Insolvenzrecht
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Insolvenzrecht
-1- Skript Insolvenzrecht von Privatdozent Dr. Joachim P. Knoche © für dieses Skript Joachim P. Knoche 2001. Jede kommerzielle Nutzung, auch auszugsweise, verboten. -2- Einleitung Das Insolvenzrecht ist der rechtliche Bereich, in welchem um eine möglichst umfassende Befriedigung der Gläubiger gerungen wird, wenn ein Schuldner zahlungsunfähig geworden oder überschuldet ist. Viele Rechtsfragen im Zusammenhang mit sog. dinglichen Sicherheiten (Eigentumsvorbehalt, Sicherungsübereignung...) gewinnen erst ihren eigentlichen Sinn vor dem Hintergrund einer möglichen oder bereits eingetretenen Insolvenz des Schuldners. Seit dem 01.01.1999 gilt in der Bundesrepublik Deutschland die Insolvenzordnung (InsO) als Rechtsgrundlage für Schuldnerinsolvenzen. Lassen Sie sich im Folgenden durch das Regelwerk dieser Insolvenzordnung führen. Sie sind herzlich eingeladen. Paragraphen, welche im Folgenden ohne Gesetzesbezeichnung angeführt werden, sind solche der InsO. In ihrer Grundstruktur folgt die vorliegende Abhandlung der Darstellung von Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, welches zur vertiefenden gründlichen Lektüre nachdrücklich empfohlen wird. -3- Inhaltsübersicht I. EINFÜHRUNG ......................................................................................................................4 1. 2. ZIEL DES INSOLVENZRECHTS ................................................................................................4 GRUNDSÄTZE DES INSOLVENZVERFAHRENS .........................................................................4 II. BETEILIGTE DES INSOLVENZVERFAHRENS............................................................7 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. INSOLVENZGERICHT..............................................................................................................7 INSOLVENZSCHULDNER ........................................................................................................8 INSOLVENZGLÄUBIGER .......................................................................................................13 GLÄUBIGERORGANISATION.................................................................................................14 INSOLVENZVERWALTER ......................................................................................................15 AUSSONDERUNGSBERECHTIGTE .........................................................................................18 ABSONDERUNGSBERECHTIGTE ...........................................................................................20 MASSEGLÄUBIGER ..............................................................................................................22 III. DIE INSOLVENZMASSE..................................................................................................25 1. 2. 3. 4. 5. EINFÜHRUNG ......................................................................................................................25 SOLLMASSE: .......................................................................................................................26 AUFRECHNUNG IM INSOLVENZVERFAHREN ........................................................................26 ABWICKLUNG NOCH NICHT ERFÜLLTER GEGENSEITIGER VERTRÄGE DES INSOLVENZSCHULDNERS .....................................................................................................27 INSOLVENZANFECHTUNG ....................................................................................................30 IV. DAS INSOLVENZVERFAHREN .....................................................................................33 1. 2. 3. 4. 5. 6. V. ERÖFFNUNG ........................................................................................................................33 ERFASSUNG UND VERWERTUNG DER INSOLVENZMASSE.....................................................35 FESTSTELLUNG DER SCHULDENMASSE ...............................................................................35 FESTSTELLUNGSPROZESS ....................................................................................................37 VERTEILUNGSVERFAHREN ..................................................................................................37 BEENDIGUNG DES INSOLVENZVERFAHRENS ........................................................................38 DER INSOLVENZPLAN ...................................................................................................39 VI. BESONDERE VERFAHRENSGESTALTUNGEN.........................................................40 1. 2. 3. 4. 5. EIGENVERWALTUNG ...........................................................................................................40 VERBRAUCHERINSOLVENZVERFAHREN UND SONSTIGE KLEINVERFAHREN .........................40 RESTSCHULDBEFREIUNG.....................................................................................................41 NACHLASSINSOLVENZVERFAHREN UND VERWANDTE VERFAHREN ....................................43 INTERNATIONALE INSOLVENZVERFAHREN (VERFAHREN MIT AUSLANDSBEZUG) ...............44 -4- I. Einführung 1. Ziel des Insolvenzrechts Bestmögliche Befriedigung aller vermögensrechtlichen Gläubiger. Um dieses Ziel erreichen zu können, sind viele Themenbereiche von ganz besonderer Bedeutung. Oberste Priorität nehmen m.E. folgende Fragenkreise ein: a) Was gehört alles zur verwertbaren Insolvenzmasse, welche Gegenstände/Rechte kann umgekehrt ein Gläubiger aus der Insolvenzmasse abziehen, welche Rechte werden bevorzugt befriedigt? b) Wie kann verhindert werden, dass der Insolvenzschuldner noch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Insolvenzmasse verfügt, und wie können massegefährdende Rechtshandlungen des Insolvenzschuldners „unmittelbar vor Toresschluss“ rückgängig gemacht werden? 2. Grundsätze des Insolvenzverfahrens a. Gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger Das Insolvenzverfahren ist dem Wesen nach Vollstreckung (keine Entscheidung eines Streits über Insolvenzforderungen, vielmehr insofern Verweisung in ordentlichen Prozess (§§ 179 ff.). b. Verhältnis des Insolvenzverfahrens ("Totalvollstreckung", Gesamtvollstreckung") zur Zwangsvollstreckung ("Einzelzwangsvollstreckung") nach ZPO Insolvenzverfahren erfasst grundsätzlich ganzes Vermögen des Schuldners, dagegen Einzelzwangsvollstreckung wegen Geldforderungen nur in bestimmte Sachen oder -5Rechte. Im Insolvenzverfahren (anders: Einzelzwangsvollstreckung, siehe § 804 Abs. 3 ZPO) kein Prioritätsprinzip dergestalt, dass etwa Gläubiger, die ihre Forderungen zuerst anmelden o.ä., bevorzugt befriedigt würden. Vielmehr wie gesagt gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger. Unpfändbarkeit bestimmter Sachen und Forderungen gilt auch im Insolvenzverfahren (insofern "Insolvenzfreiheit"). Während des Insolvenzverfahrens keine Zwangsvollstreckung in Insolvenzmasse und massefreies Vermögen des Schuldners, § 89. Gilt auch für Vollzug von Arrest und einstweiliger Verfügung (berechtigte Kritik an der Streichung einer entsprechenden ausdrücklichen gesetzgeberischen Klarstellung innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens bei Jauernig aaO § 47), ferner für Gläubiger, die erst während des Insolvenzverfahrens einen vermögensrechtlichen Anspruch gegen den Insolvenzschuldner erworben haben. Bei Verstoß gegen Verbot des § 89: Wirksamkeit der Vollstreckungsmaßnahme (insb. auch Verstrickung und Pfändungspfandrecht entstanden, str.), aber Anfechtbarkeit mit Erinnerung zum Insolvenzgericht, § 89 Abs. 3 Satz 1. c. Vertiefung: (1) Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens: Einzelzwangsvollstreckung zulässig; Einschränkung: Rückschlagsperre, § 88. (2) Während Insolvenzverfahrens: Einschränkung: Durchsetzung Einzelzwangsvollstreckung von ordnungsbehördlichen unzulässig, Forderungen (umweltrechtliche Sanierungsanordnungen!) nach – abzulehnender – h.M. auch noch nach Verfahrenseröffnung mit Verwaltungsakt und anschließender Vollstreckung möglich (Forderung soll dann Masseverbindlichkeit sein, §§ 53 ff., s.u.). (3) Nach Ende des Insolvenzverfahrens: Einzelzwangsvollstreckung zulässig, Anmeldung von Insolvenzforderungen im Insolvenzverfahren Vollstreckungstitel, § 201; Einschränkung: Restschuldbefreiung, §§ 286 ff. ergibt -6- Insolvenzschuldner verliert mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über gegenwärtiges und während des Insolvenzverfahrens erworbenes Vermögen (siehe § 35), die sog. Insolvenzmasse. Befugnis geht über auf Insolvenzverwalter. Gläubiger benötigen im Insolvenzverfahren keinen Vollstreckungstitel (beachten: Eine während des Insolvenzverfahrens festgestellte Forderung verleiht demgegenüber im Nachhinein einen Vollstreckungstitel für die Zeit nach Beendigung des Insolvenzverfahrens, § 201). - Grund für Insolvenzrechtsreform, welche durch Inkrafttreten der InsO abgeschlossen ist: "Konkurs des Konkurses" durch Verarmung der Insolvenzmasse infolge von dinglicher Übersicherung durch einzelne Gläubiger => In der bisherigen Praxis gingen mangels Masse etwa 70% aller Konkursgläubiger völlig leer aus, da ein Konkursverfahren wegen Massearmut gar nicht erst eröffnet wurde. Nunmehr zwei Möglichkeiten für Gläubiger-Befriedigung: Liquidation (Verwertung des Schuldnervermögens) oder aber Sanierung durch Insolvenzplan. Ob Ziel der InsO erreicht werden kann, ist fraglich, da durch die InsO die Insolvenzmasse nicht angereichert wird (weitgehende Beibehaltung der Insolvenzfestigkeit dinglicher Sicherheiten). Allerdings nunmehr Abschaffung der Konkursvorrechte innerhalb der Insolvenzforderungen (nach bisherigem Recht insb. Bevorrechtigung von Arbeitnehmern und Fiskus). - Außerhalb von Insolvenzrechtsverfahren: Restschuldbefreiung für redlichen Schuldner (§ 1 Satz 2). -7- II. Beteiligte des Insolvenzverfahrens 1. Insolvenzgericht (Nur) verfahrensleitende Funktion. Eigentliche Entscheidungskompetenz über Ablauf des Insolvenzverfahrens aber nicht bei Insolvenzgericht, sondern bei Insolvenzverwalter und Organisation der Gläubiger. a. Sachlich zuständig: Amtsgericht ausschließlich zuständig, § 2 Abs. 1. Örtlich zuständig: Mittelpunkt der selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Insolvenzschuldners (§ 3 Abs. 1 Satz 2); sofern es hieran mangelt, allgemeiner Gerichtsstand des Schuldners (§§ 12 ff. ZPO) entscheidend, § 3 Abs. 1 Satz 1. Achtung: Erweiterung der örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts auf LG-Bezirk, § 2 Abs. 1. Andere Festlegung der Gerichtsbezirke durch Landesrecht möglich, § 2 Abs. 2 (in Bayern siehe hierzu § 29 Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz - GZVJu). Funktionelle Zuständigkeit: weitgehend Rechtspfleger (§ 3 Nr. 2 lit e RPflG). Richtervorbehalt: Eröffnung des Insolvenzverfahrens incl. Verfahren über Schuldenbereinigungsplan und Ernennung von Insolvenzverwalter, siehe ferner § 18 Abs. 1 (bestimmte Angelegenheiten bei der Restschuldbefreiung). Ferner dem Richter vorbehalten: zwangsweise Vorführung und Haft des Schuldners (§ 98 Abs. 2 - siehe auch § 102 - InsO i.V.m. §§ 4 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 RPflG. b. Aufgaben des Insolvenzgerichts: Eröffnung, Aufhebung und Einstellung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss (§§ 27, 200, 258, 207, 211-213); Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters und vorläufige Bestellung eines Insolvenzverwalters, §§ 21 Abs. 3 Nr.1, 27 Abs. 1, 58, 59 (Gläubiger können gem. § 57 -8sodann anderen Insolvenzverwalter bestellen, was in der Praxis aber nur sehr selten geschieht); Einrichtung und Überwachung der Organisation der Gläubiger, insb. Einberufung und Leitung der Gläubigerversammlung (§§ 74, 76 Abs. 1, 29 Abs. 1) und vorläufige Einsetzung eines Gläubigerausschusses (§§ 67 f.); Feststellung der Schuldenmasse durch Eintragung der Forderungen der Gläubiger in Insolvenztabelle (§ 178), was aber keine rechtsverbindliche Feststellung der jeweiligen Forderung ist (insofern ggf. streitiger Zivilprozess erforderlich); Bestätigung, Versagung oder Zurückweisung des Insolvenzplans (§§ 231, 248 ff.); Anordnung und Aufhebung von Eigenverwaltung, §§ 270, 272); Entscheidungen im Verfahren der Restschuldbefreiung (§§ 289 ff, 296 ff., 300, 303). c. Form der Entscheidungen/Rechtsbehelfe Entscheidungen durch Beschluss; Entscheidungen nur in den Fällen anfechtbar, in denen InsO sofortige Beschwerde vorsieht, § 6 Abs. 1. Rechtsmittelfrist 2 Wochen (§ 4 InsO i.V.m. § 577 Abs. 2 Satz 1), Beginn mit Verkündung oder Zustellung der Entscheidung, § 6 Abs. 2 Satz 1. Möglichkeit der Abhilfe durch Insolvenzgericht, § 6 Abs. 2 Satz 2). Bei Nichtabhilfe: Vorlage an Landgericht als Beschwerdegericht, § 4 InsO i.V.m. § 571 ZPO => Wirksamwerden von dessen Entscheidungen erst mit Rechtskraft (Unanfechtbarkeit), wobei Landgericht sofortige Wirksamkeit anordnen kann, § 6 Abs. 3. Gegen Beschwerdeentscheidung gemäß § 7 Zulassungsbeschwerde zum OLG (in Bayern aufgrund § 7 Abs. 3 i.V.m. VO vom 06.07.1995, GVBl. S. 343 BayObLG, in anderen Ländern Aufgabenkonzentration ggf. ebenfalls aufgrund landesrechtlicher Regelungen, Nw. hierzu bei Kirchhof, in Eickmann et. al., InsO, § 7 Rdnr. 46) in Form sofortiger weiterer Rechtsbeschwerde. 2. Insolvenzschuldner a. Keine Beschränkung auf Kaufleute. Allerdings in §§ 304 ff. Sonderregelungen für "Verbraucherinsolvenzverfahren und sonstige Kleinverfahren". -9b. Insolvenzfähigkeit Jeder Mensch und jede juristische Person des Bürgerlichen Rechts, welcher wiederum der nichtrechtsfähige Verein gleichsteht (§ 11 Abs. 1). Nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 ferner insolvenzfähig: Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (OHG, KG, BGB-Gesellschaft als Außengesellschaft etc.). Juristische Personen des öffentlichen Rechts weitgehend insolvenzunfähig (Einzelheiten Jauernig aaO § 40). Nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 können bestimmte Sondervermögen (Nachlass, Gesamtgut fortgesetzter Gütergemeinschaft bzw. gemeinschaftlich verwaltetes Gesamtgut) Gegenstand eines Insolvenzverfahrens sein. c. Pflicht des Insolvenzschuldners, den Verwalter zu unterstützen, § 97 Abs. 2. Auskunftsverpflichtung gegenüber Insolvenzgericht, Verwalter, Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung, §§ 97, 20. Weitere Einschränkungen: siehe Jauernig, § 40. OLG Celle, ZIP 2000, 1898 1. Die Anordnung einer Postsperre im INSOLVENZVERFAHREN nach INSO § 99 Abs 1 S 1 hat zur Voraussetzung, daß konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Masse geltend gemacht werden, um die Angemessenheit der Einschränkung der Grundrechte des Schuldners zu überprüfen. 2. Die Anordnung der Postsperre (auch gegenüber einer juristischen Person) bedarf einer eingehenden Begründung, die erkennen lassen muß, daß sich das INSOLVENZGERICHT bzw das Beschwerdegericht mit der Frage der Erforderlichkeit der Postsperre auseinandergesetzt hat und konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die die Anordnung einer solchen Sperre rechtfertigen. Eine bloß stereotype Begründung unter Wiederholung des Gesetzestextes genügt nicht dem Begründungserfordernis. 3. Daher muß auch eine Entscheidung des Beschwerdegerichts, der kein subsumtionsfähiger Sachverhalt vorangestellt ist, im Rechtsbeschwerdeverfahren nach INSO § 7 aufgehoben und an das Beschwerdegericht zurückverwiesen werden. OLG Düsseldorf, ZIP 2001, 25 1. Die Erklärung der Amtsniederlegung durch den alleinigen Geschäftsführer und einzigen Gesellschafter einer GmbH, der nicht zugleich einen neuen Geschäftsführer bestellt, ist in der Regel rechtsmissbräuchlich und daher unwirksam. 2. Die Eröffnung des INSOLVENZVERFAHRENS über das Vermögen der Gesellschaft wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sowie die unterbliebene und für die Zukunft nicht gesicherte Vergütung des Geschäftsführers begründen keine besonderen Umstände, die der Beurteilung der Amtsniederlegung als rechtsmissbräuchlich ausnahmsweise entgegenstehen. - 10 d. Speziell: Vermögensrechtliche Stellung des Insolvenzschuldners - Insolvenzschuldner bleibt rechts-, geschäfts-, partei- und prozessfähig. Aber Verlust des Rechts, sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen (§ 80 Abs. 1) und darüber zu prozessieren. Dieser Verlust erstreckt sich auf gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter des Insolvenzschuldners bzw. auf Vertretungsorgane oder vertretungsberechtigten Gesellschafter des Insolvenzschuldners. Beachten: Insolvenzgericht kann im Eröffnungsbeschluss Eigenverwaltung anordnen (§§ 270 ff.)! - Unwirksamkeit von Verfügungen, welche Insolvenzschuldner nach Verfahrenseröffnung über einen Massegegenstand vornimmt, § 81 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27 Abs. 3. Gleiches gilt bei Verfügungsbeschränkung, die im Eröffnungsverfahren ausgesprochen wurden, § 21 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m § 24, ferner für Verfügungen eines Vertreters, welcher die Verfügungsbefugnis verloren hat (siehe soeben). - Absolute, also nicht nur relative Unwirksamkeit von Verfügungen, welche gegen das Verfügungsverbot verstoßen. Aber Möglichkeit der Genehmigung durch Verwalter, § 80 Abs. 1. Verfügung ist auch Entgegennahme von Zahlungen und anderen Leistungen, ferner rechtsgeschäftliche Handlungen mit verfügendem Charakter, ferner Prozesshandlungen mit verfügendem Charakter (Geständnis, Anerkenntnis...). - § 91 Abs. 1: Kein wirksamer Erwerb von Rechten an Massegegenständen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Unanwendbarkeit von § 91 Abs. 1, wenn Erwerbstatbestand bereits vor Verfahrenseröffnung vollendet. Erwerb vom Verwalter ist möglich, § 80 Abs. 1. - Ausnahmsweise Gültigkeit von Schuldner-Verfügungen: §§ 892 f. BGB i.V.m. § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO. Allerdings beachten: Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird gem. § 32 ins Grundbuch eingetragen, um gutgläubigen Erwerb vom Schuldner = Nichtverfügungsberechtigten zu vermeiden. Bei rascher Beantragung dieser Eintragung durch Insolvenzgericht oder (vorläufigen) Verwalter bleibt kaum mehr Zeit für gutgläubigen Erwerb, da das Grundbuchamt später eingegangene Anträge, etwa auf - 11 Umschreibung des Eigentums, erst später als den Antrag auf Eintragung des Insolvenzvermerks bearbeiten darf (§ 17 GBO); ist dann der Insolvenzvermerk bereits eingetragen, wirkt der öffentliche Glaube des Grundbuchs nicht mehr zugunsten eines Erwerbers, der das Grundstück oder Rechte daran vom Schuldner des Insolvenzverfahrens nach Eröffnung des Verfahrens erworben hat => Antrag auf Eigentumsumschreibung o.ä. wird dann vom Grundbuchamt abgelehnt! Grundbuchsperre erst durch Eintragung des Insolvenzvermerks, nicht bereits durch Kenntnis des Grundbuchamts von der Verfahrenseröffnung. Das heißt: Grundbuchamt muss, selbst wenn es von Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiß, mit Rücksicht auf § 17 GBO eine Verfügung, welche unter Verstoß gegen das Verfügungsverbot vorgenommen wurde, eintragen, wenn der Antrag auf Eintragung des Insolvenzvermerks erst nach dem Umschreibungsantrag o.ä. gestellt wurde! Bei beweglichen Sachen kein gutgläubiger Erwerb möglich, da §§ 932 ff. nur auf Erwerb vom Nicht-Eigentümer anwendbar sind, der Schuldner aber noch Eigentümer der Massegegenstände ist. Nach § 81 Abs. 1 Satz 3 ist bei gegenseitigen Verträgen, welche beiderseits erfüllt wurden, und zwar seitens des Insolvenzschuldners nach Verfahrenseröffnung, die dem Vermögen des Schuldners und damit der Insolvenzmasse zugeflossene Leistung aus der Masse zurückzugewähren. Dieser Anspruch des Vertragspartners ist nicht etwa nur eine Insolvenzforderung, sondern eine Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 3). - § 878 BGB beachten: Verfügungsbeschränkung (also insb. auch Verfügungsbeschränkung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens), nachdem dingliche Erklärung nach §§ 873, 875, 877 BGB abgegeben und für den Erklärenden bindend geworden ist und nachdem beim Grundbuchamt Antrag auf Grundbuchänderung gestellt wurde, führt nicht zur Unwirksamkeit der Erklärung! Die Regelung des § 878 BGB ist über § 91 Abs. 2 InsO in der vorliegend behandelten Konstellation anwendbar. - Bei Leistung an den Insolvenzschuldner nach Verfahrenseröffnung, aber in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung: Leistender ist befreit, § 82 Satz 1. Nach § 82 Satz 2 (Beweislastregel!) Vermutung der Nichtkenntnis der Verfahrenseröffnung bei Leistung vor öffentlicher Bekanntmachung der Eröffnung. Stets Befreiung bei Leistung an die Insolvenzmasse oder bei Leistung, die in die Insolvenzmasse geflossen ist. Bei nicht befreiend wirkender Leistung (in Praxis selten): Bereicherungsanspruch gegen den - 12 Insolvenzschuldner, der außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend zu machen ist (keine Insolvenzforderung, da erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden, § 38!); aber § 89: keine Vollstreckung in Schuldnervermögen während Insolvenzverfahren! => Da auch Vermögenserwerb des Insolvenzschuldners während des Insolvenzverfahrens in die Masse fällt (§ 35), i.E. nur Realisierung aus Vermögen möglich, das nicht zur Masse gehört (unpfändbare Gegenstände) bzw. erst nach Verfahrensbeendigung erworben wird; dann aber Konkurrenz mit Insolvenzgläubigern, soweit diese nicht aus der Masse befriedigt worden sind, §§ 201, 215 Abs. 2 => Einzelzwangsvollstreckung dann wieder möglich, es gilt das zwangsvollstreckungsrechtliche Prioritätsprinzip. Gleiche Rechtslage, wenn Insolvenzschuldner nach Verfahrenseröffnung Verpflichtungsgeschäfte eingeht (diese sind wirksam, da ja die Verfahrenseröffnung nicht die Geschäftsfähigkeit beendet, s.o., begründen aber gemäß § 38 keine Insolvenzforderung). e. Vertiefung Verpflichtungsgeschäfte des Insolvenzschuldners nach Verfahrenseröffnung sind wirksam!!! Forderungen gegen den Insolvenzschuldner hieraus nehmen aber nicht am Insolvenzverfahren teil (keine Insolvenzforderungen, § 38, und keine Masseverbindlichkeiten, §§ 53 ff.). Befriedigung nur aus massefreiem Vermögen (beachten: auch Neuerwerb des Insolvenzschuldners nach Verfahrenseröffnung gehört zur Masse, § 35, daher insofern kaum Befriedigungsmöglichkeiten der Neugläubiger), aber insofern: Vollstreckungsverbot während Insolvenzverfahren gemäß § 89 gilt auch hier (Eickmann, in Eickmann et. al., InsO, § 89 Rdnr. 12) => im Ergebnis meist daher erst Befriedigung der Neugläubiger nach Ende des Insolvenzverfahrens möglich. Rechtsgeschäft unterliegt zugunsten des Neugläubigers aber den allgemeinen Regeln der §§ 275, 320 ff. Wenn Gegenleistung des Neugläubigers in die Masse gelangt: Rückgewähr über § 81 Abs. 1 Satz 3 analog. Beachten: Verpflichtungsgeschäfte des Insolvenzschuldners nach Verfahrenseröffnung erfüllen meist den Tatbestand des Betrugs (§ 263 StGB), da der Insolvenzschuldner bei Abschluss des Geschäfts genau weiß, dass er die von ihm geschuldete Gegenleistung nicht erbringen kann. - 13 - 3. Insolvenzgläubiger a. § 38: Insolvenzgläubiger = wer als persönlicher Gläubiger (nicht dinglicher Gläubiger, dann Aussonde-rungs- oder Absonderungsberechtigung, s.u.) z.Zt. der Verfahrenseröffnung begründeten (bei nachträglich erworbener Forderung siehe soeben) Vermögensanspruch gegen Insolvenzschuldner hat. Unterscheidung in nichtnachrangige und nachrangige Insolvenzgläubiger, § 39 (z.B. Zinsen seit Verfahrenseröffnung). Bedingter Anspruch ausreichend: Auflösend bedingte Forderungen werden vor Eintritt der Bedingung als unbedingt behandelt, § 42; aufschiebend bedingte Forderungen: werden bei Abschlagszahlung berücksichtigt, aber Betrag wird zurückbehalten, § 191. Noch nicht fällige Forderungen gelten als fällig, § 41 Abs. 1. Bei Gesamtschulden kann voller Betrag angemeldet werden, § 43. OLG Zweibrücken, ZIP 2000, 2172 1. Die Parteifähigkeit des Gläubigers im INSOLVENZVERFAHREN ist nach INSO § 4 entsprechend ZPO § 50 zu beurteilen. Bei einer ausländischen Gesellschaft ist dabei das für die Beurteilung der Parteifähigkeit anzuwendende Recht entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach der Sitztheorie zu bestimmen. Das gilt ungeachtet der EuGH-Vorlage vom 30. März 2000, VII ZR 370/98 <ZIP 2000, 967, dazu EWiR 2000, 793 (Roth)> jedenfalls dann, wenn - wie hier - eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Costa Rica den INSOLVENZANTRAG stellt. 2. INSO § 5, wonach das INSOLVENZGERICHT alle Umstände zu ermitteln hat, gilt nicht, wenn es um die Zulässigkeit des Eröffnungsantrags eines Gläubigers geht. b. Nicht Insolvenzgläubiger: Aus- und Absonderungsberechtigte (dazu im einzelnen unten), Massegläubiger (§ 55, dazu ebenfalls unten). Zur Terminologie im einzelnen Jauernig aaO § 41. Familienrechtliche Unterhaltsansprüche, § 40 Satz 1: nur die bis zur Verfahrenseröffnung entstandenen Forderungen sind Insolvenzforderungen. Nach Verfahrenseröffnung entstandene Unterhaltsansprüche: unmittelbar gegen den Insolvenzschuldner entstanden, Vollstreckung in den nicht zur Insolvenzmasse gehörenden Teil des Arbeitseinkommens, §§ 36 Abs. 1, 89 Abs. 2 Satz 2. - 14 c. § 45: Umrechnung in Geld, wenn Forderungen nicht auf Geld, sondern auf geldwerte Leistung gerichtet sind. Aber Umwandlung in Geldforderung erst mit Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle. Wenn zuvor Abbruch des Insolvenzverfahrens mangels Masse o.ä.: Forderung bleibt in alter Gestalt bestehen. 4. Gläubigerorganisation a. Gläubigerversammlung Alle Insolvenzgläubiger und Absonderungsberechtigten, § 74 Abs. 1. Einberufung und Leitung durch Gericht. Wahl eines Insolvenzverwalters, wenn anderer als der vom Gericht eingesetzte Verwalter gewählt werden soll (in Praxis selten). Entscheidung über Einsetzung von Gläubigerausschuss. Kontrolle des Verwalters. Zustimmung zu besonders bedeutenden Rechtshandlungen des Verwalters, sofern Gläubigerausschuss nicht bestellt ist, § 160. Weitere Aufgaben: siehe die Auflistung bei Jauernig aaO § 42. OLG Zweibrücken, ZIP 2000, 2173 (Unzulässige Beschwerde Gläubigerversammlung) gegen Abwahl des INSOLVENZVERWALTERS durch die Ein Beschluss der Gläubigerversammlung ist keine gerichtliche Entscheidung. Da gegen einen solchen Beschluss nach der INSOLVENZORDNUNG keine Erstbeschwerde eröffnet ist, findet gegen ihn auch keine sofortige weitere Beschwerde statt. Ein Antrag auf Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde ist unzulässig. b. Gläubigerausschuss Fakultative Einsetzung durch Gericht vor erster Gläubigerversammlung, § 67 Abs. 1. Unterordnung unter Gläubigerversammlung: Existenz und Zusammensetzung hängen von Gläubigerversammlung ab, § 68. - 15 - 5. Insolvenzverwalter a. Bestellung durch Gericht, § 27, und zwar durch Richter (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG). In erster Gläubigerversammlung Möglichkeit zur Wahl eines anderen Verwalters, § 57 Satz 1 (selten). Aufsicht über Tätigkeit des Verwalters durch Gericht, mit Möglichkeit zu Zwangsmaßnahmen, § 58. b. § 80 Abs. 1: Verwaltungs- und Verfügungsrecht über Masse geht mit Verfahrenseröffnung auf Verwalter über. => Recht und Pflicht des Verwalters, Masse sofort in Besitz zu nehmen (§ 148 Abs. 1). Notfalls Wegnahme durch Gerichtsvollzieher (§§ 883, 885 ZPO, Vollstreckungstitel ist vollstreckbare Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses, 3 148 Abs. 2). Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) zum Vollstreckungsgericht, § 148 Abs. 2. Nach BGH, MJW 1994, 326; Jauernig, FS Weber, 307, Unwirksamkeit offensichtlich zweckwidriger Rechtshandlungen des Verwalter, z.B. Anerkennung evident unberechtigter Absonderungsrechte. c. Erstellung von Vermögensübersicht (§ 153 Abs. 1) auf der Grundlage von Inventarliste (§ 151) und Gläubigerverzeichnis (§ 152). d. In erster Gläubigerversammlung = Berichtstermin, § 29, Bericht über wirtschaftliche Lage des Insolvenzschuldners sowie über Aussichten, bei Unternehmensinsolvenz Unternehmen oder Teile davon zu erhalten, ferner über Aussichten, Gläubigerbefriedigung abweichend von gesetzlichen Vorbildern durch Insolvenzplan (§ 217) zu erlangen (in Praxis entgegen den Vorstellungen des Gesetzgebers fast völlig bedeutungslos, nur 2% aller Insolvenzen über Insolvenzplan abgewickelt). - 16 e. Anmeldung der Insolvenzforderungen beim Verwalter, § 174 Abs. 1 Satz 1, der sie dann in die Insolvenztabelle einträgt, § 175. Zur Abwehr unberechtigter Forderungen: Widerspruch mit anschließendem streitigen Prozess, § 178 f. f. Weitreichende Verfügungsbefugnis Masseverwertung des Verwalters (freihändiger Unternehmensfortführung oder bezüglich Verkauf, -schließung, Verkauf der Art der Zwangsversteigerung, von Unternehmen oder Unternehmensteilen...). Bei Betriebsveräußerungen während des Insolvenzverfahrens: Geltung von § 613a, aber Möglichkeit des vorherigen, sozialplangesicherten Personalabbaus, §§ 123, 125 - 128. Bei Rechtshandlungen von besonderer Bedeutung: vorherige Zustimmung des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung, §§ 160 f, z.B.: beabsichtigte freihändige Grundstücksveräußerung. g. Ausübung des Anfechtungsrechts, §§ 130 ff., durch Insolvenzverwalter, ferner Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplanes, §§ 260 ff. Weitere Aufgaben des Verwalters: siehe Jauernig aaO, § 43, auch zur Haftung des Verwalters (§ 60) sowie zum Vergütungsanspruch (§§ 63 ff. i.V.m. Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung. h. Ausübung des Prozessführungsrechts durch Verwalter. Neue massebezogene Prozesse sind vom Verwalter als Kläger und Beklagtem zu führen. Anhängige Prozesse: Unterbrechung nach § 240 ZPO. Ablehnung der Aufnahme eines Aktivprozesses durch Verwalter, § 85 (bei Aussichtslosigkeit), beinhaltet Freigabe des Massegegenstandes ins insolvenzfreie Vermögen (kein Neuerwerb i.S.v. § 35, da Rechtsinhaberschaft des Insolvenzschuldners bereits vorher bestand). Passivprozesse: Aufnahme ausgeschlossen bei Insolvenzforderungen, § 87: nur Verfolgung der Ansprüche im Insolvenzverfahren. Bei Aussonderungs- oder Absonderungsrechten (keine Insolvenzforderungen!) Aufnahme des Prozesses durch Verwalter oder Gegner möglich, Prozesskosten sind Masseverbindlichkeiten, § 55 Abs. 1 Nr. 1. BGH, NJW 1999, 2822 Ein anhängiger Rechtsstreit wird durch die Bestellung eines vorläufigen INSOLVENZVERWALTERS für das Vermögen einer Partei dann nicht gemäß ZPO § 240 S 2 unterbrochen, wenn dem Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot, sondern nur ein - 17 Zustimmungsvorbehalt iSv INSO § 21 As 2 Nr 2 auferlegt wird und deshalb die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen nicht gemäß INSO § 22 Abs 1 S 1 auf den vorläufigen INSOLVENZVERWALTER übergeht. Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, ZINSO 2000, 505 Ein Rechtsstreit wird auch dann gemäß ZPO § 240 S 1 durch die Eröffnung des INSOLVENZVERFAHRENS gegen den Beklagten unterbrochen, wenn das INSOLVENZGERICHT Eigenverwaltung angeordnet hat, sofern der Rechtsstreit die INSOLVENZMASSE betrifft. i. Kein Verwalter: bei Verfahren mit Eigenverwaltung durch den Insolvenzschuldner (selten) und in vereinfachten Insolvenzverfahren (dort aber Bestellung eines Sachverwalters, § 270 Abs. 3 Satz 1). j. Theorienstreit über Rechtsstellung des Insolvenzverwalters. Nach BGH "Amtstheorie" (Verwalter ist nicht gesetzlicher Vertreter des Insolvenzschuldners, sondern besonderes Rechtspflegeorgan). A.A. im Schrifttum: "Vertretertheorie" (Verwalter ist gesetzlicher Vertreter des Insolvenzschuldners bezüglich der Masse). Vermittelnd "Organtheorie": danach Insolvenzmasse als Art einer juristischen Person mit organrechtlicher Stellung des Verwalters im Sinne eines gesetzlichen Vertreters. Theorienstreit heute weitgehend bedeutungslos, da Konsens über wichtigste Fragen bzw. gesetzgeberische Lösung von Einzelfragen (insb.: § 19a ZPO => allg. Gerichtsstand des Insolvenzverwalters für massebezogene Klagen beim Sitz des Insolvenzgerichts; nach früherer Ansicht der Vertretertheorie am [Wohn-]Sitz des vertretenen Schuldners; nach früherer Ansicht der Amtstheorie am Wohnsitz des Verwalters). In formellen Fragen ("Wer ist Partei eines Zivilprozesses, der Insolvenzverwalter oder der Schuldner vertreten durch den Insolvenzverwalter?", "Vollstreckung aus einem gegen den Insolvenzschuldner ergangenen Titel gegen den Insolvenzverwalter mit oder ohne Titelumschreibung?") von Praxis seit langem im Sinne der Amtstheorie entschieden: Insolvenzverwalter ist selbst Partei, ein Titel gegen den Insolvenzschuldner ist gegen den Insolvenzverwalter umzuschreiben. OLG Dresden, ZINSO 2000, 607 - 18 Bei Gesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit sind nach Eröffnung des INSOLVENZVERFAHRENS bereits bestehende Titel der Gläubiger gegen persönlich haftende Gesellschafter in entsprechender Anwendung des ZPO § 727 iVm INSO § 93 auf den INSOLVENZVERWALTER umzuschreiben. 6. Aussonderungsberechtigte a. Wer aufgrund dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, ein zur Masse gezogener Gegenstand gehöre der Masse in Wirklichkeit nicht an. Kein Insolvenzgläubiger, da er nicht Befriedigung aus der Masse verlangt, sondern im Gegenteil eine Bereinigung der Masse an sich anstrebt. b. Aussonderungsrecht entspricht funktional/systematisch der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) in der Einzelzwangsvollstreckung (so zutreffend Jauernig aaO, § 44). c. Hier Brennpunkt des Insolvenzrechts schlechthin, weil die Rechtsordnung hier Farbe bekennen muss, inwieweit sie dingliche Sicherheiten akzeptiert, welche die Masse schmälern, meist sogar aufzehren. Genuine rechtspolitische Entscheidung. Immerhin führt die vorbehaltslose insolvenzrechtliche Anerkennung des gewachsenen Systems dinglicher Sicherheiten faktisch gesehen dazu, dass die Banken sich im Insolvenzfall vollständig befriedigen können, während für die ungesicherten, eigentlichen Insolvenzgläubiger nichts mehr übrig bleibt. d. Eigentümer einer massebefangenen Sache ist aussonderungsberechtigt. Aber beachten: Sicherungseigentümer hat im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Sicherungsgebers kein Aussonderungs-, sondern nur ein Absonderungsrecht (jetzt ausdrücklich in § 51 Nr. 1 geregelt, zuvor st. Rspr.); allerdings Aussonderungsrecht im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Dritten (wenn z.B. der Sicherungsgeber die Sache dem Dritten überlassen hatte). Bei Insolvenz des Sicherungsnehmers = Sicherungseigentümers: wenn Sicherungseigentum auflösend bedingt durch Begleichung - 19 einer Forderung, Aussonderungsrecht des Sicherungsgebers bei Begleichung der Forderung; nach st. Rspr. aber ebenfalls Aussonderungsrecht des Sicherungsgebers, wenn dieser die Forderung begleicht und das Sicherungseigentum nicht auflösend bedingt vereinbart war, so dass eigentlich nur ein obligatorischer Rückübertragungsanspruch bestehen würde. e. Eigentumsvorbehalt: Aussonderungsrecht des Vorbehaltseigentümers im Insolvenzverfahren über Vermögen des Vorbehaltskäufers, sofern Verwalter nicht mehr über § 47 InsO i.V.m. § 986 BGB zum Besitz berechtigt ist (Besitzrecht des Verwalters entfällt insb. bei Rücktritt des Verkäufers vom Vertrag, § 455 Abs. 1 BGB; Verwalter kann nach § 103 Vertragserfüllung wählen oder Erfüllung ablehnen, bei letzterer Wahl sofort Aussonderungsrecht des Vorbehaltseigentümers; Zeitpunkt der Ausübung des Wahlrechts: § 107 Abs. 2). Verlängerter Eigentumsvorbehalt mit Verarbeitungsklausel und Vorausabtretung von Ansprüchen aus Weiterverkauf der verarbeiteten Sache): nur Absonderungsberechtigung. Insolvenzverfahren über Vermögen des Vorbehaltsverkäufers: § 107 Abs. 1: Insolvenzverwalter kann nicht über § 103 Erfüllung des Vertrages ablehnen und damit dann Anwartschaft des Vorbehaltskäufers zerstören! f. Ebenfalls aussonderungsberechtigt: Inhaber eines beschränkten dinglichen Rechts (z.B. eine entgegen dem ersten Anschein valutierte Eigentümergrundschuld, die der Insolvenzverwalter als Eigentümergrundschuld des Insolvenzschuldners behandelt). Ferner: Inhaber einer Forderung, die vom Verwalter als Forderung des Insolvenzschuldners behandelt wird. Aber beachten: bei Sicherungsabtretung einer Forderung durch den Insolvenzschuldner: nur Absonderungsrecht, § 51 Nr. 1. § 354 a HGB beachten. Auch aussonderungsberechtigt: Inhaber von Herausgabeansprüchen, §§ 861, 1004, 1007, auch wenn nicht Eigentümer (z.B. als Verleiher oder Vermieter). g. Wenn Verwalter sich dem Aussonderungsbegehren widersetzt: Berechtigter muss gegen Verwalter Klage einreichen. Herausgabeprozess, der bereits bei Eröffnung des - 20 Insolvenzverfahrens schwebte, kann nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 wieder aufgenommen werden. h. Inhalt des Aussonderungsanspruchs: bei unberechtigtem Besitz des Verwalters Herausgabeanspruch, bei berechtigtem Besitz, z.B. als Mieter, Feststellung des Eigentums. i. Bei Veräußerung eines massefremden Gegenstandes durch Verwalter: Ersatzaussonderung nach § 48. Falls Veräußerung unwirksam (Bsp.: Käufer kannte die Eigentumslage und ist daher nicht gutgläubig i.S.v. § 932), so kann Eigentümer unmittelbar Leistung (Herausgabe, § 985 BGB, oder Schadensersatz, §§ 989 ff. BGB) an sich verlangen oder aber über § 48 Ersatzaussonderung aus der Masse verlangen. BGH,Großer Senat für Zivilsachen, NJW 1998, 671 1. Der Sicherungsgeber hat bei formularmäßig bestellten, revolvierenden Globalsicherungen im Falle nachträglicher Übersicherung einen ermessensunabhängigen Freigabeanspruch auch dann, wenn der Sicherungsvertrag keine oder eine ermessensabhängig ausgestaltete Freigabeklausel enthält. 2. Bei formularmäßig bestellten, revolvierenden Globalsicherungen sind weder eine ausdrückliche Freigaberegelung noch eine zahlenmäßig bestimmte Deckungsgrenze noch eine Klausel für die Bewertung der Sicherungsgegenstände Wirksamkeitsvoraussetzungen. 3. Enthält die formularmäßige Bestellung revolvierender Globalsicherungen keine ausdrückliche oder eine unangemessene Deckungsgrenze, so beträgt diese Grenze (unter Berücksichtigung der Kosten für Verwaltung und Verwertung der Sicherheit), bezogen auf den realisierbaren Wert der Sicherungsgegenstände, 110% der gesicherten Forderungen. 4. Allgemeingültige Maßstäbe für die Bewertung der Sicherungsgegenstände bei Eintritt des Sicherungsfalles lassen sich im voraus weder bei der Sicherungsübereignung noch bei einer Globalabtretung festlegen. 5. Die Grenze für das Entstehen eines Freigabeanspruchs für Sicherungsgut liegt regelmäßig bei 150% des Schätzwerts (BGB § 237 S 1). 7. Absonderungsberechtigte - 21 a. §§ 49 52. Absonderungsberechtigung = insolvenzfestes Recht auf abgesonderte Befriedigung an Massegegenständen. Wichtigste Fälle (siehe z.T. schon soeben unter "Aussonderungsberechtigte"): Pfandrecht, Sicherungseigentum im Insolvenzverfahrens über Vermögen des Sicherungsgebers, zur Sicherheit abgetretene Forderung. b. Aussonderung richtet sich auf Folgen der Nichtzugehörigkeit einer Sache/eines Rechts zur Masse, wohingegen Absonderung auf bevorzugte Befriedigung aus der Masse gerichtet ist. c. Unbewegliches Vermögen Absonderung folgt Regelungen des ZVG, § 49 InsO. Dort in § 10 ZVG Bestimmung der Inhaber von Befriedigungsrechten, insb. Grundpfandgläubiger. d. Bewegliches Vermögen wem Pfandrecht zusteht, § 50. Kein Unterschied zwischen rechtsgeschäftlich oder gesetzlich begründetem Pfandrecht (Pfändungspfandrecht, aber auch Vermieterpfandrecht!). Freihändige Verwertung durch Verwalter, § 166 Abs. 1. Gilt auch für Sache, an der Pfändungspfandrecht besteht (nach Jauernig aaO § 45 hier gesetzliche Festlegung von anderer Verwertungsmöglichkeit i.S.v. § 825 ZPO). e. Sonstige Absonderungsberechtigte Insb. Sicherungseigentümer im Insolvenzverfahrens über Vermögen des Sicherungsgebers, ferner Sicherungszessionar, § 51 Nr. 1. Auch Absonderungsrecht bei verlängertem Eigentumsvorbehalt mit Verarbeitungs- und Vorausabtretungsklausel (hier aber nur bezüglich Forderungen, die bereits vor Verfahrenseröffnung entstanden waren; später entstandene Forderungen können nicht mehr wirksam erworben werden). Einziehung von Forderungen, die der Insolvenzschuldner sicherungshalber abgetreten hat, nur durch Verwalter, § 166 Abs. 2. - 22 - f. Wenn Insolvenzschuldner auch persönlich für Forderung haftet, sind Absonderungsberechtigte zugleich Insolvenzgläubiger, § 52 (ist meist der Fall, da Pfandrecht o.ä. das Bestehen einer Forderung voraussetzt, anders aber insb. bei Grundschuld). Aber beachten: Bei Absonderung, welche nicht zur vollen Befriedigung des Absonderungsberechtigten führt, nimmt der Absonderungsberechtigte wegen einer persönlichen Haftung des Insolvenzschuldners anteilmäßig an der Verteilung der Masse nur noch bezüglich des nicht durch die Absonderung bereits befriedigten Teils seiner Forderung teil (Bsp. nach Jauernig aaO, § 45: pfandrechtsgesicherte Forderung über DM 100.000, Befriedigung aus Absonderung DM 60.000, 5% Verteilungsquote unter den Insolvenzgläubigern => Teilnahme am Verteilungsschlüssel nur bezüglich der nicht befriedigten DM 40.000 => Ausschüttung DM 2.000). g. Zinszahlung (§ 169) und Ausgleichszahlung (§ 172) bei nicht rechtzeitiger Verwertung bzw. bei weiterer Benutzung von Sicherungsgut => nach Jauernig aaO § 45 Gefahr schneller Verwertung anstelle längeren Zusammenhaltens von Sicherungsgut, was im Einzelfall sinnvoll sein kann. h. Verwertung: §§ 165 ff. Zugunsten Masse nach §§ 170 f. sind bestimmte Beträge abzuziehen vom erzielten Erlös. i. Ggf. (bei unberechtigter Veräußerung) Ersatzabsonderung nach § 48 analog. 8. Massegläubiger a. Keine Insolvenzgläubiger, sondern Gläubiger, deren vermögensrechtliche Ansprüche erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, gleichwohl aber unter - 23 Umgehung von § 38 aus der Masse vorweg befriedigt werden müssen, § 53. Gehen den Insolvenzgläubigern vor. b. Massegläubiger unterliegen nicht dem für Insolvenzgläubiger nach §§ 87, 89 geltenden Klage- und Vollstreckungsverbot, sondern können während des Insolvenzverfahrens ihre Ansprüche gegen den Insolvenzverwalter einklagen. Allerdings nach § 90 Abs. 1 sechsmonatige Vollstreckungssperre bezüglich Masseverbindlichkeiten, die nicht durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet wurden. c. § 54: Kosten des Insolvenzverfahrens sind Massekosten. Dies sind die Kosten des Gerichtsverfahrens und die Vergütungen/Auslagen des Insolvenzverwalters. d. § 55: Sonstige Masseverbindlichkeiten. § 55 Abs. 1 Nr. 1: alle Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters begründet worden sind. Z.B. Kosten aus Verkäufen/Käufen zur Verwertung der Masse, Kosten aus Dienstverträgen, die vom Verwalter geschlossen wurden. Auch deliktsrechtliche und andere haftungsrechtliche Ansprüche aus Handlungen des Verwalters. Auch Prämien für vom Verwalter abgeschlossene Versicherungen etc. Ferner Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen, die der Insolvenzschuldner vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen hat und deren Erfüllung der Verwalter wählt (§ 55 Abs. 1 Nr. 2). § 55 Abs. 1 Nr. 3: auch Masseverbindlichkeiten sind Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Masse, die nach Eröffnung eingetreten sind. Ferner nach § 55 Abs. 2 Satz 1 nach Verfahrenseröffnung Masseverbindlichkeiten: Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingegangen wurden. Außerdem: Verbindlichkeiten aus Sozialplan, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellt wurde, § 123, dort aber summenmäßige Begrenzung vorgesehen. e. "Insolvenz in der Insolvenz": wenn Masse zwar zur Befriedigung der Kosten (§ 54) ausreicht, nicht aber zur Erfüllung sonstiger Masseverbindlichkeiten zum Zeitpunkt der - 24 Fälligkeit. Dann Anzeige des Verwalters gegenüber dem Gericht, § 208 Abs. 1, die aber gemäß § 208 Abs. 3 die Pflichtenstellung des Verwalters nicht berührt. Nach § 209 Rangordnung für die Befriedigung der Masseverbindlichkeiten in diesen Fällen der Masseunzulänglichkeit. Haftung des Verwalters nach § 61 Satz 1, wenn er Masseunzulänglichkeit durch Begründung von Masseverbindlichkeiten herbeigeführt hat; aber Exkulpationsmöglichkeit nach § 61 Satz 2. - 25 - III. Die Insolvenzmasse 1. Einführung Insolvenzmasse = Gesamtes Vermögen des Insolvenzschuldners zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einschließlich des während des Verfahrens erworbenen „Neuerwerbs“ (§ 35). Haftung des Neuerwerbs nur zugunsten der Insolvenzgläubiger (s.o.), also derjenigen Gläubiger, deren Forderung z.Zt. der Verfahrenseröffnung begründet war (§ 38) => Zahl der Insolvenzgläubiger kann sich während des Verfahrens nicht erhöhen, wohl aber Insolvenzmasse infolge Neuerwerbs (selten, leider). Nicht zur Masse gehören: unpfändbare Sachen und Rechte, ferner Nicht-Vermögensrechte, siehe im einzelnen Jauernig aaO § 48. OLG Köln, ZIP 2000, 2074 1. Der Schutz des Existenzminimums gebietet eine entsprechende Anwendung der Bestimmungen der ZPO §§ 850ff auch im INSOLVENZVERFAHREN, wenn der Schuldner seinen Unterhalt, bemessen nach dem gemäß ZPO § 850c pfändungsfreien Betrag, erhält. 2. Für die Entscheidung über einen Antrag des Schuldners nach ZPO § 850g wegen Änderung der Unpfändbarkeitsvoraussetzungen ist im eröffneten INSOLVENZVERFAHREN das INSOLVENZGERICHT und nicht das Vollstreckungsgericht zuständig. OLG Frankfurt, NZI 2000, 531 Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen obliegt es den INSOLVENZGERICHTEN, im Rahmen ihrer Aufsicht nach INSO § 58 sicherzustellen, dass der Schuldner entsprechend dem gesetzgeberischen Willen den notwendigen Unterhalt aus der INSOLVENZMASSE erhält. Dies bedeutet, daß entsprechend dem Regelungsgehalt des ZPO § 850f Abs 1 Buchst a eine Erhöhung des pfändungsfreien, nicht vom INSOLVENZBESCHLAG erfaßten Teils des Arbeitseinkommens erfolgen muß, wenn das unpfändbare Einkommen das rechtlich geschützte Existenzminimum des Schuldners nicht sichert. OLG Köln, NZI 2000, 529 Das Sozialstaatsprinzip aus GG Art 20 Abs 1 iVm GG Art 1 Abs 1 verbietet es, durch staatliche Maßnahmen dem Einzelnen den Teil des selbst erzielten Einkommens zu entziehen, der als Mindestvoraussetzung für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird (Anschluß BVerfG, 25. September 1992, 2 BvL 5/91, NJW 1992, 3153 und BVerfG, 17. November 1992, 1 BvL 8/87, NJW 1993, 643). Dieser Schutz des Existenzminimums wird im Verfahren der Einzelvollstreckung nicht allein durch die Pfändungsfreigrenzen des ZPO § 850c, sondern auch und gerade durch die Bestimmung des ZPO § 850f gewährt. Das spricht für eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung auch im INSOLVENZVERFAHREN. - 26 2. Sollmasse: Gegenstände, die rechtlich zur Masse gehören. Ist-Masse. Tatsächlicher Massebestand. Differenz zwischen den beiden Massearten, wenn zur Masse gehörende Gegenstände noch nicht zur Masse erfasst sind (z.B. bei Verschiebung durch Insolvenzschuldner) oder umgekehrt noch massefremde Gegenstände in der Masse befindlich sind. Änderung des Masseumfangs während des Verfahrens (neben Verwertung): Abwicklung von noch nicht erfüllten gegenseitigen Verträgen des Insolvenzschuldners (§§ 103 ff.); Aufrechnung von oder gegenüber Gläubigern des Insolvenzschuldners (§§ 94 ff.); Anfechtungen von Rechtshandlungen des Insolvenzschuldners (§§ 129 ff.); Erfüllung von Aus- und Absonderungsrechten und von Masseverbindlichkeiten. OLG Rostock, ZINSO 2000, 604 1. Der INSOLVENZVERWALTER ist berechtigt, zur Masse gehörende Vermögensgegenstände, aus deren Verwertung ein Ertrag nicht zu erwarten ist, mit der Folge freizugeben, daß die freigegebenen Gegenstände wieder INSOLVENZFREIES Vermögen des Gemeinschuldners werden. Dies gilt auch in der INSOLVENZ einer juristischen Person, da diese trotz der INSOLVENZBEDINGTEN Auflösung weiterhin als Träger von Vermögensrechten erhalten bleibt und die Vollabwicklung juristischer Personen in der INSOLVENZ nur ausnahmsweise vorgesehen ist. 2. Solange der Gesetzgeber die Zulässigkeit der Freigabe wertloser oder übersicherter Vermögensgegenstände durch den INSOLVENZVERWALTER anerkennt, bedarf eine diesen Grundsatz durchbrechende vorrangige Durchsetzung der Ansprüche aus dem SachenRBerG in der INSOLVENZ eines gesetzlichen Ausnahmetatbestands, welcher jedoch nicht existiert. 3. Aufrechnung im Insolvenzverfahren a. § 94: Regelung für die Fälle, in denen Aufrechnungslage bei Verfahrenseröffnung bereits bestand: Aufrechnungslage bleibt bestehen, Insolvenzgläubiger kann mit seiner Forderung (die ja eigentlich Insolvenzforderung ist) gegen eine Forderung der Masse aufrechnen. Nach Jauernig aaO § 50 ist rechtspolitische Legitimation für § 94 zweifelhaft, da Bestehen der Aufrechnungslage oft nicht vom Zutun des Gläubigers abhänge und hier in Wahrheit entgegen der Regelung des § 94 gar kein schutzwürdiges Vertrauen herrsche. - 27 - b. § 95 Abs. 1: (noch) keine Aufrechnung, wenn bei Verfahrenseröffnung Aufrechnungslage noch nicht bestand (ungleichartige Leistungen der Forderungen, Ausnahme § 95 Abs. 2 bei frei umtauschbaren Währungen, ferner bei bedingten und noch nicht fälligen Forderungen). Aufrechnung in den Fällen des § 95 Abs. 1 Satz 1 nach Auftreten der Aufrechnungslage noch möglich. Allerdings § 95 Abs. 1 Satz 3 beachten: War Hauptforderung (also die Forderung gegen den Insolvenzgläubiger, die dieser zur Masse zu erfüllen hat), bereits unbedingt und fällig, bevor während des Insolvenzverfahrens die Aufrechnungslage eintrat (hätte also der "Aufrechnende" bereits zuvor zur Masse leisten müssen), so ist Aufrechnung ausgeschlossen. Grund hierfür nach Jauernig aaO § 50: Es soll verhindert werden, das Insolvenzgläubiger so lange mit Erfüllung seiner Forderung wartet, bis er mit Gegenforderung aufrechnen kann. c. § 96: Ausschlussgründe für Aufrechnung im Insolvenzverfahren bei künstlich oder sogar in anfechtbarer Weise herbeigeführter Aufrechnungslage => In § 96 Übertragung des Grundgedankens von § 91 ins Aufrechnungsrecht: Verschärfungen und zeitliche Vorverlegungen des Gegenseitigkeitsverhältnisses (Nr. 1: ein Insolvenzgläubiger ist erst nach Verfahrenseröffnung etwas zur Masse schuldig geworden; Nr. 2: Erwerb der Gegenforderung, mit der aufgerechnet werden soll, erst nach Verfahrenseröffnung von einem anderen Gläubiger - damit sollen Forderungs-Verschiebungen verhindert werden, die zwischen den Gläubigern das Herbeiführen von Aufrechnungslagen bezwecken; Nr. 3: Erlangung der Möglichkeit der Aufrechnung erst durch anfechtbare Handlung; Nr. 4: Gläubiger schuldet selbst etwas zur Masse, Gegenforderung bezieht sich aber auf massefreies Vermögen des Insolvenzschuldners). 4. Abwicklung noch nicht erfüllter gegenseitiger Verträge des Insolvenzschuldners a. Beachten: Wurde Vertrag seitens des Gläubigers des Insolvenzschuldners bereits (voll) erfüllt, selbstredend nur bezüglich der vom (späteren) Insolvenzschuldner vor - 28 Verfahrenseröffnung nicht mehr erbrachten Gegenleistung nicht-bevorrechtigte Insolvenzforderung (nur Insolvenzquote, sofern für die Insolvenzgläubiger überhaupt nach der Befriedigung Masseverbindlichkeiten von etwas Ausübrig und bleibt). Absonderungsrechten Dagegen bei noch sowie von nicht vor Verfahrenseröffnung (voll) erfüllten Verträgen: Insolvenzverwalter kann Erfüllung verlangen, dann aber umgekehrt Erfüllung der Schuldner-Verbindlichkeit aus der Masse (§ 103 Abs. 1)! => Masseverbindlichkeit, § 55 Abs. 1 Nr. 2 (s.o.). Bei Ablehnung der Erfüllung durch Insolvenzverwalter: Forderung des Gläubigers wegen Nichterfüllung nur als Insolvenzforderung, erbrachte Teilleistungen verbleiben in der Masse (§ 105 Satz 2). Sonderregelung des § 107 für Kauf unter Eigentumsvorbehalt (siehe bereits oben unter „Aussonderungsberechtigte“, Vertiefung/Wiederholung hier: kein Ablehnungsrecht des Verwalters in Verkäuferinsolvenz, Käufer kann Erfüllung verlangen, § 107 Abs. 1 Satz1; in Käuferinsolvenz: Aussonderungsrecht des Verkäufers, sofern Verwalter nicht mehr zum Besitz berechtigt ist, s.o., insb. bei Ablehnung der Vertragserfüllung durch Insolvenzverwalter). Verträge über teilbare Leistungen (Dauerschuldverhältnisse!): § 105 Satz 1: nur Insolvenzforderung bezüglich der vom Insolvenzschuldner zu erbringenden Gegenleistung, selbst bei Erfüllungsverlangen des Verwalters bezüglich noch ausstehender Leistungen (Gegenforderung für diese noch zu erbringenden Leistungen ist dann allerdings natürlich Masseverbindlichkeit, § 55 Abs. 1 Nr. 2). Sonderregelung in § 104 für Fix- und Finanztermingeschäfte sowie in § 108 für Dauerschuldverhältnisse, insb. Miet- und Pachtverhältnisse über unbewegliche Gegenstände oder Räume sowie Dienstverhältnisse des Insolvenzschuldners (Fortbestand für die Insolvenzmasse). Bei Dienstverhältnissen Kündigungsmöglichkeit nach § 113 beachten; zwar Kündigungsschutzbestimmungen des Arbeitsrechts anwendbar, aber über §§ 125 ff. erleichterter Personalabbau möglich. Dienstbezüge des Insolvenzschuldners und deren etwaige Abtretung vor Verfahrenseröffnung: § 114. Erlöschen von Aufträgen und Vollmachten: §§ 115 ff. b. Theorienstreit über Einfluss der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Schicksal noch nicht erfüllter gegenseitiger Verträge! 1) „BGH neu“ (Rechtsprechung seit 1987): Durch Verfahrenseröffnung endgültige Umwandlung des Vertrages in Abwicklungsverhältnis. Lehnt Verwalter Erfüllung ab: nur deklaratorische Wirkung. Wählt Verwalter Erfüllung: - 29 Wiederaufleben der alten Forderungen ex nunc. 2) „BGH alt“ (Rechtsprechung bis 1987 sowie bis heute h.M. im Schrifttum): Erfüllungsanspruch des Gläubigers wird mit Verfahrenseröffnung zur Insolvenzforderung. Lehnt Verwalter Erfüllung ab: konstitutiv Umwandlung des Vertrages (die nach Gegenansicht bereits durch Verfahrenseröffnung eingetreten ist). Wählt Verwalter Erfüllung: Umwandlung der Insolvenzforderung in Masseschuld ex tunc, also mit altem Inhalt. c. Konsequenzen des Theorienstreits: 1) Nach “BGH neu” Einschränkung des Gläubiger- Aufrechnungsrechts bei Aufrechnung gegen den infolge von Erfüllungswahl des Verwalters umgewandelten (nach BGH völlig neu entstandenen) Erfüllungsanspruch: Aufrechnung nach § 96 Nr. 1 unzulässig, da Forderung gegen den Gläubiger nach BGH erst durch Erfüllungsverlangen des Verwalters entstanden. 2) Nach “BGH neu” werden Sicherungsabtretungen des schuldnerischen/- insolvenzschuldnerischen Anspruchs gegen den anderen Teil unwirksam: Mit Verfahrenseröffnung erlischt Forderung und damit auch Abtretung. Bei Erfüllungswahl lebt Abtretung nach BGH nicht wieder auf und kann wegen §§ 81, 91 nicht mehr wirksam vorgenommen/erworben werden. Abmilderung durch § 108 I 2 bezüglich abgetretener Leasingraten bei fremdfinanziertem Leasing. OLG Hamm, NZI 2000, 475 Die Kündigung des Anstellungsverhältnisses eines an der GmbH beteiligten Geschäftsführers (hier: Beteiligung als Gesellschafter zu 50%) durch den INSOLVENZVERWALTER richtet sich nach INSO § 113. d. Achtung: Ein Anspruch, der im Grundbuch durch Vormerkung gesichert ist, ist nach § 106 Satz 1 voll aus der Insolvenzmasse zu befriedigen! Vormerkung muss vor Verfahrenseröffnung eingetragen sein, danach aber noch Erwerb über § 878 BGB i.V.m. § 91 Abs. 2 InsO möglich, s.o. - 30 - 5. Insolvenzanfechtung a. Erfahrung lehrt, dass Schuldner "kurz vor Toresschluss" noch Vermögensgegenstände verschleudern oder aber an Verwandte/Freunde übertragen, um sie der Insolvenzmasse zu entziehen. Dem wirkt das Anfechtungsrecht der §§ 129 ff. entgegen. Betrifft Verfügungen vor Insolvenzverfahrens-Eröffnung, die somit wirksam sind, aber die Insolvenzmasse verringern und daher rückgängig gemacht werden sollen. b. Anfechtung durch Insolvenzverwalter, § 129 Abs. 1 (bei Eigenverwaltung durch Sachwalter, § 280, im Vereinfachten Verfahren ist jeder Insolvenzgläubiger zur Anfechtung berechtigt, § 313 Abs. 2 Satz 1. c. Heute h.M. (zum Theorienstreit im einzelnen Jauernig aaO § 51): Mit Vollendung des Anfechtungstatbestandes entsteht ein obligatorischer Rückgewähranspruch auf der Grundlage eines gesetzlichen Schuldverhältnisses. Nach BGH steht Anfechtungsanspruch nur dem Insolvenzverwalter zu. Folgeprobleme im Vereinfachten Verfahren (§ 313 Abs. 2 Satz 1, Anfechtung durch jeden Insolvenzgläubiger möglich) insb. prozessrechtlicher Natur => nach Jauernig aaO § 51 über notwendige Streitgenossenschaft analog § 856 ZPO zu lösen. d. Folge der Anfechtung: Rückgabe des Erlangten an Masse, umgekehrt bei erbrachter Gegenleistung des Anfechtungsgegners Rückgewähr aus Masse in natura, sofern nicht mehr in Masse vorhanden Umwandlung in Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 3. e. Beachten: Rückschlagsperre nach § 88 => Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens werden Sicherungen unwirksam, die durch Zwangsvollstreckung in die spätere - 31 Insolvenzmasse erlangt wurden, und zwar wenn die Sicherung im letzten Monat vor Verfahrenseröffnung erlangt wurde; insoweit Anfechtung entbehrlich. Anfechtbarkeit eines Rechtserwerbs nach Verfahrenseröffnung, der nach § 892 f. BGB wirksam ist (s.o.), § 147 Abs. 1. Fallbeispiel hierfür bei Jauernig aaO § 51. Gilt nur für Eintragungsantrag des redlichen Erwerbers nach Verfahrenseröffnung. Antrag vor Verfahrenseröffnung: § 878 BGB i.V.m. § 91 Abs. 2 InsO., ggf. Anfechtbarkeit zwar nicht über § 147 Abs. 1, wohl aber nach den allg. Vorschriften der §§ 129 ff. Stellt der künftige Insolvenzschuldner den Eintragungsantrag vor Verfahrenseröffnung, so ist nach dem Gesetz die Anfechtung ausgeschlossen, ein schlichtweg untragbarer Zustand. Nach Jauernig aaO § 51 hier Panne im Gesetzgebungsprozess, zu beheben durch berichtigende Auslegung von § 140 Abs. 2 (entscheidend ist wie bei § 878 BGB nur, dass überhaupt Eintragungsantrag gestellt wurde, gleich von wem). f. § 145 Abs. 1: War Anfechtung gegen Erblasser oder anderen Gesamtrechtsvorgänger begründet, so ist sie auch gegenüber Gesamtrechtsnachfolger begründet. Bei Einzelrechtsnachfolge Anfechtung nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 145 Abs. 2, wichtig hier insb. Nr. 2: Rechtsnachfolger ist nahestehende Person (§ 138), welche dann Unkenntnis von den anfechtungsbegründenden Umständen beweisen muss. g. Tatbestände der Anfechtbarkeit: 1) Vorsatzanfechtung bei Rechtshandlungen zur Gläubigerbenachteiligung innerhalb von 10 Jahren vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, § 133, wobei auch der Erwerber den Vorsatz des Schuldners zur Gläubigerbenachteiligung kennen musste, Beweislast Insolvenzverwalter, anders nur bei Anfechtung gegen nahestehende Person, § 133 Abs. 2 i.V.m. § 138. 2) Schenkungsanfechtung bei unentgeltlicher Leistung des Schuldners innerhalb von 4 Jahren vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, § 134. - 32 3) Besondere Insolvenzanfechtung (keine Parallele im AnfG, welches für die Anfechtung von Insolvenzverfahrens Rechtshandlungen gilt), in Form des von Schuldners außerhalb Kongruenzanfechtung, § des 130, Inkongruenzanfechtung, § 131, Unmittelbarkeitsanfechtung, § 132. 4) Kapitalerhaltende Anfechtung, §§ 135 f. BGH, NJW 2000, 1259 1. Wird der eingeklagte einheitliche Anspruch auf Rückgewähr von Vermögensgegenständen, die der - nicht am Verfahren beteiligte - Schuldner an den Beklagten verschoben haben soll, zugleich auf die Vorschriften über die Gläubigeranfechtung und andere Rechtsnormen (z.B. über unerlaubte Handlung) gestützt, so unterbricht die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Schuldners das Verfahren insgesamt; nimmt der Konkursverwalter dieses auf, so kann er den Rückgewähranspruch unter sämtlichen rechtlichen Gesichtspunkten geltend machen. 2a) Der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der angefochtenen Rechtshandlung und der Beeinträchtigung des Gläubigerzugriffs ist gegeben, wenn die Rechtshandlung im natürlichen Sinne eine Bedingung für die Gläubigerbenachteiligung darstellt. 2b) Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung setzt nicht voraus, daß der weitere Umstand, der zu der angefochtenen Rechtshandlung hinzutritt und erst mit dieser zusammen die Gläubigerbenachteiligung auslöst, seinerseits durch die angefochtene Rechtshandlung verursacht ist. BGH, MDR 1998, 426 Der Rechtsanwalt und Steuerberater eines (Gemein-)Schuldners ist in der Regel nicht eine diesem nahestehende Person im Sinne des Anfechtungsrechts ( § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO). Thüringer Oberlandesgericht, ZIP 2000, 1734 Es liegt eine inkongruente Deckung im Sinne der INSOLVENZORDNUNG vor, wenn der Schuldner zur Abwendung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen auf eine fällige Forderung zahlt. OLG Köln, ZINSO 2000, 156 1. Hat sich die Gemeinschuldnerin zur Sicherung einer Schuld ihrer Muttergesellschaft mitverpflichtet, stellt dies regelmäßig eine unentgeltliche Verfügung iSv INSO § 134 Abs 1 dar, wenn sie nicht aufgrund einer entgeltlich begründeten Verpflichtung zur Bestellung der Sicherheit verpflichtet war. 2. Die aus einem Beherrschungsvertrag herrührende Verpflichtung der Muttergesellschaft zum Ausgleich von Verlusten ist kein wirtschaftliches Äquivalent, wenn die Schuldnerin im Zeitpunkt der Mitverpflichtung ihre geschäftliche Tätigkeit bereits eingestellt hat. Aufgrund der Geschäftseinstellung muß die Muttergesellschaft nicht ernsthaft mit der Erwirtschaftung von Verlusten rechnen. - 33 - IV. Das Insolvenzverfahren 1. Eröffnung a. Beginnt stets mit Eröffnungsantrag, § 13 Abs. 1 Satz 1. Abweisung des Antrags, § 26 Abs. 1, wenn Antrag zwar zulässig und begründet, Schuldnervermögen aber nicht Verfahrenskosten (§ 54) deckt und auch kein ausreichender Betrag vorgeschossen wird. Sind Kosten gedeckt => Verfahrenseröffnung (sofern nicht Schuldenbereinigungsplan nach § 306), gleichzeitig Ernennung von Insolvenzverwalter (außer bei Eigenverwaltung, § 270, oder in Vereinfachtem Verfahren, § 313 Abs. 1 Satz 1). Einstellung des Verfahrens mangels Masse nach § 207, wenn sich im weiteren Verfahren herausstellt, dass Kosten doch nicht gedeckt. Einstellung wegen Masseunzulänglichkeit („Insolvenz in der Insolvenz“, s.o.) nach § 208, wenn sich im weiteren Verfahren herausstellt, dass zwar Verfahrenskosten gedeckt, dass aber Masseverbindlichkeiten nicht befriedigt werden können. In den übrigen Fällen: Verwertung des Schuldnervermögens und (anteilige) Verteilung an Insolvenzgläubiger. Verwertung eines Unternehmens: Stillegung oder Übertragung auf anderen Rechtsträger (übertragende Sanierung), auch auf Grundlage von Insolvenzplan. Ist Schuldner natürliche Person: im Anschluss an Insolvenzverfahren auf Antrag des Schuldners Verfahren zur Restschuldbefreiung (§§ 286 f.) mit Zielrichtung „Befreiung von denjenigen Schulden, die im Insolvenzverfahren nicht erfüllt wurden und nach Ablauf einer Wohlverhaltensphase noch übrig geblieben sind“. OLG Köln, ZIP 2000, 2031 1. Beantragt der Schuldner die Durchführung des INSOLVENZVERFAHRENS in einer bestimmten, für ihn aber nicht zutreffenden Verfahrensart - als Regel- statt als VERBRAUCHERINSOLVENZVERFAHREN oder umgekehrt - und stellt er seinen Antrag auch nach einem Hinweis des INSOLVENZGERICHTS auf die zutreffende Verfahrensart nicht um, so ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen. 2. Die auf die Wahl einer unzutreffenden Verfahrensart gestützte Ablehnung seines INSOLVENZANTRAGES kann der Schuldner mit der Beschwerde anfechten. Wird auf den Antrag eines Gläubigers das REGELINSOLVENZVERFAHREN eröffnet, so kann der Schuldner seine Auffassung, das Verfahren sei als VERBRAUCHERINSOLVENZVERFAHREN durchzuführen, mit der Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss geltend machen. 3. Auch im INSOLVENZVERFAHREN kann über einen Hilfsantrag nicht vor der Entscheidung über den Hauptantrag befunden werden. - 34 b. Antragsberechtigt bezüglich Eröffnungsantrag: Schuldner und jeder Gläubiger (§ 13 Abs. 1 Satz 2). Zur Antragsrechterweiterung und zur Antragsverpflichtung im Gesellschaftsrecht siehe Jauernig aaO § 54. c. Eröffnungsgrund (§§ 16 ff.): Zahlungsunfähigkeit und nach § 18 auch drohende Zahlungsunfähigkeit; Überschuldung bei juristischen Personen und nichtrechtsfähigen Vereinen (§ 19 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Satz 2), ferner bei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit - § 11 Abs. 2 Nr. 2 -, bei denen keiner der persönlich haftenden Gesellschafter eine natürliche Person ist (GmbH & Co. KG!) – Begriff der Überschuldung: wenn Passiva die Aktiva übersteigen, nach § 19 Abs. 2 auch bei günstiger Zukunftsprognose. Antrag des Schuldners auf Verfahrenseröffnung immer zulässig, Antrag eines Gläubigers nur bei rechtlichem Interesse an Verfahrenseröffnung sowie bei Glaubhaftmachung eines Eröffnungsgrundes, § 14 Abs. 1. d. Sicherungsmaßnahmen während Eröffnungsverfahrens: alle Maßnahmen des Insolvenzgerichts zulässig, die nachteilige Veränderung der Vermögenslage des Schuldners verhindern (§ 21 Abs. 1). Beispielhafte Aufzählung in § 21 Abs. 2: Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, Anordnung eines allg. Verfügungsverbots. e. Entscheidung über Eröffnungsantrag: Richter durch Beschluss (§ 5 Abs. 2 InsO i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG). Inhalt des Eröffnungsbeschlusses: §§ 27 f. Verfahren ist mit Unterschrift des Richters unter Eröffnungsbeschluss eröffnet, Eröffnungsstunde ist möglichst genau anzugeben, § 27 Abs. 3. Gegen Eröffnungsbeschluss Möglichkeit der sofortigen Beschwerde durch Insolvenzschuldner (§ 34 Abs. 2) – aber keine formelle Beschwer, wenn Schuldner Verfahrenseröffnung selbst beantragt hat. Nach Jauernig aaO § 55 neuere Ansicht, wonach materielle Beschwer ausreiche, mit § 212 unvereinbar. - 35 2. Erfassung und Verwertung der Insolvenzmasse a. Sache des Insolvenzverwalters (s.o.). BGH, ZIP 2001, 296 Dem vorläufigen INSOLVENZVERWALTER obliegt es regelmäßig nicht, Schuldnervermögen iSd INSO §§ 159, 165ff zu verwerten. b. Im Berichtstermin (= erste Gläubigerversammlung, § 29 Abs. 1) muss Verwalter über wirtschaftliche Lage des Insolvenzschuldners und über Insolvenzursachen berichten. Bei betroffenen Unternehmen: Darlegung, ob Sanierung oder Insolvenzplan möglich ist . Danach Beschluss der Gläubigerversammlung über diese Punkte. c. Unverzüglich danach Beginn der Verwertung der Masse, soweit nicht Beschlüsse der Gläubigerversammlung entgegenstehen, § 159. Verwertung nur in Ausnahmefällen durch Zwangsvollstreckung, sondern durch freihändige Veräußerung. 3. Feststellung der Schuldenmasse a. Besonderes Feststellungsverfahren zur Anmeldung, Prüfung, Erörterung (bei Bestreiten einzelner Forderungen) und Feststellung der Insolvenzforderungen; letzteres im Feststellungsverfahren oder in einem streitigen Zivilprozess. b. Anmeldung: durch nicht-nachrangige Gläubiger (§ 39, s.o.) und absonderungsberechtigte Gläubiger, sofern durch das Absonderungsrecht eine Forderung gegen den Insolvenzschuldner gesichert ist. § 94: nicht anzumelden sind Forderungen der aufrechnungsberechtigten Gläubiger, soweit sie sich durch Aufrechnung befriedigen können. Anmeldung hat innerhalb bestimmter Frist zu erfolgen, welche wiederum im Eröffnungsbeschluss festgesetzt ist (§ 28 Abs. 1). Nachträgliche Anmeldungen möglich, - 36 aber regelmäßig mit Kosten verbunden (§ 177 Abs. 1 Satz 2 und 3), ferner Möglichkeit, bei Verteilung zu kurz zu kommen (§ 189). Anmeldung schriftlich beim Insolvenzverwalter (Nennung von Grund und Betrag der Forderung, Urkunden über die Forderung sollen in Kopie beigefügt werden (siehe § 174). Durch Anmeldung der Forderung keine Rechtshängigkeit der Forderung, wohl aber Unterbrechung der Verjährung (§ 209 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 214 BGB). Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, ZINSO 2000, 349 1. Auch Inhaber öffentlich-rechtlicher Forderungen, die im Verwaltungsvollstreckungsverfahren beigetrieben werden können, wie zB das Finanzamt, müssen ihre Forderungen im INSOLVENZERÖFFNUNGSVERFAHREN substantiiert darlegen. 2. Dazu muß das Finanzamt nicht unbedingt die entsprechenden Steuerbescheide vorlegen, sondern die Substantiierung kann auch auf jede andere Weise erfolgen. Es reicht aus, wenn die Forderungen identifizierbar und im Rahmen des Eröffnungsverfahrens als quasi streitiges Verfahren einlassungsfähig sind, damit sich das Gericht von der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Bestandes der Forderung überzeugen kann. c. Eintragung in Insolvenztabelle: ohne inhaltliche Prüfung durch Verwalter. d. Prüfungstermin: § 176, innerhalb Gläubigerversammlung. Keine sachliche Prüfung der angemeldeten Forderungen nach Betrag und Rang, sondern nur Prüfung, von wem welche Forderung bestritten wird. Eintragung dieses Prüfungsergebnisses durch Insolvenzgericht in Insolvenztabelle, § 178; nur beurkundende Funktion des Insolvenzgerichts, Entscheidung über Bestehen von Forderung ggf. in streitigem Zivilprozess. Forderung gilt als festgestellt, § 178 Abs. 1 Satz 1, wenn weder der Insolvenzverwalter noch ein Insolvenzgläubiger widersprechen. Dadurch endgültige Wandlung einer geldwerten Forderung in eine Geldforderung. Eintragung festgestellter Forderungen rechtskräftiges wirkt gegenüber Urteil, § 178 Verwalter und Abs. Erstreckung 3. allen Insolvenzgläubigern der Rechtskraft wie gegen Insolvenzschuldner, wenn dieser der Forderung nicht widersprochen hat, § 201 Abs. 2 => nach Ende des Insolvenzverfahrens Zwangsvollstreckung aus der Insolvenztabelle ohne zusätzliches zivilprozessuales Erkenntnisverfahren. Verhinderung dieser Wirkung nur durch Widerspruch des Insolvenzschuldners, der allerdings schon während des - 37 Insolvenzverfahrens beseitigt werden kann (§ 184, § 201 Abs. 2 Satz 2). Widerspruch hat aber ggf. nur Auswirkungen auf die Rechtskraftwirkung der Insolvenztabelle, nicht aber auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle selbst (§ 178 Abs. 1 Satz 2atz 2). Bei Widerspruch durch Verwalter oder Insolvenzgläubiger: Widerspruch muss in streitigem Zivilprozess beseitigt werden, nicht in Insolvenzverfahren (§ 178 Abs. 1 Satz 2). 4. Feststellungsprozess a. Praktisch wichtiges Beispiel einer Feststellungsklage i.S.v. § 256 ZPO. Bei titulierten Forderungen (es liegt z.Z.t. der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits ein Vollstreckungstitel vor): Bestreitender muss als Kläger aktiv werden. Bei nicht titulierten Forderungen: Forderungsinhaber muss aktiv werden, § 189 I. Bei titulierten Forderungen nur diejenigen prozessualen Mittel, die nach Lage des Verfahrens überhaupt noch möglich sind, z.B. Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) oder Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 578 ZPO). Zuständig: Prozessgericht, aber nicht Zuständigkeitsvorschriften der ZPO, sondern § 185 InsO. Bleibt Bestreitender untätig: Inhaber der bestrittenen Forderung kann ohne Weiteres Befriedigung verlangen (§ 189). Nicht titulierte Forderungen: Wird Inhaber der bestrittenen Forderung nicht gerichtlich aktiv, so ist er vom weiteren Insolvenzverfahren ausgeschlossen (§ 189 Abs. 3). b. Rechtsweg richtet sich nach Art der in Streit stehenden Forderung (siehe insb. § 13 GVG; §§ 2 f. ArbGG; § 40 VwGO). 5. Verteilungsverfahren i.d.R. bereits dann, wenn so viel an Barmitteln verfügbar ist, dass sich Verteilung lohnt => Gesetz kennt Abschlags-, Schluss- und Nachtragsverteilung. Erst zulässig nach allgemeinem - 38 Prüfungstermin, § 187 Abs. 1. Grundlage: Verteilungsverzeichnis, in welches sämtliche bei der Verteilung zu berücksichtigenden Forderungen aufzunehmen sind, § 188 Satz 1. Für streitbefangene Forderungen u.ä. (Einzelheiten siehe Jauernig aaO § 57) werden die entsprechenden Beträge zunächst zurückbehalten. Schlussverteilung bereits nach Verwertung aller Massegegenstände, nicht also nach rechtskräftigem Abschluss aller Feststellungsprozesse, wobei wiederum Beträge insoweit zunächst zurückbehalten werden. Vorherige Zustimmung des Insolvenzgerichts nötig, § 196 Abs. 2. 6. Beendigung des Insolvenzverfahrens a. Aufhebung des Verfahrens Durch Gerichtsbeschluss nach Schlussverteilung, § 200 Abs. 1.Öffentliche Bekanntmachung von Beschluss und Aufhebungsgrund, § 200 Abs. 2 Satz 1, Löschung des grundbuchrechtlichen Insolvenzvermerks, § 200 Abs. 2 Satz 3. Mit Wirksamwerden des Beschlusses enden Wirkungen der Verfahrenseröffnung ex tunc, insb. erhält ehemaliger Insolvenzschuldner wieder Verwaltungs- und Verfügungsrecht über sein Vermögen, was aber in aller Regel völlig bedeutungslos ist, da ja sowieso nach der Verwertung kein Vermögen mehr da ist (sonst wäre es ja gar nicht dazu gekommen, dass seinerzeit ein Eröffnungsgrund, s.o., vorgelegen hätte.). Die im Insolvenzverfahren nicht befriedigten Forderungen bleiben nach Verfahrensbeendigung bestehen und können nunmehr wieder im Wege der Einzelzwangsvollstreckung geltend gemacht werden (Ausnahme: Restschuldbefreiung). b. Einstellung des Verfahrens Am wichtigsten in Praxis Einstellung mangels Masse, § 207 Abs. 1 Satz 1. Daneben: Masseunzulänglichkeit („Insolvenz in der Insolvenz“); § 208 Abs. 1; Wegfall des Insolvenzgrundes, § 212. - 39 - V. Der Insolvenzplan 1. Größte Hoffnung des Gesetzgebers im Hinblick auf flexiblere und damit ergiebigere Gestaltung des Insolvenzverfahrens. Hat sich in der Praxis nicht erfüllt (Insolvenzplan nur in 2% aller Insolvenzfälle). Geregelt in §§ 217 ff. Insolvenzplan tritt weitgehend an die Stelle des vormals in der Vergleichsordnung (VglO) geregelten Vergleichs, der in der Praxis genauso wenig bewirkt hatte wie nunmehr der Insolvenzplan. 2. Soll anders als Regelinsolvenzverfahren nicht primär zur Liquidierung eines Unternehmens, sondern zu dessen Erhaltung/Sanierung führen (naive Wunschvorstellung). Wegen besonderer Flexibilisierung richtigerweise am besten geeignet in grenzüberschreitenden Insolvenzfahren, um Abstimmung mit ausländischen Gerichten/Behörden flexibel durchführen zu können. 3. Beginn des Insolvenzplanverfahrens durch Vorlage von Insolvenzplan durch Insolvenzverwalter oder Insolvenzschuldner an das Insolvenzgericht, § 218 Abs. 1. Bei offensichtlicher Chancenlosigkeit oder unbehebbaren Verfahrensmängeln Zurückweisung durch Gericht (§ 231), ansonsten Bestimmung eines Erörterungs- und Abstimmungstermins. Zur Annahme des Plans wie früher unter dem Regime der VglO Kopf- und Summenmehrheit erforderlich, § 244. Bei Annahme Bestätigung durch Gericht, § 248, damit treten die durch den Plan bewirkten Rechtsänderungen für und gegen alle Beteiligten ein. Bei Verfügungen keine Ersetzung der ggf. noch zu bewirkenden Teile der Verfügung (z.B. Eintragungen ins Grundbuch; Besitzverschaffung bei Pfandrechtsbestellung), aber Wahrung einer für Willenserklärungen vorgeschriebenen Form durch Aufnahme in den Plan, § 254 Abs. 1 Satz 2. Haftung von Mitschuldnern und Bürgen des Insolvenzschuldners wird durch Insolvenzplan nicht beeinträchtigt, sondern bleibt im vollen Umfang bestehen (§ 254 Abs. 2 Satz 1). Rechtskräftig bestellter Insolvenzplan ist Vollstreckungstitel für diejenigen Insolvenzgläubiger, deren Forderung festgestellt und vom Insolvenzschuldner nicht bestritten worden sind bzw. wenn ein Widerspruch beseitigt wurde (s.o.). - 40 - VI. Besondere Verfahrensgestaltungen 1. Eigenverwaltung § 270 Abs. 1 Satz 1: Insolvenzschuldner behält Recht zur Verwaltung und Verfügung => keine Bestellung eines Insolvenzverwalters, sondern nur eines Sachwalters. Spielt insg. in Praxis keine nennenswerte Rolle. 2. Verbraucherinsolvenzverfahren und sonstige Kleinverfahren §§ 304 – 314. Zwingend vorgeschrieben für Insolvenz natürlicher Personen, die höchstens eine geringfügige selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, § 304 Abs. 1. Zum Verfahren und zur berechtigten rechtspolitischen Kritik am Verbraucherinsolvenzverfahren, welches im Ergebnis auf Restschuldbefreiung zum Nulltarif gerichtet ist: Jauernig aaO § 65, dort allerdings Äußerung der Vermutung, dass Restschuldbefreiung angesichts der langen Verfahrensdauer für Schuldner entgegen dem ersten Anschein gar nicht attraktiv ist, da zahlungsunfähige natürliche Personen bereits dem Schuldnerschutz des allgemeinen Zwangsvollstreckungsrechts unterliegen. OLG Celle, ZIP 2000, 2315 Für einen freiberuflich tätigen Schuldner, der seinen gesamten Umsatz durch eigene Arbeitsleistung erwirtschaftet (hier: niedergelassener Chirurg), ist bei einem Jahresgesamtumsatz von 400.000 DM keine geringfügige selbständige wirtschaftliche Tätigkeit iSd INSO § 304 Abs 1 anzunehmen. Vielmehr liegt eine wirtschaftliche Tätigkeit von einem solchen Gewicht vor, daß die Durchführung eines REGELINSOLVENZVERFAHRENS angezeigt ist. Thüringer Oberlandesgericht, InVo 2000 Für die Abgrenzung zwischen REGELINSOLVENZVERFAHREN und VERBRAUCHERINSOLVENZVERFAHREN ist auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners im Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. Unerheblich ist demgegenüber, ob seine Schulden (noch) aus einer Zeit stammen, in der er nicht nur geringfügig selbständig wirtschaftlich tätig gewesen ist. - 41 OLG Köln, ZIP 2000, 1628 1. Die Stellung eines eigenen Antrags auf Eröffnung des INSOLVENZVERFAHRENS durch den Schuldner ist im VERBRAUCHERINSOLVENZVERFAHREN Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Antrag auf Erteilung von Restschuldbefreiung; es genügt nicht, dass ein Gläubiger den INSOLVENZANTRAG gestellt hat. 2. Die Entscheidung über einen unzulässigen Restschuldbefreiungsantrag kann bereits vor dem Schlusstermin ergehen. OLG Köln, ZIP 2000, 548 Die Abweisung des Eröffnungsantrages mangels Masse gemäß INSO § 26 Abs 1 ist auch im vereinfachten INSOLVENZVERFAHREN uneingeschränkt anwendbar. Der Eröffnungsantrag ist folglich zwingend abzuweisen, wenn kein zur Kostendeckung ausreichender Betrag vorgeschossen wird. OLG Frankfurt, NZI 2000, 219 Zur Abgrenzung des REGELINSOLVENZVERFAHRENS vom VERBRAUCHERINSOLVENZVERFAHREN ist hinsichtlich der geringfügigen wirtschaftlichen Betätigung des Schuldners iSv INSO § 304 nicht auf die Verhältnisse des Schuldners in der Vergangenheit, sondern auf die Verhältnisse im laufenden INSOLVENZVERFAHREN abzustellen. 3. Restschuldbefreiung a. Ausdrücklich in § 1 Satz 2 als weiteres Ziel neben Gläubigerbefriedigung genannt. § 301 Abs. 3: Forderungen, die im Insolvenzverfahren und anschließender Wohlverhaltensperiode nicht erfüllt wurden, können nicht mehr zwangsweise durchgesetzt werden. Gilt nur für natürliche Personen als Insolvenzschuldner. Notwendigerweise zunächst Insolvenzverfahren vorausgehend, welches eröffnet sein muss und nicht mangels Masse wieder eingestellt worden sein darf Antrag des (Masseunzulänglichkeit, s.o., schadet dagegen nichts). b. Verfahren der Restschuldbefreiung beginnt mit entsprechendem Insolvenzschuldners, § 287, spätestens im Berichtstermin, § 156. Nach Rechtskraft des Beschlusses Aufhebung des Verfahrens oder Einstellung wegen Masseunzulänglichkeit (nochmals: nicht mangels Masse, dann ist Restschuldbefreiung gescheitert). Daran - 42 anschließend: 7 – jährige Wohlverhaltensperiode, innerhalb welcher sämtliche pfändbaren an einen vom Gericht bestellten Treuhänder fließen, welcher wiederum das Geld an die Insolvenzgläubiger verteilt, § 292 Abs. 1 Satz 2. Danach Befreiung von den bis dahin nicht erfüllten Verbindlichkeiten. In eng begrenzten Fällen Widerrufsmöglichkeit nach § 303. Während Wohlverhaltensperiode Obliegenheiten nach § 295, insb. Verpflichtung des Insolvenzschuldners zu angemessener und zumutbarer Erwerbstätigkeit. Bei Verletzung von Obliegenheiten: Möglichkeit der Versagung der Restschuldbefreiung, § 296. c. Herzstück des Verfahrens auf Restschuldbefreiung: der vom Schuldner vorzulegende Schuldenbereinigungsplan, § 305 Abs. 1 Nr. 5. Streitig, ob auch „Null-Plan“ (bei Schuldnern äußerst beliebt, eine Unverschämtheit) den Anforderungen an einen Schuldenbereinigungsplan genügt. OLG Frankfurt, NZI 2000, 473 1. Die Vorlage eines Schuldenbereinigungsplanes, der keine (sog Nullplan) bzw nur sehr geringfügige Zahlungen an die Gläubiger vorsieht, schließt die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung widersprechender Gläubiger nach INSO § 309 nicht aus. 2. Das Gesetz verlangt grundsätzlich nicht die Aufnahme von Anpassungsklauseln in den Schuldenbereinigungsplan. Ist aber eine nicht unwesentliche Änderungen in den Einkommensverhältnissen des Schuldners konkret absehbar, darf die Zustimmung eines Gläubigers zu einem Schuldenbereinigungsplan, der diesen Umstand nicht berücksichtigt, nicht ersetzt werden. OLG Köln, NJW-RR 2001, 266 1. Die Zustellung des Schuldenbereinigungsplans mit den nach INSO § 307 Abs 1 S 1 erforderlichen Unterlagen kann im Schuldenbereinigungsplanverfahren auch wirksam an ein Inkassounternehmen vorgenommen werden, sofern der Schuldner dieses Unternehmen entweder als Vertreter des Gläubigers oder nur das Inkassounternehmen benannt hat. 2. Ist dieses Unternehmen anwaltlich vertreten, kann es auch wirksam eine Stellungnahme zu den übersandten Unterlagen abgeben. 3. Kommt eine gerichtliche Ersetzung von Gläubigerzustimmungen zum Schuldenbereinigungsplan in Betracht, ist bei der Bestimmung der Kopfmehrheiten ein einzelner Gläubiger unabhängig von der Anzahl und der Höhe seiner Einzelforderungen nur mit einer Stimme zu berücksichtigen. Dagegen hat der Vertreter mehrerer Gläubiger so viele Stimmen wie er Gläubiger vertritt. Der Vertreter kann für die einzelnen Vertretenen unterschiedlich abstimmen, im Unterschied zu einem Gläubiger mit mehreren Forderungen, der einheitlich, dh nur mit einer Stimme, abstimmen muß. - 43 4. Von daher stehen auch einem Inkassounternehmen, das auf der Grundlage mehrerer Inkassovollmachten oder Einziehungsermächtigungen tätig wird, so viele Stimmen zu, wie es in dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren unterschiedliche Gläubiger wirksam vertritt. OLG Celle, ZINSO 2000, 667 1. Die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners gegen die Ablehnung der Restschuldbefreiung ist zuzulassen, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts keine subsumtionsfähige Sachverhaltsdarstellung enthält. Auf die sofortige weitere Beschwerde ist die Beschwerdeentscheidung aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. 2. Allein das Fehlen einer subsumtionsfähigen Sachverhaltsdarstellung stellt eine Gesetzesverletzung iSd INSO § 7 Abs 1 dar (Anschluß OLG Köln, 14. Juni 2000, 2 W 85/00, ZINSO 2000, 393 und BayObLG München, 24. Mai 2000, 4Z BR 11/00, NZI 2000, 434), die zur Zurückverweisung der Sache zwingt, da das Rechtsbeschwerdegericht nur dasjenige Vorbringen zu beurteilen hat, das sich aus dem Sachverhalt der angefochtenen Entscheidung entnehmen läßt (ZPO § 561 Abs 1 S 1 iVm INSO § 7 Abs 1 S 2) und ferner gemäß INSO § 7 Abs 1 S 2 iVm ZPO § 561 Abs 2 an die tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts gebunden ist. Aufgrund der entsprechenden Anwendung der Revisionsvorschriften und der engen Anlehnung des Rechtsbeschwerdeverfahrens des INSO § 7 Abs 1 an die weitere Beschwerde gemäß FGG § 27 ist das Rechtsbeschwerdegericht nicht befugt, den Sachverhalt, von dem das Landgericht ausgegangen ist, aus den Akten zu ermitteln und ihn seiner rechtlichen Prüfung zu Grunde zu legen. Zulässig ist allenfalls eine Bezugnahme auf bestimmte Teile der Akten, die jedoch eine Sachverhaltsdarstellung ebenfalls nicht vollständig ersetzen kann. OLG Celle, NZI 2001, 27 1. Im Rahmen des INSO § 307 Abs 1 bedarf die Ablehnung der Zustimmung zum Schuldenbereinigungsplan des Schuldners keiner Begründung; zu begründen und glaubhaft zu machen sind nur die Einwendungen des Gläubigers gegen die Zustimmungsersetzung nach INSO § 309. 2. Zu einem Zustimmungsersetzungsverfahren nach INSO § 309 kann es nicht kommen, wenn schon mehr als die Hälfte der Gläubiger nach Köpfen oder Summen dem Plan in der Stellungnahme nach INSO § 307 widersprochen haben. 4. Nachlassinsolvenzverfahren und verwandte Verfahren §§ 315 ff. Ziel: Absonderung des Nachlasses vom Eigenvermögen des Erben, um Haftung der Erben für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass zu beschränken (§ 1975 BGB). OLG Köln, ZIP 2000, 627 - 44 Wer geltend macht, den Nachlaß durch Erbschaftskauf oder ein ähnliches Rechtsgeschäft von dem Erben erworben zu haben, ist nur dann berechtigt, die Eröffnung des INSOLVENZVERFAHRENS über den Nachlaß zu beantragen, wenn das Rechtsgeschäft mit dem Erben wirksam ist, wenn also insbesondere die Form des BGB § 2371 gewahrt ist. 5. Internationale Insolvenzverfahren (Verfahren mit Auslandsbezug) a. Das Recht des Staates, in welchem Insolvenzverfahren durchgeführt wird, entscheidet zunächst darüber, ob Verfahren sich auf Vermögen im jeweiligen Land beschränken soll (Territorialitätsprinzip) oder sich auch auf Vermögen in anderen Ländern erstrecken soll (Universalitätsprinzip). Das Recht der betroffenen Staaten entscheidet im Falle eines vom ausländischen Recht angewandten Universalitätsprinzips darüber, ob das ausländische Verfahren und seine Wirkungen im Inland anerkannt werden. b. Nach deutschem Recht Geltung des Universalitätsprinzips incl. Erstreckung des Verfügungsverbots auch auf Rechtshandlungen nach ausländischem Recht; umgekehrt gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 dem Grundsatz nach Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren. Gleichwohl aber dann im Inland Sonderinsolvenzverfahren über inländisches Vermögen möglich, § 102 Abs. 3 Satz 1. c. Nunmehr EU-weit Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über das Insolvenzverfahren vom 29.05.2000, ABl. Nr. L 160 vom 30.06.2000. Gilt nach Inkrafttreten (31.05.2002) unmittelbar in allen Mitgliedstaaten (Art. 47).