Lohnzuwächse jetzt! - Fachbereich Verkehr
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Lohnzuwächse jetzt! - Fachbereich Verkehr
Magazin des erkehr wir bewegen was Zurückhaltung war gestern – Lohnzuwächse jetzt! Titelthema Seiten 4 bis 5 Fachbereichs Verkehr 1/2008 ver.di re p o r t | MELDUNGEN Abfertigungsgesellschaft GlobeGround in Berlin verkauft Personalien: Verstärkung für den Fachbereich Drei Kolleginnen verstärken seit Anfang 2008 die Kompetenz im ver.diBundesfachbereich. Sie bringen Wissen und Erfahrung an wichtigen Stellen ein, die zum Teil seit längerem nicht besetzt waren: Susanne Senica betreut seit Januar die Fachbereichsjugend und ist Ansprechpartnerin für die Europa-Politik. Internationales ist für die Juristin, die sich auf Arbeits- und Unternehmensrecht spezialisiert hat, nicht Neues. Bevor sie das Fachgebiet Bund/Länder beim ver.di-Bezirk Berlin betreute, war sie für die europäische Branchenund Ordnungspolitik zuständig – damals allerdings für das Ressort Postdienste, Speditionen und Logistik. Nun kümmert sie sich wieder um Europapolitik. Neben Verkehrsthe- Susanne Senica men beschäftigt sie besonders die eigentumsrechtliche Entflechtung der Energieversorger. Insgesamt wird es darum gehen, „die Folgen für die Beschäftigten sozial abzufedern“, meint die Gewerkschaftssekretärin. In der Jugendarbeit will sie sich vor allem für die Übernahme von Azubis engagieren. Seit März ist Kora Siebert als Koordinatorin der Fachbereiche Ver- und Entsorgung sowie Verkehr tätig. Bekanntlich stehen beide Fachbereiche seit dem ver.di-Kongress im Herbst 2007 unter der gemeinsamen Leitung von Erhard Ott. Kora Siebert soll dazu beitragen, dass Synergieeffekte zwischen beiden Fachbereichen stärker zum Tragen kommen. Sie hat auch die konzeptionelle und organisatorische Koordination des Verkehrsmagazins übernommen. Kora Siebert arbeitet seit Mitte der 1980er Jahre hauptamtlich bei Gewerkschaften, zunächst bei der Postgewerkschaft, dann bei der ÖTV. Seit Kora Siebert ver.di-Gründung hat sie sich um die betriebliche Altersvorsorge der ver.di-Beschäftigten gekümmert. Heidi Riedel-Ciesla arbeitet seit März als Fachgruppenleiterin Luftverkehr. Dieses Aufgabengebiet ist inhaltlich nicht neu für sie, da sie bisher schon für die Bundesfachgruppe Luftverkehr tätig war. Heidi Riedel-Ciesla kann auf eine über 20-jährige hauptamtliche Gewerkschaftsarbeit in verschiedenen Ebenen und Funktionen zurückblicken. So war sie Betreuungssekretärin, Tarifsekretärin, stellv. Bezirksleiterin der ÖTV Hessen und Personalleiterin bei ver.di Hessen. „Die Turbulenzen im Luft- Heidi Riedel-Ciesla verkehr sind eine große Herausforderung. Ich nehme sie an und bin entschlossen, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen mehr für die Beschäftigten zu erreichen“, so Heidi Riedel-Ciesla in ihrer neuen Funktion. ❏ Fotos: FB Drei Kolleginnen in neuen Funktionen Auch ein letzter Protest auf einer zeitgleichen Betriebsversammlung änderte nichts: Gegen den Willen der Beschäftigten, von ver.di und den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat hat die Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH (FBS) am 11. April 2008 die Abfertigungsgesellschaft GlobeGround Berlin (GGB) an den Gebäudedienstleister WISAG zum „Schnäppchenpreis“ von 7,7 Millionen Euro verkauft. Die FBS nimmt als Hauptanteilseigener gerade mal 3,9 Millionen ein. ver.di kritisiert den Verkauf nicht nur als wirtschaftliche Fehlentscheidung – GlobeGround schloss das Jahr 2007 mit einem 2,1Mio-Gewinn ab – sondern auch als verkehrs- und arbeitsmarktpolitisch unsinnig. Er habe zudem zur Demontage der paritätischen Unternehmensmitbestimmung im Flughafenkonzern geführt. Die Beschäftigten hatten mit zwei Sanierungstarifverträgen in den letzten drei Jahren wesentlich zur Konsolidierung der Firma beigetragen, die wettbewerbsfähig als flughafeneigener Bodenverkehrsdienstleister in eine Zukunft am neuen Flughafen Berlin-Brandenburg International (BBI) hätte durchstarten können. Nun drohen vielmehr Arbeitsplatzabbau und Lohndumping. ver.di Berlin-Brandenburg weist darauf hin, dass alle Mitglieder einen Rechtsanspruch auf die vorher gültigen Tarifverträge besitzen. Die Gewerkschaft will erreichen, dass Zusagen der bisherigen Geschäftsführung bis 2012 eingehalten werden und dass die WISAG ihre Pläne für GGB offenlegt. ❏ ver.di fordert 9,8 Prozent für alle Mitglieder beim Lufthansa-Konzern Einstimmig hat die Konzerntarifkommission Lufthansa Ende April ihre Forderung für die am 4. Juni 2008 beginnende Tarifrunde im Lufthansa-Konzern beschlossen. Kernpunkte der ver.di-Forderung sind eine linearere Gehaltserhöhung um 9,8 Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten sowie eine Weiter- 2 1/2008 | VERKEHR entwicklung des Gewinnbeteiligungsmodells. Diese von der Konzerntarifkommission formulierte Forderung beruht neben einer gesamtwirtschaftlichen und konzernspezifischen Bewertung der Daten und Fakten auch auf der Auswertung der Stimmung an der Basis. Die Beteiligung der ver.di-Mitglieder am Mei- nungsbildungsprozess war außergewöhnlich rege. Lufthansa hatte das historisch beste Konzernergebnis von 2006 im Jahr 2007 noch einmal steigern können. Die Auswertung der Geschäftsergebnisse des ersten Quartals 2008 bestätigt einen weiteren Steigflug der größten deutschen Airline. ver.di re p o r t | KOMMENTAR Tarifrunde 2008 L iebe Kolleginnen und Kollegen, selten wurden Tarifkonflikte im öffentlichen Dienst, aber auch in anderen Branchen so massiv mit Warnstreiks begleitet wie in diesem Jahr. Die große Beteiligung zeigt: Die Kolleginnen und Kollegen brauchen eine deutliche Verbesserung ihrer Einkommen, sie haben genug von Maßhalteappellen und Lohnzurückhaltung. Nicht nur, weil die Steuereinnahmen sprudeln und die Wirtschaft floriert, sondern auch weil die Inflationsrate den Beschäftigten Reallohnverluste bescherte. Und die Teuerung hält unvermindert an. Klar war aber auch im Vorfeld der Tarifauseinandersetzungen, dass weder die öffentlichen Arbeitgeber noch die Wirtschaft freiwillig mehr Geld zahlen. Deshalb war es gerade in dieser Tarifrunde des öffentlichen Dienstes wichtig, dass die Kolleginnen und Kollegen gezeigt haben, wie stark wir sind, wie stark unsere Gewerkschaft ist. Sie waren überall bereit zum Arbeitskampf. Nicht zuletzt die erfolgreichen Warnstreiks der Beschäftigten der Flughäfen haben die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes zum Einlenken gezwungen und zu dem positiven Abschluss beigetragen. As Ergebnis kann sich meiner Ansicht nach sehen lassen. Die Einkommen werden 2008 um durchschnittlich 5,1 Prozent und für 2009 um 2,8 Prozent angehoben, hinzu kommt eine einmalige Sonderzahlung von 225 Euro am 1. Januar 2009 für alle Beschäftigten. Mit dem Sockelbetrag von 50 Euro ist es uns gelungen, die unteren Entgeltgruppen höher anzuheben und damit dauerhaft, weil tabellenwirksam, eine soziale Komponente in das Tarifergebnis einzubauen. Dieser Tarifabschluss liegt in beiden Jahren deutlich über der Inflationsrate. Damit erhalten die Beschäftigten seit IMPRESSUM langer Zeit wieder einen Reallohnzuwachs. Gelungen ist uns darüber hinaus zu vereinbaren, dass die Arbeitgeber der Nahverkehrsbetriebe mit ver.di noch in diesem Jahr Tarifgespräche zur demographischen Entwicklung aufnehmen müssen und zwar zu den Zukunftsfragen: Personalgewinnung und -entwicklung, Aus- und Weiterbildung sowie Gesundheitsmanagement und Abbau von Belastungen (Fahrdienstuntauglichkeit). Ich will bei aller Freude über dieses Ergebnis dennoch die Kröte nicht verschweigen, die es zu schlucken gab: Im Gegenzug zu der Einkommenserhöhung musste ver.di einer wöchentlichen Arbeitszeitverlängerung von 38,5 auf 39 Stunden im Tarifgebiet West ab 1. Juli 2008 und der Beibehaltung der 40-Stunden-Woche (Ost) zustimmen. Entscheidend aber ist, dass das Gesamtergebnis stimmt. Der Abschluss lässt uns auch für die weiteren Tarifauseinandersetzungen in diesem Jahr hoffen. Im Fachbereich Verkehr wird es in Kürze u. a. bei der Lufthansa und den Hafenbetrieben „zur Sache gehen“. Auch hier gilt, dass nur das geschlossene Auftreten der Beschäftigten zu erfolgreichen Abschlüssen führen wird. Ebenfalls erfreulich: Wir werden wieder mehr. Vor allem in den Fachbereichen Verkehr sowie Ver- und Entsorgung. Beide gehören zu den Spitzenreitern bei den Mitgliederzuwächsen. Für uns heißt das: Wir dürfen nicht nachlassen. Wir müssen die Kolleginnen und Kollegen gezielt ansprechen. Wir müssen Mitglieder werben und sie als Mitglieder halten. Denn nur eine Belegschaft mit einem hohen Organisationsgrad ist eine starke Belegschaft. Und nur, wenn wir stark sind, können wir unsere Forderungen durchsetzen. Es geht voran. Erhard Ott Verkehr Nr. 1, Mai 2008 Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) Bundesvorstand: Frank Bsirske (V.i.S.d.P.), Erhard Ott Bearbeitung: Rainer Koch Verantwortliche Redakteurinnen: Helma Nehrlich, (transit berlin.pro media) Redaktionsanschrift: ver.di-Bundesverwaltung, Fachbereich Verkehr, Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin Foto: FB Seit langem wieder Reallohnzuwachs Erhard Ott, Leiter des ver.diBundesfachbereichs Verkehr INHALT TITEL 4 Warnstreiks auf elf Flughäfen INTERNATIONALES 6 Mansour Osanloo: Signal der Solidarität 7 Billigflaggen: Die ITF tut was 9 Qualifizierungsoffensive in den Seehäfen 10 ver.di-Tarifforderung 2008 beschlossen 11 Etappensieg gegen Lübecker Hafenverkauf HÄFEN LUFTVERKEHR 12 Perspektive für Lufthansa CityLine ÖPNV 13 Tariftreue bei der Saarbahn 14 Kein Ende abzusehen: Streik bei der BVG HAFENARBEITER 16 Kämpfe damals und heute Herstellung+Druck: apm AG Darmstadt, Kleyerstraße 3, 65295 Darmstadt www.alpha-print-medien.de Gestaltung: alpha print medien AG Der ver.di-Fachbereich Verkehr ist auch im Internet zu finden: www.verdi.de/verkehr Titelfoto: ver.di Hessen VERKEHR | 1/2008 3 ver.di re p o r t | TITELTHEMA Nur Fliegen ist schöner Warnstreiks auf elf Flughäfen gaben Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst Schub Am 5. März beteiligten sich Mitarbeiter des Bodenpersonals auf elf Flughäfen an einem dreistündigen Warnstreik. Sie gaben mit der Aktion den Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Dienst zusätzliche Power. Denn die Betriebsabläufe – hier der Flugverkehr – wurden zwar zeitlich eng befristet, aber recht erheblich gestört. 18 500 Fluggäste waren betroffen. Allein 300 Lufthansa-Flüge wurden an diesem Tag gestrichen. A m Flughafen Frankfurt/Main begann der Ausstand pünktlich 5.30 Uhr. Die Fraport-Beschäftigten formierten sich zu Demonstrationszügen, denen sich auch die Flughafenfeuerwehrleute anschlossen. Auch an den Flughäfen Düsseldorf, Köln-Bonn, Dortmund und MünsterOsnabrück beteiligten sich insgesamt rund 700 Beschäftigte von Feuerwehr, Personen- und Gepäckkontrollen sowie aus dem technischen Bereich an den von ver.di ausgerufenen Warnstreiks. In Hamburg gab es an diesem Morgen ebenfalls kein Take-Off. Die Geschäftsführung der Flughafen Ham- 4 1/2008 | VERKEHR burg GmbH (FHG) reagierte gar nicht norddeutsch-gelassen: In ihrer Mitarbeiterpublikation behauptete sie später, dass sich an den Warnstreikaktionen am 5. März „nur eine Handvoll Mitarbeiter“ beteiligt hätten, zugleich beschwerte man sich über die „kurze Vorwarnzeit“ für die Aktion und die vermeintliche Ungerechtigkeit, dass die Hamburger Flughafenfeuerwehr „als einzige Feuerwehr Deutschlands“ gestreikt und den gesamten Flugbetrieb lahmgelegt hätte. Um die Folgen des dreistündigen Ausstands zu überwinden und den Normalbetrieb wiederherzustellen, so hieß es weiter, sei das gesamte Führungspersonal der FHG im Einsatz gewesen und hätte deshalb auch nicht bei einer zeitgleich angesetzten Betriebsversammlung Rede und Antwort stehen können. Alarm beim Management Für die Hamburger ver.di-Kollegen „dumm Tüch“, lauter Unsinn und Ausreden. Tatsache ist: In Hamburg startete oder landete in der Warnstreikzeit zwischen 6 und 9 Uhr keine einzige Maschine. Dafür sorgte allerdings nicht nur eine Handvoll Feuerwehrleute, sondern es legten auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Flughafenverwaltung, einige Ange- ver.di re p o r t | TITELTHEMA stellte der Bundespolizei sowie solidarisch etliche Kollegen der Instandhaltung befristet die Arbeit nieder. Lediglich zwei Rettungseinsätze fuhren die Flughafen-Feuerwehrleute trotz Warnstreiks. Die Hamburger ver.diVertrauensleute reagierten gegenüber ihrer aufgescheuchten Geschäftsführung übrigens gelassen: Dass die Führungskräfte bei ihrem akuten Versuch, „praktisch und operativ“ in den laufenden Betreib einzugreifen, die nicht am Streik beteiligten Beschäftigten wenigstens „nicht gestört“ haben, hoffte man in einem ver.di-Flugblatt. Die von den Chefs boykottierte Betriebsversammlung sei dennoch gut besucht worden, wurde außerdem festgestellt. Eine einzige Ausnahmeaktion gab es während des Warnstreiks auch auf dem Flughafen Hannover: Der Krankentransport eines Kindes wurde trotz Arbeitsniederlegung abgefertigt. Ansonsten blieben die Startbahnen leer. Fünfzig Flüge wurden gecancelt. 250 Flughafenbeschäftigte in Gepäckabfertigung, bei Technik, Sicherheitsdienst und Feuerwehr hatten die Streikwesten übergezogen. Doppelter Zündstoff Fotos: FB Am Flughafen München folgten etwa 90 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Frühschicht dem Streikaufruf. Hauptsächlich Beschäftigte der Bodendienste legten zwischen 5 und 12 Uhr die Arbeit nieder und sorgten für starke Beeinträchtigungen. Von Annullierungen waren nach Auskunft der Flughafengesellschaft vorrangig innerdeutsche Verbindungen betroffen. Neben den Lohnforderungen standen in München auch die Ausgliederungspläne im Mittelpunkt der Proteste. Die Flughafengesellschaft FMG plant die Gründung einer Tochtergesellschaft für die In Hamburg (oben rechts), Frankfurt am Main (oben links und unten rechts), in München und auf acht weiteren Flughäfen beteiligten sich Bodenbeschäftigte an wirkungsvollen Warnstreiks. Bodendienste. Der Bereich, in dem mehr als 2000 Beschäftigte tätig sind, schreibt rote Zahlen. Im Juli 2006 vereinbarten ver.di und der Kommunale Arbeitgeberverband Bayern einen Sanierungstarifvertrag bis 2011 mit beträchtlichen Einschnitten für die Beschäftigten (siehe Verkehrsmagazin 3/2006). Das Sanierungsziel sei damit nicht zu erreichen, hieß es kürzlich bei der FMG. Die Zeichen stehen deshalb auf Outsourcing. Das würde eine neue Unternehmensstruktur mit Abkoppelung vom Öffentlichen Dienst bedeuten. ver.di hat mit einem Offenen Brief an die Aufsichtsräte gegen die Ausgründung protestiert. „Die Rechnung mit einer Tochtergesellschaft basiert darauf, dass die Löhne drastisch gesenkt werden. Auf ein Niveau, von dem man in der Flughafenregion eine Familie schlichtweg nicht mehr ernähren kann“, prognostizierte Ralf Krüger von ver.di, ehemals FMG Betriebsratsvorsitzender, während der Warnstreikaktionen. Doppelter Zündstoff in München also. Insgesamt gelang an diesem Vormittag im März ein wirkungsvoller Schuss vor den Bug der Arbeitgeber: eine Warnung, nicht mehr und nicht weniger. Doch sie zeigte Wirkung. Die Warnstreiks auf den Flughäfen dürften bundesweit ein wichtiger Beitrag zum Tarifabschluss für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes am 31.März 2008 gewesen sein. Und das Ergebnis kann sich bekanntlich sehen lassen. ❏ VERKEHR | 1/2008 5 ver.di re p o r t | INTERNATIONALES Signal der Solidarität Aktionstag für die Freilassung Mansour Osanloos aus iranischer Gefängnishaft V or neun Monaten wurde er entführt und sitzt seit 20. Juli 2007 dauerhaft im Gefängnis. In der Haft ist er schweren Misshandlungen ausgesetzt und droht nach einer ernsten Verletzung, auf einem Auge zu erblinden. Amnesty International sieht Mansour Osanloo als politischen Gefangenen und unterstützt die Forderung nach seiner sofortigen Freilassung. Die Internationale Transportarbeiter Föderation und der Internationale Gewerkschaftsbund kämpfen für die Freilassung des iranischen Gewerkschaftsführers und seiner mitinhaftierten Kollegen, etwa des ebenfalls schwer misshandelten Vorsitzenden der Gewerkschaft der Bäckereiarbeiter Mahmoud Salehi. Der 6. März 2008 war zum internationalen Aktionstag aus- gerufen und weltweit fanden Aktionen des Protestes gegen die Willkür des iranischen Regimes statt. ver.di und die ITF organisierten am Vormittag eine Aktion zur Freilassung der Gewerkschafter vor der Iranischen Botschaft in Berlin-Steglitz. Daran beteiligten sich vor allem im Streik befindliche Kolleginnen und Kollegen der Berliner Verkehrsbetriebe BVG, die sich für ihren iranischen Gewerkschaftskollegen einsetzten, ITF-Inspektoren Die Tore der Botschaft blieben geschlossen (oben). Doch gegenüber formierte sich unübersehbar der Protest (unten). 6 1/2008 | VERKEHR Fotos: FB Der Einsatz für die Rechte seiner iranischen Busfahrerkollegen und für die Gründung einer freien Gewerkschaft beim Teheraner Busunternehmen Sherkat-e Vahed vor drei Jahren haben Mansour Osanloo bereits mehrfach ins Gefängnis gebracht. und Fachgruppenmitglieder aus dem ver.di-Landesbezirk Berlin-Brandenburg. Jan Kahmann sprach als Vertreter der ITF zu den Teilnehmern. Er verlas auch eine Protestnote, die die Organisatoren anschließend einem Botschaftsvertreter übergeben wollten. Leider wurden die Überbringer, Jan Kahmann, Susanne Senica vom ver.diBundesfachbereich sowie Frank Bäsler vom Landesbezirk Berlin-Brandenburg, nicht eingelassen. Das Papier konnte lediglich im Briefkasten landen. Zum Aktionstag wurde außerdem ein Solidaritätsschreiben von ver.di-Chef Frank Bsirske und Bundesfachbereichsleiter Erhard Ott an Außenminister Frank Steinmeier übergeben. Darin wird betont, dass die weltweite Aktion „ein Signal der Solidarität für die Anerkennung fundamentaler Bürgerrechte aller Iranerinnen, Iraner und tausender Kollegen weltweit“ darstellt, die „für ihre Gewerkschaftsarbeit verfolgt und inhaftiert wurden“. Der Bundesminister und die Bundesregierung werden aufgefordert, „sich dieser wichtigen Angelegenheit anzunehmen und sich für die Freilassung Monsour Osanloos, Mahmoud Salehis und aller wegen ihres gewerkschaftlichen Engagements Inhaftierten bei der iranischen Regierung einzusetzen“. ❏ ver.di re p o r t | INTERNATIONALES T gungen und eine angemessene Bezahlung garantieren. Auf mehr als 5000 Schiffen haben über 90 000 Seeleute bereits den Schutz eines ITF-Vertrages. Millionen Dollar Heuernachzahlungen werden Jahr für Jahr durchgesetzt. In Deutschland fühlen drei ITF-Inspektoren den Reedern auf den Zahn. Der Er- ge, bis die Reederei ihre Bereitschaft zum Vertragsabschluss erklärt. Ein bemerkenswertes Beispiel von Solidarität. Im Laufe der letzten Jahre haben sich neue Strategien auch in den Ländern entwickelt, die aus rechtlichen Gründen nicht boykottieren können: Verzögerungen durch intensive Schiffskontrol- Billigflaggen kommt oft teuer zu stehen Alle reden von Globalisierung – die ITF tut was! Foto: FB urnschuhe aus China, T-Shirt aus Indien, guter Rotwein aus Südafrika und Autos aus Südamerika. Weltweiter Warenaustausch findet statt. Die Branchen, die die Waren überwiegend transportieren, boomen. Seeleute allerdings haben von dieser Art Globalisierung bisher nicht profitiert, im Gegenteil. Auf Schiffen wird unter erbärmlichen Bedingungen und zu Hungerlöhnen gearbeitet. Reeder flaggen ihre Schiffe aus, besetzen sie mit Seeleuten aus armen Regionen. Mit Widerstand sei nicht zu rechnen – dachten sie. Doch die Internationale Transportarbeiter Föderation (ITF), Dachorganisation von über 500 Gewerkschaften aus 130 Ländern mit mehr als sechs Millionen Mitgliedern, hat schon vor 60 Jahren die Billigflaggenkampagne ins Leben gerufen. Was sind Billigflaggen? Jeder Staat legt fest, unter welchen Bedingungen ein Schiff seine Flagge führen darf. Mit der Flagge erhält das Schiff die Staatsangehörigkeit und fällt damit unter die Regelungen des Landes. Jeder kann sich vorstellen, dass gesetzliche Bestimmungen in Liberia anders sind als in Deutschland. Günstige Steuerregelungen machen es Reedern zusätzlich schmackhaft, ihre Schiffe dort anzumelden. Die ITF hat 32 Staaten zu Billigflaggenländern erklärt. An der Spitze liegen Panama, Liberia, Zypern und Antigua. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, werden in Deutschland 2009 rund 3520 ausgeflaggten Schiffen lediglich 750 Schiffe unter deutscher Flagge gegenüberstehen. Weil auf Billigflaggenschiffen ohne ITF-Tarifvertrag zumeist Ausländer beschäftigt werden, kümmern sich die Flaggenstaaten kaum um die Situation an Bord. Mangelnde Sicherheit, gekaufte Patente, unregelmäßige Arbeitszeiten, Hungerlöhne und ein Kontaktverbot zu Gewerkschaften sind an der Tagesordnung. Kurz gesagt: Rechtlose Seeleute. Mit der Billigflaggenkampagne will die ITF einen weltweit gültigen Ordnungsrahmen schaffen, der annehmbare Bedingen auf allen Schiffen gewährleistet. Für die Kampagne gibt es weltweit über 100 ITF-Inspektoren, die bei ihren Schiffsbesuchen die Situation an Bord und die Einhaltung von Verträgen kontrollieren. Ausstehende Heuern werden eingetrieben sowie Streiks und Boykotts organisiert. Die ITF schließt Tarifverträge für Schiffe ab, die vernünftige Arbeits- und Sozialbedin- folg lässt sich sehen: 1995 wurden 420 Verträge, 2007 schon 1765 für Schiffe unter billiger Flagge abgeschlossen. Wirksames Mittel: Boykott durch Hafenarbeiter Streik als Druckmittel wird in der Schifffahrt kaum noch angewandt. Viele Seeleute wurden nach Streiks in ihren Heimatländern auf „schwarze Listen“ gesetzt, verloren damit ihren Arbeitsplatz oder landeten im Gefängnis. Zusätzlich haben Gerichte entschieden, dass Schiffe mit Streikbrechercrews auslaufen dürfen. In Deutschland hat sich dagegen der Boykott der Hafenarbeiter als wirksames Druckmittel gegenüber Reedern bewährt. ver.di ruft die Hafenarbeiter auf, ein Schiff zu boykottieren, das keinen Vertrag hat. Die Hafenarbeiter stellen sämtliche Be- und Entladearbeiten ein. Meistens dauert es nicht lan- len der ITF-Inspektoren. Wenn ein Schiff in Le Havre, Rotterdam und Hamburg jeweils vier Stunden aufgehalten wird, reicht der Druck meistens auch aus. Neben der täglichen Arbeit nimmt die ITF sich immer wieder gezielte Kampagnen vor. In den letzten Jahren musste so auch der Vorsitzende des deutschen Reederverbandes Leonhard Abschied von der Vorstellung nehmen, niemals ein Schiff unter ITF-Vertrag zu stellen: Dank des solidarischen Einsatz der ITF-Inspektoren in Australien, Japan und Korea sind jetzt mehr als die Hälfte seiner 52 Schiffe unter Vertrag. Das konnte nur durch gute Zusammenarbeit in der weltweiten ITF-Familie gelingen. Auf der Liste der neuen Kampagnen steht wieder eine große deutsche Reederei: Rickmers. Die Planungen laufen, die Hafenarbeiter stehen bereit, ein weiteres Kapitel weltweiter Solidarität wird vorbereitet... B. R. VERKEHR | 1/2008 7 | VERABSCHIEDET Foto: Kay Herschelmann ver.di re p o r t Der Kapitän außenbord: Jan Kahmann im Oktober 2007 bei seiner Verabschiedung – gefeiert in der Abteilung Schifffahrt des Berliner Technikmuseums. Ein kluger Lenker geht leise von Bord Nach dreißig Jahren hauptamtlicher Gewerkschaftsarbeit hat Jan Kahmann den Platz auf der Brücke freigemacht. S ekretär bei der ÖTV in Hamburg, Stuttgart und Bremen, erst stellvertretender Vorsitzender, dann Vorsitzender der ÖTV Weser Ems und seit 1999 bei ÖTV und ver.di im Bundesvorstand – das sind die Stationen seines Werdegangs. Davor: Matrose in der Handelsschifffahrt, Patent „Kapitän auf Großer Fahrt“, Fahrenszeit auf hoher See. Mit dem ver.di-Kongress im Herbst letzten Jahres schied Jan Kahmann aus dem Bundesvorstand aus. Er war Mitgestalter des Gründungsprozesses von ver.di, seit 2001 Bundesfachbereichsleiter Verkehr und Mitglied im Bundesvorstand, Vertreter von ver.di im Vorstand von ITF und ETF. Tariftreuegesetz, Port Package, schwierige Tarifrunden und Umstrukturierungen in Luftfahrtunternehmen, Maritimes Bündnis, Abgrenzungen zur Transnet – das ist nur eine kurze Aufzählung der vielen Themen und Herausforderungen, denen er sich in den 8 1/2008 | VERKEHR letzten Jahren gestellt hat. Er verstand sich immer als Teamplayer – zusammen mit den haupt- und ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen. Jan hat seit der Gründung von ver.di der Kooperation der Fachbereiche einen hohen Stellenwert beigemessen, hat nach gemeinsamen Handlungsfeldern mit weiteren Fachbereichen gesucht. Es war ihm ein besonderes Anliegen, arbeitsfähige Strukturen zu schaffen und das verkehrspolitische Profil von ver.di zu schärfen. Er hat für seine Vorstellungen gestritten und manchmal harsche Kritik dafür eingefangen. Aus der Überlegung zur Fusion der Fachbereiche ist nichts geworden, die Notwendigkeit insbesondere in der Logistikbranche ein gewerkschaftliches Pendant zu entwickeln, hat sich dadurch aber nicht erledigt. Jan Kahmann steht für Kooperation, Kompromisse, Partnerschaft, Vernunft und Abwägen. Hitzköpfigkeit ist ihm fremd. Er hat sich oft gefragt, ob die echten Erfolge der Gewerkschaft nur Streiks und Kämpfe seien oder ob nicht vielmehr die Ergebnisse schwerer wiegen, die im mühsamen Ringen und in Akzeptanz der Stärke und der Vernunft erreicht wurden. Er kann, wenn es sein muss, auch laut werden, mehr liegen ihm aber die leisen Töne. Seine Loyalität gegenüber der Gewerkschaftsbewegung, den Gremien und gegenüber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern war immer sehr hoch. Manchmal war Jan dies wichtiger, als an sich selbst zu denken, und nicht alle haben sein Selbstverständnis mitgetragen. Der Kapitän, der Gitarre spielt und singt (passt), als Hobbykoch die Familie mit Gaumenfreuden verwöhnt, daneben aber gerne einer Bratwurst zuspricht (ungewöhnlich), der Fahrten auf der Spree nicht mochte (als Kapitän?), im Büro manchmal den „lonely Cowboy“ darstellte (der Mann und das Meer…) kann jetzt mit mehr Kraft Werder im Stadion anfeuern (brauchen die das?). Mehr, als früher möglich war, Bücher lesen, Rad fahren, mitarbeiten an der Dokumentation der Geschichte deutscher Seeschifffahrt, Spanisch lernen und Zeit mit seiner Frau und den beiden erwachsenen Kindern verbringen. Das alles steht im Fahrplan der Zukunft. Oder er kann einfach, wie sein langjähriger Weggefährte Uwe Dorn bei der Verabschiedung gesagt hat, stundenlang aus dem Fenster auf das Wasser gucken und scheinbar nichts denken. Barbara Ruthmann ver.di re p o r t | HÄFEN Deutsche Seehäfen rüsten sich für die Zukunft Maritimes competenzzentrum ma-co startet Qualifizierungsoffensive Bis zu 27 Jahre alt sollen die Langzeitarbeitslosen sein, die an der Qualifikationsoffensive teilnehmen. Aber auch Arbeitssuchende zwischen 40 und 50 Jahre sind willkommen. Am Ende einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung steht die garantierte Übernahme in ein Beschäftigungsverhältnis beim jeweils für das Qualifikationsverhältnis verantwortlich zeichnenden Hafenbetrieb. Von Profis für Profis verspricht Erfolg „Das ma-co trägt seinen Namen als maritimes Kompetenzzentrum zu Recht“, bekräftigt Andreas Bergemann, ver.di-Fachgruppenleiter Häfen. „Schließlich wird es die Einrichtung zur Aus-, Fort- und Weiterbildung für Beschäftige der Hafenwirtschaft in Deutschland sein. Damit wird gesichert, dass bei erheblich steigendem Arbeitskräftebedarf in den deutschen Seehäfen die bisherigen hohen Qualifikationsstandards gesichert werden.“ Mit dem bewährten betriebsnahen Prinzip „Bildung von Profis für Profis“ sei das ma-co für alle Anforderungen gerüstet. Dabei ergänzt ma-co die bis- herigen Angebote der einzelnen Hafenfachschulen und macht sie nicht überflüssig. Brauchen doch die Hafenbetriebe nach wie vor die vielen Speziallehrgänge, etwa für Gefahrgut usw. Neue Kooperationen ergeben sich. Für den künftigen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven wird beispielsweise Eurogate als künftiger Betreiber des neuen Tiefwasser-Containerhafens die Beschäftigten auf den Bremerhavener Containerterminals ausbilden. Beispielhaft für andere Wirtschaftszweige Fachkräfte auszubilden und gleichzeitig Menschen wieder in Arbeit zu bringen, wie es mit ma-co geschieht, ist ein zukunftsweisender Weg. Wie hier, wo die Gewerkschaft ver.di gemeinsam mit den Unternehmen eine Vorreiterrolle übernommen hat, kann das auch für andere Wirtschaftszweige möglich werden. Denn auszubilden, statt den Bedarf an Fachkräften aus anderen Betrieben abzuwerben und der regionalen Wirtschaft zu schaden, ist ein weiteres Zeichen für die Übernahme gesellschaftlicher und unternehmerischer Verantwortung. HaBe Für neue Anforderung qualifizieren, statt Fachkräfte abzuwerben, das zeugt von gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Verantwortung. Foto: BLG B is 2010 benötigen die Seehafenbetriebe an Nord- und Ostsee etwa 2800 zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. ver.di, Arbeitgeber und Politik stellen sich der Schaffung neuer Arbeitsplätze und handeln gemeinsam. Eine umfassende Qualifikationsoffensive wird den Arbeitskräftebedarf bei der Hafenlogistik in den kommenden Jahren decken helfen. Bereits im Dezember 2006 verkündeten die Seehafenbetriebe auf der 5. Maritimen Konferenz, verstärkt in neue Arbeitsplätze zu investieren. Dabei sollen vorrangig Langzeitarbeitslose wieder Arbeit finden. Der Bund und die Bundesagentur für Arbeit stellen weitere 80 Millionen Euro bis zum Jahr 2012 zur Verfügung. Um diese Förderung effektiv zu nutzen, mussten Qualitätsstandards geschaffen werden. Die gemeinsamen Bildungseinrichtungen der Unternehmensverbände und von ver.di in Bremen und Hamburg sowie die Fortbildungseinrichtung der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) haben diese Verantwortung übernommen. Sie begründeten mit maco, dem aus der Bremer Hafenfachschule hfs, dem Fortbildungszentrum Hamburg FZH und der HHLA-Kaifachschule entstandenen maritimen competenzzentrum für Hafenlogistik, ein neues Qualifizierungszentrum. Damit ist an den Standorten Hamburg, Bremen und Bremerhaven ein überregionaler Bildungsträger für Logistik, den Hafen und die Schifffahrt entstanden. Die Ausbilderinnen und Ausbilder – zahlreiche neue Trainer wurden gesucht - kommen vorzugsweise aus den Hafenbetrieben, die auch den praktischen Teil der Ausbildung auf den Terminals vermitteln. Das gemeinsame Ziel von ver.di und den Arbeitgebern ist es, die Fort-und Weiterbildung für die Hafenwirtschaft dauerhaft zu sichern. 2800 Langzeitarbeitslose innerhalb von fünf Jahren zu qualifizieren, ist eine große Herausforderung. Die Einführung eines bundesweiten Ausbildungsstandards für Hafenlogistik ist dabei der richtige Weg. VERKEHR | 1/2008 9 ver.di re p o r t | HÄFEN Hafenarbeiter beschließen Tarifforderung 2008 9,5 Prozent mehr Lohn und Vorteilsregelung für ver.di-Mitglieder D iese Tarifforderung, natürlich bei einer Laufzeit von 12 Monaten, wurde von den Mitgliedern der Bundestarifkommission Seehäfen auf deren Sitzung am 14. April 2008 einstimmig beschlossen. Das macht die Entschlossenheit der Tarifkommission deutlich, ein Verhandlungsergebnis nahe an der Forderung durchzusetzen. In den vorausgegangenen Mitgliederdiskussionen hatte die so genannte gewerkschaftliche Vorteilsregelung eine besondere Rolle gespielt. In mehreren Lohntarifrunden diskutiert, war sie bisher nie durchgesetzt worden. Gerade weil sich mittlerweile 90 Prozent der Hafenarbeiter bei ver.di organisiert haben, war sich die Bundestarifkommission jetzt einig, dass, den wenigen Trittbrettfahrern endlich die Rote Karte gezeigt werden muss. Welche tariflichen Leistungen genau künftig nur ver.di-Mitgliedern zugute kommen sollen, wird in den Verhandlungen selbst zu entscheiden sein. Obwohl die Branche insgesamt nach wie vor boomt und als Globalisierungsgewinnerin gelten kann, stellen sich die Ergebnisse der einzelnen Umschlagsbetriebe äußerst heterogen dar. Während am einen Ende der Skala vor allem die Containerbetriebe Jahresüberschüsse in dreistelliger Millionenhöhe verzeichnen, gibt es insbesondere im Stückgutumschlag auch Unternehmen, die Mühe haben, eine „Schwarze Null“ zu schreiben. Wie kann vor diesem Hintergrund der bestehende Flächentarifvertrag erhalten, Tarifflucht verhindert und gleichzeitig sichergestellt werden, dass die Hafenarbeiter an der gesamtwirtschaftlichen und Branchenentwikklung mit entsprechenden Lohnsteigerungen beteiligt werden? Seit Jahren besteht ein Beschäftigungssicherungstarifvertrag für Umschlagsunternehmen in wirtschaftlicher Schieflage. Außerdem war es in den vergangenen beiden Lohnrunden notwendig geworden, sowohl wiederkehrende als auch Einmalbeträge als zusätzliche Differenzierungsinstrumente einzuführen. Solche Elemente können nicht zu einer Dauereinrichtung werden. Ziel der diesjährigen Lohntarifrunde ist es daher, eine Lohntarifstruktur auf den Weg zu bringen, die die beschriebenen Probleme nachhaltig im Sinne unserer Mitglieder löst. Das bedeutet: Lohnerhöhung + ver.di-Vorteilsregelung + Strukturanpassung. A.B. Foto: BLG Im Bremer Hafen angenommen K ooperative Zusammenarbeit mit der Belegschaft und ihren Interessenvertretern ist ein Standortvorteil.“ Mit diesen Worten unterstrich Detthold Aden, Präsident des Zentralverbandes deutscher Seehafenbetriebe und Vorstandsvorsitzender der BLG Logistics Group AG & Co.KG, bei einem Gespräch mit Erhard Ott am 6. Februar 2008 in Bremen die Bedeutung der deutschen Mitbestimmung und einer konstruktiven Unternehmenskultur für den Erfolg privatwirtschaftlich organisierter Unternehmen. 10 1/2008 | VERKEHR Erhard Ott, zum neuen ver.diBundesfachbereichsleiter Verkehr gewählt, wollte sich den „Hafen von innen“ ansehen. Die Einladung war nicht zufällig aus Bremen gekommen: Die global operierende BLG Logistics Group (als Geschäftsführerin verbirgt sich dahinter die altehrwürdige Bremer Lagerhaus Gesellschaft –Aktiengesellschaft von 1877) als, so Aden „städtische Gesellschaft mit privatwirtschaftlich ausgerichteten Führungsstrukturen“, hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte aufzuweisen. Die Umsatzerlöse stiegen allein zwischen 2005 und 2006 von um 8,3 Prozent auf 759 Millionen Euro, das operative Ergebnis (EBIT) sogar um 10,9 Prozent auf 69,3 Millionen Euro. Für die nächsten Jahre werden weiterhin stabile Wachstumsraten zwischen sechs und acht Prozent erwartet. Die Zahl der Mitarbeiter der BLG wuchs im Jahr 2006 um 12,2 Prozent auf 6890. Dabei sind mehr als 90 Prozent der Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert. Was andernorts noch immer als Hemmnis für den Unternehmenserfolg angesehen wird, sehen die Verantwortlichen in der boomenden Hafenstadt an der Weser gerade als solide Basis des Erfolgs: den hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad und die so selbstbewusste wie konstruktive Arbeit von Betriebsrat und gewerkschaftlichen Vertrauensleuten. Darüber waren sich Ott und Aden schnell einig. Auf einer mehrstündigen Führung durch die unterschiedlichen Terminals der Häfen in Bremen und Bremerhaven vertiefte Erhard Ott seine Eindrücke vom „Hafengeschäft“: Das Arbeitsspektrum reicht vom Löschen der Containerschiffe über das Lagern und Konfektionieren verschiedener Umschlagsgüter, das Veredeln von Autoteilen bis hin zum Beladen der riesigen PKWCarrier. Am Ende fasste BLG-Konzernbetriebsratsvorsitzender Jürgen Rohlappe zusammen: „Erhard Ott als neuer Fachbereichsleiter ist im Hafen angekommen – und angenommen.“ ❏ ver.di re p o r t | SCHIFFFAHRT Offen vertragsbrüchig In den folgenden Monaten wurde das Verfahren zu Ausschreibung und Verkauf der LHG-Anteile von der Verwaltung vorangetrieben. Parallel fanden neunzehn Verhandlungsrunden zur Vereinbarung eines Arbeitnehmersicherungsvertrags statt. Je länger diese Verhandlungen dauerten, desto deutlicher wurde: Sowohl Bürgermeister und CDU-Fraktion als auch die Geschäftsführung der LHG hatten kein echtes Interesse an der Sicherung der Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen der im Lübecker Hafen Beschäftigten. Auch, dass ver.di am 14. Januar 2008 die Forderungen zur Arbeitnehmersicherung als Tarifforderung auf den Weg brachte, änderte die Hinhaltetaktik nicht. Des- Foto: Tim Jelonnek S ie sind stolz und sie können es auch sein: In nur sechs Wochen haben die Beschäftigten des Lübecker Hafens 21 654 Unterschriften gegen den Hafenverkauf gesammelt! Damit haben sie die Vorgabe der Gemeindeordnung Schleswig-Holstein weit übertroffen, wonach mindestens 10 Prozent der Wahlberechtigten – in Lübeck waren das 17 142 – ein Bürgerbegehren unterstützen müssen. Um dieses eindrucksvolle Ergebnis zu erzielen, zogen die Hafenarbeiter nach Feierabend, vor der Schicht, an den Wochenenden unermüdlich durch die Hansestadt und überzeugten die Lübecker Bürgerinnen und Bürger von der Unsinnigkeit der geplanten Privatisierung. Die Früchte ihrer Bemühungen überreichten sie am 15. April an den Bürgermeister, der sich nur mäßig erfreut zeigte. Damit ist das vorerst letzte Kapitel im nunmehr zwei Jahre andauernden Kampf der Lübecker Hafenarbeiter gegen den Ausverkauf ihres Hafens aufgeschlagen. Erstmalig zugespitzt hatte er sich im Juni letzten Jahres, als es die Hafenarbeiter nach fünfwöchiger Verweigerung von Mehrarbeit und einem 24-stündigen Warnstreik geschafft hatten, den von CDU und Verwaltung geplanten Verkauf von 90 Prozent der städtischen Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG) zu stoppen. ver.di und die Betriebsräte akzeptierten den Verkauf von lediglich 25,1 Prozent der LHG unter der Bedingung, dass zuvor ein Arbeitnehmersicherungsvertrag abgeschlossen würde. Geschafft! Über 21 000 Unterschriften gegen geplante Hafenprivatisierung in Lübeck gesammelt halb traten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Lübecker Hafens am 21. Februar 2008 in einen einschichtigen Warnstreik, am 23. und 25. Februar folgten zwei 24stündige Arbeitsniederlegungen. Die Beteiligung war überwältigend: Von den Angestellten über die Arbeiter bis zu den Azubis, von der LHG über deren Tochtergesellschaften bis zum Hafenbetriebsverein – alle legten die Arbeit nieder. Von einer Minute auf die andere verstummte der Arbeitslärm in den fünf Terminals, der Lübecker Hafen „stand“. Die Geschäftsführung der LHG beantragte daraufhin eine Einstweilige Verfügung zur Untersagung von Streikmaßnahmen und hatte in der ersten Instanz Erfolg. Eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes über die eingelegte Berufung steht noch aus. Es wurde weiter verhandelt, Ergebnisse konnten aber nicht erzielt werden. Daraufhin hätte die für den 4. März geplante Beschlussfassung in der Bürgerschaft über den Verkauf vertagt werden müssen. Diese Bürgerschaftssitzung war jedoch die letzte vor der Kommunalwahl, die mit hoher Wahrscheinlichkeit andere Mehrheitsverhältnissen bringen wird. Deshalb nahmen es CDU und Verwaltung in Kauf, offen vertragsbrüchig zu werden und dennoch abzustimmen. Etwa 80 Hafenarbeiter erzwangen sich zu Sitzungsbeginn spontan Einlass in den Saal der Lübecker Bürgerschaft. Sie forderten, dass dem ver.di-Vertreter zum Thema Privatisierung der Lübecker Hafen-Gesellschaft das Wort erteilt werde. Abgeordneten von SPD und Grünen applaudierten. Die entsetzten Mitglieder der CDU-Fraktion verschwanden durch einen Nebenausgang. Der Stadtpräsident forderte die Polizei auf, den Saal zu räumen. Schließlich konnte ver.di-Sekretär Andreas Bergemann – zwar ohne Mikrofon, das der Stadtpräsident abgedreht hatte – doch gut vernehmlich den verbliebenen Abgeordneten und dem Bürgermeister Ängste und Wut der Hafenarbeiter deutlich machen und vor den Folgen für den Lübecker Hafen warnen. Diese spektakuläre Aktion fand ein positives Echo in den Medien und bei der Bevölkerung und war hilfreich für das folgende Bürgerbegehren. Die gesammelten Unterschriften werden gegenwärtig beim Schleswig-Holsteinischen Innenministerium geprüft. Fällt das Ergebnis positiv aus, folgt entweder ein Bürgerentscheid oder die Bürgerschaft übernimmt den Inhalt des Bürgerbegehrens und macht die Privatisierungspläne rückgängig. Letzteres ist nicht gar so unwahrscheinlich. Am 25. Mai 2008 finden in Lübeck Kommunalwahlen statt. Bereits vorab haben sich SPD, Grüne, Die Linke und eine Wählergemeinschaft festgelegt: Sie werden umgehend die Privatisierung der LHG stoppen. Wir werden sie beim Wort nehmen! A.B. VERKEHR | 1/2008 11 | LUFTVERKEHR Foto: Wikipedia ver.di re p o r t Perspektive für die LH CityLine sichern! Überleben der Lufthansa-Regionaltochter hängt an Einsatz mittelgroßer Jets E s scheint immer unwahrscheinlicher, dass mittelgroße Flugzeuge wie die Embraer oder CRJ 900/1000 mit über 70 Sitzen bei der Lufthansa CityLine eingesetzt werden. Die Konzernleitung und die Vereinigung Cockpit (VC) streiten seit längerem, wo diese neuen Jets als Ersatz für kleinere, nicht mehr konkurrenzfähige Flugzeuge in Dienst gestellt werden. Nun hat die Geschäftsführung der LH CityLine informiert, dass die Embraer nicht bei der Regionalfluggesellschaft eingesetzt werden sollen. Trotzdem werde ab 2009 das bisher genutzte Fluggerät – AVRO und CRJ 200-Maschinen – abgegeben. ver.di geht davon aus, dass Interessengruppen innerhalb des Konzerns, speziell aber in der VC-Konzerntarifkommission, die Position durchsetzen wollen, dass die Embraer nicht bei der Regionaltochter CityLine, sondern im Unternehmensbereich Lufthansa Passage in Dienst gestellt werden sollen. Das würde bedeuten, dass sie von Passage-Piloten geflogen werden. Diese Haltung nennt ver.di-Luftverkehrsexperte Ingo Kronsfoth „gruppenegoistisch“. Sie sei selbst mit Blick auf die LH Passage unverständlich, weil dort Cockpitpersonal fehlt, keine Arbeitsplatz- und Aufstiegsschwierigkeiten Hilft nur: Sich wehren Bundesfachbereichsleiter Erhard Ott antwortet auf Fragen zur Situation bei LH CityLine Die Vereinigung Cockpit und der Konzernvorstand haben sich im März erneut nicht über die Bereederung der Embraer bei LH CityLine geeinigt. Was bedeutet das? Erhard Ott: Der worst case ist eingetreten. Wir müssen wohl befürchten, dass die Embraer bei einer anderen Gesellschaft eingesetzt werden. Das wird schon kurzfristig Auswirkungen auf die Arbeitsplätze bei der CityLine haben, langfristig droht ein Bedeutungsverlust der Gesellschaft. Die CityLine wird verstärkt Kostennachteile haben, Ergebniserwartungen des Konzerns 12 1/2008 | VERKEHR werden nicht erfüllbar sein. Schon jetzt hat der Lufthansa-Vorstand massive Einsparungen gefordert, auch im Personalbereich. Wer verantwortet die Situation? Erhard Ott: Wir waren bei den Gesprächen nicht dabei, wissen also nicht, wer sich dabei wie verhalten hat. Klar scheint, dass beide Seiten mehr die LH Passage im Blick haben als die schwierige Situation bei der CityLine. Wenn man sich die massiven Unterschiede bei den Arbeitsbedingungen im Cockpit von CLH und Passage ansieht, dann ist die Vereinigung Cockpit für das Personal bestehen und die neuen ohnehin nur im Austausch gegen bisherige Maschinen gereedert werden sollen. Für die CityLine allerdings werde eine Blockade des Einsatzes der neuen Embraer einen akuten Flugzeugmangel bedeuten. „Das Sterben des Lufthansa-CityLine-Flugbetriebes und der Verlust der Arbeitsplätze am Boden, in der Kabinen und im Cockpit wird damit eingeleitet“, warnt der Gewerkschafter. Er spricht von einem bewusst einkalkulierten „Untergangsszenario“. Vielen Beschäftigten – zuerst in der Kabine, aber auch am Boden – drohe dadurch Arbeitsplatzverlust. Das sei umso mehr zu kritisieren, da die Beschäftigten der CityLine bisher maßgeblich zum Erfolg der Lufthansa beigetragen haben. Sie erwarteten keine Vorzugsbehandlung, könnten aber nicht tatenlos zusehen, wie die Ergebnisse ihrer bisherigen Arbeit zunichte gemacht würden. Deshalb müssten sie sich verstärkt für ihre Interessen einsetzen. ❏ Nachtrag Meldung Aktion Frankfurt am Main ganz offenbar bei der LangstreckenFluggesellschaft durchaus erfolgreich gewesen. Bei CityLine dagegen gar nicht. Wann wird ver.di aktiv, um einen besseren Manteltarifvertrag, eine lost-oflicence Absicherung und eine Übergangsversorgung bei der CityLine zu erreichen? Erhard Ott: Wir haben schon dreimal Warnstreiks durchgeführt, gerade auch für eine massive Vergütungsanhebung. Wir mussten aber auch erleben, dass VC zu Streikbrecherarbeit aufgerufen hat. Und trotz allem sind Piloten in der Vereinigung Cockpit organisiert. Solange dies so bleibt, lehnt sich die Arbeitgeberseite zurück und verhandelt weiter mit VC. Wenn wir den Auftrag der CityLine-Piloten bekommen, dann werden wir die Arbeitgeber auch an den Verhandlungstisch zwingen. ❏ ver.di re p o r t | ÖPNV Nicht ins Abseits manövrieren ver.di Saar fordert Dialog zur Zukunft des Völklinger Nahverkehrs men. Überdies käme auf den Verkehrsbetrieb die Millionenklage der Zusatzversorgungskasse zu und spätestens bei der Neuvergabe der Konzession in Völklingen müsste die Verkehrsleistung europaweit ausgeschrieben werden. Deshalb forderte auch der zuständige Fachbereichsleiter Verkehr im Saarland Bernd Oleynik die Verantwortlichen von Völklingen auf, das Dialogangebot im Sinne der Bürgerinnen und Bürger von Völklingen aufzugrei- fen. Für den Fall, dass die Verantwortlichen nach dem Prinzip „Koste es was es wolle“ weiter auf ihrem Privatisierungsmodell beharren, kündigte Oleynik an, den Druck zu erhöhen. Wie das aussieht, hätten die Beschäftigten der Völklinger Verkehrsbetriebe GmbH schon bei Streiks im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienst im Saarland überzeugend bewiesen. Ziel bleibe es, die „Verbrennung öffentlicher Gelder“ mit allen Mitteln zu verhindern. Bol Foto: ver.di Saar D er ver.di-Landesleiter Saar Alfred Staudt fordert den Völklinger Oberbürgermeister Klaus Lorig (CDU) und die gesamte CDU-Stadtratsfraktion zum Dialog mit den Beschäftigten, dem Betriebsrat und der Gewerkschaft zur Zukunft des Völklinger ÖPNV auf. Hintergrund ist das derzeit von der CDU forcierte private Managementmodell für die Völklinger Verkehrsbetriebe, das aus ver.di-Sicht ins verkehrspolitische Abseits führen werde. In diesem Zusammenhang warnte ver.di auch vor finanziellen Gefahren durch eine drohende Millionenklage der Zusatzversorgungskasse des Saarlandes für die Stadt. Das Managementmodell sei zum Vorteil eines Großrosselner privaten Busunternehmens gestaltet und enthalte Nachteile für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Beschäftigten. Der Betriebsrat der Völklinger Verkehrsbetriebe hat – zusammen mit den Beschäftigten und der Gewerkschaft – Alternativmodelle gegenüber dem privaten Managementmodell vorgeschlagen. Die meisten Einsparungen brächte die Kooperation mit den kommunalen Saarlouiser Verkehrsbetrieben. Es gäbe aber auch die Möglichkeit, die Völklinger Verkehrsbetriebe selbst in ein wettbewerbsfähiges Fahrwasser zu bringen. Bei diesem Modell würden dennoch mindestens 35 000 Euro pro Jahr mehr eingespart, als die CDU für ihr privates Managementmodell vorrechnet. Neben dem Kostenvorteil sichert das Arbeitnehmermodell weiter den vollen kommunalen Einfluss, wendet die ansonsten drohende Klage der Zusatzversorgungskasse in Höhe von ca. 8 Millionen Euro ab, sichert auch künftig die Direktvergabemöglichkeit der Stadt an seinen Verkehrsbetrieb, ermöglicht, dass perspektivisch höhere Ersparnisse der öffentlichen Hand zu Gute kommen oder zur Verbesserung des ÖPNV-Angebots verwendet werden können, sichert die Eigenkompetenz im Unternehmen und wird von der Belegschaft unterstützt. Kurz: Es wäre zum Vorteil der Völklinger Bürger und der öffentlichen Hand insgesamt. Das private Managementmodell bietet dagegen nur Einnahmesicherung bei einem Privatunterneh- Während der Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Dienst demonstrierten am 6. März vor dem Busdepot der Völklinger Verkehrsbetriebe etwa 1000 Streikende ihren Kampfeswillen. Teilerfolg im Kampf gegen Lohndumping ver.di begrüßt Tariftreueerklärungen bei der Saarbahn GmbH Die Saarbahn GmbH hat ver.di Mitte April 2008 darüber informiert, dass alle ihre ÖPNV-Auftragsunternehmen eine Tariftreueerklärung unterzeichnet haben. Für ver.di-Landesleiter Alfred Staudt ist dies ein erster wichtiger Teilerfolg ge-gen Lohndumping im ÖPNV. ver.di hatte vor fünf Jahren eine Kampagne für mehr Tariftreue in privaten saarländischen Omnibusunternehmen gestartet. Nach der aktuellen Erklärung müssten über 100 Busfahrer eine ordentliche Lohnerhöhung erhalten. Der ver.di-Landeschef sagte, nun müssen die ÖPNV-Unternehmen in Völklingen, Saarlouis und Neunkirchen dem Saarbrücker Beispiel folgen. Man werde an die Unternehmen und die Vertreter der Anteilseigener, den Völklinger Oberbürgermeister Klaus Lorig, den Saarlouiser Oberbürgermeister Roland Henz, die Saarlouiser Landrätin Monika Bachmann, den Neunkircher Oberbürgermeister Friedrich Decker und den Neunkircher Landrat Dr. Rudolf Hinsberger, herantreten und sie auffordern, dem Saarbrücker Beispiel zu folgen. Dann fehle nur noch die bundeseigene RSW, um alle ca. 80 privaten Omnibusunternehmen im Saarland an die Zahlung von Tariflöhnen zu binden. ver.di-Landeschef Staudt bekräftigte gegenüber der saarländischen Landesregierung zugleich die Forderung nach einem Tariftreuegesetz, um im Interesse der seriösen mittelständischen privaten Omnibusunternehmen einem schmutzigen Wettbewerb um den billigsten Busfahrer im Saarland endgültig Einhalt zu gebieten. B.O. VERKEHR | 1/2008 13 ver.di re p o r t | ÖPNV Es geht auch um die Würde Kein Ende abzusehen: Beispiellose Tarifauseinandersetzung bei der BVG Fotos: v. Polentz/transitfoto D ie Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der BVG und von Berlin Transport (BT) sind um 6 Uhr am Morgen des 19. April 2008 nach 14 Stunden abgebrochen worden. Die Tarifkommission hat sich weiterhin für Arbeitskampfmaßnahmen ausgesprochen...“ Momentaufnahme des Tarifstreites, der bei den Berliner Verkehrsbetrieben seit 17. Januar mit vielen Unterbrechungen am Verhandlungstisch geführt wird. Bisheriger Höhepunkt: Zwölf Tage Dauerstreik der BVGler ab 5. März. Berlin im Ausnahmezustand – alle U- und Straßenbahnen sowie die BVG-Busse blieben in den Depots. Anfang April schien zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) und ver.di ein tragfähiger Kompromiss gefunden. Doch die Politik lehnt ihn ab. Zwar erhöht der rot-rote Berliner Senat den Finanzrahmen für Tariferhöhungen von 20 auf 24 Millionen Euro für die nächsten zwei Jahre. Doch ein Modell mit einem Volumen von 23 Millionen scheitert schließlich daran, dass Finanzsenator und BVG-Aufsichtsratsvorsitzender Sarrazin nicht erreichbar ist, um zuzustimmen. So sind der Ausgang des Tarifkampfes und Lohn- und Gehaltserhöhungen für die 12 200 Beschäftigten weiter ungewiss. Es ist ein hartnäckiger und in vieler Hinsicht bemerkenswerter Tarifkonflikt, den die täglich 2,4 Millionen Fahrgäste der hauptstädtischen Nahverkehrsgesellschaft zudem im Alltag hautnah zu spüren bekommen. Fakt ist zunächst: Die BVG hat 800 Millionen Euro Schulden. Dennoch ver- gräbt man Unsummen in Prestigeobjekten wie der Kanzler-U-Bahn. Einsparungen soll vor allem das Personalkonzept bringen. 1993 zählte das Unternehmen noch 28 000 Beschäftigte. Mittlerweile arbeiten bei der BVG und ihrer ausgegründeten Tochter Berliner Transport GmbH noch 11 500. Arbeitsverdichtung, Überstunden und ständig wechselnde Dienstpläne sind die Folge. Die BVGler haben seit fünf Jahren keine Tariferhöhungen bekommen. Die Altbeschäftigten verzichteten 2005 sogar auf zwölf Prozent ihres Einkommens, um zur Sanierung des Unternehmens beizutragen und Neueinstellungen zu ermöglichen. Nachdem sich die Arbeitgeberseite im aktuellen Tarifstreit zunächst völlig verweigerte, sah das erste „Angebot“ für so genannte Altbeschäftigte der BVG überhaupt keine Tariferhöhungen vor. Rund zehn Prozent der Mitarbeiter sind nach September 2005 eingestellte „Neubeschäftigte“, die etwa 30 Prozent weniger verdienen und unstrittig bei Tariferhöhungen bevorzugt werden sollen. Mit Behauptungen wie der, Altbeschäftigte würden mit rund 3000 Euro brutto so gut bezahlt wie Assistenzärzte, wurde von der ArbeitgeberStillstand bei der BVG. Momentan streiken die Werkstätten und Busse. 14 1/2008 | VERKEHR seite jedoch eine Neiddebatte geschürt und versucht, einen Keil zwischen Altund Neubeschäftigte zu treiben. Auch in der Öffentlichkeit wird diffamiert. Einige Mitarbeiter seien nicht einmal das Geld wert, was sie jetzt bekommen, ließ sich der Finanzsenator vernehmen. Immer wieder mischt sich die Politik in die Tarifauseinandersetzung. „Das haben wir in über 20 Jahren bei der BVG noch nicht erlebt“, fasst ver.di-Verhandlungsführer Frank Bäsler die Situation zusammen. Die Gegenseite habe es geschafft, „dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mittlerweile nicht nur um ihren gerechten Lohn kämpfen“, sondern auch „um ihre Würde im Betrieb. Sie wollen sich nicht weiter wie Dreck behandeln lassen.“ Dafür spricht, dass 700 Straßenbahnfahrer spontan für einen halben Tag die Arbeit niederlegten. Dafür spricht, dass ver.di und die Beschäftigten sich in den Verhandlungen flexibel und kompromissbereit gezeigt haben – hinsichtlich der Entgeltforderungen und der Laufzeit. Dafür spricht auch, dass verstärkt die Fahrgäste informiert und die Auswirkungen für sie möglichst gering gehalten werden. „Wir haben gezeigt, dass wir sehr verantwortungsbewusst sind. Aber wir richten uns auf eine längere Aktion ein mit flexiblen Streikmaßnahmen. Sie sollen das Unternehmen vorrangig wirtschaftlich treffen“, sagt Bäsler. Es könne „nicht sein, dass wir die Zeche völlig allein zahlen sollen.“ ❏ ver.di re p o r t | SCHIFFFAHRT Zukunft des Güterverkehrs Entwurf eines Masterplans Güterverkehr und Logistik vorgestellt stecken bleiben, kommen auch die Menschen nicht mehr voran. Deswegen geht die Zukunft des Güterverkehrs uns alle an. Mit dem Masterplan [...] treffen [wir] Vorsorge, dass Verkehr und Mobilität auch in Zukunft zu einer hohen Lebensqualität und wirtschaftlichem Wohlstand beitragen, und nicht zu einer Belastung für Mensch und Umwelt werden.“ Andrea Kocsis, stellvertretende ver.di-Vorsitzende und Bundesfachbe- Foto: Behala N ach fast zweijähriger Diskussion stellte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee am 14. März 2008 in Berlin den Entwurf des Masterplans Güterverkehr und Logistik vor. Der Plan, an dem 700 Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden mitgearbeitet haben, umfasst 39 Maßnahmen, die mit den anderen Ministerien abgestimmt und dann im Bundeskabinett beschlossen werden sollen. Die Maßnahmen sollen den Logistikstandort Deutschland attraktiver gestalten und seine „Drehscheibenfunktion“ fördern. Sie ranken sich um fünf Schwerpunkte: Die effiziente Nutzung der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur, den Neu- und Ausbau von Verkehrswegen, die Vermeidung von Verkehren, den Klima-, Umwelt- und Lärmschutz und bessere Arbeitsbedingungen in der Logistik. „Der Güterverkehr wird in den kommenden Jahren stark anwachsen“, so Minister Tiefensee über den Entwurf. „Wenn die Güter im Stau Für bessere soziale Standards Küsten- Fähr- und Bäderschifffahrt und Weiße Flotte sowie Schifffahrtsassistenz führten gemeinsames Seminar durch Zur Analyse der Tarifpolitik im Sektor der Küsten-, Fähr- und Bäderschiffahrt sowie der Weißen Flotte führten Vertrauensleute und Betriebsräte Ende Februar in der ver.di-Bildungsstätte Undeloh ein gemeinsames Seminar durch. Dabei wurden insbesondere die Fragen einer abgestimmten Tarifpolitik und der Sicherung sozialer Standards beraten. In Arbeitsgruppen wurden bestehende tarifliche Regelungen analysiert und als Datenbank aufbereitet. Gleichzeitig sind die Möglichkeiten der tariflichen Entwicklung in diesem Schifffahrtsbereich beraten worden. Das Herangehen an regionale Verhandlungen, die Fragen der Durchsetzbarkeit von Forderungen, aber auch rechtliche Regelungen aus dem Seemannsgesetz und Chancen von Arbeitskampfmaßnahmen sind intensiv erörtert worden. Eine besondere Rolle nahm in diesem Komplex die Tarifpolitik der Internationalen Transportarbeiter Föderation (ITF) ein. Durch den ITF-Inspektor Udo Beyer wurden die Konzepte der ITF-Tarifpolitik detailliert erläutert, besonders wenn es darum geht, Lohndumping und schlechte soziale Bedingungen auf Seeschiffen international zu verhindern. Diskutiert wurde auch, wie überhaupt Forderungen herausgearbeitet und anschließend im Rahmen von internationalen Tarifverhandlungen durchgesetzt werden können. Auch die Verantwortung von ver.di in diesem Prozess wurde betont. Auf mehr als 1600 Tarifverträge kann bereits zurückgegriffen werden für die Entwicklung von sozialen Bedingungen an Bord und gegen Lohndumping auf „Billigflaggen“-Schiffen. reichsleiterin Postdienste, Speditionen und Logistik, betonte bei der Vorstellung, dass der Masterplan ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung sei, den Logistikstandort Deutschland weiter auszubauen, dadurch Arbeitsplätze zu sichern sowie die Arbeitsbedingungen und die Qualifikation der Beschäftigten in der Branche dauerhaft zu verbessern. An der Entwicklung des Masterplans war ver.di in Workshops und Expertenrunden zu Themen wie Ausund Weiterbildung, Infrastruktur und Vernetzung, Märkte und Marktbedingungen sowie Umweltschutz beteiligt und hat gewerkschaftliche Positionen eingebracht. Die abschließende ver.diStellungnahme zum Masterplanentwurf ist im Internet unter www.psl.verdi.de/logistik/nachrichten zu finden. Der Masterplanentwurf selbst steht auf der Webseite des Bundesverkehrsministeriums unter www.bmvbs.de/ Verkehr/Gueterverkehr-Logistik-,2829/ Masterplan.htm ❏ Außerdem stand die Entwicklung der internationalen Sicherung von sozialen Bedingungen für Seeleute durch das Internationale Abkommen 2006 (ILO Konvention 2006) auf der Tagesordnung. Als Gast legte Dr. Dierk Lindemann – einer der geistigen Väter dieses Abkommens – inhaltliche Details und vor allem die Umsetzungsschritte in das deutsche Recht dar. Die Rolle von ver.di und der Bundesfachgruppe Schifffahrt wurde in der Debatte hervorgehoben. Diskutiert wurde auch, wie es gelingen kann, mehr Präsenz vor Ort zu sichern sowie die Arbeit bei den unterschiedlichen Reedereien zu unterstützen. Das alles diene der Organisation von mehr Gleichgesinnten. Mitgliederwebeprojekte müssen unbedingt auch auf diesem Sektor ausgebaut werden, war die einhellige Meinung der Teilnehmer. Die Seminare über eine abgestimmte Tarifpolitik auf diesem Sektor werden fortgeführt. khb VERKEHR | 1/2008 15 ver.di re p o r t | HAFENARBEITER Nur gemeinsam sind wir stark D ie NPD orientierte ihre Mitglieder und Sympathisanten zur Teilnahme an einer Kundgebung zum 1. Mai 2008 in Hamburg. In dem Aufruf dazu stellt sie sich auf direkte Weise in die Folge der NSDAP, deutet die Entstehung des 1. Mai und die Geschichte der Arbeiterbewegung um und versucht, sich diese Tradition einzuverleiben. Engagierter Hafenarbeiter sind empört über die Geschichtsfälschung und wollen nicht zulassen, dass die Nazis sich unserer Geschichte und unserer Zukunft annehmen. Bereits im Rahmen des Wahlkampfes in Hamburg wurde gegen Rechts eine eigene Hafenarbeiterdemonstration durchgeführt. Diese vom Betriebsratsvorsitzenden der Gesamthafenarbeiter angemeldete Aktion wurde von alle führenden Funktionären im Hafen und den Mitgliedern der ver.diBundestarifkommission unterstützt. Die Hafenarbeiter wenden sich aber nicht nur gegen die Hetze der Nazis, sondern auch gegen eine Politik der sozialen Kälte, die einen Nährboden für Deutschtümelei, Rassismus und Antisemitismus bietet. Wer politisch verantwortet, dass in einem so reichen Land wie Deutschland immer mehr Menschen arm werden, der ist auch mitverantwortlich dafür, wenn die Faschisten wieder durch die Straßen marschieren. Wer öffentliches Eigentum verscherbelt, verkauft gleichzeitig Mitbestimmungsmöglichkeiten der Bürger. Wer sich einen Dreck um die Ergebnisse von Volksbefragungen schert, legt Hand an das demokratische Selbstverständnis. Wer permanent soziale Einrichtungen abbaut, trägt Verantwortung dafür, dass Menschen entwurzeln und womöglich der Nazipropaganda auf den Leim gehen. Die Hafenarbeiter stehen für eine Politik, die die Menschen an der Entwicklung beteiligt und der sozialen Ausgrenzung entgegenwirkt. Wenn die Hafenarbeiter vergleichsweise gute Arbeitsbedingungen erkämpft haben und in Europa politisch durchsetzungsfähig sind, dann des- Neuerscheinung „Kraftproben“ Die Kämpfe der Beschäftigten gegen die Liberalisierung der Hafenarbeit Der Hamburger VSA-Verlag vermeldet für eine bessere Arbeitswelt gekämpft. dieser Tage eine interessante NeuerDafür, dass Schluss damit ist, dass Arbeischeinung. Der großformatige Hardcoter sich morgens versammeln müssen ver-Band „Kraftproben“ erzählt von und nicht wissen, ob sie Arbeit kriegen den Kämpfen der Beschäfoder nicht... Und wir wollen tigten gegen die Liberalisieund werden nicht zulassen, Kraftproben rung der Hafenarbeit. Dadass das Rad der Geschichte bei wird der Bogen vom zurückgedreht wird! Denn Hamburger Hafenarbeiterobwohl es den Hafenarbeistreik von 1896/97 bis zu tern in ganz Europa durch den jüngsten Aktionen gesolidarische Aktionen letztgen die Deregulierung des lich gelungen ist, auch Port Hafensektors gespannt – Package II zu verhindern, ein Brückenschlag über kann keinesfalls Entwarmehr als 100 Jahre, der Mut nung gegeben werden. Vielmacht. Im Vorwort von ver.di-Chef mehr machen die neuerlichen AktivitäFrank Bsirske heißt es: „Die Hafenarbeiten der EU-Kommission überdeutlich: ter haben mit ihren Gewerkschaften Die Liberalisierung der Hafendienstleilange gegen die Tagelöhnerarbeit und stungen in Europa ist noch lange nicht Foto: FB Hamburger Hafenarbeiter protestieren gegen Naziaufmarsch am 1. Mai halb, weil sie seit über 100 Jahren international zusammenarbeiten. Sie haben es nie zugelassen, dass irgendjemand einen Keil zwischen sie treibt, egal aus welchem Land der Welt sie stammen oder welcher Weltanschauung sie angehören. Wenn die Nazis am 1. Mai dazu aufrufen, Arbeit und soziale Gerechtigkeit „nur“ für Deutsche zu fordern, dann greifen sie direkt die Interessen der Hafenarbeiter an. Wer kann denn ernsthaft glauben, dass Welthandel verzichtbar sei? Die Hafenarbeiter verstehen sich als Teil eines breiten antifaschistischen Bündnisses. Bernt Kamin-Seggewies zu den Akten gelegt!... Sollte es also weitere Versuche geben, ihre Interessen zu missachten, werden die Hafenarbeiter erneut getreu dem Motto ,proud to be a docker‘ alle Hebel in Bewegung setzen, dass auch diese Bemühungen einer Verschlechterung ihrer Lebensund Arbeitsbedingungen scheitern.“ Udo Achten/Bernt Kamin-Seggewies VS V 16 1/2008 | VERKEHR Udo Achten/Bernt Kamin-Seggewies: Kraftproben. Die Kämpfe der Beschäftigten gegen die Liberalisierung der Hafenarbeit Mit einer Dokumentation der Broschüre von Carl Legien „Der Streik der Hafenarbeiter und Seeleute in Hamburg-Altona“ von 1896/97, 192 Seiten; zahlreiche Fotos, 22,80 Euro, ISBN 978-3-89965-263-5 ver.di bietet einen Teil der Auflage für eine Schutzgebühr von 5 Euro an. Interessenten können sich an die ver.di-Bezirke wenden.