerhalb Gläubigerversammlung. Keine sachliche Prüfung der
angemeldeten Forderungen nach Betrag und Rang, sondern nur Prüfung, von wem
welche Forderung bestritten wird. Eintragung dieses Prüfungsergebnisses durch
Insolvenzgericht in Insolvenztabelle, § 178; nur beurkundende Funktion des
Insolvenzgerichts, Entscheidung über Bestehen von Forderung ggf. in streitigem
Zivilprozess. Forderung gilt als festgestellt, § 178 Abs. 1 Satz 1, wenn weder der
Insolvenzverwalter noch ein Insolvenzgläubiger widersprechen. Dadurch endgültige
Wandlung einer geldwerten Forderung in eine Geldforderung. Eintragung festgestellter
Forderungen
rechtskräftiges
wirkt
gegenüber
Urteil,
§
178
Verwalter
und
Abs.
Erstreckung
3.
allen
Insolvenzgläubigern
der
Rechtskraft
wie
gegen
Insolvenzschuldner, wenn dieser der Forderung nicht widersprochen hat, § 201 Abs. 2 =>
nach Ende des Insolvenzverfahrens Zwangsvollstreckung aus der Insolvenztabelle ohne
zusätzliches zivilprozessuales Erkenntnisverfahren. Verhinderung dieser Wirkung nur
durch Widerspruch des Insolvenzschuldners, der allerdings schon während des
- 37 Insolvenzverfahrens beseitigt werden kann (§ 184, § 201 Abs. 2 Satz 2). Widerspruch hat
aber ggf. nur Auswirkungen auf die Rechtskraftwirkung der Insolvenztabelle, nicht aber
auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle selbst (§ 178 Abs. 1 Satz 2atz 2). Bei
Widerspruch durch Verwalter oder Insolvenzgläubiger: Widerspruch muss in streitigem
Zivilprozess beseitigt werden, nicht in Insolvenzverfahren (§ 178 Abs. 1 Satz 2).
4.
Feststellungsprozess
a.
Praktisch wichtiges Beispiel einer Feststellungsklage i.S.v. § 256 ZPO. Bei titulierten
Forderungen (es liegt z.Z.t. der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits ein
Vollstreckungstitel vor): Bestreitender muss als Kläger aktiv werden. Bei nicht titulierten
Forderungen: Forderungsinhaber muss aktiv werden, § 189 I. Bei titulierten Forderungen
nur diejenigen prozessualen Mittel, die nach Lage des Verfahrens überhaupt noch
möglich sind, z.B. Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) oder Wiederaufnahme des
Verfahrens (§ 578 ZPO). Zuständig: Prozessgericht, aber nicht Zuständigkeitsvorschriften
der ZPO, sondern § 185 InsO. Bleibt Bestreitender untätig: Inhaber der bestrittenen
Forderung kann ohne Weiteres Befriedigung verlangen (§ 189). Nicht titulierte
Forderungen: Wird Inhaber der bestrittenen Forderung nicht gerichtlich aktiv, so ist er
vom weiteren Insolvenzverfahren ausgeschlossen (§ 189 Abs. 3).
b.
Rechtsweg richtet sich nach Art der in Streit stehenden Forderung (siehe insb. § 13 GVG;
§§ 2 f. ArbGG; § 40 VwGO).
5.
Verteilungsverfahren
i.d.R. bereits dann, wenn so viel an Barmitteln verfügbar ist, dass sich Verteilung lohnt =>
Gesetz kennt Abschlags-, Schluss- und Nachtragsverteilung. Erst zulässig nach allgemeinem
- 38 Prüfungstermin, § 187 Abs. 1. Grundlage: Verteilungsverzeichnis, in welches sämtliche bei der
Verteilung zu berücksichtigenden Forderungen aufzunehmen sind, § 188 Satz 1. Für
streitbefangene Forderungen u.ä. (Einzelheiten siehe Jauernig aaO § 57) werden die
entsprechenden Beträge zunächst zurückbehalten. Schlussverteilung bereits nach Verwertung
aller Massegegenstände, nicht also nach rechtskräftigem Abschluss aller Feststellungsprozesse,
wobei wiederum Beträge insoweit zunächst zurückbehalten werden. Vorherige Zustimmung des
Insolvenzgerichts nötig, § 196 Abs. 2.
6.
Beendigung des Insolvenzverfahrens
a.
Aufhebung des Verfahrens
Durch Gerichtsbeschluss nach Schlussverteilung, § 200 Abs. 1.Öffentliche Bekanntmachung von
Beschluss und Aufhebungsgrund, § 200 Abs. 2 Satz 1, Löschung des grundbuchrechtlichen
Insolvenzvermerks, § 200 Abs. 2 Satz 3. Mit Wirksamwerden des Beschlusses enden Wirkungen
der Verfahrenseröffnung ex tunc, insb. erhält ehemaliger Insolvenzschuldner wieder
Verwaltungs- und Verfügungsrecht über sein Vermögen, was aber in aller Regel völlig
bedeutungslos ist, da ja sowieso nach der Verwertung kein Vermögen mehr da ist (sonst wäre es
ja gar nicht dazu gekommen, dass seinerzeit ein Eröffnungsgrund, s.o., vorgelegen hätte.).
Die im Insolvenzverfahren nicht befriedigten Forderungen bleiben nach Verfahrensbeendigung
bestehen und können nunmehr wieder im Wege der Einzelzwangsvollstreckung geltend gemacht
werden (Ausnahme: Restschuldbefreiung).
b.
Einstellung des Verfahrens
Am wichtigsten in Praxis Einstellung mangels Masse, § 207 Abs. 1 Satz 1. Daneben:
Masseunzulänglichkeit („Insolvenz in der Insolvenz“); § 208 Abs. 1; Wegfall des
Insolvenzgrundes, § 212.
- 39 -
V.
Der Insolvenzplan
1.
Größte Hoffnung des Gesetzgebers im Hinblick auf flexiblere und damit ergiebigere
Gestaltung des Insolvenzverfahrens. Hat sich in der Praxis nicht erfüllt (Insolvenzplan
nur in 2% aller Insolvenzfälle). Geregelt in §§ 217 ff. Insolvenzplan tritt weitgehend an
die Stelle des vormals in der Vergleichsordnung (VglO) geregelten Vergleichs, der in der
Praxis genauso wenig bewirkt hatte wie nunmehr der Insolvenzplan.
2.
Soll anders als Regelinsolvenzverfahren nicht primär zur Liquidierung eines
Unternehmens,
sondern
zu
dessen
Erhaltung/Sanierung
führen
(naive
Wunschvorstellung). Wegen besonderer Flexibilisierung richtigerweise am besten
geeignet in grenzüberschreitenden Insolvenzfahren, um Abstimmung mit ausländischen
Gerichten/Behörden flexibel durchführen zu können.
3.
Beginn
des
Insolvenzplanverfahrens
durch
Vorlage
von
Insolvenzplan
durch
Insolvenzverwalter oder Insolvenzschuldner an das Insolvenzgericht, § 218 Abs. 1. Bei
offensichtlicher Chancenlosigkeit oder unbehebbaren Verfahrensmängeln Zurückweisung
durch
Gericht
(§
231),
ansonsten
Bestimmung
eines
Erörterungs-
und
Abstimmungstermins. Zur Annahme des Plans wie früher unter dem Regime der VglO
Kopf- und Summenmehrheit erforderlich, § 244. Bei Annahme Bestätigung durch
Gericht, § 248, damit treten die durch den Plan bewirkten Rechtsänderungen für und
gegen alle Beteiligten ein. Bei Verfügungen keine Ersetzung der ggf. noch zu
bewirkenden Teile der Verfügung (z.B. Eintragungen ins Grundbuch; Besitzverschaffung
bei Pfandrechtsbestellung), aber Wahrung einer für Willenserklärungen vorgeschriebenen
Form durch Aufnahme in den Plan, § 254 Abs. 1 Satz 2. Haftung von Mitschuldnern und
Bürgen des Insolvenzschuldners wird durch Insolvenzplan nicht beeinträchtigt, sondern
bleibt im vollen Umfang bestehen (§ 254 Abs. 2 Satz 1). Rechtskräftig bestellter
Insolvenzplan ist Vollstreckungstitel für diejenigen Insolvenzgläubiger, deren Forderung
festgestellt und vom Insolvenzschuldner nicht bestritten worden sind bzw. wenn ein
Widerspruch beseitigt wurde (s.o.).
- 40 -
VI.
Besondere Verfahrensgestaltungen
1.
Eigenverwaltung
§ 270 Abs. 1 Satz 1: Insolvenzschuldner behält Recht zur Verwaltung und Verfügung => keine
Bestellung eines Insolvenzverwalters, sondern nur eines Sachwalters. Spielt insg. in Praxis keine
nennenswerte Rolle.
2.
Verbraucherinsolvenzverfahren und sonstige Kleinverfahren
§§ 304 – 314. Zwingend vorgeschrieben für Insolvenz natürlicher Personen, die höchstens eine
geringfügige selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, § 304 Abs. 1. Zum Verfahren und
zur berechtigten rechtspolitischen Kritik am Verbraucherinsolvenzverfahren, welches im
Ergebnis auf Restschuldbefreiung zum Nulltarif gerichtet ist: Jauernig aaO § 65, dort allerdings
Äußerung der Vermutung, dass Restschuldbefreiung angesichts der langen Verfahrensdauer für
Schuldner entgegen dem ersten Anschein gar nicht attraktiv ist, da zahlungsunfähige natürliche
Personen bereits dem Schuldnerschutz des allgemeinen Zwangsvollstreckungsrechts unterliegen.
OLG Celle, ZIP 2000, 2315
Für einen freiberuflich tätigen Schuldner, der seinen gesamten Umsatz durch eigene
Arbeitsleistung erwirtschaftet (hier: niedergelassener Chirurg), ist bei einem Jahresgesamtumsatz
von 400.000 DM keine geringfügige selbständige wirtschaftliche Tätigkeit iSd INSO § 304 Abs 1
anzunehmen. Vielmehr liegt eine wirtschaftliche Tätigkeit von einem solchen Gewicht vor, daß die
Durchführung eines REGELINSOLVENZVERFAHRENS angezeigt ist.
Thüringer Oberlandesgericht, InVo 2000
Für
die
Abgrenzung
zwischen
REGELINSOLVENZVERFAHREN
und
VERBRAUCHERINSOLVENZVERFAHREN ist auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des
Schuldners im Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. Unerheblich ist demgegenüber, ob seine
Schulden (noch) aus einer Zeit stammen, in der er nicht nur geringfügig selbständig wirtschaftlich
tätig gewesen ist.
- 41 OLG Köln, ZIP 2000, 1628
1. Die Stellung eines eigenen Antrags auf Eröffnung des INSOLVENZVERFAHRENS durch den
Schuldner ist im VERBRAUCHERINSOLVENZVERFAHREN Zulässigkeitsvoraussetzung für einen
Antrag auf Erteilung von Restschuldbefreiung; es genügt nicht, dass ein Gläubiger den
INSOLVENZANTRAG gestellt hat.
2. Die Entscheidung über einen unzulässigen Restschuldbefreiungsantrag kann bereits vor dem
Schlusstermin ergehen.
OLG Köln, ZIP 2000, 548
Die Abweisung des Eröffnungsantrages mangels Masse gemäß INSO § 26 Abs 1 ist auch im
vereinfachten INSOLVENZVERFAHREN uneingeschränkt anwendbar. Der Eröffnungsantrag ist
folglich zwingend abzuweisen, wenn kein zur Kostendeckung ausreichender Betrag vorgeschossen
wird.
OLG Frankfurt, NZI 2000, 219
Zur
Abgrenzung
des
REGELINSOLVENZVERFAHRENS
vom
VERBRAUCHERINSOLVENZVERFAHREN ist hinsichtlich der geringfügigen wirtschaftlichen
Betätigung des Schuldners iSv INSO § 304 nicht auf die Verhältnisse des Schuldners in der
Vergangenheit, sondern auf die Verhältnisse im laufenden INSOLVENZVERFAHREN abzustellen.
3.
Restschuldbefreiung
a.
Ausdrücklich in § 1 Satz 2 als weiteres Ziel neben Gläubigerbefriedigung genannt. § 301
Abs.
3:
Forderungen,
die
im
Insolvenzverfahren
und
anschließender
Wohlverhaltensperiode nicht erfüllt wurden, können nicht mehr zwangsweise
durchgesetzt werden. Gilt nur für natürliche Personen als Insolvenzschuldner.
Notwendigerweise zunächst Insolvenzverfahren vorausgehend, welches eröffnet sein
muss
und
nicht
mangels
Masse
wieder
eingestellt
worden
sein
darf
Antrag
des
(Masseunzulänglichkeit, s.o., schadet dagegen nichts).
b.
Verfahren
der
Restschuldbefreiung
beginnt
mit
entsprechendem
Insolvenzschuldners, § 287, spätestens im Berichtstermin, § 156. Nach Rechtskraft des
Beschlusses Aufhebung des Verfahrens oder Einstellung wegen Masseunzulänglichkeit
(nochmals: nicht mangels Masse, dann ist Restschuldbefreiung gescheitert). Daran
- 42 anschließend: 7 – jährige Wohlverhaltensperiode, innerhalb welcher sämtliche
pfändbaren an einen vom Gericht bestellten Treuhänder fließen, welcher wiederum das
Geld an die Insolvenzgläubiger verteilt, § 292 Abs. 1 Satz 2. Danach Befreiung von den
bis
dahin
nicht
erfüllten
Verbindlichkeiten.
In
eng
begrenzten
Fällen
Widerrufsmöglichkeit nach § 303. Während Wohlverhaltensperiode Obliegenheiten nach
§ 295, insb. Verpflichtung des Insolvenzschuldners zu angemessener und zumutbarer
Erwerbstätigkeit. Bei Verletzung von Obliegenheiten: Möglichkeit der Versagung der
Restschuldbefreiung, § 296.
c.
Herzstück des Verfahrens auf Restschuldbefreiung: der vom Schuldner vorzulegende
Schuldenbereinigungsplan, § 305 Abs. 1 Nr. 5.
Streitig, ob auch „Null-Plan“ (bei Schuldnern äußerst beliebt, eine Unverschämtheit) den
Anforderungen an einen Schuldenbereinigungsplan genügt.
OLG Frankfurt, NZI 2000, 473
1. Die Vorlage eines Schuldenbereinigungsplanes, der keine (sog Nullplan) bzw nur sehr
geringfügige Zahlungen an die Gläubiger vorsieht, schließt die gerichtliche Ersetzung der
Zustimmung widersprechender Gläubiger nach INSO § 309 nicht aus.
2. Das Gesetz verlangt grundsätzlich nicht die Aufnahme von Anpassungsklauseln in den
Schuldenbereinigungsplan. Ist aber eine nicht unwesentliche Änderungen in den
Einkommensverhältnissen des Schuldners konkret absehbar, darf die Zustimmung eines
Gläubigers zu einem Schuldenbereinigungsplan, der diesen Umstand nicht berücksichtigt, nicht
ersetzt werden.
OLG Köln, NJW-RR 2001, 266
1. Die Zustellung des Schuldenbereinigungsplans mit den nach INSO § 307 Abs 1 S 1
erforderlichen Unterlagen kann im Schuldenbereinigungsplanverfahren auch wirksam an ein
Inkassounternehmen vorgenommen werden, sofern der Schuldner dieses Unternehmen entweder
als Vertreter des Gläubigers oder nur das Inkassounternehmen benannt hat.
2. Ist dieses Unternehmen anwaltlich vertreten, kann es auch wirksam eine Stellungnahme zu den
übersandten Unterlagen abgeben.
3. Kommt eine gerichtliche Ersetzung von Gläubigerzustimmungen zum Schuldenbereinigungsplan
in Betracht, ist bei der Bestimmung der Kopfmehrheiten ein einzelner Gläubiger unabhängig von
der Anzahl und der Höhe seiner Einzelforderungen nur mit einer Stimme zu berücksichtigen.
Dagegen hat der Vertreter mehrerer Gläubiger so viele Stimmen wie er Gläubiger vertritt. Der
Vertreter kann für die einzelnen Vertretenen unterschiedlich abstimmen, im Unterschied zu einem
Gläubiger mit mehreren Forderungen, der einheitlich, dh nur mit einer Stimme, abstimmen muß.
- 43 4. Von daher stehen auch einem Inkassounternehmen, das auf der Grundlage mehrerer
Inkassovollmachten oder Einziehungsermächtigungen tätig wird, so viele Stimmen zu, wie es in
dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren unterschiedliche Gläubiger wirksam
vertritt.
OLG Celle, ZINSO 2000, 667
1. Die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners gegen die Ablehnung der Restschuldbefreiung
ist zuzulassen, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts keine subsumtionsfähige
Sachverhaltsdarstellung enthält. Auf die sofortige weitere Beschwerde ist die
Beschwerdeentscheidung aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das
Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
2. Allein das Fehlen einer subsumtionsfähigen Sachverhaltsdarstellung stellt eine
Gesetzesverletzung iSd INSO § 7 Abs 1 dar (Anschluß OLG Köln, 14. Juni 2000, 2 W 85/00,
ZINSO 2000, 393 und BayObLG München, 24. Mai 2000, 4Z BR 11/00, NZI 2000, 434), die zur
Zurückverweisung der Sache zwingt, da das Rechtsbeschwerdegericht nur dasjenige Vorbringen
zu beurteilen hat, das sich aus dem Sachverhalt der angefochtenen Entscheidung entnehmen läßt
(ZPO § 561 Abs 1 S 1 iVm INSO § 7 Abs 1 S 2) und ferner gemäß INSO § 7 Abs 1 S 2 iVm ZPO §
561 Abs 2 an die tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts gebunden ist. Aufgrund der
entsprechenden Anwendung der Revisionsvorschriften und der engen Anlehnung des
Rechtsbeschwerdeverfahrens des INSO § 7 Abs 1 an die weitere Beschwerde gemäß FGG § 27 ist
das Rechtsbeschwerdegericht nicht befugt, den Sachverhalt, von dem das Landgericht
ausgegangen ist, aus den Akten zu ermitteln und ihn seiner rechtlichen Prüfung zu Grunde zu
legen. Zulässig ist allenfalls eine Bezugnahme auf bestimmte Teile der Akten, die jedoch eine
Sachverhaltsdarstellung ebenfalls nicht vollständig ersetzen kann.
OLG Celle, NZI 2001, 27
1. Im Rahmen des INSO § 307 Abs 1 bedarf die Ablehnung der Zustimmung zum
Schuldenbereinigungsplan des Schuldners keiner Begründung; zu begründen und glaubhaft zu
machen sind nur die Einwendungen des Gläubigers gegen die Zustimmungsersetzung nach INSO §
309.
2. Zu einem Zustimmungsersetzungsverfahren nach INSO § 309 kann es nicht kommen, wenn
schon mehr als die Hälfte der Gläubiger nach Köpfen oder Summen dem Plan in der
Stellungnahme nach INSO § 307 widersprochen haben.
4.
Nachlassinsolvenzverfahren und verwandte Verfahren
§§ 315 ff. Ziel: Absonderung des Nachlasses vom Eigenvermögen des Erben, um Haftung der
Erben für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass zu beschränken (§ 1975 BGB).
OLG Köln, ZIP 2000, 627
- 44 Wer geltend macht, den Nachlaß durch Erbschaftskauf oder ein ähnliches Rechtsgeschäft von dem
Erben erworben zu haben, ist nur dann berechtigt, die Eröffnung des INSOLVENZVERFAHRENS
über den Nachlaß zu beantragen, wenn das Rechtsgeschäft mit dem Erben wirksam ist, wenn also
insbesondere die Form des BGB § 2371 gewahrt ist.
5.
Internationale Insolvenzverfahren (Verfahren mit Auslandsbezug)
a.
Das Recht des Staates, in welchem Insolvenzverfahren durchgeführt wird, entscheidet
zunächst darüber, ob Verfahren sich auf Vermögen im jeweiligen Land beschränken soll
(Territorialitätsprinzip) oder sich auch auf Vermögen in anderen Ländern erstrecken soll
(Universalitätsprinzip). Das Recht der betroffenen Staaten entscheidet im Falle eines vom
ausländischen Recht angewandten Universalitätsprinzips darüber, ob das ausländische
Verfahren und seine Wirkungen im Inland anerkannt werden.
b.
Nach deutschem Recht Geltung des Universalitätsprinzips incl. Erstreckung des
Verfügungsverbots auch auf Rechtshandlungen nach ausländischem Recht; umgekehrt
gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 dem Grundsatz nach Anerkennung ausländischer
Insolvenzverfahren. Gleichwohl aber dann im Inland Sonderinsolvenzverfahren über
inländisches Vermögen möglich, § 102 Abs. 3 Satz 1.
c.
Nunmehr
EU-weit
Verordnung
(EG)
Nr.
1346/2000
des
Rates
über
das
Insolvenzverfahren vom 29.05.2000, ABl. Nr. L 160 vom 30.06.2000. Gilt nach
Inkrafttreten (31.05.2002) unmittelbar in allen Mitgliedstaaten (Art. 47).