Al Andalus - Al-Maqam, Zeitschrift für arabische Kunst und Kultur
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Al Andalus - Al-Maqam, Zeitschrift für arabische Kunst und Kultur
Al Andalus Grundsätzliches über die Al-Maqam, Zeitschrift für arabische Kunst und Kultur wird unser Schwerpunkt Syrien sein, das übernächste wird sich mit irakischer Kunst und Kultur sowie eine Zeitschrift wie die Al-Maqam, Zeitschrift für ara- Büchern befassen. bische Kunst und Kultur zu publizieren, ist ein wirtschaftliches Unterfangen, das unter ökonomischen Da wir zur Zeit noch ein ganz kleines Team mit einiGesichtspunkten nicht attraktiv ist. So machen wir seit gen freien Mitarbeitern sind, können wir auch von vieder ersten Präsentation unserer Idee die Erfahrung, len Veranstaltungen in Deutschland, Europa und erst dass zwar die potentiellen Leser begeistert sind, aber recht aus dem arabischen Ausland nicht berichten, alle, die sich wirtschaftlich und finanziell unterstüt- weil wir nicht über ein Netz von Korrespondenten verzend beteiligen sollen, eher abwehrend reagieren. fügen wie die Großen. Letzten Endes können wir nur Obwohl uns klar war, dass es auch in der Ausführung über etwas berichten, von dem wir auch Kenntnis diverse Schwierigkeiten geben würde, waren wir von haben. Vielleicht haben Sie einen Tipp für uns, einen unserer Idee fest überzeugt, eine Zeitschrift zu machen, kleinen Beitrag, eine neue CD oder ein Buch, das Sie die mithelfen kann, Vorurteile und Berührungsängste für wert befinden, vorgestellt zu werden. Scheuen Sie abzubauen und so zu einer unverzichtbaren Vor- sich nicht, uns darauf hinzuweisen. Aber haben Sie bitte auch Verständnis, wenn wir nicht auf alle Ihre aussetzung für den kulturellen Dialog werden kann. Wünsche und Anregungen unmittelbar eingehen könZur Zeit mangelt es noch an qualifizierten Autoren, nen. Manchmal passen Beiträge inhaltlich nicht oder die bereit sind, ihre Zeit und ihr Wissen einzusetzen, sie kommen einfach zu spät. Die Planung für eine vierum fachkundige Artikel zu schreiben. Auch das richti- teljährlich erscheinende Zeitschrift ist zum Teil schon ge – druckbare – Bildmaterial zu bekommen, ist nicht Monate vor ihrem Erscheinen weitgehend festgelegt. ganz einfach. Es gibt zwar eine Menge Bildarchive, andere Zeitschriften und Fotografen, die schöne Fotos Für Terminmitteilungen steht Ihnen der Veranstalliefern könnten, aber leider kosten sie viel Geld. Ohne tungskalender der Homepage (die derzeit neu struktufinanzkräftige Sponsoren müssen wir – bisweilen riert wird) zur Verfügung, für Beiträge, die thematisch schweren Herzens – auf manches Material verzichten. gar nicht in der Zeitschrift unterzubringen sind, stelAber wir sind Idealisten und glauben an die Wirkung len wir Ihnen die neue Kategorie Onlineartikel zur positiver Nachrichten und besonders an die Stimme Verfügung. Darüber hinaus können sich Künstler kostenlos in das Künstlerverzeichnis eintragen lassen. der Kunst, die oft keiner Übersetzung bedarf. Schicken Sie mir Ihre Daten an Mit der Al-Maqam, Zeitschrift für arabische Kunst und [email protected] Kultur haben wir ein Medium, mit dem wir ein breiteres, interessiertes Publikum zu erreichen hoffen. Wir Ich hoffe auf einen regen Austausch! bemühen uns, vielfältig, offen und kritisch aus den 22 arabischen Ländern und dem Geschehen bei uns in Ihre Deutschland und Europa in Sachen arabische Kultur zu berichten. Die Bandbreite der arabischen Kultur, Ulrike-Zeinab Askari die über viele Jahrhunderte gewachsen und in allen arabischen Ländern sehr unterschiedlich ausgeprägt ist, soll im Laufe der Zeit berücksichtigt werden. So wird es in jedem Heft einen Themenschwerpunkt geben, dessen verschiedene Aspekte von mehreren Autoren beleuchtet werden sollen. Im nächsten Heft Liebe Leserinnen und Leser, 2 Editorial Liebe Leserinnen und Leser, Alles dreht sich um den Ball. Jetzt hat das Fußballfieber auch mich ergriffen. Meine Lieblingsmannschaft Tunesien ist zwar ausgeschieden. Aber möglicherweise war sie ja schon glücklich, überhaupt dabei zu sein, denn „Dabei sein ist alles!“ Dieser olympische Gedanke begleitet uns durch die gesamte Geschichte. Besonders sportliche Veranstaltungen haben die Menschen immer zusammengebracht, auch wenn das nicht immer ohne Probleme ging. Aber auch Kunst und Kultur, Wissenschaft und Forschung bringen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zusammen und vereinen sie im friedlichen und konstruktiven Dialog, selbst wenn so manche Ansichten unterschiedlich bleiben, wie z. B. in Fragen der Religion. Die Geschichte hat gezeigt, dass trotz verschiedener Religionen ein Miteinander doch möglich ist. Inspiriert von dem friedlichen Miteinander beim Fußball, haben wir für diese Ausgabe als Schwerpunktthema eine Epoche in der arabischen Geschichte ausgewählt, die auf die Entwicklung in der eruopäischen Kultur erheblichen Einfluss genommen hat: das maurische Andalusien. Blühende Orangenbäume, die gleichzeitig Früchte tragen und einen betörenden Duft, nicht unähnlich dem von Jasmin verbreiten, der sanfte, etwas süßliche Duft von Weihrauch, der in den Gassen der Altstadt überall präsent ist, Oleanderhecken, Palmen und Kiefern, dazu die Einblicke in manchen Hauseingang in Sevilla versetzen in eine andere Epoche. Wie hat Córdoba wohl vor 500 Jahren ausgesehen oder gar vor 1.000 Jahren in der Blüte der andalusischen Kultur unter den Arabern? Welche Musik haben sie gespielt, wie haben sie getanzt, was haben sie gegessen? Noch weiter in der Geschichte gehen wir zurück mit einem Artikel über die Funde vor der ägyptischen Küste bei Alexandria. Oder folgen Sie uns in die Wüste Negev in ein beduinisches Zeltlager. Einen Artikel über Fußball haben wir auch für Sie, liebe Leserinnen und Leser, und zwar über arabischen Frauenfußball. Ich hoffe, dass für jeden von Ihnen etwas auf dieser Reise in eine andere Kultur dabei ist, das Sie anspricht, vielleicht sogar begeistert und zu weiterer, intensiver Beschäftigung anregt. Über einen regen Austausch mit Ihnen würden wir uns sehr freuen. Ihre Ulrike-Zeinab Askari Chefredakteurin 3 Leserstimmen Alles Gute für Al-Maqam! … Persönlichkeiten der Geschichte und des Zeitgeschehens werden vorgestellt, dazu ein kultureller Kontext hergestellt. Die Artikel sind nicht nur beschreibend, sie öffnen einen konkreten Zugang zu den Themen durch Nennung von Firmen, Internetadressen, bis hin zum Abdruck von Noten für die beschriebene Musik. Durch diese Hinwendung zur praktischen Verfügbarkeit des Erfahrenen, öffnet sich diese Zeitschrift dem täglichen Leben. A. K., Berlin Salam liebes Al-Maqam-Team, ich habe neulich die Zeitschrift abonniert und bin so froh, endlich eine ernste, fachliche Zeitschrift zum Thema OT und orientalische Musik gefunden zu haben. … Ich wünsche euch viel Glück bei der schwierigen Aufgabe und möchte euch meine Hilfe und Unterstützung anbieten. maa salama E. E., Bayreuth Liebe Frau Askari, … Sie sind in Ihren Artikeln sehr fundiert und loyal. Es gibt ja nicht nur den Klassischen Orientaltanz und was alles damit verbunden wird. Über den Ägyptischen Tanz lese ich kaum was. Niemand informiert über Suraya Hilal und ihre Arbeit sowie Claudia Heinle u. v. a. Man lässt in der Regel nicht die Frauen sprechen, die in späteren Jahren, ab 40 und aufwärts in die Tanzszene hineingewachsen sind. Ich denke, dass sie eine Menge über die Art und Weise der Unterrichte mitzuteilen haben. Aber auch sehr interessant kann sein, mehr über diese Frauen zu erfahren: Entwicklung, Veränderung, Vorschläge ... Es gibt immer nur die High-live-Welt, Glanz und Glimmer. Die Seite "World of Orient" geht schon wieder in die Richtung. Es gehört mit dazu, ist aber nicht alles. Frauenbeckentanz ist die ganze Frau auf der ganzen Welt. Muss nicht oriental davor stehen. Diese Bewegungen machen schon die kleinen Mädchen auf der ganzen Welt. Sie wissen noch nichts von oriental. Ein sehr interessantes umfangreiches Thema, um darüber zu philosophieren. Absolut schön die Kollektion von Djamila Schöller. Da ich Blockflötenspielerin u. a. bin, spielte ich die Notation von "Fil lail lamma kheli." Das ist mal was anderes. Na gut, ich lass mich weiter überraschen. … Herzliche Grüße, viel Glück, viele gute Ideen, Gedanken, bleiben Sie fundiert: Ich weiß, dass man es nicht jedem recht machen kann. Aber Sie haben die Möglichkeit, mal eine ganz andere Zeitschrift für arabische Musik, Tanz, Theater und Film zu machen: 4 eine große Aufgabe mit vielen Möglichkeiten. Die Zeitung muss nicht perfekt sein, auch nicht der Druck und das Papier. Schön ist, wenn sie einfach nur "griffig" ist und kein Aufkleber auf der vorderen Seite. Das finde ich immer jammerschade. Dann kann man sich das Layout sparen. Vielleicht doch noch ein schöpferischer Gedanke: Nicht jeder weiß, was Al-Maqam heißt, nicht jeder wird sich gleich ein Wörterbuch kaufen. Vielleicht können Sie noch die deutsche Übersetzung auf der Titelseite mit einflechten. So ganz klein zwischen der arabischen Schreibweise und der deutschen = ein kleiner Pfiff. K. T., Karlsruhe Hallo, Ein GROSSES Kompliment an Euch. Diese Zeitschrift ist ja wirklich Gold wert! H. S., Schweiz Habe mir gestern Abend noch eure Zeitschrift durchgelesen und finde sie großartig. K. S., Hannover Liebe Frau Askari, heute erhielt ich die erste Ausgabe und mein erster Eindruck ist sehr gut. Schön, dass es endlich ein Heft gibt, das sich neben Tanz auch mit der sonstigen Kultur beschäftigt. Positiv fällt weiterhin auf, dass dieses Heft nicht von Händler- und Tänzerinnenwerbung überflutet ist. E. B., Diezenbach Liebe Ulrike, Viel Erfolg mit Deiner Zeitschrift! Ich habe auch auf die Website geschaut und einen ersten Eindruck von den Inhalten bekommen - sehr anspruchsvoll. G. B., Berlin Korrektur zur Ausgabe 1, Februar 2006 die korrekte Adresse von Djamila Schöller (Artikel Aufbruch der Wüstentöchter, S. 20) ist [email protected] Inhalt 3 5 44 4 Editorial Impressum/Inhalt Preisrätsel Leserstimmen Impressum ISSN 1431-7974 Herausgeber mediaAGENT Houssam Maarouf Wilhelmstr. 42, 10963 Berlin Tel. 030/61 65 96 51 e-mail: [email protected] www.Al-Maqam.info Bankverbindung Deutsche Bank Berlin Konto 187 22 33 00 BLZ 100 700 24 Redaktion Ulrike-Zeinab Askari, v.i.S.d.P. Arabische Geschichte 6 30 26 34 36 Al Andalus Sevilla - ein Spaziergang Geschichte des Flamenco Kongress der Imame und Rabbis für Frieden Final statement Arabische Musik 16 22 20 24 23 38 41 45 47 25 Nauba und Muwashah CD-Besprechung Abed Azrié Cheikha Rimitti Habibi im Glaskasten Satz und Layout mediaAGENT, Berlin Annoncen Ahmad Raichouni Orientalischer Tanz Jahresabo inkl. Versandkosten 22 Euro (Dt.) Ausland zzgl. das jeweilige Porto 5,50 Euro zzgl. Porto jomdance Tres - Unter Göttern It’s showtime Mona Okon WoO - Fotoreportage Literatur 55 57 Salim Alafenisch Buchbesprechungen Vermischtes 49 53 66 62 64 48 61 50 51 67 67 Fussballmeisterschaft der Frauen Die Welt auf Seide Spendenaufruf Karikaturenstreit Nahda - Kulturwoche Nicht alle Scherben bringen Glück Brautsuche in syrischen Gefilden zum Tod von Awni Karoumi Mitarbeiter dieser Ausgabe Mohamed Askari, Sarah Askari, André Elbing, Sieglinde Geisel, Svetlana Georgieva, Christin M. Jolibois, Veronika Leichs, Dr. Nazar Mahmood, Eva Havva Marklowski, Anja Alice Nelk, Martina Sabra, Katja Schönke, Barbara Schumacher, Anke Sonneborn, Samia Susann Trabolsi Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos übernimmt der Verlag keine Haftung. Redaktionelle Bearbeitung behalten wir uns vor. Die Urheberrechte der Artikel, Fotos und Annoncenentwürfe bleiben beim Verlag. Nachdruck auch einzelner Teile bedarf der schriftlichen Genehmigung. Veranstaltungshinweise Titelbild Foto: Ulrike-Zeinab Askari Ägyptens versunkene Schätze Tinte und Gold Harmonie - Fes Festival Al-Maqam heißt laut Brockhaus der „Ort, einer Versammlung, wo Musik und Poesie vorgetragen wurden.“ Die arabische “Tonleiter” wird ebenfalls als Maqam bezeichnet. Ferner ist ein Heiligengrab ein Maqam. In früheren Zeiten konnte das Wort Maqam für eine Gedichtsammlung stehen. Heutzutage verbindet man damit u. a. das hohe Ansehen einer Person. Institutionen 54 Einzelheft Haus der Kuturen der Welt 5 Geschichte - Kelten, Iberer und Phönizier, Griechen, Karthager, Römer und Westgoten - sie alle haben Spuren im heutigen Andalusien hinterlassen. Doch seine goldene Zeit erlebte das Land im Mittelalter mit der Herrschaft der Araber. Sie kamen im 8. Jahrhundert aus Nordafrika und erober ten fast die gesamte Iberische Halbinsel. Fast 800 Jahre lang, bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, konnten sie sich behaupten. Vor allem im heutigen Andalusien trifft man immer wieder auf Hinterlassenschaften der maurischen Kultur. Hauseingang in Sevilla, Foto: U.A. Musik k - Tanz Das Königreich Córdoba 950 nach Christus Gepflasterte Straßen, die nachts beleuchtet sind, regelmäßige Straßenreinigung und Müllabfuhr, Krankenhäuser, öffentliche Schulen und Bibliotheken sind für uns Europäer längst eine Selbstverständlichkeit. Nicht so im 10. Jahrhundert nach Christus. Während im christlichen Europa nur etwa 5 % der Bevölkerung lesen und schreiben konnten - nämlich die Kleriker -, war Abd al Rahman III. um 950 bestrebt, allen seinen Untertanen im Königreich Córdoba die Segnungen seiner Kultur zugute kommen zu lassen. So reichten ihm die von seinem Vater übernommenen 80 öffentlichen Schulen, 17 höheren Lehranstalten und Hochschulen und 20 öffentliche Bibliotheken noch immer nicht aus. Kurzer Hand ließ er für Kinder von mittellosen Eltern weitere 27 Schulen einrichten, an denen der Unterricht völlig unentgeltlich war. Die Infrastruktur der Stadt Córdoba um 1.000 nach Christus muss einzigartig gewesen sein und zeugt von der Blüte der Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur im arabischen Andalusien der Zeit. So wissen wir auch, dass die Stadt aus privaten 113.000 Wohnhäusern - die Häuser der Wesire und Beamten nicht mitgerechnet bestand und 600 Moscheen besaß, 300 Bäder, 50 Krankenhäuser, 80.000 Läden, die die Einwohner mit allen nur erdenklichen Waren versorgten. Córdoba war damit zur damaligen Zeit die größte Stadt der Welt. Konstantinopel hatte zur gleichen Zeit etwa 30.000 Einwohner. Die Araber haben die Landwirtschaft gründlich revolutioniert. Zwar übernahmen sie das römische Erbe und erhielten alles, was sie für sinnvoll erachteten, brachten das Land aber durch Bewässerungstechniken mit Brunnen, Hebewerken, riesigen Schöpfrädern von bis zu 30 m Durchmesser, Staubecken und ausgeklügelten Bewässerungssystemen mit Kanälen und Wasserleitungen, Staugräben und Berieselungsanlagen zu einer nie gekannten Blüte. Die Araber gaben regelrechte Kurse in Ackerbau, über ihre Methoden im Anbau und der Pflege der neuen Obst- und Gemüsesorten wie Granatapfel, Pfirsich, Mandel-, Aprikosen- und Apfelsinenbäume, Olive, Banane, Dattelpalme, Melone, Spargel, Zuckerrohr und Baumwolle. Es war nicht ungewöhnlich, dass im Jahr drei- bis viermal geerntet wurde. Bald gab es kaum einen Flecken Erde, der nicht bebaut war und die Zahl der Siedlungen rund um Córdoba steigerte sich auf mehrere tausend Dörfer. Literatur: Sigrid Hunke: Allahs Sonne über dem Abendland. Unser arabisches Erbe, Frankfurt a. M., Fischer Sachbuch, 1990 Altstadt von Sevillas, Foto: U.A. Al Andalus Kultur, Tanz und Musik in der Maurenzeit Eva Havva Marklowski Der alte, klassische arabisch-andalusische Tanz hat weder in seinen Bewegungen, noch mit seinen Kostümen geschweige denn in seiner Musik viel mit dem heutigen Flamenco-Tanz zu tun. Das kann er auch gar nicht, kamen doch die Zigeuner erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts n. Chr. nach Spanien. Um diese Zeit wurde Granada als letzte Bastion der Mauren in Spanien gerade von den Christen erobert. Die Stadt fiel 1492 endgültig an die Christen und damit fiel alles Islamische gnadenlos der Inquisition anheim. altes Manuskript, ca. 17. Jh. erfolgreich gewesen, dass der islamische Gouverneur von Tanger mit vier Transportschiffen des Grafen Julian über 7.000 Mann in Gibraltar abgesetzt habe. Gibraltar - Dschebel al Tariq, der Berg des Tariq - habe so seinen Namen erhalten. Roderich wurde geschlagen und die Muslime eroberten Spanien ohne nennenswer- ten Widerstand. Als einer der Gründe hierfür mag gelten, dass die Urbevölkerung Spaniens, die Iberer, zu den Berbern Nordafrikas eine größere kulturelle Nähe hatten als zu den römisch-indogermanischen Völkern. Die Muslime nannten ihr neues islamisches Land al Andalus, was mögli- Al Anadalus - Zentrum der Weltkultur - geschichtlicher Überblick Al Andalus war für nahezu 800 Jahre das arabische Zentrum der Weltkultur. Der Legende nach heißt es, dass Roderich, der letzte König der Westgoten, sich im Jahre 711 n. Chr. an Florinda, der Witwe seines Vorgängers Witiza vergangen habe. Florindas Vater, Graf Julian von Ceuta, habe daraufhin aus Rache den aus dem Osten kommenden Muslimen Schiffe zur Überfahrt zur Verfügung gestellt. Der erste Vorstoß des Tariq ibn Malik Nachi sei so 8 Historische Personen: Tariq ibn Malik Nachi und Begleiter, Foto: Museum in Gibraltar cherweise eine Arabisierung des römischen "Spania" war. Wahrscheinlicher ist jedoch die These, Andalusien käme von Vandalusien und stamme aus der Zeit der Völkerwanderung der Vandalen. Eine weitere Begriffsinterpretation leitet sich vom gotischen "Landahlauts" ab, was soviel wie "landlos" bedeutet und auf die westgotischen Eroberer hinweist, die in ihrer Heimat landlos waren. Schmelztiegel der Religionen und Kulturen Die Muslime hatten von Anfang an eine große Akzeptanz bei der einheimischen Bevölkerung und so konnte sich im Laufe der folgenden Jahrhunderte Al Andalus zu einem Schmelztiegel der Kulturen entwikkeln. Bei den Juden wurde das biblische Sepharad bereits in alter Zeit mit Spanien gleichgesetzt und die Epoche ihrer Geschichte im Land Sepharad gilt als das goldene Zeitalter. Unter der Herrschaft der Mauren konnten sie frei von Verfolgung und gesellschaftlichem Druck ihrer Religion und ihren Lebensgewohnheiten nachgehen. Ebenso gut erging es den Christen. Die damals in Al Andalus lebenden Menschen teilte man in sechs Bevölkerungsgruppen ein. Die Araber in Spanien gliederte man in die im Lande geborenen und die Syrer. Die aus Afrika herüber gekommenen Berber siedelten hauptsächlich im Süden des Landes als Bauern. Die vierte Gruppe der Bevölkerung bildeten die einheimischen Konvertiten zum Islam. Die fünfte Schicht waren die Musta'ribun, die Mozaraber, die arabisierten Christen, die Romanisch und Arabisch sprachen. Die letzte Bevölkerungsgruppe stellten die Juden. Nach der islamischen Eroberung war zunächst Sevilla die Residenz, doch bereits wenige Jahre später wechselte die Regierung nach Córdoba. Unter Abd al Rahman II. (822 - 852) wurde Córdoba (arab. Qurtuba) zur prunkvollen Hauptstadt ausgebaut. Es erhielt einen großen Palast und eine Hallenmoschee nach syrischem Vor- bild. Auch die Hofhaltung Córdobas ahmte syrisch-omajadische Traditionen nach, ohne deshalb die von den Abbasiden eingeführten persischen Sitten abzulehnen. Die Abbasiden (750 - 1258) hatten zwischenzeitlich die Herrschaft in Bagdad übernommen und die Hauptstadt des Kalifenreiches zum Mittelpunkt der islamischen Musikkultur gemacht. Unter Harun al Rashid (786 - 809) erlebte die Musikpflege in Bagdad ihren Höhepunkt. Dabei kam es auch zu Auseinandersetzungen zwischen den Vertretern des neuen persischen Stiles Ibrahim ibn al Mahdi und des alten arabisch-hedschasenischen Stiles Ishaq al Mausili. In der Folge gingen durch die rein mündlichen Überlieferungen viele alte Musiktraditionen verloren, zumal einer der nachfolgenden Kalifen, al Ma'mun, als Sohn einer Perserin dem Arabertum nicht sonderlich zugeneigt war. Arabische Segenssprüche für katholische Kirchen Seit in Südeuropa Muslime, Juden und Christen aufeinander trafen, zeigte sich die kulturelle Überlegenheit der Muslime über die Christen westlich der byzantinischen Grenzen. Deutsche und angelsächsische Könige prägten Münzen nach dem Vorbild der arabischen Dinare. Europas Adel und sein Bürgertum trug orientalische Bildausschnitt einer Wand im Palast des Reales Alcazares in Sevilla, Foto: U.A. 9 Seiden und Baumwollstoffe, importierte orientalische Teppiche und setzte kopierte arabische Segenssprüche auf die Wände ihrer Kirchen. Normannische Könige und deutsche Kaiser trugen bis 1806 mit arabischen Texten bestickte Prunkkleider. Arabisch wurde die Sprache der Gebildeten und zur Hauptliteratursprache. Christen wie Juden sprachen sie, so dass kirchliche Anweisungen ins Arabische übersetzt werden mussten, um im Süden verstanden zu werden. Die Mozaraber und die führenden Gelehrten der Juden wie zum Beispiel Maimonides schrieben in der Sprache des Propheten Mohammed. Die Araber verfassten zwischen dem 8. und 15. Jahrhundert etwa 260 Werke über Musik. In Europa dagegen gab es nichts zwischen dem 6. und 9. Jahrhundert. Es ist nicht ein einziges byzantinisches Werk zwischen dem 4. und 10. Jahrhundert nachzuweisen. Zahllose Werke der Medizin, Mathematik, Philosophie, Literatur und Theologie wurden aus dem Arabischen ins Lateinische, Hebräische und Kastilische übertragen und waren die Quelle geistiger Befruchtung für Europa. Jahrhunderte lang unterrichteten Europas Universitäten nach in Spanien übersetzten Lehrbüchern der Medizin.1 Bei dieFriedrich II. mit seinem Falken 10 sem Sachverhalt ist die Bemerkung über eine damalige Form der Urheberrechtsverletzung des Ibn 'Abdun nicht verwunderlich, dass "wissenschaftliche Bücher nicht an Juden und Christen verkauft werden sollten, da diese sie übersetzen und als ihr geistiges Eigentum ausgeben."2 Der starke maurische Einfluss ist heute noch in Andalusien zu spüren und zu besichtigen: Neben der Alhambra, der Festung in Granada, ist in Córdoba vor allem die berühmte vielsäulige Moschee zu bewundern, antikes Tintenfass, ca. 15. Jah. Nach dem Untergang des Kalifats der spanischen Omajaden verlor der maghrebinische Islam in zahlreichen Kämpfen mehr und mehr an Boden. Sizilien und die Balearen wurden von den Christen zurückerobert, das muslimische Reich in Spanien schrumpfte zusehends, bis schließlich nur noch das Emirat Granada als Vasallenstaat bis 1492 bestehen blieb. Das Ende Granadas Bücherverbrennungen und Zwangstaufen Das Ende Granadas kam, als sich die christlichen Königreiche Kastilien und Aragon 1479 durch die Heirat von Ferdinand und Isabella vereinigten. Der Erzbischof von Toledo ließ nicht nur die theologischen Werke des Islam verbrennen. In Córdoba fielen 80.000 Bände wissenschaftlicher Arbeiten über Medizin, Astronomie, Mathematik, Musik und Philosophie den Flammen des Fanatismus zum Opfer. die nach der Reconquista in eine Kirche umgewandelt wurde. In abgelegenen Bergdörfern kann man sogar noch auf alte Berbertänze treffen, die überlebt haben. Einst war auch Sizilien eine Hochburg der Toleranz zwischen Christen, Juden und Muslimen, gleichzeitig ein Hort der Künste und der Wissenschaften. Hier herrschte im Mittelalter Friedrich II., gest. 1250, bekannt für seine Liebe und Bewunderung allem Arabischen gegenüber. Unter anderem hatte er auch "sarazenische Ballerinas und Sängerinnen" an seinem Hof beschäftigt. Er selbst verfasste ein Buch über die Falknerei auf Arabisch. Nach seinem Tod wurde er von seinen muslimischen Truppen zu Fuß bis nach Tarent (Süditalien) gebracht, sein Leichnam war in ein weißes, mit goldener arabischer Schrift besticktes Tuch gehüllt.* Wer nicht konvertierte, wurde getötet oder musste ins Exil. Oft wurden die Menschen auch noch ihres Hab und Guts beraubt, indem man all ihren Besitz beschlagnahmte. Das galt für Juden genauso wie für Muslime. Doch auch die als unzuverlässig geltenden Christen, die Mozaraber, waren der Inquisition der Reconquista ausgesetzt. Verdächtig machte sich bereits, wer mit Olivenöl kochte, da sowohl Muslimen als auch Juden die Verwendung von Schweinefett untersagt war.3 Mehr als eine halbe Million Menschen verließ Andalusien und wanderte nach Nordafrika oder bis nach Griechenland aus. Mit den antiislamischen Gesetzen von 1566 war die islamische Periode in Spanien endgültig vorbei. * nach muslimische Ritus, Anm. d. Red. weiter auf S. 12 Die maurischen Dynastien (711 - 1492 n. Chr.) Kerstin Eva Dreher Die mehr als 700 Jahre andauernde Maurenherrschaft in Andalusien hatte auch ihre chaotischen Seiten, denn die einzelnen Dynastien rivalisierten miteinander. Immer wieder kamen neue Invasoren aus Nordafrika, um die regierenden Machthaber abzulösen. Historiker teilen die Maurenherrschaft in sechs größere Zeitabschnitte ein: Die Zeit der omaijadischen Gouverneure (711 - 756) Damals stand das Land unter direkter Herrschaft der Omaijaden. Die Omaijaden waren eine Kalifen-Dynastie, die von 661 - 750 in Damaskus (Syrien) herrschte. Verwaltungssitz war Córdoba. Aus dieser ersten arabischen Zeit sind nur noch Münzen und ein paar Scherben von Töpferwaren erhalten. Das Emirat der Omaijaden (756 - 929) Nachdem das Kalifat in Damaskus gestürzt wurde und das Geschlecht der Omaijaden fast gänzlich ausgerottet war, gelang es einem jungen überlebenden Spross sich nach Spanien durchzuschlagen und seine Herrschaft in Córdoba weiterzuführen. Sein Name war Abd al Rahman. Er begann mit dem Bau der Großen Moschee. In seiner Regierungszeit wurde die andalusisch-arabische Kultur begründet. Das Kalifat der Omaijaden (929 - 1031) Abd al Rahman III. erklärte sich 929 selbst zum Kalifen. Unter seiner Herrschaft und der seiner Nachfolger entwickelte sich al Andalus mit seiner Hauptstadt Córdoba zum Zentrum der islamischen Welt. Der Ausbau der Großen Moschee und die Palaststadt Medina al-Zahara waren die äußeren Zeichen dieses Reichtums. Die Zeit der Taifas (1031 - 1086) Das Kalifat von Córdoba zerbrach unter dem Bürgerkrieg zwischen 1010 und 1013. In den verschiedenen Provinzen von al Andalus erhoben mehrere Familien - die so genannten Taifas - den Machtanspruch und konkurrierten. Politisch war das Omaijaden-Kalifat zerfallen und auch die Taifas, also die muslimischen Kleinkönigreiche, waren dagegen machtlos. Dieses Machtvakuum machte es der Reconquista - der christlichen Rückeroberung - leicht, an Boden zu gewinnen. Die Zeit der Almoraviden und Almohaden (1088 - 1232) Nach der Niederlage der moslemischen Truppen gegen die Christen bei Toledo (1085) kamen die Almoraviden aus Nordafrika ihren Glaubensbrüdern zur Hilfe. Ihnen folgten die Almohaden, die aus dem südlichen Maghreb stammten. Ihre Hauptstadt blieb zunächst Marrakesch in Marokko, später übernahm Sevilla diese Rolle. Eindrucksvolles Dokument dieser Epoche ist die Giralda, der Glockenturm der Kathedrale von Sevilla. Das Königreich der Nasriden (1238-1492) Im Schatten des bevorstehenden Untergangs lief die maurische Kultur in Granada unter der Herrschaft der Nasriden der letzten maurischen Dynastie in Andalusien - noch einmal zur Hochform auf. Ihr schönstes Denkmal ist die Alhambra, bis heute der größte Publikumsmagnet Andalusiens. Doch die Nasriden standen während ihrer gesamten Herrschaft unter großem politischen Druck aus den nördlichen, mittlerweile von den Christen zurückeroberten Ländern der iberischen Halbinsel. Mit der Heirat der katholischen Könige Isabella und Ferdinand waren schließlich auch ihre Königreiche Kastilien und Aragon vereinigt. Die christliche Übermacht war zu groß, und der letzte nasridische Herrscher, König Boabdil, gab schließlich auf. 11 im Reales Alcazares in Sevilla, Foto: U.A. Kunst und Kultur, Erotik und Sinnesfreuden in den Palästen Die Erotik, das Körperbewusstsein und die Genussfreude in Al Andalus waren eng an das Frauenbild des frühen Islam gebunden. Erst unter dem Einfluss Persiens entstand jene islamische Gesellschaft, welche die Frauen im Harem hielt und ihnen in der Öffentlichkeit das Tragen von Schleiern auferlegte. Jedoch war das Verhältnis der Männer zu den Frauen ambivalent: Je höher die Stilisierung der Frau zum Göttlichen und Reinen auf der einen Seite wurde, desto mehr hatte die Prostitution auf der anderen ihre Blütezeit. Trotzdem wurden Sklavinnen häufig Konkubinen, die es auch zu gesellschaftlichem Ansehen brachten. Eine Stufe höher standen die Musik-, Tanz- und Gesangssklavinnen, die oft mit viel Aufwand in den Künsten ausgebildet waren und dank ihrer Bildung als Kurtisanen bei Hofe oder in Adelskreisen außerordentlich begehrt waren. Ihnen wurde nicht nur in Bezug auf ihre Liebesverhältnisse viel Freiheit gelassen. Al Baha z. B. gab sogar einer Moschee im Vorort von al Rusafa ihren Namen, andere wie Mu'ammara legten auf eigene Kosten einen Friedhof an und waren 12 für ihre Nächstenliebe bekannt. Manche Emire bauten für ihre Lieblingskonkubinen eigene Paläste oder benannten Stadtviertel nach ihnen. Hatten sie das Glück, dem Emir einen Sohn zu gebären, dann war ihr Recht auf Freiheit nach seinem Tode gesichert. Mandragora und Belladonna Bei der hohen sozialen Bedeutung der Erotik in Al Andalus waren natürlich auch Aphrodisiaka weit verbreitet. Angefangen vom offiziell verbotenen Wein über die geheimnisvolle Mandragora (Alraune), die Tollkirsche oder Belladonna, dem besonders im maurischen Spanien weit verbreiteten Stechapfel bis zur Muskatnuss und zum Haschisch war alles eine Frage der Dosis, ob es stimulierend, einschläfernd oder toxisch wirkte.4 Die Geschichten von den maurischandalusischen Trinkgelagen erinnern gelegentlich an die Bacchusfeste der Römer. "Al Kattanis Tänzerinnen könnten ebenso gut Bacchantinnen gewesen sein".5 Christliche Prüderie Sinnlicher Genuss, d. h. Genuss mit allen Sinnen, umfasste natürlich nicht nur Musik und Tanz sondern ebenso Speisen und Getränke, Wohlgerüche und damit verbunden eine ausgeprägte Bade- und Reinlichkeitskultur. Als zehn Jahre vor der Eroberung Granadas der Badeort Alhama (von arabisch "Al Hamam" - die "heiße Quelle") einem christlichen Überraschungsangriff zum Opfer fiel, waren die Mauren von diesem Frontalangriff auf ihre Kultur schwer getroffen. Das Gelübde der katholischen Königin Isabella, bis zur Eroberung Granadas ihr Hemd nicht mehr zu wechseln, bezeugt die konträre, christlichprüde Einstellung zur Körperlichkeit, "die Schmutz nunmehr als Vorstufe zur Heiligkeit erhob".6 Musik und Tanz Während der Regierungszeit Abd al Rahmans kam der berühmte Sänger und Musiker Ziryab an den Hof nach Córdoba und soll dort die persische Musik und die persische Hofmode in Spanien eingeführt haben. Abu l'Hasan ibn Nafi, der wegen seiner dunklen Hautfarbe Ziryab genannt wurde, war in Mesopotamien geboren und vom Kalifen al Mahdi freigelassen worden. Als Schüler des berühmten Ishaq al Mausili, der unter Harun al Rashid wirkte, machte er sich am Hof in Bagdad schnell einen Namen. Nach Unstimmigkeiten am Hof verließ er Bagdad und kam 822 nach Al Andalus, wo er bis zu seinem Tode 857 blieb.7 Da Abd al Rahman sich in der Hofhaltung auch sonst am Beispiel Bagdads orientierte, das tradtionsgemäß Sängerinnen aus Mittelasien und Chorasan bevorzugte, kann man den persisch-zentralasiatischen Ursprung des klassischen arabischandalusischen Hoftanzes als gesichert betrachten. Die sich in Syrien und Ägypten erhaltenen Überlieferungen von Bewegungen und Kostümen sprechen ebenfalls für diese Annahme. Muwashahat und Zajal Der Sänger und Musiker Ziryab wurde außerdem dafür bekannt, dass er eine fünfte Saite auf der Laute (al Oud) anbringen ließ, eine eigene Musikschule gründete und jene Musik prägte, die noch heute in Nordafrika als andalusische Musik ausgeübt wird. Sie hat auch die Volkskunst Spaniens stark beeinflusst. Zum Ende des 9. Jahrhunderts entstand in Qabra (bei Córdoba) eine spanischislamische Sonderform der Lieddichtung, die Muwashah. Sie fügte an arabische oder hebräische Lieder kurze romanische Schlussverse an. Der blinde Poet Muqqadam ibn Mu'afa soll sie mit ihrer sehr eigenwilligen Metrik erdacht haben. So trat neben die besonders von importierten Sängerinnen aus Vorderasien gepflegte arabische Musik eine regional geprägte spanische Musik. Die Blütezeit Mit der Berberherrschaft in Spanien (1050 - 1200) begann die eigentlich maurische Phase der maghrebinischandalusischen Kultur, die sich deutlich von der Kunst des arabischen Ostens unterschied und als ihre Blütezeit bezeichnet wird. Die Zeit Wasserschöpfräder in Hama, Syrien, Foto: www.wikipedia.org der Kleinkönige, der Muluk al Tawa'if, in den zahlreichen Emiraten und Fürstentümern hinterließ eine Fülle von Gedichten und literarischen Sammelwerken. Bedeutung erhielt in dieser Zeit auch das Kurzgedicht, das Zajal. Hier ein Beispiel: "Ein Lachen, Perlen enthüllend, Ein Gesicht, schön wie der Mond. Die Zeit ist zu eng, das zu fassen, Mein Herz aber fasst es." Al-A'ma al Tutili, 12. Jh. Die Freunde dieses Meisters des Kurzgedichtes sollen daraufhin ihre Flamencogesang live in einem Café in Sevilla, Foto: U.A. eigenen Gedichte zerrissen haben.8 Al Andalus - Heimat und Ursprung des Minnesangs Ein der europäischen Liebesdichtung bis dahin fremder Zug war die abstrakte Behandlung der Geliebten. Die Angebetete wurde und wird in der arabischen Poesie gewissermaßen verschleiert und nicht beschrieben. Die abstrakte Idealisierung der weiblichen Schönheit in Al Andalus wurde zum Urbild des Frauenideals der europäischen Minnesänger, deren Lieder und Gesänge stark von der maurischen Tradition beeinflusst waren.9 Neben Toledo und Córdoba war Sevilla vor allem bekannt durch seine Instrumentenherstellung. In einem überlieferten Gespräch heißt es: "Wieso kommt es eigentlich, dass dann, wenn ein Gelehrter in Sevilla stirbt, dessen Bücher nach Córdoba gesandt werden; wenn aber ein Musikant in Córdoba stirbt, schickt man seine Instrumente nach Sevilla?" Wir erfahren auch von Musikfesten während der Mondscheinnächte in Triana, einer Vorstadt Sevillas, wo der begabte Ibn Sahl seine Muwashahat, seine Strophengedichte, schrieb. Das Bild, das uns vom Musikleben im 13 mittelalterlichen Spanien vermittelt wird, ist auffallend bunt und differenziert. Häuser und Straßen waren voller Musik, nicht nur an den anerkannten Tagen häuslicher Freude, wie Geburt, Beschneidung und Hochzeit sondern auch im Alltagsleben bei der Arbeit, da "die Gesänge die Arbeit erleichtern und die Müdigkeit der Seele vertreiben."10 Die Zamra, die die Spanier Zambra nannten, war ein regelmäßig stattfindendes Musikfest der Mauren, das unter freiem Himmel gefeiert wurde und auch den raqs , den Tanz, mit einbezog.11 Der nach der Rückeroberung im Land zurück gebliebene und zum Christentum konvertierte Maure wurde Mo risco genannt. Unter allen im 15. Jahrhundert erwähnten Tänzen ist der Moriskentanz der am häufigsten genannte. Er trat in zwei Formen auf: Als Einzeltanz ungefähr in der Form, wie ihn die Tänzer an den maurischen Höfen dargebracht haben könnten und als Paar- oder Gruppentanz mit dem Motiv des Schwertkampfes zwischen Mauren und Christen. Typisches Merkmal des Moriskentanzes, wie ihn der Tanzschriftsteller Thoinot Arbeau in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erlebte, waren die schwarz gefärbten Gesichter der Tanzknaben, ein weißes oder gelbes Band um die Stirn und Schellen am Bein. Die Tänze der Morisken haben sich in vielen europäischen Ländern, meist als Chorreigen und Schwertanz, bis heute erhalten. (s.: http://www.morisken.vo.tu-muenchen.de/) Die Zambra Mora und die Zambra Granadina Das Flamencoleben in Granada war anders als im südwestlichen Andalusien. Als die Zigeuner nach Granada kamen, hatten die Mauren 14 dort 200 Jahre länger gelebt als im übrigen Andalusien. Als Ausdruck ihrer wichtigsten Kunstformen - Musik und Tanz - galten ihre Zambras, das orientalische Erbe der großen Kalifate im 10. und 11. Jahrhundert. Dieses ehemalige maurische Fest wurde fortan von den Zigeunern übernommen und das Wort "Zambra" bedeutet seitdem auch "Zigeunerfest". Die Namen Moriska und Zambra werden in Europa oft synShahrazad, Potpouri aus syrischen Muwashahat, Foto: von Tersteeg onym für Chortänze in der Doppelfrontform verwendet. Die "Zambra", die einst zum Klang der Flöten und Oboen (arabisch "zamr" = Oboe) Die Hoftänze der getanzt wurde, war - wie die Dichter Maurenzeit es schilderten - eine Danza moriska, von Moros und Moras Hand in Hand Abbildungen von Tänzerinnen der ausgeführt. Vermutlich war sie auch mit den oben erwähnten Musikfesten Eva Havva Markloswski der Mauren verwandt, bzw. Fest und Tänzerin, Lehrerin und Choreographin Tanz hatten die gleiche Bezeich12 für orientalischen Tanz seit 1984. Seit nung. Das Zigeunerfest bzw. die Zambra, die in den Höhlen des Sacromonte gefeiert wurde, war die Zambra gra nadina. Befragt man Flamencotänzer von heute, so erfährt man nur noch, dass die Zambra oder Zambra mora (auch Danza mora, Danza moriska) ein sehr arabisch beeinflusster Tanz war, der barfuss, mit offenen Haaren und einem kürzeren Rock getanzt wurde. Die Tänzerinnen begleiteten sich selbst häufig mit einem Tamburin. Bedauerlicherweise sind die letzten Lehrerinnen, die noch die Zambra unterrichten konnten, inzwischen verstorben.13 1990 Autorin von Fachartikeln über orientalischen Tanz und Orient-Kultur für deutsch- und englischsprachige Zeitungen. Gründung der Schule "Oriental Dance Art" 1995 für Ausbildungslehrgänge zur Orientalischen Tanzpädagogin. Verlag Oriental Verlagsgründung Dance Art, 2002 eigene Publikationen: Marklowski/ Römer: Orientalischer Tanz, Raqs Sharqi, Bauchtanz - ein Praxisheft für Orientalische Tanzlehrerinnen, 2002 Marklowksi/ El Joker: Orientalischer Tanz, Folklore und Hoftänze, 2003 www.havva.de arabischen Zeit in Spanien sucht man meist vergeblich, haben doch die katholischen Könige mit ihrer antiislamischen Zerstörungswut die meisten Zeugnisse ausgelöscht. Nach dem bisher Gehörten dürfte es aber nicht allzu schwierig sein, sich die Tänzerinnen vorzustellen, die im sinnenfreudigen Al Andalus getanzt, gesungen und musiziert haben. Die Musik wie auch die Mode waren persisch beeinflusst, das gesamte Hofleben war recht bald im Stil des Bagdader Vorbildes aufgebaut. Und dort bevorzugte man seit jeher Tänzerinnen und Sängerinnen aus Chorasan. Denkt man sich die weiteren Einflüsse dieser ungeheuer kreativen Zeit hinzu, betrachtet man die Musikinstrumente, die in jener Zeit dort gespielt und hergestellt wurden und erfährt man, mit wievielerlei Zimbeln, Klappern und Kastagnettenarten sich die Tänzerinnen selbst begleiten konnten, so dürfte es sich bei den damaligen Vorführungen um eine ausgefeilte, hoch entwickelte Tanzkunst gehandelt haben. Die zahlreichen Rhythmen waren kompliziert: noch heute gilt das Erlernen des klas- Literatur André Clot: Das maurische Spanien. 800 Jahre islamische Hochkultur in Al Andalus. Patmos Verlag, 2004 W. Müller, M. Kusserow: Andalusien. Spurensuche im Land der Mauren, Flechsig Verlag, 2003 Rolf Legler: Andalusien - Maurische Pracht in Spaniens Süden, Belser Verlag, 2006 María Rosa Menocal: Die Palme im Westen. Muslime, Juden und Christen im alten Andalusien, Kindler Verlag, 2003 historische Romane Tariq Ali: Im Schatten des Granatapfelbaumes. Heyne Verlag, 1994 Magdalena Lasala: Die Schmetterlinge von Córdoba, rororo tb, 2002 Internet: www.andalusien-web.com www.design-up.ch/andaluz/ ww.andalusien.info http://www.red2000.com/spain/córdoba/2cordob.html www.planet-wissen.de http://www.weltenbummlerin.net/reisebericht_andalusien.htm (mit schönen Fotos) weitere Literatur vgl. Anmerkungen unten auf dieser Seite . sischen Muwashah bei den arabischen Musikern als schwierig. Ein bewegliches Rückgrat, dezente Hüftbewegungen wie die horizontalen Hüftachten, mit Arabesken gekrönte kleine Sprünge, vor allem aber differenzierte Arm- und Handbewegungen, weiche Kopfbewegungen und raffinierte Posen - so könnte dieser Tanz ausgesehen haben. Wie bei allen Hoftänzen mussten die Anmerkungen 1 Alec Robertson und Denis Stevens: Geschichte der Musik. Die Hochkulturen des Ostens. Das Altertum. Das Mittelalter, München, Pawlak Verlag, 1990, S. 161 2 Burchard Brentjes: Die Kunst der Mauren. Islamische Traditionen in Nordafrika und Südspanien. DuMont Verlag, Köln, 1992, S. 197ff. 3 Peter Hilgard: Der maurische Traum. Dimensionen der Sinnlichkeit in al-Andalus, Jenior Verlag, Kassel, 1997, S. 149 4 ders., ebd., S. 73f. 5 ders., ebd., S. 94 6 ders., ebd., S. 226 7 Da Zyriab im altarabischen Musikstil von al Mausili gelernt hatte, ist es eher unwahrscheinlich, dass er die persische Musik am Hofe zu Córdoba eingeführt hat. Er war jedoch nicht der einzige "zugereiste" Musiker aus Bagdad, zumal der Nachfolger von Harun al Raschid - wie bereits erwähnt - alles Persische bevorzugte. 8 Henry George Farmer: Musikgeschichte in Bildern. Islam. Band III: Musik des Mittelalters und der Renaissance / Lieferung 2, Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1966, S. 46 . Kostüme hierzu edel und effektvoll sein, gleichzeitig aber genügend Bewegungsfreiheit lassen: wertvolle, weich fließende Stoffe, Pluderhosen oder Röcke, in der Taille gegürtet, anliegende Oberteile mit weiten Ärmeln und eventuell dekorative Schals, die an den Handgelenken befestigt waren, um die Armbewegungen zu unterstreichen. Turbanartiger Kopfputz wie auch raffinierte Flechtfrisuren ver- 9 Auf der CD "Rumba Argelina" von der Musikgruppe "Radio Tarifa" findet sich z. B. das vertonte Gedicht "Nu alrest" von Walter von der Vogelweide, gest. 1230, das sich nahtlos in die übrigen andalusischen Stücke einfügt. 10 Henry George Farmer: Musikgeschichte in Bildern. 11 ders., ebd., S. 46 12 Der englische Morris Dance, dessen Form - sechs Männer, ein Narr, ein als Frau verkleideter Knabe und ein als Pferd verkleideter weiterer Mann - ist ein direkter Abkömmling des Moriskentanzes. Die Melodie, die besagter Thoinot Arbeau 1588 für den echten Moriskentanz in Frankreich notierte, wurde schon 1550 in England als Morris Dance gedruckt und wird noch in unseren Tagen von englischen Volksgeigern gefiedelt. In England wurde der Morris Dance in Kirchen getanzt. Die klassische Tänzerzahl von sechs Teilnehmern im Morris Dance wurde früher auch in spanischen Kathedralen angewandt. Sie heißen - ungeachtet der tatsächlich teilnehmenden Tänzeranzahl - heute immer noch "los Seises", "die Sechs". 13 Information der Flamencotänzerin Carmen-Diana Felchtner, Heidenheim 15 Arabische Musik Klassisch-arabische Gesangskunst Nauba andalusi und Muwashah Mohamed Askari Nachdem die Araber und die muslimischen Berber das Reich der Westgoten in Spanien zerschlagen hatten, gehörte der größte Teil der Pyrenäen-Halbinsel zum Reich der Omayaden. Abd al Rahman l. (756-788) grün dete das Emirat von Qurtuba (Córdoba). Das maurische Spanien erlebte unter der arabischen Herrschaft einen wirtschaftlichen und kulturellen Aufstieg. Neue Kulturpflanzen (Reis, Zuckerrohr, Dattelpalme) wurden einge führt, neue Bewässerungsanlagen gebaut. Die Musik wurde am Hofe der Omayaden in Córdoba großzügig gefördert. Abbas ibn al Nasa'i und Mansur al Yahudi (der Jude) gelten als die bedeutendsten Musiker am Hofe al Hakams l. Während des 9. und 10. Jahrhunderts war Bagdad für den östlichen Teil der arabischen Länder das, was Qurtuba (Córdoba) für den westlichen Teil war: das politische und zugleich auch kulturelle Zentrum, in dem die Wissenschaften und unter den Künsten besonders die Musik einen großen Aufschwung erlebten. Neben Córdoba stellte vor allem Granada einen Mittelpunkt im kulturellen Leben der Omayaden in Spanien dar. Die Araber im Osten nannten den westlichsten Teil des Reiches al Andalus und so die Gangsform al muwashah auch zu dem Namen al nuba al andalusi. Heute ist diese Gesangsgattung eine sehr beliebte Ausdrucksform des Gesangs und eine bedeutende authentische Musiktradition in Marokko, Algerien und Tunesien. Ziryab, der berühmte persische Sänger, Dichter, Oud-Virtuose (Laute) und Musiktheoretiker, gest. um 860, kam 822 aus Bagdad nach Spanien und wirkte am Hof Abd al Ramans ll. in Córdoba. Ziryab grün- Abb.: Zecher und Lautenspieler in einer Weinstube, Miniatur aus einer Handschrift der Makamen des Hariri, vermutl. Ägypten, 1334 dete eine neue Oud-Schule, die erfolgreicher war als alle anderen Schulen zuvor. Er soll 10.000 Lieder auswendig gekannt haben und wird in seiner Kenntnis der Musiktheorie mit Ptolemaios verglichen. Ziryab fügte dem Oud die fünfte Saite hinzu. Sein Einfluss ist noch lange Zeit nachweisbar. Der Dichter al Muqaddam al Qabri (um 900) gilt als erster Dichter, der in Andalusien Muwaschahat schrieb, d. h. Strophengedichte mit einem Refrain in der Landessprache. Ibn Hazm berichtet in seinem Tauq al Hamama, dass die Hofmusikkapelle Muhammads ll. al Mahdi, 1009 aus 200 Mitgliedern bestand. Die Musiker waren, wie in Bagdad, während des Musikvortrags durch einen Vorhang (sitara) von den Zuhörern getrennt. Mehr als 500 Jahre erlebte die andalusische Kultur eine Blütezeit. Aus vielen Gegenden Europas kamen Gelehrte aus allen wissenschaftlichen Bereichen, um von den Arabern zu lernen. Viele Werke von al Farabi, Ibn Sina und Ibn Rushd wurden in die lateinische Sprache übersetzt und an erster Stelle stand die Musik. In dieser Zeit kamen Musiker aus verschiedenen europäischen Königrei- 16 chen nach Andalusien, Instrumentalisten, Musikgelehrte, Sänger, um die Künste der Musik zu lernen. So wurden die arabische Musik und ihre Instrumente im gesamten Europa verbreitet. Die kleinen Höfe der Omayaden, die nach der Zersplitterung des Kalifats von Córdoba entstanden, setzten die Tradition der höfischen Musikpflege fort. Im Laufe der Zeit entwickelte sich Sevilla zu einem Zentrum der Musikpflege, wie Ibn Rushd al Saqundi und Ibn Khaldun bezeugen. Die volkstümliche Gedichtform Zagal, wie das Muwashah ein Strophengedicht, wird in Spanien sehr beliebt. Im 11. - 13. Jahrhundert wurden u. a. Gedichte von al Bayagi, gest. 1076, und Taqi al Din al Sarugi, gest. 1294 in Kairo, gesungen. Nach dem Niedergang von al Andalus Mitte des 15. Jahrhnundert verließen etwa eine halbe Million Menschen die spansiche Halbinsel und wanderten nach Nordafrika aus. Dorthin brachten sie ihr kulturelles Erbe und die geistigen Errungenschaften der Philosophie, Astrologie, Poesie, Musik, Gesangskunst usw mit. Von den nordafrikanischen Ländern war Tunesien der unmittelbare Erbe dieser Künste und Kultur. Bis heute wird dieses Überbleibsel an andalusischer Gesangskunst mit ihren reichhaltigen Melodien und den seltenen, ausgefallenen Rhythmen in Tunesien bewahrt und gepflegt. Man bezeichnet diese Gesangsart als Nauba Andalusi, die von einer Generation zur anderen weitergegeben wird. Auf diese Weise hat man seine kulturelle Identität entdeckt, man sammelt, archiviert und bringt sie in der Musikpraxis auch wieder zur Aufführung. Zahlreiche Musikliebhaber in Marokko, Algerien und Tunesien bemühten sich um diese Gesangskunst, indem sie sie sammeln und klassifizieren. So sind in Marokko elf, in Algerien zwölf und in Tunesien/Lybien Das tunesische Nationalensemble während des 3. Festivals der Andalusischen Musik, 1972 in Algier, Foto: Dieter Förster dreizehn Nauba vor dem endgültigen Vergessen bewahrt worden. Der Rest der Naubat wurde mit anderen Naubat zusammen gefügt, die ähnliche Modi und rhythmische Bezeichnungen hatten, und mit der Bezeichnung "verwaiste Naubat" versehen. Die Muwashah (Pl.: Muwashahat) ist ein Strophengedicht und hängt unmittelbar zusammen mit dem sozialen Kontext in Andalusien. Diese Gedichtform und zugleich Gesangsart wurde erfunden, um die Befreiung des musikalischen Vortrags von den strengen Regeln der Dichtung im Osten zu gewährleisten, wie Reim und Versmaß, die in der Qasida (klass. Gedichtform) vom Anfang bis zum Ende gleich bleiben. Im Gegensatz zur Qasida wird die Muwashah meistens in der Umgangssprache verfasst. Der Sänger kann hier seine Kunstfertigkeit zeigen, indem er zusätzlich Melodien improvisiert und Modulationen hinfügt. Er kann seine Darbietung auch mit einem Sprichwort oder volkstümlichen Weisheiten weiter ausschmücken, um seine Zuhörer zu fesseln. Eine Reihe von unterschiedlichen Aspekten verhalf dieser Gesangsgattung dazu, sich zu verbreiten: u. a. die Umgangssprache, die zwischen Hocharabisch und Latein eingebettet war. Die Leichtigkeit der Worte und ihre einfache Bedeutung, die verschiedenen Versmaße und unterschiedlichen Reime im Text eines Muwashah ermöglichten es dieser Gesangsart, ein bereiteres Publikum zu erreichen. Die Muwashah wurde nicht nur in Andalusien vorgetragen sondern auch in Nordafrika und dem gesamten arabischen Osten. 17 Die Texte der Muwashahat (Nauba) erzählen meistens von der Liebe, vom Wein, der Natur, der Askese, sind Elegien, Lob- oder Klagetexte, Sufigedichte. Bis heute ist diese Gesangsform eine sehr bedeutende authentische Musiktradition in Marokko, Algerien and Tunesien. Habib Hassan Touma schrieb in diesem Zusammenhang: "… Bezeichnend für das MuwashahGedicht in Nordafrika ist, dass es obgleich in Hocharabisch verfasst auf keinem der 16 klassischen Versfüße der arabischen Metrik beruht. Auch ansonsten weist das MuwashahGedicht keine feste Reihung von Hebungen und Senkungen auf, sondern gruppiert diese vielmehr in Anpassung an eine bestimmte musikalisch-rhythmische Formel (wazn). Sprachlicher und musikalischer Rhythmus sind im nordafrikanischen Muwashah daher untrennbar miteinander verbunden." (Touma, S. 108) Die Muwashah wurde am Anfang in vier Abschnitten komponiert, die zwischen Gesangs- und Instrumentalpart wechseln. Später wurde ein fünfter tunesische Notenausgabe Abschnitt hinzugefügt. Jeder Abschnitt hat seine eigene Bezeichnung. Das Bedürfnis nach Musik war stärker als das nach Poesie. Man hat eher Musik komponiert und dafür Texte gesucht, die ziemlich kurz waren, mit einfachen Versmaßen. Dafür war die Auswahl der Worte und Begriffe im Text sehr tiefsinnig und vor allem innovativ. Es wurden Texte gesucht, die sich der musikalischen Komposition unterordnen lassen und nicht umgekehrt wie im Osten Arabiens üblich. Die Muwashah wurde nicht nur in Andalusien sondern auch in Nordafrika und anderen Kulturzentren der arabischen Welt wie Bagdad, Damaskus und anderen Gegenden des Ostens vorgetragen. Die Muwashah, bis heute in vielen arabischen Gegenden mit Vorliebe vorgetragen, verkörpert das musikalische Erbe des frühen al Andalus. Diese Gesangsgattung impliziert die vielen Maqamat und die alten arabischen Rhythmen, die fast in Vergessenheit geraten sind. Der Dichter und MusikMohamed theoretiker ben Isma’il ben Shehab eddin, gest. 1857, verfasste ein sehr wertvolles Werk, eine Anthologie und nannte sie Safinat Shehab. Er sammelte ca. 350 Muwashahat, die in seiner Zeit noch bekannt waren, mit Angaben über Komponisten, Dichter und Maqam sowie RhythmusBezeichnungen. 18 Interessant ist, dass die ägyptischen Sänger, die diese Muwashahat vorgetragen haben, Werke auswählten, die rhythmisch und melodisch nicht besonders kompliziert waren. Sie wurden im Chor gesungen, was auf Kosten der Aussprache und der rhythmischen Phrasierung ging. Ferner fügten sie Begriffe und Worte türkischer Herkunft ein, um dem osmanischen Herrscher - der der arabischen Sprache nicht mächtig war - zu gefallen, wie z. B. Ganem, Amman, Afandem usw. Die Sänger fügten dem Originaltext aber auch arabische Worte wie Lala, lalli, ya lala, ah ya eini usw. hinzu, die einen rhythmischen Ausgleich schaffen sollten. Literatur Habib Hassan Touma: Die Musik der Araber. Noetzel Verlag, 1998 Christian Poché: La musique araboandalouse, 2001, (+ 1 CD) (franz.) Noten Ahmed al Wafi (1850 - 1921): Partimoine musical Tunesien, Nawbet Es-Sica et nawbet El-Houcine, hrsg. Ministere des affaires culturelles et de l’information, Republique Tunesienne Salah El Mahdi: Patrimoine musical Tunesien, La nawbah dans le maghreb arabe, hrsg. Conservatoire National de Musique et de Danse CDs Fairuz: Andaloussiyat, Digital Hellas Press, 1990 Reinette L’Oranaise: Trésors de la Musique Arabo-Andalouse, Sono Disc, 1988 Orchestre Andalous, Sono Disc, 1992 Internet www.canzone-online.de www.fnac.com (franz.) Mohamed Askari ist Musiker und Musikethnologe. Er spielt selbst klassisch-arabische Musik und gibt Unterricht in Musiktheorie, Rhythmus, Nay und Oud. www.MohamedAskari.de erster Bataihi (Strophe) aus dem Adjam “Wir lieben eine trükische Gazelle” 19 Musikalisches joint-venture Abed Azrié und Ensemble im Haus der Kulturen der Welt Ulrike-Zeinab Askari Trotz eines warmen Frühlingsabends war der große Saal im Haus der Kulturen der Welt am 11. Mai 2006 in Berlin fast ausverkauft. Das Publikum war so unterschiedlich wie wohl schon lange nicht mehr: Araber, Spanier, Franzosen, Deutsche. Aber schließlich ging es ja darum, die Kulturen zusammen zu bringen. Abed Azriés Idee für seine Produktion Suerte war es, das Arabische mit dem Spanischen zu vermischen. Bereits in seiner Jugend hatte er durch ein Buch von Frederico Garcia Lorca die Idee bekommen, dass ein friedliches Miteinander verschiedener Kulturen möglich sein muss und dass die Musik beseelt ist von etwas, das manchmal auch wieder zum Vorschein kommt. Die Spanier nennen es Duende, die Araber Tarab, im Deutschen ist es vielleicht mit Ekstase zu übersetzen. Das Konzert war zum Gedenken des Tages der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 von der Villa Aurora organisiert, einer Kulturstiftung, die als internationaler Treffpunkt für Künstler und Intellektuelle dient und den deutsch-amerikanischen Austausch in Literatur, Kunst, Wissenschaft und Politik fördert. Manche Stücke im Konzert erinnerten mich in ihrer doch recht düsteren Stimmung schmerzlich daran, wie dumm und grausam es ist, die geistigen Schätze der eigenen Kultur zu zerstören, was im übrigen auch am Ende der maurischen Epoche Andalusiens stattfand. Dort gingen unwiederbringliche Schätze des Wissens in den Flammen der Reconquista verloren. Abed Azrié und Ana Felip 20 Das Ensemble aus vier Spaniern, einer dreiköpfigen arabi- schen Percussiongruppe, einem BouzukiSpieler, einer arabischen Geige, Akkordeon und Streichertrio gab sein Herzblut in die Stücke, die spanische Sängerin Ana Felip sang in ihrer samtigen Mezzosopranstimme im Duett mit dem vollen, warmen Bass von Abed Azrié zweisprachig in vollkommener Harmonie. Das erste Stück des Konzertes, ein moderner Sama'i im 10/4-Rhythmus, entsprach formal der klassisch-arabischen Instrumentalmusik, mit vielen Anklängen der musikalischen Einflüsse, die Abed Azrié geprägt haben, wie seine französische Umgebung, in der er seit dreißig Jahren lebt, die europäische klassische Musik, die er ausgiebig studiert hat, insbesondere die Barockmusik, aber auch die russischen Komponisten. So ist auch die Instrumentierung alles andere als arabisch. Die spanischen Musiker mit Gitarre und Händeklatschen sind sehr subtil mit einbezogen, ebenso wie die Bouzuki und die Streicher, die dem Ganzen einen recht europäischen Touch geben. Der letzte europäische Stempel schließlich kommt zustande durch polyphone Passagen, in denen entgegen der klassischarabischen Musik die Melodieinstrumente unterschiedliche Melodiezüge spielen. So wie Abed Azrié von sich sagt, er sei ein Kosmopolit, so ist seine Musik doch zumindest eine erweiterte mediterrane und umspannt sein musikalisches Reich von Irak und Syrien mit ihrer arabischen Tradition im Osten bis nach Spanien im Westen, nimmt im Nordosten noch Teile der russischen Schule mit und schließt auch die Franzosen mit ihren Chansons ein. So viel Raum wie seine musikalischen Wurzeln einnehmen, so wenig Raum gibt Abed Azrié leider den einzelnen Stücken, sich zu entfalten. Viele der Parts (die einzelnen Stücke sind unterteilt in mehrere Parts) sind gerade ein oder zwei Minuten lang, was es schwierig macht, sowohl für die Musiker als auch für die Zuhörer, in Ekstase zu geraten, in Tarab oder Duende. Da gibt es herrliche Passagen der spanischen Musiker, die an die Streicher abgeben, bevor sie sich warm gespielt haben. Die kurzen Improvisationen der einzelnen Instrumente kommen als solche kaum zur Geltung, da dem Geiger nicht wirklich die Zeit bleibt, seine Kunst zu zeigen und ein komplettes Taqsim zu entfalten wie z. B. beim Stück Entre tus manos, wo er einmal zwei Minuten Zeit hat, während in der arabischen Musiktradition aber zehn oder fünfzehn Minuten keine Seltenheit sind. Ferner fehlt mir ein Blasinstrument und mindestens ein Melodieinstrument in hohen Lagen, denn alle seine Instrumente vertreten eher die mittlere und tiefe Tonlage, was den einzelnen Stücken oft einen düsteren Eindruck gibt, noch dazu haben viele Stücke Moll-Charakter, was zwar zum Anlass des Konzertes passte, aber nicht unbedingt mit meiner Vorstellung von andalusischer Musik im 11. Jahrhundert übereinstimmt. Ebenso das Stück Belleza, das als Duo gesungen nur vom Daff, der Rahmentrommel, begleitet wird, sehr getragen und langsam, in wenig bewegter Melodie. Dagegen ist das folgende Stück regelrecht ein Lichtblick: Gazal, die Gazelle, in dem die rehbraunen Augen einer Frau besungen werden, deren Opfer der Mann wird, der Arme, endlich eine Auflockerung mit flotterem, beinahe tanzbarem Rhythmus und einer etwas fröhlicheren Melodie. Auch das Stück Luna besingt die Frau, die in der arabischen Lyrik mit dem Vollmond verglichen wird. Am Gesang fehlte mir ab und an auch die typisch arabische Verzierungstechnik mit Melismen, Glissandi usw. Statt dessen ist die Stimme von Abed Azrié fast ausschließlich wie in französischen Chansons ruhig, weich und warm und in der Melodieführung ziemlich glatt eingesetzt. Das Stück Sabio amigo ist eines der wenigen, das rhythmisch flott und von seiner Instrumentalmelodie her leichter und bewegter ist, jedoch durch die sehr getragenen und düsteren Vokalstimmen wie auch durch die einleitende Melodie von Akkordeon und Geige empfand ich es insgesamt wieder bedrückend. Das folgende Stück Grabado hat mich gar an einen Trauermarsch erinnert mit dem ruhigen Cello und Akkordeon und dem Daff, der einen marschähnlichen Rhythmus spielt. Die Streicher spielen überhaupt oft sehr düstere Passagen, die mich etwa an Bachs „Musikalisches Opfer“ erinnert haben. Ein beeindruckendes Konzert, mit spannender Musik, die mir bisweilen etwas akademisch vorkam. Möglicherweise wäre hier weniger wie so oft - mehr gewesen: weniger Stücke, weniger Text, dafür mehr Raum für die einzelnen Instrumente und ihre Traditionen. Im Ganzen kann man sagen, hervorragende Kompositionen, erstklassig dargeboten von allen Musikern, von denen hier nur die Akkordeonspielerin Viviane Arnoux und der Bouzuki-Spieler Mohamed Osman hervorgehoben werden sollen. Der Geiger Sameh Catalan ließ in zwei ganz kurzen improvisierten Passagen sein Vorbild, den ägyptischen Geiger Abdu Daghir, anklingen. Das Publikum schien insgesamt hingerissen und gab am Ende minutenlange standing ovations, wenn auch etliche andere Stimmen zu hören waren. Anzeige 21 CD-Besprechung Best of Sayed Balaha - The Festival of Dance Eine bunte Mischung aus seinen neun CDs Ulrike-Zeinab Askari Diese CD ist nicht nur für Bauchtanzeinsteiger ein wunderschöner Anfang der Musiksammlung, weil jedes einzelne Stück tanzbar ist Sayed Balaha hat sein ganzes Leben lang mit Tänzerinnen sowohl in Ägypten als auch in Deutschland gearbeitet -, sondern es ist auch eine interessante und abwechslungsreiche Mischung. Da findet sich sowohl "Arabo-Latino-Musik" (Nr. 2 Atouta) neben einem ägyptischen Rave (Nr. 4 - Bass and Tabla), dann wieder ganz typische ägyptische Stücke, die nicht nur eine schöne 22 tanzbare Melodie haben, sondern die Trommel, die Sayed Balaha meisterlich spielt, den Ton angibt (Nr. 12 Nasma von der CD Nelly, 1999). Und schließlich - was etwas aus dem Rahmen fällt - ein klassisch arabisches Stück, das alle Araber kennen und oft bewegt mitsingen, weil es sie an "die guten alten Zeiten" erinnert: Enta omri (nicht wie auf dem Cover geschrieben "Inter"!), das Mohamed Abdel Wahab für die große ägyptische Sängerin Um Kulthoum komponiert hat. Es ist mir - und vermutlich manchem anderen Liebhaber von Um Kulthoum - zu modern, zu synthetisch, der Klang der einzelnen Instrumente ist zu computermäßig (Keyboard). Das ist überhaupt das Einzige, was ich bei den CDs von Sayed Balaha vermisse, dass er nicht öfter auf akustische Instrumente zurückgreift, wie er es früher getan hat wie z. B. in der CD Hamada, 1996, mit den Egypt Stars und hervorragenden Gastmusikern wie Hussam Shaker oder Ahmed Khalifa. Als besonderer Anreiz sind nicht nur alte Stücke auf dieser CD versammelt sondern auch drei neue (Nr. 1 - Sonja, Nr. 2 - Festival of the Dance, Nr. 5 Ali Gara), die mir persönlich alle drei sehr gut gefallen, weil sie nichts von Sayeds Frische und Lebendigkeit eingebüßt haben, wie es ja leider manchmal der Fall ist, wenn Musiker jedes Jahr neue CDs auf den Markt bringen, weil es ihre Plattenverträge so verlangen. Ansonsten ist die gesamte CD eine einzige Ansammlung von Lebenslust, eine "Gute-Laune-Musik", die in den Zehen juckt und oft aufsteigt über Sayed Balaha, Foto: www.balaha.com Hüften und … bis man sich nicht mehr auf dem Stuhl halten kann. So geht es mir ganz besonders bei dem Stück "Sonja", das mich bereits beim ersten Hören in seinen Bann gezogen hat. Was mich allerdings nicht zum Kauf animieren würde, ist das Cover der CD, das mir viel zu düster ist. Es zieht mich nicht an, repräsentiert auch nicht die Musik von Sayed Balaha, die bunt und fröhlich ist, lebenslustig und zum Tanzen einlädt, wie ja auch der Untertitel dieser CD deutlich sagt: "The Festival of Dance." Auch ist aus dem Booklet leider nichts Näheres über die einzelnen Stücke zu erfahren, was ich mir sehr gewünscht hätte und was sicher auch für manche Tanzanfängerin hilfreich wäre. Infos www.sayed-balaha.com www.balaha-records.de Habibi im Glaskasten lässt den Winter vergessen Anke Sonneborn leidenschaftlich und ausgelassen orientalische Musik, die jeden anspricht und zum Mittanzen anregt. "Unsere Songs erzählen meist über die Liebe. Die Musik ist in gewisser Weise die Sprache der Seele. Von klein auf nehmen Musik und Rhythmus einen wichtigen Platz in unserem Leben ein", erklärt Ali Baba Kabalan, der Leiter der Gruppe. "Die Tabla (Tontrommel) gibt den Rhythmus an und bringt uns richtig in Schwung". Ali Baba mit Trommler, Foto: U.A. Der Glaskasten, ein ehemaliger Ballsaal im Berliner Stadtbezirk Wedding, war am 24. Februar Treff für alle Liebhaber des orientalischen Tanzes und der arabischen Musik. Eingeladen hatten das Team des Glaskastens und die Mitglieder der Band Habibi. Unter Leitung von Ali Baba Kabalan, einem in Berlin lebenden Qanun-Virtuosen, spielte die Band einen Mix quer durch die orientalische Musik. Von den gro- ßen Titeln der Diva Um Kulthoum, den Songs der libanesischen Sängerin Fairuz, bis hin zu Melodien der Ägypter Hakim und Amr Diab. Aber auch Eigenkompositionen und Arrangements von Kabalan waren zu hören. Ein Höhepunkt des Abends war der Auftritt der orientalischen Tänzerin Aziza. Mit ihrer Eleganz und Schönheit bezauberte sie das Publikum. Mal sinnlich und geheimnisvoll, mal Kontakt und Info: Anke Sonneborn Rathausstraße 25 10178 Berlin Tel. 030-2415225 und www.alibaba-orient.com Anzeige 23 Cheikha Rimitti nach Herzinfarkt in Paris gestorben Aufsässigkeit war ihr Markenzeichen Cheikha Rimitti, "die Mutter des Raï", war bis zuletzt eine aktive Künstlerin. Ihr neustes Album 'N 'ta Goudami', aufgenommen in Oran, der Stadt, in der der Raï vor etwa hundert Jahren geboren wurde, wurde erst eine Woche vor ihrem Tod fertig. Die in Algerien in den 20er Jahren geborene Frau war schon fast eine Legende, zu der die jungen RaïSänger aufsahen. Viele jüngere RaïSänger verdanken ihr sowohl ihre Freiheit des Ausdrucks als auch ihre sprachliche und moralische Aufsässigkeit, die letztendlich zum Markenzeichen des Raï schlechthin wurde. In ihrer Musikerkarriere, die bis 1952 zurück reicht, war Cheikha Rimitti unter den Künstlern der nordafrikani- Anzeige 24 schen Kultur vermutlich die beliebteste Sängerin für die armen Leuten. Ihre Lieder handelten von den Kämpfen im täglichen Leben, von den Freuden an Sex und Liebe, von Alkohol, Freundschaft und Krieg und waren in der alltäglichen Sprache der Straßen verfasst. Im Jahr 1994 produzierte sie mit Robert Fripp und Flea von den Red Hot Chilli Peppers das Album 'Sidi Mansour', das die Grenzen des Raï mehr sprengte als je ein anderes zuvor. Im Gegensatz zu der jüngeren Generation vermied sie jeden Einsatz von Popelementen im Raï. Rimitti war die Inkarnation von Algeriens lange verloren geglaubter Begierde nach dem Leben. Unermüdlich erinnerte sie ihre Mitalgerier daran, Foto: www.rimitti.com dass geistliches Vertrauen, Liebe, die Lust am Leben und physische Lust Hand in Hand gehen können. Weiterer Informationen: Rob Partridge (Coalition PR) 020 8987 0123 [email protected] und www.rimitti.com Fotoreportage World of Orient, März 2006, Hannover Fotos: André Elbing türkische Volkstanzgruppe Mosaik Gypsi Mystique Dancers Prinz Erkan Serce Ofra Maraike & Gruppe Ensemble Selina Peppina Cihangir Ivana Caffaratti Orientalischer Tanz Die Geschichte des Flamenco Eva Havva Marklowski Die Entstehung des Flamencos Der Gypsy aus Egypto Die Geschichte Andalusiens ist von vielen Völkern und Kulturen geprägt. Man könnte behaupten, dass eigentlich nichts in der spanischen Kultur rein spanisch ist. Notwendigerweise ist daher die Geschichte des Flamenco eine Geschichte der verschiedensten Kulturen und Einflüsse, die die Elemente des Flamenco mitgeformt haben: die byzantinische Liturgie der Urkirche Spaniens, maurische Gesänge und mozarabische Volkslieder, die Synagogengesänge spanischer Juden sowie die altiberische andalusische Volksmusik.1 Etwa 60 Jahre vor der Niederwerfung Granadas trafen die ersten Zigeuner in Al Andalus ein. Gitano, das spanische Wort für Zigeuner, leitet sich von der spanischen Bezeichnung für Ägypten, Egipto ab. Egipcianos wurde wie ein Synonym für Ägypter und Zigeuner gleichermaßen verwendet. Auch das englische gypsy leitet sich ja bekanntermaßen von Egypt ab. Dies bestätigt die Theorie einiger Forscher, die besagt, dass sich die Zigeuner, die etwa im 7. bis 9 Jahrhundert ihre Auswanderung aus Indien begannen, auf ihrem Weg nach Spanien eine längere Periode in Ägypten aufgehalten haben sollen. Eine Vermischung mit der ägyptischen Bevölkerung soll jedoch nicht stattgefunden haben, da außerdem der größere Teil - die Ciganos, man schätzt ca. 180.000 - über die Pyrenäen nach Spanien weiter gewandert sei. Mit den Gitanos,2 die im 15. Jahrhundert über Ägypten nach Spanien einwanderten, kam die für die Entstehungsgeschichte des Flamencos wichtigste Komponente hinzu. Sie brachten vor dem Hintergrund ihrer altindischen Musiktradition die Urformen des Cante Jondo mit. Aus der Assimilation von bestehenden und mitgebrachten Musiksprachen und -formen ging im Laufe mehrerer Jahrhunderte der Flamenco hervor. Doch erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts gaben ihm wiederum die Berufsmusiker der Gi tanos die definitive Struktur, die bis heute fast unverändert weiter besteht. Schaufenster in Sevilla, Foto: Askari 26 Im Archiv von Barcelona gibt es ein Dokument vom Januar 1425. Es ist ein Pass und ein Geleitbrief von König Alfonso V., von Zaragoza, ausgestellt auf einen Johannis de Egipto, mit der Empfehlung, denselben und seine Begleiter auf ihrer Reise gut zu behandeln. So waren die ersten Jahre der Zigeuner in Spanien relativ sorgenfrei. Die Sippenchefs der Zigeuner nannten sich condo (Graf) oder duque (Herzog), wie Conde Tomàs s de Egipto oder Duque Pablo de Egipto Menor.3 Die Zigeuner Ägyptens, die Ghagar und Halep, zu denen auch die Ghawazee gehören, können mit diesen ersten Zigeunern kaum etwas zu tun gehabt haben, da sie nach eigenen Angaben erst vor etwa 150 - 200 Jahren aus Syrien nach Ägypten kamen.4 Die Pharaonin des Flamenco- tanzes Ein Wort, das in el jaleo vorkommt, d. h. in dem Ausruf des Publikums, der Bewunderung, Begeisterung und Enthusiasmus ausdrückt, ist faraón oder faraona: Pharao - der König und Herrscher über Ägypten. Bis heute heißen außerdem die starken Oberkörperverdrehungen im Flamencotanz, die durch die schrägen Rückmuskeln hergestellt werden la faraona. Kopf und Füße zeigen in die gleiche Richtung, während die Schultern eine Vierteldrehung zur Seite machen. Die Ähnlichkeit zu den altägyptischen Darstellungen ist eindeutig und die Bezeichnung daher verblüffend logisch. Die gleiche starke Oberkörperdrehung existiert außerdem im russischen Zigeunertanz, der auch noch andere Bewegungen und bezüglich der Bekleidung mit dem spanischen die meisten Ähnlichkeiten aufweist. So z. B. der weite Rock der Frauen, das große Schultertuch mit Fransen, das ebenfalls als Tanzaccessoire benutzt wird, einige Armhaltungen und Posen, von den Männern einiges der Fußarbeit und anderes Bewegungsvokabular sowie ebenfalls der Bekleidungsstil. Die ersten Zigeuner, die nach Granada kamen, bestanden aus Familien, die sich von den Nomadenstämmen getrennt hatten. Sie nahmen Zuflucht in den maurischen Vierteln, die zu dieser Zeit die ärmsten Stadtviertel am Rande Granadas waren. In den Felshöhlen des berühmten Sacromonte lebten Mauren und Zigeuner zusammen bis zur Vertreibung der Mauren im Jahre 1610. Viele Mauren und auch Juden gaben sich in dieser Zeit als Gitanos aus, um der Sklaverei und dem Tod zu entgehen. Nachdem die Mauren junger Flamencosänger in Sevilla, Foto: U.A. Spanien verlassen hatten, übernahmen die Zigeuner nicht nur die Grotten, sondern auch einiges von der maurischen Musik und dem Tanz und integrierten dies in ihre bereits reichhaltige Tradition. Ihrer eigenen Veranlagung und Begabung entsprechend entwickelten sie diese beiden Ausdrucksformen auf faszinierende Art weiter. Die Verfolgung der Zigeuner wiederum hatte erst 1783 ein Ende und erst ab da konnten sie mit ihrer Musik, die sie bis zu diesem Zeitpunkt nur im kleinsten Familienkreis ausgeübt hatten, in die Öffentlichkeit gehen. Ab 1860 entstanden die Cafés de Cante, in denen die Frauen überwiegend als Sängerinnen, die Männer auch als Tänzer auftraten. Erst durch den dann folgenden Austausch von Künstlern aus verschiedenen Regionen entstand die Urform des heutigen Flamencos. Er ist also mit anderen Worten noch keine 150 Jahre alt. Kathak und Kastagnetten Der echte Flamencotanz ist genau wie der Flamencogesang sehr verschieden von dem volkstümlichen Tanz und der großen Anzahl klas- Schaufenster in Sevilla, Foto: U.A. 27 sisch-spanischer Tänze, die vor allem im 18. und 19. Jahrhundert in Spanien vorkamen. Das orientalische Erbe im Flamencotanz tritt deutlich hervor. In keinem anderen europäischen Tanz gibt es so kunstvolle weiche Handbewegungen und differenzierte Armbewegungen. In den frühen Formen des Flamencotanzes zeigten die Frauentänze keinerlei Fußarbeit, während im Kathaktanz das Bewegungsvokabular für Männer und Frauen gleich ist. Die typische Fingerstellung im weiblichen Flamencotanz ähnelt jedoch stark einer indischen Mudra. Das Bewegungsrepertoire der Tänzerinnen zeichnete sich früher durch eine biegsame Wirbelsäule und differenzierte kunstvolle Armund Handbewegungen aus, zu denen sie mit ihrem langen Rock (über) die Bühne "fegten", was "escobilla" (von spanisch = fegen, kehren) genannt wurde. römischen Reich waren die Tänzerinnen aus Gades, heute Cadiz, berühmt, die sich mit Bronze-Kastagnetten und Händeklatschen selbst beim Tanz begleiteten. In der Maurenzeit waren vielerlei Arten von Zimbeln, Klappern und Kastagnetten in Gebrauch. Den muslimischen Frauen war es verboten, ihre Beine und Füße zu zeigen und bei den Flamencotänzerinnen gilt es noch heute als Kunst, beim Schwingen des Rockes möglichst wenig "Einblicke" zu gewähren oder die Beine zu zeigen. Arabic-Flamenco Die Fußarbeit der Frauen wurde erst mit Carmen Amaya seit der Mitte des 20. Jahrhunderts - wieder - ein wichtiger Bestandteil des Flamencotanzes. Die Benutzung der Kastagnetten aus der andalusischen Folklore war im Flamencotanz lange Zeit verpönt und ist es teilweise heute noch. Wie die Fingerzimbeln im Orientalischen Tanz machen sie eins der Um es zusammenzufassen: Die Bezeichnung "Arabic-Flamenco" für einen Fantasietanz, der Elemente aus dem Flamencotanz und orientalischen Tanz enthält, ist insofern irreführend, als der Flamencotanz zwar nicht so sehr arabisch-afrikanisches, jedoch von jeher bereits orientalisches Bewegungsrepertoire enthält. Wie wir wissen, stammen die eigentlich orientalischen Bewegungen im orientalischen Tanz aus dem fernen Orient, dem asiatischen Teil. Zu ihnen zählen die differenzierten Hand- und Armbewegungen, die ausdrucksvolle, oft erzählende Gestik und Mimik, die feinen Kopfbewegungen sowie die komplexe Fußarbeit. Insbesondere bei den Drehungen, kombiniert mit bestimmten Armführungen, bei den Biegungen des Torso wie auch den tiefen Rückbeugen zeigt sich deutlich der asiatische Ursprung. Hingegen sind Beckenkreis und Beckenwelle, Beckenkippen, Shimmies und Brustkorb-"lifts" afrikanischen Ursprungs. wichtigsten Stilmittel - die wunderschönen Handbewegungen - zunichte. Die Verwendung von Metalloder Holzklappern hat ihren Ursprung in Ägypten. Von dort aus verbreiteten sie sich über Griechenland nach Persien und auch auf die iberische Halbinsel. Bereits im 28 So gesehen könnte man auch sagen, dass der Orientalische Tanz durch die Integration von Arm- und Handbewegungen oder Fußarbeit aus dem Flamenco eigentlich nur orientalischer wird. Umgekehrt wäre eine Verwendung von Hüftschwung und Shimmy dann eine "Afrikanisierung" des Flamencotanzes. Welches Kostüm passt zum Arabic-Flamenco? Literatur: Mario Bois: Carmen Amaya, m. CDAudio, Metro Verlag, 1997 Bernard Leblon: Flamenco, Palmyra Verlag, 2006 Peter A. Thomas, Renate Wagner: Flamenco. Andalusiens Seele im Tanz, Welsermühl Verlag, 1988 Dass ein Bauchtanzkostüm mit Perlenfransen - womöglich noch mit zartem Schleier - hier fehl am Platz ist, versteht sich von selbst, jedoch ist ein strenges Original-Flamencokleid sicher auch nicht angesagt. Die Hüfte sollte betont sein, der Bauch bleibt jedoch besser bedeckt, damit die Aufmerksamkeit nicht von den schönen Handbewegungen und Tanzfiguren abgelenkt wird. Ein weiter Rock erlaubt den Einsatz interessanter Bewegungskombinationen, Charakterschuhe ermöglichen eine andere Energie und Akzentuierung im Tanz und ein Fächer als Tanzaccessoire bringt Spannung und Effekte. Ungeachtet dessen, für welche Kombination sich eine Tänzerin entscheidet - ganz sicher eröffnet die Kom- Internet Apsara Habiba, Köln, Foto: André Elbing www.flamenco-seiten.de www.flamenco.de www.graf-martinez.de www.flamenco-germany.de u.v.a. bination von "Arabic" und "Flamenco" für Kreative ein reiches Arbeitsfeld an Möglichkeiten, nicht nur für interessante Kostümideen sondern auch und vor allem für neue spannende Choreographien. Anzeige Anmerkungen 1 Anita Awosusi, in: Marion Papenbrok-Schramm, Faustino Núnez, Iris Brikey, Bernhard F Schulze, Manolo Lohnes: Die Musik der Sinti und Roma. Bd 3. Der Flamenco, Dokumentations- u. Kulturzentrum Dt. Sinti u. Roma, Heidelberg 1998, S. 8 2 Die Gitanos, inzw. die spanische Bezeichnung für Zigeuner, waren über den Sinai, Ägypten und Nordafrika nach Spanien eingewandert; ihre Sprache war mit ägyptischen Lehnwörtern durchsetzt. Die Ciganes waren über Griechenland und Frankreich nach Spanien eingewandert und sprachen (oder verstanden zumindest) griechisch. vgl. Ulrich Völklein: Zigeuner: Das verachtete Volk, Oldenburg, Stalling Verlag, 1981, S. 99 3 Barbara Thiel-Cramer: Flamenco - Die Flamencokunst, ihre Geschichte und Entwicklung bis in unsere Tage, Verlag Remark, Lidingö, Schweden, 1991, S. 28 4 Sabah Farouk, Ghawazeetänzerin aus Luxor, gibt in einem Gespräch 2001 an, dass ihr Stamm vor etwa 150 Jahren aus Syrien nach Ägypten kam. Auch die Maazins sprechen in einem Interview im Sommer 1997 von ihrer 150jährigen Tradition. vgl. Halima 1/98 29 Sevilla ein Spaziergang Text und Fotos: Ulrike-Zeinab Askari Ein stürmischer Anfang. In Berlin zogen bereits morgens um 7 Uhr schwere Regenwolken auf, die uns bis tief in den Süden Spaniens begleiteten. In Madrid, wo wir die vier Stunden Aufenthalt für eine kleine Stippvisite in der Stadt nutzten, schüttete es, als wenn der Himmel seine Pforten geöffnete hätte. Pünktlich zum Einchecken waren wir wieder im Flughafen, doch unser Flug nach Sevilla ließ auf sich warten. Nach mehr als drei Stunden Wartezeit erfuhren wir, dass es Probleme gebe und wir nicht nach Sevilla fliegen könnten, stattdessen nach Jerez de la Frontera. Dorthin wollte ich schon immer einmal. Aber als wir ankamen war es bereits 23 Uhr und tiefschwarze Nacht. Nachdem alle Passagiere ihr Gepäck hatten, stürmten wir zum Ausgang, denn es hatte in Madrid geheißen, dass uns Busse abholen und nach Sevilla fahren würden. Nur in Jerez wusste niemand davon, dass wir abgeholt werden sollten. Da standen wir nun unter Palmen bei einer Temperatur von vielleicht 20 Grad in Berlin waren wir bei etwa 5 Grad Universität von Sevilla 30 Hauseingang in Sevilla abgeflogen -, müde, hungrig, durstig, ohne weitere Informationen. Mir kam die Situation so vertraut vor: so orientalisch sozusagen. Niemand fühlte sich für uns zuständig, erst auf mehrfache Beschwerden und Drohungen hin bequemte sich jemand von der Fluggesellschaft, uns wenigstens darüber zu informieren, dass Busse angefordert wären. Nach etwa einer weiteren Stunde des Wartens kam endlich ein Bus - für ca. 130 Personen. Letzten Endes kamen wir glücklich in Sevilla am Flughafen an, wo wir von einem weiteren Bus abgeholt werden sollten. Aber es kam nach einer weiteren Stunde des Wartens kein Bus, also wurden wir von unserem Empfangskomitee, das auch nachts um 3 Uhr noch freundlich und liebenswürdig war, kurzer Hand in ein Taxi verfrachtet. Nach fast einer Stunde Fahrt kamen wir auf einem Hügel auf der anderen Seite der Stadt vor einem abseits gelegenen Hotelkomplex an. Kathedrale von Sevilla Hauptstadt der Provinz Andalusien Wir hatten beschlossen, nach der viertägigen Konferenz in ein kleines Hotel in die Innenstadt umzuziehen. Der Shuttlebus brachte uns bis an die Stadtmauer, hinter der sich ein Palast verbarg, der gerade von Grund auf renoviert wurde. An anderen Stellen wurden die Straßen aufgerissen und es sah aus, als wenn sich Sevilla, diese Stadt mit etwa 700.000 Einwohnern, die sich im Tal des Guadalquivir, einer weiten, fruchtbaren und landwirtschaftlich gut genutzten Ebene ausbreitet, auf eine Weltmeisterschaft vorbereitete. Es war ein einziges Gewusel von Menschen, Autos, Bussen. Düfte von Jasmin und Orangen erfüllten die Luft, ein wager Hauch von Weihrauch schwang bisweilen mit. Die eigentliche Stadt nimmt das linke Ufer des Guadalquivir mit zahlreichen Stadtteilen und Vorstädten ein. Von der alten Stadtmauer mit ihren 66 Türmen, sind nur noch Reste vorhanden. Sevilla hat immer noch viele öffentliche Brunnen, die zu einem großen Teil von dem aus 410 Bogen bestehenden antiken Aquädukt Canos de Carmona, das von Julius Cäsar erbaut wurde, mit Wasser gespeist werden. Hauseingang Privathaus Kelten, Iberer und Phönizier, Griechen, Karthager, Römer, Westgoten und Wandalen Sowohl die Kelten als auch die Iberer, Phönizier, Griechen und Karthager schätzten bereits die Fruchtbarkeit des Landes und das warme Klima mit ca. 3.000 Sonnenstunden pro Jahr und erlebten eine Blütezeit im Süden Spaniens, bis im 3. Jahrhundert v. Chr. die Römer diesen Teil der damals bekannten Welt ihrem riesigen Reich einverleibten. Die gemeinsame Sprache wurde nun Lateinisch. Zwei römische Kaiser, Trajan und Ha drian, wurden hier geboren. Von 411 bis 711 residierten die Wandalen und Westgoten in Spanien. Sie wurden verdrängt von den Berbern und Arabern, die sich ab 712 immer mehr von der Halbinsel aneigneten. Sevilla wurde bereits 712 erobert und zur Hauptstadt des Königreiches Sevilla. 844 wurde die Stadt von den Normannen zerstört. Während der Zeit der Taifa-Königreiche war sie Sitz der maurischen Dynastie der Abbadiden. 1091 fiel sie an die Al moraviden und 1147 an die Almohaden. 1248 eroberte Ferdinand III. von Kastilien die Stadt und seitdem blieb sie im Besitz der Christen. Eine zweite Blüte erlebte Sevilla im 16. und 17. Jahrhundert, als sie Haupt- umschlagsplatz des spanischen Seehandels und Sitz der spanischen Kunst, insbesondere der Malerei, war. Als jedoch ca. 300.000 Mauren nach Granada und Afrika auswanderten, versetzte das der Stadt und ihrem Gewerbe einen Stoß, von dem sie sich lange nicht mehr erholte. Stadtrundgang Wir hatten bereits einen Tipp für ein Hotel bekommen, mussten jetzt aber unseren Weg suchen. Nach einigem Fragen wurden wir an eine mobile Touristeninformation verwiesen, ein etwas größerer Bauchladen mit buntem Sonnenschirm und einem perfekt Deutsch sprechenden jungen Mann, der gleich zu seinem Handy griff und im Hotel anrief, ob denn überhaupt noch ein Zimmer frei wäre. Nein, leider, aber es gäbe in der übernächsten Seitenstraße einige kleinere Hotels, die auch nicht zu teuer seien. Also zogen wir weiter, während unsere Augen sich nicht satt sehen konnten an den Orangenbäumen, Pferdekutschen wie in Luxor, einer zauberhaften Architektur, die selbst an den modernen Bankgebäuden stolz und deutlich das Erbe der Mauren zeigte. Wir suchten uns ein kleines Hotel direkt am Beginn der Altstadt, stellten unser Gepäck ab und gingen 31 Brunnen arrangiert sind, manchmal sogar Bänke und alles sieht sehr einladend und gemütlich aus. Auch kleine Hostels (Pensionen) in Santa Cruz sehen oft sehr "maurisch" aus und wirken damit einladender als so manches große Hotel. Bankgebäude Richtung Innenstadt. Zunächst gingen wir an der riesigen Kathedrale von Sevilla Maria de la Sede vorbei, ein imposanter gotischer Bau aus dem 15. Jahrhundert, an der Stelle einer ehemaligen Moschee erbaut. Das Minarett an der Seite, die so genannte Giralda, 1196 von Abu Yussuf Yakub in der Höhe von 82 m erbaut, der heutige Glockenturm der Kathedrale, ist neben dem Orangenhof das einzige Überbleibsel der ehemaligen Moschee. Genau gegenüber ließen wir uns zunächst nieder, um einen kleinen Imbiss zu uns zu nehmen. Diese typischen kleine Snacks, Tapas genannt, lecker für zwischendurch oder vor dem großen Hunger, zum Wein, Sherry, Bier, das Die Giralda 32 auch gar nicht so übel ist! Einfach sitzen und die Touristenströme vorbeiziehen sehen. Die Luft und das Flair auf sich wirken lassen. Aber schließlich waren wir nur noch zwei Tage hier und wollten erst einmal etwas mehr von der Stadt und seinen Sehenswürdigkeiten sehen. Das Stadtviertel Santa Cruz ist ein malerisches, scheinbar für die Touristen extra gut restauriertes altes Viertel mit engen Gassen, vielen kleinen Bars, Cafés und Restaurants, Andenkenläden und Geschäften. Dabei ist die Architektur sehenswert. Hier mischt sich mediterraner Stil mit dem alten maurischen, dem so genannten Mudéjarenstil, der sich vom 8. bis zum 13. Jahrhundert in Andalusien entwickelt hat und sich auszeichnet durch die typischen Hufeisenbögen, Rundbögen, die größer sind als ein Halbkreis, meistens zu zwei Drittel oder sogar drei Viertel gewölbt, Mauresken, Muster kompliziert verschlungener, sich überschneidender, stark stilisierter Blattranken und Blüten, oft in Verbindung mit kalligraphisch ausgeführten arabischen Schriftzügen, Stuckdekor und Ma jolikadekor, spanisch-maurische Fayencen, die aus Mallorca stammen. Die Hauseingänge geben oft einen Einblick in Innenhöfe, die mit orientalischen Fliesen ausgelegt sind, in denen dekorativ Pflanzen und kleine Nach einer Kaffeepause - dem deutschen Kaffee entspricht hier der café con leche, der stark, würzig und ein wenig cremig ist - entschließen wir uns, den Stadtteil zu wechseln und in die Fußgängerzone zu gehen, wo die Spanier von heute shoppen gehen. Was uns erstaunt ist, dass es auch hier - und ganz sicher nicht für Touristen - viele Läden gibt, die ganz offensichtlich auf Flamenco spezialisiert sind. In manchen gibt es eher Fächer und Haarspangen, in anderen wieder stehen Schultertücher im Vordergrund und schließlich entdekken wir ein Geschäft mit Stoffen nur für Flamencokleider, der von so vielen Kundinnen besucht ist, dass man glauben könnte, er habe Sommerschlussverkauf. Am Abend, nach einer kleinen Siesta, gingen wir zunächst am Guadalquivir, dem Fluss der ins Mittelmeer mündet und der in seinem Namen noch deutlich den arabischen Ursprung verrät: wadi al kibir, d. h. das große Tal, entlang und dann wieder Richtung Innenstadt. Wir suchten ein kleines Restaurant, wo man eine Kleinigkeit Baum im Park im Innenberich des Alcazares essen oder einfach nett sitzen und etwas trinken kann. Doch da wurden wir enttäuscht. Die meisten Bars, die wir fanden, sind - wie in Frankreich nicht bestuhlt. Die Menschen stehen in Trauben an der Bar oder eben einfach im Raum, es ist laut und rauchig. Restaurants sind eher pikfein und teuer, nicht so das, was wir suchen. Schließlich zieht uns Musik an. Das hört sich nach Flamencogitarre an. Zunächst sind wir uns nicht sicher, ob sie vom Band kommt, doch dann entdecken wir in einer Art Eckkneipe mit vier Tischen und Bänken über der Heizung zwei junge Männer, die mit viel Temperament ihre Musik vortragen. Wie wir später hören ist der Sänger gerade 16 Jahre alt, was aber seinem Bierkonsum keinen Abbruch tut. Am nächsten Tag steht endlich der Palast des Reales Alcazar auf dem Programm, dessen Beschreibung ein ganzes Buch füllen würde. Unser Weg führt uns vorbei am ehrwürdigen Gebäude der Universität von Sevilla, einer ehemaligen Tabakfabrik aus dem 18. Jahrhundert, einem der größten Industriegebäude Spaniens der damaligen Zeit, das 1953 zur Universität umfunktioniert wurde, durch eine Parkanlage wie aus einer anderen Welt, mit Hecken von Oleander, Büschen von Hibiskus, Kiefern und Pinien, Palmen, Trompetenbäumen, Zitronen und Orangen und vielen anderen Pflanzen und Bäumen, die ich nicht identifizieren kann. Am nächsten Morgen heißt es leider schon wieder Abschied nehmen. Wir haben keinen Flamencotanz gesehen, haben nur einen ersten kleinen Eindruck von der Stadt und ihren Menschen und sind doch voller Enthusiasmus, so bald wie möglich wieder zu kommen, um näher in Kontakt zu kommen mit den Menschen, ihrer Geschichte, ihrer Kultur. Literatur André Clot: Das maurische Spanien. 800 Jahre islamische Hochkultur in Al Andalus. Patmos Verlag, 2004 Internet www.andalusien-web.com www.tapas.de/index.htm www.beyars.com/kunstlexikon/lexikon_6127.html www.design-up.ch/andaluz/index.html www.red2000.com/spain/sevilla/2sevill. html Alcazar Eingang 33 2. Weltkongress der Imame und Rabbis für den Frieden Text und Fotos: Ulrike-Zeinab Askari Plenum Sevilla, Spanien. Vom 19. bis 22. März 2006 trafen sich auf Einladung der Stiftung Hommes de Parole aus Paris zum zweiten Mal etwa 60 Rabbiner, mehr als 60 Imame und über 90 Experten aus aller Welt in Sevilla, Spanien, zu einem Kongress für den Frieden unter der Schirmherrschaft seiner Majestät König Juan Carlos I. von Spanien und seiner Majestät König Mohamed VI. von Marokko.19. bis 22. März 2006 trafen sich auf Einladung der Stiftung Hommes de Parole aus Paris zum zweiten Mal etwa 60 Rabbiner, mehr als 60 Imame und über 90 Experten aus aller Welt in Sevilla, Spanien, zu einem Kongress für den Frieden unter der Schirmherrschaft seiner Majestät König Juan Carlos I. von Spanien und seiner Majestät König Mohamed VI. von Marokko. In der Begrüßungsfeier im wunderschönen Bau der Stiftung Tres cul turas wurden Grußworte von König Nazlin Umar Rajput 34 Mohamed VI. von Marokko verlesen, von Nelson Mandela und Kofi Anan, die gleich zu Beginn der Veranstaltung klarstellten, wie wichtig der Dialog zwischen den Religionen ist. Der Bürgermeister von Sevilla Alfredo Sánchez Monteseirín betonte, dass es ihm und der Stadt eine ganz besondere Ehre sei, diesen Kongress zu beherbergen, da doch in dieser Region die Geschichte über fast acht Jahrhunderte gezeigt habe, dass ein respektvolles und friedliches Miteinander von allen Religionen möglich ist. Weitere Reden hielten Alain Michel von Hommes de Parole, André Azoulay, der als Präsident der Stiftung "Drei Kulturen" und als Berater seiner Majestät Mohammeds VI. von Marokko anwesend war, Abdulaziz Othman Altwaijiri, der Generaldirektor der ISESCO, Rabbi Yona Metzger, der Hauptrabbi von Israel, Ahmed Taoufiq, Minister für religiöse Angelegenheiten und Habous (ein spezifischer Begriff des islamischen Rechts) von Marokko, Manuel Chaves, der Präsident der autonomen Regierung von Andalusien und schließlich Imad Al Falouji, der Imam von Gaza, Palästina, sowie Michael Melchior, der Hauptrabbi von Norwegen, der auch Mitglied der Knesset (israel. Parlament) ist. Damit war die Latte der Ansprüche an diesen Kongress reichlich hoch gehängt. Bereits am ersten Vormittag im Plenum zeigte sich jedoch, dass selbst die Brüder der gleichen Religion sich nicht immer friedlich auseinandersetzen können, wenn es um politische Fragen geht. So wurde es bei einem Wortabtausch laut und heftig, bis einer der Beteiligten wutentbrannt den Raum verließ, weil er sich als Vertreter der palästinensischen, unterdrückten und hungernden Minderheit im Gazastreifen nicht genügend gewürdigt fand und verständlicherweise über seine Probleme reden wollte. Eine schwierige Entscheidung für die Diskussionsleitung, sollten politische Einwürfe zugelassen werden? Denn eigentlich sollte es um die Themen "Familie und Moderne" sowie "Spannung zwischen dem Individuum und der sozialen Verantwortlichkeit" gehen. Da aber die politischen Einwürfe die Gemüter immer weiter erhitzten, griffen die Verantwortlichen im Programm vor und präsentierten am ersten Nachmittag bereits das "Open Space", eine Arbeitsmethode aus den USA, etwa eine Weiterentwicklung des Brainstormings. Es sollten sich Arbeitsgruppen zusammenfinden, die über Themen sprechen sollten, die sie selbst interessierten. Der zweite "Arbeitstag" begann mit dem Open Space mit Gesprächen in kleinen Gruppen, die überall sehr fruchtbar verliefen, da sich jeweils gleich Interessierte zusammenfanden und austauschten. Am Mittwoch wurden abschließende Statements im Round Table Gespräch zusammen getragen, was sich die Teilnehmer in einer Vision für die Zukunft vorstellen. In der letzten Sitzung wurde dann ein "Final Statement" verlesen, das auf der Grundlage der Visionen entstanden war, welches schließlich an die versammelte Weltpresse weitergegeben wurde. Was ich persönlich sehr bedauere, ist die Tatsache, dass die Stimme der Frauen unterging - zwar wurde sowohl von mehreren Rabbis als auch von Imamen mehrfach betont, dass den Frauen eine sehr wichtige Rolle im Aufbau einer friedlichen und toleranten Gesellschaft zukommt - aber sie selbst waren in der Runde der Fachleute nur mit einer einzigen Stimme, der der Kenianerin Nazlin Umar Rajput als Leiterin der kenianischen Muslemorganisation, vertreten. Es war z. B. nicht eine einzige Rabbinerin anwesend, aus welchen Gründen auch immer, von denen es in Amerika immerhin schon etliche und auch in Europa einige gibt. Die wenigen Expertinnen wie Kitty Cohen, Leiterin des Instituts für Studien der Religion und des Gemeindewesens in Israel, Shoshana Bekerman, Direktorin des "Global Ethic Resources Centers", Zainab Al-Suwaij, Direktorin des amerikanischen Islamic Congress, hielten sich "dezent" im Hintergrund. Lediglich eine der wenigen beobachtenden Studenten und Studentinnen, die zum großen Teil in das Projekt "Vision of Abraham" involviert waren, meldete sich beim Thema Erziehung zu Wort und lud die "Erwachsenen" ein, obwohl sie - wie man ja sehen könne weder ein Rabbi noch ein Imam sei, sich von den jungen Leuten einmal erzählen zu lassen, welche pädagogischen Aktivitäten sie bereits in die Tat umgesetzt hätten. Als ein Beispiel nannte sie Schulbesuche in jüdischen und islamischen Schulen, bei denen von Vertretern der jeweils anderen Religion Fragen beantwortet werden. Dieser mutige Vorstoß in die sakrale Welt der Imame und Rabbis blieb nicht ungehört. In der nächsten Kaffeepause waren die jungen Leute umringt von Journalisten aber auch von Imamen und Rabbis, die mehr über ihre praktische Arbeit erfahren wollten. Überhaupt waren die Kaffeepausen und die gemeinsamen Abende im Hotel, das für vier Tage ausschließlich den Besuchern des Kongresses zur Verfügung stand, ein wichtiger Bestandteil der Tagung. In diesen Pausen und Abenden fand bereits praktizierte Begegnung und friedliches Miteinander statt, indem zum Beispiel gemeinsam gesungen, musiziert und getanzt wurde. Der Austausch über weitere praktische Erfahrungen brachte so manche Anregung mit sich, die nun in vielen Orten der Welt ihre Kreise ziehen wird wie z. B. ein "Tag der offenen Moschee" bzw. der offenen Synagoge. Mehrere Kongressteilnehmer bekräftigten am Tag der Abreise, dass der erste Abend im Hotel ein besonders wichtiger war, an dem Mohamed As kari, Ägypten/Deutschland, seine Nay (arabische Bambusflöte) auspakkte und zu spielen begann. Zu ihm gesellte sich Ahmed Dewidar, ein junger Imam aus Ägypten/Amerika, der zur Flöte traditionelle religiöse Lieder vortrug. Das wiederum lockte einige Rabbis an und auch sie beteiligten sich, immer noch begleitet und untermalt von den Flötenklängen von Mohamed Askari. Schließlich kamen noch einige Sufibrüder dazu und gemeinsam wurde dann ein Zikr (ein "Sufitanz") veranstaltet. Fazit aus diesem Abend war für viele, zwei Brüder im Gespräch Empfang bei den “Drei Kulturen” spontaner Zikr dass Musik und Tanz universelle Sprachen sind, bei denen jeder mitmachen kann, unabhängig von Hautfarbe, Religion oder Geschlecht. Das hatte sich am letzten Tag auch bis zu den Veranstaltern herumgesprochen und so wurden Ahmed Dewidar, Koran-Rezitator aus New York, Eliezer Weisz, Rabbi aus Emer Hefer, Israel und Mohamed Askari, Berlin zu einer abschließenden Darbietung ihrer mystisch-religiösen Kunst und ihres praktischen Miteinanders gebeten. Für viele Teilnehmer konnte nach all diesen erfüllten und herzerwärmenden Erfahrungen nur noch der Wunsch übrig bleiben, das Erlebte und theoretisch Erarbeitete zu Hause in die Praxis umzusetzen. "Nächstes Jahr in Jerusalem!" Infos www.hommesdeparoles.org www.tresculturas.org (spanisch) Studenten beim Informationsaustausch 35 Final statement of Imams and Rabbis for Peace all persons whose lives and dignity In the name of the One Creator and are sacred. Master of the Universe, the Therefore we Compassionate and All Merciful, we reiterate the Muslim and Jewish leaders and message we representatives, gathered for the sent from our Second World Congress of Imams first congress, and Rabbis for Peace organized by that we Hommes de Parole in Seville, in the deplore region of Andalusia - recalling the bloodshed or gemeinsame Segenswünsche zum Abschluss der Konferenz past era in which Jews and Muslims violence in lived together here in harmony and the name of condemn any incitement against a mutual enrichment - and aspiring for any ideology everywhere. Especially faith or people, let alone any call for such relations today and in the futuwhen such is perpetrated in the their elimination, and we urge re. We accordingly affirm that conname of religion it is a desecration authorities to do likewise. We trary to widespread misrepresentaof religion itself and the gravest recognize that there is widespread tion, there is no inherent conflict offense against the Holy Name of misrepresentation of our religions, between Islam and Judaism, on the the Creator. Thus, in addition to calone in the other's community as well contrary. While modern politics ling upon all our co-religionists to as in the world at large. We affirm have regrettably impacted negatively respect all human life, dignity and therefore the urgent need for truthupon the relationship, our two relirights, to promote peace and justiful and respectful education about gions share the most fundamental ce; we call upon them and the each other's faith and tradition in values of faith in the One Almighty governments of the world and interour respective communities and whose name is Peace, who is mercinational institutions to show respect schools; and call upon those ful, compassionate and just; and for the attachments and symbols of responsible to promote such essenwho calls on us human beings to all religions, as well as their holy tial education for peaceful co-eximanifest these values in our lives sites, houses of worship and cemestence. Solemnly we pledge ourseland to advance them in relation to teries, particularly in the Holy Land, ves to the abovementioned continue due to its to seek out one another to build special sensibridges of respect, hope and tivity. friendship, to combat incitement Accordingly, and hostility, to overcome all barwe condemn riers and obstacles, to reinforce any negative mutual trust, serving the noble goal representaof universal peace especially in the tion of these, land that is holy to us all. let alone any desecration, Heaven forbid. Similarly, we gemeinsames Singen Seville, Spain, March, 22nd 2006, Safar 21, 1427, Adar 22, 5766 36 jomdance Die neue Bühnentanzausbildung von Said el Amir in JazzOrientalModerndance Text: Katja Schönke, Fotos: FOGU - Rainer Gutzmer Said el Amir, Jammin’ with the snake Said el Amir, innovativer Tänzer und Tanzpädagoge, unterstützt seit einigen Jahren die von seiner Lehrerin und Kollegin Yasmin al Ghazali entwickelte Ausbildungsmethode ESTODA® (ESsential Technique of Oriental DAnce) für orientalischen Tanz. Sie unterrichtet in Deutschland, Österreich und der Schweiz ihre neue Methode, um so die Kenntnisse der Basics bei den orientalischen TänzerInnen zu vereinheitlichen. Said nimmt dort auch als unabhängiger Prüfer am Ende der Ausbildung die Endprüfung ab. 2002 bis 2003 erhielt Said el Amir eine Tanzausbildung bei der Tanzschule Iwanson für zeitgenössischen Tanz in München. Dort erhielt er einen intensiven und sehr fokussierten Einblick in zeitgenössisches Ballett, Jazz- und Moderndance. Die Weiterentwicklung der arabischen Musik durch Hakeem, Samira Said, Claude Challe und viele andere moderne orientalische Musiker zu immer westlicherem Klang brachte ihn dazu, die erlernten Elemente des Jazz- und Moderndance mit denen des orientalischen Tanzes zu verbinden. Said el Amir verfügt nicht nur über eine eigene Ausbildung in Jazz, Modern und Ballett sondern hat auch noch 18 Jahre Erfahrung im orientalischen Tanz nachzuweisen. Auf die Frage, ob ihn die Idee getrieben habe, eine europäische Version des orientalischen Tanzes zu schaffen, reagiert Said erstaunt. Nein, der orientalische Tanz ist für ihn international. Es gibt da nicht die arabische und die europäische Sektion, sondern nur Fortentwicklungen. Tradition ist für ihn etwas Lebendiges, das stetig im Fließen begriffen ist. Dennoch ist es ihm bewusst, dass er Arabian Drive = jomdance® Azad Kaan & Said el Amir 38 neue Wege einschlägt, die Unterrichtsmethode sozusagen auf den Kopf stellt oder besser gesagt über den Kopf vermittelt, was uns Europäern leichter zugänglich ist. Das zeigt sich u. a. bereits daran, dass sich mehr Männer für die neue Methodik anmelden als in den reinen orientalischen Tanzkursen. Allerdings bedarf es für die Ausbildung im jomdance® fundierter Grundkenntnisse im orientalischen Tanz, die sich die Schüler im Idealfall jedoch nicht zwingend erforderlich vorher durch ESTODA® haben vermitteln lassen, damit sie alle eine gemeinsame Basis haben. Said verbindet in seiner neuen Methodik die Erdigkeit des orientalischen Tanzes und eckige, teilweise ruckartige Bewegungen des Jazztanzes mit den eher weicheren des Modern, die Eleganz des Balletts mit den Isolationsbewegungen des Oriental. Als ausgebildeter Tanzpädagoge ist er nicht nur befähigt, seine innovativen Ideen an viele neue Schüler weiterzugeben, sondern er ist auch mit einem Eifer dabei, der ihm beim Erzählen schon aus den Augen sprüht. Lachend ahnt er bereits jetzt voraus, dass er sich nicht nur Freunde machen wird. Aber schließlich hatten auch andere Neuerer in der Tanzszene gegen verstaubte und überalterte Methoden anzukämpfen. Als innovativer Traditionalist ist er ambitioniert, das Beste aus jedem seiner Schüler heraus zu holen, was aber auch bedeutet, dass nicht jeder Schüler die besuchte Prüfungsstufe besteht, nur weil er an der entsprechenden teilgenommen hat. So will er - im Gegensatz zu anderen Ausbildungen im orientalischen Tanz (außer ESTODA®) - nicht nur am Ende der Ausbildung ein Zertifikat verteilen, sondern alle Schüler müssen Zwischenprüfungen absolvieren, die bei Nichtbestehen zu wiederholen sind oder zum Abbruch der Ausbildung führen. So haben alle Absolventen die Garantie, dass in den jeweiligen Modulen die Kenntnisse auf dem gleichen Stand sind und ein effektives Lernen möglich ist. Ein weiterer Vorteil für die Absolventen ist, dass man die Module überall wiederholen bzw. die Ausbildung beenden kann und somit nicht an einen bestimmten Ort der Ausbildung gebunden ist. Im Gespräch gibt Said el Amir zu bedenken, dass seine Ausbildung vielleicht bei vielen Tanzbegeisterten auf Interesse stoßen wird, aber nicht für alle geeignet sei, weil er z. B. einer 50jährigen Frau nicht einen Jazz-Spagat aus dem Stand zumuten könne. Es geht also hier - endlich (so empfinde ich es und atme erleichtert auf) - um eine ausgesprochene soli- OM-OM Dreh = jom-class Fürth Raksan & Said = Transition jom-class to Raksan modern oriental stische Bühnentanzausbildung. Die Laien sind mit dieser Art der Tanzausbildung sicher überfordert. Aber das lässt in mir die Hoffnung aufkeimen, dass Said mit dem jomdance endlich einen eleganten Weg gefunden hat, zur Annerkennung des orientalischen Tanzes als Bühnentanz beizutragen. Die Ausbildung "Die Ausbildung zum/zur jomdance -BühnentänzerIn konzentriert sich vollkommen auf den Teilaspekt "Bühnentanz." Sie umfasst 192 Zeitstunden in 5 Modulen, davon sind 60 Stunden Theorie und Bühnenarbeit." Laut Prospekt will Said el Amir dem orientalischen Tanz so zu Ansehen, Qualität und zeitgemäßer Darbietung verhelfen. Er setzt sowohl inhaltlich als auch qualitativ hohe Maßstäbe an und hat damit den Nerv der Zeit getroffen, was das Bedürfnis und die Wünsche so mancher Tänzerin betrifft, die sich professionell als orientalische Tänzerin betätigen möchte. Die Ausbildung erstreckt sich über 2 Jahre und schließt Bereiche aus dem Ballett, Jazz und Moderndance ebenso mit ein wie aus dem orientalischen Tanz. Die Fusion, die durch die Verschmelzung von Elementen aus diesen verschiedenen Tanzrichtungen entsteht, richtet sich nach der zu interpretierenden Musik. "Die Ausbildung dient dazu, dem orientalischen Tanz eine zeitgenössische Bühnenform zu verleihen, die der des Ballett, Jazz und Moderndance ebenbürtig ist, ohne seine Wurzeln zu verleugnen oder gar zu verlieren." Said el Amir bezeichnet sich selbst als Traditionalist. Er liebe den klassischorientalischen Tanz, aber es fehle hierzulande eben an einer Ausbildung mit den nötigen Bühnen-Basics. Zu den Themen des Lehrplanes gehören zunächst die essentiellen Bewegungselemente aus Ballett, Jazz und Modern zur Optimierung der Tanzbewegungen im orientalischen Tanz, Bewegungs- und Schrittkombinationen des modernen, dem europäischen Geschmack angepassten orientalischen Tanzstils, Raumaufteilung, Dynamik im Tanz, Drehungen, Atemarbeit, Körperwahrnehmung, Muskelaufbau und -funktionalität, Musikanalyse und Umsetzung in Theorie und Praxis, Choreographie in Theorie und Praxis, Bühnenpräsenz, -aufteilung und beleuchtung usw. Alle Lehrinhalte 39 Dabei wird vermutlich nicht jeder Interessent auch in die Ausbildung aufgenommen. Aber dazu dient ein Orientierungswochenende, an dem sowohl dem potentiellen Teilnehmer als auch dem Dozenten die Möglichkeit gegeben wird, sich von der Ausbildung bzw. dem zukünftigen Teilnehmer ein klareres Bild zu machen. An diesem Wochenende geht es bereits darum, ein professionelles Warm-Up zu erarbeiten, die Wahrnehmung des eigenen Körpers steht ebenso im Mittelpunkt wie die OM-OM Boden = jom-class Fürth / Azad KaanErfahrung von Atmung und Bew& Said el Amir egung. sollen gezielt und individuell vermittelt und auch korrigiert werden. Es soll theoretische und praktische Prüfungen geben sowie Hausaufgaben und individuelles Tutoring. Angesprochen werden dabei vor allem TänzerInnen, die den orientalischen Tanz "bereits mindestens auf fortgeschrittenem Niveau beherrschen unabhängig davon, wie lange sie schon tanzen." In den 5 Modulen der Ausbildung geht es dann immer wieder um das professionelle Warm-Up sowie das dazugehörige Cool-Down, Grundhaltung im Allgemeinen, der Arme und Füße im Speziellen sowie Schritt- und Bewegungskombinationen. Drehungen aller Arten in Verbindung mit Atemarbeit, Raumwahrnehmung und Raumaufteilung sind ebenso Themen der Ausbildung wie Dynamik im Tanz, Musik- analyse, Choreographie, Bühnenpräsenz, Bühnenattitüde und Beleuchtung usw. Bei der Abschlussprüfung soll eine eigene Choreographie auf einer echten Bühne unter realen Auftrittsbedingungen mit eigenen Beleuchtungsanweisungen und eigener Musikauswahl gezeigt werden. Das Prüfungsgremium wird aus dem Dozenten, einem/r geprüften ESTODA®-LehrerIn, einem Mitglied von TaMeD e.V. sowie - nach Möglichkeit - einem aktiven Mitglied des ansässigen Theaters oder Balletts bestehen. Die Absolventen dieser Ausbildung erhalten den Titel geprüfte/r jomdance-BühnentänzerIn. Said el Amir jomdance -academy Postfach 70 13 28 ,81373 München [email protected] www.jomdance.com, www.estoda.de Said el Amir geboren am 6. Januar 1969 in Kiel als sechstes Kind eines Künstlerehepaares 1975 ab 1979 1987 1988 ab 1990 ab 1995 seit 1998 seit 2000 2001 seit 2002 2003 40 erste Bühnenerfahrung im Kieler Opernhaus als Solo-Sänger eines Kinderchores anlässlich der jährli chen Veranstaltung "Kiel singt und spielt für Kiel" Theater- und Musikgruppen, Gesangsunterricht und praktische Arbeit im Theater mit zahlreichen Auftritten auf nationalen Bühnen erster Kontakt zu orientalischem Tanz durch seine erste und prägende Lehrerin Yasmin al Ghazali Gründung der "Bauchtanzschule in Kiel" mit Yasmin al Ghazali Umzug und Verlegung der Lehrtätigkeit ins Rheinland (Aachen, Eschweiler, Köln) zahlreiche Workshops und Shows im Inland sowie dem europäischen Ausland Zusammenarbeit mit der in Spanien lebenden Yasmin al Ghazali in Form einer spanisch-deutschen Tanzpartnerschaft wohnhaft in München diverse Fernsehberichte, sowie Zeitungs- und Radiointerviews (RTL, Sat1, SWR, Radio Flora, Antenne Aachen, WDR4, TanzOriental, Halima etc.) Choreograph, Co-Komponist, Sänger und Schauspieler im 1 1/2 stündigen Orient-Musik-Theaterstück "Im Flammenwalzer" von M. Fernandez-Ritter, Berlin Tanzausbildung für zeitgenössischen Tanz bei Iwanson Gründung der jomdance-academy "Wir machen, was unser Herz sagt" Tres - Unter Göttern Text: Svetlana Georgieva, Fotos: Jacek Pietrowski erfahren. Dazu traf ich mich mit Laila und Murah (Sylka war es aus organisatorischen Gründen nicht möglich, daran teilzunehmen) in einem Kreuzberger Café, das, wie für einen sommerlichen Nachmittag üblich recht voll war. Die bezaubernde Aura und entwaffnende Ehrlichkeit meiner Interviewpartner ließen mich rasch das hallende Tassen- und Tellergeklapper und das Stimmengewirr um uns herum vergessen. Meine erste Frage, ob es einen aktuellen Anlass gab, sich einem mystischen Thema zuzuwenden, wurde von beiden verneint. Murahs Verbundenheit mit den spirituellen Energien im Tanz erwies sich, wie ich vermutet hatte, als Schlüssel zu den Kernfragen des Stückes: Die Gestalten der Dreiecksliaison sind den Orixás, den Naturgöttern der afro-brasilianischen Candom blé-Religion entlehnt. Murahs künstlerischer Werdegang ist vom "Tanz mit den Göttern" von seiner Kindheit an geprägt worden, wie er erzählte: "Ich bin in dieser Religion geboren und groß geworden. Meine Oma und meine Mutter waren Priesterinnen und meine ganze Familie lebt mit dieser Religion. Jede Person hat eine Aufgabe - für den Orisha zu kochen, zu tanzen, zu singen. Meine Aufgabe ist es, den Tanz Laila El-Jarad, Murah Soares und Sylka Rubina Ein Mann - zwei Frauen, ein Mann zwischen zwei Frauen, eine Frau und ein Mann, eine Frau allein; Geschichten aus der afro-brasilianischen Mythologie - Szenen des Alltags - Seelenlandschaften ... Dies waren Konstellationen aus dem Tanzstück Tres - Unter Göttern, das am 21. April 2006 im Saalbau Neukölln in Berlin Premiere feierte. Das Stück erzählte vom Spiel der Elemente Feuer, Wasser, Wind und Donner, die von den orientalischen Tänzerinnen Laila El-Jarad und Sylka Rubina und dem afro-brasilianischen Tänzer Murah Soares verkörpert wurden. Von der Gesamtkomposition und der künstlerischen Umsetzung war ich begeistert. Aus der nachhaltigen Begeisterung wuchs mein Interesse, mehr über die Hintergründe, die zu dieser Produktion geführt hatten, zu zu vermitteln. Dabei gebe ich und bekomme auch. Ich spüre, dass ich meine Aufgabe erfülle, so langsam ...” [lachend] Jeder Orisha verfügt über einen Erkennungsrhythmus, -gesang oder charakteristisches Tanzmuster. Diese ermöglichen es den Menschen, in einen energetischen Dialog mit ihren Göttern zu treten - mit den Göttern zu singen, zu tanzen usw. "Tanz und Musik sind eine Art zu beten", sagte Murah und zündete sich eine Zigarette an. Das tänzerische Drama wurde in eine außergewöhnliche instrumentale Struktur eingebettet, ausgeführt von den MusikerInnen Cathrin Alish, Geige, Till Bommer, Kora, Perkussion und Wolfram Blechner Gembri, Perkussion. Die Perkussion bestimmte zwar rhythmisch die Handlung, rükkte jedoch nicht zu stark in den Vordergrund. Der markante Klang der Gembri (der aus der marokkanischen Gnawamusik bekannten Binnenspießlaute) mit ihrer dunklen Seele, das zärtliche Flüstern der Kora (der afrikanischen Stegharfe) und die verschlungenen Pfade der Geige webten einen melodiösen Teppich. Was in meinen Ohren als eine gelungene Komposition erklang, wurde von Laila und Murah als eine durchaus schwierige Auseinandersetzung mit den Musikern geschildert. Bis zur letzten Probe wurde am musikalischen Konzept gebastelt und alle waren froh, als die Premiere gut verlief. Ich finde es wichtig, an diesem Beispiel aufzuzeigen, dass Reibungen in künstlerischen Prozessen, 41 zu produktiven Ergebnissen führen können. Besonders interessant fand ich die geographische Verwurzelung der Göttergestalten und der jeweiligen Instrumente, die den Göttern eine Stimme verliehen. In beiden Fällen handelte es sich nämlich um "Einwanderer" aus dem subsaharischen Afrika. Die Naturreligion (ursprünglich Voodoo) gelangte mit als Sklaven verschleppten Afrikanern nach Brasilien und Kuba, wo sie enormen Einschränkungen seitens des Christentums ausgesetzt war. Deshalb wurden Riten und Tänze oftmals heimlich oder "verdeckt" zelebriert. Unter diesen Umständen entstand die Candomblé-Religion, in der der Geist des Voodoo - "das hat nichts mit Puppenzauber und schwarzer Magie zu tun" - so Murah Soares - in adaptierter und konzentrierter Form erhalten blieb. Auf ähnlichem Weg gelangten auch die Kora, die Gembri und eine Vielzahl der Perkussionsinstrumente mit Sklaven aus Guinea, Gambia, Mali, Sudan, Senegal u. a. auf nordafrikanisches Terrain. Die gemeinsame ursprüngliche Herkunft der Instrumente und des Candomblé war konzeptionell nicht beabsichtigt, ergab aber einen "schönen Zufall", wie wir im Gespräch etwas verblüfft feststellten. Für die Tänzer deuteten die Instrumente auf einen Berührungspunkt zwischen orientalischem und afrika- Laila el Jarad und Murah Soares 42 Laila el Jarad nischem Tanz hin, da sie "für beide Tanzrichtungen offen sind. Die Kora zum Beispiel ähnelt mit ihrem weichen Klang dem orientalischen Qanun", erklärte Laila El-Jarad. Ebenso offen für die Einflüsse unterschiedlicher Stile ist die Tanzsprache der drei Protagonisten. Die Vereinigung vielfältiger Tanzformen mündet letztendlich in der Kreation eines eigenwilligen Tanzstils. Das Tanzvokabular Laila El-Jarads beispielsweise lässt sich auf orientalischen und spanischen Tanz, Tango, Jazzdance, Modern Dance und Ballett zurückführen. Eine Kombination, die durchaus widersprüchliche Charakterzüge vereint und - so Laila El-Jarad - "nur dann funktioniert, wenn man die Tänze aus den jeweiligen Zusammenhängen herauslöst. Für mich ist Tanz, egal ob Flamenco, Tango, Modern, afrikanischer oder orientalischer Tanz, immer ein Ausdrucksmittel. Was ich mir daraus nehme und wie ich es verbinde, das wird dann eben meins." Oder wie es Murah auf den Punkt brachte: "Aus der Tradition machen wir was Neues. Wir machen, was unser Herz sagt." Gemeinsam kreieren sie seit über zehn Jahren. Auf die Frage, wie sie sich kennen gelernt haben, reagierten beide mit einem: "Oooh, wie war das noch mal?!" Laila fiel es dann doch noch ein: "Ich hatte Lust mit einem Mann was zu machen, es war aber weit und breit nichts. Ein gemeinsamer Freund machte uns miteinander bekannt. Murah war damals ganz frisch in Berlin und sprach kein Wort deutsch." Murah lachte. Tanzsprache verbindet eben. Laila berichtete weiterhin, dass die Zusammenarbeit "von Anfang an ganz leicht war", was von Murah prompt Kopf nickend bestätigt wurde. Das harmonische Zusammenwirken, war dem Berliner Publikum bereits aus früheren Produktionen wie "Al Qantara - Die Brücke" 2003, "Übers Meer - Sobre o mar" 2004 u. a. bekannt. Wie Murah bemerkte, gibt es tatsächlich "viele Ähnlichkeiten zwischen orientalischem und brasilianischem Tanz, wie zum Beispiel die Armbewegungen, die Isolationen und die energetische Sache. [...] Während unserer Arbeit habe ich entdeckt, dass diese alten Kulturen - die brasilianische und die arabische immer wieder aufeinander treffen, zum Beispiel wie eine brasilianische Geschichte durch arabische Bewegungen zum Vorschein kommt. Das ist das Erstaunliche an unserer Arbeit." Laila lachte und setzte die Suche nach dem gemeinsamen Nenner fort: "Ich empfinde ihn immer als Tänzer, nicht als afro-brasilianisch oder so sondern von der Energie her als Tänzer. Und uns verbindet eigentlich Tanz. Nicht orientalischer oder afrikanischer Tanz, sondern Tanz und die Leidenschaft dafür. Alles andere ist Form." Tanz ist also ihre gemeinsame Sprache; Brasilianisch, Arabisch, Spanisch usw. sind wie Dialekte, die sie beherrschen und leidenschaftlich einbringen. Neu bei "Tres" war die Verkörperung einer Rollengestalt und das Erzählen einer konkreten Geschichte im Tanz: "Ich fand es super spannend, in so eine Rolle rein zu gehen. Am schönsten war es eigentlich, als wir zu dritt zusammen saßen und überlegten, welche Geschichte wir aus den hundert Tausenden, die es gibt, auswählen könnten. Diese Geschichte hat wie die Faust aufs Auge gepasst und uns war sofort klar, wer welche Rolle übernimmt," erzählte Laila El-Jarad. Der Einklang zwischen Laila und Murah breitete sich, wie sie mir bestätigten, auch auf ihre (erste) Zusammenarbeit mit Sylka Rubina Mitglied des Oasis Danse En semble aus. Über die auch für sie als besonders empfundene Zusammenarbeit fügte sie hinzu: "Ich habe mir schon längere Zeit gewünscht, meine tänzerischen Visionen in eine neue künstlerische Konstellation einzubringen. Mit Laila und Murah habe ich zwei wirklich erfahrene und dabei offene Persönlichkeiten getroffen. Unsere Zusammenarbeit war super: produktiv Laila el Jarad mit Schleier und unkompliziert, so dass wir beschlossen haben, das Stück weiter auszuarbeiten und ein weiteres Mal in Berlin aufzuführen." Wie ich während der Vorstellung beobachten konnte, trieb das Spiel der Naturkräfte die Handlung des Stückes dynamisch voran. Das sanfte Strömen des Wassers, die Harmonie der Natur wurden durch die ungebrochen fließenden Bewegungen Laila El-Jarads dargestellt. Das stürmische Element wurde durch Sylka Rubina mit den ihr eigenen afro-orientalischen Tanzelementen ins Wirbeln gebracht. Unter einer fellartigen, silbrigen Decke am Boden gleitend ließ sie subtile Konturen der Bewegung hervortreten. Von mystischen Kräften getrieben machte sie die elektrostatische Aufladung der Luft sichtbar, versprühte Funken, ging in lodernden Flammen auf. Die mächtige und zugleich sinnliche Gestalt des Gottes, der für Feuer, Donner und Gerechtigkeit steht, gab sich mal den fließenden, mal den stürmenden Kräften hin. Im aufgeladenen Spannungsverhältnis der beiden eindrukksvollen Frauengestalten und ihren kontrastreichen Anziehungskräften, geriet er außer sich und verzweifelte. Im Laufe des Gefechts nahm die von Laila El-Jarad dargestellte Rolle eine überraschende Wendung an. Die Last ihres emotionalen Schmerzes konnte sie durch Leichtigkeit der Bewegung überwinden. Mit verführerischen Posen und einer Portion Frechheit forderte sie die Nebenbuhlerin zum Kampf auf. Das Kampfmittel, Schleier bzw. Doppelschleier, als in der Luft wirbelnde und peitschende Kaskaden aus seidigem Stoff, eignete sich bestens dazu, den eigenen Raum zu definieren und zu verteidigen. Liebe und Kampf, Begehren und Leiden, Lebensfreude und Verzweiflung, sich öffnen und sich verschließen ... Es war spannend, dem wandelnden Gefühlsleben der Figuren zu folgen. Nach anderthalb Stunden schwangen sich Laila und Murah auf ihre Fahrräder und fuhren in entgegen gesetzte Richtungen davon. Ich blieb allein mit einem Tonband von 60 Minuten feinst gesponnener Gesprächsfäden, Lachen und Kaffeetassengeklapper. Da erst viel mir auf, dass das Café mittlerweile fast leer geworden war. Weitere Vorstellungen: 2. und 3. Februar, 2007 im Saalbau Neukölln, Berlin www.caminada.de 43 Rätsel Gewinnen Sie einen aktraktiven Preis Beantworten Sie dazu die folgenden Fragen. Fügen Sie zum Schluss die Buchstaben in der richtigen Reihenfolge zusammen. Das Lösungswort ist eine Stadt in Andalusien. (Die Schreibweise entspricht der in den Artikeln.) 1. Wie heißt der Musiker, der dem Oud die 5. Saite hinzufügte? (6. Buchstabe) 2. Welches Volk besiedelte nach den Römern die Iberische Halbinsel? (6. Buchstabe) 3. Wie heißt die Hauptfigur einer Oper von George Bizet, in der es um leidenschaftliche Gefühle, Musik und Tanz geht? (2. Buchstabe) 4. Welches Geschlecht begründetet ein eigenes Kalifat in Córdoba? (1. Buchstabe) 5. Woher lietet sich der Name Gibraltars ab? (1. Buchstabe) 6. Welche berühmte Frau wird auch die Königin des Erzählens genannt? (2. Buchstabe) 7. Wie heißt die Rai-Sängerin, die vor kurzem in Paris verstarb? (8. Buchstabe) Senden Sie Ihre Lösung an die Redaktion der Al-Maqam, Zeitschrift für arabische Kunst und Kultur, Ulrike-Zeinab Askari, Wilhelmstraße 42, 10963 Berlin, Fax 030/61 65 96 53, mail: [email protected] und gewinnen Sie 2 Gutscheine für einen Aufenthalt im Sultan Hamam, Berlin (www.sultan-hamam.de) 1 Gutschein für eine individuell gestaltete Visientkarte plus 200 Exemplare von mediaAGENT, Berlin (www.mediaAGENT.net) 1 Flacon 10 ml Weihrauch-Essenz von der Mekkanischen Rose, Berlin (www.mekkanischerose.de; Artikel folgt im nächsten Heft) 1 CD Abed Azrié: suerte live Einsendeschluss ist der 30. August 2006. Die Gewinner werden in der nächsten Ausgabe bekannt gegeben. Wenn Sie nicht namentlich genannt werden möchten, bitten wir um schriftliche Mitteilung! Wegen eines Datenverlustes im e-Mail-Programm sind leider die Namen aller Teilnehmer vom letzten Preisrätsel verloren gegangen. Die Teilnehmer mögen sich bitte noch einmal bei mir melden. Die Preise warten auf ihre Verteilung! 44 It's showtime! "Bellydance Superstars" und "Desert Roses" auf Deutschlandtournee Text: Svetlana Georgieva, Foto: Michael Krömer Zum zweiten Mal gastierten die Bellydance Superstars gemeinsam mit der Gruppe Desert Roses am 20. Mai 2006 in der Universal Hall in Berlin. Zusammen bilden sie eine 14-köpfige Kompilation aus berühmten Tänzerinnen der USA. Sie gelten als weltweit anerkannte Profis im Bauchtanz und sind offen für die Einflüsse anderer Stile. Obwohl ich ihr Programm vor knapp zwei Jahren gesehen hatte und auf tänzerische Perfektion und choreographisches Geschick vorbereitet war, war ich von dieser Vorstellung überrascht. Diesmal fand ich die Zusammensetzung von Musik und Tanz weniger harmonisch doch nicht weniger reizvoll. Da ich finde, dass sich die Show einer sachlichen Beschreibung und Bewertung entzieht und sich nur über eine Ebene des offenen und gesteigerten Vorstellungsvermögens wahrnehmen lässt, möchte ich an dieser Stelle zunächst ein akustisches Experiment vorschlagen: Wahrscheinlich kennen Sie die Situation, am Radio erwartungsvoll lauschend, einen Sender zu suchen. Nun stellen Sie sich vor, dass zunächst moderne ägyptische Musik, mit eingängigem Pop-Rhythmus erklingt. Neugierig geworden schrauben Sie am Regler weiter und stoßen dabei auf die unterschiedlichsten exotischen Musikwelten: fetziger Rai, HipHop und Ragga; temperamentvoller Samba und Salsa; BollywoodKitsch oder Banghra-Getöse; SüdseeRomantik, kühner Ethno-Pop, harter Industrial-Rock oder pure ägyptische Trommel-Sessions. Die Mischung ist haarsträubend vielfältig; der Wechsel zwischen den einzelnen Stationen ist spontan und schein- bar zufällig. Manchmal bleibt der Radioanzeiger genau zwischen zwei Stationen stecken, so dass sich zwei unterschiedliche Stile überlagern, wie zum Beispiel die quirlige Bauchtanzmusik mit den mystischen Klängen des Ethno-Industrial-Rocks. Fast der gesamte "Remix" ist mit einem treibenden Beat unterlegt. Vielleicht bekommen Sie Lust zu tanzen ... Auf diesem Prinzip der abrupten Wechsel, Brüche und Überlagerungen von Musik-, Kostüm- und Tanzstilen wurde die Bühne von den Tänzerinnen aus USA immer wieder neu kreiert und schien für diese Show fast zu klein zu sein. Das Beobachtete lässt sich nur in einem eingeschränkten Maße in Worte fassen. Der Zauber der Show verflüchtigt sich im strengen Sinne des schriftlich fixierten Wortes. Die folgende Auftrittsbeschreibung kann also nur einen minimalen Eindruck von den Aktivitäten und der Atmosphäre des Abends vermitteln: Die "Bellydance Superstars" und "Desert Roses", die auf der Bühne zu einem Ensemble zusammenschmelzen, überzeugten mich mit ihrem musikalischen und tän- die Bellydance Superstars 45 zerischen Können. Sie sind jung, anmutig und energiegeladen. Jede von ihnen hat eine Besonderheit - ein charmantes Lächeln, eine geheimnisvolle Aura, besonders gefühlvoller oder besonders expressiver Ausdruck ... Mit unbestechlicher Dynamik zauberte eine (kleine) Tänzerin mit großer Präsenz - Petite Jamilla - riesige Wirbel aus Schleier in die Luft. Begleitet wurde sie von zwei Derwisch-Tänzerinnen, die das entrückende Moment des Sich-Drehens noch überhöhten. Mit einer Nonchalance vollführte Sonia das lebendige Spiel der Dums und Taks, das zu einem späteren Zeitpunkt von Jillina, der Choreographin des Abends, ekstatisch auf die Spitze getrieben wurde und den Trommler Issam Houshan ganz schön ins Schwitzen brachte. Besonders spannend fand ich die tänzerische Umsetzung der Musikstücke dunkleren Charakters - einer Art "Industrial-Ethno", das mit Tribal-Tänzerinnen wie Sharon Kihara eindrucksvoll verwirklicht wurde. Die Tribal-Truppe stellt zur expressiven, aufs Publikum zuspringenden Energie der Bauchtänzerinnen einen starken Kontrast her. Ihre Erscheinung hebt sich von den farbenfroh strahlenden Kostümierungen der Bauchtänzerinnen ab. In Schwarz gehüllt, mit schweren Hüfttüchern, Münzen, Bommeln und Fransen behangen, verstärkt durch ein bewusstes Übermaß an Ohrringen, Armreifen, Piercings, filigranen Tatoos und wilden Haargeflechten schafften sie es, archaische Tanzformen und synthetische Klänge miteinander zu verbinden. Der Energiefluss beim Tribal ist in sich gekehrt. Wie Schlangen ragen ihre Arme und Hände aus den statischen Körpern heraus. Ihr Empfinden für die Musik steht im Kontrast zur fließenden, Klang visualisierenden Umsetzung der Bauchtänzerinnen. Beim Tribal wird die Musik quasi auseinander genommen und entweder in Zeitlupentempo (durch elastische Wellen der Arme oder des Torsos, extrem verlangsamte Hüftkreise u. a.) oder im Zeitraffer (mit heftigen Hüftstößen o. a.) akzentuiert. Die Spannung im Raum stieg mit einer akrobatisch-tänzerischen Darbietung von Adoré, die es schaffte, zarte HüftAchten mit schwungvollen Flickflacks spielerisch leicht zu verbinden. Eine andere Tänzerin stakste mit Stelzen und Engelsflügeln herein - ein Auftritt, der im wahrsten Sinne des Wortes etwas herausragte. Mit Requisiten wie Stöcken, Leuchtstäben, Schleiern in allen möglichen Formen und Farben wurde die phantasmagorische Performance reichhaltig ausgeschmückt. Mit einem funkelnden Auftritt mitten in der Show überraschten Beata und Horacio Ci fuentes das mitgehende Berliner Publikum. Eine imposante Show, wie ich finde, die sich in vielen von dem unterscheidet, was wir aus Deutschland kennen. Der uralte Tanz - der Bauchtanz - authentisch und doch in einen jugendlichen, unkonventionellen Stil übersetzt. Der ständige abrupte Wechsel der Musik, das Flirren der Farben, die starke Fluktuation von Tänzerinnen auf der Bühne und ihre chamäleonartigen Stilverwandlungen, die verrückten Ideen und die vielen Überraschungen machten den Abend zu einer Feier der Phantasie. Die bombastisch gemixte, reichhaltige und spaßige Show verlieh der sonst kühl wirkenden Mehrzweckhalle der Universal Hall einen schimmernden Glanz. Svetlana Georgieva studierte Theaterwissenschaft, Philosophie und Erziehungswissenschaft. Eine intensive Beziehung zur Musik und eine Bewegungslust von existentieller Bedeutung führten sie zum orientalischen Tanz. Ihre Erfahrungsund Forschungsarbeit mündete in ihrer Magisterarbeit an der FU Berlin: "Die Empfindsamkeit des Bauches. Orientalischer Tanz vor und nach dem 11. September." 46 Mona Okons legendäre Kamelparty Partytime in Mühlheim Text und Fotos: Anja Alice Nelk und Holger Schmidt Mona Okon hat durch das Arrangement der Darbietungen sowie die Auswahl der Mitwirkenden und die ansprechenden Choreographien eine wundervolle Spannung erzeugt über zweimal 80 Minuten. 122 Frauen und ein Mann, drei Trommler und eine Trommlerin. Das bedeutet ganz klar: it's partytime in Mülheim! Mona Okons legendäre Kamelparty, mit über 500 Gästen ausverkauft. Das nostalgische Ambiente des Handelshofes entstand durch die Bühnendekoration, einen großen Bazar und orientalisches Essen, und wandelte sich zu Raum und Zeit einer anderen Dimension. Liebevoll ausgewählte Kostüme unterstrichen die enorme Ausdrucksstärke der Tänzerinnen, die es schafften, ihre Freude und die Begeisterung des Publikums von Tanz zu Tanz steigen zu lassen. Zauberhaft war das Debut von Shayenne als Moderatorin. Mit Professionalität begleitete sie diesen Abend sowohl als Tänzerin als auch am Mikrophon und hat ebensoviel zum Gelingen beigetragen wie Samir Shokry mit seinen fantastischen Trommelsoli und der Gruppe "little egypt", die bezaubernde Gasttänzerin Sybilla und zum krönenden Abschluss Aladin el Kholy mit seinem nicht enden wollenden Tanuratanz. Aber auch das "Zwischendrin" war jedes für sich ein absolutes Highlight - egal ob es sich um den Lichtertanz oder den modernen Fellahi, Balady oder Stocktanz, Tribal Dance oder Arabic Flamenco handelte. Ganz klarer Höhepunkt war der Auftritt von Mona. Sie tanzte einen ursprünglichen Baladi mit einer Ausdrucksstärke die ihresgleichen sucht. Sie spielte so fantastisch mit dem Publikum und verzauberte alle Anwesenden in Sekundenschnelle durch Tanz, Blicke, Ausdruckskraft. Infos über die Tänzerin und Choreographin Mona Okon und die nächste Kamelparty unter: www.mona-okon.de alle Fotos zu diesem Event unter: www.bellydancephoto.de Anzeige 47 Glosse Nicht alle Scherben bringen Glück Samia Susann Trabolsi Letztens stand ich am Flughafen in Damaskus. Mein Gepäck wurde kontrolliert. Das erste Mal. Tatsächlich wurde man fündig. Der Zöllner hielt triumphierend eine Scherbe hoch. Auch das noch, denke ich. Ich erkläre dem uniformierten antike Scherbe Schnauzbart, dass meine Scherbe keine syrische sondern eine römische ist, die einen langen Weg hinter sich gebracht hat - von Köln nach Damaskus. Und heute wieder eingebürgert werden soll. Genau genommen auf meiner Kommode, wo sie früher einmal stand, bevor sie ein Geschenk für meine Cousine Ruba wurde. Und gestern wollte ich sie zurück. Ich weiß: "Geschenkt ist geschenkt." Ehe ich mich versehe, werde ich nicht gerade sanft gebeten, dem Personal zu folgen. Was mit meinem Koffer passiere, will ich wissen. Keine Antwort. Ich bin ein Verbrecher. Angefangen hatte alles damit, dass ich eine 1.800 Jahre alte rote römische Terrakotta-Scherbe, eine kleine kaputte Erinnerung einer Grabung in Köln, meiner Cousine Ruba schenkte. 48 Bei meinen Besuchen in Damaskus suchte ich jedoch stets die Glasvitrinen meiner Cousine ab und stellte traurig fest, dass meine Terrakotta-Scherbe nirgends, nicht einmal hinter dem schlechtesten kitschigsten Kaffeeservice zu sehen war. Vielleicht ist sie ja kaputt gegangen? Aber eine Scherbe geht nicht kaputt. Sie ist bereits kaputt. Mir wurde das erst gestern klar, dass eine Scherbe nur eine Scherbe ist, also in ihrem Ganzen ein kaputtes altes Etwas, dass sie daher keinen Ausstellungswert für Ruba hat. Obwohl meine Cousine wie jeder Syrer stolz auf die Ruinen von Palmyra und die alten Wasserräder von Hama ist, bleibt eine syrische Scherbe eine Scherbe und am Fundort. Meine römische kam weiter. Fand den Weg nach Damaskus bis in die hinterste Schublade zwischen die Socken meiner Cousine. Deshalb hab ich sie wieder mitgenommen. Ich habe gesagt, der passende Topf sei in Köln gefunden worden und nun wird geschaut, ob die Scherbe passe. Bitte nicht lachen. Ich will nicht tricksen. Nur meine Scherbe zurück. "Woher ist das? - Min wheen hadha?” "Aus Deutschland - Min alemania.” Keiner glaubt mir. Ich überlege, wie ich die Sache vereinfachen könne. Ich weiß genau, ich habe nur eine Chance. Schlechte Lügner werden enttarnt. Mir fällt Hammoude ein, mein kleiner Neffe. Ich wiege meine Lüge: "Mein Neffe hat die Scherbe aus meiner Vitrine gestohlen, als er in Deutschland war und jetzt hat man sie mir zurückgegeben." Ein Dieb in meiner Familie? Nein, gar nicht gut. Oder so: eine persönliche Glücksscherbe: "Sie ist für mich wie der Teddybär der Reisenden oder das Amulett des Abergläubischen. Und sie hat schon meiner Uroma gehört." Ich weiß genau, es kann trotzdem Ärger geben. Denn Okkultismus ist haram - verboten. Daher schicke ich meine Kaffeetasse der Wahrsagerin nur noch per Post und lege sicherheitshalber 10 Euro für den Zollkontrolleur bei, damit der nicht seinen Daumen in meine KaffeesatzZukunft drückt. "Von deiner Oma also?" "Ja, ja, ich schwöre. Sie ist sehr alt. Die Oma." Die Scherbe auch, denke ich. "Es würde ihr das Herz brechen, wenn diese Scherbe verloren geht." Ich wühle in meinem Portemonnaie und räume es aus. Ich zeige ein Foto meiner Mutter. "Das ist meine Oma, als sie jung war." "Sehr schön, wirklich sehr schön." Verstohlen lasse ich zwei 10-Euro-Scheine auf dem Tisch liegen. Man gibt mir einen zurück. "Gute Heimkehr - Hamdil alassalama" wünscht man mir. "Allah salmak" wünsche ich zurück, nehme meinen Koffer in die eine und die Scherbe meiner Oma in die andere Hand und gehe. Erste arabische Fußball-Meisterschaft für Frauen Männersport in Frauenhand Text: Martina Sabra mit freundlicher Genehmigung von „Qantara.de – Internetportal zum Dialog mit der islamischen Welt“ Fotos: mit freundlicher Genehmigung des Goethe-Instituts, Kairo/Alexandria Auch wenn konservative Kräfte in der islamischen Welt jeglichen Frauensport als verwerflich brandmarken: Nicht nur im Iran, sondern auch in den arabischen Ländern begeistern sich immer mehr Frauen für Fußball, wie das erste arabische Fußball-Turnier für Frauen in Alexandria zeigt. Populär wie nie zuvor - Frauenfußball in der islamischen Welt Insgesamt neun Länder haben sich für die erste offizielle arabische Frauenfußball-Meisterschaft qualifiziert, die im April im ägyptischen Alexandria stattfand. Neben dem Gastgeberland Ägypten waren die National-Teams aus Tunesien, Algerien, Marokko, Libanon, Bahrein, Syrien, den Palästinensergebieten und aus dem Irak angetreten. Als Favoritinnen galten Marokko und Algerien. Aber auch die ägyptischen Kickerinnen rechneten sich gute Chancen aus, sagte die Nationalspielerin Safiya Abdel Dayem: "Wir haben mehrere Trainingscamps absolviert, wir sind gut vorbereitet, und wir machen ein gutes Spiel. Ich hoffe, wir werden den Titel gewinnen." Die "Mutter des Frauenfußballs" Safiya Abdel Dayem spielt beim Club Cairo - A. C. Milano, einem ägyptischen Partnerverein des berühmten italienischen Sportclubs. Die 18-jährige Studentin der Kommunikationswissenschaften begann mit zehn Jahren, hobbymäßig Fußball zu spielen. Mit 16 gelang ihr der Sprung in die neu gegründete ägyptische FrauenNationalmannschaft. Dass Frauenfußball in Ägypten möglich ist, dafür sieht sie zwei Gründe: "Auf der einen Seite akzeptiert die Gesellschaft zunehmend, dass Mädchen Sport treiben und auch Fußball spielen. Und dann gibt es Einzelpersonen, die Wichtiges geleistet haben, wie Sahar El-Hawary. Sie ist die Mutter des Frauenfußballs in Ägypten." Frauenfußball-Trainerin Tina TheuneMeyer bei ihrem offiziellen Besuch in Ägypten Anfang April 2006 beobachten konnte. "Die meisten haben in kurzen Hosen und Trikots gespielt wie wir auch, aber zwei oder drei hatten ein Kopftuch auf. Und dann haben einige auch ihre Oberschenkel bedeckt, die Stutzen sehr weit hoch gezogen." Trainingshilfe aus Deutschland Ob mit oder ohne Kopftuch, ob in der Liga oder nur aus Spaß - schätzungsweise 2500 Mädchen und Frauen in über 20 Vereinen lassen in Ägypten mittlerweile das Leder rollen. Stutzen werden hoch gezogen Von der Popularität des MännerSahar El-Hawary ist es zu verdanken, fußballs sind die Damen noch weit dass der Frauenfußball trotz mannientfernt und auch die Werbeeinfaltiger gesellschaftlicher, religiöser nahmen sind recht bescheiden, doch und finanzieller Schranken heute die Spielerin Safiya Abdel Dayem auch im konservativen Ägypten immer hofft, dass die anstehende erste mehr Zuspruch findet. Die Tochter Arabische Meisterschaft ihrem Sport eines bekannten ägyptischen FIFAAuftrieb gibt. "Als wir angefangen Schiedsrichters gründete 1996 die Frauenfußball-Kommission beim ägyptischen Fußballverband EFA. Heute gibt es eine landesweite eigene Frauenfußball-Liga, in der 600 Spielerinnen regelmäßig um Punkte kicken einige davon in islamischer Kleidung, wie die deutsche Match Ludwigsburg gegen Muntakhab Al Qahera, Foto: Claudia Wiens 49 Geld und qualifizierte Trainingsmöglichkeiten. Um so wichtiger sind Projekte wie der Austausch zwischen deutschen und ägyptischen Fußballerinnen, den das Goethe-Institut Kairo Anfang April 2006 organisierte. Begeisterung für Frauenfußball Match Ludwigsburg gegen Muntakhab Al Qahera, Foto: Claudia Wiens haben, interessierte sich niemand für uns. Durch diesen offiziellen arabischen Frauenfußballcup hat sich das geändert." Safiya Abdel Dayem hat bei diversen Afrika-Turnieren internationale Spielerfahrung gesammelt. Doch global ist der arabische Frauenfußball bislang noch nicht wirklich konkurrenzfähig. In den reichen arabischen Golfstaaten Qatar und Bahrein wird zwar von offizieller Seite viel Geld in Frauensport und Frauenfußball investiert. Doch in armen Ländern wie Ägypten fehlen Die Damenmannschaft des TSV Ludwigsburg reiste für eine Woche zum gemeinsamen Training und zwei Spiele nach Kairo und Alexandria. Deutschlands "WeltmeisterinnenMacherin" von 2003, Tina TheuneMeyer, die den Austausch als GastTrainerin begleitete, hatte soviel Begeisterung für Frauenfußball am Nil nicht erwartet. "Ich war überrascht, was da alles so passiert, insbesondere an Schulen. Da saßen Jungs auf der Tribüne, und riefen deutsch-ägyptische Schlachtrufe, während die Mädchen unten trainierten und die gleiche Freude beim Spielen hatten wie in Deutschland." Für die ägyptischen Spielerinnen war der Austausch mit Deutschland eine hoch willkommene Gelegenheit, vor der arabischen Meisterschaft noch einmal die eigenen Spieltechniken und Taktiken auf den Prüfstand zu stellen. Bei den Trainingsmethoden gäbe es noch viel zu tun, meinte Theune-Meyer. Da setze man am Nil zu stark auf Drill und zu wenig auf Individualität und Kreativität. Aber die ägyptische FrauenfußballNationalmannschaft, so TheuneMeyer, besitze einige echte Talente: "Die haben einige Spielerinnen, denen ich das zutrauen würde, direkt hier in die höchste Liga einzusteigen: Sie hätten das Potential, auch international mitzuspielen", so TheuneMeyer. "Afrika muss viel mehr Wettbewerbe anbieten, die müssen regelmäßig herausgefordert werden, Vergleiche haben und Erfahrungen sammeln." zum Tod des irakischen Theaterregisseurs Awni Karoumi Wir trauern um unseren Freund, den Theaterregisseur Dr. Awni Karoumi Sein überraschender Tod so kurz nach unserer arabischen Kulturwoche war für uns alle sehr schmerzhaft und traurig. Es ist für uns ein großer menschlicher und künstlerischer Verlust. Awni Karoumi war ein Mitgestalter dieser ersten arabischen Kulturwoche und ein Kulturmittler. Menschliche Fragen waren stets die Themen seiner Theaterstücke und seines Lebenskampfes. Wir haben einen liebenswerten und kreativen Menschen verloren, der immer hilfsbereit war, und immer offen, sich für andere zu engagieren. Awni Karoumi wird uns in guter Erinnerung bleiben. Das Team des AKI e.V. 50 Weltpremiere in Berlin Ägyptens versunkene Schätze Barbara Schumacher An dieser ausgezeichnet besuchten, bis zum 4. September 2006 dauernden Ausstellung, das Highlight des Sommers 2006 in Berlin, ist vieles sensationell: z. B. die Tatsache, dass Berlin die erste Station ist - zu beträchtlichem Anteil wegen des unermüdlichen Einsatzes des auf politischem, diplomatischem und kulturellem Parkett erfahrenen und rührigen ägyptischen Botschafters Mohamed Al-Orabi in Berlin. "Dank ausgezeichneter Teamarbeit zwischen Museum, dem Frachtflugunternehmen, das die tonnenschweren Exponate nach Berlin brachte, der deutschen und ägyptischen Regierung und der ägyptischen Botschaft ist dieses Unternehmen gelungen. Besonders gefreut hat mich, dass die Präsidenten von Deutschland und Ägypten bei der Eröffnung dabei waren", so der Botschafter, der die tonnenschweren Exponate, die mit dem riesigen Airbus Beluga in Berlin-Schönefeld ankamen, sozusagen in Empfang genommen hat. Selten hat man eine Ausstellung gesehen, in der sämtliche Exponate von drei sagenumwobenen Orten (Antiker Hafen von Alexandria, Herakleion und Kanopus) vom Meeresboden geholt werden mussten - dank der Arbeit des Meeresarchäologen Franck Goddio und seinem Team. Dem Besucher werden nicht nur die einzigartigen Exponate präsentiert, sondern auch Informationen über die Arbeit von Unterwasserarchäologen vermittelt. In Videofilmen kann man z. B. erleben, wie die Kolossalstatue des Fruchtbarkeitsgottes Hapi, mit 5,40 m Höhe die größte freistehende Statue eines ägyptischen Gottes, am Meeresboden gefunden und geborgen wurde. Hapi war in sieStele von Heraklion wird geborgen ben Teile zerCopyright Franck Goddio/Hilti Founbrochen, wurde dation, Foto: Christoph Gerigk Franck Goddio und Taucher seines Teams betrachten die kolossale Statue des Gottes Hapi, Copyright Franck Goddio/Hilti Foundation, Foto: Christoph Gerigk jedoch perfekt zusammengesetzt und kann zusammen mit zwei weiteren Kolossalstatuen im Martin-Gropius Bau bewundert werden. Bei diesen handelt es sich um die Kolossalstatue eines Königs aus Ptolemäischer Zeit (305 330 n. Chr.) und der Statue einer Königin aus der gleichen Zeit, beide aus rotem Granit. Die Kopfbedeckung der Königin besteht aus einer Sonnenscheibe mit 2 langen Federn und den Hörnern der mit Isis gleichgesetzten Göttin Hathor. In der Mitte der Stirn erhebt sich eine Kobra. Sie trägt ein Kleid mit feinen Falten - seit der 19. Dynastie typisch für die Gattin des Königs. Der König trägt die Doppelkrone mit der Uräusschlange. Dieses Königspaar, das man bisher noch nicht benennen kann, ist vergleichbar mit den auf der Fassade des kleinen Tempels von Abu Simbel gemeißelten Statuen von Ramses II und Nefertari. Der Anblick der drei ausgezeichnet erhaltenen Kolossalstatuen ist unvergesslich. Sie sind der Höhepunkt der Ausstellung in der großen Halle des Museums. Wegen der tonnenschweren Last waren besondere StatikMaßnahmen im Museum erforderlich. Ein weiteres Highlight ist die Stele von Nektanebos I. Diese Granitstele wurde am Ort des Tempels von Herakleion gefunden. Sie ist in Form und Inhalt fast identisch mit einer anderen Stele, die vor mehr als einem Jahrhundert in Namkratis entdeckt wurde. Pharao Nektanebos I (380 - 362 v. Chr.) ließ die Stele während seines ersten Regierungsjahrs bauen. Die Inschrift ver- "O, Osiris, ich bin dein Sohn Horus und ich komme, um meinen Vater Osiris zu beschützen O, Osiris, ich bin dein Sohn Horus und ich komme, um die Feinde zu erschlagen, ..." oder: "Ich bin Re, der diejenigen stärkt, die er liebt Mein Gesicht ist die Sonnenscheibe von Re Meine Lippen sind die Lippen von Anubis Mein Nacken ist der Nacken der Göttin Isis Mein Rückgrat ist das Rückgrat von Seth Mein Penis ist der Penis von Osiris Meine Füße sind die Füße von Ptah Keines meiner Glieder ist ohne einen Gott Thoth beschützt meinen ganzen Körper." 51 kündet seinen Beschluss, eine Steuer auf die von Griechen importierten oder produzierten Produkte zu erheben, die in der Stadt Thonis umgeschlagen werden. - Die Nennung von Thonis auf der Stele bestätigt, dass Herakleion und Thonis ein und dieselbe Stadt sind - eine sensationelle Erkenntnis. Die Stele bezeugt auch die Rolle der Stadt als Wirtschaftszentrum und Zollstelle am Einfallstor zum pharaonischen Ägypten "für alles, was aus der Kopf einer Statue Ptolemaios XV. (Cäsarion) und eine als Isis gekleidete ptolemäische dem Meer der Griechen kommt". Viele Königin, Copyright Franck Goddio/Hilti Foundation, Foto: Dawin Meckel/OSTKREUZ Besucher fragen sich, ob die Stele echt ist, da sie vollkommen erhalten ist. Sie ist echt mit ihrer Höhe von 195 cm und 88 cm Breite und den hellen Bildern Umfassende Informationen und Schriftzeichen auf schwarzem Granit. enthält der 464 Seiten starke, ausgezeichnete Katalog zur Wer vom vielen Herumgehen, Betrachten der etwa 500 Ausstellung. Exponate und der vielen Videos mit Unterwasserszenen Weitere Infos unter: müde geworden ist, kann sich auf einer breiten Bank in www.gropiusbau.de und www.aegytens-versunkeneeiner Nische erholen und meisterhaft vorgetragenen schaetze.org Texten und Gedichten aus dem Buch der Toten aus dem Die Franck Goddio Gesellschaft bietet eine kostenlose 20. Jahrhundert v. Chr. lauschen: (s. Kasten S. 51) Mitgliedschaft an: www.franckgoddio.org Anzeige 52 Anzeige Leserbeitrag Die Welt auf Seide Kirsten Stäber Der Orient … Es gibt nur wenige Hinterlassenschaften, die die Phantasie der Menschheit so anregen, wie die der orientalischen Völker. Schon vor Jahrtausenden besaßen ihre Reiche eine derart großartige Kultur, die uns heute noch staunen und schwärmen lässt. … Zur See fahrende Völker sowie Handelskarawanen brachten die exotische Kultur und die faszinierenden Errungenschaften des Orients nach Europa. Und die Liebe der Abendländer zum Morgenland begann. … Was fasziniert uns so sehr am Orient? 1001 Nacht 1 Sind es die schmalen, bunten mit exotischen Düften geschwängerten Gassen der Altstädte, die uns in längst vergangene Zeiten zurückversetzen und uns träumen lassen? Oder die Goldgeschmeide in den Auslagen der Juweliere, die farbenprächtigen Stoffe, Gewänder und Teppiche mit denen sich der Orient schmückt? Die lächelnden Gesichter der orientalischen Bewohner oder die Einsamkeit und Stille der Wüsten? Die Liste könnte noch endlos fortgeführt werden. Aber vermutlich fasziniert uns alles zusammen. Im Orient ticken die Uhren anders. Vielleicht etwas leiser und auch weiser als bei uns, zumindest ohne Stress und Hektik. Das Zauberwort der Orientalen heißt Gelassenheit. Dubai neu Kirsten Stäber, Jg. 1960, stammt aus Hannover und beschäftigt sich hauptberuflich mit Gold, Perlen und Edelsteinen. Als Kind schon fasziniert von den Alten Ägyptern beschäftigte sie sich als Erwachsene sehr intensiv mit ihrer Kunst der Malerei. Da sie nicht nur leuchtende Farben sondern auch edle Stoffe liebt, wählte sie für sich selbst die Seidenmalerei als ihr Medium. Von ihren Reisen durch den Orient lässt sie sich inspirieren, die schönsten Orte und Sehenswürdigkeiten auf Seide zu verewigen. 2001 veröffentlichte sie das Buch "Die Welt auf Seide". Info www.die-welt-auf-seide.de indische Hochzeit 53 Institutionen Haus der Kulturen der Welt auf neuen Wegen 100 Tage Bernd M. Scherer Text und Foto: Mohamed Askari Zur Pressekonferenz am 25. April 2006 kamen mehr als 40 Journalisten, die allein durch ihre Anwesenheit das Interesse an dieser Berliner Institution deutlich machten. 1957 eröffnet, von den Amerikanern gestiftet und mit dem Auftrag ins Leben entlassen, eine Begegnungsstätte der Nationen zu werden, hat das Haus eine recht bewegte Vergangenheit hinter sich. Allein schon seine Lage war geradezu ein Politikum, im Herzen Gesamtberlins, in Sichtweite der Mauer und als architektonische Ergänzung zum im Krieg völlig zerstörten, traditionsreichen Hansaviertel und als Gegengewicht zur Ostberliner Stalinallee. Zunächst war das Haus lange Zeit eine Kongresshalle bis sie Ende der 80er Jahre - nach dem Einsturz des Daches und dessen Sanierung - als Haus der Kulturen der Welt (HKW) wiedereröffnet wurde. Der Name ist Programm In diese Zeit fällt die intensive Zusammenarbeit mit dem inzwischen nicht mehr existierenden Internationalen Institut für traditionelle Musik, die jährlich gemeinsam ein großes Festival veranstalteten. Bereits damals fragwürdig war die Art und Weise, wie die Künstler präsentiert wurden. Da war auch schon mal von Eurozentrismus die Rede. Ganz zu schweigen von der Frage, wie authentisch und traditionell denn ein Chor von einfachen Frauen aus einem ukrainischen Dorf auf einer 54 Bühne mit aller nur erdenklichen wenn auch sparsam eingesetzten Technik noch sein kann. Erfreulicherweise ging man im HKW dazu über, die Gäste aus fremden Kulturen mehr und mehr als Künstler zu sehen und sie als gleichwertig zu behandeln. Aber leider war man in der Zeit oft mehr mit der Perfektionierung der eigenen Konzepte beschäftigt als nach den Interessen des Publikums zu fragen und so wurde es in den letzten 5 Jahren immer ruhiger im und rund ums Haus. War die kulturelle Entwicklung in der Stadt am HKW vorbeigegangen oder hatte sich der damalige Auftrag, der so deutlich auf den besonderen Status von Westberlin abzielte, mit dem Fall der Mauer erübrigt? Ein neues Weltbild Was die Zukunft des Hauses betrifft, so gelobt Bernd Scherer, der neue Intendant des Hauses, sozusagen Besserung. Man könne nicht an der Globalisierung vorbei und auch nicht an der "Exotierung". Das Weltbild des HKW müsse neu überdacht werden, wobei auch der eigene Standpunkt immer wieder neu gefunden werden muss. Schließlich sei ja auch der Begriff "Kunst" nichts Statisches. Das soll sich z. B. in dem neuen Projekt widerspiegeln, mit dem das Haus im August 2007 nach seiner Teilsanierung wieder eröffnet wird: New York, als Sinnbild und Programm für die Welt, die sich auch im Westen immer weiter von der transatlantischen weg hin zur globalisierten Moderne entwickelt. Eingangshalle als Agora Die Eingangshalle solle eine Art Agora werden, nach dem Vorbild der altgriechischen Versammlungsplätze. Schließlich will das Haus sich künftig mehr als Bindeglied zwischen Kunst und Wissenschaft verstehen und ein Treffpunkt für Künstler und Wissenschaftler, internationale Gäste und Berliner, Experten und ein breites Publikum werden. http://www.hkw.de Arabische Erzählkunst Al-Maqam sprach mit Salim Alafenisch Salim Alafenisch: Foto: U.A. Der Schriftsteller und Erzähler Salim Alafenisch wurde 1948 als Sohn eines Beduinenscheichs in der NegevWüste geboren. Als Kind hütete er die Kamele seines Vaters, mit vierzehn Jahren lernte er lesen und schreiben. Nach seinem Abitur 1971 in Nazareth folgte ein einjähriger Aufenthalt am Princeton College in London. 1973 ging er nach Heidelberg, wo er Ethnologie, Soziologie und Psychologie an der Universität Heidelberg studierte. Von 1984 bis 1989 war Salim Alafenisch in der Erwachsenenbildung tätig. Er veröffentliche mehrere Abhandlungen über die Beduinen und ihr Leben. In seinen zahlreichen Autorenlesungen, Rundfunk- und Fernsehsendungen vermittelt er ein lebendiges Bild der Beduinenkultur. Salim Alafenisch hat sieben Bücher veröffentlicht. Zurzeit arbeitet er an seinem achten Buch "Die Feuerprobe", das im Herbst 2007 im Unionsverlag in Zürich erscheinen wird. Du bist ja nicht nur Schriftsteller, sondern Du erzählst Deine Geschichten auch selbst dem Publikum. Hast Du das Geschichtenerzählen richtig gelernt? Und wenn ja, wo und von wem? Das ist eine Frag, die länger als ein Kamelhals ist. Zunächst möchte ich sagen, dass der Orient nicht nur der Geburtsort dreier Religionen, des Judentums, des Christentums und des Islam ist, sondern auch die Wiege des Erzählens von Märchen, Geschichten, Legenden und Sagen. Im Orient erreichte diese Erzählkunst eine bei- spiellose Blüte. Und in diesem Umfeld des Erzählens bin ich groß geworden. Ich bin als Sohn dieser Erzählkultur aufgewachsen. Im Zelt meines Vaters mit zwei Räumen, einer für die Familie und einer für die Gäste, hat der Kadi Recht gesprochen. Und der Gast bekam sein Recht, drei Tage und drei Nächte zu bleiben. Auch die Gäste waren Träger von Geschichten. Erzählen ist meine Wurzel. Geschichten und Märchen waren in meiner Kindheit mein Kino und meine Bücher. Es gab in der Wüste kein Kino und auch keine Bücher. In meiner Arbeit als Schriftsteller und Erzähler schlage ich eine Brücke zwischen gesprochenem, er- zähltem und geschriebenen Wort. Beim Erzählen hat man mehr Möglichkeiten, einige Passagen zu variieren oder neu zu entfalten, die Fantasie zu steigern durch einen bestimmten Ausdruck, ein bestimmtes Wort, dem gesprochenen Wort einen Ausdruck zu verleihen. Es gibt eine alte Tradition des arabischen Geschichtenerzählens. Gibt es bestimmte Elemente, die vorhanden sein müssen? Einen bestimmten Aufbau oder Handlungsablauf? Wie vorher erwähnt, blickt der Orient auf eine alte Erzähltradition zurück, die es schon lange vor dem Islam gab. Die Sprache der Dichtung auf der arabischen Halbinsel, wie etwa in den sieben Juwelen der Dichtung (Malakat), ist schon vor langer Zeit hoch entwickelt gewesen. Dichtung ist ein Medium, das mit Talent und Gabe zu tun hat. Die Beduinen dichteten am Lagerfeuer. Durch die Vielfalt der Völker und Kulturen und die lange Erzähltradition des Orients entstanden die Juwelen der Weltliteratur wie das "Gilgamesch-Epos", "Tausendundeine Nacht" und "Kalila wa dimna" (Tierfabeln). Die Sprache ist wichtig, um die eigenen Wurzeln zu transportieren oder aber um Weisheit, Spannung ("Morgen erzähle ich weiter …" Scheherazade) zu verpacken. Eine Geschichte in der Geschichte, eine Kette oder Anreihung von Mosaiksteinen sind typische Elemente der orientalischen Erzählkunst. Erzähler sind Pädagogen. Sie kennen ihr Publikum, ihre Zuhörer und wissen, welche Geschichte man erzählen, wie man auf die Stimmung eingehen kann. Erzählen ist immer eine Interaktion. Humor ist ein weiteres Element. Über welche Themen wurde gesprochen? Die Umstände des Erzählens ist das Medium, das das ganze Leben umfasst. Alle Momente des Lebens wie Trauer, Freude, Weide, Landschaft, 55 Es ist eine breite Palette … Erzählen Männer und Frauen gleichermaßen? schematische Darstellung eines Beduinenzeltes Wüste, Nacht, Tiere (Pferde oder Kamele wie in "Das Kamel mit dem Nasenring") sind wichtige Themen. In den langen Nächten wird in geselliger Runde am Lagerfeuer erzählt. Die Geschichten dienen nicht nur der Unterhaltung, sie vermitteln auch kulturelle Werte, dienen der Sozialisierung. Ein beduinisches Sprichwort sagt: "Die Alten sind die Brunnen aus denen die Jungen schöpfen." Durch das Erzählen werden die Traditionen weiter überliefert. Die orale Tradierung ist ein wichtiges Element der Stammesgemeinschaft. Gäste erzählt. Ihrer Sprache, Mimik und Gestik haben mich geprägt. Als Schriftsteller auf der anderen Seite bin ich geprägt durch die alten Vorbilder wie Al Mutanabi, die klassische Tradition und auch durch modere Vorbilder wie Taufiq el Hakim oder Ahmed Shauqi (Cleopatra; vgl. AlMaqam 1/06, S. 9ff.). Dazu kommen meine Reisen, meine Bildung, das Studium, die Kenntnis der Weltliteratur, von denen ich drei ganz besonders als meine Vorbilder sehe: Johann Wolfgang von Goethe, Hermann Hesse und Thomas Mann. Gibt es schriftliche Aufzeichnungen, wann fangen sie ungefähr an? Woher nimmst Du Deine Themen? Das ist eine schwierige Frage. Seit Menschen im Orient leben, wird erzählt. Das ist ein bisschen wie die Frage, wer war zuerst da, das Ei oder die Henne. Die Geschichten wurden von Generation zu Generation weitergegeben und dabei verfeinert. Viele Jahrhunderte vergingen bis zu den Juwelen der Weltliteratur. Wer war/ist Dein großes Vorbild? Ich antworte einmal als Schriftsteller und einmal als Erzähler. Als Erzähler blicke ich auf eine lange Erzähltradition der Stämme der arabischen Halbinsel zurück. Ich bin mehr in der Stammestradition verwurzelt, nicht so sehr in der Tradition der Märchenerzählung. Das ist eine bestimmte Gattung, die über die Nacht, das Zeltlager, die Sehnsucht der Erde nach Regen, die kühle Abendbrise, die Frühlingsweide, den Stammesältesten, die Mutter, den Scheich, die 56 Ich habe einen besonderen Werdegang. Ich bin im Zeltlager aufgewachsen. Und die arabische Dichtung hat meine Neugier geweckt. Ich schreibe über die alltäglichen Schwierigkeiten, den Zusammenprall zwischen Tradition und Moderne (“Das versteinerte Zelt”), das Alltagsleben der Nomaden von innen. “Die acht Frauen des Großvaters” sind eine biografische Erzählung. Weitere Quellen für meine Themen sind die Stammesgeschichte, meine Kindheit, mein Studium, das Gastland, das Erlebte, Menschen die ich getroffen habe und die mein Bewusstsein erweitert haben. Auch der Distanz verdanke ich meine Themen, dass ich hier lebe und über dort schreibe. Manchmal klopfen Themen auch einfach an die Tür wie "Das Kamel mit dem Nasenring." Das Kamel wollte seine Geschichte geschrieben haben. Das wäre nicht gegangen ohne die Distanz. Als Sohn dieser Kultur möchte ich meine Stimme erheben. Ich möchte die Frage so beantworten: Männer erzählen anders als Frauen, Frauen erzählen anders als Männer, und das ist gut so! Frauen erzählen über die Liebe, Märchen, für Kinder, zur Sozialisierung, Gute-Nacht-Geschichten. Wenn sie Kummer haben oder lieben, transportieren sie ihre Gefühle in einer Geschichte oder wenn sie Probleme mit ihrem Mann haben sensibilisieren sie mit Geschichten ihre Kinder ("Die acht Frauen des Großvaters"). Die Königin des Erzählens ist eine Frau, nämlich Scheherazade. Erzählkunst ist nicht nur Sache der Männer. Auch die Frauen versammeln sich nach getaner Arbeit um die Kaffe- oder Teekanne. Die Mutter verspricht den Kindern, zu erzählen, wenn sie bestimmte Aufgaben erledigt haben. Und die Kinder lauschen überall. Männer erzählen auch, aber mehr über das Alltagsleben, die Sorgen, über Weideplätze, Wasser und Trockenheit, Helden, Kriege, Vorfahren, Ahnen, die Genealogie, den Großvater ("Das Kamel mit dem Nasenring"), Sitten und Gebräuche der Wüste, Gewohnheitsrecht . Wie kann man dich buchen? Für Lesungen und Erzählabende für Kinder und Erwachsene - es gab bei uns immer die Tradition des gemeinsamen Erzählens, die Kinder wurden nicht separat behandelt, sie wechselten vom Frauen- zum Männerzelt, wie es ihnen gefiel - kann man sich an den Unionsverlages in Zürich oder an Ravensburger wenden. Vielen Dank für das Gespräch! Infos www.unionsverlag.ch www.ravensburger.de Buchvorstellungen Arabische Erzählkunst Sarah Askari Salim Alafenisch Salim Alafenisch Das Kamel mit dem Nasenring 180 S., Unionsverlag, Zürich, 2003, 8,90 Euro Das versteinerte Zelt 114 S., Unionsverlag Zürich 1994, 8,90 "Du hast Recht! Meine Worte sind schwierig zu übersetzen. Wir waren bemüht, den Tieren beizubringen, was eine Grenze ist; mit mäßigem Erfolg! Sie reagieren zwar auf Strafen, aber den Sinn von Grenzen haben sie immer noch nicht begriffen!" In der Tat! Nach der Lektüre dieses Buches von Salim Alafenisch stellt man den Sinn von Grenzen immer mehr in Frage. Insbesondere für ein Volk, das seit Anbeginn der Zeit immer auf Wanderschaft war, geleitet von den Hufen der Tiere und den Spürnasen der Hirten, die die saftigsten Weidegründe suchten. Doch die Zeiten haben sich dramatisch geändert. Salim Alafenisch erzählt die Geschichte seines Stammes, der zwischen den politischen Fronten im Nahen Osten aufgerieben wird. Am Anfang des letzten Jahrhunderts von den osmanischen Herrschern bedrängt, haben die Engländer überhaupt kein Verständnis für die Not der Beduinen, während die Militärs von Israel und Jordanien einfache Hirten zu Spionen und Drogenhändlern machen. Welchen anderen Grund könnte es für sie geben, eine Grenze zu überschreiten. Doch Salim Alafenisch zeigt feinsinnig, dass es nicht so einfach ist und dass die Beduinen ihren Anspruch auf ein freies, menschenwürdiges Leben auf ihre Art verteidigen. Ohne Schuldzuweisungen wird hier vom Stammesältesten in poetischen Geschichten die historische Entwicklung mit ihren Auswirkungen auf das Leben der Beduinen erzählt. Abdallah, der durch den Hunger seines edlen weißen Kameles mit dem Nasenring einmal in jordanische und danach in israelische Gefangenschaft gerät, bringt schließlich seinen israelischen Wärter aus dem Gefängnis zu seinem Hochzeitsfest mit. Auch nach all diesen schweren Erfahrungen ist das Gastrecht immer noch heilig: "’Der Gast sei willkommen!’ begrüßte der Scheich den Wärter." Der alte Rababaspieler Musa lebt mit seiner Frau in einem Steinhaus. Doch er träumt nicht mehr. Seine kluge Frau Zaneh meint, dass es daran liegen müsse, dass die Träume sich im Steinhaus nicht wohl fühlen. In den engen Mauern des Hauses sind sie eingesperrt. "Im Zelt aus Ziegenhaar waren die Träume frei. Sie konnten wandern und durch die Zeltlöcher rein- und rausschlüpfen." Die Zeit der Kamele ist unwiederbringlich vorbei. Jetzt leben die Menschen in der Zeit der Steine. Doch die Steinhäuser haben unersättliche Mäuler, sie verschlingen die Herden der Beduinen, so dass das Leben völlig verändert ist. Das Buch von Salim Alafenisch erzählt in mehreren Geschichten, eingewoben in die Träume des alten Musa, der einen Freund im Zelt besucht, um endlich wieder einmal seine Träume empfangen zu können, u. a. von Neuerungen, die Einzug in die Lager der Beduinen halten wie z. B. dem Radio, der Fotografie, der Einführung von Personalausweisen, Rentenansprüchen usw. Dabei erzählt es immer wieder von den alten Zeiten, doch ohne jemals besonders wehmütig zu werden oder um die alten Zeiten zu trauern. Sie sind eben vorbei und nach einigem Zaudern sind auch die alten Männer bereit, die moderne Technik zu benutzen. Nebenher erfährt man viel über die Traditionen, über Sitten und Gebräuche, den Ehrenkodex sowie Riten und Rituale der Beduinen. Alafenisch schreibt mit einem gesunden Humor und macht so die Informationen, die dieses Buch enthält, zu einem reinen Lesevergnügen. Eine Neuauflage ist in Vorbereitung. 57 Salim Alafenisch Salim Alafenisch Die acht Frauen des Großvaters 174 S., Unionsverlag, Zürich, 2004, 8,90 Euro Wie autobiografisch mag die Geschichte über den Großvater mit seinen acht Frauen sein, die den Kindern am abendlichen Feuer von der Mutter erzählt wird. Auf jeden Fall erfährt der Leser sehr viel über Sitten und Gebräuche, über Rituale und die Schlauheit der Frauen. Dass hier aus erster Hand erzählt wird, macht die Geschichten noch spannender, denn Salim Alafenisch schafft es - mit dem geschriebenen Wort genau so wie mit dem gesprochenen -, seinen Leser so in seinen Bann zu ziehen, dass er sich nach der Lektüre verwundert die Augen reibt und sich fragt, wohin die Mutter und die anderen Kinder, das Zelt, die Kaffeekanne und der Mond entschwunden sind. War ich nicht eben noch mitten in der Nacht der Negev-Wüste? Und schließlich fühlt man sich nicht mehr als Tourist sondern als Gast, weil man Bescheid weiß über die drei Kaffeeschälchen, das Gastrecht und viel andere Regeln und Gesetze der Wüste. Salim Alafenisch Der Weihrauchhändler 139 S., Unionsverlag, Zürich 2005, 1. Aufl. 1988, 8,90 Euro Mit ineinander verwobenen Geschichten unterhält Musa, der Rababaspieler, der uns bereits aus dem "versteinerten Zelt" bekannt ist, die Runde im Männerzelt. Dabei gibt es Sozialkritisches zur Geschichte der Beduinen im Osmanischen Reich genauso wie hinreißende Liebesgeschichten, die vom Mut und der Tapferkeit, der Würde und dem Ehrenkodex dieser Menschen berichten, immer mit einem Augenzwinkern, nie anklagend oder bitter. Die Frauen sind ebenso raffiniert wie die Männer, wenn es um Liebesangelegenheiten geht. Männer und Frauen kommen zu Wort und erzählen von den Dingen, die ihnen besonders wichtig sind. Letzten Endes findet Salem durch den Weihrauchhandel sein Glück und seine Geliebte. zu allen vorgenannten Büchern siehe http://www.unionsverlag.com/info/person.asp?pers_id=90 58 Amira - Prinzessin der Wüste Ravenburg 2001, 253 S., 6,95 Euro Auf dem Rückumschlag heißt es schlicht "eine Geschichte über das Leben in der Wüste ab 10". Genau so schlicht wie die Ankündigung ist die Sprache des Schriftstellers. Selbst Sohn eines Scheichs, weiß er wovon er spricht. Und er hat die Gabe, seine Leser/Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. Man legt das Buch erst wieder aus den Händen, wenn man weiß, wen Amira zu ihrem Bräutigam erwählt. Das Buch erzählt das Leben Amiras und dabei entsteht ein regelrechter Film vor dem inneren Auge des Lesers, so anschaulich weiß Alafenisch das entbehrungsreiche Leben der Beduinen zu schildern. Dabei umgeht er erfreulicherweise kein Tabu. Gewalt und Diebstahl sind genauso Themen wie Geburt und Tod, Sexualität und Liebe. Ob ein solches Leben romantisch ist, wage ich zu bezweifeln. Es ist anders, völlig anders. Es hat seine strengen Regeln, denen sich alle Stammesangehörigen unterwerfen müssen. Täten sie es nicht, könnte dies die schlimmsten Folgen für sie haben. Das Leben nimmt seinen Lauf, dabei passieren durchaus auch Tragödien. Wie die Menschen in der Wüste damit umgehen und wie geschickt sie zu richten und entscheiden wissen, verpackt Alafenisch auf erstaunlich leichte Weise in einen recht humorvollen Stil, der dem Leser viel über die Andersartigkeit dieses Lebens vermittelt, ohne jemals lehrmeisterlich zu wirken. Fast hat man das Gefühl, einem Märchen zu lauschen und dennoch ist es fast so, als wenn Alafenisch aus seinem eigenen Leben erzählt. http://www.ravensburger.de/portal/index,1451245-14512471453055-1453056-1453073-1456366.html Von der schönsten Stadt der Welt Rafik Schami Damaskus im Herzen und Deutschland im Blick. Hanser Verlag, München 2006,. 254 S., 16,90 Euro Christian M. Jolibois Im Alter von 25 Jahren verlässt Rafik Schami Damaskus. Das Exil führt den christlichen Araber aus der Stadt seiner Kindheit nach Deutschland. Hier, in der Fremde, die dem Autor zur Heimat geworden ist, verändert sich sein Blick. Der angekommene Auswanderer sieht sich mit einer neuen, ihm unbekannten Umgebung konfrontiert und erlebt Veränderungen seiner Persönlichkeit. Die Erinnerungen an sein Damaskus, werden ihm zum überlebensnotwendigen "Rettungsfloß im Ozean der Fremde". "Wer in Damaskus länger als sieben Jahre wohnt, wird von der Stadt bewohnt" stellt seine Mutter fest, das hätten Städte so an sich, die älter als 7000 Jahre werden. Viele Kulturen kamen und gingen und hinterließen doch "tiefe Spuren in der Seele des Damaszeners". Eine davon: Die Kunst des Erzählens, mit der Rafik Schami den gebannten Leser und Zuhörer fesselt. Den Schilderungen über "die schönste Stadt der Welt" folgt der Abschnitt "Bei uns in Deutschland". Woran sich anpassen? Was ist deutsch an Ihnen? Bei der Beantwortung muss der Wahl-Schwabe Schami "verdammt aufpassen, einen Südhessen nicht mit einem Nordpfälzer und den um Gottes Willen nicht mit einem Saarländer zu verwechseln". Mangels geeigneter Definitionen greift er zunächst auf Vorurteile von Ausländern zurück. Autobiographisch begleitet man den "damaszener Genossen" - wie sein Name im Deutschen lautet - auf seinem Hürdenlauf in die Gegenwart. Eine dabei immer wiederkehrende Thematik ist die arabische Welt. Die Lage der arabischen Literatur bezeichnet der Autor als "unaufhaltsam immer tiefer sinkend". Schamis Vision: die Einnahmen eines einzigen Tages aus dem Ölgeschäft zur Finanzierung von Übersetzungen. Die Beraubung der Freiheit sieht er als "systemimmanente Erscheinung der arabischen Gegenwart" und erläutert die Ursachen. Anfechtbar und dennoch beachtenswert ist seine Reduktion der drei Religionsstifter - Moses, Jesus und Mohammed - auf deren jeweilige Funktion als Retter, Rebell und Staatsmann. Im letzten Teil des Essaybandes widmet sich der Autor fernen und nahen Kollegen. Mit Heine und Chamisso führt er fiktive Gespräche, Goethes West-östlichen Diwan adelt er zu "einer der größten Liebeserklärungen" an die arabische Welt. Auch wenn Rafik Schamis Vorschlag visionär bleiben sollte, seine empfohlene "Wunderpille" könnte wirken: Zuhören. Sam & Sam Clark Casa Moro - Spanische und orientalische Küche Dorling Kindersley Verlag, Starnberg 2005, 320 S., 24,90 Euro Ulrike-Zeinab Askari Ein Kochbuch, ein Bildband, eine Liebeserklärung. Wer die orientalische, speziell die marokkanische und spanische Kultur liebt, der kommt an diesem Buch nicht vorbei. Denn immerhin geht die Liebe durch den Magen! Eine Fülle von Rezepten, die einen animieren, sich nur noch in die Küche zu stellen und nachzukochen, was das Ehepaar Clark, beide Chefköche, zusammengetragen und ideenreich variiert hat. Ausführliche Beschreibungen, teilweise liebevolle Einleitungen, aus den eigenen Reiseerfahrungen gespeist, machen das Buch zu einer wahren Fundgrube. Bereichert wird es obendrein durch viele Fotos, die nicht im Studio entstanden sind, sondern das Leben selbst und besonders die Esskultur zeigen. Dabei tauchen auch immer wieder Fotos der Autoren auf, wie sie bei einem Imbiss oder einer einfachen Garküche etwas probieren oder etwas selbst Gekochtes servieren. Das gibt dem Buch so etwas Vertrautes, als wenn man die eigenen Urlaubsfotos anschauen würde oder die von guten Freunden. Die vielen unterschiedlichen Rezepte animieren zum Nachmachen, um so mehr, als die Fotos nie die perfekte Küche zeigen, sondern auch schon einmal einen heimischen Herd mit Rändern vom letzten türkischen Mokka oder das einfache aber liebenswerte marokkanische Emailgeschirr. Durch die Vermischung von orientalischen Rezepten mit spanischen stellt man bisweilen staunend die Nähe dieser beiden Kulturen fest. http://www.dorlingkindersleyverlag.de/site/adults/search.php?cat egory=lexika Leseprobe: http://www.rafik-schami.de/buecher.cfm?wohin=3446207325 59 Glosse Brautsuche in syrischen und virtuellen Gefilden Samia Susann Trabolsi Man sagt, dass es in Syrien nichts Besseres als ein routiniertes Rendezvous gibt, so eine Art Braut-Casting der Bräute. Nichts Sicheres als arrangiertes Kennenlernen. Das wollte ich auch gern mal erleben. Und letztens war es soweit. Oussama saß auf der Couch im Salon meines Vaters. Mir hat er nicht gefallen, dieser Syrer aus der Schweiz. Den Kaffee hab ich nicht gebracht. Schon mal aus Protest nicht. Ich habe zum Fernseher geschaut und so getan, als säße ich nur zufällig hier. Als ich meine Füße auf den Sessel zu mir heranzog, beobachtete Oussama mich verstohlen. Ich glaube, so schlimm fand er mein Benehmen gar nicht. Er arbeitet für Microsoft in der Schweiz, sucht eine arabische Braut und nominiert mich als Kandidatin, da ich Deutsch, Arabisch, Englisch spreche, europäisch geprägt aufgewachsen bin und mich für Kultur interessiere, sagt er. Ich wundere mich, was mit den Schweizerinnen nicht stimmt. Oussama wird sich nächsten Monat wieder melden und ich mich bis dahin entschieden haben. Nun flirte ich immer mit Turan im Internet. Ich habe ihn mir aus allen Profilen herausgefischt. Schnelligkeit ist hier wichtig. Mein Prinz hat eine Krone, eine Premiumkrone, für drei Monate 30 Euro. Dafür kann er mit jeder Person, die Friendscout nach Namen, Haarfarbe und Größe filtert, nach Belieben chatten. Weil er also in meinem Filter und ich in seinem Netz hängen blieb, scheinen wir uns gefunden zu haben. Was habe ich von Friendscout gelernt: Dass es ratsam ist, sich vor dem Login schon mal über Profile anderer Kandidaten zu informieren. So bist du unsichtbar für jeden Benutzer und keinem, der dich auf seiner Plattform online sieht, ein "hallo" schuldig. Oussama hat sich gemeldet. Mit mir hat er nicht telefoniert, nur mit meinem Vater. Dem hat er dann gesagt, dass ich einen Laptop bekomme, wenn ich der Verlobung zustimme. Mein Vater war ganz aufgeregt. Er hätte auch gerne einen Laptop. Ich habe mich unter einem zweiten Decknamen und ähnlichem Profil angemeldet, um meinen Kandidaten zu überlisten. Mit meiner zweiten Identität hat Turan noch nicht gechattet. Das ist gut. Man will ja wissen, mit wem man es zu tun hat. Schon bald habe ich das Passwort meines zweiten Ichs vergessen. Kaum jedoch hat Turan einen Treuebonus, bietet er mir immer virtuellen Kaffee an. Ich versteh seinen Humor nicht. Gestern kam noch ein Bild von einer Kaffeetasse mit viel Schaum dazu. Ich habe das Gefühl, er traut sich nicht in die wahre Welt. Da ist mir Oussama schon lieber. Er macht sein Dilemma einfach öffentlich. Gemeinsam ist beiden Männern der Kaffee. Gemeinsam ist aber auch die Tatsache, dass meine Anwesenheit in virtuellen Chaträumen wie auch syrischen Wohnzimmern, schon die Eintrittskarte dafür ist, unmögliche Fragen zu meiner Person zu stellen, z. B.: "Die Titanic geht unter und du liegst auf einer kleinen Eisscholle. Wen würdest du eher retten, Vater oder Mutter?" Ich habe nicht nur gelernt, einen virtuellen Kaffee mit viel Schaum zu trinken, sondern auch im väterlichen Wohnzimmer herausgefunden, wie ich einem heiratswilligen Syrer aus der Schweiz den Kaffee so anbiete, dass der lieber auf der Titanic oder im Internet eine Braut sucht. Ob virtuelle oder orientalische Brautsuche - wenn mein Gegenüber mich wie in einem Ankreuztest erkunden will, dann ist Vorsicht angesagt. Ich will zwar die Bacheloria sein, die Auserwählte, die mit den 100 Punkten, aber schlimmstenfalls bringt nur der Kaffee das Herz zum Klopfen. Die Verlobung mit Oussama ist geplatzt und mein Traum vom Laptop ebenso. Mein Profil bei Friendscout ist gelöscht, damit ich nie wieder auf einen virtuellen Kaffee mit viel Schaum eingeladen werde. Mein Vater ist immer noch etwas traurig wegen des Laptops. Und Oussama? Dem schreibe ich gerade eine e-Mail: "Lieber Oussama, ich schwimme gerade auf einer Eisscholle, mir ist kalt und kein Land ist in Sicht." Samia Susann Trabolsi geboren in Syrien, aufgewachsen in Sachsen, studierte Publizistik und Islamwissenschaft, arbeitete für die Tageszeitung und Radio MultiKulti in Berlin, bei verschiedenen Theaterprojekten, mehrfache Aufenthalte in Syrien 61 Eine Frage des gesunden Menschenverstands Tagung zum Karikaturenstreit im HKW in Berlin Sieglinde Geisel Es gebe "keinen überflüssigeren, traurigeren und ärgerlicheren Konflikt" als den Karikaturenstreit, meinte der FAZ-Redakteur Nils Minkmar auf der Konferenz "Bilderkrieg", die in Berlin vom 5. bis 7. Mai stattfand. Doch gerade diese Tagung, die gemeinsam vom Haus der Kulturen der Welt und der Bundeskulturstiftung organisiert wurde, zeigte wie intelligent und unaufgeregt man über diesen unseligen Streit diskutieren kann. Mit bemerkenswerter Kenntnis der Materie hatten die Organisatoren jene Stimmen aus dem arabischen Raum und dem Westen versammelt, die für eine Mäßigung eintreten und den Streit zum Anlass für einen multikulturellen Dialog nehmen. Man war sich einig, dass es in dem Konflikt nicht primär um die Bilder gehe - zum einen weil diejenigen, die am heftigsten protestiert hatten, diese gar nicht kannten, und zum anderen, weil der Protest organisiert und (wie im Fall Salman Rushdie) erst ein halbes Jahr nach der Publikation losgebrochen war. Die ägyptische Zeitung Al-Fagr hatte überdies die Karikaturen zwei Monate vor den Protesten während des Ramadan abgedruckt, ohne dass es zu irgendwelchen Reaktionen gekommen wäre. Der amerikanische Kulturtheoretiker Nicholas Mirzoeff sprach gar von einem "deterritorialisierten Reichstagsbrand". Die Verletzung, die von den Extremisten instrumentalisiert worden sei, habe darin bestanden, dass die Karikaturen 62 sich die Freiheit genommen hätten, den Islam als westlichen Diskurs darzustellen. Dies jedoch rührt an eine Empfindlichkeit, die jeden Fundamentalismus kennzeichnet, von radikalen Feministinnen bis zu militanten amerikanischen Schwarzen: Fundamentalisten sprechen anderen das Recht ab, über die eigene Gruppe zu reden. Der libanesische Künstler und Kunsttheoretiker Walid Sadek konkretisierte dieses Argument. So behaupte der islamische Fundamentalismus, es gebe einen heiligen Kern des Islam, den kein Ungläubiger je verstehen werde. "Die Karikaturen sagen nun: Es gibt diesen Kern gar nicht. Und darin besteht die Demütigung." Muntaha al Ramahi, Fernsehjournalistin bei al Arabyia stellte auf die Frage nach der Wut der Muslime die Gegenfrage, warum Mohammed so gezeichnet werde: "Warum sind alle Moslems Bin Laden?" Sabiha El Zayat vom Kölner Zentrum für islamische Frauenforschung und Frauenförderung bekundete ihren Widerwillen, sich die Bilder anzuschauen, allerdings nicht so sehr wegen Mohammed, denn der Prophet sei über solches erhaben. "Aber warum sieht man uns so?" Schließlich waren auch die Kari- katuren nicht im luftleeren Raum entstanden, sondern verfolgten mit ihrer Provokation eine Absicht. In einer Demokratie müssten die Menschen es akzeptieren, beleidigt zu werden, hatte es in der Legende zu den Karikaturen in Jyllands Posten geheißen. Ihn hätten nicht die Bilder beleidigt, sondern "die Absicht, zu beleidigen", meinte ein Mann aus dem Publikum. Am schwierigsten ist die Situation für die große Mehrheit der gemäßigten Muslime im Westen, die zusehen müssen, wie die Proteste gerade jenes Bild der Moslems bestätigen, das die Karikaturen verbreiten wollten. Im Gegensatz zu den Tiraden der Extremisten haben ihre Beteuerungen, dass sie die radikalen Islamisten ablehnen, keinen Skandalwert. Die radikalen Imame, die von Dänemark aus die globale Entrüstung entfacht haben, fänden bei den dänischen Muslimen kaum Rückhalt. Allmählich beginnt sich nun die schweigende Mehrheit zu organisieren. Fathi el Abed, ein Palästinenser mit dänischem Pass, hatte bereits im Vorfeld des Karikaturenstreits ein "Netzwerk Demokratischer Muslime" lanciert. Seit dem Karikaturenstreit sehe er sich zum ersten Mal als Moslem definiert. Die beste Verteidigung des Islam bestehe allerdings darin, ein guter Botschafter für sein Volk zu sein. Für ihn ging es nach den Protesten erst einmal um Schadensbegrenzung, denn dass die erste dänische Flagge ausgerechnet in Nablus verbrannt wurde, habe seine eigene Aufklärungsarbeit über die Lage der Palästinenser um Jahre zurückgeworfen. Insgesamt sei die Debatte in Dänemark glücklich verlaufen und habe zu einer größeren Differenzierung geführt, meinte Anne Knudsen, Chefredakteurin der intellektuellen dänischen Wochenzeitschrift Weekendavisen. Manche Dänen hätten während der Krise etwa bewusst beim türkischen Gemüsehändler eingekauft um zu signalisieren, dass sie ihn nicht für einen Extremisten halten. In Deutschland übrigens spiele der Karikaturenstreit unter den Moslems keine große Rolle, wie Gari Pavkovic, der Ausländerbeauftragte der Stadt Stuttgart, anmerkte, hier seien Themen wie Einbürgerungstest oder Kopftuchstreit viel wichtiger. Karikaturen über die Mächtigen lustig machen oder über die Schwächeren letzteres hat immer etwas Zynisches. "Ein Bild wirkt nicht für sich allein", meinte der Kommunikationswissenschafter Kai Hafez. Er plädierte für eine "Repolitisierung" des Bilderstreits, denn es gehe nicht um Bilder sondern um die Asymmetrie der Beziehungen zwischen dem Westen und dem Orient. Wäre etwa der NahOst-Konflikt gelöst, würden sich auch die Bilder ändern. Die Rache der Schwächeren ist alles andere als harmlos, wie auf der Tagung immer wieder deutlich wurde. Adel Hammouda, der Chefredakteur von Al Fagr, sagte, er habe nach den Protesten den Mund gehalten; er sei kein zweiter Salman Rushdie und habe kein anderes Land, in dem er leben wolle. Auch auf Anne Knudsen hat (wie auf die zwölf Karikaturisten) ein reicher Pakistaner ein Kopfgeld ausgesetzt, weil sie sich erlaubt hatte, die Karikaturen in ihrer Zeitung zu parodieren. "Es geht nur um ein paar Verrückte", meinte Knudsen. "Aber einer genügt." Zeitung die Karikaturen ab - ohne Absprache, wie John Steele vom Guardian betonte. In der Redaktion des Guardian sei heftig über einen Abdruck diskutiert worden. Ein Drittel aller Muslime leben als Minorität in einer anderen Kultur, meinte Steele, und unter den Lesern des Guardian, dessen Website mehrere Millionen Nutzer täglich verzeichnet, finden sich Muslime aus aller Welt. Man habe die Karikaturen jedoch nicht nur aus Rücksicht auf die Leser abgelehnt. Letztlich sei es um die Frage gegangen, mit wem man sich durch einen Abdruck im Sinn der Verteidigung der Pressefreiheit eigentlich solidarisieren würde. "Die Karikaturen behaupten, dass es den clash of civilizations tatsächlich gebe - und diese Ansicht wollten wir nicht propagieren." Ein Verbot allerdings käme für ihn nicht in Frage, meinte Steele. Die Medien müssten ihre Verantwortung selbst wahrnehmen, und das sei eine Sache des gesunden Menschenverstands, der Sensibilität und der Selbstdisziplin. Wie sollen sich Demokratien an dieser heiklen Grenze der Redefreiheit zum Rassismus verhalten? In Großbritannien druckte keine einzige Anzeige Geht es in der Debatte um die Meinungsfreiheit nur um "die Freiheit, einen Schwarzen einen Neger zu nennen?" (Nils Minkmar) Die Pressefreiheit höre dort auf, wo die Diskriminierung beginne, meinte Pavkovic und erinnerte daran, dass auch der Jugoslawienkrieg mit der Gewalt der Worte in den Medien begonnen habe. Es ist etwas anderes, ob sich 63 Nahda - "Das Erwachen" Arabische Kulturwoche in Berlin Text: Dr. Nazar Mahmood, Fotos: AKI e. V. Unter der Schirmherrschaft des Botschafters der Arabischen Liga in Berlin organisierte das Arabische Kulturinstitut AKI e. V. in Zusammenarbeit mit weiteren Partnern in der Zeit von 19. bis 26. Mai 2006 die erste arabische Kulturwoche in der Werkstatt der Kulturen in Berlin-Neukölln "Nahda" - das Erwachen. Die Ziele dieser Veranstaltung lagen nicht nur in der Darstellung der klassischen und zeitgenössischen arabischen Kultur und der kulturellen Bereicherung im Allgemeinen. Sie dienten vor allem der Förderung von in Deutschland und in Berlin lebenden Künstlern, Musikern, Schauspielern und Schriftstellern arabischer Herkunft und deren Anerkennung und Akzeptanz ihres Wissens, ihres Denkens und Fühlens in der Öffentlichkeit, die sie mittels ihrer wichtigsten und wertvollsten Instrumente und Werkzeuge wie Federn, Saiten, Stifte, Stimme, Klängen und Stimmungen zum Ausdruck brachten. Ebenso wurden die Zusehenden und Zuhörenden inspiriert, sich durch eine Woge aus den verschiedensten Instrumenten im Beduinenzelt 64 und Werkzeugen der Künstler in eine für sie neue und andere Welt tragen zu lassen, arabische Mode um diese besser kennen und verstehen zu lernen. In den 32 Programmpunkten der achttätigen Veranstaltung spiegelten sich diese Ziele in Konzerten, Folkloretänzen, Buch-, Foto- und Bilderausstellungen, Vorträgen, Podiumsdiskussionen, Lesungen, Videopräsentationen, Ehrungen wieder. pe", die Tanz-Gruppe "Marakkesh" marokkanische Kunst dar. Eine Gruppe "echter Beduinen" in entsprechenden Kostümen sorgten für die richtige Atmosphäre mit ihrem arabischen Kaffee, Rababa-Musik und Gesprächen. Henna-Bemalung und arabische Kalligrafie waren weitere Angebote. Die Buchausstellung - Kitab Folkloremusik und -tanz vor dem arabischen Beduinenzelt - Khaime Zwei große Beduinenzelte waren im Garten "Merhaba" der Werkstatt der Kulturen aufgebaut. Die beiden Zelte schafften eine beduinisch folklorische Atmosphäre. Vor den Zelten boten etwa die Folkloremusikund Tanzgruppen "Karthago" tunesische, die Säbel-Tanz-Gruppe, die "Zanubia-Kinder-Grup- Die Buchausstellung mit Büchern in Arabisch, Deutsch, Französisch und Englisch sollte die arabische Literatur verschiedener Wissensbereiche als Beitrag zur globalen Wissensbereicherung und zum Kulturdialog darstellen. Der Bücherbestand aus zwölftausend Bänden, den die Mission der arabischen Liga in Berlin von der Frankfurter Buchmesse 2004, auf der die arabische Welt als Ehrengast vertreten war, erhalten hat, bildete die Basis für diese Buchpräsentation. Weitere Beiträge leisteten die deutschen Verleger "Das Arabische Buch", "Edition Orient - zweisprachige Reihe" sowie der "Verlag für Integration und Wissenschaft". Umrahmt wurde die Ausstellung von Fotografien von Ekko von Schwichow mit Portraits bekannter arabischer Autorinnen und Autoren. Die Bilderaustellung - Risha Mit einer musikalischen Eröffnung von Hanan Shemouti und einem Einführungsvortrag vom Mansour El-Bakri eröffnete der jordanische Botschafter im Restaurant "Merhaba" die Bilderausstellung, mit Werken von 14 arabische Malerinnen und Maler. Musik und Gesang Am Musiktag nahmen zahlreiche in Berlin bekannte Musiker und Sänger teil und begeisterten das Publikum mit ihrer Tönen und Stimmen. Lesungen Fünf in Berlin lebende arabische Dichterinnen und Dichter trugen eine Auswahl ihrer Werke auf Arabisch und Deutsch vor. Eine literarische Lesung von drei arabischen Schriftstellern und eine Märchenerzählung von Maria Schild mit musikalischer Begleitung standen ebenfalls auf dem Programm. Theateraufführungen Die Theateraufführungen hatte der irakische Theaterregisseur Prof. Dr. Awni Karoumi organisiert. Aufgeführt wurden die Stücke "Unglaublich" von einer in Belgien lebenden irakischen Theatergruppe sowie die "Nachreisende" von dem ägyptischen Schriftsteller Salah Abd al Sabour, in der Regie von Karoumi. Modenschau Stilvoll und professionell führten sechs jungen Damen eine Modenschau für arabische Kostüme, begleitet von Hintergrundmusik, Erklärungen in deutsch und arabisch und in Bühnennebel getaucht, vor. Die Kostüme zeigten Traditionelles wie Modernes. Dr. N. Mahmood bei der Eröffnungsrede Podiumsdiskussionen "Die Rolle des Buches und der Medien im Kulturdialog" sowie "Der Islam und die Dialogkultur" waren die Themen der zwei Podiumsdiskussionen, an denen hochrangige Diskutanten und zahlreiche Zuhörer teilnahmen. Eine weitere Podiumsdiskussion über das Thema "Über das Arabische Theater", wurde von dem verstorbenen Theaterregisseur Karoumi geleitet. Abschlusskonzert Säbeltanz-Gruppe Zanubia-Tanzgruppe Zum Abschluss der Kulturwoche gab Oud-Meister Farhan Sabbagh in Begleitung von zwei seiner Musikantinnen ein einstündiges Konzert. Neben Oud spielte er Daff und Riqq. 30 Persönlichkeiten und Institutionen, die sich für die Förderung der deutsch-arabischen Beziehungen oder der arabischen Kulturwoche eingesetzt haben, wurden schließlich geehrt. In seinem Abschlussvortrag über die arabische Kultur in Deutschland stellte Dr. Nazar Mahmood, Leiter des Arabischen Kulturinstituts AKI e.V. Projekte, Ziele und Utopien vor. Maria Schild Podiumsdiskussion Filmvorführungen Zwei ägyptische und ein tunesischer Film wurden vom Verein "Freunde des arabischen Kinos" vorgeführt. Infos: www.AKI-ev.de Foto: Farhan Sabbagh 65 Spendenaufruf Wiederaufbau der Goldenen Moschee von Samarra, Irak Harald Bock Die Deutsch-Arabische-Gesellschaft (DAG) hat eine Initiative zum Wiederaufbau der Goldenen Moschee von Samarra gestartet. Die Goldene Moschee - das Heiligtum der schiitischen Muslime - wurde im Februar durch einen Sprengstoffanschlag zerstört. Dieser Angriff richtete sich gezielt gegen die irakischen Schiiten sowie gegen die Bemühungen aller Iraker um die Bildung einer souveränen Regierung. Der Präsident der Deutsch-Arabischen-Gesellschaft, Staatsminister a. D. Dr. Otto Wiesheu, erklärte hierzu, dass die DAG in Deutschland und in der Arabischen Welt patenschaftlich für einen Wiederaufbau der Moschee werben und Geld sammeln werde. DAG-Generalsekretär, Harald Moritz Bock, hob hervor, dass der Ausbruch eines Bürgerkrieges im Irak und eine weitere allgemeine Verschärfung der Spannungen in der Region unbedingt zu verhindern seien. Hierzu können alle Bemühungen um Aufbau und Versöhnung beitragen. Mit einem von Menschen verschiedener Nationalität und Glaubenszugehörigkeit getragenen Wiederaufbau der Goldenen Moschee soll ein Solidaritätsbeitrag zu friedlicher Entwicklung des Irak und der Anzeige 66 Region geleistet werden. Durch viele deutschlandweite, öffentliche Veranstaltungen sollen finanzielle Mittel für den Wiederaufbau der Moschee gesammelt werden. Die Deutsch-Arabische-Gesellschaft hat hierzu bei der VR-Bank Bonn BLZ 381 602 20 das Sonderkonto 6106044021 eingerichtet. Das gesammelte Geld soll dann eingesetzt werden, wenn die Verhältnisse im Lande einen Wiederaufbau ermöglichen. Der Wiederaufbau des auch kulturgeschichtlich bedeutenden religiösen Denkmals soll durch ein Gremium von Fachleuten aus dem Irak und aus aller Welt begleitet werden. Weitere Infos: www.d-a-g.org www.antikriegsforum-heidelberg.de/irakkrieg2/hintergrund/ anschlag_moschee_samarra.htm www.stern.de/politik/ausland/556441.html www.qantara.de Pergamonmuseum, Museum für Islamische Kunst, Berlin, 15. 7. - 31. 8. 2006 Tinte und Gold - Meisterwerke der Islamischen Kalligraphie Auf Einladung des Museums für Islamische Kunst stellt der Londoner Galerist Sam Fogg im Pergamonmuseum eine Auswahl von Kalligraphien und Buchilluminationen vor. Die mehr als 25 spektakulären Beispiele umfassen eine Zeitspanne von nahezu 900 Jahren und repräsentieren die Regionen von Marokko bis Zentralasien. Die Ausstellung spiegelt die Entwicklung der Kalligraphie, die als höchste der Künste des Islams gilt, wider und stellt die wichtigsten Kalligraphie-Zentren zwischen 700 und 1550 n. Chr. anhand bedeutender Werke vor. So finden sich unter den frühen Meisterwerken ein Blatt aus dem berühmten "Blauen Koran" sowie eins aus einem ganz in Gold geschriebenen Koran, deren Qualität und teures Material auf hohes, wenn nicht kalifales Mäzenat deuten. Daneben zeigt die Ausstellung vollständige Korane, Koranabschnitte und Einzelblätter sowie eine wichtige arabische Schrift über das Astrolab aus seldschukischer oder mongolischer Zeit mit überaus zahlreichen vorzüglichen Abbildungen, die die Gelehrsamkeit des 13. Jahrhunderts bezeugen. Museum für Islamische Kunst Bodestraße 1-3, 10178 Berlin Museumsinsel, Am Kupfergraben, 10178 Berlin-Mitte Information Museumsinsel: +49(0)30 - 2090-5577 www.smb.spk-berlin.de Harmonie - 12. Fes Festival der geistlichen Musik vom 2. 6. - 10. 6. 2006 Das Programm des diesjährigen Festivals umfasste u. a. Konzerte, “Sufi-Nächte”, Ausstellungen, Kunst-Workshops, Filmfvorführungen, literarische Cafés, sowie ein Kolloquium zu dem Thema “Giving a Soul to Globalisation” Es waren sowohl marokkanische Musiker, Orchester und Tanzgruppen zu sehen als auch internationale. In diesem Jahr waren u. a. eingeladen: Hassan Haffar und Omar Sermini mit spirituellen Liedern aus Syrien, El Boussairi Ensemble für religiöse Gesänge mit Liedern verschiedener Bruderschaften aus Marokko, Saber Rebai aus Tunesien, Karima Skalli, Leila Hejaiej und Nassima aus Marokko, Tunesien und Algerien mit mystischen Liedern der Frauen des Maghreb. Das Fes Festival der sakralen Musik der Welt und das Fes Kolloquium, die 1994 bzw. 2001 ins Leben gerufen wurden, sind den Traditionen von Wissenschaft, Kunst und Spiritualität dieser Stadt gewidmet. Seit ihrer Gründung haben sich diese Veranstaltungen eines wachsenden Erfolges erfreut. Das Fes Festival wurde 2001 von den Vereinten Nationen als eine der wichtigsten Veranstaltungen im Dialog der Kulturen anerkannt. www.festfestival.com 67 Olivenbaum, das arabische Symbol für Frieden Foto: U. A.