Al Andalus - Al-Maqam, Zeitschrift für arabische Kunst und Kultur

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Al Andalus - Al-Maqam, Zeitschrift für arabische Kunst und Kultur
Al Andalus
Grundsätzliches über die Al-Maqam,
Zeitschrift für arabische Kunst und Kultur
wird unser Schwerpunkt Syrien sein, das übernächste
wird sich mit irakischer Kunst und Kultur sowie
eine Zeitschrift wie die Al-Maqam, Zeitschrift für ara- Büchern befassen.
bische Kunst und Kultur zu publizieren, ist ein wirtschaftliches Unterfangen, das unter ökonomischen Da wir zur Zeit noch ein ganz kleines Team mit einiGesichtspunkten nicht attraktiv ist. So machen wir seit gen freien Mitarbeitern sind, können wir auch von vieder ersten Präsentation unserer Idee die Erfahrung, len Veranstaltungen in Deutschland, Europa und erst
dass zwar die potentiellen Leser begeistert sind, aber recht aus dem arabischen Ausland nicht berichten,
alle, die sich wirtschaftlich und finanziell unterstüt- weil wir nicht über ein Netz von Korrespondenten verzend beteiligen sollen, eher abwehrend reagieren. fügen wie die Großen. Letzten Endes können wir nur
Obwohl uns klar war, dass es auch in der Ausführung über etwas berichten, von dem wir auch Kenntnis
diverse Schwierigkeiten geben würde, waren wir von haben. Vielleicht haben Sie einen Tipp für uns, einen
unserer Idee fest überzeugt, eine Zeitschrift zu machen, kleinen Beitrag, eine neue CD oder ein Buch, das Sie
die mithelfen kann, Vorurteile und Berührungsängste für wert befinden, vorgestellt zu werden. Scheuen Sie
abzubauen und so zu einer unverzichtbaren Vor- sich nicht, uns darauf hinzuweisen. Aber haben Sie
bitte auch Verständnis, wenn wir nicht auf alle Ihre
aussetzung für den kulturellen Dialog werden kann.
Wünsche und Anregungen unmittelbar eingehen könZur Zeit mangelt es noch an qualifizierten Autoren, nen. Manchmal passen Beiträge inhaltlich nicht oder
die bereit sind, ihre Zeit und ihr Wissen einzusetzen, sie kommen einfach zu spät. Die Planung für eine vierum fachkundige Artikel zu schreiben. Auch das richti- teljährlich erscheinende Zeitschrift ist zum Teil schon
ge – druckbare – Bildmaterial zu bekommen, ist nicht Monate vor ihrem Erscheinen weitgehend festgelegt.
ganz einfach. Es gibt zwar eine Menge Bildarchive,
andere Zeitschriften und Fotografen, die schöne Fotos Für Terminmitteilungen steht Ihnen der Veranstalliefern könnten, aber leider kosten sie viel Geld. Ohne tungskalender der Homepage (die derzeit neu struktufinanzkräftige Sponsoren müssen wir – bisweilen riert wird) zur Verfügung, für Beiträge, die thematisch
schweren Herzens – auf manches Material verzichten. gar nicht in der Zeitschrift unterzubringen sind, stelAber wir sind Idealisten und glauben an die Wirkung len wir Ihnen die neue Kategorie Onlineartikel zur
positiver Nachrichten und besonders an die Stimme Verfügung. Darüber hinaus können sich Künstler
kostenlos in das Künstlerverzeichnis eintragen lassen.
der Kunst, die oft keiner Übersetzung bedarf.
Schicken Sie mir Ihre Daten an
Mit der Al-Maqam, Zeitschrift für arabische Kunst und [email protected]
Kultur haben wir ein Medium, mit dem wir ein breiteres, interessiertes Publikum zu erreichen hoffen. Wir Ich hoffe auf einen regen Austausch!
bemühen uns, vielfältig, offen und kritisch aus den 22
arabischen Ländern und dem Geschehen bei uns in Ihre
Deutschland und Europa in Sachen arabische Kultur
zu berichten. Die Bandbreite der arabischen Kultur, Ulrike-Zeinab Askari
die über viele Jahrhunderte gewachsen und in allen
arabischen Ländern sehr unterschiedlich ausgeprägt
ist, soll im Laufe der Zeit berücksichtigt werden. So
wird es in jedem Heft einen Themenschwerpunkt
geben, dessen verschiedene Aspekte von mehreren
Autoren beleuchtet werden sollen. Im nächsten Heft
Liebe Leserinnen und Leser,
2
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
Alles dreht sich um den Ball. Jetzt hat das Fußballfieber auch mich ergriffen. Meine
Lieblingsmannschaft Tunesien ist zwar ausgeschieden. Aber möglicherweise war sie ja schon
glücklich, überhaupt dabei zu sein, denn „Dabei sein ist alles!“
Dieser olympische Gedanke begleitet uns durch die gesamte Geschichte. Besonders sportliche Veranstaltungen haben die Menschen immer zusammengebracht, auch wenn das nicht
immer ohne Probleme ging.
Aber auch Kunst und Kultur, Wissenschaft und Forschung bringen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zusammen und vereinen sie im friedlichen und konstruktiven Dialog,
selbst wenn so manche Ansichten unterschiedlich bleiben, wie z. B. in Fragen der Religion.
Die Geschichte hat gezeigt, dass trotz verschiedener Religionen ein Miteinander doch möglich ist.
Inspiriert von dem friedlichen Miteinander beim Fußball, haben wir für diese Ausgabe als
Schwerpunktthema eine Epoche in der arabischen Geschichte ausgewählt, die auf die
Entwicklung in der eruopäischen Kultur erheblichen Einfluss genommen hat: das maurische
Andalusien. Blühende Orangenbäume, die gleichzeitig Früchte tragen und einen betörenden Duft, nicht unähnlich dem von Jasmin verbreiten, der sanfte, etwas süßliche Duft von
Weihrauch, der in den Gassen der Altstadt überall präsent ist, Oleanderhecken, Palmen und
Kiefern, dazu die Einblicke in manchen Hauseingang in Sevilla versetzen in eine andere
Epoche. Wie hat Córdoba wohl vor 500 Jahren ausgesehen oder gar vor 1.000 Jahren in der
Blüte der andalusischen Kultur unter den Arabern? Welche Musik haben sie gespielt, wie
haben sie getanzt, was haben sie gegessen?
Noch weiter in der Geschichte gehen wir zurück mit einem Artikel über die Funde vor der
ägyptischen Küste bei Alexandria. Oder folgen Sie uns in die Wüste Negev in ein beduinisches Zeltlager. Einen Artikel über Fußball haben wir auch für Sie, liebe Leserinnen und
Leser, und zwar über arabischen Frauenfußball.
Ich hoffe, dass für jeden von Ihnen etwas auf dieser Reise in eine andere Kultur dabei ist,
das Sie anspricht, vielleicht sogar begeistert und zu weiterer, intensiver Beschäftigung
anregt.
Über einen regen Austausch mit Ihnen würden wir uns sehr freuen.
Ihre
Ulrike-Zeinab Askari
Chefredakteurin
3
Leserstimmen
Alles Gute für Al-Maqam!
… Persönlichkeiten der Geschichte und des
Zeitgeschehens werden vorgestellt, dazu ein kultureller
Kontext hergestellt. Die Artikel sind nicht nur beschreibend, sie öffnen einen konkreten Zugang zu den Themen
durch Nennung von Firmen, Internetadressen, bis hin zum
Abdruck von Noten für die beschriebene Musik. Durch
diese Hinwendung zur praktischen Verfügbarkeit des
Erfahrenen, öffnet sich diese Zeitschrift dem täglichen
Leben.
A. K., Berlin
Salam liebes Al-Maqam-Team,
ich habe neulich die Zeitschrift abonniert und bin so froh,
endlich eine ernste, fachliche Zeitschrift zum Thema OT
und orientalische Musik gefunden zu haben. … Ich wünsche euch viel Glück bei der schwierigen Aufgabe und
möchte euch meine Hilfe und Unterstützung anbieten.
maa salama
E. E., Bayreuth
Liebe Frau Askari,
… Sie sind in Ihren Artikeln sehr fundiert und loyal. Es
gibt ja nicht nur den Klassischen Orientaltanz und was
alles damit verbunden wird. Über den Ägyptischen Tanz
lese ich kaum was. Niemand informiert über Suraya Hilal
und ihre Arbeit sowie Claudia Heinle u. v. a. Man lässt in
der Regel nicht die Frauen sprechen, die in späteren
Jahren, ab 40 und aufwärts in die Tanzszene hineingewachsen sind. Ich denke, dass sie eine Menge über die Art
und Weise der Unterrichte mitzuteilen haben. Aber auch
sehr interessant kann sein, mehr über diese Frauen zu
erfahren: Entwicklung, Veränderung, Vorschläge ... Es gibt
immer nur die High-live-Welt, Glanz und Glimmer. Die
Seite "World of Orient" geht schon wieder in die Richtung.
Es gehört mit dazu, ist aber nicht alles. Frauenbeckentanz
ist die ganze Frau auf der ganzen Welt. Muss nicht oriental davor stehen. Diese Bewegungen machen schon die
kleinen Mädchen auf der ganzen Welt. Sie wissen noch
nichts von oriental. Ein sehr interessantes umfangreiches
Thema, um darüber zu philosophieren. Absolut schön die
Kollektion von Djamila Schöller. Da ich Blockflötenspielerin u. a. bin, spielte ich die Notation von "Fil lail
lamma kheli." Das ist mal was anderes. Na gut, ich lass
mich weiter überraschen. … Herzliche Grüße, viel Glück,
viele gute Ideen, Gedanken, bleiben Sie fundiert: Ich weiß,
dass man es nicht jedem recht machen kann. Aber Sie
haben die Möglichkeit, mal eine ganz andere Zeitschrift
für arabische Musik, Tanz, Theater und Film zu machen:
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eine große Aufgabe mit vielen Möglichkeiten. Die Zeitung
muss nicht perfekt sein, auch nicht der Druck und das
Papier. Schön ist, wenn sie einfach nur "griffig" ist und
kein Aufkleber auf der vorderen Seite. Das finde ich immer
jammerschade. Dann kann man sich das Layout sparen.
Vielleicht doch noch ein schöpferischer Gedanke: Nicht
jeder weiß, was Al-Maqam heißt, nicht jeder wird sich
gleich ein Wörterbuch kaufen. Vielleicht können Sie noch
die deutsche Übersetzung auf der Titelseite mit einflechten. So ganz klein zwischen der arabischen Schreibweise
und der deutschen = ein kleiner Pfiff.
K. T., Karlsruhe
Hallo,
Ein GROSSES Kompliment an Euch. Diese Zeitschrift ist ja
wirklich Gold wert!
H. S., Schweiz
Habe mir gestern Abend noch eure Zeitschrift durchgelesen und finde sie großartig.
K. S., Hannover
Liebe Frau Askari,
heute erhielt ich die erste Ausgabe und mein erster
Eindruck ist sehr gut. Schön, dass es endlich ein Heft gibt,
das sich neben Tanz auch mit der sonstigen Kultur
beschäftigt. Positiv fällt weiterhin auf, dass dieses Heft
nicht von Händler- und Tänzerinnenwerbung überflutet ist.
E. B., Diezenbach
Liebe Ulrike,
Viel Erfolg mit Deiner Zeitschrift!
Ich habe auch auf die Website geschaut und einen ersten
Eindruck von den Inhalten bekommen - sehr anspruchsvoll.
G. B., Berlin
Korrektur zur Ausgabe 1, Februar 2006
die korrekte Adresse von Djamila Schöller (Artikel Aufbruch
der Wüstentöchter, S. 20) ist
[email protected]
Inhalt
3
5
44
4
Editorial
Impressum/Inhalt
Preisrätsel
Leserstimmen
Impressum
ISSN
1431-7974
Herausgeber
mediaAGENT
Houssam Maarouf
Wilhelmstr. 42, 10963 Berlin
Tel. 030/61 65 96 51
e-mail: [email protected]
www.Al-Maqam.info
Bankverbindung
Deutsche Bank Berlin
Konto 187 22 33 00
BLZ 100 700 24
Redaktion
Ulrike-Zeinab Askari, v.i.S.d.P.
Arabische Geschichte
6
30
26
34
36
Al Andalus
Sevilla - ein Spaziergang
Geschichte des Flamenco
Kongress der Imame und Rabbis für Frieden
Final statement
Arabische Musik
16
22
20
24
23
38
41
45
47
25
Nauba und Muwashah
CD-Besprechung
Abed Azrié
Cheikha Rimitti
Habibi im Glaskasten
Satz und Layout
mediaAGENT, Berlin
Annoncen
Ahmad Raichouni
Orientalischer Tanz
Jahresabo
inkl. Versandkosten 22 Euro (Dt.)
Ausland zzgl. das jeweilige Porto
5,50 Euro zzgl. Porto
jomdance
Tres - Unter Göttern
It’s showtime
Mona Okon
WoO - Fotoreportage
Literatur
55
57
Salim Alafenisch
Buchbesprechungen
Vermischtes
49
53
66
62
64
48
61
50
51
67
67
Fussballmeisterschaft der Frauen
Die Welt auf Seide
Spendenaufruf
Karikaturenstreit
Nahda - Kulturwoche
Nicht alle Scherben bringen Glück
Brautsuche in syrischen Gefilden
zum Tod von Awni Karoumi
Mitarbeiter
dieser Ausgabe
Mohamed Askari, Sarah Askari,
André Elbing, Sieglinde Geisel,
Svetlana Georgieva, Christin M.
Jolibois, Veronika Leichs,
Dr. Nazar Mahmood, Eva Havva
Marklowski, Anja Alice Nelk,
Martina Sabra, Katja Schönke,
Barbara Schumacher, Anke
Sonneborn, Samia Susann Trabolsi
Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos übernimmt der Verlag keine Haftung. Redaktionelle Bearbeitung behalten wir uns vor. Die Urheberrechte der Artikel, Fotos und
Annoncenentwürfe bleiben beim Verlag. Nachdruck auch einzelner Teile bedarf der schriftlichen Genehmigung.
Veranstaltungshinweise
Titelbild Foto: Ulrike-Zeinab Askari
Ägyptens versunkene Schätze
Tinte und Gold
Harmonie - Fes Festival
Al-Maqam heißt laut Brockhaus der „Ort, einer Versammlung,
wo Musik und Poesie vorgetragen wurden.“ Die arabische
“Tonleiter” wird ebenfalls als Maqam bezeichnet. Ferner ist ein
Heiligengrab ein Maqam. In früheren Zeiten konnte das Wort
Maqam für eine Gedichtsammlung stehen. Heutzutage verbindet
man damit u. a. das hohe Ansehen einer Person.
Institutionen
54
Einzelheft
Haus der Kuturen der Welt
5
Geschichte
-
Kelten, Iberer und Phönizier,
Griechen, Karthager, Römer und
Westgoten - sie alle haben Spuren
im heutigen Andalusien hinterlassen.
Doch seine goldene Zeit erlebte das Land
im Mittelalter mit der Herrschaft der Araber. Sie
kamen im 8. Jahrhundert aus Nordafrika und erober ten fast die gesamte Iberische Halbinsel. Fast 800 Jahre
lang, bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, konnten sie sich
behaupten. Vor allem im heutigen Andalusien trifft man immer
wieder auf Hinterlassenschaften der maurischen Kultur.
Hauseingang in Sevilla, Foto: U.A.
Musik
k
-
Tanz
Das Königreich Córdoba 950 nach
Christus
Gepflasterte Straßen, die nachts beleuchtet sind, regelmäßige Straßenreinigung
und Müllabfuhr, Krankenhäuser, öffentliche
Schulen und Bibliotheken sind für uns
Europäer längst eine Selbstverständlichkeit. Nicht so im 10. Jahrhundert nach
Christus. Während im christlichen Europa
nur etwa 5 % der Bevölkerung lesen und
schreiben konnten - nämlich die Kleriker -,
war Abd al Rahman III. um 950 bestrebt,
allen seinen Untertanen im Königreich
Córdoba die Segnungen seiner Kultur
zugute kommen zu lassen. So reichten ihm
die von seinem Vater übernommenen 80
öffentlichen Schulen, 17 höheren Lehranstalten und Hochschulen und 20 öffentliche Bibliotheken noch immer nicht aus.
Kurzer Hand ließ er für Kinder von mittellosen Eltern weitere 27 Schulen einrichten,
an denen der Unterricht völlig unentgeltlich war.
Die Infrastruktur der Stadt Córdoba um
1.000 nach Christus muss einzigartig
gewesen sein und zeugt von der Blüte der
Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur im
arabischen Andalusien der Zeit. So wissen
wir auch, dass die Stadt aus privaten
113.000 Wohnhäusern - die Häuser der
Wesire und Beamten nicht mitgerechnet bestand und 600 Moscheen besaß, 300
Bäder, 50 Krankenhäuser, 80.000 Läden,
die die Einwohner mit allen nur erdenklichen Waren versorgten. Córdoba war
damit zur damaligen Zeit die größte Stadt
der Welt. Konstantinopel hatte zur gleichen Zeit etwa 30.000 Einwohner.
Die Araber haben die Landwirtschaft
gründlich revolutioniert. Zwar übernahmen
sie das römische Erbe und erhielten alles,
was sie für sinnvoll erachteten, brachten
das Land aber durch Bewässerungstechniken mit Brunnen, Hebewerken, riesigen
Schöpfrädern von bis zu 30 m Durchmesser, Staubecken und ausgeklügelten
Bewässerungssystemen mit Kanälen und
Wasserleitungen, Staugräben und Berieselungsanlagen zu einer nie gekannten Blüte.
Die Araber gaben regelrechte Kurse in
Ackerbau, über ihre Methoden im Anbau
und der Pflege der neuen Obst- und
Gemüsesorten wie Granatapfel, Pfirsich,
Mandel-, Aprikosen- und Apfelsinenbäume, Olive, Banane, Dattelpalme, Melone, Spargel, Zuckerrohr und Baumwolle.
Es war nicht ungewöhnlich, dass im Jahr
drei- bis viermal geerntet wurde.
Bald gab es kaum einen Flecken Erde, der
nicht bebaut war und die Zahl der
Siedlungen rund um Córdoba steigerte sich
auf mehrere tausend Dörfer.
Literatur:
Sigrid Hunke: Allahs Sonne über dem Abendland.
Unser arabisches Erbe, Frankfurt a. M., Fischer
Sachbuch, 1990
Altstadt von Sevillas, Foto: U.A.
Al Andalus
Kultur, Tanz und Musik in der Maurenzeit
Eva Havva Marklowski
Der alte, klassische arabisch-andalusische Tanz hat weder in seinen
Bewegungen, noch mit seinen Kostümen geschweige denn in seiner Musik
viel mit dem heutigen Flamenco-Tanz zu tun. Das kann er auch gar nicht,
kamen doch die Zigeuner erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts n. Chr.
nach Spanien. Um diese Zeit wurde Granada als letzte Bastion der Mauren
in Spanien gerade von den Christen erobert. Die Stadt fiel 1492 endgültig
an die Christen und damit fiel alles Islamische gnadenlos der Inquisition
anheim.
altes Manuskript, ca. 17. Jh.
erfolgreich gewesen, dass der islamische Gouverneur von Tanger mit vier
Transportschiffen des Grafen Julian
über 7.000 Mann in Gibraltar abgesetzt habe. Gibraltar - Dschebel al
Tariq, der Berg des Tariq - habe so
seinen Namen erhalten. Roderich
wurde geschlagen und die Muslime
eroberten Spanien ohne nennenswer-
ten Widerstand. Als einer der Gründe
hierfür mag gelten, dass die Urbevölkerung Spaniens, die Iberer, zu
den Berbern Nordafrikas eine größere kulturelle Nähe hatten als zu den
römisch-indogermanischen Völkern.
Die Muslime nannten ihr neues islamisches Land al Andalus, was mögli-
Al Anadalus - Zentrum der
Weltkultur - geschichtlicher
Überblick
Al Andalus war für nahezu 800 Jahre
das arabische Zentrum der Weltkultur. Der Legende nach heißt es,
dass Roderich, der letzte König der
Westgoten, sich im Jahre 711 n. Chr.
an Florinda, der Witwe seines
Vorgängers Witiza vergangen habe.
Florindas Vater, Graf Julian von
Ceuta, habe daraufhin aus Rache den
aus dem Osten kommenden Muslimen Schiffe zur Überfahrt zur
Verfügung gestellt. Der erste Vorstoß
des Tariq ibn Malik Nachi sei so
8
Historische Personen: Tariq ibn Malik Nachi und Begleiter, Foto: Museum in Gibraltar
cherweise eine Arabisierung des römischen "Spania" war. Wahrscheinlicher
ist jedoch die These, Andalusien käme
von Vandalusien und stamme aus der
Zeit der Völkerwanderung der Vandalen. Eine weitere Begriffsinterpretation leitet sich vom gotischen
"Landahlauts" ab, was soviel wie
"landlos" bedeutet und auf die westgotischen Eroberer hinweist, die in
ihrer Heimat landlos waren.
Schmelztiegel der Religionen
und Kulturen
Die Muslime hatten von Anfang an
eine große Akzeptanz bei der einheimischen Bevölkerung und so konnte
sich im Laufe der folgenden Jahrhunderte Al Andalus zu einem
Schmelztiegel der Kulturen entwikkeln. Bei den Juden wurde das biblische Sepharad bereits in alter Zeit
mit Spanien gleichgesetzt und die
Epoche ihrer Geschichte im Land
Sepharad gilt als das goldene
Zeitalter. Unter der Herrschaft der
Mauren konnten sie frei von Verfolgung und gesellschaftlichem Druck
ihrer Religion und ihren Lebensgewohnheiten nachgehen. Ebenso gut
erging es den Christen.
Die damals in Al Andalus lebenden
Menschen teilte man in sechs Bevölkerungsgruppen ein. Die Araber in
Spanien gliederte man in die im
Lande geborenen und die Syrer. Die
aus Afrika herüber gekommenen
Berber siedelten hauptsächlich im
Süden des Landes als Bauern. Die
vierte Gruppe der Bevölkerung bildeten die einheimischen Konvertiten
zum Islam. Die fünfte Schicht waren
die Musta'ribun, die Mozaraber,
die arabisierten Christen, die Romanisch und Arabisch sprachen. Die
letzte Bevölkerungsgruppe stellten
die Juden.
Nach der islamischen Eroberung war
zunächst Sevilla die Residenz, doch
bereits wenige Jahre später wechselte
die Regierung nach Córdoba. Unter
Abd al Rahman II. (822 - 852)
wurde Córdoba (arab. Qurtuba) zur
prunkvollen Hauptstadt ausgebaut. Es
erhielt einen großen Palast und eine
Hallenmoschee nach syrischem Vor-
bild. Auch die Hofhaltung Córdobas
ahmte syrisch-omajadische Traditionen nach, ohne deshalb die von den
Abbasiden eingeführten persischen
Sitten abzulehnen. Die Abbasiden
(750 - 1258) hatten zwischenzeitlich
die Herrschaft in Bagdad übernommen und die Hauptstadt des Kalifenreiches zum Mittelpunkt der islamischen Musikkultur gemacht. Unter
Harun al Rashid (786 - 809) erlebte die Musikpflege in Bagdad ihren
Höhepunkt. Dabei kam es auch zu
Auseinandersetzungen zwischen den
Vertretern des neuen persischen
Stiles Ibrahim ibn al Mahdi und des
alten
arabisch-hedschasenischen
Stiles Ishaq al Mausili. In der Folge
gingen durch die rein mündlichen
Überlieferungen viele alte Musiktraditionen verloren, zumal einer der
nachfolgenden Kalifen, al Ma'mun,
als Sohn einer Perserin dem Arabertum nicht sonderlich zugeneigt war.
Arabische Segenssprüche für
katholische Kirchen
Seit in Südeuropa Muslime, Juden
und Christen aufeinander trafen,
zeigte sich die kulturelle Überlegenheit der Muslime über die Christen
westlich der byzantinischen Grenzen.
Deutsche und angelsächsische Könige
prägten Münzen nach dem Vorbild
der arabischen Dinare. Europas Adel
und sein Bürgertum trug orientalische
Bildausschnitt einer Wand im Palast des Reales Alcazares in Sevilla, Foto: U.A.
9
Seiden und Baumwollstoffe, importierte orientalische Teppiche und
setzte kopierte arabische Segenssprüche auf die Wände ihrer Kirchen.
Normannische Könige und deutsche
Kaiser trugen bis 1806 mit arabischen
Texten bestickte Prunkkleider. Arabisch wurde die Sprache der Gebildeten und zur Hauptliteratursprache. Christen wie Juden sprachen
sie, so dass kirchliche Anweisungen
ins Arabische übersetzt werden mussten, um im Süden verstanden zu
werden. Die Mozaraber und die führenden Gelehrten der Juden wie zum
Beispiel Maimonides schrieben in
der
Sprache
des
Propheten
Mohammed.
Die Araber verfassten zwischen dem
8. und 15. Jahrhundert etwa 260
Werke über Musik. In Europa dagegen gab es nichts zwischen dem 6.
und 9. Jahrhundert. Es ist nicht ein
einziges byzantinisches Werk zwischen dem 4. und 10. Jahrhundert
nachzuweisen. Zahllose Werke der
Medizin, Mathematik, Philosophie,
Literatur und Theologie wurden aus
dem Arabischen ins Lateinische,
Hebräische und Kastilische übertragen und waren die Quelle geistiger
Befruchtung für Europa. Jahrhunderte
lang unterrichteten Europas Universitäten nach in Spanien übersetzten
Lehrbüchern der Medizin.1 Bei dieFriedrich II. mit seinem Falken
10
sem Sachverhalt ist die Bemerkung
über eine damalige Form der Urheberrechtsverletzung des Ibn 'Abdun
nicht verwunderlich, dass "wissenschaftliche Bücher nicht an Juden und
Christen verkauft werden sollten, da
diese sie übersetzen und als ihr geistiges Eigentum ausgeben."2
Der starke maurische Einfluss ist
heute noch in Andalusien zu spüren
und zu besichtigen: Neben der
Alhambra, der Festung in Granada,
ist in Córdoba vor allem die berühmte vielsäulige Moschee zu bewundern,
antikes Tintenfass, ca. 15. Jah.
Nach dem Untergang des Kalifats der
spanischen Omajaden verlor der
maghrebinische Islam in zahlreichen
Kämpfen mehr und mehr an Boden.
Sizilien und die Balearen wurden von
den Christen zurückerobert, das muslimische Reich in Spanien schrumpfte
zusehends, bis schließlich nur noch
das Emirat Granada als Vasallenstaat
bis 1492 bestehen blieb.
Das Ende Granadas Bücherverbrennungen und
Zwangstaufen
Das Ende Granadas kam, als sich die
christlichen Königreiche Kastilien und
Aragon 1479 durch die Heirat von
Ferdinand und Isabella vereinigten.
Der Erzbischof von Toledo ließ nicht
nur die theologischen Werke des
Islam verbrennen. In Córdoba fielen
80.000 Bände wissenschaftlicher
Arbeiten über Medizin, Astronomie,
Mathematik, Musik und Philosophie
den Flammen des Fanatismus zum
Opfer.
die nach der Reconquista in eine
Kirche umgewandelt wurde. In abgelegenen Bergdörfern kann man sogar
noch auf alte Berbertänze treffen, die
überlebt haben.
Einst war auch Sizilien eine Hochburg
der Toleranz zwischen Christen,
Juden und Muslimen, gleichzeitig ein
Hort der Künste und der Wissenschaften. Hier herrschte im Mittelalter Friedrich II., gest. 1250, bekannt für seine Liebe und Bewunderung allem Arabischen gegenüber.
Unter anderem hatte er auch "sarazenische Ballerinas und Sängerinnen"
an seinem Hof beschäftigt. Er selbst
verfasste ein Buch über die Falknerei
auf Arabisch. Nach seinem Tod wurde
er von seinen muslimischen Truppen
zu Fuß bis nach Tarent (Süditalien)
gebracht, sein Leichnam war in ein
weißes, mit goldener arabischer
Schrift besticktes Tuch gehüllt.*
Wer nicht konvertierte, wurde getötet
oder musste ins Exil. Oft wurden die
Menschen auch noch ihres Hab und
Guts beraubt, indem man all ihren
Besitz beschlagnahmte. Das galt für
Juden genauso wie für Muslime. Doch
auch die als unzuverlässig geltenden
Christen, die Mozaraber, waren der
Inquisition der Reconquista ausgesetzt. Verdächtig machte sich bereits,
wer mit Olivenöl kochte, da sowohl
Muslimen als auch Juden die
Verwendung von Schweinefett untersagt war.3
Mehr als eine halbe Million
Menschen verließ Andalusien und
wanderte nach Nordafrika oder bis
nach Griechenland aus. Mit den antiislamischen Gesetzen von 1566 war
die islamische Periode in Spanien
endgültig vorbei.
* nach muslimische Ritus, Anm. d. Red.
weiter auf S. 12
Die maurischen Dynastien (711 - 1492 n. Chr.)
Kerstin Eva Dreher
Die mehr als 700 Jahre andauernde Maurenherrschaft in Andalusien hatte auch ihre chaotischen Seiten, denn die einzelnen Dynastien rivalisierten miteinander. Immer wieder kamen neue Invasoren aus Nordafrika, um die regierenden
Machthaber abzulösen. Historiker teilen die Maurenherrschaft in sechs größere Zeitabschnitte ein:
Die Zeit der omaijadischen Gouverneure (711 - 756)
Damals stand das Land unter direkter Herrschaft der Omaijaden. Die Omaijaden waren eine Kalifen-Dynastie, die von
661 - 750 in Damaskus (Syrien) herrschte. Verwaltungssitz war Córdoba. Aus dieser ersten arabischen Zeit sind nur
noch Münzen und ein paar Scherben von Töpferwaren erhalten.
Das Emirat der Omaijaden (756 - 929)
Nachdem das Kalifat in Damaskus gestürzt wurde und das Geschlecht der Omaijaden fast gänzlich ausgerottet war,
gelang es einem jungen überlebenden Spross sich nach Spanien durchzuschlagen und seine Herrschaft in Córdoba
weiterzuführen. Sein Name war Abd al Rahman. Er begann mit dem Bau der Großen Moschee. In seiner Regierungszeit
wurde die andalusisch-arabische Kultur begründet.
Das Kalifat der Omaijaden (929 - 1031)
Abd al Rahman III. erklärte sich 929 selbst zum Kalifen. Unter seiner Herrschaft und der seiner Nachfolger entwickelte
sich al Andalus mit seiner Hauptstadt Córdoba zum Zentrum der islamischen Welt. Der Ausbau der Großen Moschee
und die Palaststadt Medina al-Zahara waren die äußeren Zeichen dieses Reichtums.
Die Zeit der Taifas (1031 - 1086)
Das Kalifat von Córdoba zerbrach unter dem Bürgerkrieg zwischen 1010 und 1013. In den verschiedenen Provinzen von
al Andalus erhoben mehrere Familien - die so genannten Taifas - den Machtanspruch und konkurrierten. Politisch war
das Omaijaden-Kalifat zerfallen und auch die Taifas, also die muslimischen Kleinkönigreiche, waren dagegen machtlos.
Dieses Machtvakuum machte es der Reconquista - der christlichen Rückeroberung - leicht, an Boden zu gewinnen.
Die Zeit der Almoraviden und Almohaden (1088 - 1232)
Nach der Niederlage der moslemischen Truppen gegen die Christen bei Toledo (1085) kamen die Almoraviden aus
Nordafrika ihren Glaubensbrüdern zur Hilfe. Ihnen folgten die Almohaden, die aus dem südlichen Maghreb stammten.
Ihre Hauptstadt blieb zunächst Marrakesch in Marokko, später übernahm Sevilla diese Rolle. Eindrucksvolles Dokument
dieser Epoche ist die Giralda, der Glockenturm der Kathedrale von Sevilla.
Das Königreich der Nasriden (1238-1492)
Im Schatten des bevorstehenden Untergangs lief die maurische Kultur in Granada unter der Herrschaft der Nasriden der letzten maurischen Dynastie in Andalusien - noch einmal zur Hochform auf. Ihr schönstes Denkmal ist die
Alhambra, bis heute der größte Publikumsmagnet Andalusiens. Doch die Nasriden standen während ihrer gesamten
Herrschaft unter großem politischen Druck aus den nördlichen, mittlerweile von den Christen zurückeroberten Ländern
der iberischen Halbinsel. Mit der Heirat der katholischen Könige Isabella und Ferdinand waren schließlich auch ihre
Königreiche Kastilien und Aragon vereinigt. Die christliche Übermacht war zu groß, und der letzte nasridische
Herrscher, König Boabdil, gab schließlich auf.
11
im Reales Alcazares in Sevilla, Foto: U.A.
Kunst und Kultur, Erotik und
Sinnesfreuden in den Palästen
Die Erotik, das Körperbewusstsein
und die Genussfreude in Al Andalus
waren eng an das Frauenbild des frühen Islam gebunden. Erst unter dem
Einfluss Persiens entstand jene islamische Gesellschaft, welche die
Frauen im Harem hielt und ihnen in
der Öffentlichkeit das Tragen von
Schleiern auferlegte. Jedoch war das
Verhältnis der Männer zu den Frauen
ambivalent: Je höher die Stilisierung
der Frau zum Göttlichen und Reinen
auf der einen Seite wurde, desto mehr
hatte die Prostitution auf der anderen
ihre Blütezeit.
Trotzdem wurden Sklavinnen häufig
Konkubinen, die es auch zu gesellschaftlichem Ansehen brachten. Eine
Stufe höher standen die Musik-,
Tanz- und Gesangssklavinnen, die oft
mit viel Aufwand in den Künsten ausgebildet waren und dank ihrer
Bildung als Kurtisanen bei Hofe oder
in Adelskreisen außerordentlich begehrt waren. Ihnen wurde nicht nur in
Bezug auf ihre Liebesverhältnisse viel
Freiheit gelassen. Al Baha z. B. gab
sogar einer Moschee im Vorort von al
Rusafa ihren Namen, andere wie
Mu'ammara legten auf eigene
Kosten einen Friedhof an und waren
12
für ihre Nächstenliebe bekannt.
Manche Emire bauten für ihre Lieblingskonkubinen eigene Paläste oder
benannten Stadtviertel nach ihnen. Hatten sie das Glück, dem Emir einen Sohn
zu gebären, dann war ihr Recht auf
Freiheit nach seinem Tode gesichert.
Mandragora und Belladonna
Bei der hohen sozialen Bedeutung
der Erotik in Al Andalus waren natürlich auch Aphrodisiaka weit verbreitet. Angefangen vom offiziell verbotenen Wein über die geheimnisvolle
Mandragora (Alraune), die Tollkirsche
oder
Belladonna,
dem
besonders im maurischen Spanien
weit verbreiteten Stechapfel bis zur
Muskatnuss und zum Haschisch war
alles eine Frage der Dosis, ob es stimulierend, einschläfernd oder toxisch
wirkte.4
Die Geschichten von den maurischandalusischen Trinkgelagen erinnern
gelegentlich an die Bacchusfeste der
Römer.
"Al Kattanis Tänzerinnen könnten
ebenso gut Bacchantinnen gewesen
sein".5
Christliche Prüderie
Sinnlicher Genuss, d. h. Genuss mit
allen Sinnen, umfasste natürlich nicht
nur Musik und Tanz sondern ebenso
Speisen und Getränke, Wohlgerüche
und damit verbunden eine ausgeprägte Bade- und Reinlichkeitskultur. Als
zehn Jahre vor der Eroberung Granadas der Badeort Alhama (von arabisch "Al Hamam" - die "heiße
Quelle") einem christlichen Überraschungsangriff zum Opfer fiel, waren
die Mauren von diesem Frontalangriff
auf ihre Kultur schwer getroffen. Das
Gelübde der katholischen Königin
Isabella, bis zur Eroberung Granadas
ihr Hemd nicht mehr zu wechseln,
bezeugt die konträre, christlichprüde Einstellung zur Körperlichkeit,
"die Schmutz nunmehr als Vorstufe
zur Heiligkeit erhob".6
Musik und Tanz
Während der Regierungszeit Abd al
Rahmans kam der berühmte Sänger
und Musiker Ziryab an den Hof nach
Córdoba und soll dort die persische
Musik und die persische Hofmode in
Spanien eingeführt haben. Abu
l'Hasan ibn Nafi, der wegen seiner
dunklen Hautfarbe Ziryab genannt
wurde, war in Mesopotamien geboren
und vom Kalifen al Mahdi freigelassen worden. Als Schüler des berühmten Ishaq al Mausili, der unter
Harun al Rashid wirkte, machte er
sich am Hof in Bagdad schnell einen
Namen. Nach Unstimmigkeiten am
Hof verließ er Bagdad und kam 822
nach Al Andalus, wo er bis zu seinem
Tode 857 blieb.7
Da Abd al Rahman sich in der
Hofhaltung auch sonst am Beispiel
Bagdads orientierte, das tradtionsgemäß Sängerinnen aus Mittelasien
und Chorasan bevorzugte, kann man
den persisch-zentralasiatischen Ursprung des klassischen arabischandalusischen Hoftanzes als gesichert
betrachten. Die sich in Syrien und
Ägypten erhaltenen Überlieferungen
von Bewegungen und Kostümen sprechen ebenfalls für diese Annahme.
Muwashahat und Zajal
Der Sänger und Musiker Ziryab
wurde außerdem dafür bekannt, dass
er eine fünfte Saite auf der Laute (al
Oud) anbringen ließ, eine eigene
Musikschule gründete und jene Musik
prägte, die noch heute in Nordafrika
als andalusische Musik ausgeübt
wird. Sie hat auch die Volkskunst
Spaniens stark beeinflusst. Zum Ende
des 9. Jahrhunderts entstand in
Qabra (bei Córdoba) eine spanischislamische Sonderform der Lieddichtung, die Muwashah. Sie fügte
an arabische oder hebräische Lieder
kurze romanische Schlussverse an.
Der blinde Poet Muqqadam ibn
Mu'afa soll sie mit ihrer sehr eigenwilligen Metrik erdacht haben. So trat
neben die besonders von importierten Sängerinnen aus Vorderasien
gepflegte arabische Musik eine regional geprägte spanische Musik.
Die Blütezeit
Mit der Berberherrschaft in Spanien
(1050 - 1200) begann die eigentlich
maurische Phase der maghrebinischandalusischen Kultur, die sich deutlich von der Kunst des arabischen
Ostens unterschied und als ihre
Blütezeit bezeichnet wird. Die Zeit
Wasserschöpfräder in Hama, Syrien, Foto: www.wikipedia.org
der Kleinkönige, der Muluk al
Tawa'if, in den zahlreichen Emiraten
und Fürstentümern hinterließ eine
Fülle von Gedichten und literarischen
Sammelwerken. Bedeutung erhielt in
dieser Zeit auch das Kurzgedicht, das
Zajal. Hier ein Beispiel:
"Ein Lachen, Perlen enthüllend,
Ein Gesicht, schön wie der Mond.
Die Zeit ist zu eng, das zu fassen,
Mein Herz aber fasst es."
Al-A'ma al Tutili, 12. Jh.
Die Freunde dieses Meisters des
Kurzgedichtes sollen daraufhin ihre
Flamencogesang live in einem Café in Sevilla, Foto: U.A.
eigenen Gedichte zerrissen haben.8
Al Andalus - Heimat und
Ursprung des Minnesangs
Ein der europäischen Liebesdichtung
bis dahin fremder Zug war die
abstrakte Behandlung der Geliebten.
Die Angebetete wurde und wird in
der arabischen Poesie gewissermaßen
verschleiert und nicht beschrieben.
Die abstrakte Idealisierung der weiblichen Schönheit in Al Andalus wurde
zum Urbild des Frauenideals der europäischen Minnesänger, deren Lieder
und Gesänge stark von der maurischen
Tradition beeinflusst waren.9
Neben Toledo und Córdoba war
Sevilla vor allem bekannt durch seine
Instrumentenherstellung. In einem
überlieferten Gespräch heißt es:
"Wieso kommt es eigentlich, dass
dann, wenn ein Gelehrter in Sevilla
stirbt, dessen Bücher nach Córdoba
gesandt werden; wenn aber ein Musikant in Córdoba stirbt, schickt man
seine Instrumente nach Sevilla?"
Wir erfahren auch von Musikfesten
während der Mondscheinnächte in
Triana, einer Vorstadt Sevillas, wo der
begabte Ibn Sahl seine Muwashahat,
seine Strophengedichte, schrieb.
Das Bild, das uns vom Musikleben im
13
mittelalterlichen Spanien vermittelt
wird, ist auffallend bunt und differenziert. Häuser und Straßen waren voller Musik, nicht nur an den anerkannten Tagen häuslicher Freude, wie
Geburt, Beschneidung und Hochzeit
sondern auch im Alltagsleben bei der
Arbeit, da "die Gesänge die Arbeit
erleichtern und die Müdigkeit der
Seele vertreiben."10
Die Zamra, die die Spanier Zambra
nannten, war ein regelmäßig stattfindendes Musikfest der Mauren, das
unter freiem Himmel gefeiert wurde
und auch den raqs , den Tanz, mit
einbezog.11
Der nach der Rückeroberung im Land
zurück gebliebene und zum Christentum konvertierte Maure wurde Mo risco genannt. Unter allen im 15.
Jahrhundert erwähnten Tänzen ist der
Moriskentanz der am häufigsten genannte. Er trat in zwei Formen auf:
Als Einzeltanz ungefähr in der Form,
wie ihn die Tänzer an den maurischen
Höfen dargebracht haben könnten
und als Paar- oder Gruppentanz mit
dem Motiv des Schwertkampfes zwischen Mauren und Christen. Typisches Merkmal des Moriskentanzes,
wie ihn der Tanzschriftsteller Thoinot
Arbeau in der ersten Hälfte des 16.
Jahrhunderts erlebte, waren die
schwarz gefärbten Gesichter der
Tanzknaben, ein weißes oder gelbes
Band um die Stirn und Schellen am
Bein. Die Tänze der Morisken haben
sich in vielen europäischen Ländern,
meist als Chorreigen und Schwertanz,
bis heute erhalten.
(s.: http://www.morisken.vo.tu-muenchen.de/)
Die Zambra Mora und die
Zambra Granadina
Das Flamencoleben in Granada war
anders als im südwestlichen Andalusien. Als die Zigeuner nach
Granada kamen, hatten die Mauren
14
dort 200 Jahre länger gelebt als im
übrigen Andalusien.
Als Ausdruck ihrer
wichtigsten Kunstformen - Musik und
Tanz - galten ihre
Zambras,
das
orientalische Erbe
der großen Kalifate
im 10. und 11. Jahrhundert. Dieses ehemalige
maurische
Fest wurde fortan
von den Zigeunern
übernommen und
das Wort "Zambra"
bedeutet
seitdem
auch "Zigeunerfest".
Die Namen Moriska
und Zambra werden
in Europa oft synShahrazad, Potpouri aus syrischen Muwashahat, Foto: von Tersteeg
onym für Chortänze
in der Doppelfrontform verwendet. Die "Zambra", die
einst zum Klang der Flöten und
Oboen (arabisch "zamr" = Oboe)
Die Hoftänze der
getanzt wurde, war - wie die Dichter
Maurenzeit
es schilderten - eine Danza moriska,
von Moros und Moras Hand in Hand
Abbildungen von Tänzerinnen der
ausgeführt. Vermutlich war sie auch
mit den oben erwähnten Musikfesten
Eva Havva Markloswski
der Mauren verwandt, bzw. Fest und
Tänzerin,
Lehrerin und Choreographin
Tanz hatten die gleiche Bezeich12
für orientalischen Tanz seit 1984. Seit
nung.
Das Zigeunerfest bzw. die Zambra,
die in den Höhlen des Sacromonte
gefeiert wurde, war die Zambra gra nadina. Befragt man Flamencotänzer
von heute, so erfährt man nur noch,
dass die Zambra oder Zambra mora
(auch Danza mora, Danza moriska)
ein sehr arabisch beeinflusster Tanz
war, der barfuss, mit offenen Haaren
und einem kürzeren Rock getanzt
wurde. Die Tänzerinnen begleiteten
sich selbst häufig mit einem Tamburin. Bedauerlicherweise sind die
letzten Lehrerinnen, die noch die
Zambra unterrichten konnten, inzwischen verstorben.13
1990 Autorin von Fachartikeln über
orientalischen Tanz und Orient-Kultur
für deutsch- und englischsprachige
Zeitungen. Gründung der Schule
"Oriental Dance Art" 1995 für Ausbildungslehrgänge zur Orientalischen
Tanzpädagogin.
Verlag Oriental
Verlagsgründung
Dance Art, 2002
eigene Publikationen:
Marklowski/ Römer: Orientalischer
Tanz, Raqs Sharqi, Bauchtanz - ein
Praxisheft für Orientalische Tanzlehrerinnen, 2002
Marklowksi/ El Joker: Orientalischer
Tanz, Folklore und Hoftänze, 2003
www.havva.de
arabischen Zeit in Spanien sucht man
meist vergeblich, haben doch die
katholischen Könige mit ihrer antiislamischen Zerstörungswut die meisten Zeugnisse ausgelöscht. Nach
dem bisher Gehörten dürfte es aber
nicht allzu schwierig sein, sich die
Tänzerinnen vorzustellen, die im sinnenfreudigen Al Andalus getanzt,
gesungen und musiziert haben. Die
Musik wie auch die Mode waren persisch beeinflusst, das gesamte
Hofleben war recht bald im Stil des
Bagdader Vorbildes aufgebaut. Und
dort bevorzugte man seit jeher
Tänzerinnen und Sängerinnen aus
Chorasan. Denkt man sich die weiteren Einflüsse dieser ungeheuer kreativen Zeit hinzu, betrachtet man die
Musikinstrumente, die in jener Zeit
dort gespielt und hergestellt wurden
und erfährt man, mit wievielerlei
Zimbeln, Klappern und Kastagnettenarten sich die Tänzerinnen selbst
begleiten konnten, so dürfte es sich
bei den damaligen Vorführungen um
eine ausgefeilte, hoch entwickelte
Tanzkunst gehandelt haben. Die zahlreichen Rhythmen waren kompliziert:
noch heute gilt das Erlernen des klas-
Literatur
André Clot: Das maurische Spanien. 800 Jahre islamische Hochkultur in Al Andalus.
Patmos Verlag, 2004
W. Müller, M. Kusserow: Andalusien. Spurensuche im Land der Mauren, Flechsig
Verlag, 2003
Rolf Legler: Andalusien - Maurische Pracht in Spaniens Süden, Belser Verlag, 2006
María Rosa Menocal: Die Palme im Westen. Muslime, Juden und Christen im alten
Andalusien, Kindler Verlag, 2003
historische Romane
Tariq Ali: Im Schatten des Granatapfelbaumes. Heyne Verlag, 1994
Magdalena Lasala: Die Schmetterlinge von Córdoba, rororo tb, 2002
Internet:
www.andalusien-web.com
www.design-up.ch/andaluz/
ww.andalusien.info
http://www.red2000.com/spain/córdoba/2cordob.html
www.planet-wissen.de
http://www.weltenbummlerin.net/reisebericht_andalusien.htm (mit schönen Fotos)
weitere Literatur vgl. Anmerkungen unten auf dieser Seite
.
sischen Muwashah bei den arabischen
Musikern als schwierig. Ein bewegliches Rückgrat, dezente Hüftbewegungen wie die horizontalen Hüftachten, mit Arabesken gekrönte kleine Sprünge, vor allem aber differenzierte Arm- und Handbewegungen,
weiche Kopfbewegungen und raffinierte Posen - so könnte dieser Tanz
ausgesehen haben.
Wie bei allen Hoftänzen mussten die
Anmerkungen
1 Alec Robertson und Denis Stevens: Geschichte der Musik.
Die Hochkulturen des Ostens. Das Altertum. Das Mittelalter,
München, Pawlak Verlag, 1990, S. 161
2 Burchard Brentjes: Die Kunst der Mauren. Islamische Traditionen in Nordafrika und Südspanien. DuMont Verlag, Köln,
1992, S. 197ff.
3 Peter Hilgard: Der maurische Traum. Dimensionen der
Sinnlichkeit in al-Andalus, Jenior Verlag, Kassel, 1997, S. 149
4 ders., ebd., S. 73f.
5 ders., ebd., S. 94
6 ders., ebd., S. 226
7 Da Zyriab im altarabischen Musikstil von al Mausili gelernt hatte,
ist es eher unwahrscheinlich, dass er die persische Musik am Hofe
zu Córdoba eingeführt hat. Er war jedoch nicht der einzige "zugereiste" Musiker aus Bagdad, zumal der Nachfolger von Harun al
Raschid - wie bereits erwähnt - alles Persische bevorzugte.
8 Henry George Farmer: Musikgeschichte in Bildern. Islam.
Band III: Musik des Mittelalters und der Renaissance /
Lieferung 2, Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1966, S. 46
.
Kostüme hierzu edel und effektvoll
sein, gleichzeitig aber genügend
Bewegungsfreiheit lassen: wertvolle,
weich fließende Stoffe, Pluderhosen
oder Röcke, in der Taille gegürtet,
anliegende Oberteile mit weiten
Ärmeln und eventuell dekorative
Schals, die an den Handgelenken befestigt waren, um die Armbewegungen zu
unterstreichen. Turbanartiger Kopfputz
wie auch raffinierte Flechtfrisuren ver-
9 Auf der CD "Rumba Argelina" von der Musikgruppe "Radio
Tarifa" findet sich z. B. das vertonte Gedicht "Nu alrest" von
Walter von der Vogelweide, gest. 1230, das sich nahtlos in die
übrigen andalusischen Stücke einfügt.
10 Henry George Farmer: Musikgeschichte in Bildern.
11 ders., ebd., S. 46
12 Der englische Morris Dance, dessen Form - sechs Männer,
ein Narr, ein als Frau verkleideter Knabe und ein als Pferd verkleideter weiterer Mann - ist ein direkter Abkömmling des
Moriskentanzes. Die Melodie, die besagter Thoinot Arbeau
1588 für den echten Moriskentanz in Frankreich notierte, wurde
schon 1550 in England als Morris Dance gedruckt und wird
noch in unseren Tagen von englischen Volksgeigern gefiedelt. In
England wurde der Morris Dance in Kirchen getanzt. Die klassische Tänzerzahl von sechs Teilnehmern im Morris Dance
wurde früher auch in spanischen Kathedralen angewandt. Sie
heißen - ungeachtet der tatsächlich teilnehmenden
Tänzeranzahl - heute immer noch "los Seises", "die Sechs".
13 Information der Flamencotänzerin Carmen-Diana Felchtner,
Heidenheim
15
Arabische Musik
Klassisch-arabische Gesangskunst
Nauba andalusi und Muwashah Mohamed Askari
Nachdem die Araber und die muslimischen Berber das Reich der Westgoten in Spanien zerschlagen hatten,
gehörte der größte Teil der Pyrenäen-Halbinsel zum Reich der Omayaden. Abd al Rahman l. (756-788) grün dete das Emirat von Qurtuba (Córdoba). Das maurische Spanien erlebte unter der arabischen Herrschaft einen
wirtschaftlichen und kulturellen Aufstieg. Neue Kulturpflanzen (Reis, Zuckerrohr, Dattelpalme) wurden einge führt, neue Bewässerungsanlagen gebaut.
Die Musik wurde am Hofe der Omayaden in Córdoba großzügig gefördert. Abbas ibn al Nasa'i und Mansur al
Yahudi (der Jude) gelten als die bedeutendsten Musiker am Hofe al Hakams l.
Während des 9. und 10. Jahrhunderts
war Bagdad für den östlichen Teil der
arabischen Länder das, was Qurtuba
(Córdoba) für den westlichen Teil
war: das politische und zugleich auch
kulturelle Zentrum, in dem die Wissenschaften und unter den Künsten
besonders die Musik einen großen
Aufschwung erlebten. Neben Córdoba stellte vor allem Granada einen
Mittelpunkt im kulturellen Leben der
Omayaden in Spanien dar. Die Araber
im Osten nannten den westlichsten
Teil des Reiches al Andalus und so
die Gangsform al muwashah auch zu
dem Namen al nuba al andalusi.
Heute ist diese Gesangsgattung eine
sehr beliebte Ausdrucksform des
Gesangs und eine bedeutende
authentische
Musiktradition
in
Marokko, Algerien und Tunesien.
Ziryab, der berühmte persische
Sänger, Dichter, Oud-Virtuose (Laute) und Musiktheoretiker, gest. um
860, kam 822 aus Bagdad nach
Spanien und wirkte am Hof Abd al
Ramans ll. in Córdoba. Ziryab grün-
Abb.: Zecher und Lautenspieler in einer Weinstube, Miniatur aus einer Handschrift
der Makamen des Hariri, vermutl. Ägypten, 1334
dete eine neue Oud-Schule, die
erfolgreicher war als alle anderen
Schulen zuvor. Er soll 10.000 Lieder
auswendig gekannt haben und wird in
seiner Kenntnis der Musiktheorie mit
Ptolemaios verglichen. Ziryab fügte
dem Oud die fünfte Saite hinzu. Sein
Einfluss ist noch lange Zeit nachweisbar.
Der Dichter al Muqaddam al Qabri
(um 900) gilt als erster Dichter, der
in Andalusien Muwaschahat schrieb,
d. h. Strophengedichte mit einem Refrain in der Landessprache.
Ibn Hazm berichtet in seinem Tauq
al Hamama, dass die Hofmusikkapelle Muhammads ll. al Mahdi,
1009 aus 200 Mitgliedern bestand.
Die Musiker waren, wie in Bagdad,
während des Musikvortrags durch
einen Vorhang (sitara) von den Zuhörern getrennt.
Mehr als 500 Jahre erlebte die andalusische Kultur eine Blütezeit. Aus
vielen Gegenden Europas kamen Gelehrte aus allen wissenschaftlichen
Bereichen, um von den Arabern zu
lernen. Viele Werke von al Farabi,
Ibn Sina und Ibn Rushd wurden in
die lateinische Sprache übersetzt und
an erster Stelle stand die Musik. In
dieser Zeit kamen Musiker aus verschiedenen europäischen Königrei-
16
chen nach Andalusien, Instrumentalisten, Musikgelehrte, Sänger, um die
Künste der Musik zu lernen. So wurden
die arabische Musik und ihre Instrumente im gesamten Europa verbreitet.
Die kleinen Höfe der Omayaden, die
nach der Zersplitterung des Kalifats
von Córdoba entstanden, setzten die
Tradition der höfischen Musikpflege
fort. Im Laufe der Zeit entwickelte
sich Sevilla zu einem Zentrum der
Musikpflege, wie Ibn Rushd al
Saqundi und Ibn Khaldun bezeugen. Die volkstümliche Gedichtform
Zagal, wie das Muwashah ein
Strophengedicht, wird in Spanien
sehr beliebt. Im 11. - 13. Jahrhundert
wurden u. a. Gedichte von al Bayagi,
gest. 1076, und Taqi al Din al Sarugi,
gest. 1294 in Kairo, gesungen.
Nach dem Niedergang von al Andalus
Mitte des 15. Jahrhnundert verließen
etwa eine halbe Million Menschen die
spansiche Halbinsel und wanderten
nach Nordafrika aus. Dorthin brachten sie ihr kulturelles Erbe und die
geistigen Errungenschaften der Philosophie, Astrologie, Poesie, Musik,
Gesangskunst usw mit. Von den nordafrikanischen Ländern war Tunesien
der unmittelbare Erbe dieser Künste
und Kultur.
Bis heute wird dieses Überbleibsel an
andalusischer Gesangskunst mit ihren
reichhaltigen Melodien und den seltenen, ausgefallenen Rhythmen in
Tunesien bewahrt und gepflegt. Man
bezeichnet diese Gesangsart als
Nauba Andalusi, die von einer
Generation zur anderen weitergegeben wird. Auf diese Weise hat man
seine kulturelle Identität entdeckt,
man sammelt, archiviert und bringt
sie in der Musikpraxis auch wieder
zur Aufführung.
Zahlreiche Musikliebhaber in Marokko, Algerien und Tunesien bemühten sich um diese Gesangskunst, indem sie sie sammeln und klassifizieren. So sind in Marokko elf, in Algerien zwölf und in Tunesien/Lybien
Das tunesische Nationalensemble während des 3. Festivals der Andalusischen Musik,
1972 in Algier, Foto: Dieter Förster
dreizehn Nauba vor dem endgültigen
Vergessen bewahrt worden. Der Rest
der Naubat wurde mit anderen Naubat
zusammen gefügt, die ähnliche Modi
und rhythmische Bezeichnungen hatten, und mit der Bezeichnung "verwaiste Naubat" versehen.
Die Muwashah (Pl.: Muwashahat) ist
ein Strophengedicht und hängt unmittelbar zusammen mit dem sozialen Kontext in Andalusien. Diese Gedichtform und zugleich Gesangsart
wurde erfunden, um die Befreiung
des musikalischen Vortrags von den
strengen Regeln der Dichtung im
Osten zu gewährleisten, wie Reim
und Versmaß, die in der Qasida
(klass. Gedichtform) vom Anfang bis
zum Ende gleich bleiben.
Im Gegensatz zur Qasida wird die
Muwashah meistens in der Umgangssprache verfasst. Der Sänger kann hier
seine Kunstfertigkeit zeigen, indem er
zusätzlich Melodien improvisiert und
Modulationen hinfügt. Er kann seine
Darbietung auch mit einem Sprichwort
oder volkstümlichen Weisheiten weiter
ausschmücken, um seine Zuhörer zu
fesseln.
Eine Reihe von unterschiedlichen
Aspekten verhalf dieser Gesangsgattung dazu, sich zu verbreiten: u. a.
die Umgangssprache, die zwischen
Hocharabisch und Latein eingebettet
war. Die Leichtigkeit der Worte und
ihre einfache Bedeutung, die verschiedenen Versmaße und unterschiedlichen Reime im Text eines
Muwashah ermöglichten es dieser
Gesangsart, ein bereiteres Publikum
zu erreichen. Die Muwashah wurde
nicht nur in Andalusien vorgetragen
sondern auch in Nordafrika und dem
gesamten arabischen Osten.
17
Die Texte der Muwashahat (Nauba)
erzählen meistens von der Liebe, vom
Wein, der Natur, der Askese, sind
Elegien, Lob- oder Klagetexte, Sufigedichte. Bis heute ist diese Gesangsform eine sehr bedeutende
authentische
Musiktradition
in
Marokko, Algerien and Tunesien.
Habib Hassan Touma schrieb in diesem Zusammenhang:
"… Bezeichnend für das MuwashahGedicht in Nordafrika ist, dass es obgleich in Hocharabisch verfasst auf keinem der 16 klassischen Versfüße der arabischen Metrik beruht.
Auch ansonsten weist das MuwashahGedicht keine feste Reihung von
Hebungen und Senkungen auf, sondern gruppiert diese vielmehr in
Anpassung an eine bestimmte musikalisch-rhythmische Formel (wazn).
Sprachlicher
und
musikalischer
Rhythmus sind im nordafrikanischen
Muwashah daher untrennbar miteinander verbunden." (Touma, S. 108)
Die Muwashah wurde am Anfang in
vier Abschnitten komponiert, die zwischen Gesangs- und Instrumentalpart
wechseln. Später wurde ein fünfter
tunesische Notenausgabe
Abschnitt hinzugefügt. Jeder Abschnitt hat seine eigene Bezeichnung.
Das Bedürfnis nach Musik war stärker
als das nach Poesie. Man hat eher
Musik komponiert und dafür Texte
gesucht, die ziemlich kurz waren, mit
einfachen Versmaßen. Dafür war die
Auswahl der Worte und Begriffe im
Text sehr tiefsinnig und vor allem
innovativ.
Es wurden Texte gesucht, die sich der
musikalischen Komposition unterordnen lassen und nicht umgekehrt wie
im Osten Arabiens üblich. Die Muwashah wurde nicht nur in Andalusien
sondern auch in Nordafrika und anderen Kulturzentren der arabischen Welt
wie Bagdad, Damaskus und anderen
Gegenden des Ostens vorgetragen.
Die Muwashah, bis heute in vielen
arabischen Gegenden mit Vorliebe
vorgetragen, verkörpert das musikalische Erbe des frühen al
Andalus. Diese Gesangsgattung impliziert die vielen Maqamat und die
alten arabischen Rhythmen, die fast in Vergessenheit geraten sind.
Der Dichter und MusikMohamed
theoretiker
ben Isma’il ben Shehab
eddin, gest. 1857, verfasste ein sehr wertvolles
Werk, eine Anthologie
und nannte sie Safinat
Shehab. Er sammelte ca.
350 Muwashahat, die in
seiner Zeit noch bekannt
waren, mit Angaben über
Komponisten, Dichter und
Maqam sowie RhythmusBezeichnungen.
18
Interessant ist, dass die ägyptischen
Sänger, die diese Muwashahat vorgetragen haben, Werke auswählten, die
rhythmisch und melodisch nicht
besonders kompliziert waren. Sie
wurden im Chor gesungen, was auf
Kosten der Aussprache und der rhythmischen Phrasierung ging. Ferner fügten sie Begriffe und Worte türkischer
Herkunft ein, um dem osmanischen
Herrscher - der der arabischen
Sprache nicht mächtig war - zu gefallen, wie z. B. Ganem, Amman,
Afandem usw. Die Sänger fügten dem
Originaltext aber auch arabische
Worte wie Lala, lalli, ya lala, ah ya eini
usw. hinzu, die einen rhythmischen
Ausgleich schaffen sollten.
Literatur
Habib Hassan Touma: Die Musik der
Araber. Noetzel Verlag, 1998
Christian Poché: La musique araboandalouse, 2001, (+ 1 CD) (franz.)
Noten
Ahmed al Wafi (1850 - 1921):
Partimoine musical Tunesien, Nawbet
Es-Sica et nawbet El-Houcine, hrsg.
Ministere des affaires culturelles et de
l’information, Republique Tunesienne
Salah El Mahdi: Patrimoine musical
Tunesien, La nawbah dans le maghreb
arabe, hrsg. Conservatoire National de
Musique et de Danse
CDs
Fairuz: Andaloussiyat, Digital Hellas
Press, 1990
Reinette L’Oranaise: Trésors de la
Musique Arabo-Andalouse, Sono Disc,
1988
Orchestre Andalous, Sono Disc, 1992
Internet
www.canzone-online.de
www.fnac.com (franz.)
Mohamed Askari
ist Musiker und Musikethnologe. Er
spielt selbst klassisch-arabische Musik
und gibt Unterricht in Musiktheorie,
Rhythmus, Nay und Oud.
www.MohamedAskari.de
erster Bataihi (Strophe) aus dem Adjam “Wir lieben eine trükische Gazelle”
19
Musikalisches joint-venture
Abed Azrié und Ensemble im Haus der Kulturen der Welt
Ulrike-Zeinab Askari
Trotz eines warmen Frühlingsabends war der
große Saal im Haus der Kulturen der Welt am
11. Mai 2006 in Berlin fast ausverkauft. Das
Publikum war so unterschiedlich wie wohl
schon lange nicht mehr: Araber, Spanier,
Franzosen, Deutsche. Aber schließlich ging es
ja darum, die Kulturen zusammen zu bringen.
Abed Azriés Idee für seine Produktion
Suerte war es, das Arabische mit dem
Spanischen zu vermischen. Bereits in seiner
Jugend hatte er durch ein Buch von Frederico
Garcia Lorca die Idee bekommen, dass ein
friedliches Miteinander verschiedener Kulturen möglich sein muss und dass die Musik
beseelt ist von etwas, das manchmal auch wieder zum Vorschein kommt. Die Spanier nennen es Duende, die Araber Tarab, im
Deutschen ist es vielleicht mit Ekstase zu
übersetzen.
Das Konzert war zum Gedenken des Tages der
Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 von der
Villa Aurora organisiert, einer Kulturstiftung,
die als internationaler Treffpunkt für Künstler
und Intellektuelle dient und den deutsch-amerikanischen Austausch in Literatur, Kunst,
Wissenschaft und Politik fördert.
Manche Stücke im Konzert
erinnerten mich in ihrer doch
recht
düsteren
Stimmung
schmerzlich daran, wie dumm
und grausam es ist, die geistigen
Schätze der eigenen Kultur zu
zerstören, was im übrigen auch
am Ende der maurischen Epoche
Andalusiens stattfand. Dort gingen unwiederbringliche Schätze
des Wissens in den Flammen der
Reconquista verloren.
Abed Azrié und Ana Felip
20
Das Ensemble aus vier Spaniern, einer dreiköpfigen arabi-
schen Percussiongruppe, einem BouzukiSpieler, einer arabischen Geige, Akkordeon
und Streichertrio gab sein Herzblut in die
Stücke, die spanische Sängerin Ana Felip
sang in ihrer samtigen Mezzosopranstimme im
Duett mit dem vollen, warmen Bass von Abed
Azrié zweisprachig in vollkommener Harmonie.
Das erste Stück des Konzertes, ein moderner
Sama'i im 10/4-Rhythmus, entsprach formal
der klassisch-arabischen Instrumentalmusik,
mit vielen Anklängen der musikalischen Einflüsse, die Abed Azrié geprägt haben, wie
seine französische Umgebung, in der er seit
dreißig Jahren lebt, die europäische klassische
Musik, die er ausgiebig studiert hat, insbesondere die Barockmusik, aber auch die russischen Komponisten. So ist auch die Instrumentierung alles andere als arabisch. Die spanischen Musiker mit Gitarre und Händeklatschen sind sehr subtil mit einbezogen,
ebenso wie die Bouzuki und die Streicher, die
dem Ganzen einen recht europäischen Touch
geben. Der letzte europäische Stempel
schließlich kommt zustande durch polyphone
Passagen, in denen entgegen der klassischarabischen Musik die Melodieinstrumente
unterschiedliche Melodiezüge spielen. So wie
Abed Azrié von sich sagt, er sei ein
Kosmopolit, so ist seine Musik doch zumindest eine erweiterte mediterrane und umspannt sein musikalisches Reich von Irak und
Syrien mit ihrer arabischen Tradition im Osten
bis nach Spanien im Westen, nimmt im Nordosten noch Teile der russischen Schule mit
und schließt auch die Franzosen mit ihren
Chansons ein. So viel Raum wie seine musikalischen Wurzeln einnehmen, so wenig Raum
gibt Abed Azrié leider den einzelnen Stücken,
sich zu entfalten. Viele der Parts (die einzelnen Stücke sind unterteilt in mehrere Parts)
sind gerade ein oder zwei Minuten lang, was
es schwierig macht, sowohl für die Musiker als
auch für die Zuhörer, in Ekstase zu geraten, in
Tarab oder Duende. Da gibt es herrliche
Passagen der spanischen Musiker, die an die
Streicher abgeben, bevor sie sich warm
gespielt haben. Die kurzen Improvisationen
der einzelnen Instrumente kommen als solche
kaum zur Geltung, da dem Geiger nicht wirklich die Zeit bleibt, seine Kunst zu zeigen und
ein komplettes Taqsim zu entfalten wie z. B.
beim Stück Entre tus manos, wo er einmal
zwei Minuten Zeit hat, während in der arabischen Musiktradition aber zehn oder fünfzehn
Minuten keine Seltenheit sind. Ferner fehlt
mir ein Blasinstrument und mindestens ein
Melodieinstrument in hohen Lagen, denn alle
seine Instrumente vertreten eher die mittlere
und tiefe Tonlage, was den einzelnen Stücken
oft einen düsteren Eindruck gibt, noch dazu
haben viele Stücke Moll-Charakter, was zwar
zum Anlass des Konzertes passte, aber nicht
unbedingt mit meiner Vorstellung von andalusischer Musik im 11. Jahrhundert übereinstimmt. Ebenso das Stück Belleza, das als
Duo gesungen nur vom Daff, der Rahmentrommel, begleitet wird, sehr getragen und
langsam, in wenig bewegter Melodie. Dagegen ist das folgende Stück regelrecht ein
Lichtblick: Gazal, die Gazelle, in dem die
rehbraunen Augen einer Frau besungen werden, deren Opfer der Mann wird, der Arme,
endlich eine Auflockerung mit flotterem, beinahe tanzbarem Rhythmus und einer etwas
fröhlicheren Melodie. Auch das Stück Luna
besingt die Frau, die in der arabischen Lyrik
mit dem Vollmond verglichen wird.
Am Gesang fehlte mir ab und an auch die
typisch arabische Verzierungstechnik mit Melismen, Glissandi usw. Statt dessen ist die
Stimme von Abed Azrié fast ausschließlich
wie in französischen Chansons ruhig, weich
und warm und in der Melodieführung ziemlich
glatt eingesetzt. Das Stück Sabio amigo ist
eines der wenigen, das rhythmisch flott und
von seiner Instrumentalmelodie her leichter
und bewegter ist, jedoch durch die sehr getragenen und düsteren Vokalstimmen wie auch
durch die einleitende Melodie von Akkordeon
und Geige empfand ich es insgesamt wieder
bedrückend. Das folgende Stück Grabado hat
mich gar an einen Trauermarsch erinnert mit
dem ruhigen Cello und Akkordeon und dem
Daff, der einen marschähnlichen Rhythmus
spielt. Die Streicher spielen überhaupt oft
sehr düstere Passagen, die mich etwa an Bachs
„Musikalisches Opfer“ erinnert haben.
Ein beeindruckendes Konzert, mit spannender
Musik, die mir bisweilen etwas akademisch
vorkam. Möglicherweise wäre hier weniger wie so oft - mehr gewesen: weniger Stücke,
weniger Text, dafür mehr Raum für die einzelnen Instrumente und ihre Traditionen.
Im Ganzen kann man sagen, hervorragende
Kompositionen, erstklassig dargeboten von
allen Musikern, von denen hier nur die
Akkordeonspielerin Viviane Arnoux und der
Bouzuki-Spieler Mohamed Osman hervorgehoben werden sollen. Der Geiger Sameh
Catalan ließ in zwei ganz kurzen improvisierten Passagen sein Vorbild, den ägyptischen
Geiger Abdu Daghir, anklingen.
Das Publikum schien insgesamt hingerissen
und gab am Ende minutenlange standing ovations, wenn auch etliche andere Stimmen zu
hören waren.
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21
CD-Besprechung
Best of Sayed Balaha - The Festival of Dance
Eine bunte Mischung aus seinen neun CDs
Ulrike-Zeinab Askari
Diese CD ist nicht nur für Bauchtanzeinsteiger ein wunderschöner
Anfang der Musiksammlung, weil
jedes einzelne Stück tanzbar ist Sayed Balaha hat sein ganzes Leben
lang mit Tänzerinnen sowohl in
Ägypten als auch in Deutschland
gearbeitet -, sondern es ist auch eine
interessante und abwechslungsreiche
Mischung. Da findet sich sowohl
"Arabo-Latino-Musik" (Nr. 2 Atouta) neben einem ägyptischen
Rave (Nr. 4 - Bass and Tabla), dann
wieder ganz typische ägyptische
Stücke, die nicht nur eine schöne
22
tanzbare Melodie haben, sondern die
Trommel, die Sayed Balaha meisterlich spielt, den Ton angibt (Nr. 12 Nasma von der CD Nelly, 1999). Und
schließlich - was etwas aus dem
Rahmen fällt - ein klassisch arabisches Stück, das alle Araber kennen
und oft bewegt mitsingen, weil es sie
an "die guten alten Zeiten" erinnert:
Enta omri (nicht wie auf dem Cover
geschrieben "Inter"!), das Mohamed
Abdel Wahab für die große ägyptische Sängerin Um Kulthoum komponiert hat. Es ist mir - und vermutlich
manchem anderen Liebhaber von Um
Kulthoum - zu modern, zu synthetisch, der Klang der einzelnen Instrumente ist zu computermäßig
(Keyboard). Das ist überhaupt das
Einzige, was ich bei den CDs von
Sayed Balaha vermisse, dass er nicht
öfter auf akustische Instrumente
zurückgreift, wie er es früher getan
hat wie z. B. in der CD Hamada,
1996, mit den Egypt Stars und hervorragenden Gastmusikern wie Hussam
Shaker oder Ahmed Khalifa.
Als besonderer Anreiz sind nicht nur
alte Stücke auf dieser CD versammelt
sondern auch drei neue (Nr. 1 - Sonja,
Nr. 2 - Festival of the Dance, Nr. 5 Ali Gara), die mir persönlich alle drei
sehr gut gefallen, weil sie nichts von
Sayeds Frische und Lebendigkeit eingebüßt haben, wie es ja leider manchmal der Fall ist, wenn Musiker jedes
Jahr neue CDs auf den Markt bringen,
weil es ihre Plattenverträge so verlangen.
Ansonsten ist die gesamte CD eine
einzige Ansammlung von Lebenslust,
eine "Gute-Laune-Musik", die in den
Zehen juckt und oft aufsteigt über
Sayed Balaha, Foto: www.balaha.com
Hüften und … bis man sich nicht
mehr auf dem Stuhl halten kann. So
geht es mir ganz besonders bei dem
Stück "Sonja", das mich bereits beim
ersten Hören in seinen Bann gezogen
hat.
Was mich allerdings nicht zum Kauf
animieren würde, ist das Cover der
CD, das mir viel zu düster ist. Es
zieht mich nicht an, repräsentiert
auch nicht die Musik von Sayed
Balaha, die bunt und fröhlich ist,
lebenslustig und zum Tanzen einlädt,
wie ja auch der Untertitel dieser CD
deutlich sagt: "The Festival of
Dance." Auch ist aus dem Booklet
leider nichts Näheres über die einzelnen Stücke zu erfahren, was ich mir
sehr gewünscht hätte und was sicher
auch für manche Tanzanfängerin hilfreich wäre.
Infos
www.sayed-balaha.com
www.balaha-records.de
Habibi im Glaskasten lässt den Winter vergessen
Anke Sonneborn
leidenschaftlich und ausgelassen orientalische Musik, die jeden
anspricht und zum Mittanzen anregt.
"Unsere Songs erzählen meist über
die Liebe. Die Musik ist in gewisser
Weise die Sprache der Seele. Von
klein auf nehmen Musik und
Rhythmus einen wichtigen Platz in
unserem Leben ein", erklärt Ali Baba
Kabalan, der Leiter der Gruppe. "Die
Tabla (Tontrommel) gibt den
Rhythmus an und bringt uns richtig in
Schwung".
Ali Baba mit Trommler, Foto: U.A.
Der Glaskasten, ein ehemaliger Ballsaal im Berliner Stadtbezirk Wedding,
war am 24. Februar Treff für alle
Liebhaber des orientalischen Tanzes
und der arabischen Musik. Eingeladen
hatten das Team des Glaskastens und
die Mitglieder der Band Habibi. Unter
Leitung von Ali Baba Kabalan, einem
in Berlin lebenden Qanun-Virtuosen,
spielte die Band einen Mix quer durch
die orientalische Musik. Von den gro-
ßen Titeln der Diva Um Kulthoum,
den Songs der libanesischen Sängerin
Fairuz, bis hin zu Melodien der Ägypter Hakim und Amr Diab. Aber auch
Eigenkompositionen und Arrangements von Kabalan waren zu hören.
Ein Höhepunkt des Abends war der
Auftritt der orientalischen Tänzerin
Aziza. Mit ihrer Eleganz und Schönheit bezauberte sie das Publikum.
Mal sinnlich und geheimnisvoll, mal
Kontakt und Info:
Anke Sonneborn
Rathausstraße 25
10178 Berlin
Tel. 030-2415225 und
www.alibaba-orient.com
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23
Cheikha Rimitti nach Herzinfarkt in Paris gestorben
Aufsässigkeit war ihr Markenzeichen
Cheikha Rimitti, "die Mutter des Raï",
war bis zuletzt eine aktive Künstlerin.
Ihr neustes Album 'N 'ta Goudami',
aufgenommen in Oran, der Stadt, in
der der Raï vor etwa hundert Jahren
geboren wurde, wurde erst eine
Woche vor ihrem Tod fertig.
Die in Algerien in den 20er Jahren
geborene Frau war schon fast eine
Legende, zu der die jungen RaïSänger aufsahen. Viele jüngere RaïSänger verdanken ihr sowohl ihre
Freiheit des Ausdrucks als auch ihre
sprachliche und moralische Aufsässigkeit, die letztendlich zum
Markenzeichen des Raï schlechthin
wurde.
In ihrer Musikerkarriere, die bis 1952
zurück reicht, war Cheikha Rimitti
unter den Künstlern der nordafrikani-
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24
schen Kultur vermutlich die beliebteste Sängerin für die armen Leuten.
Ihre Lieder handelten von den
Kämpfen im täglichen Leben, von den
Freuden an Sex und Liebe, von
Alkohol, Freundschaft und Krieg und
waren in der alltäglichen Sprache der
Straßen verfasst.
Im Jahr 1994 produzierte sie mit
Robert Fripp und Flea von den Red
Hot Chilli Peppers das Album 'Sidi
Mansour', das die Grenzen des Raï
mehr sprengte als je ein anderes
zuvor. Im Gegensatz zu der jüngeren
Generation vermied sie jeden Einsatz
von Popelementen im Raï.
Rimitti war die Inkarnation von Algeriens lange verloren geglaubter Begierde nach dem Leben. Unermüdlich
erinnerte sie ihre Mitalgerier daran,
Foto: www.rimitti.com
dass geistliches Vertrauen, Liebe, die
Lust am Leben und physische Lust
Hand in Hand gehen können.
Weiterer Informationen:
Rob Partridge (Coalition PR)
020 8987 0123
[email protected]
und www.rimitti.com
Fotoreportage
World of Orient,
März 2006, Hannover
Fotos: André Elbing
türkische Volkstanzgruppe Mosaik
Gypsi Mystique Dancers
Prinz Erkan Serce
Ofra
Maraike & Gruppe
Ensemble Selina
Peppina
Cihangir
Ivana Caffaratti
Orientalischer Tanz
Die Geschichte des Flamenco
Eva Havva Marklowski
Die Entstehung des Flamencos
Der Gypsy aus Egypto
Die Geschichte Andalusiens ist von vielen
Völkern und Kulturen geprägt. Man könnte
behaupten, dass eigentlich nichts in der spanischen Kultur rein spanisch ist. Notwendigerweise ist daher die Geschichte des
Flamenco eine Geschichte der verschiedensten Kulturen und Einflüsse, die die Elemente des Flamenco mitgeformt haben: die
byzantinische Liturgie der Urkirche Spaniens, maurische Gesänge und mozarabische
Volkslieder, die Synagogengesänge spanischer Juden sowie die altiberische andalusische Volksmusik.1
Etwa 60 Jahre vor der Niederwerfung
Granadas trafen die ersten Zigeuner in Al
Andalus ein. Gitano, das spanische Wort für
Zigeuner, leitet sich von der spanischen
Bezeichnung für Ägypten, Egipto ab.
Egipcianos wurde wie ein Synonym für
Ägypter und Zigeuner gleichermaßen verwendet. Auch das englische gypsy leitet sich
ja bekanntermaßen von Egypt ab. Dies
bestätigt die Theorie einiger Forscher, die
besagt, dass sich die Zigeuner, die etwa im
7. bis 9 Jahrhundert ihre Auswanderung aus
Indien begannen, auf ihrem Weg nach
Spanien eine längere Periode in Ägypten aufgehalten haben sollen. Eine Vermischung mit
der ägyptischen Bevölkerung soll jedoch
nicht stattgefunden haben, da außerdem der
größere Teil - die Ciganos, man schätzt ca.
180.000 - über die Pyrenäen nach Spanien
weiter gewandert sei.
Mit den Gitanos,2 die im 15. Jahrhundert
über Ägypten nach Spanien einwanderten,
kam die für die Entstehungsgeschichte des
Flamencos wichtigste Komponente hinzu. Sie brachten vor
dem
Hintergrund
ihrer
altindischen
Musiktradition die
Urformen des Cante
Jondo mit. Aus der
Assimilation von bestehenden und mitgebrachten Musiksprachen und -formen ging im Laufe
mehrerer Jahrhunderte der Flamenco
hervor. Doch erst zu
Beginn des 19. Jahrhunderts gaben ihm
wiederum die Berufsmusiker der Gi tanos die definitive
Struktur, die bis
heute fast unverändert weiter besteht.
Schaufenster in Sevilla, Foto: Askari
26
Im Archiv von Barcelona gibt es ein
Dokument vom Januar 1425. Es ist ein Pass
und ein Geleitbrief von König Alfonso V.,
von Zaragoza, ausgestellt auf einen
Johannis de Egipto, mit der Empfehlung,
denselben und seine Begleiter auf ihrer
Reise gut zu behandeln. So waren die ersten
Jahre der Zigeuner in Spanien relativ sorgenfrei. Die Sippenchefs der Zigeuner nannten
sich condo (Graf) oder duque (Herzog),
wie Conde Tomàs s de Egipto oder
Duque Pablo de Egipto Menor.3
Die Zigeuner Ägyptens, die Ghagar und
Halep, zu denen auch die Ghawazee gehören, können mit diesen ersten Zigeunern
kaum etwas zu tun gehabt haben, da sie nach
eigenen Angaben erst vor etwa 150 - 200
Jahren aus Syrien nach Ägypten kamen.4
Die Pharaonin des Flamenco-
tanzes
Ein Wort, das in el jaleo vorkommt, d. h. in
dem Ausruf des Publikums, der Bewunderung, Begeisterung und Enthusiasmus ausdrückt, ist faraón oder faraona: Pharao - der
König und Herrscher über Ägypten.
Bis heute heißen außerdem die starken
Oberkörperverdrehungen im Flamencotanz,
die durch die schrägen Rückmuskeln hergestellt werden la faraona. Kopf und Füße zeigen in die gleiche Richtung, während die
Schultern eine Vierteldrehung zur Seite
machen. Die Ähnlichkeit zu den altägyptischen Darstellungen ist eindeutig und die
Bezeichnung daher verblüffend logisch.
Die gleiche starke Oberkörperdrehung existiert außerdem im russischen Zigeunertanz,
der auch noch andere Bewegungen und
bezüglich der Bekleidung mit dem spanischen die meisten Ähnlichkeiten aufweist. So
z. B. der weite Rock der Frauen, das große
Schultertuch mit Fransen, das ebenfalls als
Tanzaccessoire benutzt wird, einige
Armhaltungen und Posen, von den Männern
einiges der Fußarbeit und anderes
Bewegungsvokabular sowie ebenfalls der
Bekleidungsstil.
Die ersten Zigeuner, die nach Granada
kamen, bestanden aus Familien, die sich von
den Nomadenstämmen getrennt hatten. Sie
nahmen Zuflucht in den maurischen
Vierteln, die zu dieser Zeit die ärmsten
Stadtviertel am Rande Granadas waren. In
den Felshöhlen des berühmten
Sacromonte lebten Mauren und
Zigeuner zusammen bis zur
Vertreibung der Mauren im
Jahre 1610. Viele Mauren und
auch Juden gaben sich in dieser
Zeit als Gitanos aus, um der
Sklaverei und dem Tod zu entgehen. Nachdem die Mauren junger Flamencosänger in Sevilla, Foto: U.A.
Spanien verlassen hatten, übernahmen die Zigeuner nicht nur die Grotten,
sondern auch einiges von der maurischen
Musik und dem Tanz und integrierten dies in
ihre bereits reichhaltige Tradition. Ihrer eigenen Veranlagung und Begabung entsprechend entwickelten sie diese beiden Ausdrucksformen auf faszinierende Art weiter.
Die Verfolgung der Zigeuner wiederum hatte
erst 1783 ein Ende und erst ab da konnten sie
mit ihrer Musik, die sie bis zu diesem Zeitpunkt nur im kleinsten Familienkreis ausgeübt
hatten, in die Öffentlichkeit gehen. Ab 1860
entstanden die Cafés de Cante, in denen die
Frauen überwiegend als Sängerinnen, die
Männer auch als Tänzer auftraten. Erst durch
den dann folgenden Austausch von Künstlern
aus verschiedenen Regionen entstand die
Urform des heutigen Flamencos. Er ist also mit
anderen Worten noch keine 150 Jahre alt.
Kathak und Kastagnetten
Der echte Flamencotanz ist genau wie der
Flamencogesang sehr verschieden von dem
volkstümlichen Tanz und der großen Anzahl
klas-
Schaufenster in Sevilla, Foto: U.A.
27
sisch-spanischer Tänze, die vor allem
im 18. und 19. Jahrhundert in Spanien
vorkamen.
Das orientalische Erbe im Flamencotanz tritt deutlich hervor. In keinem
anderen europäischen Tanz gibt es so
kunstvolle weiche Handbewegungen
und differenzierte Armbewegungen.
In den frühen Formen des Flamencotanzes zeigten die Frauentänze keinerlei Fußarbeit, während im Kathaktanz das Bewegungsvokabular für
Männer und Frauen gleich ist. Die
typische Fingerstellung im weiblichen
Flamencotanz ähnelt jedoch stark
einer indischen
Mudra.
Das
Bewegungsrepertoire der Tänzerinnen
zeichnete sich früher durch eine biegsame Wirbelsäule und differenzierte
kunstvolle
Armund
Handbewegungen aus, zu denen sie mit
ihrem langen Rock (über) die Bühne
"fegten", was "escobilla" (von spanisch = fegen, kehren) genannt wurde.
römischen Reich waren die Tänzerinnen aus Gades, heute Cadiz,
berühmt, die sich mit Bronze-Kastagnetten und Händeklatschen selbst
beim Tanz begleiteten. In der Maurenzeit waren vielerlei Arten von Zimbeln, Klappern und Kastagnetten in
Gebrauch.
Den muslimischen Frauen war es verboten, ihre Beine und Füße zu zeigen
und bei den Flamencotänzerinnen gilt
es noch heute als Kunst, beim
Schwingen des Rockes möglichst
wenig "Einblicke" zu gewähren oder
die Beine zu zeigen.
Arabic-Flamenco
Die Fußarbeit der Frauen wurde erst
mit Carmen Amaya seit der Mitte des
20. Jahrhunderts - wieder - ein wichtiger Bestandteil des Flamencotanzes.
Die Benutzung der Kastagnetten aus
der andalusischen Folklore war im Flamencotanz lange Zeit verpönt und ist
es teilweise heute noch. Wie die
Fingerzimbeln im Orientalischen Tanz
machen sie
eins der
Um es zusammenzufassen: Die Bezeichnung "Arabic-Flamenco" für
einen Fantasietanz, der Elemente aus
dem Flamencotanz und orientalischen
Tanz enthält, ist insofern irreführend,
als der Flamencotanz zwar nicht so
sehr arabisch-afrikanisches, jedoch
von jeher bereits orientalisches Bewegungsrepertoire enthält.
Wie wir wissen, stammen die eigentlich orientalischen Bewegungen im
orientalischen Tanz aus dem fernen
Orient, dem asiatischen Teil. Zu ihnen
zählen die differenzierten Hand- und
Armbewegungen, die ausdrucksvolle,
oft erzählende Gestik und Mimik, die
feinen Kopfbewegungen sowie die
komplexe Fußarbeit.
Insbesondere bei den Drehungen,
kombiniert mit bestimmten Armführungen, bei den Biegungen des
Torso wie auch den tiefen Rückbeugen
zeigt sich deutlich der asiatische
Ursprung. Hingegen sind Beckenkreis
und Beckenwelle, Beckenkippen,
Shimmies und Brustkorb-"lifts" afrikanischen Ursprungs.
wichtigsten
Stilmittel - die
wunderschönen
Handbewegungen - zunichte.
Die Verwendung von Metalloder Holzklappern hat ihren
Ursprung in Ägypten. Von dort
aus verbreiteten sie sich über
Griechenland nach Persien und auch
auf die iberische Halbinsel. Bereits im
28
So gesehen könnte man auch sagen,
dass der Orientalische Tanz durch die
Integration von Arm- und Handbewegungen oder Fußarbeit aus dem
Flamenco eigentlich nur orientalischer
wird. Umgekehrt wäre eine Verwendung von Hüftschwung und
Shimmy dann eine "Afrikanisierung"
des Flamencotanzes.
Welches Kostüm passt zum
Arabic-Flamenco?
Literatur:
Mario Bois: Carmen Amaya, m. CDAudio, Metro Verlag, 1997
Bernard Leblon: Flamenco, Palmyra
Verlag, 2006
Peter A. Thomas, Renate Wagner:
Flamenco. Andalusiens Seele im Tanz,
Welsermühl Verlag, 1988
Dass ein Bauchtanzkostüm mit Perlenfransen - womöglich noch mit zartem Schleier - hier fehl am Platz ist,
versteht sich von selbst, jedoch ist ein
strenges
Original-Flamencokleid
sicher auch nicht angesagt.
Die Hüfte sollte betont sein, der
Bauch bleibt jedoch besser bedeckt,
damit die Aufmerksamkeit nicht von
den schönen Handbewegungen und
Tanzfiguren abgelenkt wird. Ein weiter Rock erlaubt den Einsatz interessanter
Bewegungskombinationen,
Charakterschuhe ermöglichen eine
andere Energie und Akzentuierung im
Tanz und ein Fächer als Tanzaccessoire bringt Spannung und
Effekte.
Ungeachtet dessen, für welche Kombination sich eine Tänzerin entscheidet - ganz sicher eröffnet die Kom-
Internet
Apsara Habiba, Köln, Foto: André Elbing
www.flamenco-seiten.de
www.flamenco.de
www.graf-martinez.de
www.flamenco-germany.de
u.v.a.
bination von "Arabic" und "Flamenco"
für Kreative ein reiches Arbeitsfeld an
Möglichkeiten, nicht nur für interessante Kostümideen sondern auch und
vor allem für neue spannende Choreographien.
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Anmerkungen
1 Anita Awosusi, in: Marion Papenbrok-Schramm,
Faustino Núnez, Iris Brikey, Bernhard F Schulze, Manolo
Lohnes: Die Musik der Sinti und Roma. Bd 3. Der
Flamenco, Dokumentations- u. Kulturzentrum Dt. Sinti u.
Roma, Heidelberg 1998, S. 8
2 Die Gitanos, inzw. die spanische Bezeichnung für
Zigeuner, waren über den Sinai, Ägypten und Nordafrika
nach Spanien eingewandert; ihre Sprache war mit ägyptischen Lehnwörtern durchsetzt. Die Ciganes waren über
Griechenland und Frankreich nach Spanien eingewandert
und sprachen (oder verstanden zumindest) griechisch.
vgl. Ulrich Völklein: Zigeuner: Das verachtete Volk,
Oldenburg, Stalling Verlag, 1981, S. 99
3 Barbara Thiel-Cramer: Flamenco - Die Flamencokunst,
ihre Geschichte und Entwicklung bis in unsere Tage,
Verlag Remark, Lidingö, Schweden, 1991, S. 28
4 Sabah Farouk, Ghawazeetänzerin aus Luxor, gibt in
einem Gespräch 2001 an, dass ihr Stamm vor etwa 150
Jahren aus Syrien nach Ägypten kam. Auch die Maazins
sprechen in einem Interview im Sommer 1997 von ihrer
150jährigen Tradition. vgl. Halima 1/98
29
Sevilla ein Spaziergang
Text und Fotos: Ulrike-Zeinab Askari
Ein stürmischer Anfang. In Berlin
zogen bereits morgens um 7 Uhr
schwere Regenwolken auf, die uns bis
tief in den Süden Spaniens begleiteten. In Madrid, wo wir die vier
Stunden Aufenthalt für eine kleine
Stippvisite in der Stadt nutzten,
schüttete es, als wenn der Himmel
seine Pforten geöffnete hätte.
Pünktlich zum Einchecken waren wir
wieder im Flughafen, doch unser Flug
nach Sevilla ließ auf sich warten.
Nach mehr als drei Stunden Wartezeit
erfuhren wir, dass es Probleme gebe
und wir nicht nach Sevilla fliegen
könnten, stattdessen nach Jerez de la
Frontera. Dorthin wollte ich schon
immer einmal. Aber als wir ankamen
war es bereits 23 Uhr und tiefschwarze Nacht. Nachdem alle Passagiere
ihr Gepäck hatten, stürmten wir zum
Ausgang, denn es hatte in Madrid
geheißen, dass uns Busse abholen
und nach Sevilla fahren würden. Nur
in Jerez wusste niemand davon, dass
wir abgeholt werden sollten. Da standen wir nun unter Palmen bei einer
Temperatur von vielleicht 20 Grad in Berlin waren wir bei etwa 5 Grad
Universität von Sevilla
30
Hauseingang in Sevilla
abgeflogen -, müde, hungrig, durstig,
ohne weitere Informationen. Mir kam
die Situation so vertraut vor: so
orientalisch sozusagen. Niemand
fühlte sich für uns zuständig, erst auf
mehrfache Beschwerden und Drohungen hin bequemte sich jemand
von der Fluggesellschaft, uns wenigstens darüber zu informieren, dass
Busse angefordert wären. Nach etwa
einer weiteren Stunde des Wartens
kam endlich ein Bus - für ca. 130
Personen.
Letzten Endes kamen wir glücklich in
Sevilla am Flughafen an, wo wir von
einem weiteren Bus abgeholt werden
sollten. Aber es kam nach einer weiteren Stunde des Wartens kein Bus,
also wurden wir von unserem Empfangskomitee, das auch nachts um 3
Uhr noch freundlich und liebenswürdig war, kurzer Hand in ein Taxi verfrachtet. Nach fast einer Stunde Fahrt
kamen wir auf einem Hügel auf der
anderen Seite der Stadt vor einem
abseits gelegenen Hotelkomplex an.
Kathedrale von Sevilla
Hauptstadt der Provinz
Andalusien
Wir hatten beschlossen, nach der
viertägigen Konferenz in ein kleines
Hotel in die Innenstadt umzuziehen.
Der Shuttlebus brachte uns bis an die
Stadtmauer, hinter der sich ein Palast
verbarg, der gerade von Grund auf
renoviert wurde. An anderen Stellen
wurden die Straßen aufgerissen und
es sah aus, als wenn sich Sevilla,
diese Stadt mit etwa 700.000
Einwohnern, die sich im Tal des
Guadalquivir, einer weiten, fruchtbaren
und landwirtschaftlich gut genutzten
Ebene ausbreitet, auf eine Weltmeisterschaft vorbereitete. Es war ein
einziges Gewusel von Menschen,
Autos, Bussen. Düfte von Jasmin und
Orangen erfüllten die Luft, ein wager
Hauch von Weihrauch schwang bisweilen mit. Die eigentliche Stadt
nimmt das linke Ufer des Guadalquivir mit zahlreichen Stadtteilen und
Vorstädten ein. Von der alten Stadtmauer mit ihren 66 Türmen, sind nur
noch Reste vorhanden. Sevilla hat
immer noch viele öffentliche Brunnen, die zu einem großen Teil von
dem aus 410 Bogen bestehenden antiken Aquädukt Canos de Carmona,
das von Julius Cäsar erbaut wurde,
mit Wasser gespeist werden.
Hauseingang
Privathaus
Kelten, Iberer und Phönizier,
Griechen, Karthager, Römer,
Westgoten und Wandalen
Sowohl die Kelten als auch die Iberer,
Phönizier, Griechen und Karthager
schätzten bereits die Fruchtbarkeit
des Landes und das warme Klima mit
ca. 3.000 Sonnenstunden pro Jahr
und erlebten eine Blütezeit im Süden
Spaniens, bis im 3. Jahrhundert v.
Chr. die Römer diesen Teil der
damals bekannten Welt ihrem riesigen
Reich einverleibten. Die gemeinsame
Sprache wurde nun Lateinisch. Zwei
römische Kaiser, Trajan und Ha drian, wurden hier geboren. Von 411
bis 711 residierten die Wandalen und
Westgoten in Spanien. Sie wurden
verdrängt von den Berbern und
Arabern, die sich ab 712 immer mehr
von der Halbinsel aneigneten. Sevilla
wurde bereits 712 erobert und zur
Hauptstadt des Königreiches Sevilla.
844 wurde die Stadt von den
Normannen zerstört. Während der
Zeit der Taifa-Königreiche war sie
Sitz der maurischen Dynastie der
Abbadiden. 1091 fiel sie an die Al moraviden und 1147 an die Almohaden. 1248 eroberte Ferdinand III.
von Kastilien die Stadt und seitdem
blieb sie im Besitz der Christen. Eine
zweite Blüte erlebte Sevilla im 16.
und 17. Jahrhundert, als sie Haupt-
umschlagsplatz des spanischen Seehandels und Sitz der spanischen
Kunst, insbesondere der Malerei, war.
Als jedoch ca. 300.000 Mauren nach
Granada und Afrika auswanderten,
versetzte das der Stadt und ihrem
Gewerbe einen Stoß, von dem sie
sich lange nicht mehr erholte.
Stadtrundgang
Wir hatten bereits einen Tipp für ein
Hotel bekommen, mussten jetzt aber
unseren Weg suchen. Nach einigem
Fragen wurden wir an eine mobile
Touristeninformation verwiesen, ein
etwas größerer Bauchladen mit buntem Sonnenschirm und einem perfekt
Deutsch sprechenden jungen Mann,
der gleich zu seinem Handy griff und
im Hotel anrief, ob denn überhaupt
noch ein Zimmer frei wäre. Nein, leider, aber es gäbe in der übernächsten
Seitenstraße einige kleinere Hotels,
die auch nicht zu teuer seien. Also
zogen wir weiter, während unsere
Augen sich nicht satt sehen konnten
an den Orangenbäumen, Pferdekutschen wie in Luxor, einer zauberhaften Architektur, die selbst an den
modernen Bankgebäuden stolz und
deutlich das Erbe der Mauren zeigte.
Wir suchten uns ein kleines Hotel
direkt am Beginn der Altstadt, stellten unser Gepäck ab und gingen
31
Brunnen arrangiert sind, manchmal
sogar Bänke und alles sieht sehr einladend und gemütlich aus. Auch kleine Hostels (Pensionen) in Santa Cruz
sehen oft sehr "maurisch" aus und
wirken damit einladender als so manches große Hotel.
Bankgebäude
Richtung Innenstadt. Zunächst gingen wir an der riesigen Kathedrale
von Sevilla Maria de la Sede vorbei,
ein imposanter gotischer Bau aus
dem 15. Jahrhundert, an der Stelle
einer ehemaligen Moschee erbaut.
Das Minarett an der Seite, die so
genannte Giralda, 1196 von Abu
Yussuf Yakub in der Höhe von 82 m
erbaut, der heutige Glockenturm der
Kathedrale, ist neben dem Orangenhof das einzige Überbleibsel der
ehemaligen Moschee. Genau gegenüber ließen wir uns zunächst nieder,
um einen kleinen Imbiss zu uns zu
nehmen. Diese typischen kleine
Snacks, Tapas genannt, lecker für
zwischendurch oder vor dem großen
Hunger, zum Wein, Sherry, Bier, das
Die Giralda
32
auch gar nicht so übel ist!
Einfach sitzen und die Touristenströme vorbeiziehen sehen. Die Luft und
das Flair auf sich wirken lassen. Aber
schließlich waren wir nur noch zwei
Tage hier und wollten erst einmal
etwas mehr von der Stadt und seinen
Sehenswürdigkeiten sehen. Das Stadtviertel Santa Cruz ist ein malerisches, scheinbar für die Touristen
extra gut restauriertes altes Viertel
mit engen Gassen, vielen kleinen
Bars, Cafés und Restaurants, Andenkenläden und Geschäften. Dabei ist
die Architektur sehenswert. Hier
mischt sich mediterraner Stil mit dem
alten maurischen, dem so genannten
Mudéjarenstil, der sich vom 8. bis
zum 13. Jahrhundert in Andalusien
entwickelt hat und sich auszeichnet
durch die typischen Hufeisenbögen,
Rundbögen, die größer sind als ein
Halbkreis, meistens zu zwei Drittel
oder sogar drei Viertel gewölbt,
Mauresken, Muster kompliziert verschlungener, sich überschneidender,
stark stilisierter Blattranken und
Blüten, oft in Verbindung mit kalligraphisch ausgeführten arabischen
Schriftzügen, Stuckdekor und Ma jolikadekor,
spanisch-maurische
Fayencen, die aus Mallorca stammen.
Die Hauseingänge geben oft einen
Einblick in Innenhöfe, die mit orientalischen Fliesen ausgelegt sind, in
denen dekorativ Pflanzen und kleine
Nach einer Kaffeepause - dem deutschen Kaffee entspricht hier der café
con leche, der stark, würzig und ein
wenig cremig ist - entschließen wir
uns, den Stadtteil zu wechseln und in
die Fußgängerzone zu gehen, wo die
Spanier von heute shoppen gehen.
Was uns erstaunt ist, dass es auch
hier - und ganz sicher nicht für
Touristen - viele Läden gibt, die ganz
offensichtlich auf Flamenco spezialisiert sind. In manchen gibt es eher
Fächer und Haarspangen, in anderen
wieder stehen Schultertücher im
Vordergrund und schließlich entdekken wir ein Geschäft mit Stoffen nur
für Flamencokleider, der von so vielen
Kundinnen besucht ist, dass man
glauben könnte, er habe Sommerschlussverkauf.
Am Abend, nach einer kleinen Siesta,
gingen wir zunächst am Guadalquivir,
dem Fluss der ins Mittelmeer mündet
und der in seinem Namen noch deutlich den arabischen Ursprung verrät:
wadi al kibir, d. h. das große Tal,
entlang und dann wieder Richtung
Innenstadt. Wir suchten ein kleines
Restaurant, wo man eine Kleinigkeit
Baum im Park
im Innenberich des Alcazares
essen oder einfach nett sitzen und
etwas trinken kann. Doch da wurden
wir enttäuscht. Die meisten Bars, die
wir fanden, sind - wie in Frankreich nicht bestuhlt. Die Menschen stehen
in Trauben an der Bar oder eben einfach im Raum, es ist laut und rauchig.
Restaurants sind eher pikfein und
teuer, nicht so das, was wir suchen.
Schließlich zieht uns Musik an. Das
hört sich nach Flamencogitarre an.
Zunächst sind wir uns nicht sicher, ob
sie vom Band kommt, doch dann entdecken wir in einer Art Eckkneipe mit
vier Tischen und Bänken über der
Heizung zwei junge Männer, die mit
viel Temperament ihre Musik vortragen.
Wie wir später hören ist der Sänger
gerade 16 Jahre alt, was aber seinem
Bierkonsum keinen Abbruch tut.
Am nächsten Tag steht endlich der
Palast des Reales Alcazar auf dem
Programm, dessen Beschreibung ein
ganzes Buch füllen würde. Unser Weg
führt uns vorbei am ehrwürdigen
Gebäude der Universität von Sevilla,
einer ehemaligen Tabakfabrik aus dem
18. Jahrhundert, einem der größten
Industriegebäude Spaniens der damaligen Zeit, das 1953 zur Universität
umfunktioniert wurde, durch eine
Parkanlage wie aus einer anderen
Welt, mit Hecken von Oleander,
Büschen von Hibiskus, Kiefern und
Pinien, Palmen, Trompetenbäumen,
Zitronen und Orangen und vielen
anderen Pflanzen und Bäumen, die
ich nicht identifizieren kann.
Am nächsten Morgen heißt es leider
schon wieder Abschied nehmen. Wir
haben keinen Flamencotanz gesehen,
haben nur einen ersten kleinen
Eindruck von der Stadt und ihren
Menschen und sind doch voller
Enthusiasmus, so bald wie möglich
wieder zu kommen, um näher in
Kontakt zu kommen mit den Menschen, ihrer Geschichte, ihrer Kultur.
Literatur
André Clot: Das maurische Spanien.
800 Jahre islamische Hochkultur in Al
Andalus. Patmos Verlag, 2004
Internet
www.andalusien-web.com
www.tapas.de/index.htm
www.beyars.com/kunstlexikon/lexikon_6127.html
www.design-up.ch/andaluz/index.html
www.red2000.com/spain/sevilla/2sevill.
html
Alcazar Eingang
33
2. Weltkongress der Imame und
Rabbis für den Frieden
Text und Fotos: Ulrike-Zeinab Askari
Plenum
Sevilla, Spanien.
Vom 19. bis 22. März 2006 trafen sich
auf Einladung der Stiftung Hommes de
Parole aus Paris zum zweiten Mal etwa
60 Rabbiner, mehr als 60 Imame und
über 90 Experten aus aller Welt in
Sevilla, Spanien, zu einem Kongress
für den Frieden unter der Schirmherrschaft seiner Majestät König Juan
Carlos I. von Spanien und seiner
Majestät König Mohamed VI. von
Marokko.19. bis 22. März 2006 trafen
sich auf Einladung der Stiftung
Hommes de Parole aus Paris zum
zweiten Mal etwa 60 Rabbiner, mehr
als 60 Imame und über 90 Experten
aus aller Welt in Sevilla, Spanien, zu
einem Kongress für den Frieden unter
der Schirmherrschaft seiner Majestät
König Juan Carlos I. von Spanien und
seiner Majestät König Mohamed VI.
von Marokko.
In der Begrüßungsfeier im wunderschönen Bau der Stiftung Tres cul turas wurden Grußworte von König
Nazlin Umar Rajput
34
Mohamed VI. von Marokko verlesen, von Nelson Mandela und Kofi
Anan, die gleich zu Beginn der
Veranstaltung klarstellten, wie wichtig der Dialog zwischen den
Religionen ist. Der Bürgermeister
von Sevilla Alfredo Sánchez
Monteseirín betonte, dass es ihm
und der Stadt eine ganz besondere
Ehre sei, diesen Kongress zu beherbergen, da doch in dieser Region die
Geschichte über fast acht Jahrhunderte gezeigt habe, dass ein respektvolles und friedliches Miteinander
von allen Religionen möglich ist.
Weitere Reden hielten Alain Michel
von Hommes de Parole, André
Azoulay, der als Präsident der
Stiftung "Drei Kulturen" und als
Berater seiner Majestät Mohammeds
VI. von Marokko anwesend war,
Abdulaziz Othman Altwaijiri, der
Generaldirektor der ISESCO, Rabbi
Yona Metzger, der Hauptrabbi von
Israel, Ahmed Taoufiq, Minister für
religiöse
Angelegenheiten
und
Habous (ein spezifischer Begriff des
islamischen Rechts) von Marokko,
Manuel Chaves, der Präsident der
autonomen Regierung von Andalusien und schließlich Imad Al
Falouji, der Imam von Gaza, Palästina, sowie Michael Melchior,
der Hauptrabbi von Norwegen, der
auch Mitglied der Knesset (israel.
Parlament) ist.
Damit war die Latte der Ansprüche
an diesen Kongress reichlich hoch
gehängt. Bereits am ersten Vormittag
im Plenum zeigte sich jedoch, dass
selbst die Brüder der gleichen
Religion sich nicht immer friedlich
auseinandersetzen können, wenn es
um politische Fragen geht. So wurde
es bei einem Wortabtausch laut und
heftig, bis einer der Beteiligten wutentbrannt den Raum verließ, weil er
sich als Vertreter der palästinensischen, unterdrückten und hungernden Minderheit im Gazastreifen nicht
genügend gewürdigt fand und verständlicherweise über seine Probleme
reden wollte.
Eine schwierige Entscheidung für die
Diskussionsleitung, sollten politische
Einwürfe zugelassen werden? Denn
eigentlich sollte es um die Themen
"Familie und Moderne" sowie "Spannung zwischen dem Individuum und
der sozialen Verantwortlichkeit"
gehen.
Da aber die politischen Einwürfe die
Gemüter immer weiter erhitzten, griffen die Verantwortlichen im Programm vor und präsentierten am
ersten Nachmittag bereits das "Open
Space", eine Arbeitsmethode aus den
USA, etwa eine Weiterentwicklung
des Brainstormings. Es sollten sich
Arbeitsgruppen zusammenfinden, die
über Themen sprechen sollten, die
sie selbst interessierten.
Der zweite "Arbeitstag" begann mit
dem Open Space mit Gesprächen in
kleinen Gruppen, die überall sehr
fruchtbar verliefen, da sich jeweils
gleich Interessierte zusammenfanden
und austauschten. Am Mittwoch wurden abschließende Statements im
Round Table Gespräch zusammen
getragen, was sich die Teilnehmer in
einer Vision für die Zukunft vorstellen. In der letzten Sitzung wurde
dann ein "Final Statement" verlesen,
das auf der Grundlage der Visionen
entstanden war, welches schließlich
an die versammelte Weltpresse
weitergegeben wurde.
Was ich persönlich sehr bedauere, ist
die Tatsache, dass die Stimme der
Frauen unterging - zwar wurde
sowohl von mehreren Rabbis als auch
von Imamen mehrfach betont, dass
den Frauen eine sehr wichtige Rolle
im Aufbau einer friedlichen und toleranten Gesellschaft zukommt - aber
sie selbst waren in der Runde der
Fachleute nur mit einer einzigen
Stimme, der der Kenianerin Nazlin
Umar Rajput als Leiterin der kenianischen Muslemorganisation, vertreten. Es war z. B. nicht eine einzige
Rabbinerin anwesend, aus welchen
Gründen auch immer, von denen es
in Amerika immerhin schon etliche
und auch in Europa einige gibt. Die
wenigen Expertinnen wie Kitty
Cohen, Leiterin des Instituts für
Studien der Religion und des Gemeindewesens in Israel, Shoshana
Bekerman, Direktorin des "Global
Ethic Resources Centers", Zainab
Al-Suwaij, Direktorin des amerikanischen Islamic Congress, hielten sich
"dezent" im Hintergrund. Lediglich
eine der wenigen beobachtenden
Studenten und Studentinnen, die
zum großen Teil in das Projekt
"Vision of Abraham" involviert waren,
meldete sich beim Thema Erziehung
zu Wort und lud die "Erwachsenen" ein,
obwohl sie - wie man ja sehen könne weder ein Rabbi noch ein Imam sei,
sich von den jungen Leuten einmal
erzählen zu lassen, welche pädagogischen Aktivitäten sie bereits in die
Tat umgesetzt hätten. Als ein Beispiel
nannte sie Schulbesuche in jüdischen
und islamischen Schulen, bei denen
von Vertretern der jeweils anderen
Religion Fragen beantwortet werden.
Dieser mutige Vorstoß in die sakrale
Welt der Imame und Rabbis blieb
nicht ungehört. In der nächsten
Kaffeepause waren die jungen Leute
umringt von Journalisten aber auch
von Imamen und Rabbis, die mehr
über ihre praktische Arbeit erfahren
wollten. Überhaupt waren die Kaffeepausen und die gemeinsamen Abende im Hotel, das für vier Tage ausschließlich den Besuchern des Kongresses zur Verfügung stand, ein
wichtiger Bestandteil der Tagung. In
diesen Pausen und Abenden fand
bereits praktizierte Begegnung und
friedliches Miteinander statt, indem
zum Beispiel gemeinsam gesungen,
musiziert und getanzt wurde. Der
Austausch über weitere praktische
Erfahrungen brachte so manche Anregung mit sich, die nun in vielen Orten
der Welt ihre Kreise ziehen wird wie
z. B. ein "Tag der offenen Moschee"
bzw. der offenen Synagoge.
Mehrere Kongressteilnehmer bekräftigten am Tag der Abreise, dass der
erste Abend im Hotel ein besonders
wichtiger war, an dem Mohamed As kari, Ägypten/Deutschland, seine
Nay (arabische Bambusflöte) auspakkte und zu spielen begann. Zu ihm
gesellte sich Ahmed Dewidar, ein
junger Imam aus Ägypten/Amerika,
der zur Flöte traditionelle religiöse
Lieder vortrug. Das wiederum lockte
einige Rabbis an und auch sie beteiligten sich, immer noch begleitet und
untermalt von den Flötenklängen von
Mohamed Askari. Schließlich kamen
noch einige Sufibrüder dazu und
gemeinsam wurde dann ein Zikr (ein
"Sufitanz") veranstaltet.
Fazit aus diesem Abend war für viele,
zwei Brüder im Gespräch
Empfang bei den “Drei Kulturen”
spontaner Zikr
dass Musik und Tanz universelle
Sprachen sind, bei denen jeder mitmachen kann, unabhängig von
Hautfarbe, Religion oder Geschlecht.
Das hatte sich am letzten Tag auch
bis zu den Veranstaltern herumgesprochen und so wurden Ahmed
Dewidar, Koran-Rezitator aus New
York, Eliezer Weisz, Rabbi aus Emer
Hefer, Israel und Mohamed Askari,
Berlin zu einer abschließenden Darbietung ihrer mystisch-religiösen
Kunst und ihres praktischen Miteinanders gebeten.
Für viele Teilnehmer konnte nach all
diesen erfüllten und herzerwärmenden Erfahrungen nur noch der
Wunsch übrig bleiben, das Erlebte
und theoretisch Erarbeitete zu Hause
in die Praxis umzusetzen.
"Nächstes Jahr in Jerusalem!"
Infos
www.hommesdeparoles.org
www.tresculturas.org (spanisch)
Studenten beim Informationsaustausch
35
Final statement
of Imams and Rabbis for Peace
all persons
whose lives
and dignity
In the name of the One Creator and
are sacred.
Master of the Universe, the
Therefore we
Compassionate and All Merciful, we
reiterate the
Muslim and Jewish leaders and
message we
representatives, gathered for the
sent from our
Second World Congress of Imams
first congress,
and Rabbis for Peace organized by
that
we
Hommes de Parole in Seville, in the
deplore
region of Andalusia - recalling the
bloodshed or
gemeinsame Segenswünsche zum Abschluss der Konferenz
past era in which Jews and Muslims
violence in
lived together here in harmony and
the name of
condemn any incitement against a
mutual enrichment - and aspiring for
any ideology everywhere. Especially
faith or people, let alone any call for
such relations today and in the futuwhen such is perpetrated in the
their elimination, and we urge
re. We accordingly affirm that conname of religion it is a desecration
authorities to do likewise. We
trary to widespread misrepresentaof religion itself and the gravest
recognize that there is widespread
tion, there is no inherent conflict
offense against the Holy Name of
misrepresentation of our religions, between Islam and Judaism, on the
the Creator. Thus, in addition to calone in the other's community as well
contrary. While modern politics
ling upon all our co-religionists to
as in the world at large. We affirm
have regrettably impacted negatively
respect all human life, dignity and
therefore the urgent need for truthupon the relationship, our two relirights, to promote peace and justiful and respectful education about
gions share the most fundamental
ce; we call upon them and the
each other's faith and tradition in
values of faith in the One Almighty
governments of the world and interour respective communities and
whose name is Peace, who is mercinational institutions to show respect
schools; and call upon those
ful, compassionate and just; and
for the attachments and symbols of
responsible to promote such essenwho calls on us human beings to
all religions, as well as their holy
tial education for peaceful co-eximanifest these values in our lives
sites, houses of worship and cemestence. Solemnly we pledge ourseland to advance them in relation to
teries, particularly in the Holy Land,
ves to the abovementioned continue
due to its
to seek out one another to build
special sensibridges of respect, hope and
tivity.
friendship, to combat incitement
Accordingly,
and hostility, to overcome all barwe condemn
riers and obstacles, to reinforce
any negative
mutual trust, serving the noble goal
representaof universal peace especially in the
tion of these,
land that is holy to us all.
let alone any
desecration,
Heaven forbid.
Similarly, we
gemeinsames Singen
Seville, Spain, March, 22nd 2006,
Safar 21, 1427, Adar 22, 5766
36
jomdance
Die neue Bühnentanzausbildung von
Said el Amir in JazzOrientalModerndance
Text: Katja Schönke, Fotos: FOGU - Rainer Gutzmer
Said el Amir, Jammin’ with the snake
Said el Amir, innovativer Tänzer und Tanzpädagoge, unterstützt seit einigen Jahren die von
seiner Lehrerin und Kollegin Yasmin al Ghazali entwickelte Ausbildungsmethode ESTODA®
(ESsential Technique of Oriental DAnce) für orientalischen Tanz. Sie unterrichtet in
Deutschland, Österreich und der Schweiz ihre neue Methode, um so die Kenntnisse der Basics
bei den orientalischen TänzerInnen zu vereinheitlichen. Said nimmt dort auch als unabhängiger Prüfer am Ende der Ausbildung die Endprüfung ab.
2002 bis 2003 erhielt Said el Amir
eine Tanzausbildung bei der Tanzschule Iwanson für zeitgenössischen
Tanz in München. Dort erhielt er
einen intensiven und sehr fokussierten Einblick in zeitgenössisches
Ballett, Jazz- und Moderndance. Die
Weiterentwicklung der arabischen
Musik durch Hakeem, Samira Said,
Claude Challe und viele andere
moderne orientalische Musiker zu
immer westlicherem Klang brachte
ihn dazu, die erlernten Elemente des
Jazz- und Moderndance mit denen
des orientalischen Tanzes zu verbinden. Said el Amir verfügt nicht nur
über eine eigene Ausbildung in Jazz,
Modern und Ballett sondern hat auch
noch 18 Jahre Erfahrung im orientalischen Tanz nachzuweisen.
Auf die Frage, ob ihn die Idee getrieben habe, eine europäische Version
des orientalischen Tanzes zu schaffen, reagiert Said erstaunt. Nein, der
orientalische Tanz ist für ihn international. Es gibt da nicht die arabische
und die europäische Sektion, sondern nur Fortentwicklungen. Tradition ist für ihn etwas Lebendiges, das
stetig im Fließen begriffen ist.
Dennoch ist es ihm bewusst, dass er
Arabian Drive = jomdance® Azad Kaan & Said el Amir
38
neue Wege einschlägt, die Unterrichtsmethode sozusagen auf den
Kopf stellt oder besser gesagt über
den Kopf vermittelt, was uns
Europäern leichter zugänglich ist.
Das zeigt sich u. a. bereits daran,
dass sich mehr Männer für die neue
Methodik anmelden als in den reinen
orientalischen Tanzkursen. Allerdings bedarf es für die Ausbildung
im jomdance® fundierter Grundkenntnisse im orientalischen Tanz,
die sich die Schüler im Idealfall jedoch nicht zwingend erforderlich vorher durch ESTODA® haben vermitteln lassen, damit sie alle eine
gemeinsame Basis haben.
Said verbindet in seiner neuen
Methodik die Erdigkeit des orientalischen Tanzes und eckige, teilweise
ruckartige Bewegungen des Jazztanzes mit den eher weicheren des
Modern, die Eleganz des Balletts mit
den
Isolationsbewegungen
des
Oriental. Als ausgebildeter Tanzpädagoge ist er nicht nur befähigt,
seine innovativen Ideen an viele neue
Schüler weiterzugeben, sondern er
ist auch mit einem Eifer dabei, der
ihm beim Erzählen schon aus den
Augen sprüht. Lachend ahnt er
bereits jetzt voraus, dass er sich
nicht nur Freunde machen wird. Aber
schließlich hatten auch andere
Neuerer in der Tanzszene gegen verstaubte und überalterte Methoden
anzukämpfen.
Als innovativer Traditionalist ist er
ambitioniert, das Beste aus jedem
seiner Schüler heraus zu holen, was
aber auch bedeutet, dass nicht jeder
Schüler die besuchte Prüfungsstufe
besteht, nur weil er an der entsprechenden teilgenommen hat. So will
er - im Gegensatz zu anderen Ausbildungen im orientalischen Tanz
(außer ESTODA®) - nicht nur am
Ende der Ausbildung ein Zertifikat
verteilen, sondern alle Schüler müssen Zwischenprüfungen absolvieren,
die bei Nichtbestehen zu wiederholen sind oder zum Abbruch der
Ausbildung führen. So haben alle
Absolventen die Garantie, dass in
den jeweiligen Modulen die
Kenntnisse auf dem gleichen Stand
sind und ein effektives Lernen möglich ist. Ein weiterer Vorteil für die
Absolventen ist, dass man die
Module überall wiederholen bzw.
die Ausbildung beenden kann und
somit nicht an einen bestimmten Ort
der Ausbildung gebunden ist.
Im Gespräch gibt Said el Amir zu
bedenken, dass seine Ausbildung
vielleicht bei vielen Tanzbegeisterten
auf Interesse stoßen wird, aber nicht
für alle geeignet sei, weil er z. B.
einer 50jährigen Frau nicht einen
Jazz-Spagat aus dem Stand zumuten
könne. Es geht also hier - endlich (so
empfinde ich es und atme erleichtert
auf) - um eine ausgesprochene soli-
OM-OM Dreh = jom-class Fürth
Raksan & Said = Transition jom-class to Raksan modern oriental
stische Bühnentanzausbildung. Die
Laien sind mit dieser Art der
Tanzausbildung sicher überfordert.
Aber das lässt in mir die Hoffnung
aufkeimen, dass Said mit dem jomdance endlich einen eleganten Weg
gefunden hat, zur Annerkennung des
orientalischen Tanzes als Bühnentanz beizutragen.
Die Ausbildung
"Die Ausbildung zum/zur jomdance
-BühnentänzerIn konzentriert sich
vollkommen auf den Teilaspekt
"Bühnentanz." Sie umfasst 192
Zeitstunden in 5 Modulen, davon
sind 60 Stunden Theorie und
Bühnenarbeit." Laut Prospekt will
Said el Amir dem orientalischen
Tanz so zu Ansehen, Qualität und
zeitgemäßer Darbietung verhelfen.
Er setzt sowohl inhaltlich als auch
qualitativ hohe Maßstäbe an und hat
damit den Nerv der Zeit getroffen,
was
das
Bedürfnis und die
Wünsche
so
mancher
Tänzerin betrifft, die
sich professionell
als orientalische
Tänzerin betätigen möchte.
Die Ausbildung
erstreckt sich über
2 Jahre und schließt Bereiche aus
dem Ballett, Jazz und Moderndance
ebenso mit ein wie aus dem orientalischen Tanz. Die Fusion, die durch die
Verschmelzung von Elementen aus
diesen verschiedenen Tanzrichtungen
entsteht, richtet sich nach der zu
interpretierenden Musik. "Die Ausbildung dient dazu, dem orientalischen Tanz eine zeitgenössische
Bühnenform zu verleihen, die der des
Ballett, Jazz und Moderndance ebenbürtig ist, ohne seine Wurzeln zu verleugnen oder gar zu verlieren." Said
el Amir bezeichnet sich selbst als
Traditionalist. Er liebe den klassischorientalischen Tanz, aber es fehle
hierzulande eben an einer Ausbildung mit den nötigen Bühnen-Basics.
Zu den Themen des Lehrplanes
gehören zunächst die essentiellen
Bewegungselemente aus Ballett,
Jazz und Modern zur Optimierung
der Tanzbewegungen im orientalischen Tanz, Bewegungs- und Schrittkombinationen des modernen, dem
europäischen Geschmack angepassten orientalischen Tanzstils, Raumaufteilung, Dynamik im Tanz, Drehungen, Atemarbeit, Körperwahrnehmung, Muskelaufbau und -funktionalität, Musikanalyse und Umsetzung in Theorie und Praxis,
Choreographie in Theorie und Praxis,
Bühnenpräsenz, -aufteilung und beleuchtung usw. Alle Lehrinhalte
39
Dabei wird vermutlich nicht jeder
Interessent auch in die Ausbildung
aufgenommen. Aber dazu dient ein
Orientierungswochenende, an dem
sowohl dem potentiellen Teilnehmer
als auch dem Dozenten die Möglichkeit gegeben wird, sich von der
Ausbildung bzw. dem zukünftigen
Teilnehmer ein klareres Bild zu
machen. An diesem Wochenende
geht es bereits darum, ein professionelles Warm-Up zu erarbeiten, die
Wahrnehmung des eigenen Körpers
steht ebenso im Mittelpunkt wie die
OM-OM Boden = jom-class Fürth / Azad KaanErfahrung von Atmung und Bew& Said el Amir
egung.
sollen gezielt und individuell vermittelt und auch korrigiert werden.
Es soll theoretische und praktische
Prüfungen geben sowie Hausaufgaben und individuelles Tutoring.
Angesprochen werden dabei vor
allem TänzerInnen, die den orientalischen Tanz "bereits mindestens auf
fortgeschrittenem Niveau beherrschen unabhängig davon, wie lange
sie schon tanzen."
In den 5 Modulen der Ausbildung
geht es dann immer wieder um das
professionelle Warm-Up sowie das
dazugehörige Cool-Down, Grundhaltung im Allgemeinen, der Arme
und Füße im Speziellen sowie
Schritt- und Bewegungskombinationen. Drehungen aller Arten in
Verbindung mit Atemarbeit, Raumwahrnehmung und Raumaufteilung
sind ebenso Themen der Ausbildung wie Dynamik im Tanz, Musik-
analyse, Choreographie, Bühnenpräsenz, Bühnenattitüde und Beleuchtung usw.
Bei der Abschlussprüfung soll eine
eigene Choreographie auf einer echten Bühne unter realen Auftrittsbedingungen mit eigenen Beleuchtungsanweisungen und eigener
Musikauswahl gezeigt werden. Das
Prüfungsgremium wird aus dem
Dozenten, einem/r geprüften ESTODA®-LehrerIn, einem Mitglied von
TaMeD e.V. sowie - nach Möglichkeit - einem aktiven Mitglied des
ansässigen Theaters oder Balletts
bestehen.
Die Absolventen dieser Ausbildung
erhalten den Titel geprüfte/r jomdance-BühnentänzerIn.
Said el Amir
jomdance -academy
Postfach 70 13 28 ,81373 München
[email protected]
www.jomdance.com, www.estoda.de
Said el Amir
geboren am 6. Januar 1969 in Kiel als sechstes Kind eines Künstlerehepaares
1975
ab 1979
1987
1988
ab 1990
ab 1995
seit 1998
seit 2000
2001
seit 2002
2003
40
erste Bühnenerfahrung im Kieler Opernhaus als Solo-Sänger eines Kinderchores anlässlich der jährli
chen Veranstaltung "Kiel singt und spielt für Kiel"
Theater- und Musikgruppen, Gesangsunterricht und praktische Arbeit im Theater mit zahlreichen
Auftritten auf nationalen Bühnen
erster Kontakt zu orientalischem Tanz durch seine erste und prägende Lehrerin Yasmin al Ghazali
Gründung der "Bauchtanzschule in Kiel" mit Yasmin al Ghazali
Umzug und Verlegung der Lehrtätigkeit ins Rheinland (Aachen, Eschweiler, Köln)
zahlreiche Workshops und Shows im Inland sowie dem europäischen Ausland
Zusammenarbeit mit der in Spanien lebenden Yasmin al Ghazali in Form einer spanisch-deutschen
Tanzpartnerschaft
wohnhaft in München
diverse Fernsehberichte, sowie Zeitungs- und Radiointerviews (RTL, Sat1, SWR, Radio Flora, Antenne
Aachen, WDR4, TanzOriental, Halima etc.)
Choreograph, Co-Komponist, Sänger und Schauspieler im 1 1/2 stündigen Orient-Musik-Theaterstück
"Im Flammenwalzer" von M. Fernandez-Ritter, Berlin
Tanzausbildung für zeitgenössischen Tanz bei Iwanson
Gründung der jomdance-academy
"Wir machen, was unser Herz sagt"
Tres - Unter Göttern
Text: Svetlana Georgieva, Fotos: Jacek Pietrowski
erfahren. Dazu traf ich mich mit Laila
und Murah (Sylka war es aus organisatorischen Gründen nicht möglich,
daran teilzunehmen) in einem Kreuzberger Café, das, wie für einen sommerlichen Nachmittag üblich recht
voll war. Die bezaubernde Aura und
entwaffnende Ehrlichkeit meiner Interviewpartner ließen mich rasch das
hallende Tassen- und Tellergeklapper
und das Stimmengewirr um uns
herum vergessen. Meine erste Frage,
ob es einen aktuellen Anlass gab,
sich einem mystischen Thema zuzuwenden, wurde von beiden verneint.
Murahs Verbundenheit mit den spirituellen Energien im Tanz erwies sich,
wie ich vermutet hatte, als Schlüssel
zu den Kernfragen des Stückes:
Die Gestalten der Dreiecksliaison
sind den Orixás, den Naturgöttern
der afro-brasilianischen Candom blé-Religion
entlehnt. Murahs künstlerischer Werdegang ist
vom "Tanz mit den
Göttern" von seiner
Kindheit an geprägt
worden, wie er erzählte: "Ich bin in
dieser Religion geboren und groß geworden. Meine Oma und
meine Mutter waren
Priesterinnen
und
meine ganze Familie
lebt mit dieser Religion. Jede Person hat
eine Aufgabe - für
den
Orisha
zu
kochen, zu tanzen, zu
singen. Meine Aufgabe
ist es, den Tanz
Laila El-Jarad, Murah Soares und Sylka Rubina
Ein Mann - zwei Frauen, ein Mann
zwischen zwei Frauen, eine Frau und
ein Mann, eine Frau allein; Geschichten aus der afro-brasilianischen Mythologie - Szenen des Alltags - Seelenlandschaften ... Dies
waren Konstellationen aus dem Tanzstück Tres - Unter Göttern, das am
21. April 2006 im Saalbau Neukölln
in Berlin Premiere feierte. Das Stück
erzählte vom Spiel der Elemente
Feuer, Wasser, Wind und Donner, die
von den orientalischen Tänzerinnen
Laila El-Jarad und Sylka Rubina
und dem afro-brasilianischen Tänzer
Murah Soares verkörpert wurden.
Von der Gesamtkomposition und der
künstlerischen Umsetzung war ich
begeistert. Aus der nachhaltigen Begeisterung wuchs mein Interesse,
mehr über die Hintergründe, die zu
dieser Produktion geführt hatten, zu
zu vermitteln. Dabei gebe ich und
bekomme auch. Ich spüre, dass ich
meine Aufgabe erfülle, so langsam
...” [lachend]
Jeder Orisha verfügt über einen Erkennungsrhythmus, -gesang oder charakteristisches Tanzmuster. Diese ermöglichen es den Menschen, in einen
energetischen Dialog mit ihren Göttern zu treten - mit den Göttern zu
singen, zu tanzen usw. "Tanz und Musik sind eine Art zu beten", sagte
Murah und zündete sich eine
Zigarette an.
Das tänzerische Drama wurde in eine
außergewöhnliche instrumentale Struktur eingebettet, ausgeführt von den
MusikerInnen Cathrin Alish, Geige,
Till Bommer, Kora, Perkussion und
Wolfram Blechner Gembri, Perkussion. Die Perkussion bestimmte
zwar rhythmisch die Handlung, rükkte jedoch nicht zu stark in den
Vordergrund. Der markante Klang
der Gembri (der aus der marokkanischen Gnawamusik bekannten Binnenspießlaute) mit ihrer dunklen
Seele, das zärtliche Flüstern der Kora
(der afrikanischen Stegharfe) und die
verschlungenen Pfade der Geige
webten einen melodiösen Teppich.
Was in meinen Ohren als eine gelungene Komposition erklang, wurde
von Laila und Murah als eine durchaus schwierige Auseinandersetzung
mit den Musikern geschildert. Bis zur
letzten Probe wurde am musikalischen Konzept gebastelt und alle
waren froh, als die Premiere gut verlief. Ich finde es wichtig, an diesem
Beispiel aufzuzeigen, dass Reibungen in künstlerischen Prozessen,
41
zu produktiven Ergebnissen führen
können.
Besonders interessant fand ich die
geographische Verwurzelung der
Göttergestalten und der jeweiligen
Instrumente, die den Göttern eine
Stimme verliehen. In beiden Fällen
handelte es sich nämlich um "Einwanderer" aus dem subsaharischen
Afrika. Die Naturreligion (ursprünglich Voodoo) gelangte mit als Sklaven
verschleppten Afrikanern nach Brasilien und Kuba, wo sie enormen Einschränkungen seitens des Christentums ausgesetzt war. Deshalb wurden
Riten und Tänze oftmals heimlich
oder "verdeckt" zelebriert. Unter diesen Umständen entstand die
Candomblé-Religion, in der der Geist
des Voodoo - "das hat nichts mit
Puppenzauber und schwarzer Magie
zu tun" - so Murah Soares - in adaptierter und konzentrierter Form erhalten blieb. Auf ähnlichem Weg gelangten auch die Kora, die Gembri und
eine Vielzahl der Perkussionsinstrumente mit Sklaven aus Guinea,
Gambia, Mali, Sudan, Senegal u. a. auf
nordafrikanisches Terrain. Die gemeinsame ursprüngliche Herkunft der
Instrumente und des Candomblé war
konzeptionell nicht beabsichtigt, ergab
aber einen "schönen Zufall", wie wir
im Gespräch etwas verblüfft feststellten.
Für die Tänzer deuteten die Instrumente auf einen Berührungspunkt
zwischen orientalischem und afrika-
Laila el Jarad und Murah Soares
42
Laila el Jarad
nischem Tanz hin, da sie "für beide
Tanzrichtungen offen sind. Die Kora
zum Beispiel ähnelt mit ihrem weichen Klang dem orientalischen
Qanun", erklärte Laila El-Jarad.
Ebenso offen für die Einflüsse unterschiedlicher Stile ist die Tanzsprache
der drei Protagonisten. Die Vereinigung vielfältiger Tanzformen mündet
letztendlich in der Kreation eines
eigenwilligen Tanzstils. Das Tanzvokabular Laila El-Jarads beispielsweise lässt sich auf orientalischen
und spanischen Tanz, Tango, Jazzdance, Modern Dance und Ballett
zurückführen. Eine Kombination, die
durchaus widersprüchliche Charakterzüge vereint und - so Laila El-Jarad
- "nur dann funktioniert, wenn man
die Tänze aus den jeweiligen Zusammenhängen herauslöst. Für mich
ist Tanz, egal ob Flamenco, Tango,
Modern, afrikanischer oder orientalischer Tanz, immer ein Ausdrucksmittel. Was ich mir daraus nehme
und wie ich es verbinde, das wird
dann eben meins." Oder wie es
Murah auf den Punkt brachte: "Aus
der Tradition machen wir was Neues.
Wir machen, was unser Herz sagt."
Gemeinsam kreieren sie seit über
zehn Jahren. Auf die Frage, wie sie
sich kennen gelernt haben, reagierten
beide mit einem: "Oooh, wie war das
noch mal?!" Laila fiel es dann doch
noch ein: "Ich hatte Lust mit einem
Mann was zu machen, es war aber
weit und breit nichts. Ein gemeinsamer Freund machte uns miteinander
bekannt. Murah war damals ganz
frisch in Berlin und sprach kein Wort
deutsch." Murah lachte. Tanzsprache
verbindet eben. Laila berichtete
weiterhin, dass die Zusammenarbeit
"von Anfang an ganz leicht war", was
von Murah prompt Kopf nickend
bestätigt wurde. Das harmonische
Zusammenwirken, war dem Berliner
Publikum bereits aus früheren Produktionen wie "Al Qantara - Die
Brücke" 2003, "Übers Meer - Sobre
o mar" 2004 u. a. bekannt. Wie
Murah bemerkte, gibt es tatsächlich
"viele Ähnlichkeiten zwischen orientalischem und brasilianischem Tanz,
wie zum Beispiel die Armbewegungen, die Isolationen und die
energetische Sache. [...] Während
unserer Arbeit habe ich entdeckt,
dass diese alten Kulturen - die brasilianische und die arabische immer
wieder aufeinander treffen, zum
Beispiel wie eine brasilianische
Geschichte durch arabische Bewegungen zum Vorschein kommt. Das
ist das Erstaunliche an unserer
Arbeit." Laila lachte und setzte die
Suche nach dem gemeinsamen
Nenner fort: "Ich empfinde ihn
immer als Tänzer, nicht als afro-brasilianisch oder so sondern von der
Energie her als Tänzer. Und uns verbindet eigentlich Tanz. Nicht orientalischer oder afrikanischer Tanz,
sondern Tanz und die Leidenschaft
dafür. Alles andere ist Form." Tanz
ist also ihre gemeinsame Sprache;
Brasilianisch, Arabisch, Spanisch
usw. sind wie Dialekte, die sie
beherrschen und leidenschaftlich
einbringen.
Neu bei "Tres" war die Verkörperung
einer Rollengestalt und das Erzählen
einer konkreten Geschichte im Tanz:
"Ich fand es super spannend, in so
eine Rolle rein zu gehen. Am schönsten war es eigentlich, als wir zu dritt
zusammen saßen und überlegten,
welche Geschichte wir aus den hundert Tausenden, die es gibt, auswählen könnten. Diese Geschichte hat
wie die Faust aufs Auge gepasst und
uns war sofort klar, wer welche Rolle
übernimmt," erzählte Laila El-Jarad.
Der Einklang zwischen Laila und
Murah breitete sich, wie sie mir
bestätigten, auch auf ihre (erste) Zusammenarbeit mit Sylka Rubina Mitglied des Oasis Danse En semble aus. Über die auch für sie als
besonders empfundene Zusammenarbeit fügte sie hinzu:
"Ich habe mir schon längere Zeit
gewünscht, meine tänzerischen Visionen in eine neue künstlerische
Konstellation einzubringen. Mit Laila
und Murah habe ich zwei wirklich
erfahrene und dabei offene Persönlichkeiten getroffen. Unsere Zusammenarbeit war super: produktiv
Laila el Jarad mit Schleier
und unkompliziert, so dass wir
beschlossen haben, das Stück weiter
auszuarbeiten und ein weiteres Mal
in Berlin aufzuführen."
Wie ich während der Vorstellung
beobachten konnte, trieb das Spiel
der Naturkräfte die Handlung des
Stückes dynamisch voran. Das sanfte
Strömen des Wassers, die Harmonie
der Natur wurden durch die ungebrochen fließenden Bewegungen Laila
El-Jarads dargestellt. Das stürmische
Element wurde durch Sylka Rubina
mit den ihr eigenen afro-orientalischen Tanzelementen ins Wirbeln
gebracht. Unter einer fellartigen, silbrigen Decke am Boden gleitend ließ
sie subtile Konturen der Bewegung
hervortreten. Von mystischen Kräften
getrieben machte sie die elektrostatische Aufladung der Luft sichtbar,
versprühte Funken, ging in lodernden
Flammen auf. Die mächtige und
zugleich sinnliche Gestalt des
Gottes, der für Feuer, Donner und
Gerechtigkeit steht, gab sich mal den
fließenden, mal den stürmenden
Kräften hin. Im aufgeladenen Spannungsverhältnis der beiden eindrukksvollen Frauengestalten und ihren
kontrastreichen Anziehungskräften,
geriet er außer sich und verzweifelte.
Im Laufe des Gefechts nahm die von
Laila El-Jarad dargestellte Rolle eine
überraschende Wendung an. Die Last
ihres emotionalen Schmerzes konnte
sie durch Leichtigkeit der Bewegung
überwinden. Mit verführerischen Posen und einer Portion Frechheit forderte sie die Nebenbuhlerin zum
Kampf auf. Das Kampfmittel, Schleier
bzw. Doppelschleier, als in der Luft
wirbelnde und peitschende Kaskaden
aus seidigem Stoff, eignete sich
bestens dazu, den eigenen Raum zu
definieren und zu verteidigen.
Liebe und Kampf, Begehren und
Leiden, Lebensfreude und Verzweiflung, sich öffnen und sich verschließen ... Es war spannend, dem
wandelnden
Gefühlsleben
der
Figuren zu folgen.
Nach anderthalb Stunden schwangen
sich Laila und Murah auf ihre
Fahrräder und fuhren in entgegen
gesetzte Richtungen davon. Ich blieb
allein mit einem Tonband von 60
Minuten feinst gesponnener Gesprächsfäden, Lachen und Kaffeetassengeklapper. Da erst viel mir auf,
dass das Café mittlerweile fast leer
geworden war.
Weitere Vorstellungen:
2. und 3. Februar, 2007 im Saalbau
Neukölln, Berlin
www.caminada.de
43
Rätsel
Gewinnen Sie einen aktraktiven Preis
Beantworten Sie dazu die folgenden Fragen. Fügen Sie zum Schluss die Buchstaben in der richtigen
Reihenfolge zusammen. Das Lösungswort ist eine Stadt in Andalusien. (Die Schreibweise entspricht der in den
Artikeln.)
1. Wie heißt der Musiker, der dem Oud die 5. Saite hinzufügte?
(6. Buchstabe)
2. Welches Volk besiedelte nach den Römern die Iberische Halbinsel?
(6. Buchstabe)
3. Wie heißt die Hauptfigur einer Oper von George Bizet, in der es um
leidenschaftliche Gefühle, Musik und Tanz geht?
(2. Buchstabe)
4. Welches Geschlecht begründetet ein eigenes Kalifat in Córdoba?
(1. Buchstabe)
5. Woher lietet sich der Name Gibraltars ab?
(1. Buchstabe)
6. Welche berühmte Frau wird auch die Königin des Erzählens genannt?
(2. Buchstabe)
7. Wie heißt die Rai-Sängerin, die vor kurzem in Paris verstarb?
(8. Buchstabe)
Senden Sie Ihre Lösung an die
Redaktion der Al-Maqam, Zeitschrift für arabische Kunst und Kultur, Ulrike-Zeinab Askari,
Wilhelmstraße 42, 10963 Berlin, Fax 030/61 65 96 53, mail: [email protected]
und gewinnen Sie
2 Gutscheine für einen Aufenthalt im Sultan Hamam, Berlin (www.sultan-hamam.de)
1 Gutschein für eine individuell gestaltete Visientkarte plus 200 Exemplare von mediaAGENT, Berlin
(www.mediaAGENT.net)
1 Flacon 10 ml Weihrauch-Essenz von der Mekkanischen Rose, Berlin (www.mekkanischerose.de; Artikel
folgt im nächsten Heft)
1 CD Abed Azrié: suerte live
Einsendeschluss ist der 30. August 2006. Die Gewinner werden in der nächsten Ausgabe bekannt gegeben.
Wenn Sie nicht namentlich genannt werden möchten, bitten wir um schriftliche Mitteilung!
Wegen eines Datenverlustes im e-Mail-Programm sind leider die Namen aller Teilnehmer vom letzten Preisrätsel verloren gegangen. Die Teilnehmer mögen sich bitte noch einmal bei mir melden. Die Preise warten auf ihre Verteilung!
44
It's showtime!
"Bellydance Superstars" und "Desert Roses" auf
Deutschlandtournee
Text: Svetlana Georgieva, Foto: Michael Krömer
Zum zweiten Mal gastierten die
Bellydance Superstars gemeinsam
mit der Gruppe Desert Roses am
20. Mai 2006 in der Universal Hall
in Berlin. Zusammen bilden sie
eine 14-köpfige Kompilation aus
berühmten Tänzerinnen der USA.
Sie gelten als weltweit anerkannte
Profis im Bauchtanz und sind offen
für die Einflüsse anderer Stile.
Obwohl ich ihr Programm vor knapp zwei
Jahren gesehen hatte und auf tänzerische
Perfektion und choreographisches Geschick
vorbereitet war, war ich von dieser
Vorstellung überrascht. Diesmal fand ich die
Zusammensetzung von Musik und Tanz
weniger harmonisch doch nicht weniger
reizvoll. Da ich finde, dass sich die Show
einer sachlichen Beschreibung und Bewertung entzieht und sich nur über eine Ebene
des offenen und gesteigerten Vorstellungsvermögens wahrnehmen lässt, möchte ich an
dieser Stelle zunächst ein akustisches
Experiment vorschlagen:
Wahrscheinlich kennen Sie die Situation, am
Radio erwartungsvoll lauschend, einen
Sender zu suchen. Nun stellen Sie sich vor,
dass zunächst moderne ägyptische Musik,
mit eingängigem Pop-Rhythmus erklingt.
Neugierig geworden schrauben Sie am
Regler weiter und stoßen dabei auf die
unterschiedlichsten exotischen Musikwelten:
fetziger Rai, HipHop und Ragga; temperamentvoller Samba und Salsa; BollywoodKitsch oder Banghra-Getöse; SüdseeRomantik, kühner Ethno-Pop, harter Industrial-Rock oder pure ägyptische Trommel-Sessions. Die Mischung ist haarsträubend vielfältig; der Wechsel zwischen den
einzelnen Stationen ist spontan und schein-
bar zufällig. Manchmal bleibt der Radioanzeiger genau zwischen zwei Stationen
stecken, so dass sich zwei unterschiedliche
Stile überlagern, wie zum Beispiel die quirlige Bauchtanzmusik mit den mystischen
Klängen des Ethno-Industrial-Rocks. Fast
der gesamte "Remix" ist mit einem treibenden Beat unterlegt. Vielleicht bekommen Sie
Lust zu tanzen ...
Auf diesem Prinzip der abrupten Wechsel,
Brüche und Überlagerungen von Musik-,
Kostüm- und Tanzstilen wurde die Bühne
von den Tänzerinnen aus USA immer wieder
neu kreiert und schien für diese Show fast zu
klein zu sein. Das Beobachtete lässt sich nur
in einem eingeschränkten Maße in Worte
fassen. Der Zauber der Show verflüchtigt
sich im strengen Sinne des schriftlich fixierten Wortes. Die folgende Auftrittsbeschreibung kann also nur einen minimalen
Eindruck von den Aktivitäten und der
Atmosphäre des Abends vermitteln:
Die "Bellydance Superstars" und "Desert
Roses", die auf der Bühne zu einem
Ensemble zusammenschmelzen, überzeugten mich mit ihrem musikalischen und tän-
die Bellydance Superstars
45
zerischen Können. Sie sind jung, anmutig und energiegeladen. Jede von ihnen hat eine Besonderheit - ein charmantes Lächeln, eine geheimnisvolle Aura, besonders
gefühlvoller oder besonders expressiver Ausdruck ... Mit
unbestechlicher Dynamik zauberte eine (kleine) Tänzerin
mit großer Präsenz - Petite Jamilla - riesige Wirbel aus
Schleier in die Luft. Begleitet wurde sie von zwei
Derwisch-Tänzerinnen, die das entrückende Moment des
Sich-Drehens noch überhöhten. Mit einer Nonchalance
vollführte Sonia das lebendige Spiel der Dums und Taks,
das zu einem späteren Zeitpunkt von Jillina, der
Choreographin des Abends, ekstatisch auf die Spitze
getrieben wurde und den Trommler Issam Houshan ganz
schön ins Schwitzen brachte.
Besonders spannend fand ich die tänzerische Umsetzung
der Musikstücke dunkleren Charakters - einer Art
"Industrial-Ethno", das mit Tribal-Tänzerinnen wie Sharon
Kihara eindrucksvoll verwirklicht wurde. Die Tribal-Truppe
stellt zur expressiven, aufs Publikum zuspringenden
Energie der Bauchtänzerinnen einen starken Kontrast her.
Ihre Erscheinung hebt sich von den farbenfroh strahlenden
Kostümierungen der Bauchtänzerinnen ab. In Schwarz
gehüllt, mit schweren Hüfttüchern, Münzen, Bommeln und
Fransen behangen, verstärkt durch ein bewusstes Übermaß
an Ohrringen, Armreifen, Piercings, filigranen Tatoos und
wilden Haargeflechten schafften sie es, archaische Tanzformen und synthetische Klänge miteinander zu verbinden.
Der Energiefluss beim Tribal ist in sich gekehrt. Wie
Schlangen ragen ihre Arme und Hände aus den statischen
Körpern heraus. Ihr Empfinden für die Musik steht im
Kontrast zur fließenden, Klang visualisierenden Umsetzung der Bauchtänzerinnen. Beim Tribal wird die Musik
quasi auseinander genommen und entweder in Zeitlupentempo (durch elastische Wellen der Arme oder des
Torsos, extrem verlangsamte Hüftkreise u. a.) oder im Zeitraffer (mit heftigen Hüftstößen o. a.) akzentuiert.
Die Spannung im Raum stieg mit einer akrobatisch-tänzerischen Darbietung von Adoré, die es schaffte, zarte HüftAchten mit schwungvollen Flickflacks spielerisch leicht zu
verbinden. Eine andere Tänzerin stakste mit Stelzen und
Engelsflügeln herein - ein Auftritt, der im wahrsten Sinne
des Wortes etwas herausragte. Mit Requisiten wie Stöcken,
Leuchtstäben, Schleiern in allen möglichen Formen und
Farben wurde die phantasmagorische Performance reichhaltig ausgeschmückt. Mit einem funkelnden Auftritt mitten in der Show überraschten Beata und Horacio Ci fuentes das mitgehende Berliner Publikum.
Eine imposante Show, wie ich finde, die sich in vielen von
dem unterscheidet, was wir aus Deutschland kennen. Der
uralte Tanz - der Bauchtanz - authentisch und doch in einen
jugendlichen, unkonventionellen Stil übersetzt. Der ständige
abrupte Wechsel der Musik, das Flirren der Farben, die starke Fluktuation von Tänzerinnen auf der Bühne und ihre chamäleonartigen Stilverwandlungen, die verrückten Ideen und
die vielen Überraschungen machten den Abend zu einer
Feier der Phantasie. Die bombastisch gemixte, reichhaltige
und spaßige Show verlieh der sonst kühl wirkenden Mehrzweckhalle der Universal Hall einen schimmernden Glanz.
Svetlana Georgieva
studierte Theaterwissenschaft, Philosophie und Erziehungswissenschaft.
Eine intensive Beziehung zur Musik
und eine Bewegungslust von existentieller Bedeutung führten sie zum
orientalischen Tanz. Ihre Erfahrungsund Forschungsarbeit mündete in ihrer
Magisterarbeit an der FU Berlin:
"Die Empfindsamkeit des Bauches.
Orientalischer Tanz vor und nach dem
11. September."
46
Mona Okons legendäre Kamelparty
Partytime in Mühlheim
Text und Fotos: Anja Alice Nelk und Holger Schmidt
Mona Okon hat durch das Arrangement der Darbietungen sowie die
Auswahl der Mitwirkenden und die
ansprechenden Choreographien eine
wundervolle Spannung erzeugt über zweimal 80 Minuten.
122 Frauen und ein Mann, drei
Trommler und eine Trommlerin. Das
bedeutet ganz klar: it's partytime in
Mülheim! Mona Okons legendäre
Kamelparty, mit über 500 Gästen ausverkauft. Das nostalgische Ambiente
des Handelshofes entstand durch die
Bühnendekoration, einen großen
Bazar und orientalisches Essen, und
wandelte sich zu Raum und Zeit einer
anderen Dimension. Liebevoll ausgewählte Kostüme unterstrichen die
enorme Ausdrucksstärke der Tänzerinnen, die es schafften, ihre Freude
und die Begeisterung des Publikums
von Tanz zu Tanz steigen zu lassen.
Zauberhaft war das Debut von
Shayenne als Moderatorin. Mit
Professionalität begleitete sie diesen
Abend sowohl als Tänzerin als auch
am Mikrophon und hat ebensoviel
zum Gelingen beigetragen wie Samir
Shokry mit seinen fantastischen
Trommelsoli und der Gruppe "little
egypt", die bezaubernde Gasttänzerin
Sybilla und zum krönenden Abschluss Aladin el Kholy mit seinem
nicht enden wollenden Tanuratanz.
Aber auch das "Zwischendrin" war
jedes für sich ein absolutes Highlight
- egal ob es sich um den Lichtertanz
oder den modernen Fellahi, Balady
oder Stocktanz, Tribal Dance oder
Arabic Flamenco handelte.
Ganz klarer Höhepunkt war der
Auftritt von Mona. Sie tanzte einen
ursprünglichen Baladi mit einer
Ausdrucksstärke die ihresgleichen
sucht. Sie spielte so fantastisch mit
dem Publikum und verzauberte alle
Anwesenden in Sekundenschnelle
durch Tanz, Blicke, Ausdruckskraft.
Infos
über die Tänzerin und Choreographin
Mona Okon und die nächste
Kamelparty unter:
www.mona-okon.de
alle Fotos zu diesem Event unter:
www.bellydancephoto.de
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47
Glosse
Nicht alle Scherben bringen Glück
Samia Susann Trabolsi
Letztens stand ich am Flughafen in
Damaskus. Mein Gepäck wurde kontrolliert. Das erste Mal. Tatsächlich
wurde man fündig. Der Zöllner hielt
triumphierend eine Scherbe hoch.
Auch das noch, denke ich. Ich erkläre
dem uniformierten
antike Scherbe
Schnauzbart, dass meine Scherbe
keine syrische sondern eine römische
ist, die einen langen Weg hinter sich
gebracht hat - von Köln nach
Damaskus. Und heute wieder eingebürgert werden soll. Genau genommen auf meiner Kommode, wo sie
früher einmal stand, bevor sie ein
Geschenk für meine Cousine Ruba
wurde. Und gestern wollte ich sie
zurück. Ich weiß: "Geschenkt ist
geschenkt."
Ehe ich mich versehe, werde ich nicht
gerade sanft gebeten, dem Personal
zu folgen. Was mit meinem Koffer
passiere, will ich wissen. Keine
Antwort. Ich bin ein Verbrecher.
Angefangen hatte alles damit, dass
ich eine 1.800 Jahre alte rote römische Terrakotta-Scherbe, eine kleine
kaputte Erinnerung einer Grabung in
Köln, meiner Cousine Ruba schenkte.
48
Bei meinen Besuchen in Damaskus
suchte ich jedoch stets die
Glasvitrinen meiner Cousine ab und
stellte traurig fest, dass meine
Terrakotta-Scherbe nirgends, nicht
einmal hinter dem schlechtesten kitschigsten Kaffeeservice zu sehen
war. Vielleicht ist sie ja kaputt
gegangen? Aber eine Scherbe geht
nicht kaputt. Sie ist bereits kaputt.
Mir wurde das erst gestern klar, dass
eine Scherbe nur eine Scherbe ist,
also in ihrem Ganzen ein kaputtes
altes Etwas, dass sie daher keinen Ausstellungswert für Ruba
hat. Obwohl meine Cousine wie
jeder Syrer stolz auf die Ruinen
von Palmyra und die alten
Wasserräder von Hama ist, bleibt
eine syrische Scherbe eine Scherbe
und am Fundort.
Meine römische kam weiter. Fand den
Weg nach Damaskus bis in die hinterste Schublade zwischen die Socken
meiner Cousine. Deshalb hab ich sie
wieder mitgenommen. Ich habe
gesagt, der passende Topf sei in Köln
gefunden worden und nun wird
geschaut, ob die Scherbe passe. Bitte
nicht lachen. Ich will nicht tricksen.
Nur meine Scherbe zurück.
"Woher ist das? - Min wheen hadha?”
"Aus Deutschland - Min alemania.”
Keiner glaubt mir. Ich überlege, wie
ich die Sache vereinfachen könne. Ich
weiß genau, ich habe nur eine
Chance. Schlechte Lügner werden
enttarnt. Mir fällt Hammoude ein,
mein kleiner Neffe. Ich wiege meine
Lüge: "Mein Neffe hat die Scherbe
aus meiner Vitrine gestohlen, als er in
Deutschland war und jetzt hat man
sie mir zurückgegeben." Ein Dieb in
meiner Familie? Nein, gar nicht gut.
Oder so: eine persönliche Glücksscherbe: "Sie ist für mich wie der
Teddybär der Reisenden oder das
Amulett des Abergläubischen. Und
sie hat schon meiner Uroma gehört."
Ich weiß genau, es kann trotzdem
Ärger geben. Denn Okkultismus ist
haram - verboten. Daher schicke ich
meine Kaffeetasse der Wahrsagerin
nur noch per Post und lege sicherheitshalber 10 Euro für den Zollkontrolleur bei, damit der nicht seinen Daumen in meine KaffeesatzZukunft drückt.
"Von deiner Oma also?" "Ja, ja, ich
schwöre. Sie ist sehr alt. Die Oma."
Die Scherbe auch, denke ich. "Es
würde ihr das Herz brechen, wenn
diese Scherbe verloren geht." Ich
wühle in meinem Portemonnaie und
räume es aus. Ich zeige ein Foto meiner Mutter. "Das ist meine Oma, als
sie jung war." "Sehr schön, wirklich
sehr schön." Verstohlen lasse ich zwei
10-Euro-Scheine auf dem Tisch liegen. Man gibt mir einen zurück.
"Gute Heimkehr - Hamdil alassalama"
wünscht man mir. "Allah salmak"
wünsche ich zurück, nehme meinen
Koffer in die eine und die Scherbe
meiner Oma in die andere Hand und
gehe.
Erste arabische Fußball-Meisterschaft für Frauen
Männersport in Frauenhand
Text: Martina Sabra
mit freundlicher Genehmigung von
„Qantara.de – Internetportal zum Dialog mit der islamischen Welt“
Fotos: mit freundlicher Genehmigung des Goethe-Instituts, Kairo/Alexandria
Auch wenn konservative Kräfte in der islamischen Welt jeglichen Frauensport als verwerflich brandmarken: Nicht nur im
Iran, sondern auch in den arabischen Ländern begeistern sich
immer mehr Frauen für Fußball, wie das erste arabische
Fußball-Turnier für Frauen in Alexandria zeigt.
Populär wie nie zuvor - Frauenfußball in der islamischen Welt
Insgesamt neun Länder haben sich für
die erste offizielle arabische Frauenfußball-Meisterschaft qualifiziert, die
im April im ägyptischen Alexandria
stattfand. Neben dem Gastgeberland
Ägypten waren die National-Teams
aus Tunesien, Algerien, Marokko,
Libanon, Bahrein, Syrien, den Palästinensergebieten und aus dem Irak
angetreten.
Als Favoritinnen galten Marokko und
Algerien. Aber auch die ägyptischen
Kickerinnen rechneten sich gute
Chancen aus, sagte die Nationalspielerin Safiya Abdel Dayem: "Wir
haben mehrere Trainingscamps absolviert, wir sind gut vorbereitet, und wir
machen ein gutes Spiel. Ich hoffe, wir
werden den Titel gewinnen."
Die "Mutter des Frauenfußballs"
Safiya Abdel Dayem spielt beim Club
Cairo - A. C. Milano, einem ägyptischen Partnerverein des berühmten
italienischen Sportclubs. Die 18-jährige Studentin der Kommunikationswissenschaften begann mit zehn Jahren, hobbymäßig Fußball zu spielen.
Mit 16 gelang ihr der Sprung in die
neu gegründete ägyptische FrauenNationalmannschaft.
Dass Frauenfußball in Ägypten möglich ist, dafür sieht sie zwei Gründe:
"Auf der einen Seite akzeptiert die
Gesellschaft zunehmend, dass Mädchen Sport treiben und auch Fußball
spielen. Und dann gibt es Einzelpersonen, die Wichtiges geleistet
haben, wie Sahar El-Hawary. Sie ist
die Mutter des Frauenfußballs in
Ägypten."
Frauenfußball-Trainerin Tina TheuneMeyer bei ihrem offiziellen Besuch in
Ägypten Anfang April 2006 beobachten konnte.
"Die meisten haben in kurzen Hosen
und Trikots gespielt wie wir auch,
aber zwei oder drei hatten ein
Kopftuch auf. Und dann haben einige
auch ihre Oberschenkel bedeckt, die
Stutzen sehr weit hoch gezogen."
Trainingshilfe aus Deutschland
Ob mit oder ohne Kopftuch, ob in der
Liga oder nur aus Spaß - schätzungsweise 2500 Mädchen und Frauen in
über 20 Vereinen lassen in Ägypten
mittlerweile das Leder rollen.
Stutzen werden hoch gezogen
Von der Popularität des MännerSahar El-Hawary ist es zu verdanken,
fußballs sind die Damen noch weit
dass der Frauenfußball trotz mannientfernt und auch die Werbeeinfaltiger gesellschaftlicher, religiöser
nahmen sind recht bescheiden, doch
und finanzieller Schranken heute
die Spielerin Safiya Abdel Dayem
auch im konservativen Ägypten immer
hofft, dass die anstehende erste
mehr Zuspruch findet. Die Tochter
Arabische Meisterschaft ihrem Sport
eines bekannten ägyptischen FIFAAuftrieb gibt. "Als wir angefangen
Schiedsrichters
gründete 1996 die
Frauenfußball-Kommission beim ägyptischen
Fußballverband EFA.
Heute gibt es eine
landesweite eigene
Frauenfußball-Liga,
in der 600 Spielerinnen regelmäßig
um Punkte kicken einige davon in islamischer Kleidung,
wie die deutsche Match Ludwigsburg gegen Muntakhab Al Qahera, Foto: Claudia Wiens
49
Geld und qualifizierte Trainingsmöglichkeiten. Um so wichtiger sind
Projekte wie der Austausch zwischen
deutschen und ägyptischen Fußballerinnen, den das Goethe-Institut Kairo
Anfang April 2006 organisierte.
Begeisterung für Frauenfußball
Match Ludwigsburg gegen Muntakhab
Al Qahera, Foto: Claudia Wiens
haben, interessierte sich niemand für
uns. Durch diesen offiziellen arabischen Frauenfußballcup hat sich das
geändert."
Safiya Abdel Dayem hat bei diversen
Afrika-Turnieren internationale Spielerfahrung gesammelt. Doch global ist
der arabische Frauenfußball bislang
noch nicht wirklich konkurrenzfähig.
In den reichen arabischen Golfstaaten
Qatar und Bahrein wird zwar von offizieller Seite viel Geld in Frauensport
und Frauenfußball investiert. Doch in
armen Ländern wie Ägypten fehlen
Die Damenmannschaft des TSV
Ludwigsburg reiste für eine Woche
zum gemeinsamen Training und zwei
Spiele nach Kairo und Alexandria.
Deutschlands
"WeltmeisterinnenMacherin" von 2003, Tina TheuneMeyer, die den Austausch als GastTrainerin begleitete, hatte soviel Begeisterung für Frauenfußball am Nil
nicht erwartet.
"Ich war überrascht, was da alles so
passiert, insbesondere an Schulen. Da
saßen Jungs auf der Tribüne, und riefen deutsch-ägyptische Schlachtrufe,
während die Mädchen unten trainierten und die gleiche Freude beim
Spielen hatten wie in Deutschland."
Für die ägyptischen Spielerinnen war
der Austausch mit Deutschland eine
hoch willkommene Gelegenheit, vor
der arabischen Meisterschaft noch
einmal die eigenen Spieltechniken
und Taktiken auf den Prüfstand zu
stellen. Bei den Trainingsmethoden
gäbe es noch viel zu tun, meinte
Theune-Meyer. Da setze man am Nil
zu stark auf Drill und zu wenig auf
Individualität und Kreativität.
Aber die ägyptische FrauenfußballNationalmannschaft, so TheuneMeyer, besitze einige echte Talente:
"Die haben einige Spielerinnen,
denen ich das zutrauen würde, direkt
hier in die höchste Liga einzusteigen:
Sie hätten das Potential, auch international mitzuspielen", so TheuneMeyer. "Afrika muss viel mehr
Wettbewerbe anbieten, die müssen
regelmäßig herausgefordert werden,
Vergleiche haben und Erfahrungen
sammeln."
zum Tod des irakischen
Theaterregisseurs Awni Karoumi
Wir trauern um unseren Freund,
den Theaterregisseur Dr. Awni Karoumi
Sein überraschender Tod so kurz nach unserer arabischen Kulturwoche war
für uns alle sehr schmerzhaft und traurig. Es ist für uns ein großer menschlicher und künstlerischer Verlust.
Awni Karoumi war ein Mitgestalter dieser ersten arabischen Kulturwoche
und ein Kulturmittler. Menschliche Fragen waren stets die Themen seiner
Theaterstücke und seines Lebenskampfes.
Wir haben einen liebenswerten und kreativen Menschen verloren, der
immer hilfsbereit war, und immer offen, sich für andere zu engagieren.
Awni Karoumi wird uns in guter Erinnerung bleiben.
Das Team des AKI e.V.
50
Weltpremiere in Berlin
Ägyptens
versunkene Schätze
Barbara Schumacher
An dieser ausgezeichnet besuchten, bis zum 4.
September 2006 dauernden Ausstellung, das Highlight
des Sommers 2006 in Berlin, ist vieles sensationell: z. B.
die Tatsache, dass Berlin die erste Station ist - zu
beträchtlichem Anteil wegen des unermüdlichen Einsatzes
des auf politischem, diplomatischem und kulturellem
Parkett erfahrenen und rührigen ägyptischen Botschafters
Mohamed Al-Orabi in Berlin. "Dank ausgezeichneter
Teamarbeit zwischen Museum, dem Frachtflugunternehmen, das die tonnenschweren Exponate nach Berlin
brachte, der deutschen und ägyptischen Regierung und
der ägyptischen Botschaft ist dieses Unternehmen gelungen. Besonders gefreut hat mich, dass die Präsidenten von
Deutschland und Ägypten bei der Eröffnung dabei waren",
so der Botschafter, der die tonnenschweren Exponate, die
mit dem riesigen Airbus Beluga in Berlin-Schönefeld
ankamen, sozusagen in Empfang genommen hat.
Selten hat man eine Ausstellung gesehen, in der sämtliche
Exponate von drei sagenumwobenen Orten (Antiker Hafen
von Alexandria, Herakleion und Kanopus) vom
Meeresboden geholt werden mussten - dank der Arbeit
des Meeresarchäologen Franck Goddio und seinem Team.
Dem Besucher werden nicht nur die einzigartigen
Exponate präsentiert, sondern auch Informationen über
die Arbeit von Unterwasserarchäologen vermittelt. In
Videofilmen
kann man z. B.
erleben, wie die
Kolossalstatue
des
Fruchtbarkeitsgottes
Hapi, mit 5,40
m Höhe die
größte freistehende
Statue
eines
ägyptischen Gottes,
am Meeresboden
gefunden und
geborgen wurde.
Hapi war in sieStele von Heraklion wird geborgen ben Teile zerCopyright Franck Goddio/Hilti Founbrochen, wurde
dation, Foto: Christoph Gerigk
Franck Goddio und Taucher seines Teams betrachten die kolossale Statue des Gottes Hapi, Copyright Franck Goddio/Hilti
Foundation, Foto: Christoph Gerigk
jedoch perfekt zusammengesetzt und kann zusammen mit
zwei weiteren Kolossalstatuen im Martin-Gropius Bau
bewundert werden. Bei diesen handelt es sich um die
Kolossalstatue eines Königs aus Ptolemäischer Zeit (305 330 n. Chr.) und der Statue einer Königin aus der gleichen
Zeit, beide aus rotem Granit. Die Kopfbedeckung der
Königin besteht aus einer Sonnenscheibe mit 2 langen
Federn und den Hörnern der mit Isis gleichgesetzten
Göttin Hathor. In der Mitte der Stirn erhebt sich eine
Kobra. Sie trägt ein Kleid mit feinen Falten - seit der 19.
Dynastie typisch für die Gattin des Königs. Der König
trägt die Doppelkrone mit der Uräusschlange. Dieses
Königspaar, das man bisher noch nicht benennen kann, ist
vergleichbar mit den auf der Fassade des kleinen Tempels
von Abu Simbel gemeißelten Statuen von Ramses II und
Nefertari. Der Anblick der drei ausgezeichnet erhaltenen
Kolossalstatuen ist unvergesslich. Sie sind der Höhepunkt
der Ausstellung in der großen Halle des Museums. Wegen
der tonnenschweren Last waren besondere StatikMaßnahmen im Museum erforderlich.
Ein weiteres Highlight ist die Stele von Nektanebos I.
Diese Granitstele wurde am Ort des Tempels von
Herakleion gefunden. Sie ist in Form und Inhalt fast identisch mit einer anderen Stele, die vor mehr als einem
Jahrhundert in Namkratis entdeckt wurde. Pharao
Nektanebos I (380 - 362 v. Chr.) ließ die Stele während
seines ersten Regierungsjahrs bauen. Die Inschrift ver-
"O, Osiris, ich bin dein Sohn Horus und ich komme,
um meinen Vater Osiris zu beschützen
O, Osiris, ich bin dein Sohn Horus und ich komme,
um die Feinde zu erschlagen, ..."
oder:
"Ich bin Re, der diejenigen stärkt, die er liebt
Mein Gesicht ist die Sonnenscheibe von Re
Meine Lippen sind die Lippen von Anubis
Mein Nacken ist der Nacken der Göttin Isis
Mein Rückgrat ist das Rückgrat von Seth
Mein Penis ist der Penis von Osiris
Meine Füße sind die Füße von Ptah
Keines meiner Glieder ist ohne einen Gott
Thoth beschützt meinen ganzen Körper."
51
kündet seinen Beschluss, eine Steuer
auf die von Griechen importierten
oder produzierten Produkte zu erheben, die in der Stadt Thonis umgeschlagen werden. - Die Nennung von
Thonis auf der Stele bestätigt, dass
Herakleion und Thonis ein und dieselbe Stadt sind - eine sensationelle
Erkenntnis.
Die Stele bezeugt auch die Rolle der
Stadt als Wirtschaftszentrum und
Zollstelle am Einfallstor zum pharaonischen Ägypten "für alles, was aus der Kopf einer Statue Ptolemaios XV. (Cäsarion) und eine als Isis gekleidete ptolemäische
dem Meer der Griechen kommt". Viele Königin, Copyright Franck Goddio/Hilti Foundation, Foto: Dawin Meckel/OSTKREUZ
Besucher fragen sich, ob die Stele echt
ist, da sie vollkommen erhalten ist. Sie ist echt mit ihrer
Höhe von 195 cm und 88 cm Breite und den hellen Bildern
Umfassende Informationen
und Schriftzeichen auf schwarzem Granit.
enthält der 464 Seiten starke, ausgezeichnete Katalog zur
Wer vom vielen Herumgehen, Betrachten der etwa 500
Ausstellung.
Exponate und der vielen Videos mit Unterwasserszenen
Weitere Infos unter:
müde geworden ist, kann sich auf einer breiten Bank in
www.gropiusbau.de und www.aegytens-versunkeneeiner Nische erholen und meisterhaft vorgetragenen
schaetze.org
Texten und Gedichten aus dem Buch der Toten aus dem
Die Franck Goddio Gesellschaft bietet eine kostenlose
20. Jahrhundert v. Chr. lauschen: (s. Kasten S. 51)
Mitgliedschaft an: www.franckgoddio.org
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52
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Leserbeitrag
Die Welt auf Seide
Kirsten Stäber
Der Orient
… Es gibt nur wenige Hinterlassenschaften, die die
Phantasie der Menschheit so anregen, wie die der orientalischen Völker. Schon vor Jahrtausenden besaßen ihre
Reiche eine derart großartige Kultur, die uns heute noch
staunen und schwärmen lässt. …
Zur See fahrende Völker sowie Handelskarawanen brachten
die exotische Kultur und die faszinierenden Errungenschaften des Orients nach Europa. Und die Liebe der
Abendländer zum Morgenland begann. …
Was fasziniert uns so sehr am Orient?
1001 Nacht 1
Sind es die schmalen, bunten mit exotischen Düften
geschwängerten Gassen der Altstädte, die uns in längst
vergangene Zeiten zurückversetzen und uns träumen lassen? Oder die Goldgeschmeide in den Auslagen der
Juweliere, die farbenprächtigen Stoffe, Gewänder und
Teppiche mit denen sich der Orient schmückt? Die lächelnden Gesichter der orientalischen Bewohner oder die
Einsamkeit und Stille der Wüsten? Die Liste könnte noch
endlos fortgeführt werden. Aber vermutlich fasziniert uns
alles zusammen. Im Orient ticken die Uhren anders.
Vielleicht etwas leiser und auch weiser als bei uns, zumindest ohne Stress und Hektik. Das Zauberwort der
Orientalen heißt Gelassenheit.
Dubai neu
Kirsten Stäber, Jg. 1960,
stammt aus Hannover und beschäftigt sich hauptberuflich mit
Gold, Perlen und Edelsteinen. Als Kind schon fasziniert von
den Alten Ägyptern beschäftigte sie sich als Erwachsene sehr
intensiv mit ihrer Kunst der Malerei.
Da sie nicht nur leuchtende Farben sondern auch edle Stoffe
liebt, wählte sie für sich selbst die Seidenmalerei als ihr
Medium. Von ihren Reisen durch den Orient lässt sie sich inspirieren, die schönsten Orte und Sehenswürdigkeiten auf Seide
zu verewigen.
2001 veröffentlichte sie das Buch "Die Welt auf Seide".
Info
www.die-welt-auf-seide.de
indische Hochzeit
53
Institutionen
Haus der Kulturen der Welt auf neuen Wegen
100 Tage Bernd M. Scherer
Text und Foto: Mohamed Askari
Zur Pressekonferenz am 25.
April 2006 kamen mehr als
40 Journalisten, die allein
durch ihre Anwesenheit das
Interesse an dieser Berliner
Institution deutlich machten.
1957 eröffnet, von den Amerikanern
gestiftet und mit dem Auftrag ins
Leben entlassen, eine Begegnungsstätte der Nationen zu werden, hat das
Haus eine recht bewegte Vergangenheit hinter sich. Allein schon seine
Lage war geradezu ein Politikum, im
Herzen Gesamtberlins, in Sichtweite
der Mauer und als architektonische
Ergänzung zum im Krieg völlig zerstörten, traditionsreichen Hansaviertel
und als Gegengewicht zur Ostberliner
Stalinallee. Zunächst war das Haus
lange Zeit eine Kongresshalle bis sie
Ende der 80er Jahre - nach dem
Einsturz des Daches und dessen
Sanierung - als Haus der Kulturen der
Welt (HKW) wiedereröffnet wurde.
Der Name ist Programm
In diese Zeit fällt die intensive
Zusammenarbeit mit dem inzwischen
nicht mehr existierenden Internationalen Institut für traditionelle Musik, die
jährlich gemeinsam ein großes Festival
veranstalteten. Bereits damals fragwürdig war die Art und Weise, wie die
Künstler präsentiert wurden. Da war
auch schon mal von Eurozentrismus
die Rede. Ganz zu schweigen von der
Frage, wie authentisch und traditionell
denn ein Chor von einfachen Frauen
aus einem ukrainischen Dorf auf einer
54
Bühne mit aller nur erdenklichen wenn auch sparsam eingesetzten Technik noch sein kann. Erfreulicherweise ging man im HKW dazu über,
die Gäste aus fremden Kulturen mehr
und mehr als Künstler zu sehen und
sie als gleichwertig zu behandeln.
Aber leider war man in der Zeit oft
mehr mit der Perfektionierung der
eigenen Konzepte beschäftigt als nach
den Interessen des Publikums zu fragen und so wurde es in den letzten 5
Jahren immer ruhiger im und rund ums
Haus.
War die kulturelle Entwicklung in der
Stadt am HKW vorbeigegangen oder
hatte sich der damalige Auftrag, der so
deutlich auf den besonderen Status
von Westberlin abzielte, mit dem Fall
der Mauer erübrigt?
Ein neues Weltbild
Was die Zukunft des Hauses betrifft,
so gelobt Bernd Scherer, der neue
Intendant des Hauses, sozusagen
Besserung. Man könne nicht an der
Globalisierung vorbei und auch nicht
an der "Exotierung". Das Weltbild des
HKW müsse neu überdacht werden,
wobei auch der eigene Standpunkt
immer wieder neu gefunden werden
muss. Schließlich sei ja auch der
Begriff "Kunst" nichts Statisches. Das
soll sich z. B. in dem neuen Projekt
widerspiegeln, mit dem das Haus im
August 2007 nach seiner Teilsanierung wieder eröffnet wird: New
York, als Sinnbild und Programm für
die Welt, die sich auch im Westen
immer weiter von der transatlantischen
weg hin zur globalisierten Moderne
entwickelt.
Eingangshalle als Agora
Die Eingangshalle solle eine Art
Agora werden, nach dem Vorbild der
altgriechischen Versammlungsplätze.
Schließlich will das Haus sich künftig
mehr als Bindeglied zwischen Kunst
und Wissenschaft verstehen und ein
Treffpunkt für Künstler und Wissenschaftler, internationale Gäste und
Berliner, Experten und ein breites
Publikum werden.
http://www.hkw.de
Arabische Erzählkunst
Al-Maqam sprach
mit Salim Alafenisch
Salim Alafenisch: Foto: U.A.
Der Schriftsteller und Erzähler Salim
Alafenisch wurde 1948 als Sohn eines
Beduinenscheichs in der NegevWüste geboren. Als Kind hütete er
die Kamele seines Vaters, mit vierzehn Jahren lernte er lesen und
schreiben. Nach seinem Abitur 1971
in Nazareth folgte ein einjähriger
Aufenthalt am Princeton College in
London. 1973 ging er nach Heidelberg, wo er Ethnologie, Soziologie
und Psychologie an der Universität
Heidelberg studierte. Von 1984 bis
1989 war Salim Alafenisch in der
Erwachsenenbildung tätig. Er veröffentliche mehrere Abhandlungen über
die Beduinen und ihr Leben. In seinen
zahlreichen Autorenlesungen, Rundfunk- und Fernsehsendungen vermittelt er ein lebendiges Bild der Beduinenkultur. Salim Alafenisch hat
sieben Bücher veröffentlicht. Zurzeit
arbeitet er an seinem achten Buch
"Die Feuerprobe", das im Herbst
2007 im Unionsverlag in Zürich
erscheinen wird.
Du bist ja nicht nur Schriftsteller,
sondern Du erzählst Deine Geschichten auch selbst dem Publikum.
Hast Du das Geschichtenerzählen
richtig gelernt? Und wenn ja, wo und
von wem?
Das ist eine Frag, die länger als ein
Kamelhals ist. Zunächst möchte ich
sagen, dass der Orient nicht nur der
Geburtsort dreier Religionen, des
Judentums, des Christentums und des
Islam ist, sondern auch die Wiege des
Erzählens von Märchen, Geschichten,
Legenden und Sagen. Im Orient
erreichte diese Erzählkunst eine bei-
spiellose Blüte. Und in diesem
Umfeld des Erzählens bin ich groß
geworden. Ich bin als Sohn dieser
Erzählkultur aufgewachsen. Im Zelt
meines Vaters mit zwei Räumen, einer
für die Familie und einer für die
Gäste, hat der Kadi Recht gesprochen. Und der Gast bekam sein
Recht, drei Tage und drei Nächte zu
bleiben. Auch die Gäste waren Träger
von Geschichten. Erzählen ist meine
Wurzel. Geschichten und Märchen
waren in meiner Kindheit mein Kino
und meine Bücher. Es gab in der
Wüste kein Kino und auch keine
Bücher. In meiner Arbeit als Schriftsteller und Erzähler schlage ich eine
Brücke zwischen gesprochenem, er-
zähltem und geschriebenen Wort.
Beim Erzählen hat man mehr
Möglichkeiten, einige Passagen zu
variieren oder neu zu entfalten, die
Fantasie zu steigern durch einen
bestimmten Ausdruck, ein bestimmtes Wort, dem gesprochenen Wort
einen Ausdruck zu verleihen.
Es gibt eine alte Tradition des arabischen Geschichtenerzählens. Gibt es
bestimmte Elemente, die vorhanden
sein müssen? Einen bestimmten
Aufbau oder Handlungsablauf?
Wie vorher erwähnt, blickt der Orient
auf eine alte Erzähltradition zurück,
die es schon lange vor dem Islam gab.
Die Sprache der Dichtung auf der
arabischen Halbinsel, wie etwa in den
sieben Juwelen der Dichtung (Malakat), ist schon vor langer Zeit hoch
entwickelt gewesen.
Dichtung ist ein Medium, das mit
Talent und Gabe zu tun hat. Die
Beduinen dichteten am Lagerfeuer.
Durch die Vielfalt der Völker und
Kulturen und die lange Erzähltradition des Orients entstanden die
Juwelen der Weltliteratur wie das
"Gilgamesch-Epos", "Tausendundeine
Nacht" und "Kalila wa dimna" (Tierfabeln). Die Sprache ist wichtig, um
die eigenen Wurzeln zu transportieren oder aber um Weisheit, Spannung
("Morgen erzähle ich weiter …" Scheherazade) zu verpacken. Eine
Geschichte in der Geschichte, eine
Kette oder Anreihung von Mosaiksteinen sind typische Elemente der
orientalischen Erzählkunst. Erzähler
sind Pädagogen. Sie kennen ihr
Publikum, ihre Zuhörer und wissen,
welche Geschichte man erzählen, wie
man auf die Stimmung eingehen kann.
Erzählen ist immer eine Interaktion.
Humor ist ein weiteres Element.
Über welche Themen wurde gesprochen?
Die Umstände des Erzählens ist das
Medium, das das ganze Leben umfasst. Alle Momente des Lebens wie
Trauer, Freude, Weide, Landschaft,
55
Es ist eine breite Palette …
Erzählen Männer und Frauen gleichermaßen?
schematische Darstellung eines Beduinenzeltes
Wüste, Nacht, Tiere (Pferde oder
Kamele wie in "Das Kamel mit dem
Nasenring") sind wichtige Themen. In
den langen Nächten wird in geselliger
Runde am Lagerfeuer erzählt. Die
Geschichten dienen nicht nur der
Unterhaltung, sie vermitteln auch kulturelle Werte, dienen der Sozialisierung. Ein beduinisches Sprichwort sagt: "Die Alten sind die Brunnen aus denen die Jungen schöpfen."
Durch das Erzählen werden die
Traditionen weiter überliefert. Die
orale Tradierung ist ein wichtiges
Element der Stammesgemeinschaft.
Gäste erzählt. Ihrer Sprache, Mimik
und Gestik haben mich geprägt.
Als Schriftsteller auf der anderen
Seite bin ich geprägt durch die alten
Vorbilder wie Al Mutanabi, die klassische Tradition und auch durch modere Vorbilder wie Taufiq el Hakim oder
Ahmed Shauqi (Cleopatra; vgl. AlMaqam 1/06, S. 9ff.). Dazu kommen
meine Reisen, meine Bildung, das
Studium, die Kenntnis der Weltliteratur, von denen ich drei ganz
besonders als meine Vorbilder sehe:
Johann Wolfgang von Goethe,
Hermann Hesse und Thomas Mann.
Gibt es schriftliche Aufzeichnungen,
wann fangen sie ungefähr an?
Woher nimmst Du Deine Themen?
Das ist eine schwierige Frage. Seit
Menschen im Orient leben, wird
erzählt. Das ist ein bisschen wie die
Frage, wer war zuerst da, das Ei oder
die Henne. Die Geschichten wurden
von Generation zu Generation weitergegeben und dabei verfeinert. Viele
Jahrhunderte vergingen bis zu den
Juwelen der Weltliteratur.
Wer war/ist Dein großes Vorbild?
Ich antworte einmal als Schriftsteller
und einmal als Erzähler. Als Erzähler
blicke ich auf eine lange Erzähltradition der Stämme der arabischen
Halbinsel zurück. Ich bin mehr in der
Stammestradition verwurzelt, nicht so
sehr in der Tradition der Märchenerzählung. Das ist eine bestimmte
Gattung, die über die Nacht, das
Zeltlager, die Sehnsucht der Erde
nach Regen, die kühle Abendbrise,
die Frühlingsweide, den Stammesältesten, die Mutter, den Scheich, die
56
Ich habe einen besonderen Werdegang. Ich bin im Zeltlager aufgewachsen. Und die arabische Dichtung hat
meine Neugier geweckt. Ich schreibe
über die alltäglichen Schwierigkeiten,
den Zusammenprall zwischen Tradition und Moderne (“Das versteinerte Zelt”), das Alltagsleben der Nomaden von innen. “Die acht Frauen
des Großvaters” sind eine biografische Erzählung. Weitere Quellen für
meine Themen sind die Stammesgeschichte, meine Kindheit, mein
Studium, das Gastland, das Erlebte,
Menschen die ich getroffen habe und
die mein Bewusstsein erweitert
haben. Auch der Distanz verdanke
ich meine Themen, dass ich hier lebe
und über dort schreibe. Manchmal
klopfen Themen auch einfach an die
Tür wie "Das Kamel mit dem
Nasenring." Das Kamel wollte seine
Geschichte geschrieben haben. Das
wäre nicht gegangen ohne die
Distanz. Als Sohn dieser Kultur
möchte ich meine Stimme erheben.
Ich möchte die Frage so beantworten:
Männer erzählen anders als Frauen,
Frauen erzählen anders als Männer,
und das ist gut so! Frauen erzählen
über die Liebe, Märchen, für Kinder,
zur Sozialisierung, Gute-Nacht-Geschichten. Wenn sie Kummer haben
oder lieben, transportieren sie ihre
Gefühle in einer Geschichte oder
wenn sie Probleme mit ihrem Mann
haben sensibilisieren sie mit Geschichten ihre Kinder ("Die acht
Frauen des Großvaters"). Die Königin
des Erzählens ist eine Frau, nämlich
Scheherazade. Erzählkunst ist nicht
nur Sache der Männer. Auch die
Frauen versammeln sich nach getaner
Arbeit um die Kaffe- oder Teekanne.
Die Mutter verspricht den Kindern,
zu erzählen, wenn sie bestimmte
Aufgaben erledigt haben. Und die
Kinder lauschen überall.
Männer erzählen auch, aber mehr
über das Alltagsleben, die Sorgen,
über Weideplätze, Wasser und
Trockenheit, Helden, Kriege, Vorfahren, Ahnen, die Genealogie, den
Großvater ("Das Kamel mit dem
Nasenring"), Sitten und Gebräuche
der Wüste, Gewohnheitsrecht .
Wie kann man dich buchen?
Für Lesungen und Erzählabende für
Kinder und Erwachsene - es gab bei
uns immer die Tradition des gemeinsamen Erzählens, die Kinder wurden
nicht separat behandelt, sie wechselten vom Frauen- zum Männerzelt, wie
es ihnen gefiel - kann man sich an den
Unionsverlages in Zürich oder an
Ravensburger wenden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Infos
www.unionsverlag.ch
www.ravensburger.de
Buchvorstellungen
Arabische Erzählkunst
Sarah Askari
Salim Alafenisch
Salim Alafenisch
Das Kamel mit dem Nasenring
180 S., Unionsverlag, Zürich,
2003, 8,90 Euro
Das versteinerte Zelt
114 S., Unionsverlag Zürich 1994, 8,90
"Du hast Recht! Meine Worte
sind schwierig zu übersetzen.
Wir waren bemüht, den Tieren
beizubringen, was eine Grenze
ist; mit mäßigem Erfolg! Sie
reagieren zwar auf Strafen, aber
den Sinn von Grenzen haben sie
immer noch nicht begriffen!"
In der Tat! Nach der Lektüre dieses Buches von Salim
Alafenisch stellt man den Sinn von Grenzen immer mehr in
Frage. Insbesondere für ein Volk, das seit Anbeginn der
Zeit immer auf Wanderschaft war, geleitet von den Hufen
der Tiere und den Spürnasen der Hirten, die die saftigsten
Weidegründe suchten. Doch die Zeiten haben sich dramatisch geändert. Salim Alafenisch erzählt die Geschichte
seines Stammes, der zwischen den politischen Fronten im
Nahen Osten aufgerieben wird.
Am Anfang des letzten Jahrhunderts von den osmanischen
Herrschern bedrängt, haben die Engländer überhaupt kein
Verständnis für die Not der Beduinen, während die Militärs
von Israel und Jordanien einfache Hirten zu Spionen und
Drogenhändlern machen. Welchen anderen Grund könnte
es für sie geben, eine Grenze zu überschreiten. Doch
Salim Alafenisch zeigt feinsinnig, dass es nicht so einfach
ist und dass die Beduinen ihren Anspruch auf ein freies,
menschenwürdiges Leben auf ihre Art verteidigen.
Ohne Schuldzuweisungen wird hier vom Stammesältesten
in poetischen Geschichten die historische Entwicklung mit
ihren Auswirkungen auf das Leben der Beduinen erzählt.
Abdallah, der durch den Hunger seines edlen weißen
Kameles mit dem Nasenring einmal in jordanische und
danach in israelische Gefangenschaft gerät, bringt schließlich seinen israelischen Wärter aus dem Gefängnis zu seinem Hochzeitsfest mit. Auch nach all diesen schweren
Erfahrungen ist das Gastrecht immer noch heilig:
"’Der Gast sei willkommen!’ begrüßte der Scheich den
Wärter."
Der alte Rababaspieler Musa lebt mit seiner Frau in einem
Steinhaus. Doch er träumt nicht mehr. Seine kluge Frau
Zaneh meint, dass es daran liegen müsse, dass die Träume
sich im Steinhaus nicht wohl fühlen. In den engen Mauern
des Hauses sind sie eingesperrt. "Im Zelt aus Ziegenhaar
waren die Träume frei. Sie konnten wandern und durch die
Zeltlöcher rein- und rausschlüpfen."
Die Zeit der Kamele ist
unwiederbringlich vorbei. Jetzt
leben die Menschen in der Zeit
der
Steine.
Doch
die
Steinhäuser haben unersättliche Mäuler, sie verschlingen
die Herden der Beduinen, so
dass das Leben völlig verändert
ist.
Das Buch von Salim Alafenisch
erzählt in mehreren Geschichten, eingewoben in die Träume
des alten Musa, der einen
Freund im Zelt besucht, um endlich wieder einmal seine
Träume empfangen zu können, u. a. von Neuerungen, die
Einzug in die Lager der Beduinen halten wie z. B. dem
Radio,
der
Fotografie,
der
Einführung
von
Personalausweisen, Rentenansprüchen usw. Dabei erzählt
es immer wieder von den alten Zeiten, doch ohne jemals
besonders wehmütig zu werden oder um die alten Zeiten
zu trauern. Sie sind eben vorbei und nach einigem
Zaudern sind auch die alten Männer bereit, die moderne
Technik zu benutzen. Nebenher erfährt man viel über die
Traditionen, über Sitten und Gebräuche, den Ehrenkodex
sowie Riten und Rituale der Beduinen. Alafenisch schreibt
mit einem gesunden Humor und macht so die
Informationen, die dieses Buch enthält, zu einem reinen
Lesevergnügen.
Eine Neuauflage ist in Vorbereitung.
57
Salim Alafenisch
Salim Alafenisch
Die acht Frauen des Großvaters
174 S., Unionsverlag, Zürich,
2004, 8,90 Euro
Wie autobiografisch mag die
Geschichte über den Großvater
mit seinen acht Frauen sein, die
den Kindern am abendlichen
Feuer von der Mutter erzählt
wird. Auf jeden Fall erfährt der
Leser sehr viel über Sitten und
Gebräuche, über Rituale und die Schlauheit der Frauen.
Dass hier aus erster Hand erzählt wird, macht die
Geschichten noch spannender, denn Salim Alafenisch
schafft es - mit dem geschriebenen Wort genau so wie mit
dem gesprochenen -, seinen Leser so in seinen Bann zu
ziehen, dass er sich nach der Lektüre verwundert die
Augen reibt und sich fragt, wohin die Mutter und die anderen Kinder, das Zelt, die Kaffeekanne und der Mond entschwunden sind. War ich nicht eben noch mitten in der
Nacht der Negev-Wüste? Und schließlich fühlt man sich
nicht mehr als Tourist sondern als Gast, weil man Bescheid
weiß über die drei Kaffeeschälchen, das Gastrecht und viel
andere Regeln und Gesetze der Wüste.
Salim Alafenisch
Der Weihrauchhändler
139 S., Unionsverlag, Zürich
2005, 1. Aufl. 1988, 8,90 Euro
Mit ineinander verwobenen
Geschichten unterhält Musa,
der Rababaspieler, der uns
bereits aus dem "versteinerten
Zelt" bekannt ist, die Runde im
Männerzelt. Dabei gibt es
Sozialkritisches zur Geschichte der Beduinen im
Osmanischen Reich genauso wie hinreißende Liebesgeschichten, die vom Mut und der Tapferkeit, der Würde
und dem Ehrenkodex dieser Menschen berichten, immer
mit einem Augenzwinkern, nie anklagend oder bitter. Die
Frauen sind ebenso raffiniert wie die Männer, wenn es um
Liebesangelegenheiten geht. Männer und Frauen kommen
zu Wort und erzählen von den Dingen, die ihnen
besonders wichtig sind. Letzten Endes findet Salem durch
den Weihrauchhandel sein Glück und seine Geliebte.
zu allen vorgenannten Büchern siehe
http://www.unionsverlag.com/info/person.asp?pers_id=90
58
Amira - Prinzessin der Wüste
Ravenburg 2001, 253 S., 6,95 Euro
Auf dem Rückumschlag heißt es schlicht "eine Geschichte
über das Leben in der Wüste ab 10".
Genau so schlicht wie die Ankündigung ist die Sprache des
Schriftstellers. Selbst Sohn eines Scheichs, weiß er wovon
er spricht. Und er hat die Gabe, seine Leser/Zuhörer in
seinen Bann zu ziehen. Man legt das Buch erst wieder aus
den Händen, wenn man weiß,
wen Amira zu ihrem Bräutigam
erwählt. Das Buch erzählt das
Leben Amiras und dabei entsteht ein regelrechter Film vor
dem inneren Auge des Lesers,
so anschaulich weiß Alafenisch
das entbehrungsreiche Leben
der Beduinen zu schildern.
Dabei umgeht er erfreulicherweise kein Tabu. Gewalt und
Diebstahl sind genauso Themen
wie Geburt und Tod, Sexualität und Liebe. Ob ein solches
Leben romantisch ist, wage ich zu bezweifeln. Es ist
anders, völlig anders. Es hat seine strengen Regeln, denen
sich alle Stammesangehörigen unterwerfen müssen. Täten
sie es nicht, könnte dies die schlimmsten Folgen für sie
haben. Das Leben nimmt seinen Lauf, dabei passieren
durchaus auch Tragödien. Wie die Menschen in der Wüste
damit umgehen und wie geschickt sie zu richten und entscheiden wissen, verpackt Alafenisch auf erstaunlich leichte Weise in einen recht humorvollen Stil, der dem Leser
viel über die Andersartigkeit dieses Lebens vermittelt,
ohne jemals lehrmeisterlich zu wirken. Fast hat man das
Gefühl, einem Märchen zu lauschen und dennoch ist es
fast so, als wenn Alafenisch aus seinem eigenen Leben
erzählt.
http://www.ravensburger.de/portal/index,1451245-14512471453055-1453056-1453073-1456366.html
Von der schönsten Stadt
der Welt
Rafik Schami
Damaskus im Herzen und
Deutschland im Blick.
Hanser Verlag, München 2006,.
254 S., 16,90 Euro
Christian M. Jolibois
Im Alter von 25 Jahren verlässt
Rafik Schami Damaskus. Das Exil führt den christlichen
Araber aus der Stadt seiner Kindheit nach Deutschland. Hier,
in der Fremde, die dem Autor zur Heimat geworden ist, verändert sich sein Blick. Der angekommene Auswanderer sieht
sich mit einer neuen, ihm unbekannten Umgebung konfrontiert und erlebt Veränderungen seiner Persönlichkeit. Die
Erinnerungen an sein Damaskus, werden ihm zum überlebensnotwendigen "Rettungsfloß im Ozean der Fremde".
"Wer in Damaskus länger als sieben Jahre wohnt, wird von der
Stadt bewohnt" stellt seine Mutter fest, das hätten Städte so
an sich, die älter als 7000 Jahre werden. Viele Kulturen kamen
und gingen und hinterließen doch "tiefe Spuren in der Seele
des Damaszeners". Eine davon: Die Kunst des Erzählens, mit
der Rafik Schami den gebannten Leser und Zuhörer fesselt.
Den Schilderungen über "die schönste Stadt der Welt" folgt
der Abschnitt "Bei uns in Deutschland". Woran sich anpassen? Was ist deutsch an Ihnen? Bei der Beantwortung muss
der Wahl-Schwabe Schami "verdammt aufpassen, einen
Südhessen nicht mit einem Nordpfälzer und den um Gottes
Willen nicht mit einem Saarländer zu verwechseln". Mangels
geeigneter Definitionen greift er zunächst auf Vorurteile von
Ausländern zurück. Autobiographisch begleitet man den
"damaszener Genossen" - wie sein Name im Deutschen lautet - auf seinem Hürdenlauf in die Gegenwart. Eine dabei
immer wiederkehrende Thematik ist die arabische Welt. Die
Lage der arabischen Literatur bezeichnet der Autor als
"unaufhaltsam immer tiefer sinkend". Schamis Vision: die
Einnahmen eines einzigen Tages aus dem Ölgeschäft zur
Finanzierung von Übersetzungen. Die Beraubung der
Freiheit sieht er als "systemimmanente Erscheinung der arabischen Gegenwart" und erläutert die Ursachen. Anfechtbar
und dennoch beachtenswert ist seine Reduktion der drei
Religionsstifter - Moses, Jesus und Mohammed - auf deren
jeweilige Funktion als Retter, Rebell und Staatsmann.
Im letzten Teil des Essaybandes widmet sich der Autor fernen
und nahen Kollegen. Mit Heine und Chamisso führt er fiktive
Gespräche, Goethes West-östlichen Diwan adelt er zu "einer
der größten Liebeserklärungen" an die arabische Welt.
Auch wenn Rafik Schamis Vorschlag visionär bleiben sollte,
seine empfohlene "Wunderpille" könnte wirken: Zuhören.
Sam & Sam Clark
Casa Moro - Spanische und orientalische Küche
Dorling Kindersley Verlag, Starnberg 2005, 320 S., 24,90
Euro
Ulrike-Zeinab Askari
Ein Kochbuch, ein Bildband, eine Liebeserklärung. Wer die
orientalische, speziell die marokkanische und spanische
Kultur liebt, der kommt an diesem Buch nicht vorbei. Denn
immerhin geht die Liebe durch den Magen!
Eine Fülle von Rezepten, die einen animieren, sich nur
noch in die Küche zu stellen und nachzukochen, was das
Ehepaar Clark, beide Chefköche, zusammengetragen und
ideenreich variiert hat. Ausführliche Beschreibungen, teilweise liebevolle Einleitungen, aus den eigenen Reiseerfahrungen gespeist, machen das Buch zu einer wahren
Fundgrube. Bereichert wird es obendrein durch viele Fotos,
die nicht im Studio entstanden sind, sondern das
Leben
selbst
und
besonders die Esskultur
zeigen. Dabei tauchen
auch immer wieder Fotos
der Autoren auf, wie sie
bei einem Imbiss oder
einer einfachen Garküche
etwas probieren oder etwas
selbst Gekochtes servieren. Das gibt dem Buch so
etwas Vertrautes, als wenn
man die eigenen Urlaubsfotos anschauen würde oder die
von guten Freunden.
Die vielen unterschiedlichen Rezepte animieren zum
Nachmachen, um so mehr, als die Fotos nie die perfekte
Küche zeigen, sondern auch schon einmal einen heimischen Herd mit Rändern vom letzten türkischen Mokka
oder das einfache aber liebenswerte marokkanische Emailgeschirr.
Durch die Vermischung von orientalischen Rezepten mit
spanischen stellt man bisweilen staunend die Nähe dieser
beiden Kulturen fest.
http://www.dorlingkindersleyverlag.de/site/adults/search.php?cat
egory=lexika
Leseprobe:
http://www.rafik-schami.de/buecher.cfm?wohin=3446207325
59
Glosse
Brautsuche in
syrischen und virtuellen Gefilden
Samia Susann Trabolsi
Man sagt, dass es in Syrien nichts
Besseres als ein routiniertes Rendezvous gibt, so eine Art Braut-Casting
der Bräute. Nichts Sicheres als arrangiertes Kennenlernen. Das wollte ich
auch gern mal erleben. Und letztens
war es soweit. Oussama saß auf der
Couch im Salon meines Vaters. Mir
hat er nicht gefallen, dieser Syrer aus
der Schweiz. Den Kaffee hab ich nicht
gebracht. Schon mal aus Protest nicht.
Ich habe zum Fernseher geschaut und
so getan, als säße ich nur zufällig hier.
Als ich meine Füße auf den Sessel zu
mir heranzog, beobachtete Oussama
mich verstohlen. Ich glaube, so
schlimm fand er mein Benehmen gar
nicht. Er arbeitet für Microsoft in der
Schweiz, sucht eine arabische Braut
und nominiert mich als Kandidatin, da
ich Deutsch, Arabisch, Englisch spreche, europäisch geprägt aufgewachsen
bin und mich für Kultur interessiere,
sagt er. Ich wundere mich, was mit
den Schweizerinnen nicht stimmt.
Oussama wird sich nächsten Monat
wieder melden und ich mich bis dahin
entschieden haben.
Nun flirte ich immer mit Turan im
Internet. Ich habe ihn mir aus allen
Profilen herausgefischt. Schnelligkeit
ist hier wichtig. Mein Prinz hat eine
Krone, eine Premiumkrone, für drei
Monate 30 Euro. Dafür kann er mit
jeder Person, die Friendscout nach
Namen, Haarfarbe und Größe filtert,
nach Belieben chatten. Weil er also in
meinem Filter und ich in seinem Netz
hängen blieb, scheinen wir uns gefunden zu haben. Was habe ich von
Friendscout gelernt: Dass es ratsam
ist, sich vor dem Login schon mal über
Profile anderer Kandidaten zu informieren. So bist du unsichtbar für
jeden Benutzer und keinem, der dich
auf seiner Plattform online sieht, ein
"hallo" schuldig.
Oussama hat sich gemeldet. Mit mir
hat er nicht telefoniert, nur mit meinem Vater. Dem hat er dann gesagt,
dass ich einen Laptop bekomme, wenn
ich der Verlobung zustimme. Mein
Vater war ganz aufgeregt. Er hätte
auch gerne einen Laptop.
Ich habe mich unter einem zweiten
Decknamen und ähnlichem Profil
angemeldet, um meinen Kandidaten
zu überlisten. Mit meiner zweiten
Identität hat Turan noch nicht gechattet. Das ist gut. Man will ja wissen,
mit wem man es zu tun hat. Schon
bald habe ich das Passwort meines
zweiten Ichs vergessen. Kaum jedoch
hat Turan einen Treuebonus, bietet er
mir immer virtuellen Kaffee an. Ich
versteh seinen Humor nicht. Gestern
kam noch ein Bild von einer Kaffeetasse mit viel Schaum dazu. Ich habe
das Gefühl, er traut sich nicht in die
wahre Welt. Da ist mir Oussama
schon lieber. Er macht sein Dilemma
einfach öffentlich.
Gemeinsam ist beiden Männern der
Kaffee. Gemeinsam ist aber auch die
Tatsache, dass meine Anwesenheit in
virtuellen Chaträumen wie auch syrischen Wohnzimmern, schon die Eintrittskarte dafür ist, unmögliche Fragen zu meiner Person zu stellen,
z. B.: "Die Titanic geht unter und du
liegst auf einer kleinen Eisscholle.
Wen würdest du eher retten, Vater
oder Mutter?"
Ich habe nicht nur gelernt, einen virtuellen Kaffee mit viel Schaum zu trinken, sondern auch im väterlichen
Wohnzimmer herausgefunden, wie ich
einem heiratswilligen Syrer aus der
Schweiz den Kaffee so anbiete, dass
der lieber auf der Titanic oder im
Internet eine Braut sucht. Ob virtuelle
oder orientalische Brautsuche - wenn
mein Gegenüber mich wie in einem
Ankreuztest erkunden will, dann ist
Vorsicht angesagt. Ich will zwar die
Bacheloria sein, die Auserwählte, die
mit den 100 Punkten, aber schlimmstenfalls bringt nur der Kaffee das
Herz zum Klopfen. Die Verlobung mit
Oussama ist geplatzt und mein Traum
vom Laptop ebenso. Mein Profil bei
Friendscout ist gelöscht, damit ich nie
wieder auf einen virtuellen Kaffee mit
viel Schaum eingeladen werde. Mein
Vater ist immer noch etwas traurig
wegen des Laptops. Und Oussama?
Dem schreibe ich gerade eine e-Mail:
"Lieber Oussama, ich schwimme gerade auf einer Eisscholle, mir ist kalt
und kein Land ist in Sicht."
Samia Susann Trabolsi
geboren in Syrien, aufgewachsen in
Sachsen, studierte Publizistik und
Islamwissenschaft, arbeitete für die
Tageszeitung und Radio MultiKulti in
Berlin, bei verschiedenen Theaterprojekten, mehrfache Aufenthalte in Syrien
61
Eine Frage des gesunden Menschenverstands
Tagung zum Karikaturenstreit im HKW in Berlin
Sieglinde Geisel
Es gebe "keinen überflüssigeren, traurigeren und ärgerlicheren Konflikt" als den Karikaturenstreit, meinte der FAZ-Redakteur Nils Minkmar auf der Konferenz "Bilderkrieg", die in
Berlin vom 5. bis 7. Mai stattfand. Doch gerade diese Tagung, die gemeinsam vom Haus der
Kulturen der Welt und der Bundeskulturstiftung organisiert wurde, zeigte wie intelligent und
unaufgeregt man über diesen unseligen Streit diskutieren kann. Mit bemerkenswerter Kenntnis
der Materie hatten die Organisatoren jene Stimmen aus dem arabischen Raum und dem Westen
versammelt, die für eine Mäßigung eintreten und den Streit zum Anlass für einen multikulturellen Dialog nehmen.
Man war sich einig, dass es in dem
Konflikt nicht primär um die Bilder
gehe - zum einen weil diejenigen, die
am heftigsten protestiert hatten, diese
gar nicht kannten, und zum anderen,
weil der Protest organisiert und (wie
im Fall Salman Rushdie) erst ein halbes Jahr nach der Publikation losgebrochen war. Die ägyptische Zeitung
Al-Fagr hatte überdies die Karikaturen
zwei Monate vor den Protesten während des Ramadan abgedruckt, ohne
dass es zu irgendwelchen Reaktionen
gekommen wäre. Der amerikanische
Kulturtheoretiker Nicholas Mirzoeff
sprach gar von einem "deterritorialisierten
Reichstagsbrand".
Die
Verletzung, die von den Extremisten
instrumentalisiert worden sei, habe
darin bestanden, dass die Karikaturen
62
sich die Freiheit genommen hätten,
den Islam als westlichen Diskurs darzustellen. Dies jedoch rührt an eine
Empfindlichkeit, die jeden Fundamentalismus kennzeichnet, von radikalen
Feministinnen bis zu militanten amerikanischen Schwarzen: Fundamentalisten sprechen anderen das Recht ab,
über die eigene Gruppe zu reden.
Der libanesische Künstler und Kunsttheoretiker Walid Sadek konkretisierte
dieses Argument. So behaupte der
islamische Fundamentalismus, es gebe
einen heiligen Kern des Islam, den
kein Ungläubiger je verstehen werde.
"Die Karikaturen sagen nun: Es gibt
diesen Kern gar nicht. Und darin
besteht die Demütigung." Muntaha al
Ramahi, Fernsehjournalistin bei al
Arabyia stellte auf die Frage nach der
Wut der Muslime die Gegenfrage,
warum Mohammed so gezeichnet
werde: "Warum sind alle Moslems Bin
Laden?" Sabiha El Zayat vom Kölner
Zentrum für islamische Frauenforschung und Frauenförderung bekundete ihren Widerwillen, sich die
Bilder anzuschauen, allerdings nicht
so sehr wegen Mohammed, denn der
Prophet sei über solches erhaben.
"Aber warum sieht man uns so?"
Schließlich waren auch die Kari-
katuren nicht im luftleeren Raum entstanden, sondern verfolgten mit ihrer
Provokation eine Absicht. In einer
Demokratie müssten die Menschen es
akzeptieren, beleidigt zu werden,
hatte es in der Legende zu den
Karikaturen in Jyllands Posten geheißen. Ihn hätten nicht die Bilder
beleidigt, sondern "die Absicht, zu
beleidigen", meinte ein Mann aus dem
Publikum.
Am schwierigsten ist die Situation für
die große Mehrheit der gemäßigten
Muslime im Westen, die zusehen
müssen, wie die Proteste gerade jenes
Bild der Moslems bestätigen, das die
Karikaturen verbreiten wollten. Im
Gegensatz zu den Tiraden der
Extremisten haben ihre Beteuerungen,
dass sie die radikalen Islamisten
ablehnen, keinen Skandalwert. Die
radikalen Imame, die von Dänemark
aus die globale Entrüstung entfacht
haben, fänden bei den dänischen
Muslimen kaum Rückhalt. Allmählich
beginnt sich nun die schweigende
Mehrheit zu organisieren. Fathi el
Abed, ein Palästinenser mit dänischem Pass, hatte bereits im Vorfeld
des Karikaturenstreits ein "Netzwerk
Demokratischer Muslime" lanciert.
Seit dem Karikaturenstreit sehe er sich
zum ersten Mal als Moslem definiert.
Die beste Verteidigung des Islam
bestehe allerdings darin, ein guter
Botschafter für sein Volk zu sein. Für
ihn ging es nach den Protesten erst
einmal um Schadensbegrenzung,
denn dass die erste dänische Flagge
ausgerechnet in Nablus verbrannt
wurde, habe seine eigene Aufklärungsarbeit über die Lage der
Palästinenser um Jahre zurückgeworfen. Insgesamt sei die Debatte in
Dänemark glücklich verlaufen und
habe zu einer größeren Differenzierung geführt, meinte Anne
Knudsen, Chefredakteurin der intellektuellen
dänischen
Wochenzeitschrift Weekendavisen. Manche
Dänen hätten während der Krise etwa
bewusst beim türkischen Gemüsehändler eingekauft um zu signalisieren, dass sie ihn nicht für einen
Extremisten halten. In Deutschland
übrigens spiele der Karikaturenstreit
unter den Moslems keine große Rolle,
wie Gari Pavkovic, der Ausländerbeauftragte der Stadt Stuttgart,
anmerkte, hier seien Themen wie
Einbürgerungstest oder Kopftuchstreit
viel wichtiger.
Karikaturen über die Mächtigen lustig
machen oder über die Schwächeren letzteres hat immer etwas Zynisches.
"Ein Bild wirkt nicht für sich allein",
meinte der Kommunikationswissenschafter Kai Hafez. Er plädierte für
eine "Repolitisierung" des Bilderstreits, denn es gehe nicht um Bilder
sondern um die Asymmetrie der
Beziehungen zwischen dem Westen
und dem Orient. Wäre etwa der NahOst-Konflikt gelöst, würden sich auch
die Bilder ändern. Die Rache der
Schwächeren ist alles andere als
harmlos, wie auf der Tagung immer
wieder deutlich wurde. Adel
Hammouda, der Chefredakteur von Al
Fagr, sagte, er habe nach den
Protesten den Mund gehalten; er sei
kein zweiter Salman Rushdie und habe
kein anderes Land, in dem er leben
wolle. Auch auf Anne Knudsen hat
(wie auf die zwölf Karikaturisten) ein
reicher Pakistaner ein Kopfgeld ausgesetzt, weil sie sich erlaubt hatte, die
Karikaturen in ihrer Zeitung zu parodieren. "Es geht nur um ein paar
Verrückte", meinte Knudsen. "Aber
einer genügt."
Zeitung die Karikaturen ab - ohne
Absprache, wie John Steele vom
Guardian betonte. In der Redaktion
des Guardian sei heftig über einen
Abdruck diskutiert worden. Ein Drittel
aller Muslime leben als Minorität in
einer anderen Kultur, meinte Steele,
und unter den Lesern des Guardian,
dessen Website mehrere Millionen
Nutzer täglich verzeichnet, finden
sich Muslime aus aller Welt. Man
habe die Karikaturen jedoch nicht nur
aus Rücksicht auf die Leser abgelehnt.
Letztlich sei es um die Frage gegangen, mit wem man sich durch einen
Abdruck im Sinn der Verteidigung der
Pressefreiheit eigentlich solidarisieren
würde. "Die Karikaturen behaupten,
dass es den clash of civilizations tatsächlich gebe - und diese Ansicht
wollten wir nicht propagieren." Ein
Verbot allerdings käme für ihn nicht in
Frage, meinte Steele. Die Medien
müssten ihre Verantwortung selbst
wahrnehmen, und das sei eine Sache
des gesunden Menschenverstands, der
Sensibilität und der Selbstdisziplin.
Wie sollen sich Demokratien an dieser heiklen Grenze der Redefreiheit
zum Rassismus verhalten? In
Großbritannien druckte keine einzige
Anzeige
Geht es in der Debatte um die
Meinungsfreiheit nur um "die Freiheit,
einen Schwarzen einen Neger zu nennen?" (Nils Minkmar) Die Pressefreiheit höre dort auf, wo die Diskriminierung beginne, meinte Pavkovic und erinnerte daran, dass auch
der Jugoslawienkrieg mit der Gewalt
der Worte in den Medien begonnen
habe. Es ist etwas anderes, ob sich
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Nahda - "Das Erwachen"
Arabische Kulturwoche in Berlin
Text: Dr. Nazar Mahmood, Fotos: AKI e. V.
Unter der Schirmherrschaft des Botschafters der
Arabischen Liga in Berlin organisierte das
Arabische Kulturinstitut AKI e. V. in Zusammenarbeit mit weiteren Partnern in der Zeit von
19. bis 26. Mai 2006 die erste arabische
Kulturwoche in der Werkstatt der Kulturen in
Berlin-Neukölln "Nahda" - das Erwachen.
Die Ziele dieser Veranstaltung lagen
nicht nur in der Darstellung der klassischen und zeitgenössischen arabischen Kultur und der kulturellen Bereicherung im Allgemeinen. Sie dienten vor allem der Förderung von in
Deutschland und in Berlin lebenden
Künstlern, Musikern, Schauspielern
und Schriftstellern arabischer Herkunft und deren Anerkennung und
Akzeptanz ihres Wissens, ihres Denkens und Fühlens in der Öffentlichkeit, die sie mittels ihrer wichtigsten
und wertvollsten Instrumente und
Werkzeuge wie Federn, Saiten, Stifte,
Stimme, Klängen und Stimmungen
zum Ausdruck brachten. Ebenso wurden die Zusehenden und Zuhörenden
inspiriert, sich durch eine Woge aus
den verschiedensten Instrumenten
im Beduinenzelt
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und Werkzeugen
der Künstler in
eine für sie neue
und andere Welt
tragen zu lassen, arabische Mode
um diese besser
kennen und verstehen zu lernen.
In den 32 Programmpunkten der achttätigen Veranstaltung spiegelten sich
diese Ziele in Konzerten, Folkloretänzen, Buch-, Foto- und Bilderausstellungen, Vorträgen, Podiumsdiskussionen, Lesungen, Videopräsentationen, Ehrungen wieder.
pe", die Tanz-Gruppe "Marakkesh"
marokkanische Kunst dar. Eine Gruppe
"echter Beduinen" in entsprechenden
Kostümen sorgten für die richtige
Atmosphäre mit ihrem arabischen
Kaffee, Rababa-Musik und Gesprächen. Henna-Bemalung und arabische
Kalligrafie waren weitere Angebote.
Die Buchausstellung - Kitab
Folkloremusik und -tanz vor
dem arabischen Beduinenzelt
- Khaime
Zwei große Beduinenzelte waren im Garten
"Merhaba" der Werkstatt der Kulturen aufgebaut. Die beiden Zelte
schafften eine beduinisch
folklorische Atmosphäre.
Vor den Zelten boten
etwa die Folkloremusikund Tanzgruppen "Karthago" tunesische, die
Säbel-Tanz-Gruppe, die
"Zanubia-Kinder-Grup-
Die Buchausstellung mit Büchern in
Arabisch, Deutsch, Französisch und
Englisch sollte die arabische Literatur
verschiedener Wissensbereiche als
Beitrag zur globalen Wissensbereicherung und zum Kulturdialog darstellen. Der Bücherbestand aus zwölftausend Bänden, den die Mission der
arabischen Liga in Berlin von der
Frankfurter Buchmesse 2004, auf der
die arabische Welt als Ehrengast vertreten war, erhalten hat, bildete die
Basis für diese Buchpräsentation.
Weitere Beiträge leisteten die deutschen Verleger "Das Arabische Buch",
"Edition Orient - zweisprachige
Reihe" sowie der "Verlag für
Integration
und
Wissenschaft".
Umrahmt wurde die Ausstellung von
Fotografien von Ekko von Schwichow
mit Portraits bekannter arabischer
Autorinnen und Autoren.
Die Bilderaustellung - Risha
Mit einer musikalischen Eröffnung von
Hanan Shemouti und einem Einführungsvortrag vom Mansour El-Bakri
eröffnete der jordanische Botschafter
im Restaurant "Merhaba" die Bilderausstellung, mit Werken von 14 arabische Malerinnen und Maler.
Musik und Gesang
Am Musiktag nahmen zahlreiche in
Berlin bekannte Musiker und Sänger
teil und begeisterten das Publikum mit
ihrer Tönen und Stimmen.
Lesungen
Fünf in Berlin lebende arabische
Dichterinnen und Dichter trugen eine
Auswahl ihrer Werke auf Arabisch und
Deutsch vor. Eine literarische Lesung
von drei arabischen Schriftstellern
und eine Märchenerzählung von Maria
Schild mit musikalischer Begleitung
standen ebenfalls auf dem Programm.
Theateraufführungen
Die Theateraufführungen hatte der
irakische Theaterregisseur Prof. Dr.
Awni Karoumi organisiert. Aufgeführt
wurden die Stücke "Unglaublich" von
einer in Belgien lebenden irakischen
Theatergruppe sowie die "Nachreisende" von dem ägyptischen
Schriftsteller Salah Abd al Sabour, in
der Regie von Karoumi.
Modenschau
Stilvoll und professionell führten
sechs jungen Damen eine Modenschau für arabische Kostüme, begleitet von Hintergrundmusik, Erklärungen in deutsch und arabisch und in
Bühnennebel getaucht, vor. Die
Kostüme zeigten Traditionelles wie
Modernes.
Dr. N. Mahmood bei der Eröffnungsrede
Podiumsdiskussionen
"Die Rolle des Buches und der
Medien im Kulturdialog" sowie "Der
Islam und die Dialogkultur" waren die
Themen der zwei Podiumsdiskussionen, an denen hochrangige Diskutanten und zahlreiche Zuhörer teilnahmen. Eine weitere Podiumsdiskussion über das Thema "Über das
Arabische Theater", wurde von dem
verstorbenen Theaterregisseur Karoumi geleitet.
Abschlusskonzert
Säbeltanz-Gruppe
Zanubia-Tanzgruppe
Zum Abschluss der Kulturwoche gab
Oud-Meister Farhan Sabbagh in Begleitung von zwei seiner Musikantinnen ein einstündiges Konzert.
Neben Oud spielte er Daff und Riqq.
30 Persönlichkeiten und Institutionen,
die sich für die Förderung der
deutsch-arabischen Beziehungen oder
der arabischen Kulturwoche eingesetzt haben, wurden schließlich geehrt.
In seinem Abschlussvortrag über die
arabische Kultur in Deutschland stellte Dr. Nazar Mahmood, Leiter des
Arabischen Kulturinstituts AKI e.V.
Projekte, Ziele und Utopien vor.
Maria Schild
Podiumsdiskussion
Filmvorführungen
Zwei ägyptische und ein tunesischer Film
wurden vom Verein "Freunde des arabischen Kinos" vorgeführt.
Infos:
www.AKI-ev.de
Foto: Farhan Sabbagh
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Spendenaufruf
Wiederaufbau der Goldenen Moschee
von Samarra, Irak
Harald Bock
Die Deutsch-Arabische-Gesellschaft (DAG) hat eine Initiative
zum Wiederaufbau der Goldenen Moschee von Samarra gestartet. Die Goldene Moschee - das Heiligtum der schiitischen
Muslime - wurde im Februar durch einen Sprengstoffanschlag
zerstört. Dieser Angriff richtete sich gezielt gegen die irakischen Schiiten sowie gegen die Bemühungen aller Iraker um die
Bildung einer souveränen Regierung. Der Präsident der
Deutsch-Arabischen-Gesellschaft, Staatsminister a. D. Dr. Otto
Wiesheu, erklärte hierzu, dass die DAG in Deutschland und in
der Arabischen Welt patenschaftlich für einen Wiederaufbau der
Moschee werben und Geld sammeln werde.
DAG-Generalsekretär, Harald Moritz Bock, hob hervor, dass
der Ausbruch eines Bürgerkrieges im Irak und eine weitere allgemeine Verschärfung der Spannungen in der Region unbedingt
zu verhindern seien. Hierzu können alle Bemühungen um
Aufbau und Versöhnung beitragen. Mit einem von Menschen
verschiedener Nationalität und Glaubenszugehörigkeit getragenen Wiederaufbau der Goldenen Moschee soll ein
Solidaritätsbeitrag zu friedlicher Entwicklung des Irak und der
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Region geleistet werden.
Durch viele deutschlandweite, öffentliche Veranstaltungen sollen finanzielle Mittel für den Wiederaufbau der Moschee
gesammelt werden.
Die Deutsch-Arabische-Gesellschaft hat hierzu bei der
VR-Bank Bonn BLZ 381 602 20
das Sonderkonto 6106044021
eingerichtet. Das gesammelte Geld soll dann eingesetzt werden,
wenn die Verhältnisse im Lande einen Wiederaufbau ermöglichen. Der Wiederaufbau des auch kulturgeschichtlich bedeutenden religiösen Denkmals soll durch ein Gremium von
Fachleuten aus dem Irak und aus aller Welt begleitet werden.
Weitere Infos:
www.d-a-g.org
www.antikriegsforum-heidelberg.de/irakkrieg2/hintergrund/
anschlag_moschee_samarra.htm
www.stern.de/politik/ausland/556441.html
www.qantara.de
Pergamonmuseum, Museum für Islamische Kunst, Berlin, 15. 7. - 31. 8. 2006
Tinte und Gold - Meisterwerke der Islamischen Kalligraphie
Auf Einladung des Museums für Islamische Kunst stellt der
Londoner Galerist Sam Fogg im Pergamonmuseum eine
Auswahl von Kalligraphien und Buchilluminationen vor.
Die mehr als 25 spektakulären Beispiele umfassen eine
Zeitspanne von nahezu 900 Jahren und repräsentieren die
Regionen von Marokko bis Zentralasien. Die Ausstellung
spiegelt die Entwicklung der Kalligraphie, die als höchste
der Künste des Islams gilt, wider und stellt die wichtigsten
Kalligraphie-Zentren zwischen 700 und 1550 n. Chr.
anhand bedeutender Werke vor. So finden sich unter den
frühen Meisterwerken ein Blatt aus dem berühmten "Blauen
Koran" sowie eins aus einem ganz in Gold geschriebenen
Koran, deren Qualität und teures Material auf hohes, wenn
nicht kalifales Mäzenat deuten. Daneben zeigt die
Ausstellung vollständige Korane, Koranabschnitte und
Einzelblätter sowie eine wichtige arabische Schrift über das
Astrolab aus seldschukischer oder mongolischer Zeit mit
überaus zahlreichen vorzüglichen Abbildungen, die die
Gelehrsamkeit des 13. Jahrhunderts bezeugen.
Museum für Islamische Kunst
Bodestraße 1-3, 10178 Berlin
Museumsinsel, Am Kupfergraben, 10178 Berlin-Mitte
Information Museumsinsel: +49(0)30 - 2090-5577
www.smb.spk-berlin.de
Harmonie - 12. Fes Festival der geistlichen Musik
vom 2. 6. - 10. 6. 2006
Das Programm des diesjährigen Festivals umfasste u. a. Konzerte, “Sufi-Nächte”,
Ausstellungen, Kunst-Workshops, Filmfvorführungen, literarische Cafés, sowie ein
Kolloquium zu dem Thema “Giving a Soul to Globalisation”
Es waren sowohl marokkanische Musiker, Orchester und Tanzgruppen zu sehen als
auch internationale. In diesem Jahr waren u. a. eingeladen: Hassan Haffar und Omar
Sermini mit spirituellen Liedern aus Syrien, El Boussairi Ensemble für religiöse
Gesänge mit Liedern verschiedener Bruderschaften aus Marokko, Saber Rebai aus
Tunesien, Karima Skalli, Leila Hejaiej und Nassima aus Marokko, Tunesien und
Algerien mit mystischen Liedern der Frauen des Maghreb.
Das Fes Festival der sakralen Musik der Welt und das Fes Kolloquium, die 1994 bzw. 2001 ins Leben gerufen wurden, sind
den Traditionen von Wissenschaft, Kunst und Spiritualität dieser Stadt gewidmet. Seit ihrer Gründung haben sich diese
Veranstaltungen eines wachsenden Erfolges erfreut. Das Fes Festival wurde 2001 von den Vereinten Nationen als eine der
wichtigsten Veranstaltungen im Dialog der Kulturen anerkannt.
www.festfestival.com
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Olivenbaum, das arabische Symbol für Frieden Foto: U. A.