Syrien - Al-Maqam, Zeitschrift für arabische Kunst und Kultur
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Syrien - Al-Maqam, Zeitschrift für arabische Kunst und Kultur
Syrien Wiege der Menschheit * Aleppo, Damaskus, Palmyra * Tribal Dance syrische Kulturgeschichte Phantasietanz amerikanischer * Nagib Mahfouz ägyptische Literatur Editorial Liebe Leserinnen und Leser, Eid mubarak, alles Gute zum Zuckerfest. Der Ramadan ist vorbei. Das normale Leben kann jetzt wieder seinen Lauf nehmen. Aber was ist normal? Nachts zu frühstücken und tagsüber zu schlafen, morgens zu frühstücken und nachts zu schlafen? Was für uns Europäer normal und alltäglich ist, muss es für andere Menschen noch lange nicht sein. Und was für andere Menschen alltäglich ist, das ist für uns vielleicht eine Sensation, wie etwa alte Ruinen, die sich auf den Weiden finden, zwischen denen Schafe und Ziegen herumspringen. Für uns ist es dagegen normal, wenn z. B. Rap-Musiker ihre Texte im Internet veröffentlichen, damit die Fans sie mitsingen können. Wir tappen dagegen in so manches Fettnäpfchen, weil wir die Gepflogenheiten in anderen Ländern nicht genau kennen. Jedes arabisch-islamische Land hat noch obendrein seine eigenen Verhaltensregeln. Da aber der Islam ein weit gespanntes Feld von kultureller Vielfalt umfasst, kann arabische Kultur nicht oberflächlich und allgemeingültig abgehandelt werden. Wir werden uns daher in Zukunft immer wieder in einzelnen Heften mit einem speziellen Land oder einer Region befassen oder ein anderes spezielles Thema behandeln. In diesem Heft soll ein wenig beachtetes arabisches Land näher vorgestellt werden: Syrien. Vielen Wissenschaftlern, u. a. Archäologen gilt Syrien als die Wiege der Menschheit. Seit vielen tausend Jahren ist das Land ununterbrochen besiedelt. Es hat so manche Blüte der Kultur erlebt, doch im Moment ist es still geworden um das Land zwischen dem Euphrat und dem Mittelmeer. Mit unseren Artikeln über die größten Städte Syriens, über Grabungsfunde, Deutsche in Syrien und Syrer, die von Deutschland träumen, Kinofilme usw. möchten wir Ihnen Lust auf mehr machen. Informationen zu Internetseiten und Büchern sollen Ihnen helfen, sich weiter zu vertiefen. Vielleicht entdecken Sie sogar ein ganz neues Reiseziel. Ich wünsche Ihnen in jedem Fall viel Vergnügen. Ihre Ulrike-Zeinab Askari - Chefredakteurin - 3 der Tee ist serviert, Foto: Barbara Schumacher 4 Inhalt 3 5 66 66 Editorial Impressum/Inhalt Leserstimmen Vorschau Impressum ISSN 1431-7974 Herausgeber mediaAGENT Houssam Maarouf Wilhelmstr. 42, 10963 Berlin Tel. 030/61 65 96 51 email: [email protected] www.Al-Maqam.info Bankverbindung Deutsche Bank Berlin Konto 187 22 33 00 BLZ 100 700 24 Redaktion Ulrike-Zeinab Askari, v.i. S.d.P. Satz und Layout Zeinab Askari Jahresabo inkl. Versandkosten 22 Euro (Dt.) Ausland zzgl. das jeweilige Porto 5,50 Euro zzgl. Porto Arabische Kulturgeschichte 6 8 11 15 17 18 39 41 Syrien - Wiege der Menschheit Syrien - durch die Geschichte Aleppo Damaskus Bienenkorbhäuser Palmyra Salah el Din Salah el Dins Leben und Taten Arabische Musik 26 30 31 Musik aus Syrien Bekannte MusikerInnen Salam aleikum, Hakim! Orientalischer Tanz 44 45 49 Orientalischer Tanz im ADTV Tribal Dance - Interview mit Samira Alles Tribal Literatur 58 60 Der Vater des ägyptischen Romans Buchvorstellungen Vermischtes 20 23 32 35 36 51 54 56 64 65 Vergessen im Niemandsland Mohamed Ghanoum Sitten und Gebräuche, Teil 1 und 2 Länderspezifika Deutsche in Syrien My country is a paradise Sensationsfund in Syrien Ausstellung Der Orient - Mythos und Moderne Die syrische Braut Einzelheft Mitarbeiter an dieser Ausgabe Nadja Al-Assaf, Nadja Al-Madani, Mohamed Askari, Ulrike-Zeinab Askari, André Elbing, Svetlana Georgieva, Claudia Groh, Christian M. Jolibois, Gabriela M. Keller, Joachim Kunz, Veronika Leichs, Meike Münch, Barbara Schuma cher, Samia Susann Trabolsi, Alexandra Trapp Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos übernimmt der Verlag keine Haftung. Redaktionelle Bearbeitung behalten wir uns vor. Die Urheberrechte der Artikel, Fotos und Annoncenentwürfe bleiben beim Verlag. Nachdruck auch einzelner Teile bedarf der schriftlichen Genehmigung. Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 2 vom Januar 2006. Titelbild: Saftverkäufer in Damaskus, Foto: Barbara Schumacher Bild Rückseite: Gasse in Damaskus, Foto: Dirk Dreschel Al-Maqam heißt auf Deutsch “die Stufe”. Gemeint ist in erster Linie die Tonstufe. Eine arabische “Tonleiter” wird auch als Maqam bezeichnet. Ferner ist ein Heiligengrab ein Maqam. In früheren Zeiten konnte das Wort Maqam auch für eine Gedichtsammlung stehen. Heutzutage verbindet man damit auch das hohe Ansehen einer Person. 5 Syrien Wiege der Krak des Chevalies, Foto: © Botschaftskanzlei Syrien / www.geo.at Menschheit Nicht zu Unrecht wird Syrien als die Wiege der Menschheit bezeichnet. Immerhin ist es seit vielen Jahrtausenden ununterbrochen besiedelt. Dabei sind viele Volksstämme durch Syrien hindurch marschiert. Land und Leute haben sowohl Kriege als auch Erdbeben, Trockenheiten und Stürme überstanden. Aber die Vegetation ist durch die andauernde Besiedlung stark zurück gegangen und auch der Tierbestand ist dezimiert. Dafür ist Syrien für Archäologen eine wahre Fundgrube - und nicht nur für Archäologen. Oft finden sich die Spuren von mehreren Generationen und Kulturen unmittelbar neben- oder sogar übereinander. Syrien in kurzen Zügen durch die Geschichte Der Name des Landes leitet sich von dem griechischen “Assur” ab, womit bereits eine glanzvolle Epoche dieses Landes umschrieben ist. Sicher ist, dass das Gebiet von Syrien zu den ältesten, dauerhaft besiedelten Gebieten der Welt gehört. Erste Siedlungen sind für das präkeramische Neolitikum (10. - 9. Jt. v. Chr.) nachgewiesen. Fundorte sind u. a. Tell Aswad und Mureybet, beide in Syrien sowie Jericho in Palästina. Eine richtige Geschichtsschreibung beginnt jedoch erst um ca. 2.350 v. Chr. mit den Akkadern. Es folgten die Hethiter, die Assyrer und um 625 v. Chr. wurde das Gebiet von Syrien ein Teil des Neubabylonischen Reiches. Mit Alexander dem Großen wurde Syrien 333 v. Chr. dann griechisch, danach selenkidisch und 64 v. Chr. zur römischen Provinz Syrien. 267 n. Chr. erklärte das Königreich Palmyra unter seiner Herrscherin Zenobia seine Unabhängigkeit von Rom, wurde aber 272 wieder zurück erobert. Kurz nach der Begründung des Islam wurde Syrien 636 n. Chr. von den Arabern erobert und in das neue Reich des Kalifen integriert. Die Omayyaden waren etwas mehr als 100 Jahre die Herrscher, die prägende Eindrücke und steinerne Zeugnisse wie die berühmte Moschee in Damaskus hinterlassen haben, bis sie 750 von den Abbasiden abgelöst wurden, die die neu gegründete Stadt Bagdad im Irak zu ihrer Hauptstadt machten. Da die arabischen Fürsten zerstritten waren und untereinander Kriege führten, war es für die christlichen Eroberer ein Leichtes, sich den Weg bis in die Heilige Stadt Jerusalem zu bahnen. Erst Nureddin Zengi (1146 Minarett bei Nacht, Foto: Dirk Dreschel 8 1174) gelang es, das ganze muslimische Syrien und den Nordirak vereint gegen die Kreuzfahrer ins Feld zu führen. Sein General Sirkuh eroberte 1168 auch Ägypten dazu. Dessen Nachfolger Salah el Din stürzte 1171 die Fatimiden in Ägypten und begründete die Dynastie der Ayyoubiden. 1517 wurde Syrien durch die Unterwerfung der Mamluken ein Teil des osmanischen Reiches. 1832 - 1840 gehörte Syrien zum Herrschaftsbereich Mohamed Alis von Ägypten, der seinen Sohn als Statthalter einsetzte. Dieser errichtete Schulen, reformierte das Rechts- und Steuersystem, förderte die Ausbildung und belebte so und durch weitere Maßnahmen die Wirtschaft und sorgte für die rechtliche Gleichstellung von Juden, Christen und Muslimen. 1840 fiel Syrien zurück an die Osmanen. Nach heftigen Unruhen wurde 1860 der Libanon auf Druck Frankreichs von Syrien abgetrennt. Während des Ersten Weltkrieges stellten sich die Syrer auf die Seite der Entente (Allianz zwischen Frankreich, England und Russland) und vertrieben mit Hilfe der Haschimiten und des legendären Lawrence von Arabien 1918 die Osmanen. Nach einem unabhängigen Königreich, das Faisal I., ein Haschimit, errichtet hatte, besetzten französische Truppen das Land und der Völkerbund stellte sowohl Syrien wie den Libanon unter französisches Mandat. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entließ Charles de Gaulle Syrien aus dem französischen Mandat und am 17. April 1949 wurde die Unabhängigkeit proklamiert. Heute ist Syrien eine Präsidialrepublik und hat ca. 20 Millionen Einwohner. Im letzten Jahrhundert ist die Bevölkerung explosionsartig gewachsen. Nach dem Ersten Weltkrieg betrug die gesamte syrische Bevölkerung nicht mehr als 1,5 Millionen Menschen. Heute leben außerdem noch ca. 15 Millionen Syrer im Ausland, in Europa, den Golfstaaten und Lateinamerika. traditioneller Innenhof in Aleppo, Foto: Claus und Edeltraut Rautenstrauch Syrien in Zahlen Syrien hat eine Fläche von etwa 185.000 km2 und ist damit ungefähr halb so groß wie Deutschland. Die größten Städte sind - Damaskus mit etwa 4 Millionen Einwohnern - in der Umgebung von Damaskus leben noch einmal etwa 6 Millionen Menschen - Aleppo mit 2,5 Millionen Einwohnern - in der Umgebung von Aleppo leben weitere 2,5 Millionen Menschen - Homs mit 1,1 Millionen Einwohnern - Latakia an der Mittelmeerküste mit 432.000 Einwohnern - Hama mit 350.000 Einwohnern. Zur Bevölkerung gehören Araber Kurden Armenier Aramäer Griechen Turkomanen Roma Beduinen (die Roma und Beduinen leben noch als traditionelle Nomaden) palästinensische und chalo-assyrische Flüchtlinge aus dem Irak Die religiöse Zugehörigkeit der Bevölkerung 75% Muslime 15% Christen der verschiedenen Konfessionen 6% Alaviten 2% Drusen Exportgüter sind vor allem Erdöl, Textilien und Nahrungsmittel. Es gibt einen kleinen aber unbedeutenden Kultur- und Sprachtourismus. 9 Weitere Informationen über Syrien finden Sie hier: www.syrianembassy.de www.wikipedia.org/wiki/syrien www.visit-syria.com/songs.htm www.auswaertigesamt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Syrien/Sicherheitshinweise.html Fotos: www.travel-images.com/syria.html www.souria.com/syriaphotos/index.as p?oo=40 www.die-wasserpfeifen.de/syrien/ www.spirit-of-the-moment.com/compositions/Syrien/index.htm# www.lkenhagen.de unter Syrien http://babsouria.online.fr/ www.hackenberghm.de/Syrien/sy_karte.html Reiseinfotos und -berichte: Bücher: www.syriatourism.org www.offroadreisen.com/REISEN/SYRIEN/SYR_Menu.htm www.visit-syria.com/ www.weltenbummlerin.net/reisebericht_syrien.htm www.swr.de/swr2/syrien/html/index.ht ml Für die Einreise wird ein Pass mit mindestens sechsmonatiger Gültigkeit und entsprechend freien Seiten und ein Visum benötigt. Kinderausweise benötigen ein Lichtbild. Jörg Wagner: Reiches Erbe einer Kulturlandschaft, Orbis Verlag, 1999, 183 S. (nur gebraucht) Lieve Joris: Die Tore von Damaskus. Eine arabische Reise. Pieper Verlag, 2000, 304 S., 9,90 Euro Muriel Brunswig-Ibrahim: Syrien, Reise Know-How Verlag Rump, 2006, 480 S., 23,50 Euro Walter M. Weiss: Zwischen Babylon und Heiligem Land. Picus Verlag, 2004, 168 S., 14.90 Euro Freytag Berndt Autokarten, Syrien, Freytag-Berndt U. Artaria Verlag, 2006, 9,95 Euro Der Pass darf keinerlei Stempel aus Israel enthalten! Damit würde auch ein bereits erteiltes Visum wieder ungültig. Eine ausführliche Liste der Reiseliteratur finden Sie unter: www.abenteuerreisen.de/wg/sy/wg_sy__rf02__01.htm Das Visum erhalten Sie in der Syrischen Botschaft Rauchstraße 25, 10787 BERLIN Tel.: 030/501770, Fax: 030/50177311 10 Kulturstadt Aleppo Gedicht aus Stein Text und Fotos: Barbara Schumacher Seit 1986 ist Aleppo, eine der ältesten und am längsten kontinuierlich bewohnten Städte der Welt, UNESCO-Weltkulturerbe. Die Bemühungen um den Erhalt der Altstadt zeigen positive Ergebnisse. Halab oder al Shahba, wie Aleppo auch genannt wurde, war einst Karawanenknotenpunkt und Handelsplatz der Seidenstraße und wurde 944 n. Chr. Hauptstadt, geistiges und künstlerisches Zentrum unter dem Hamdaniden Saif al Daula. Die jüngste Stadtentwicklung hat sich in rasantem Tempo vollzogen: 1920 war Aleppo identisch mit der heutigen Altstadt. 30 Jahre später zählte die Stadt 500.000 Einwohner, wovon 200.000 in der Altstadt wohnten. Heute leben nur noch etwa 100.000 Menschen in der Altstadt, denn diese ist im Laufe der Zeit wegen der mangelnden Infrastruktur wie zu enger Gassen, die keinen Autoverkehr erlauben, und immer weniger gefragten Innenhofhäusern ohne flie- ßendes Wasser, aus denen viele alteingesessene Familien ausgezogen sind, renovierungsbedürftig geworden. Altstadtsanierung 1979 wurde beschlossen, die vom Verfall bedrohte Altstadt zu sanieren und zu entwickeln. Dabei hilft im Rahmen einer deutsch-syrischen Kooperation seit 1994 die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) im Rahmen verschiedener, konkreter Projekte, die bis 2007 terminiert sind. Deutschland wird bis dahin etwa 10 Millionen Euro zur Verfügung gestellt haben. Zwei Ziele werden vorrangig verfolgt: die Restaurierung der alten Häuser, die teilweise aus dem 15. die Zitadelle in Aleppo 11 in der Zitadelle von Aleppo im Lebensmittelsuq alter Mann im Suq Jh. stammen und die wirtschaftliche Entwicklung der Altstadt, die der Stadt ihre Identität gibt und sie prägt. Es gibt 240 denkmalgeschützte Gebäude, Hofhäuser als Lebensmodell in der islamischen Stadt, die eine lange Tradition der religiösen Toleranz haben, denn hier gab es früher z. B. für Christen und Muslime gemeinsame Gebetsräume. Idee ist, die Jugend für die Altstadt zu interessieren, 1.000 Kleinbetriebe sollen entstehen mit 30.000 Arbeitsplätzen. Die Fortschritte in der zunehmenden Wahrnehmung des kulturellen Erbes in der Bevölkerung sind spürbar. Es wird investiert, wobei günstige, syrische Kredite helfen, es gibt auch einen Fonds für Kleinunterneh- men. Es entsteht eine Eigendynamik der Stadtentwicklung, indem die Infrastruktur langsam erneuert wird, dazu gehört auch die Verfügbarkeit von Trinkwasser und eines Abwassersystems. Das Vertrauen wächst: über 650 Häuser sind saniert, das sind 20 % der insgesamt sanierungsbedürftigen Häuser. Rechtzeitig wurde erkannt, dass der Strom der Touristen, angelockt durch die angelaufene Kulturarbeit, die zur weiteren Image-Förderung der Altstadt beiträgt, so gelenkt werden muss, dass er den Einwohnern nicht schadet. 2006 ist Aleppo erste Kulturhauptstadt des Islam. große Seidentücher, die auch die Einheimischen tragen. Besucher werden freundlich und aufgeschlossen behandelt. Eine kleine Gasse führt zur Omayyaden Moschee. Schlank ragt das aus dem Jahr 1090 stammende bedeutendste architektonische Werk des Mittelalters in Syrien, das Minarett der Omayyaden Moschee Jami al Kabir, ein schönes Beispiel moslemischer Baukunst mit kufischen Schmuckinschriften, in den Himmel. Sie ist die schönste und größte Moschee von etwa 1000 aus 14 Jahrhunderten stammenden Moscheen der Stadt und wurde zur Zeit von Kalif Suleiman Ibn Abdul Malik erbaut. Der Arkaden umstandene Innenhof umrahmt das Waschhaus und einen Pavillon. Im Innern der Moschee befinden sich die Gebetsnische und die Kanzel aus dem 15. Jahrhundert und das Grabmal des Zacharias, des Vaters von Johannes dem Täufer. Durch den Suq zur OmayyadenMoschee Zwölf Kilometer lang soll das Labyrinth der überdachten Suq-Gassen der Altstadt aus dem 15. und 16. Jh. insgesamt sein. Orientalisches Ambiente herrscht in den Gewölben, die sämtlich gepflastert und/oder geteert sind. Durch Öffnungen in der Decke fallen Bündel von Sonnenstrahlen und beleuchten Parfum, Gewürze, Stoffe, Teppiche, Gold und Leder - alles, was das Herz begehrt, ist hier zu haben. Besonders beliebt als Souvenir sind 12 Die Zitadelle Wahrzeichen Aleppos Gegenüber dem Suq-Ausgang liegt genau in der Mitte der Stadt - die von einem gewaltigen Graben umgebene Zitadelle aus der Zeit der Hethiter auf einem 55 m hohen Hügel. Sie ist das Wahrzeichen Aleppos und bietet tagsüber sowie abends bei Beleuchtung einen grandiosen Anblick. Eine breite Treppe führt zu diesem prachtvollen Beispiel militärischer Baukunst im arabischen Stil - sowohl Machtsymbol als auch Ausdruck feiner künstlerischer Gestaltung. Der massive Wehrturm ist von solch strenger baulicher Schönheit, dass er dadurch unüberwindlich erscheint. Ins Innere gelangt man durch gewaltige Tore und verwinkelte Aufgänge, die es den Feinden, die mit Attacken verschiedenster Art zu rechnen hatten, wie mit heißem Olivenöl begossen zu werden, unmöglich machten, mit Rammblöcken voranzukommen. Die Hethiter hatten hier im den Berg Ende des 12. Jahrhunderts zum Mittelpunkt der Stadt und ließ das erbauen, was heute zu sehen ist: Die Zitadelle mit zahlreichen Gebäuden, z. B. die Große Moschee mit schönem Innenhof aus dem Jahr 1213, die Ibrahim-Moschee aus dem Jahr 1167, in der der Kopf von Johannes dem Täufer aufbewahrt gewesen sein soll, bevor er nach Damaskus gebracht wurde, Tempelruinen, ein restauriertes Theater, heute Ort spektakulärer Aufführungen, Kornspeicher, Gefängnis, tiefe Brunnen und Kasernenruinen. Der Blick von der Zitadellenmauer über die gesamte Stadt ist Atem beraubend. Ein Schmuckstück ist der aus dem 13. Jahrhundert stammende Königspalast mit Thronsaal 10. Jahrhundert v. Chr. einen Tempel errichtet, die Seleukiden erbauten auf dem Hügel erstmals im 4. Jahrhundert v. Chr. eine Burg. Es ist nicht überliefert, ob die Römer die Burg für Verteidigungszwecke nutzten, erst ab dem 10. Jahrhundert n. Chr. gibt es wieder mehr Informationen über die Zitadelle, als sie in einer Blütezeit der Stadt zum wichtigsten Stützpunkt der Muslime unter dem Hamdaniden-Herrscher Saif al Daula gegen die Byzantiner ausgebaut wurde. Der Sohn Saladins Malik al Zahier Ghazi machte aus dem 16. Jahrhundert, den eine bemalte Balkendecke aus mamelukischer Zeit schmückt. Museen, Paläste und Bürgerhäuser Im Nationalmuseum sind die Figuren aus Mari sehenswert, Löwen aus Hamea, die berühmte Statue eines Königs mit Goldumhang und Szepter aus Ugarit und im Innenhof Mosaiken und Statuen von Prinzen und Königen aus dem 8./9. Jahrhundert vor Chr. Vielfältig ist die Ausstellung zeitgenössischer Malerei - ein Spiegelbild der Stadt der Künstler. Nicht weit entfernt findet man die Khans (Karawansereien), z. B. den Khan al Wazir mit monumentalem Tor und schönen Ornamenten aus dem 17. Jahrhundert. Über 60 historische Bäder (Hammam) gibt es - sehenswert sind das renovierte Hammam Yalbugha al Naseri aus dem 14. Jahrhundert und der Kuppelsaal des Hammam al Labadiya. Viele Koran-Schulen, z. B. die al Bimaristan al Argoony Schule sind herausragende Beispiele islamischer Architektur aus dem 14. Jahrhundert. Das Volkskundemuseum, im Bait Ashiqbash, einem über 200 Jahre alten palastähnlichen Bürgerhaus, untergebracht, zeigt lebensgroße Puppen in traditioneller Kleidung und in Alltagsszenen. Unvergesslich ist die Vorführung des Derwisch-Tanzes. Der frühere Palast Bait Wakil ist heute ein Hotel. Aus diesem Palast stammen die einmalig schönen, Holz bemalten Wände des berühmten "Aleppo-Zimmers" mit seinen Holz geschnitzten Türen, die im Islamischen Museum in Berlin zu sehen sind. Blick von der Zitadelle in die Stadt Aleppo Infos: http://whc.unesco.org/en/list/21 www.schaetze-derwelt.de/denkmal.php?id=133 www.gtz-aleppo.org/ www.aleppofreunde.de/ Bücher: Kay Kohlmeyer, Julia Gonnella, Wahid Khayyata: Die Zitadelle von Aleppo und der Tempel des Wettergottes. Neue Forschungen und Entdeckungen, Rhema Verlag, 2005, 120 S., 24 Euro 13 historische Karte von Damaskus, gezeichnet 1929 im Auftrag des "Bureau Topographique des Troupes Françaises du Levant (TFL)". 14 Damaskus: Stadt der Paläste und Koranschulen Kultur, Koran und Kunsthandwerk Text und Fotos: Barbara Schumacher Von den vielen Palästen der Stadt, die oft von außen völlig unscheinbar wirken, aber im Innern ihre ganze Pracht entfalten, sind einige als Restaurant, Hotel oder Museum zugänglich. Wer sich für islamische Architektur interessiert, den werden die traditionellen Koranschulen anziehen. Leben wie in 1001 Nacht im Azem Palast Der Azem Palast aus dem 18. Jh. beherbergt das Volkskundemuseum. Der Arkaden-Innenhof mit dem typischen, farbigen Mauerwerk (ablaq), Steinfresken und Brunnen wird umrahmt von den Gebäuden des Palastes, der mit bemalten Holzdekken, holzgetäfelten Wänden mit Nischen und prächtigen Marmormosaikfußböden im damaszener Stil ausgestattet ist. Die Räume sind vollständig eingerichtet und werden von lebensechten Puppen "bewohnt": eine Koranschule mit am Boden hokkenden Schülern hinter Koranständern und dem Imam, ein Aufenthaltsraum mit den kostbarsten Möbeln mit Perlmutteinlegearbeiten, ein Musik-Zimmer mit traditionellen Musikinstrumenten wie Oud, Trommeln, Flöten und Rababas in Glasvitrinen, der Raum der Braut mit besonders festlicher Ausstattung und lebensechten Puppen: die Braut, zwei Henna-Frauen und eine Oud-Spielerin, der Raum der Schwiegermutter, in dem die Puppen gerade ein traditionelles Spiel spielen und die Baby-Wiege im Prinz von Erfad, 9. Jh. v. Chr., Nationalmuseum, Damaskus Hintergrund steht, der Pilgerraum mit Pilgern in typischer Pilgerkleidung, der Raum des Paschas mit Baldachin, Kaffeehaus mit Derwisch und vielen Wasserpfeife rauchenden Gästen, ein Waffenraum, ein Hammam und der große Empfangssaal in einem gesonderten Gebäude mit prächtigster Einrichtung - hier wird 1001 Nacht Wirklichkeit. Vom benachbarten Innenhof gehen die Räume für die Lederhersteller, Glasbläser, Textilhersteller und Kupferschmiede ab. Man kann sich nicht satt sehen im Textilraum: an feinsten Gewändern aus Damaskus aus kostbaren Brokat-Stoffen und an in einer künstlichen Landschaft arrangierten lebensgroßen Frauen-Puppen mit echtem Schmuck, Accessoires und traditionellen Gewändern aus Hama, Maloula, Homs, Golan, Edlib, Lattakia und Aleppo. Kunsthandwerksuq und Moschee in der Azem Koranschule Innenhof des volkskundemuseums, Damaskus Vom Azem Palast ist es nicht weit zur Azem Medersa, der seit 1770 bestehenden Koranschule. In diesem Gebäude, von dessen Dach man einen schönen Ausblick auf die Omayyaden Moschee hat, ist seit etwa 110 Jahren im vorderen Teil ein Laden für qualitätsvolles Kunsthand15 mit dem ich mich lange unterhalten hatte, mich dem Imam vorzustellen. Das macht er gern und übersetzt die Worte von Imam Achmed El Saqa: "Ich habe ein abgeschlossenes Hochschulstudium und bin hier Imam, aber nicht der Imam für das Freitagsgebet. Meine Aufgabe ist es, den Gläubigen Antworten auf ihre Fragen des Alltags zu geben und die Worte des Propheten auf unsere heutige Zeit und das moderne Leben anzupassen und entsprechend zu interpretieren. Ich bekomme für meine Arbeit als Imam kein Gehalt, daher bin ich auf andere Arbeit angewiesen. Ich habe im Suq einen Textilladen." Auf meine Bitte trägt er eine Sure aus dem Koran vor und eilt dann von dannen. Mir fällt die Puppe des Imams im Azem Palast ein - Imam Ahmed hätte dafür Modell gestanden haben können. Barbara Schumacher war u. a. als Redaktionsleiterin, Leiterin der Rechtsabteilung und Verlagsleiterin Innenhof der Omayyadenmoschee, Damskus tätig, reist viel und gern in arabische Länder und schreibt als freie Journali- werk und im hinteren Teil, getrennt durch eine Glaswand mit Glastür, eine Moschee untergebracht. In der Moschee wird gerade gebetet, der Imam im braunen Mantel mit Goldborte sitzt mit gekreuzten Beinen auf dem Teppich und liest aus dem Koran, der auf einem Koranständer vor ihm steht. Nach dem Gebet, als alle Gläubigen die Moschee verlassen haben, bitte ich den Schmuckverkäufer, stin für mehrere Magazine. Infos: www.damascus-online.com www.wikipedia.org/wiki/Damaskus www.schaetze-derwelt.de/denkmal.php?id=207 Fotos: www.trekearth.com/gallery/Middle_Ea st/Syria/South/Dimashq/ Bücher: Cornelia Kempf: Die Gärten von Damaskus, KaMeRu Verlag, 15. Dez. 2006, 400 S., historischer Roman Rafik Schami: Damaskus im Herzen. Beobachtungen eines syrischen Deutschen, Hanser Verlag 2006, 200 S., Damskus bei Nacht, Foto: www.wikipedia.org 16 16,90 Euro Relikte ungewöhnlicher Wohnkultur Die "Bienenkorbhäuser" von Tayyara Barbara Schumacherr Das Besondere an Tayyara sind Spitzkuppelbauten aus Stampflehm, die noch bewohnt sind. Historisch lässt sich dieser Baustil bis ins 3. Jahrhundert v. Chr. verfolgen. Die Kuppeln werden aus Lehmziegeln gebaut und dann mit einer Lehmschicht bedeckt, die jährlich erneuert wird. Manche Häuser sind über 100 Jahre alt - ein erstaunliches Alter für Lehmbauten. Hier wie in benachbarten Dörfern der Gegend zwischen den Totenstätten bei Serjilla und dem Assad Staudamm leben Familien unter harten Bedingungen. Aleppo ist weit, es gibt keine Geschäfte, nur Sand und Steine prägen die Landschaft, in der mit heißen Tagen und kalten Nächten trockenes Wüstenklima herrscht. Ein großer Teil ist verfallen, aber es gibt noch erstaunlich gut erhaltene Häuser, die der arabischen Wohntradition entsprechend - um einen Innenhof gruppiert sind. Die etwa 5 m hohen Lehmhäuser selbst sind in eine Steinmauer integriert, sodass kein Einblick in den Innenhof möglich ist. Die Hauseingänge sind nur vom Innenhof zuBienenkorbhaus, Foto: Werner Stadler gänglich, in den Innenhof gelangt man durch eine Maueröffnung. Es gibt inzwischen immer mehr Siedlungen, die nicht mehr bewohnt sind oder die Häuser dienen als Ställe oder Lager für Weizensäcke. Die Tage gut erhaltener und bewohnter Häuser sind also gezählt. Gute Chancen des Erhalts gibt es dort, wo Brunnen sind. Sich bewohnten Bienenkorbhäusern zu nähern, erfordert Umsicht und Fingerspitzengefühl, da man sehr schnell durch unbedachtes Erkunden die Privatsphäre der hier lebenden Menschen verletzen kann. Tagsüber muss man damit rechnen, nur Frauen mit ihren kleinen Kindern oder alte Menschen anzutreffen. Als Frau allein hat man es relativ leicht, mit den hier lebenden Menschen in Kontakt zu kommen. Als ich mich ganz langsam einem besonders gut erhaltenen und gepflegt aussehenden Haus nähere, kommt mir die Bewohnerin entgegen, begleitet von mehreren Kindern. Eine Unterhaltung ist wegen Verständigungsschwierigkeiten nicht möglich, aber mit einem freundlichen "Marhaba" werde ich begrüßt. Sie winkt mir zu, ihr zu folgen. Was ich nicht zu hoffen gewagt hätte: Sie lädt mich ein, Hof und Haus zu betreten. Mensch und Tier leben hier auf engstem Raum: einige Hühner und Schafe laufen im Hof umher. Ich bin angetan von der Sauberkeit, der Ordnung und der frischen Kühle, die mich im Haus empfängt. Geblendet vom hellen Sonnenlicht draußen gewöhnen sich meine Augen nur langsam an das Dämmerlicht im Hausinnern. Wände und Boden sind, wie die Außenwand, aus Lehm. Das Haus ist fast leer, nur ein paar Gebrauchsgegenstände stehen am Boden. Meine Gastgeberin nennt ihren Namen - Fatima - und ihren Gesten und Worten ist zu entnehmen, dass sie sieben Kinder hat. Ein weiteres ist noch im Bauch - wie eine entsprechende Handbewegung zeigt. Auf dem Rückweg wird mir bewusst, wie entbehrungsreich das Leben hier sein muss. Wie aufgeschlossen und gastfreundlich war die Frau, wie sauber waren sie und ihre Kinder gekleidet, wie ordentlich war die Umgebung der Häuser - keine Plastiktüten, kein Müll. Und das alles ohne fließendes Wasser, Kanalisation, Müllabfuhr, … Buchtipp Karin Pütt: Zelte, Kuppeln und Hallenhäuser. Wohnen und Bauen im ländlichen Syrien. Imhof Verlag, 2005, 280 S., 69 Euro 17 In Palmyra und Halabiya Auf den Spuren von Zenobia Barbara Schumacher Ruinen in Palmyra, Foto: Félix Bonfils Sie soll von sich behauptet haben, von Kleopatra abzustammen und manche glauben, sie sei Nachfahrin der legendären Königin von Saba: Königin Zenobia, die 5 Jahre lang von 267 bis 272 n. Chr. ein mächtiges Reich regierte, das bis Ägypten und Anatolien reichte. Gerüchte und Vermutungen ranken sich um Königin Zenobia. Hatte sie ihren Gatten Odainat, der von 252 - 267 Herrscher von Palmyra war, umgebracht oder von Günstlingen umbringen lassen - zur Machterlangung für den gemeinsamen 7-jährigen Sohn, um dann für diesen zu regieren? Wie und wann starb sie? Ist sie im Euphrat bei der Gefangennahme durch die Römer ertrunken oder in Rom, wohin die Römer sie brachten, als alte Frau gestorben? Sie sei eine Schönheit gewesen und die schönste Königin Arabiens - die einzige erhaltene, auf einer Münze geprägte bildliche Darstellung Zenobias Palmyra Gesamtansicht, Foto: www.wikipedia.org 18 widerspricht dem nicht. Viele Fähigkeiten wurden ihr nachgesagt, allerdings wenig politisches Geschick, sie sei von Machthunger besessen gewesen, heißt es. Tatsache ist, dass sie einen perfekten Aufstand organisierte, der Palmyra von Rom unabhängig machte und dass sie ein Riesenreich regierte. Palmyra war unter ihrer kurzen aber intensiven Herrschaft die Metropole des Orients. In Syrien wird die Araberin Zenobia, oder az-Zabba, wie sie in der syrischen Volkslegende genannt wird, gern als frühes Beispiel einer starken, mächtigen und emanzipierten Frau dargestellt. Hätte sie in den wenigen Jahren ihrer Regentschaft den Bogen nicht überspannt und durch ihre Expansions- und Unabhängigkeitsgelüste Rom derart verärgert, dass Palmyra (Tadmur) nach einem Aufstand von Aurelian im Jahre 273 zerstört und geplündert wurde, wäre von dieser einst durch den Seidenstraßen-Karawanenhandel mit China, Indien und Rom reichen und prächtigen Oasenstadt vielleicht mehr übrig geblieben. Was heute noch an großartigen Ruinen zu sehen ist, lässt bereits mit wenig Phantasie erahnen, in welch luxuriöser Umgebung Zenobia lebte. Den Palast Zenobias haben die Römer allerdings so gründlich zerstört, dass man bis heute nichts davon gefunden hat. Tausende lebensgroße Statuen schmückten die Plätze, Patrizierhäuser und Straßen. Tore, Thermen, Tempel beherrschten die Stadt, die von einer Stadtmauer umgeben war und in der Kunst und Kultur zu großer Blüte gelangten. Man spricht von einer eigenständigen, palmyrenischen Kunst, die sich insbesondere in den Skulpturen äußert: die Personen werden frontal in besonderer, repräsentativer Kleidung dargestellt. Die Menschen von Tadmur sprachen Aramäisch, aber der größte Bevölkerungsteil waren Araber. Zenobia sprach vier Sprachen: Ägyptisch, Aramäisch, Griechisch und Latein. Um den Euphrat zu kontrollieren, gründete Zenobia 270 n. Chr. die nach ihr benannte Stadt am Südufer Palmyra, Foto: Barbara Schumacher des Euphrat, die heute den Namen Halabiya trägt. Die Anlage an einem den Euphrat überblickenden, lang gezogenen, hohen Berghang (610 n. Chr. von den Sassaniden zerstört) gefiel den Römern so gut, dass sie sie "zu einem Bollwerk des römischen Imperiums und einem Grenzposten gegen die Perser" (lt. Geschichtsschreiber Prokop, 6. Jh.) ausbauten. Die Mauern gegen die Überflutung des Euphrat und die bergauf führende Mauer, die das Nordtor, die Zitadelle auf dem Berg und bergab das Südtor Geschichte Palmyras Kulturdenkmal: 10 qkm große Ruinenstadt, Unesco-Ernennung: 1980 um 7.000 v. Chr. nachweislich jungsteinzeitliche Besiedlung 32 n. Chr. Weihe des Heiligtums des Baal 129 n. Chr. Besuch Kaiser Hadrians um 212 n. Chr. Status einer Colonia 269-72 n. Chr. Blütezeit des palmyrischen Reiches unter Königin Septimia Zenobia 273 n. Chr. Zerstörung der Stadt auf Befehl Aurelians 274 n. Chr. vermutlich Hinrichtung Zenobias in Rom 297 n. Chr. Errichtung eines Heerlagers 4. Jh. n. Chr. Bischofssitz um 1620 n. Chr. Entdeckung durch den Italiener Pietro de la Valle 1721 n. Chr. Veröffentlichung erster Stiche der Ruinenstadt durch einschließt, bilden ein Dreieck. Noch heute sind die Ruinen der massiven Steinmauern sehr gut erhalten und äußerst beeindruckend. Eine Zenobia gibt es übrigens heute noch in Damaskus - eine der besten Folkloregruppen Syriens. Infos: http://whc.unesco.org/pg.cfm?cid=31 &id_site=23 www.syriatourism.org/index.php?mod ule=subjects&func=viewpage&pageid= 1582 Bücher: Andreas Schmidt-Colinet: Palmyra. Kulturbegegnung im Grenzbereich, Zabern Verlag 2005, 99 S., 34,80 Euro Max Babel: Zenobia. Die Königin des Morgenlandes, Nora Verlag, 2005, 636 S., 29,90 Euro, historischer Roman Fischer von Erlach, Baumeister des Barockkaisers Karl VI. 19 Glosse Vergessen im Niemandsland Was es heißt, von einem Taxi versetzt zu werden Samia Susann Trabolsi Nun sitze ich hier in der brütend heißen Sonne im Niemandsland. Zwischen Türkei und Syrien und trinke Tee. Vor mir die Grenzbeamten, die auf einem Hocker vor einem kleinen Häuschen neben der Schranke sitzen und in ihren Zeitungen blättern. Eben habe ich im türkischen Kilis 30 türkische Lira für eine Fahrt nach Aleppo in Syrien bezahlt und bin nur bis zur türkischen Grenze gekommen. Erst wollte man 30 Euro, doch als ich angefangen habe, laut zu schimpfen, haben die Männer aufgegeben und mich fahren lassen. Zwei Minuten später erreicht das Taxi die Grenze, doch die Schranken bleiben geschlossen. Ein aufgebrachter Beamter rennt auf das Taxi zu und zieht meinen Fahrer am Ärmel heraus. Ich schaue ihnen ratlos hinterher, sehe die übrigen Grenzbeamten hinter der Schranke, die unbeirrt weiter Zeitung lesen. Also schnappe ich mir meinen Pass, den der Taxifahrer auf das Armaturenbrett gelegt hat und springe hinaus, sehe, dass der Taxifahrer sichtlich ent- spannt neben dem Beamten unter einem Baum sitzt, beide lachen. Niemand kümmert sich um mich. Als ich mich vor den beiden aufstelle und sage, es sei noch zu früh für eine Pause, antwortet man mir: "Das Taxi darf nicht fahren, es gibt ein Problem mit dem Vergaser." Ich bin überrascht, dass man sich hier Gedanken um die Umwelt macht, während das Niemandsland einer Müllhalde gleicht. Ich lasse die Männer Tee trinken, passiere die Schranke, zeige meinen Pass und bejahe die Frage, ob ich nach Syrien wolle. Natürlich, denn immerhin sei das ja die Grenze zu Syrien und nicht Iran, denke ich. Ich stelle meinen Koffer neben mich und setze mich unter einen Sonnenschutz - eine Plane - zehn Meter weit entfernt von Schranke und Zeitung lesenden Beamten. Trotz der Mittagssonne haben sie die Uniformen zugeknöpft. Das nächste Taxi sei meins, sagt mir der Beamte und schaut das erste Mal von seiner Zeitung auf. Bezahlen müsse ich nicht, denn das habe ich ja Taxifahren in Damaskus, Foto: Claus und Edeltraut Rautenstrauch 20 bereits. So sitze ich hier und trinke Tee. Es sind 33 Grad und die syrische Grenze ist 3 km entfernt aber kein Taxi weit und breit, nur das hinter der Schranke, dessen Fahrer in der Sonne sitzt. Aber scheinbar gibt es da ein Problem mit dem Vergaser. Ich gehe also zurück, um die Schranke herum und sage dem Taxifahrer, dass ich mein Geld zurück haben möchte, um zu Fuß bis zur syrischen Grenze zu gehen. Der Mann entgegnet mir: "Das ist nicht erlaubt, du musst auf ein Taxi warten." Das Geld bekäme ich auch nicht zurück, denn nicht der Taxifahrer schulde mir die 30 Lira, sondern die Busfirma in Kilis. "Wenn das so ist, soll das Taxi mich doch zurück zur Busfirma bringen", sage ich. Aber der Grenzbeamte erklärt mir weiter: "Das ginge auch nicht, weil dieses Auto mit diesem Vergaser nicht mehr fahren darf. Und außerdem ist jetzt Feierabend." Ich verstehe, eine Hand wäscht die andere und kapituliere. Immerhin darf ich ja kostenlos in ein anderes Taxi steigen. Ein kleines Bermudadreieck. Als ich zurück zur Schranke komme und sie passieren will, springt der Grenzbeamte, der eben noch gelesen hat, auf und schreit "Passport!" Dass er ihn gerade eben vor zehn Minuten in der Hand hielt, stört ihn nicht, auch nicht, dass er auf der anderen Seite in meiner Tasche steckt. "Ohne Pass können Sie nicht passieren." Ich sehe auf der anderen Seite mein Teeglas, das man mir eben noch angeboten hat und denke daran, dass neben meinem Passport auch mein Geld in der ihm nach zu tun und frage noch einmal: Warum darf denn das Taxi nicht weiter fahren? Wie weit ist der Weg zur syrischen Grenze ...? Der Türke versteht die Retourkutsche und beantwortet ein zweites Mal geduldig alle Fragen mit einem Grinsen unter dem Schnauzer. Ich setze mich zu den beiden Reisenden unter den Sonnenschutz, schiebe mit meinem Fuß die herumliegenden Flaschen beiseite, nippe an meinem Teeglas und warte auf das Taxi, das diese Grenze passieren darf. Desert Road, Foto: Samis S. Trabolsi Tasche steckt. Ich komme hier aus dieser Situation nicht raus, kann mich keinen Schritt bewegen, nicht nach Kilis, meine 30 Lira zurück holen und ohne Pass nicht die Schranke passieren. Plötzlich hält ein weiteres Taxi. Der Beamte wird wieder wütend und zieht den nächsten Taxifahrer aus dem Taxi. Auch dieses Taxi hat ein Problem mit dem Vergaser, behauptet er. Eine Minute später trinkt der Mann gemütlich mit beiden Taxifahrern Tee und ich begrüße meine Leidensgenossen, zwei Syrer, die auch nach Aleppo wollen und immer noch im Taxi sitzen. Ich bitte den einen, mir unbemerkt meinen Pass jenseits der Schranke aus meiner Tasche zu holen. Er passiert die Grenze und nähert sich meiner Tasche. "Was suchen Sie?" Doch der Junge ist schneller und wirft mir meinen Pass rüber. Ich nehme ihn an mich und zeige ihn erneut dem Grenzbeamten, der eine Augenbraue hochzieht und unbeirrt meinen Pass begutachtet. Er stellt noch einmal die gleichen Fragen, ob ich auf dem Weg nach Syrien sei. Ich bejahe und bekomme einen Lachkrampf. Er verzieht keine Miene. Ich beschließe, es Samia Susann Trabolsi geboren in Syrien, aufgewachsen in Sachsen, studierte Publizistik und Islamwissenschaft, arbeitete für die Tageszeitung und Radio MultiKulti in Berlin, bei verschiedenen Theaterprojekten, mehrfache Aufenthalte in Syrien Anzeige 21 Kunst Mohamad Ghanoum "Allah ist schön und liebt die Schönheit" Nadja Al-Madani, Nadja Al-Assaf Wir laufen durch staubige Gassen, vorbei an alten Lehmhäusern, werden hier und da von lachenden Gesichtern begrüßt und sind fasziniert von dem Blick, den wir auf die Stadt Damaskus erhaschen. Endlich angekommen, sind wir ein Stück irritiert: Wir stehen vor einer großen, blauen, imposanten Tür, die sich so gar nicht in das Bild von Jobar, einem der ältesten Damaszener Wohnviertel, einfügen will. "SHAM" ist das Wort auf der Tür, das meisten Araber jedoch ist die Bedeutung viel mächtiger. Es bedeutet "das Herz Arabiens" und erstreckt sich vom Süden Arabiens bis zur heutigen türkischen Grenze. Der Prophet Mohammed soll nur bis zu den Pforten von Damaskus gelangt sein. Begehen wollte er die Stadt nie, da er das Paradies nur einmal betreten wollte. Für den inzwischen international renommierten Damaszener Kalligraphen Mohammed Ghanoum, in des- seiner zweitältesten Tochter den Namen "SHAM". Endlich öffnet sich die blaue Tür zu Mohammed Ghanoums Elternhaus, das ganz im alt-orientalischen Stil der späten 40er Jahre gehalten ist und das heute sein Atelier und das Sommerdomizil für die ganze Familie ist. Wir treten ein und es bietet sich uns eine märchenhaft unwirkliche Welt einer längst vergangenen Zeit, begleitet von der Musik plätschernden Was- die Besucher in schwungvoller Kalligraphie, begrüßt. "SHAM" hat viele Bedeutungen: Der dritte OmayyadenKalif nannte die neue Hauptstadt des islamischen Reiches bereits im 8. Jahrhundert "SHAM" (Damaskus). Für die sen Heim wir heute eingeladen sind, ist "SHAM" auch einfach seine Heimat "Syrien", wo der Ursprung der Kulturgeschichte liegt. "SHAM" ist aber auch sein Nest, wo seine Familie ihm Wärme und Geborgenheit gibt - so gab er sers, das aus dem marmorgefassten Brunnen fließt, der das Zentrum der grünen Oase im Innenhof bildet. Es eröffnet sich uns ein Blumenmeer, eingebettet zwischen Granatapfelund Feigenbäumen. Mohamad Ghanoum: Houb - Die Liebe 23 Die Liebe zur Natur hat Mohammed Ghanoum eine Oase der Ruhe und Inspiration schaffen lassen. Wir sind beeindruckt. Der Künstler spürt unsere Bewunderung und erzählt: "Eine Mutter schenkt ihrem Kind das Leben und es ist die Mutter Erde, die es wieder zu sich nimmt." Diese Worte lassen uns verstehen, wie stark er seine künstlerische Inspiration aus der Natur mit all ihren Facetten zieht, aus den Farben der Erde, der Bäume, der Blumen, des Meeres und des Himmels. "Doch auch meine Familie gibt mir viel Kraft, aus der ich täglich schöpfen kann." Aus dem Gespräch mit Mohammed Ghanoum hören wir nicht nur sondern spüren auch, dass er keine künstlerische Diva sondern ein sehr erdverbundener, bodenständiger Mensch ist, der gleichzeitig mit einer großen Sensibilität das Geschehen um sich Mohamad Ghanoum: Allah II 24 herum wahrnimmt. Die Liebe zu seiner Heimat und zu seiner Familie spiegelt sich in seinen Bildern wieder. Aber auch seine Verehrung und Liebe zur Religion. "ALLAH" mit seiner unendlichen und unvergleichbaren Schönheit sind Kernthemen seiner Werke. In Kufi-Schrift dominiert das Werk "ALLAH JAMILUN WA JUHIBU AL-JAMAL" (Gott ist schön und liebt die Schönheit). Als wir gemeinsam das Atelier betreten, empfinden wir seine Bilder als sehr kräftig und lebendig. Es dominieren die Farben blau und gold, die seinen Werken eine mystische Tiefe verleihen. Kalligraphien haben wir schon viele gesehen - über Moschee-Eingängen und als Fries in den unzähligen Koranschulen, die bereits in den frühen Jahrhunderten des islamischen Zeitalters in Syrien entstanden sind. Doch nicht ohne Grund zählt Mohamad Ghanoum, der das Kunstwerk der Kalligraphie an verschiedenen Hochschulen studierte und es seit den frühen siebziger Jahren in eine neue und eigenwillige Form gebracht hat, zu den ganz Großen seiner Zunft. Nach zahlreichen Diskussionen und Disputen unter religiösen Glaubensvertretern in den siebziger Jahren entschied der damalige Mufti von Syrien, das Ghanoums Schrift-Kunst eine Bereicherung für die gesamte islamische Kalligraphie ist - wer hat es bis dahin verstanden, den Namen Gottes mit soviel Farbe, Bewegung und Leuchten auszudrücken? Der Herzschlag, der ihn treibt, führt ihn auch zu Themen aus dem aktuellen Zeitgeschehen. Sie spiegeln sich in seinen Arbeiten in Form von Poesie, Namen und Metaphern wieder, die nicht nur seine Sehnsüchte und seinen Mohamad Ghanoum: Allah Glauben sondern auch die anderer arabischer Nationen ausdrücken. Die starre Form der Kalligraphie erhält bei Ghanoum eine unvergleichbare Dynamik. Er versteht es, aus kurzen und bedeutungsvollen Wörtern einzelne Buchstaben herauszuziehen, die sich überlappen und wiederholen und sich am Ende zu festen Formen und Bildern verbinden. Arabesken entstehen, die sich durch ihre Strömungen und Farben innerhalb der Werke stark verändern und sich in eine unerreichbare Unendlichkeit bewegen. Die arabische Schrift mit ihren verschiedenen Dukti (Schriftzügen) wird zu einem Bild und der einzelne Buchstabe wird zum Leben erweckt. So stellt er das Wort "HUBB" (Liebe) immer wieder in den Mittelpunkt seiner Werke - welche starke Bedeutung dieses, aber auch andere Wörter wie "AL-WATAN" (die Heimat), "BARADA" (Name des Lebensstroms der Stadt Damaskus) oder "QUDS" (Jerusalem) für Ghanoum, den Damaszener und Syrer, den Familienvater, Ehemann und Freund hat, können wir inzwischen verstehen. Heute begleitet Ghanoum einen Lehrstuhl an der Universität in Damaskus und ist somit auch ständig mit jungen Studenten in Kontakt, die ihn sehr verehren und ihm im gleichen Maße eine ständige Inspiration übermitteln. Zahlreiche Ausstellungen im arabischen und europäischen Ausland, haben Ghanoum Mohamad Ghanoum, Al Quds - Jerusalem bekannt gemacht. Seine Werke befinden sich in Galerien, Museen phie in Teheran, die wichtigste Ausund Privatsammlungen im In- und zeichnung in diesem Bereich. Ausland. Preise und Auszeichnungen hat er schon viele bekommen wie z. B. den 1. Preis für islamische Kalligra- Mohamad Ghanoum - Syrien von Dynamik und Musik, aber auch von Harmonie beherrscht wird. Mohamad Ghanoums Arbeiten befinden sich in verschie- Mohamad Ghanoum gehört zur jungen syrischen Künstler- denen Museen und in Privatsammlungen im In- und Ausland. generation der siebziger Jahre, die es vermochte durch unter- Der Künstler lebt und arbeitet in Damaskus. schiedliche Ausdrucksmöglichkeiten und vielseitige Experimente im Sinne einer künstlerisch-ästhetischen Vervollkommnung Bibliographische Daten: neue Kunstwerke hervorzubringen. Heute zählt er zu den 1949 in Damaskus geboren besten Kalligraphen der Welt. Studium an der Fakultät für Bildende Künste und Innenarchitektur, Universität Damaskus Ghanoum begann die Regeln der klassischen arabischen 1992 Promotion an der Hochschule für Kunstwissenschaften, Schriftlehre zu modifizieren und in die heutige Zeit umzuset- Taschkent zen, so dass er seinen eigenen und für ihn typischen Stil ent- Lehrstuhl an der Fakultät für Architektur, Universität Damaskus wickelte. Nicht mehr die klassische und starre Form der Schrift Zahlreiche Auszeichnungen, darunter der „Golden Sail Price“, stand im Mittelpunkt des Werkes, sondern das Wort, das seine Kuweit. In Rom zu einem der fünf besten Kalligraphen der Welt Bedeutung durch das Thema, die unterschiedlichen Farben und in Teheran zum besten islamischen Kalligraphen ausge- und Formen, aber auch durch die Bewegung und Harmonie zeichnet. erhielt. Der Künstler löst einzelne Buchstaben aus dem Wort heraus und stellt diese in verschiedenen Größen dar. Die Weitere Informationen zu Mohamad Ghanoum und zu aktuel- Schriftzeichen überlappen sich und bilden eine Arabeske, die len Ausstellungen unter www.arabeske.de. 25 Musik in Syrien Gesang der Unerhörten Gabriela M. Keller Das junge, hippe Damaskus sieht Musik als fröhlichen Partyspaß, Fundamentalisten hören dabei den Lockruf der Verderbnis, die diktatorische Staatsmacht befürchtet subversive Umtriebe. Und eine kleine Handvoll junger Musiker erkennt eine magische Sprache, die das Herz berühren und Gedanken zünden kann. Genau hier beginnen die Schwierigkeiten. Der Rhythmus strömt gemächlich von Strophe zu Strophe. Um die gleichförmigen Takte fließt eine Frauenstimme; ihr Klang ist glänzend rein und doch von Schatten getönt wie altes Silber. "Hörst du diesen monotonen, minimalistischen Rhythmus?", fragt Rasha, die Jazz-Sängerin, nickt mit dem Kopf im Takt und lächelt, selig fast, wie kurz in einen Traum getaucht. Sie dreht ihre Stereoanlage ein wenig lauter. "Das ist der Einfluss der SufiMusik, den ich in diesem Lied verarbeite", der Tradition also jener islamischen Mystiker, die Gottes Nähe in der Musik suchen. Musik, so scheint es, ist in Damaskus der Taktgeber des Lebensrhythmus, ein Herzschlag, der Klang durch die Adern der Stadt pumpt und jede ihrer Zellen pulsieren lässt. Die Zeit ist eher 26 in Strophen als in Stunden eingeteilt, denn deutlicher als jede Uhr strukturiert der Gesang der Muezzine den Tag, die Gebetsrufe, die aus Hunderten von Minaretten über die Dächer wehen und dort in einen vielstimmigen Kanon treten. Als Leitmotiv des Alltags quillt arabische Popmusik aus den Radios der Taxis und Geschäfte und vermengt sich mit dem Lärm des schäumenden Verkehrs zu einem filzigen Geräuschteppich. Sogar die Autos singen; wenn der Fahrer den Rückwärtsgang einlegt, piepsen sie zur Untermalung eine schrille Melodie durch die Straßen. Doch Musik ist in Syrien auch etwas Bedrohliches, ein Lockruf, der unwillkürlich weg vom festen Boden moralischer Gewissheit führt. Als Rasha Rizk, die Jazz-Sängerin mit der silbernen Stimme, das erste Mal auf einer Bühne stand, trug sie eine schwarze Maske. "Hier bedeutet Singen für eine Frau Schande", sagt die 30-jährige, nüchtern und betonungslos, als würde sie einen Satz von irgendeinem langweiligen Thesenpapier ablesen. Rasha war damals gerade 18 Jahre alt. Hinter der Maske habe sie versucht, sich zu verstecken, vor der Familie, vor ihrem Publikum, vor sich selbst. Gleich nach diesem Auftritt lernte sie den Musiker Ibrahim Sulaimany kennen. Heute sind die zierliche Sängerin mit dem ruhelosen Temperament und der ernste, stille 34-jährige seit über zehn Jahren verheiratet. Das Paar komponiert gemeinsam und tritt zusammen auf. "Doch bis heute habe ich mit meiner Mutter heftigen Streit wegen meines Berufs", sagt Rasha und Ibrahim setzt nach: "Auch unsere Nachbarn wissen zum Beispiel nicht, dass wir Musiker sind." Er schweigt kurz und sagt dann, einen Moment später: "Das ginge einfach nicht." Denn abgesehen von den Sufis, den tanzenden Derwischen, ist sich die muslimische Welt unschlüssig, ob ihre Religion das Hören von Musik erlaubt. Noch suchen islamische Religionsgelehrte im Koran nach Stellen, die ihnen Klarheit geben könnten. Und weil das Problem bis heute ungelöst ist, hat jede Region eine andere Antwort für sich gefunden. In Saudi-Arabien etwa führen die Scheichs Gruppen von Jugendlichen regelmäßig in den Park, um dort Instrumente zu verbrennen. Solche Scheiterhaufen errichten die Geistlichen im säkular regierten Syrien zwar nicht, doch die Unsicherheit nagt den Menschen an der Seele. Musik gilt damit zumindest als etwas Zweifelhaftes, Anstößiges. Wer daraus eine Karriere macht, steht im moralischen Zwielicht. "Musik ist etwas, von dem man nie genau weiß, was sie im Zuhörer auslöst", sagt Rasha. "Wahrscheinlich haben die Leute deshalb Angst davor." Früher, bevor sich Syrien der Religion zuwandte, war das anders. "Bis in die 70er Jahre blühte hier die Blues-, Jazz- und Rockmusikszene. Es gab überall Clubs und Musiker kamen aus allen möglichen Ländern, um dort zu spielen", erzählt Rasha. Zu jener Zeit galt Syrien als ausgesprochen liberal, junge Frauen spazierten in Miniröcken und engen Kleidern durch die Straßen. Heute verlassen in den konser- vativeren Städten rund 85 Prozent der muslimischen Frauen nur verhüllt das Haus - Tendenz steigend. Aber Damaskus ist eine Stadt mit vielen Gesichtern; während sich das eine hinter Schleiern abschottet, lächelt das andere mit rot geschminkten Lippen der Welt entgegen. An den staubigen, windschiefen Fassaden der Altstadt machen bunte, glänzende Schilder mit futuristischen Schriftzügen auf Internet-Cafés aufmerksam, im modernen Zentrum verkaufen Konsumtempel aus Glas und Stahl digitale Taschenkorane. Irgendwo zwischen den Gegensätzen liegt die Wahrheit, zwischen Koranschulen und CoffeeLounges, zwischen dem Büro der Hamas und den Praxen der Schön- Internet und digitalem Fernsehen sickert Musik als globales Industrieprodukt selbst durch die dicke Isolierschicht, die das Land sonst so effizient gegen äußere Einflüsse abschirmt. So tanzen die jungen Syrer zum globalisierten Soundtrack leicht verkäuflicher Unterhaltung, gefälligem amerikanischen Hip-Hop und R'n'B und arabischem Pop, der mit seiner antiseptischen Fröhlichkeit an Werbejingles für Frühstücksflocken erinnert. Den Ton geben amerikanische Weltmarktführer an: Britney Spears, Beoncé und Usher. Entsprechend sehen die Schaufenster der Musikläden aus, als hätten sich die Inhaber heimlich abgesprochen; Dutzende von Musiksendern spielen wie in Endlosschleife fen, werde Musik als reine Unterhaltung betrachtet, erklärt Rasha die Situation: "Niemand in Syrien beschäftigt sich ernsthaft mit Musik. Musik als eine Art Nachdenklichkeit existiert hier so gut wie nicht." Ihrer eigenen Musik lässt die wuchernde Monotonie wenig Raum. "Wir verarbeiten unterschiedliche Einflüsse", erklärt Ibrahim. "Zuerst ist da die arabische Sprache und eine Grundlage aus orientalischen Rhythmen. Darüber legen wir Elemente aus Swing und Jazz." Heute, nach zehn Jahren fiebriger Arbeit, bringt ab und an ein Damaszener Hochglanzmagazin eine Titelgeschichte über das fotogene Paar; manchmal treten die beiden im Fern- heitschirurgen, zwischen dem kühlen Schatten in den Gebetsräumen und dem diesigen Neonlicht der Stripclubs. Die syrische Bevölkerung ist zu 70 Prozent jünger als 35 Jahre. Jugend wächst als gigantische Masse in Städten und Dörfern heran und ein großer Teil von ihr verlangt trotz aller Vorbehalte hungrig, gierig nach Musik, will feiern, Spaß haben und tanzen. Dabei hat sie längst eine gewaltige Nachfrage losgetreten; durch die Fenster von ihr sacharinsüßes Einheitsprogramm ab. In den vergangenen Jahren hat in Damaskus eine Handvoll Diskotheken eröffnet, schicke Spaßräume mit blankgewienerten Oberflächen - für die wenigen Glücklichen, die sich trotz des Durchschnittsverdiensts von 100 Euro im Monat den Eintrittspreis von fünf bis zehn Euro leisten können. Auch hier unterscheidet sich die Musikauswahl höchstens in der Reihenfolge der Lieder. Um die moralische Gefahr zu dämp- sehen auf. Dennoch bleiben Rasha und Ibrahim in der syrischen Bevölkerung weitgehend unbekannt, ihre Musik erreicht nur einen kleinen, geschlossenen Kreis von Zuhörern. Die meisten Syrer, schätzt Rasha, hätten wahrscheinlich noch nie in ihrem Leben Jazz gehört. Die Szene für Jazz, Blues, Funk und Rock ist in Syrien so klein, dass sich alle Musiker untereinander kennen. Keiner von ihnen kann mit Konzerten oder CDs seine Kosten decken, keiner von ihnen hat einen Plattenvertrag. Rasha und Ibrahim verdienen ihren Lebensunterhalt mit Liedern für syrische Kindersendungen, andere komponieren Werbejingles oder produzieren Musik für Fernsehserien. Und weil sich jeder irgendwie behelfen muss, unterstützen sich die Künstler gegenseitig, um überhaupt arbeiten zu können. Bands leihen sich untereinander Instrumente, Equipment oder Musiker aus - es gibt einen Schlagzeuger, den alle "den Joker" nennen, weil er in so ziemlich jeder Damaszener Band die Drums schlägt. Diese Netzwerke sind nötig, damit die Kreativität nicht irgendwo zwi- Satellitenhimmel über Damaskus, Foto: M. Ayman Haykal 27 schen allen Hindernissen an Erschöpfung verendet. Denn zur inoffiziellen Geschmacks-Gleichschaltung kommt das offizielle Auge des Überwachungsstaates. Wer zum Beispiel ein Konzert geben will, braucht die Genehmigungen von Kulturministerium und Geheimdienst. "Es ist wahnsinnig schwer, eine Erlaubnis zu bekommen", meint Rasha. So schafft es das Paar in Syrien höchstens zwei, drei Mal im Jahr auf die Bühne. Eigentlich nur, wenn das Goethe-Institut oder das Centre Culturel Français ein Festival oder einen Workshop organisieren. Denn dann kümmern sich deren Mitarbeiter auch um die Formalitäten. So kommt es, dass sich ein wesentlicher Teil des kulturellen rascht, als wir ihm erzählt haben: Sie ist längst da." Gebrannte CDs und aufgenommene Kassetten werden für ein paar Pfennige auf der Straße angeboten, selbst die Plattenläden verkaufen fast ausschließlich Kopien. "Die Regierung schaut weg, weil sie weiß, dass niemand hier den regulären Preis bezahlen könnte", sagt Rasha. "Sonst könnte sich niemand eine CD leisten - und die Leute würden womöglich wegen ihres niedrigen Lebensstandards protestieren." Besser also, die Bevölkerung lenkt sich mit Musik vom Alltag ab, als dass sie anfängt, über Politik nachzudenken. Dieses Wohlwollen hört jedoch genau da auf, wo Musik selbst Gedanken lettos. Subkulturen existieren nicht, was das Wort Punk bedeutet, weiß niemand. Die syrische Jugend will besser nicht auffallen oder anecken, denn Provokation bedeutet in dem diktatorisch regierten Land nicht coole Rebellen-Pose, sondern ernsthafte Gefahr. Bei Heavy Metal zum Beispiel geht die Paranoia des Sicherheitsapparates so weit, die Musikrichtung zu verfolgen wie einen kriminellen Tatbestand. Im Jahr 2002 stürmten Polizisten den Campus der Universität von Damaskus und nahmen eine Handvoll langhaarige Studenten in schwarzer Lederkleidung fest. Ebenso sprengt die Polizei regelmäßig private HeavyMetal-Partys (an öffentliche ist ohne- Lebens in Damaskus auf den Veranstaltungskalendern der europäischen Kulturinstitute findet. Gerade sind Rasha und Ibrahim dabei, ihre erste CD aufzunehmen auf eigene Kosten. "Das Hauptproblem hier ist, dass es kein Copyright gibt. Also wissen wir von vornherein, dass wir das Geld nicht wieder reinbekommen", sagt Rasha und erzählt von einem Musikerkollegen aus Dubai, der sie einmal gebeten hatte, seine CD den Damaszener Musikläden anzubieten. "Er war höchst über- zünden oder zu einem Tanz aus der Reihe verleiten könnte. Denn in Syrien, dem rundum überwachten Polizeistaat, gilt jegliche Abweichung von der Norm als verdächtig. Die junge Generation gleitet daher schick, sauber und ordentlich gekleidet in den Strom der Masse. Keine grell gefärbten Frisuren, keine Nietengürtel, nicht einmal zerrissene Jeans. Die Jungs gelen sich die Haare eng an den Kopf, die unverschleierten Mädchen bleichen sich Strähnchen in die Mähnen und laufen auf strassbesetzten Sti- hin nicht zu denken), bringt die Feiernden aufs Revier und lässt sie ein paar Stunden später wieder frei. Der Argwohn gegen Menschen, die sich sichtbar gegen jene unerbittliche, autoritäre Macht stellen, die sich Normalität nennt, zieht sich bis in die Heavy-Metal-Szene selbst. "Ich hatte nie den Wunsch, mich tätowieren oder piercen zu lassen", sagt Anas alMoumin, der Gitarrist der HeavyMetal-Band Zodiac in Damaskus. "Weil ich nicht denke, dass so ein Outfit heißt, dass diese Leute Heavy Metal mögen, sondern einfach, dass sie Probleme haben." Das schwarze Haar des 26-Jährigen ist streichholzkurz geschnitten, er trägt verwaschene Jeans und einen figurbetonten grauen Pullover - nicht gerade das, was man unter einem typischen Rocker versteht. "Ich will nicht so angesehen werden, wie ich selbst solche Leute ansehe", erklärt er. "Und ich denke, dass diese Typen Drogen nehmen und ihr Leben nicht im Griff haben." Der Öffentlichkeit malte die Ramadan-Fernsehserie Hajez al Samat ("Die stille Grenze") in grellen Farben Abendveranstaltung, Foto: André Elbing 28 nachts in Damaskus, der “Seven-Seas-Fountain”, Foto: M. Ayman Haykam aus, welche gravierenden Schäden der Konsum von Heavy Metal hinterlässt: Eine der Figuren schließt sich der Heavy-Metal-Szene an, beginnt daraufhin Alkohol zu trinken und nimmt sich nach einem langen, tragischen Abstieg das Leben. Die Botschaft der Serie war unmissverständlich: Rock führt unweigerlich zum Verfall jeglicher Sitten und schließlich zum Tod. Heavy Metal ist geächtet, doch das liegt laut Anas nicht etwa an der erdrückenden Unwissenheit der Gesellschaft und der Willkür des Staates. "Das Problem sind die Fans", meint Anas al-Moumin, presst den Mund zu einem krummen Strich zusammen und beginnt danach hingebungsvoll auf seinem Handy herumzutippen. Denn eigentlich will er lieber gar nicht vom letzten Konzert seiner Band Zodiac erzählen. Um seine These glaubhaft zu machen, tut er es dann aber doch: "Schon nach den ersten paar Akkorden sind die Leute ausgerastet. Sie fingen mit Headbanging an, gingen dann dazu über, sich die Köpfe einzuschlagen und haben danach die Toiletten zertrümmert." Das Publikum geriet völlig außer Kontrolle, das Konzert wurde nach einem halben Song abgebrochen. Sofort stand der Skandal breitbeinig im Raum: "Am nächsten Tag haben alle Zeitungen darüber geschrieben", erinnert sich der Musiker. "Die haben es nicht einmal hinbekommen, unseren Bandnamen richtig zu schreiben, aber beschimpften uns als Satanisten." Seither ist kein Heavy-MetalKonzert mehr in Damaskus vorstellbar. "Wir wären schon froh, wenn wir einmal im Jahr eine Erlaubnis bekämen", sagt Anas. Aber dazu ist im Moment und bis auf Weiteres keine Möglichkeit in Sicht. Obaida zündet sich eine neue Zigarette an, eine starke, syrische Sorte, und saugt drei, vier kräftige Züge nacheinander. "Die Leute hier sagen, Heavy Metal hört sich an, als ob ein Esel schreit. Aber sie verstehen das nicht: So hört sich das nun mal an, wenn man verzweifelt ist." Und genau so will sich der Gitarrist mitteilen, direkt, laut und schonungslos. Es ist verboten, über Sex, Drogen oder Politik zu sprechen. Wer sich auch nur in die Nähe eines dieser Tabuthemen vorwagt, hat seine Chance auf eine legale Veröffentlichung vertan. Kaum holt ein Künstler zu einer Äußerung Atem, schon drückt ihm der Zensor die Luft ab. Die Masse schweigt derweil von alleine: Der syrische Sicherheitsapparat, jener geschickte Anästhesist des Geistes, betäubt die meisten Gedanken schon zwischen den Hirnwindungen. Doch Basel Obaid, Frontmann der Hip-Hop-Band Area 51, hat eine Lükke in dem klaustrophobischen Kontrollsystem gefunden, einen Schleichweg, der fast lächerlich offensichtlich scheint: Er rappt auf Englisch. "Wären meine Lieder auf Arabisch, würde ich ungefähr eine Stunde später im Knast sitzen", meint der schlaksige 23-Jährige mit dem offenen, freundlichen Gesicht. "Außerdem eignet sich Englisch auch viel besser für Rap, wegen der vielen kurzen Wörter und der vielen Reime." "Natürlich kommt zu jedem meiner Auftritte der Geheimdienst", sagt er. "Aber von denen versteht ja keiner Englisch, da kann ich sagen, was ich will." Nun ist es nicht so, als würde Basel den Präsidenten verunglimpfen, nach freien Wahlen verlangen oder den Sturz des Regimes herbeirappen wollen. "Ich rede über das Leben hier, ich rede über Respekt, ich rede über die Menschen, ich rede über Damaskus." Basel hat sich eigentlich ein gut funktionierendes Sprachrohr gesucht: Rap kommt in Syrien an und ist fester Teil der Einheits-Playlist der Diskotheken. Zwar spielen die Clubs nur die bekanntesten Songs amerikanischer Künstler wie Snoop Doggy Dog oder 50 Cent, aber wer die Musik von Area 51 hört, könnte fast meinen, eine Scheibe aus den USA läge auf dem Plattenteller. "Vom Rhythmus her glaube ich nicht, dass meine Musik etwas typisch Orientalisches hat", meint Basel. "Wichtig sind die Texte. Wer 50 Cent hört, weiß vielleicht, wie es in Kalifornien ist. Wer wissen will, wie es in unserem Land ist, muss meine Musik hören." Diese Sehnsucht, seine Gedanken hörbar zu machen, ist der Grund, warum er überhaupt Musik macht, betont Basel nach etwa jedem dritten Satz mit flackernden Augen, ein fast manischer Antrieb, der den 23-Jährigen nicht ruhen, aber auch nicht vorwärts kommen lässt. Denn wenn die fremde Sprache ihm auch einen Weg vorbei an den Schranken der Diktatur eröffnet, so verschließt sie gleichzeitig den Weg ins Bewusstsein des Publikums. "Bei meinen Auftritten sehe ich die Leute tanzen. Super Beat, sagen sie hinterher. Aber sie verstehen nicht, wovon ich rede." 29 Bekannte MusikerInnen Syriens Sabah Fakhri Sabah Fakhri, geboren 1933, stammt aus Aleppo. Er belebte die bereits im Aussterben begriffenen Kunstformen der Muwashahat und Qudood (klassischer Gesang) neu. Er wird für seine kräftige und schöne Stimme gerühmt, seine tadellose Maqamdarstellung und sein Harmonieempfinden. Fakhri wird als charismatische Persönlichkeit beschrieben. Für viele Musikliebhaber auf der ganzen Welt repräsentiert er den Inbegriff und das Wesen des Tarab. Er studierte an der Akademie für arabische Musik in Aleppo, danach an der Akademie von Damaskus, wo er 1948 seinen Abschluss machte. Dann lernte er in Kairo unter den Meistern der Musik der Zeit. Erst danach begann er, in Syrien Konzerte zu geben. Er wurde schnell in der ganzen arabischen Welt berühmt. Schließlich trat er auch in Europa und Amerika auf. Er wurde ins Guinness Buch der Rekorde eingetragen, weil er in Caracas (Venezuela) 10 Stunden ohne Pause sang. Eine zeitlang war er Parlamentsmitglied und als Vertreter für die syrischen Künstler tätig. Er war ein Kritiker der modernen Musik, selbst der Klassik mit moderner Instrumentierung. George Wassouf George Wassouf, geb. 1961 in Homs, Syrien, fing bereits mit 12 Jahren an, auf verschiedenen Veranstaltungen zu singen. George Khouri war derjenige, der Wassouf auf einer Hochzeit entdeckte und später sein erster Manager und Produzent wurde. Er zog in den Libanon, wo er schnell bekannt wurde. Mit 16 erhielt er bereits den Ehrentitel “Sultan al Tarab” für seine Interpretation des Liedes “El-Helwa Sultan” (Die Liebe ist ein Sultan). Wassouf hat bisher mehr als 30 Platten veröffentlicht und weltweit viele Konzerte gegeben. Er ist nicht nur in der arabischen Welt bekannt sondern darüber hinaus in Europa und den USA. Asmahan Infos: www.visit-syria.com/songs.htm www.salmiya.net (arab.) www.damascus-online.com/Music/ http://www.syrialive.net/music/syrian_singers.htm Sabah Fakhri: www.classicalarabicmusic.com/sabah _fakhri_classics1.htm www.asmahan.com 30 Asmahan, 1917 geboren, - ihr bürgerlicher Name war Amal el Atrash stammte aus einer adligen, syrischen Familie. Nach dem Tod des Vaters, 1923, ging die Mutter mit ihren drei Kindern (Asmahan und zwei Brüder) ins Exil nach Kairo. Die Familie Atrash spielte eine nicht unbedeutende Rolle in der Widerstandsbewegung gegen Frankreich in den 1920er Jah- ren. Asmahan war Syriens bekannteste Sängerin und Schauspielerin, die eine zeitlang in Ägypten lebte und dort die meisten ihrer Lieder veröffentlichte. Sie arbeitete in Kairo mit den berühmten Komponisten Riyad el Sombati und Mohamed el Qasabgi zusammen, mit denen später auch Um Kulthoum arbeitete. Um ihren frühen Tod ranken sich diverse Gerüchte, sie sei als Agentin für die Engländer und Franzosen tätig gewesen. Asmahan starb 1944 mit nur 27 Jahren bei einem mysteriösen Autounfall. Sie ist die Schwester des berühmten Sängers Farid el Atrash. Damaskus, 4. Okt., 2006 Nach einer Meldung der SANA (Syrian Arab New Agency) soll das Haus der berühmten syrischen Sängerin Asmahan in der Stadt Sweida im Süden Syriens in ein Kunstmuseum umgewandelt werden. Auf zwei Stockwerken soll ihr Leben nach ihrer Eheschließung mit ihrem Cousin Prinz Hassan el Atrash gezeigt werden. Es wird dort Fotos und einige ihrer persönlichen Dinge geben sowie ein Musikarchiv, das u. a. aus dem Nachlass ihres Bruders Farid al Atrash stammt. Salam aleikum, Hakim! Deutschlandpremiere des ägyptischen Popstars Hakim beim "VölkerBall" in Berlin Svetlana Georgieva Mit lauten Rufen begrüßten Hunderte von Fans am 26. August, pünktlich um 20:45 Uhr den mit Vorfreude erwarteten Superstar aus Maghagha, einer kleinen Ortschaft in Ägypten. Das Konzert fand im Rahmen des "VölkerBalls" statt - der jährlichen Galaveranstaltung von Radio MultiKulti. Aufgrund der Umbauten im Haus der Kulturen der Welt öffnete in diesem Jahr die Kulturbrauerei im Prenzlauer Berg ihre Produktionshallen für ein hochprozentiges, berauschendes Gebräu aus Klängen und Rhythmen aus der ganzen Welt. Seit bereits 20 Jahren gehört Hakim zu den begehrtesten Sängern Ägyptens und mittlerweile des arabischsprachigen Raumes. Schon als Kind träumte der Sohn eines Bürgermeisters davon, Sänger zu werden. Erste Auftrittserfahrungen sammelte der damalige Student der Kommunikationswissenschaften als Hochzeitssänger in Kairo. Von der Gage konnte er sich gerade mal die Taxifahrt nach Hause leisten. Sein Traum ist inzwischen - nach mehr als 8 Millionen verkauften Platten - wahr geworden. Den Liebhabern der "Arabia"-Sampler, die seit 2002 in Deutschland den CDMarkt eroberten, dürfte sein Name auch schon ein Begriff sein. Seine Musik spricht ältere Generationen genau so an wie Teenies. Hakims Markenzeichen sind die mitreißenden Shaabi-Rhythmen, wie der Fellachi, Saidi, Baladi, Maksum u. a. Sie kommen aus der ägyptischen Folklore und verfügen über eher einfache Strukturen, die zum Mitsingen, -klatschen, - tanzen anregen. Mit modernen Beats und Sounds verwoben, nähert sich Hakims Musikstil auch dem westlichen (Massen-)Geschmack an. In Frankreich ist er bereits recht populär und wird respektvoll "König des Shaabi" genannt. Diesen Titel hört er lieber, als den protzigen Beinamen "Löwe aus Ägypten" - wie der Sänger im Interview im Radio MultiKulti mitteilte. Duette mit Khaled - dem "König des Rai", James Brown - dem "König des Soul" und Stevie Wonder, der keiner Attribute bedarf, gehören zu den Glanzpunkten der Karriere des 44Jährigen. Der ehrenvolle Besuch Hakims in Deutschland kam, laut Radio MultiKulti, nur durch ein großzügiges Entgegenkommen des Sängers zustande. Denn das Budget, das Superstars dieser Rangordnung normalerweise veranschlagen, hätte die finanziellen Möglichkeiten des RBB für diese Veranstaltung schnell überschritten. Eine glückliche Fügung also! Mit einem warmen Lächeln, in Jeans und glänzend-rotem, tief aufgeknöpftem Hemd sprang "der Löwe" geschmeidig auf die Bühne. Seine helle Stimme erfüllte prompt den gesamten Innenhof der Kulturbrauerei. Begleitet wurde er von einer 17-köpfigen, gutgelaunten Band aus Kairo. Die Rhythmen des Shaabi versetzten die Massen in Bewegung. Hakim kokettierte mit seinem Publikum, trieb es oft zum Mitsingen und Klatschen an, posierte für die rausgestreckten Foto-Handys, zwinkerte Mädchen in den ersten Reihen zu, schickte Luftküsschen in die Menge, rockte unermüdlich und alberte mit den Musikern auf der Bühne herum. Neben den überwiegend schnellen Musiktiteln wie dem Hit "Ya Albi" wurden auch langsame Balladen und Instrumental-Sessions zelebriert. Diese wurden meistens von Hakim persönlich, mit viel Lust und Ironie, tänzerisch ausgestaltet. Er ist eben nicht nur ein überaus begabter Sänger, sondern auch ein leidenschaftlicher Entertainer. Daher rührt die häufige Umschreibung als "ägyptischer Robbie Williams". Nach diesem Konzert werden solche Beinamen und Vergleiche mit anderen (westlichen) Idolen nicht mehr nötig sein. Hakim hat einen eigenen Stil und einen besonderen Charme. Davon konnte sich das multikulturelle Publikum in Berlin überzeugen. So mancher heiße Tänzer befand sich darunter. Andere wiederum bewiesen tapferes Stehvermögen in den ersten Reihen - völlig unbewegt, mit gekreuzten Armen oder ständig ins Handy vertieft. So vielfältig waren die Reaktionen. Wegen der Open-Air Ordnungsvorschriften musste Hakim um 22:00 Uhr das Konzert beenden, was ihm offensichtlich Leid tat. Mit orientalischen Rhythmen im Ohr verteilte sich die Menge auf die übrigen Spielstätten der Kulturbrauerei, wo andere Mixturen und Überraschungen auf sie warteten. Hakim machte sich auf den Weg nach Mailand, London, Oslo und Stockholm den nächsten Stationen seiner Europatournee. Wir wünschen ihm eine gute Reise! 31 Sitten und Gebräuche in der Arabischen Welt Tipps und Regeln für alle arabischen Länder Barbara Schumacher Teil 1: Allgemeine Hinweise Was sollte man wissen? Immer wieder wird von westlichen Besuchern/Touristen, die in arabische Länder reisen und/oder zum ersten Mal in einem arabischen Land Bekannte oder eine Veranstaltung besuchen möchten, die Frage gestellt, ob dort besondere Verhaltensregeln gelten oder Wissen über spezielle Sitten und Gebräuche, Gesten und Mimik nützlich ist bzw. Kenntnisse über Tabus sinnvoll wären, um die Basis für eine erfolgreiche Reise und sinnvolle Begegnungen zu schaffen. Viele Menschen schrecken vor Kontakten zu arabischen Ländern zurück, nur aus Angst, der völlig fremden Welt verhaltensbedingt nicht gewachsen zu sein. Gewisse Grundregeln sind nützlich, um den Aufenthalt in arabischen Ländern zu erleichtern und erfreulicher zu gestalten. Dabei muss man wissen und akzeptieren, dass die westliche und arabische Kultur grundverschieden sind: Extravertiertes Verhalten im Westen steht introvertiertem Verhalten der arabischen Welt gegenüber. Weitere Gegensätze sind materialistisch (im Westen) gegen geistig (in der arabischen Welt) und analog: Analytisch gegen synthetisch, objektiv gegen subjektiv, logisch gegen experimentell, intellektuell gegen emotional, wissenschaftlich gegen künstlerisch, ernsthaft gegen lustorientiert, wettbewerbsorientiert gegen harmonieorientiert, aktiv gegen zurückhaltend, individuell orientiert gegen gruppenorientiert, Selbstverwirklichung gegen Selbstkontrolle, Effektivitätsbestreben gegen Familienzusammenhalt, etc. Während der westliche Besucher Frauen auf dem Land backen auf traditionelle Art Fladenbrot, Foto: Barbara Schumacher Rechte, Pflichten und Verantwortung einfordert, denkt der arabische Gesprächspartner zunächst eher an Freundschaft, Sympathie, Höflichkeit, Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft. Daraus folgt also, dass Araber grundsätzlich anders denken, andere Prioritäten setzen und eine ganz andere Herangehensweise an Beziehungen und Kontakte haben als Europäer oder andere westlich orientierte Nationen. Sich darauf einzustellen, muss man wollen und kann man lernen. In der Praxis heißt das: Die persönlichen Beziehungen zwischen den Gesprächspartnern sind von eminenter Bedeutung, die "Chemie" muss stimmen. Arabern geht es zuerst einmal ausschließlich darum, den westlichen Gesprächspartner sehr gut kennen zu lernen. Das geschieht oft in Cafés und Restaurants - auch private Einladungen, die eine große Ehre darstellen, spielen eine Rolle. Gute Englisch-Kenntnisse (bzw. FranzösischKenntnisse in den Ländern mit französischer Kolonialvergangenheit wie Marokko, Algerien, Tunesien) sind wenn man des Arabischen nicht mächtig ist - nützlich, denn es gilt erst einmal, das Vertrauen des arabischen Gesprächspartners zu gewinnen - das braucht Ausdrucksvermögen, Zeit, Geduld, Selbstbeherrschung und Verzicht auf Vorurteile. Es gibt einige Regeln, die in allen arabischen Ländern gelten, es gibt auch Dinge, die in den verschiedenen Län- 32 dern verschiedene Bedeutungen haben und es gibt von selbsternannten Spezialisten genannte "Regeln", die tatsächlich gar nicht gelten. In dieser Artikelserie sind zuerst die wichtigsten Verhaltensregeln zusammengefasst, mit denen man in allen arabischen Ländern gut beraten ist, wenn man sich daran hält. Es folgen dann auch Länderspezifika. Die Ausführungen erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Sie sind Ausdruck meiner Erfahrungen nach über 12 Jahren intensiver Reisen, meist mit journalistischem Hintergrund, in die arabische Welt. Ich habe die geschilderten Situationen selbst erlebt, selbst beobachtet und bestimmte Details auf Nachfrage von den Einheimischen erfahren. Ziel ist es, westlichen Besuchern bewusst zu machen, dass das Thema "Verhalten" überhaupt ein Thema ist, um mit dieser Sensibilisierung einen wichtigen, ersten Schritt zu erfolgreichen Kontakten und Gesprächen zu tun. Ich bin stets gut damit gefahren, bei ArabienReisen meine westliche "Denke" gegen Offenheit für viel Neues "einzutauschen". Vorurteilsfreie Aufgeschlossenheit und Akzeptanz dem arabischen Gesprächspartner gegenüber sind unverzichtbare Grundlagen einer fruchtbaren Beziehung. Westliche, vermeintliche Besserwisserei ist für mit natürlichem Stolz ausgestattete Araber unerträglich. Man sollte auch davon ausgehen, dass viele gängige Begriffe, wie z. B. "Gleichberechtigung" in der westlichen Kultur anders verstanden werden als in der islamisch-arabischen. In den Ausführungen werden beide Geschlechter beider Kulturen berücksichtigt. ein alter Mann verkauft Korane und andere religöse Bücher vor der Moschee, Foto: Claus und Edeltraut Rautenstrauch Teil 2: Vorbereitung auf die Begegnung mit dem Islam Wer zum ersten Mal eine Reise in ein arabisches Land plant, sollte rechtzeitig vorher einen guten Reiseführer studieren, denn Kenntnisse über Islam, Politik, Geschichte und Kultur des jeweiligen Landes sind unerlässlich. So vorbereitet, wird der erste Schock deutlich abgemildert. Alle arabischen Länder sind islamische Länder, der Islam bestimmt das Leben der Menschen. Die fünf Säulen des Islam sollte man kennen: 1. Glaubensbekenntnis zu Allah, dem einen Gott 2. Pflichtgebet - fünfmal am Tag zu festgelegten Zeiten 3. Fasten im Ramadan 4. Almosen an die Armen 5. Pilgerfahrt nach Mekka Daraus resultieren Handlungen der Einheimischen, die man berücksichtigen und akzeptieren muss, genau so wie das Alkoholverbot und das Verbot des Genusses von Schweinefleisch. So wurde ich z. B. in Riad, Saudi Arabien, mehrmals am Straßenrand im Auto "abgestellt", weil der saudische Fahrer und mein saudischer Begleiter zum Beten in die Moschee gingen. Genau so erging es mir mitten in der Wüste. Beide verschwanden bei Sonnenuntergang hinter einer Düne zum Beten und ich durfte im 4WD warten, aber meist dauert es nur 10 Minuten. Es ist kein Problem, wenn man nach Einzelheiten aus der Religion fragt, z. B. ob der jeweilige Gesprächspartner schon einmal die Pilgerfahrt nach Mekka gemacht hat. Solche Fragen ergeben sich aus der Situation. Man sollte dabei sehr einfühlsam vorgehen und mit Aufmerksamkeit zuhören. Auf diese Weise lernt man etwas über Religion und Traditionen, die auch in der modernsten und futuristischsten 33 Umgebung (wie z. B. in den Golfstaaten: Vereinigte Arabische Emirate, Oman, Bahrain, Qatar, Kuwait, Saudi Arabien) eine Rolle spielen. Wichtig ist die Geschlechtertrennung, die Auswirkungen auf alle Lebensbereiche hat und auf die besondere Rücksicht zu nehmen ist. Auch von dem Glauben an Geister und "Djinnen" (Dämonen), die den Menschen helfen, aber auch schaden können, sollte man wissen. In diesem Zusammenhang ist immer wieder die Rede vom "Bösen Blick", gegen den die "Segenskraft" hilft. Koranbücher und islamische Rosenkränze, die viele Männer in den Händen halten, besitzen Segenskraft. Der Ort mit der höchsten Segenskraft ist die Kaaba in Mekka. Fazit: Sich mit den Grundregeln des Islam vertraut machen und daraus resultierende Verhaltensweisen akzeptieren! Reisevorbereitungen Vor einer Reise in ein arabisches Land sollte man sich über das dortige Klima informieren. Bei heißen Temperaturen muss man sich auf kühle Büros und Hotels mit Klimaanlagen einstellen. Je reicher das Land, desto kälter die Räume. Oft ist es nicht möglich, die Klimaanlagen abzustellen oder zu regulieren. In einigen Ländern oder Städten kann es im Winter recht kalt sein (z. B. in der über 2.000 m hoch gelegenen Hauptstadt des Jemen oder in den nordafrikanischen Ländern, wo gelegentlich noch unangenehme Feuchtigkeit hinzukommt). Nicht immer sind Büros, Hotelzimmer oder Wohnungen ausreichend geheizt, oft sind Heizungen sogar völlig unbekannt. Bei Rundreisen ist zu beachten, dass in ein und demselben Land oft sehr unterschiedliche Temperaturen in den verschiedenen Landesteilen herrschen. Hinzu kommen manchmal große Temperaturunterschiede bei Tag und Nacht am selben Ort. Bei Ankunft im Land sollte man beim Geldumtauschen darauf achten, dass man genügend Kleingeld bekommt. In den meisten arabischen Ländern können Taxifahrer keine großen Scheine wechseln und gelegentlich freut sich ein Bettler über eine kleine Aufmerksamkeit, insbesondere diejenigen, die vor den Moscheen sitzen. Sie sind oft blind oder haben andere Krankheiten/Behinderungen. Betteln- den Kindern sollte man grundsätzlich nichts geben: Weder Geld (schon gar nicht die restlichen Euro-Cent) noch Bonbons, noch sonst irgendetwas das wird auch ausdrücklich von den Einheimischen aus erzieherischen Gründen dringend empfohlen. Sollte ein einzelnes Kind sich z. B. durch besondere Hilfsbereitschaft ausgezeichnet haben, dann kann man allenfalls einen Kugelschreiber als Souvenir verschenken, daher habe ich immer einige Exemplare dabei allerdings habe ich auch schon erlebt, dass dies aus Stolz abgelehnt wurde. Falls man mit privaten Einladungen rechnet, sollte man kleine Souvenirs aus Deutschland mitnehmen - insbesondere dann, wenn es an Zeit und Gelegenheit mangelt, im Land landestypische Süßigkeiten, Gebäck, etc. einzukaufen. Fazit: Klimabedingte Gegebenheiten beim Kofferpacken berücksichtigen, kleine Souvenirs als Gastgeschenke und einige Kugelschreiber mitnehmen (bei Reisen in ärmere Länder). Fortsetzung folgt im nächsten Heft Im nächsten Heft lesen Sie Tipps und Regeln zu den folgenden Themen: Verabredungen, Vorstellung, Kleidung, Begrüßung. Folgende Themen erwarten Sie in den kommenden Ausgaben von Al- Maqam: Vorbereitung auf die Begegnung mit dem Islam, Reisevorbereitungen u. v. m. werden behandelt. islamischer Friedhof, Foto: Claus und Edeltraut Rautenstrauch 34 Während viele Sitten und Gebräuche in allen arabischen Ländern gleichermaßen gelten, gibt es Spezifika der einzelnen Länder. Im Folgenden wird auf Besonderheiten der meistbesuchten arabischen Länder bzw. Gruppen arabischer Länder hingewiesen. Diese Besonderheiten wurden speziell für Touristen und Geschäftsleute zusammengestellt. Länderspezifika Sitten und Gebräuche in Syrien Barbara Schumacher * * * * * * * * * * * * * * * * In Syrien sind politische Themen allgegenwärtig. Am Konflikt mit Israel und am Palästinenser-Problem kommt man in Gesprächen nicht vorbei. Anders als in Jordanien genießen die in Syrien lebenden Palästinenser nur Gastrecht, sie sind Flüchtlinge und haben keine Pässe. In Damaskus gibt es riesige Vorort-Viertel, in denen palästinensische Flüchtlinge leben. Das Verhältnis zwischen Libanon und Syrien ist aktuelles Bitte zu Tisch! Thema. Es besteht eine sehr große Aufgeschlossenheit deutschen Gästen gegenüber. Auch die Hilfsbereitschaft ist überwältigend. Als ich mich in Damaskus einmal verlaufen hatte und nach einer bestimmten Straße fragte, nahm eine Frau mich an die Hand und führte mich hin. Besonders beeindruckend ist die Großzügigkeit bei Einladungen, ob privat oder in ein Restaurant. Für den Gast nimmt man sich unendlich viel Zeit und versucht, alle seine Wünsche zu erfüllen, z. B. im Hinblick auf Gesprächspartner aus ganz bestimmten Bereichen. Gerät man beim ersten Kontakt an die richtige Person, dann entsteht eine wahre "Kontaktlawine" und jeder gibt sein Bestes. Es gibt Alkohol: Syrisches Bier und das Nationalgetränk Araq (Anisschnaps mit 53% Alkoholgehalt). Einmalig ist die Vielfalt der frisch gepressten Säfte. "Falsche" Kleidung ist in Syrien eine Beleidigung. Westliche Frauen brauchen ein Kopftuch nur bei der Besichtigung einer Moschee. Viele Syrerinnen, vor allem die gebildeten, tragen kein Kopftuch. Als Gastgeschenke sind Postkarten mit Schnee der Renner - neben kleinen Seifenstücken und Parfum. Bei Privateinladungen erfolgt das Essen oft spät (Mittagessen 14 oder 15 Uhr, Abendessen 22 oder sogar 23 Uhr). Zu Beginn des Essens kommt ein dankbares "Bismillah" (im Namen Gottes) gut an. Der Gastgeber achtet darauf, dass der Gast das beste Essen bekommt. Wenn der Gast das Essen beendet, dann müssen auch die anderen mit dem Essen aufhören, also gilt: Langsam essen. Man sollte viel essen und das Essen loben. Dies fällt nicht schwer, denn die syrische Küche ist eine der abwechslungsreichsten und phantasievollsten der arabischen Welt. Bei einer Einladung ins Restaurant bestellt man nicht einzeln sein Essen, sondern der Gastgeber bestellt (natürlich nach vorheriger Beratung mit den Gästen) mehrere Vorspeisen, von denen man dann gemeinsam isst - mit Besteck oder mit Brot. Nur unwesentlich später kommen die Hauptspeisen. Das Mahl wird mit Kaffee und sehr vielfältigen Süßspeisen abgerundet. Probieren heißt die Devise, sie sind alle köstlich. Geld auf dem Schwarzmarkt zu tauschen, lohnt sich nicht. Wenn man erwischt wird, kann man im Gefängnis landen. Taxi fahren ist äußerst preiswert - Inlandsflüge ebenfalls. Nie betende oder bettelnde Menschen fotografieren, dies empfinden Syrer als würdelos und beleidigend. Als Frau allein in Syrien zu reisen, ist kein Problem, unter den wichtigen Voraussetzungen: Den ganzen Körper bedeckende, gute Kleidung zu tragen, gutes Benehmen, sicheres Auftreten. Als Trinkgelder sind 10 Prozent üblich - aber nur für die üblichen Dienstleistungen im Restaurant oder Hotel. 35 Deutsche in Syrien Warum eine Sächsin und ihr deutscher Pudel ganz gut in Syrien leben Samia Susann Trabolsi Wer nach Syrien auswandert, der muss nicht nur eine neue Sprache lernen, sondern sich mit fremden gesellschaftlichen Gepflogenheiten vertraut machen. Auch Frau Krenzlin hat den Schritt gewagt: Dabei hat sie sich nicht nur angepasst, sondern auch die Syrer im Viertel mit deutscher Kultur vertraut gemacht: Vor 30 Jahren gab es noch keine Hunde als Haustiere in der Stadt. Nun ist in Lattakia der deutsche Pudel zum Trend geworden. Schuld daran ist Frau Krenzlin. 36 Frau Krenzlin, was macht eine Deutsche in Syrien? Sie haben gerade von Eierkuchen gesprochen. Vermissen Sie die deutsche Küche? Wir sind viele Deutsche in Syrien. Auch wenn man das erstmal nicht auf den ersten Blick sieht, sondern nur, wenn man auf den Weihnachtsbasar nach Damaskus oder zum GoetheInstitut fährt, bekommt man eine ungefähre Vorstellung davon, wie viele Deutsche den Weg nach Syrien gefunden haben. Ich selber habe meinen Mann an der TU Dresden kennen gelernt. Wir haben geheiratet und sind nach Syrien gegangen. Viele die ich kannte sind jedoch gleich, als sie in Damaskus ankamen, mit dem nächsten Flieger zurück in die Bundesrepublik geflogen. Das kam für mich nicht in Frage, ich hatte von vorne herein Syrien im Visier. Ich hatte mich zwar relativ gut vorbereitet auf die Ankunft in Syrien. Doch wenn man die Sprache nicht kennt - und Arabisch ist ja eine schwere Sprache -, dann sieht man erst einmal gar nix die ersten vier Wochen, dann ist alles wunderbar, Friede, Freude, Eierkuchen, wie man sagt. Während der Vorbereitung traf ich bewusst eine Deutsche, die in Damaskus lebte und die sagte zu mir: „Heiraten Sie lieber einen Schornsteinfeger und bleiben Sie in Deutschland!“ Ja, das Essen vermisse ich am meisten. Ich koche immer noch gerne Deutsch. Das ist einfach ein Stück Heimat, die man mitnimmt. Was konnten Sie nicht mitnehmen, was mussten Sie aufgeben? Je nachdem woher man kommt, wohin man geht; gibt man auf oder gewinnt man: Wenn ich zum Beispiel eine bayerische Bäuerin wäre und nach Berlin ginge, was würde ich dann gewinnen und was verlieren? Es gewinnt nicht immer eine bayerische Bäuerin, wenn sie nach Berlin geht. Und genauso ist es, wenn man sich hier eine Existenz aufbaut: Was möchte man im Leben? Das ist die Frage. Ich bin eine Großstadtpflanze; mir sagen dörfliche Gewohnheiten gar nicht zu. Jedoch bin ich jetzt in Lattakia, einer syrischen Großstadt, für deutsche Verhältnisse eine Kleinstadt . Ich bin vor 30 Jahren aus Görlitz hierher gekommen, einer Stadt mit damals 86.000 Einwohnern. So groß also wie Lattakia. Nach 30 Jahren zählt Görlitz 6.000 Einwohner und Lattakia 600.000 Einwohner. Nur der Unterschied ist der, wenn ich nach Görlitz komme, habe ich das Gefühl, in eine Stadt zu kommen. Anders in Lattakia, wenn ich hier durch unsere Hauptstraßen gehe, dann weiß ich schon, links und rechts fängt tiefe Provinz an. Frau Krenzlin, Sie haben einen Pudel. Ein Haustier hat hier nicht jeder. Wie sind Sie auf den Hund gekommen? Der Hund ist eine Gemeinheit meiner Kinder. Die Abhängigkeit, wenn man sich um ein Haustier kümmern muss, hat mir als Kind schon nicht gefallen. Hier in Syrien gilt ein Hund als unrein, deshalb gibt es sehr wenig Haustierhaltung. Manche haben Fische und Singvögel, doch Haustierhaltung ist noch lange kein eigener Wirtschaftszweig wie in Europa und hat daher eher Seltenheitswert. Trotzdem stört es niemanden, dass Jenny überall dabei ist. Die Leute sind immer mehr dem Tier zugewandt. Ich denke das Fernsehen beeinflusst die Einstellung der Gesellschaft, in vielen amerikanischen Serien haben die Kinder Kuscheltierchen. Deswegen findet jeder den Pudel niedlich. Die Syrer haben sich also an den Hund gewöhnt. Und wie ist es mit Ihnen? Wie haben Sie sich mit dem Leben in einem orientalischen Land und den Syrern arrangiert? Es gab damals wenig Bildmaterial und wenig Bücher über Syrien, demnach waren meine Vorstellungen relativ junge Frau mit Hund, Foto: www.stmz.ch begrenzt und bezogen sich auf Erzählungen meines Ehemannes und Bekannten, z. B. deutsche Professoren, die eine Gastprofessur in Damaskus hatten. Ich hatte auch einen Botschafter getroffen, das war dann unser DDR Uno-Beauftragter in Amerika. Die Eindrücke allerdings, die Deutsche hier gesammelt haben, sind doch sehr viel anders, als wenn man hier als Ehefrau lebt, denn vieles bleibt für Ausländer aufgrund der Sprache doch sozusagen im Verborgenen. Wenn man in ein anderes Land geht, muss man sich Gedanken machen, wie viel man von sich selber aufgeben möchte und wenn man sich aufgeben möchte, was will man von seiner Heimat behalten. Wie weit lässt man sich von dem Anderen aufsaugen. Was hat Sie denn enttäuscht? Die größte Enttäuschung war, dass ich ganz bestimmte Sachen hier nicht regeln kann. Ich war naiv. Wir sind in der DDR behütet aufgewachsen. Nun nach der Wende haben wir keine Altersvorsorge. Denn alles was die Sozialversicherung betrifft, liegt doch in Entwicklungsländern sehr im Argen. Erst seit 5 Jahren gibt es in Syrien eine staatliche Versicherung, die jedoch in keinem Vergleich zu einer in der DDR stand. Nach der Wende stellte ich fest, dass sich eine Rückkehr nach Deutschland für mich als ehemalige DDR-Bürgerin ohne Vermögenswerte oder Altersversicherung aus finanziellen Gründen verbietet. Was mich hier sehr enttäuscht hat, war das Bildungssystem: Sogar die Privatschulen hatten kein ausreichendes Lehrmaterial. Wo sehen Sie Ihre Erfolge? Meine Erfolge? Ich arbeite seit 30 Jahren in Syrien und habe hier viel geschafft: Ich habe hier als Ingenieurin in der Universität gearbeitet und an größeren Projekten. Das zeigte mir, dass man in Syrien trotz aller Merkwürdigkeiten als Frau mit ein wenig Stehvermögen doch etwas erreichen kann. Sehen Sie nach 30 Jahren die Deutschen mit anderen Augen? Wie Deutsch empfinden Sie, wenn Sie in Deutschland sind? Was mir fremd geworden ist, ist die Hektik. Die Orientalen sind genügsam. Trotzdem bin ich immer pünktlich, vor allem bei Terminen: 10 Minuten bleiben 10 Minuten. Was die Umwelt betrifft: In Deutschland habe ich immer gemerkt, dass ich als Deutsche durch die Straße laufe. In Syrien habe ich aber nicht das Gefühl, dass man mich als Ausländerin betrachtet. Die Syrer sind sehr tolerant, denn viele Kulturen spielten hier eine Rolle in der syrischen Geschichte. Sie sagten, es gebe sehr viele Deutsche in Syrien. Haben Sie auch arabische Freunde? Es ist in Syrien wie in Deutschland ein Prozess, bis man Freundinnen findet, die zu einem passen. Ich habe auch arabische Freunde. Diese zu finden, war jedoch schwieriger, weil in Syrien die meisten sozialen Beziehungen innerhalb der Familie bestehen. Wie schnell haben Sie Arabisch gelernt? Ich erlerne jede Sprache nach dem Papageiprinzip. Natürlich hat das etwas mit Kommunikationsfähigkeit zu tun. Wenn man kein Interesse hat, mit jemandem ins Gespräch zu kommen, dann lernt man auch kein Arabisch. Es gibt viele Frauen in Damaskus, die 37 sich ausschließlich in deutschen Kreisen bewegen und kein Arabisch sprechen. Ich habe sehr schnell das umgangssprachliche Arabisch gelernt, da ich natürlich auch keine Hausfrau bin und die Sprache für meine Arbeit wichtig ist. Und Hocharabisch, also lesen und schreiben können Sie auch? Sprechen kann ich, schreiben und lesen nicht. Natürlich kann ich bei einer Rechnung die Zahlen unterscheiden. Ich hatte damals viele Bücher nach Syrien mitgebracht, aber es fehlte ein Lehrmeister. Ich habe sogar mit anderen versucht, Lehrgänge für Ausländer zu organisieren, aber das ist alles ins Wasser gefallen. Ara- bisch kann man am besten in London lernen. Hier in Lattakia gibt es kein ausgebildetes Personal. Arabisch ist eine Wissenschaft für sich und ich merkte, dass man diese Sprache nicht im Abendkurs lernen kann sondern studieren muss. Also entschied ich mich, meine Zeit für meinen Beruf zu nutzen, denn ich muss als Ingenieurin auch immer auf dem neuesten Stand sein und mich belesen. Man kann im Leben nicht alles machen. Da die Schule hier erst im Oktober anfängt, waren sie in Deutschland in den Ferien und bekamen so die Möglichkeit, auch Deutsch zu sprechen. Mit der Pubertät jedoch wandelte sich dies und wir sprachen mehr Arabisch, um Orientierungsprobleme zu vermeiden. Ich hatte ihnen stets gesagt: „Ihr seid Syrer und habt eine deutsche Mutter.“ Ihre Kinder sprechen beide Sprachen? Nein, der Pudel ist ja Deutsch. Also wird auch Deutsch gesprochen: „Jenny, wo ist die Katze?“ Mit den Kindern habe ich zu Anfang nur Deutsch gesprochen. Alle zwei Jahre bin ich mit ihnen zu einem längeren Aufenthalt in die DDR gefahren. vor dem Eingang der Omayyaden-Moschee in Damaskus, Foto: Barbara Schumacher 38 Und mit dem Pudel reden Sie Arabisch? (Jenny springt auf und bellt.) Anzeige Salah el Din Interview mit Prof. Dr. Havemann Christian M. Jolibois Al-Maqam: Herr Dr. Havemann, Sie haben einige Artikel zu Saladin verfasst und waren an Symposien zur Vorbereitung der aktuellen Saladin-Ausstellung beteiligt. Wie kamen Sie auf Saladin und seit wann beschäftigen Sie sich mit ihm? Dr. Havemann: Bereits während des Studiums bin ich auf Saladin im Zusammenhang mit der Geschichte Syriens zur Zeit der Kreuzzüge gestoßen. Im deutschsprachigen Raum ist Saladin vor allem aus Lessings Stück "Nathan der Weise" bekannt. Allerdings muss man mit Lessings SaladinBild sehr vorsichtig sein. Bereits Schiller kritisierte es für die zu positive und wohlwollende Darstellung, die der historischen Person nicht entspricht. Rückgewinnung Palästinas bezogen sich Nasser, Ghaddafi, Hafiz Al-Asad und Saddam Hussein auf Saladin. Was mich an ihm interessiert, ist die Frage nach seinem primären Ziel. Ging es ihm wirklich um den Dschihad? Ging es ihm nur um die Rückeroberung der von den Kreuzfahrern besetzten Teile Palästinas, gekrönt durch die Wiedereinnahme Jerusalems? Oder ging es ihm eher um das, was ihn den größten Teil seines Lebens davor beschäftigt hat: die politische Einigung der zersplitterten arabisch-muslimischen Welt seiner Zeit? Taucht Saladin in den Erzählungen aus 1001 Nacht auf? Nein. Dort tauchen weder sein Name, noch Ereignisse aus jener Zeit auf. Welcher Aspekt interessiert Sie bei dem Thema Saladin besonders? Was ist von den Portraits zu halten, die Saladin abbilden? Kann er so ausgesehen haben? Man fragt sich immer, was ist an Saladin so besonders interessant? In der islamischen Welt geriet er relativ schnell in Vergessenheit. In der Literatur findet sich erst im späten 19. Jahrhundert wieder etwas über ihn. In Europa dagegen ist er die ganzen Jahrhunderte hindurch präsent, allerdings weitgehend in Form von Legenden und Mythenbildung, was bereits zu Lebzeiten Saladins begann. Andererseits ist Saladin durch die Instrumentalisierung seiner Person für viele Muslime wichtig geworden. Dies begann gegen Ende des Osmanischen Reiches sowie in Verbindung mit der Entstehung arabischer Nationalbewegungen. Unter dem Aspekt der Nein. Diese vermeintlichen Portraits von Saladin sind alle erst lange nach seinem Tod entstanden. Es finden sich Beschreibungen in den arabischen Quellen darüber, wie er ausgesehen haben soll, allerdings nicht sehr detailliert. Er soll von kleiner Statur und gesundheitlich sehr anfällig gewesen sein. Saladin war mit Sicherheit kein stattlicher Feldherr. Letztlich wird über sein Aussehen nichts Genaues gesagt. Die Biographen beschreiben ihn als bescheidenen und religiösen Menschen, der auf Äußerlichkeiten keinen großen Wert gelegt haben soll. Saladin war zweifelsohne ein berechnender und geschickter Stratege sowie ein Machtmensch, der seine Chance zu nutzen wußte. Durch seinen Vater und Onkel wurde er militärisch gut ausgebildet. Ob Saladin nun wirklich der große Gelehrte war, der sich in der islamischen Tradition ausgekannt haben soll, wie seine Hofbiographen berichten, ist zu bezweifeln. Letztlich wissen wir es nicht, genauso wie über seine Jugend in Baalbek nur wenig bekannt ist. Was ist über Saladins Familienleben und seine Nachkommen bekannt? Die Quellen liefern hier nur wenig Informationen. Saladin gilt als Begründer der Dynastie der Ayyubiden. Es ist bekannt, dass er mehrmals verheiratet war und relativ viele Nachkommen hatte. Die Quellen gehen auf seine Frauen nicht näher ein. Eine Ausnahme bildet die Witwe seines ehemaligen Oberherrn, Nureddin, aus der Lokaldynastie der Zengiden, die Saladin ehelichte. Sie war die Tochter eines reichen damaszener Lokalfürsten, erheblich älter als Saladin und soll von ihm sehr respektvoll behandelt worden sein. Insgesamt erfährt man nur wenig über sein Privatleben und welchen Stellenwert es einnahm. Dargestellt wird er als Asket, der entweder den Koran studiert, betet und meditiert oder Krieg führt. In jüngeren Jahren soll er ein großer Freund des Weins und anderer weltlicher Vergnügungen gewesen sein. Was ist von der fast schon sprichwörtlichen Toleranz zu halten, mit der Saladin oftmals in Verbindung 39 Grabmal des Saladin in Damaskus, Foto: www.wikipedia.org gebracht wird? Da muss man bestimmt Abstriche machen. Betrachtet man, wie er politische Gegner behandelte, so hat er sich nicht sonderlich von ihnen unterschieden, weder von den christlichen Kreuzfahrern, noch von den muslimischen Herrschern. In manchen Darstellungen wird gerne betont, dass die lateinischen Christen, als sie im ersten Kreuzzug Jerusalem eroberten, ein Blutbad unter der Bevölkerung angerichtet hatten, wohingegen Saladin bei der Rückeroberung allen Leuten das Leben geschenkt haben soll. Fakt ist, dass er erst nach längeren Unterredungen von seinen Beratern davon überzeugt werden konnte, die Stadt nicht dem Erdboden gleich zu machen, also nicht genauso zu reagieren, wie die Kreuzfahrer 90 Jahre zuvor. Ähnlich soll sich Saladin bei der berühmten Schlacht von Hattin - die wenige Monate vor der Rückeroberung Jerusalems stattfand und das Ende der Kreuzfahrer unter Saladins Zeit eingeleitet hat - verhalten haben. Während seiner Herrschaft soll es auch Verfolgungen von Sufis, den islamischen Mystikern gegeben haben. All das belegt, dass Saladin alles andere als religiös tolerant war. Wie wird Saladin heute in der arabischen Welt gesehen? Wenn man heute mit Arabern spricht, stößt Saladin in erster Linie in den Ländern, in denen er gelebt und gewirkt 40 hat, auf großes Interesse. Dies gilt weniger für Ägypten, das ihm eher als Einkommensquelle zur Finanzierung seiner Eroberungen diente. Im Übrigen kehrte Saladin nie mehr nach Ägypten zurück. Interessant ist er für Syrien, Jordanien und den Irak, weil dort auch die meisten Spuren von ihm zu finden sind. Die moderne Forschung sieht Saladin inzwischen eher als politischen Usurpator. Aus islamischem Herrschaftsverständnis heraus gesehen, besaß er keinerlei legitimierende Voraussetzungen. Welche Schlüsse lassen sich aus der Biographie Saladins ziehen? Saladin ist bis heute für viele eine Vorbildfigur. Nicht nur in der Politik, sondern auch in der Literatur, in der das Thema immer wieder bearbeitet wird, wie beispielsweise durch den Palästinenser Mahmud Darwich. Bauten und Kunstwerke neueren Datums beziehen sich immer wieder auf die Größe Saladins und die Ayyubiden. Saladin wurde und wird immer wieder instrumentalisiert als der glorreiche Mujahid, als Djihad-Kämpfer. Dabei wird meistens außer Acht gelassen, dass Saladin anfänglich und für lange Zeit benachbarte Muslime bekämpft hat. Erst als er dieses große Gebiet kontrollierte und unter seine Herrschaft bekommen hatte, begann er seine militärischen Aktionen gegen die Kreuzfahrerstaaten. Ich persönlich halte ihn für eine faszinierende historische Persönlichkeit und sehe ihn weder als den großen Idealherrscher mit der Idee einer politischen Einheit des Islam, noch als jemand der versucht hat, aufgrund seiner religiösen Einstellung bestimmte Differenzen abzubauen. Saladin hatte große Visionen und Träume, und - das mag auch einer der Gründe sein, weshalb er in gewissen Kreisen sehr positiv gesehen wird - er wollte vielleicht viel mehr, als nur Palästina zurückerobern und die Kreuzfahrer aus dem heiligen Land vertreiben. Es existiert eine erhaltene Briefkorrespondenz, die Saladin mit dem Herrscher von Marokko und Al-Andalus geführt haben soll. Dieser almohadische Sultan, der wie Saladin nominell dem Kalif in Bagdad unterstand, war de facto ebenfalls unabhängig. Ihn soll Saladin um Truppen zur Verstärkung seines Kampfes für den Djihad gebeten haben, ohne die Bitte detaillierter auszuführen. Es gibt nun Berichte laut denen er ebenfalls mit dem Kaiser von Byzanz und mit Kaiser Friedrich Barbarossa verhandelt haben soll. Durch diese gleichzeitigen diplomatischen Kontakte, soll sich Saladin erhofft haben, alle gegeneinander ausspielen zu können. Sein großer Traum war, den Islam so weit wie möglich in die Welt zu tragen. Hierzu wird berichtet, dass er daran gedacht haben soll, mit Hilfe des Bündnisses mit den Almohaden und mit Hilfe mindestens neutraler, wenn nicht gar freundschaftlicher Kontakte zum christlichen Europa zunächst Byzanz und danach das restliche Europa unter seine Kontrolle zu bringen. So hat sich Saladin detaillierte Berichte aufstellen lassen, die das Verhältnis, die Beziehung und den Unterschied des Kaisers von Byzanz zu dem Papst in Rom untersuchten. Aus der Perspektive Saladins war dies vergleichbar mit seiner Position als Macht habender Sultan und dem Kalifen als obersten Beherrscher der Gläubigen. Herr Dr. Havemann, ich danke Ihnen für das Gespräch. Dr. Havemann ist Privatdozent am Institut für Islamwissenschaft an der FU, Berlin. Salah el Dins Leben und Taten Christian M. Jolibois "Ich bin tief ergriffen von dem Gedanken, an der Stelle zu stehen, wo einer der ritterlichsten Herrscher aller Zeiten, der große Sultan Saladin geweilt hat, ein Ritter ohne Furcht und Tadel, der oft seine Gegner die rechte Art des Rittertums lehren musste." das Grabmal Salah el Dins in Damaskus, Foto: http://www.geocities.com/pinkhipposforever/saladintomb.html Mit diesen Worten gedachte der deutsche Kaiser Wilhelm II. Saladin, als er dessen Grab im Jahr 1898 in Dama- Salah el Din war kurdischen Ursprungs, die Familie stammte aus Armenien. Der Vater Ayyub war Gou- den Folgen eines zu opulenten Mahls gestorben sein. Drei Tage darauf ernannte al Adid Salah el Din zum skus besuchte. Seine Rede machte die Muslime maßgeblich wieder auf Salah el Din aufmerksam. Jahrhundertelang spielten die Kreuzzüge und deren berühmter Protagonist Salah el Din für sie keine Rolle. Im christlichen Abendland hingegen wurde er immer wieder thematisiert. Dort sieht man ihn als Vertreter des eigenen Toleranzideals während er in der muslimischen Welt eher als Freiheitsheld wahrgenommen wird. verneur von Tikrit. Seine Jugend verbrachte Salah el Din in Baalbek, das sein Vater, der im Dienste Zengis dem Begründer der Lokaldynastie der Zengiden (1127-1233) - stand, als Gouverneur verwaltete. Nach Zengis Tod im Jahr 1146 wurde Ayyub unter den Buriden - einer weiteren Lokaldynastie - Statthalter von Damaskus. Salah el Dins Onkel Schirkuh verblieb im Dienst der Zengiden. Nur al Din, dem Sohn und Nachfolger Zengis, gelang es, Syrien unter seiner Herrschaft weitgehend zu vereinen. Salah el Din stand ihm für etliche Jahre als persönlicher Adjutant zur Seite. Zwischen 1164 und 1169 begleitete Salah el Din seinen Onkel bei drei militärischen Aktionen in Ägypten. Unter dem letzten fatimidischen Kalifen al Adid (1160-1171), der Nur al Din um Hilfe ersucht hatte, wurde Schirkuh zum Wesir von Ägypten ernannt. Er seinerseits beauftragte seinen Neffen mit der Verwaltung des ägyptischen Kalifats. Wesir und verlieh ihm den Titel al Malik al Nasir (der siegreiche König). Salah el Din veranlasste im Jahr 1171 die namentliche Nennung des abbasidischen Kalifen in den Freitagspredigten der Moscheen Ägyptens. Damit wurde Ägypten formell wieder der sunnitischen Oberhoheit Bagdads unterstellt und das über 200 Jahre währende schiitisch-ismaelitische Kalifat der Fatimiden beendet. Sultan Salah ad Din al Malik al Nasir Abu al Muzaffar Yusuf bin Ayyub wie sein vollständiger Name lautet wurde im Jahr 1138 in Tikrit, einer nord-östlich von Bagdad, am Tigris gelegenen Stadt geboren. Salah el Din war der herausragende Held im Kampf gegen die Kreuzfahrer und der mächtigste Mann des 12. Jahrhunderts. Er begründete die Dynastie der Ayyubiden (1169-1249), welche über Ägypten, Syrien und West-Arabien mit den Heiligen Städten Mekka und Medina sowie über den Jemen herrschte. Er starb am 4. März 1193 in Damaskus. Bereits neun Wochen später, am 23. März 1169, soll der für seinen Hang zur Völlerei bekannte Schirkuh an Während Salah el Din seine Position in Ägypten festigen konnte, verschlechterte sich sein Verhältnis zu Nur al Din in zunehmendem Maße. Als dieser im Mai 1174 starb, erklärte Salah el Din Ägypten von den Zengiden unabhängig. Im darauffolgenden Jahr erhielt Salah el Din seine lang ersehnte Ernennungsurkunde aus Bagdad. Darin wurde seine Herrschaft über die von ihm eroberten Gebiete durch den Kalifen nachträglich beglaubigt und somit politisch und religiös von der höchsten weltlichen Instanz des sunnitischen Islam legitimiert. In Syrien entbrannte derweil ein 41 Machtkampf unter den Zengiden. Dabei ging es um die Vormundschaft über Malik al Salih, den elfjährigen Sohn und Nachfolger Nur al Dins, um in dessen Namen herrschen zu können. Salah el Din hielt sich vorerst zurück, versicherte aber Malik al Salih seine Loyalität und stellte sich als sein Beschützer dar. Die unter Nur al Din errungene Einheit im Kampf gegen die Kreuzfahrer war zerbrochen und konnte durch Salah el Din erst im Jahr 1186 wieder hergestellt werden. Nachdem sich Salah el Din von einer langen Krankheit erholt hatte, begannen schließlich die Vorbereitungen für die Rückeroberung Jerusalems im Frühling des Jahres 1187. Die gegnerischen Truppen trafen im Juli westlich von Tiberias aufeinander. In der entscheidenden Schlacht bei Hattin fügte Salah el Din den durch "schweren internen Streit geschwächten und an Wassermangel leidenden Franken" eine vernichtende Niederlage zu. Da diese all ihre Kräfte aufgeboten hatten, gelang es Salah el Din innerhalb weniger Monate einen Großteil der Städte und Burgen des Königreichs Jerusalem teilweise sogar kampflos einzunehmen. Am 20. September begann dann die Belagerung Jerusalems. Sie endete bereits zwölf martialische Werkzeuge im Museum in Damaskus, Foto: Claus und Edeltraud Rautenstrauch 42 Tage später, mit der Übergabe der Schlüssel an Sultan Salah el Din. In den folgenden Jahren blieben schnelle Siege aus. Die Belagerung der strategisch wichtigen Hafenstadt Tyrus, die den Kreuzfahrern als Brückenkopf diente, brach Salah el Din im Januar 1188 bereits nach sechs Wochen wieder ab, ebenso wie die geplanten Eroberungszüge in die nördlichen Kreuzfahrerstaaten Tripolis und Antiochia, die ausgesetzt wurden. Im Juli 1191 ergab sich die Garnison Akkon nach mehrjähriger Belagerung den abendländischen Christen. Inzwischen waren die Teilnehmer des dritten Kreuzzuges, an dem sich fast das gesamte Abendland beteiligte, in der Levante angekommen. Unter ihnen befand sich König Richard Löwenherz von England. Mit seiner Ankunft in Akkon im Juni trug er entscheidend zur Veränderung der militärischen Situation bei. Nach mehrmaligen Verhandlungen, die immer wieder durch Kämpfe unterbrochen wurden, einigten sich der König und der Sultan am 2. September 1192 vertraglich auf einen Waffenstillstand für die Dauer von drei Jahren und acht Monaten. Der Vertrag sah vor, den Kreuzfahrern die Küste zwischen Akkon und Jaffa zu belassen. Askalon sollte an die Muslime zurückgegeben und christlichen Pilgern der freie Zutritt nach Jerusalem gewährt werden. Salah el Din kehrte nach Damaskus zurück. Im Februar 1193 wurde er schwer krank, be-kam hohes Fieber und verlor immer wieder das Bewusstsein. Am 4. März erlag er seiner Krankheit und starb - angeblich lächelnd, nachdem ihm die neunte Sure des Ko-ran vorgelesen worden sein soll. Das Reich wurde dann entsprechend der Bestimmung Salah el Dins unter seinen Verwandten aufgeteilt. Sein Leichnam wurde noch am selben Tag in der Zitadelle beigesetzt. Im Dezember 1195 wurde er dann endgültig in dem neu errichteten Mausoleum bestattet. In dem in der Nähe der Umayyaden-Moschee gelegenen Mausoleum sind heute zwei Sarkophage zu besichtigen. In dem hölzernen befinden sich Salah el Dins sterbliche Überreste. Kaiser Wilhelm II. soll bei seinem Besuch über das erbärmliche und vernachlässigte Aussehens des Sargs so entsetzt gewesen sein, daß er eine Anfertigung aus weißem Marmor veranlaßte. Salah el Dins Dschihadkonzept Salah el Dins Konzeption des Dschihad ist das Ergebnis einer langen Entwicklung, die bereits unter Mohammed mit der Expansion des Islam begann. Salah el Din war in der Hinsicht kein Neuerer, sondern benutzte effektiv die Konzepte und Methoden seiner Vorgänger. Im Folgenden wird diese Entwicklung skizziert. Unter den Abbasiden entwickelte sich zu Beginn des 8. Jahrhunderts die klassische Theorie des Dschihad. Dieser war - unter der Führung des Kalifen - verpflichtend für jeden erwachsenen Muslim. Ein dauerhafter Vertrag mit Nicht-Muslimen galt als unzulässig und war auf maximal zehn Jahre beschränkt. In jener Zeit kam es ebenfalls zu einer Differenzierung zwischen dem großen Dschihad - als das individuelle Bemühen um Selbstbeherrschung - und dem kleinen, kriegerischen Dschihad. Als Grundlage dient der Koran, der den Begriff an mehreren Stellen (Sure 9: Vers 24; 22:77; 25:54; 60:1; ...) sowohl in Bezug auf kriegerisches (9:14: "Bekämpft sie so wie sie euch bekämpfen. Allah wird sie strafen durch eure Hände, sie mit Schmach bedecken und euch den Sieg über sie verleihen") als auch auf friedliches Handeln (25:54: "Gehorche nicht den Ungläubigen und eifere wider sie mit dem Koran in großem Eifer") nennt. Die zweite kanonische Quelle sind die Hadithe - die Überlieferung der Taten und Aussprüche des Propheten und seiner Gefährten. Darin wird u. a. gesagt, daß die Teilnahme am Dschihad besser sei als 60 Jahre Gebet und das die Pforten des Paradieses unter des Islam" und dem "Haus des Krieges" - was die nicht unter muslimischem Herrschaftsgebiet stehende restliche Welt bezeichnete - wurde aufgegeben. Rechtlich stand somit dem Handel mit der christlichen Welt nichts mehr im Weg. den Schatten der Schwerter lägen. Bei den Quellen ist allerdings der jeweilige Entstehungskontext zu berücksichtigen. ten und den militärischen Anführern. Die Anfänge dazu stehen in Verbindung mit der muslimischen Rückeroberung der Grafschaft Edessa durch Zengi im Jahr 1144. Danach tauchten erstmals Inschriften an öffentlichen Gebäuden auf, die den Dschihad erwähnen, und die Bevölkerung begann allmählich die Siege darauf zu beziehen. Ethymologisch geht das Wort auf die Wurzel dschahada zurück, in der Bedeutung von sich bemühen, sich anstrengen. Die erweiterte Form wird mit "für den Islam kämpfen, Krieg gegen die Ungläubigen führen" übersetzt, wovon das Verbalnomen dschihad abgeleitet ist. Im klassischen islamischen Recht versteht man darunter eine militärische Aktion mit dem Ziel der Expansion oder Verteidigung des Islam. Im Laufe der Zeit kam es zu Veränderungen der Theorie, die an die jeweiligen politischen Bedürfnisse und Realitäten angepasst wurde. Im 10. Jahrhundert wurde die politische Fragmentierung des abbasidischen Kalifats immer offensichtlicher, durch die Entstehung von de facto unabhängigen Regionaldynastien. Die Pflicht zum Dschihad konnte nun vom Kalifen auf die jeweiligen Machthaber (Sultane) übertragen werden. Die rigide Trennung zwischen dem "Haus Als Reaktion auf die Kreuzzüge entwickelte sich der Dschihad zu einer Ideologie, die von den Herrschern propagiert wurde. Den Erfolg der Kreuzfahrer führten muslimische Gelehrte auf die Vernachlässigung der Pflicht zum Dschihad zurück womit sowohl der große als auch der kleine Dschihad gemeint waren. Dafür bedurfte es fortan einer engen Verbindung zwischen den religiösen Gelehr- Zengis Sohn und Nachfolger Nur al Din gelang die Einigung Syriens. Die Belagerung von Damaskus durch die Franken im Jahr 1148 bewirkte seine verstärkte Zuwendung an die Religionsgelehrten. Diese wurden nun aktiv in die Vorbereitungen und Durchführungen militärischer Aktionen mit einbezogen. Nur al Din förderte die Errichtung monumentaler und religiöser Gebäude. Sie dienten der Stärkung des Glaubens in der Bevölkerung, der Propaganda seiner Politik sowie der öffentlichen Darstellung seiner Person als gerechter muslimischer Herrscher und Kämpfer für den Islam. Ein Übriges vollbrachten die Hofbiographen und Poeten mit ihren Werken. Die - nachträgliche Reiterstatue von Salah el Din in Damaskus, Foto: Wikipedia - Legitimation durch den Kalifen schließlich vervollständigte das Bild. In der neueren Literatur wird darauf verwiesen, daß Salah el Din, wie seine Vorgänger, das Konzept des Dschihad maßgeblich als Instrument für die eigene Legitimation benutzte. Es erlaubte ihm darüberhinaus, seine muslimischen Gegner als unfähig oder als Verbündete der Ungläubigen darzustellen. Letztlich wären Salah el Dins Erfolg und Karriere ohne die Leistungen seiner Vorgänger nicht möglich gewesen. Salah el Din Geschichte(n) Über die Person Dins lassen sich keine verläßlichen Aussagen mehr treffen. Einen Eindruck vermittelt Ridley Scott in seinem Film Königreich der Himmel (USA 2005). Hannes Möhring schrieb eine Einführung zu Salah el Din und seiner Zeit (München 2005). In Form eines historischen Romans erzählt Tariq Ali die Geschichte Salah el Dins (München 2001). Eine knappe wissenschaftliche Biographie, zusammengestellt aus verschiedenen arabischen Quellen findet sich bei Hamilton Gibb unter dem Titel The Life of Salah el Din (Oxford 1973). Christian M. Jolibois, geboren in Karlsruhe hat einen karibischen Hintergrund und studierte Islamwissenschaft und Volkswirtschaft an der Freien Universität zu Berlin. 43 Orientalischer Tanz im ADTV Shalimar® E. Möhler neue Beauftragte Der Deutsche Tanzsportverband (DTV) hat Shalimar® E. Möhler erneut zur offiziellen Beauftragten des DTV für orientalischen Tanz ernannt. DTV-Präsident Franz Allert und der Bundeslehrwart Horst Krämer hoben ihre hervorragende und professionelle Arbeit sowie ihren unermüdlichen Einsatz zur Integration des orientalischen Tanzes in der Deutschen Sportorganisation lobend hervor. Als Mitglied im Ausschuss für Breiten-, Freizeit- und Gesundheitssport und der Tanzsport-Trainervereinigung der Bundesrepublik Deutschland (TSTV e.V.) ist die Tanzlehrerin aus Biebergemünd die bundesweite Koordinatorin und Ansprechpartnerin für Fragen rund um den orientalischen Tanz im DTV. dung über eine Deutsche Meisterschaft bis hin zur Zulassung als Teilnehmer bei den Olympischen Spielen. Von offizieller Seite ist damit die Fachübungsleiterausbildung für orientalischen Tanz (FÜL-C-OT) anerkannt, die von vielen Tänzerinnen jahrelang vergebens gefordert wurde. Jedoch entspricht die Fachübungsleiterausbildung nicht einer Berufsausbildung, die es im orientalischen Tanz nicht gibt. Seit drei Jahren organisiert Shalimar im Spitzenverband des Deutschen Olympischen Sportbunds die Ausbildung und Qualifizierung der Fachübungsleiterinnen in dieser neuen Breitensportdisziplin und bildete bereits über 60 lizenzierte Lehrkräfte für Tanzsportvereine aus dem gesamten Bundes- Der DTV ist ein Spitzen- und Fachverband des Deutschen Olympischen Sportbundes DOSB (ehemals "Deutscher Sportbund - DSB") mit ca. 220.000 Mitgliedern. In ihm sind weitere Spitzen- und Fachverbände wie der Deutsche Fußballbund (DFB), der Deutsche Turnerbund (DTB), der Deutsche Handballbund (DHB) u. a. organisiert. Dies entspricht insgesamt etwa 27 Millionen Mitgliedern (ca. jeder 3. Bundesbürger). Der DOSB untersteht dem für Sport zuständigen Bundesinnenministerium und bestimmt als zuständiges Organ eigenverantwortlich das gesamte deutsche Verbandssportwesen, angefangen von der Übungsleiterausbil- gebiet aus. Damit trug sie ihren Teil bei, diesen Tanz von seinem Klischee behafteten Image als Animationstanz zu befreien. In vielen Vereinen, Tanzschulen, Volkshochschulen und Fitnessstudios ist nun auch der orientalische Tanz als Angebot nicht mehr wegzudenken. Anzeige 44 Weitere Infos unter: www.uebungsleiter-ot.de www.dtv.de, www.tanzsport.de Tribal Dance Al-Maqam sprach mit Samira Fotos: André Elbing Samira, was ist Tribal eigentlich genau? Es ist ein absoluter Phantasietanz, der in den 60er Jahren in Amerika entstanden ist. Man suchte eine Auftrittstanzform, die man auf Märkten, unseren Mittelaltermärkten vergleichbar, tanzen kann. Es wurde dann irgendetwas Künstliches zusammengesetzt und das war der Grundstock für den Tribal Dance. Man nannte das "Elemente der verschiedensten ethnischen Gruppen", vor allem vom Kostüm her, mittlerweile auch musiktechnisch und fügt das irgendwie zusammen und das ist dann Tribal. Der Begriff "Tribal Style Belly Dance" stammt aus den 60er/70er Jahren, als "in Kalifornien ein Bedarf nach Tänzen entstand, die aussahen, als wären sie von alten Stämmen (Tribe = Stamm) so wie sie reisende Emigranten vor 400 Jahren in Amerika getanzt haben könnten." So stand es einmal in der TanzOriental. Die große Jamila Salimpour gab sich größte Mühe mit "lebendigen Traditionen und Zeitzeugen aus früheren Jahrhunderten, aus Miniaturen, Gemälden und Grafiken ein Repertoire an Tribal-Tänzen für eine Show zusammen zu stellen." Das sagt eigentlich alles. Sie kreierte etwas anhand von Bildern. Das war der eigentliche Ursprung des Tribal Dance. Die Fat Chance Belly Dance Gruppe hat dann alles ein bisschen mehr kultiviert und dann ist es nach Europa, nach Deutschland rübergeschwappt. Ich habe gelesen, dass der Tribal möglicherweise schon vor 40 Jahren in Amerika entstanden ist. Damals gab es bei uns ja auch schon diese Mittelalterszene. Ja, die gab es, da wurde aber nicht versucht, etwas zu fusionieren, sondern wirklich die alten überlieferten Tänze wieder aufleben zu lassen und weiter zu tanzen. Wodurch unterscheidet sich der Tribal Style Dance vom orientalischen Tanz? Durch die Definition, durch das Kostüm, durch die Musik usw. Aber vor allen Dingen - das ist leider Gottes bei vielen Gruppen heute nicht mehr, ich bin eine der wenigen, die das wirklich noch durchführt, dass man diesen Tribal Dance auch tanzen kann ohne Choreographie, mit Zeichen und manchmal sind auch Laute entwickelt worden, so dass die Gruppe genau weiß, jetzt kommt das oder jetzt kommt das: nach rechts, nach links, nach vorne oder wie auch immer. Ich kann mit meiner Gruppe zu irgendeiner Musik auftreten, egal was, wenn es nicht gerade ein 9/8Rhythmus ist. Also ein gerader Rhythmus und dann sieht es immer aus, als ob wir eine Choreographie tanzen 45 würden, tun wir aber nicht. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass wir uns jetzt schon so lange kennen. Da braucht man nur mit dem Finger zu zucken, dann wissen die schon, was ich will. Aber ich könnte das auch mit fremden Gruppen machen. Also, wer die Grundlagen nach Fat Chance gelernt hat, so wie eigentlich alle Gruppen, alle Stämme angefangen haben auf der ganzen Welt, mit dem könnte ich zusammen tanzen, selbst mit einer Tribal Gruppe aus Japan. Das wäre ohne weiteres möglich, wenn ich mich an die Originalsprache halte und keinen Dialekt einführe. Das ist auch etwas ganz Wichtiges. Dazu gehört jetzt meine Frage, ob man Tribal tanzen kann, ohne Kenntnisse im orientalischen Tanz. Ja, ich sage ja. Die Damen haben es dann etwas schwerer, vor allem weil einige Bewegungen auch aus dem orientalischen Tanz kommen. Z. B. "stehende Achten", also Hüftschleifen, die weichen, weiblichen Bewegungen, die können natürlich gelernte orientalische Tänzerinnen manchmal wesentlich besser ausführen als eine, die ganz neu dazu gekommen ist. Ich habe in meinem Stamm auch eine, die früher mit orientalischem Tanz absolut nichts zu tun hatte. Die hat sich mittlerweile wunderbar eingefügt. Das war überhaupt kein Problem. Wie kam es zu der Bezeichnung “Stämme”? Warum nennt es sich eigentlich "Tribal"? Wegen dieser Mittelaltergeschichte. Man hat ja damals etwas Ursprüngliches gesucht. Ich denke da - das kommt mir jetzt so ganz spontan - an Indianerstamm. Amerika - Indianer Stämme. Da hat auch jeder Stamm eine eigene "Mode" oder Bemalung oder wie auch immer. Also eigene Kennzeichen, eigene Traditionen? Das ist auch so etwas Besonderes. Beim Tribal bildet sich eine ganz feste Gruppe. Es ist anders als im orientalischen Tanz. Wenn eine dazu kommt, der pappt man die Choreographie hin und die Musik und sagt, jetzt lern das. Und dann kriegt sie ihren Platz und basta. Beim Tribal Stamm geht das so nicht so ohne weiteres. Wenn die Frauen eine zeitlang zusammen sind, dann entsteht da etwas un-ter ihnen. Das erlebe ich jedes Mal wieder. Es gibt natürlich auch Gruppen, da entsteht gar nichts. In der Regel ist es so, dass etwas entsteht. Dann sind die Frauen eine eingeschworene Gemein- schaft. Dann überlegen sie auch: Wie zeichnen wir uns jetzt gegenüber anderen Stämmen aus - mittlerweile gibt es ja eine ganze Menge. Was machen wir mit unseren Kostümen, um etwas anders auszusehen oder wie machen wir die Bemalungen? Machen wir uns alle Punkte oder Striche oder wie auch immer? Ganz wichtig auch, wie nennen wir uns. Das ist fast noch wichtiger als im orientalischen Tanz: Die Gruppe Sowieso Sowieso. Das ist dann halt die Gruppe. Aber hier, mein Hauptstamm heißt Ganesh. Also, das sind die Ganeshas. Das ist etwas ganz Festes, ganz Eigenes. Jetzt hast du auch schon die nächste Frage mit beantwortet nach den Stammeszeichen und den Tattoos. Also, wir Ganeshas haben einen stilisierten Elefantenkopf als Stammeszeichen. Das hat sich mal so ergeben. Da hatte ich mal eine Idee, ein Elefant, und jetzt ist das so ein Kringel mit einem Punkt drin. Aber jede Gruppe überlegt sich da etwas. Ich habe einen zweiten Stamm, der ist jetzt seit einem Jahr zusammen. Die haben sich vor zwei Wochen den Namen "Nakanja" gegeben. Das ist eine indische Schlangengöttin, die steht auch für die Behüterin des Wassers, der Frauen sowieso. Sie hat einen Frauenoberkörper und einen Schlangenunterleib. Da haben die Mädels schon gesagt, da können wir uns wunderbar Schlangen aufmalen. D. h. die Gruppe sucht sich selbst den Namen und die Zeichen dazu? Tribal in Urform 46 Ja, also erst gibt es ein paar Frauen, dann entsteht eine Gruppe bzw. ein Stamm und irgendwann kommt dann unwiderruflich die Frage, “Wie nennen wir uns?” Dann haben wir uns erst einmal einen Arbeitsnamen gege- ben und dann kommt da plötzlich eine an: "Ich hab' da was entdeckt" und schon sind alle dabei und sagen, "Das ist es!" Dann haben die ihren Namen und dann geht es direkt los, wie geht das mit den Zeichen, wie sollen wir uns darstellen, was malen wir uns ins Gesicht, um zu sagen, wir sind die Nakanjas. Es gibt ja schon viele Stämme, die sich spezialisieren auf z. B. Mittelalter, Nordafrikanisch, Afrikanisch, Indisch, Zigeuner usw. Dann haben sie auch spezielle Stammeszeichen, Tattoos, Kostüme usw.? Ich mache ja diese Tribal Show. Die Idee für diese Show ist mal bei einem Tribal Treff entstanden. Erst hielt ich eine reine Tribal Show für zu langweilig. Vor fünf Jahren wäre es das auch gewesen, weil im Prinzip alle, bis auf ganz wenige Ausnahmen, ähnliche Kostüme angehabt hätten, also alle sehr mittelalterlich, mit Turban und ganz viel Schmuck usw. und auch alle wahrscheinlich ähnliche Musik gehabt hätten. Es wäre alles irgendwie gleich gewesen. Dann ging eine rasante Entwicklung los. Jeder überlegte sich, wie kann ich mich da absetzen von dem Stamm sowieso oder von den Normalstämmen. Deswegen habe ich dann auch gewagt eine Tribal Show zu machen. Es ist wirklich Wahnsinn, was sich da entwickelt, nicht nur hier in Deutschland, sondern auch in Holland und jetzt habe ich die ersten Kontakte zu einer ungarischen Gruppe. Und nächstes Jahr sind mehrere ungarische Gruppen und eine tschechische dabei. Also, ich bin total gespannt. gefragt. Ich habe gesagt, ich habe nicht die leiseste Idee. Ich schätze aber, dass locker 300 oder 400 Gruppen mittlerweile in Deutschland existieren. Scharazad meinte, das wäre etwas zu viel, aber ich denke, dass das doch relativ realistisch ist. Allein, wenn ich denke, es haben sich bei mir für die nächste Tribal Show fast dreißig Gruppen angemeldet, um bei mir mitmachen zu dürfen. Also, wie gesagt, es weiß keiner genau, aber es gibt mittlerweile sehr, sehr viele. Dadurch ist auch wieder ein ganz neuer Markt entstanden: der afghanische Schmuck, der alte Schmuck, diese ganzen Berbersachen. Was ganz interessant ist, das erlebe ich also auch, über diesen Tribal erinnert man sich oder beschäftigt sich plötzlich mit den wirklichen Ursprüngen der Tänze. Also z. B. indischer Tanz oder Ghawazee oder Berbertänze oder was auch immer. Ich merke also immer mehr, dass man sagt, wir wollen ein bisschen mehr aus diesem Bereich nehmen. Wie sieht der Tanz denn wirklich aus. Und dann sucht man sich eine Lehrerin nur für diesen Tanz und dann wandele ich das dann ab für meinen Tribal. Und zum Schluss die Frage, wie bist Du eigentlich zum Tribal gekommen? Soll ich ganz ehrlich sein? Ich habe das erste Mal Tribal gesehen, das muss mittlerweile so ca. 6, eher 7 Jahre her sein - beim Bundesverband für orientalischen Tanz, das werde ich nie vergessen - und fand es scheußlich. Ich muss dazu sagen, das war abends spät, in einem total überfüllten, stickigen Raum. Und dann habe ich meine eigene Tanzschule eröffnet, also Tanzschule für orientalischen Tanz, also reinen Bauchtanz. Da kam eine Schülerin zu mir und hat mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, Tribal zu unterrichten. Erst habe ich gedacht, nee. Aber andererseits habe ich mir gedacht, ich bin ja jetzt auch Geschäftsfrau. Wenn dann so etwas kommt, beschäftige dich doch mal damit. Dann habe ich angefangen, mich damit zu beschäftigen, habe darüber auch Scherazad kennen gelernt, die das damals ja schon in Deutschland unterrichtete, hab mal ein paar Workshops besucht usw. und hab mit ein paar Mädels, die ich schon länger aus meiner Tanzschule Hast du eine Idee, wie viel Tribalgruppen oder Stämme es inzwischen in Deutschland gibt? Hat mich Scherazad auch letztens martialischer Säbeltanz 47 kannte einfach angefangen. Das ist eingeschlagen wie eine Bombe. Wir hatten alle einen irrsinnigen Spaß daran. Ich habe immer weiter Workshops besucht, immer wieder neue Eindrücke bekommen, Schritte, Kombis, habe DVDs und Videos geguckt. Und dann haben wir zusammen einiges entwickelt. So bin ich dazu gekommen. Eigentlich nur, weil eine Schülerin gefragt hat. Sonst hätte es wohl noch ein paar Jahre länger gedauert. Dann waren in null Komma nichts 11 Frauen zusammen. Wir sind jetzt seit 5 Jahren und 7 Monaten zusammen. Fast alle von Anfang an dabei geblieben. Einige wenige sind weggegangen. Aber es sind auch ein paar neue nachgerückt. Bei der Gelegenheit fällt mir noch eine Frage ein. Ich habe irgendwo gelesen: "Der Stamm ist vollständig", was heißt das? Das heißt, dass alle Mitglieder dabei sind. Also mein Stamm besteht zurzeit aus 11 Mitgliedern und er ist vollständig, wenn alle 11 da sind. Ich hatte das so verstanden, dass maximal vielleicht 15 Mitglieder in einen Stamm passen. Nein. Also theoretisch kannst du mit unendlich vielen zusammen tanzen. Das ist dann eine Frage der Räumlichkeiten. Scherazad hat es in der ersten Triba Show geschafft, mit 120 Frauen zusammen zu tanzen. Im Kloster Langenwaden, wo ich ein Tribaltreffen mache, haben wir letztes Jahr mit 40 Frauen zusammen getanzt. Das war ein Wahnsinnserlebnis. Und alle verstehen die Grundsprache, und alle können zusammen tanzen. Ich glaube, in Berlin gibt es niemanden, der Tribal macht, oder? In Berlin, …? Also, ich weiß, dass immer mal jemand kommt und einen Workshop anbietet. Aber von einer Gruppe habe ich bisher noch nichts gehört. Das muss Spaß machen, egal ob man dick oder dünn, groß oder klein ist. Das kriegt man schon irgendwie passend zusammen. Bei meinem Stamm ist die jüngste 29 und die älteste wird diese Jahr 60 und wir haben von 50 kg bis 100 kg alles dabei. Jede hat ihre Qualitäten und kann die auch mit einfügen. Das passt schon, es muss nicht alles gleich groß sein und gleich dünn sein. Ich hab' noch einen ganz großen Traum: was den Tribal anbelangt, eine Welt umfassende Veranstaltung zu machen. Also, ich habe ja jetzt angefangen mit dieser Tribal Show. Die ist ja im Prinzip schon fast europaweit, kann man sagen. Irgendwann wird sich auch mal eine Gruppe aus Frankreich, oder weiß ich woher, melden. Aber das ist wirklich ein Traum von mir, wenn z. B. Ursprungsgruppen wenn Fat Chance, oder was davon noch existiert - aus Amerika kommen würde, aus Nordeuropa und - ich weiß in Australien gibt es Gruppen von überall her, wenn die mal hierher kommen würden. Aber da muss ich jetzt erst einmal einen Sponsor suchen, der das alles finanziert. Ein bisschen ist es ja jetzt auch verbreitet worden über die Belly Dance Superstars. Es ist schon irre, was die Sharon Kihara in Gang gebracht hat. Das versuchen auch viele umzusetzen. Ich persönlich kann das nicht, das ist nicht mein Ding. Aber es gibt einige Gruppen, die können das fantastisch. Das kommt hervorragend rüber, dann nicht alleine sondern in der Gruppe. Dankeschön für das Gespräch. Ja, dann hätte ich gern auch ein Belegexemplar für mein Tagebuch. Ich habe nämlich für die Ganeshas, das ist meine Stammgruppe, ein Tagebuch, von jedem Auftritt oder wenn bei uns im Studio irgendetwas Besonderes passiert. Das sind zwei ganz dicke Aktenordner voll. Das ist sehr interessant, was dort alles drin ist. Eine russische Zeitschrift, Bauchtanzzeitschrift, hat etwas über unseren Tribal hier geschrieben. Ich hab' es mir übersetzen lassen, das war sehr interessant. Tribal auf mongolische Art 48 Alles Tribal Benefiz-Veranstaltung Text: Alexandra Trapp, Meike Münch Fotos: André Elbing Trommelgruppe KIBO DAIKO und das Tribal Dance Ensemble Asita Am 29. April 2006 veranstaltete SAMIRA (Monika Wiemann) in Viersen die zweite TRIBAL-STYLE-DANCE Show zu Gunsten der Fibromyalgie Liga e. V. Tribal Dance hat in den vergangenen Jahren auch in Deutschland stark an Popularität gewonnen, ein regelrechter "Tribal-Boom" hat sich in der orientalischen Tanzszene breit gemacht. Das faszinierende am Tribal ist, dass alle Gruppen ihren eigenen Stil und Ausdruck finden und ihrer Kreativität freien Lauf lassen können, sei es in der Art zu tanzen oder in dem Stil der Kleidung. An diesem Abend stellten insgesamt 16 Gruppen ihr Können und ihre Freude am Tanz unter Beweis, was dem Publikum ein abwechslungsreiches Programm bescherte. Den Anfang machte die Gruppe AKRAM AS AKTHAR, deren Stammesmutter RANJA ihre Frauen just aus Attilas Harem nach Viersen geführt hat. Shahrazad und Ensemble Sechs mit Säbeln bewaffnete und in Leder gehüllte Amazonen hatten es zunächst auf die Köpfe einzelner Gäste abgesehen, formierten sich dann aber auf der Bühne und boten einen abwechslungsreichen Tanz mit zahlreichen Kreisformationen. Die Gruppe MYSTIC ORIENTAL musste als erstes mit technischen Schwierigkeiten fertig werden, da immer wieder eine falsche Musik aufgelegt wurde. Aber die Tänzerinnen haben dies souverän mit einem herzlichen Lachen gemeistert. Die BENAT KOM OMBO aus Engelskirchen, Vertreterinnen des GYPSY TRIBAL, zeigten Tänze mit Tamburin und fliegenden Röcken zu 9/8 Rhythmen. Die 10 Zigeunerinnen traten sehr selbstbewusst und keck auf und brachten lautstark ihren Spaß am Tanzen zum Ausdruck. Es kam "echte" Balkanstimmung auf. Im Anschluss zeigten PANTHA REI (= alles fließt), dass Tribal eine Mischung, ein fließender Übergang zu verschiedenen Tanzstilen ist. Sie mischten arabische Folkloretänze mit indischer Gestik und tanzten mit Stöcken. Die Gruppe BENAZIR trat zu mittelalterlicher Musik von CORVUS CORAX und CULTUS FEROX auf. Die jungen Frauen trugen Turbane und hatten schillernde Saris um. Diese Saris entpuppten sich jedoch während des Tanzes als Fahnen, die wie Isis-Flügel an den Enden mit Stöcken versehen waren und mit denen eindrucksvolle Bilder gezaubert wurden. Verschleiert und mit Säbeln bewaffnet wirkten die Tänzerinnen der Gruppe GOONDARANI bedrohlich wie Wüstenkrieger. Sie boten eine gekonnte Säbelperformance und bewiesen danach auf flotte BOLLYWOOD Musik ihr Rhythmusgefühl, indem sie mit einer Art Klanghölzern tanzend immer schneller werdende Rhythmen schlugen. Nach der Pause eröffnete die Gruppe HANDS, HIPS & CIRCUMSTANCES den zweiten Teil der Show und bot nach einem kurzen Intro für die Glücksgöttin Fortuna Tribal Dance im Zeichen von GYPSY CARAVAN. DAHRI RAKASAT bedeutet "Tänzerinnen für immer" und die acht Frauen haben es sich zum Ziel gesetzt, ihren inneren Trommler zu finden und zu erwecken. Gänzlich ohne Musik improvisierte der Stamm im ersten Teil auf Klatschen, Stampfen und Zunge schnalzen, sogar das Rauschen der weiten Röcke wurde in die eigene Klangkomposition einbezogen. Im Anschluss präsentierte sich BENAT MANAT mit Tänzerinnen aus Holland und Deutschland. Weiter ging es mit dem aus Ungarn stammenden Tribe EMEL TRIBAL, der bewies, dass Tribal grenzen- und alterslos ist. Der Tanzlevel der 15 Tänzerinnen war so unterschiedlich wie ihr optisches Erscheinungsbild. Jede trug ein anderes Outfit, nach ihrem eigenen Geschmack eben. Eine ausgefeilte Choreographie der Stammesmutter sorgte dafür, dass die unterschiedlichen Levels sich dennoch sehr stimmig und homogen präsentierten. Die erste holländische Showtanzgruppe für Tribal Style, TRIBAL MYSTICA, schuf mit gedimmter Bühnenbeleuchtung und Schwarzlicht den mystischen Rahmen für ihre per- 49 fekte Ode an frühere weibliche Kriegsstämme und Heldinnen, die wohl jedem Zuschauer eine Gänsehaut bescherte. Der Stamm ALLAT DALANDA unter der Leitung von APSARA HABIBA, als afrikanische Kriegerinnen gestylt, mit einer wilden Kriegsbemalung und Schildern und Speeren bestückt, zeigte eine sehr temperament- und kraftvolle Tanzshow, die die Zuschauer vom ersten Moment an fesselte. Der letzte Programmblock wurde von der TAIKO Trommelgruppe KIBO DAIKO aus Duisburg eröffnet. ("Ki" = "geistige Kraft" und "Bo" = [Trommel-Stock] Das TRIBAL DANCE ENSEMBLE ASITA zeigte danach einen farbenprächtigen Afro-Tribal. Ein weiteres Highlight bot die Gruppe THE UZUME, deren Tänzerinnen wie Geishas auf die Bühne schwebten. Ihre Hüften wurden von Bambusranken geziert und sie boten ein wahrhaft exotisches Bild. Abwechslungsreich und mit Lebensfreude gepaart zeigte die Gruppe ARAGIRA unter der Leitung von SHALIA aus Koblenz, dass Tribal seinen festen Platz in der Mittelalterszene hat großes Finale 50 und sogar zu mongolischer Musik tanzbar ist. Darüber hinaus zeigte KYRA als Solistin ihren bisher einzigartigen TRIBAL-STEP. Die Gruppe SHIR O'SHAKAR nahm das Publikum mit auf eine Reise von Indien über NordAfrika bis zu den Balearen. Die Gruppe zeichnete sich besonders durch ihren sehr gefühlvollen Ausdruck aus. Gefühlvoll und imposant präsentierte sich ebenfalls SHAHRAZAD & ENSEMBLE, die als WEIßE HORDE die Bühne eroberten. Inspiriert durch URBAN TRIBAL und fernöstlichen Tempeltanz entführten sie - mit thailändischen Fingerspitzen bestückt und mit sphärischer Musik - die Zuschauer in eine andere Welt. Im Anschluss daran trat die Gruppe GANESH unter der Leitung der Gastgeberin Samira auf. Von Live-Musikern unterstützt zeigten sie eine reine Improvisation, wobei zum Schluss noch ein Musiker mit Digeridoo-Spieler dazu kam. Zum Finale bedankte sich Samira nochmals bei allen Gruppen und zeichnete Shahrazad als "Mutter" vieler Tänzerinnen aus. Sharazad führte dann auch beim letzten Tanz weit über 100 Tän- zerinnen auf der Bühne an und es bot sich ein unvergesslicher Eindruck. Auch im nächsten Jahr wird Samira wieder zur Tribal-Show nach Viersen einladen und man darf jetzt schon auf die neuen Ideen der Tänzerinnen gespannt sein … Tribal-Infos www.samira-habibi.de mit einer regelrechten Datenbank www.tanz-oase.de www.apsarahabiba.de/tribal.htm http://de.wikipedia.org/wiki/Tribal_Styl e_Dance www.fcbd.com www.tribal-style-dance.info www.oriental-dance.net/lexikon-tribaldance.html www.goondarani.de u. v. a. My country is a paradise Warum eine Deutsche von syrischen Olivenplantagen träumt und eine Syrerin von "Herz 4" Samia Susann Trabolsi “My country is a Paradise” versprach Jusuf seiner Frau Beate vor 23 Jahren und ein Leben im Olivenhain nahe der türkischen Grenze, bevor sich die naturverbundene Hamburgerin mit ihrem frisch vermählten Ehemann in Aleppo, einer schmutzigen lauten und großen Stadt, wiederfand und seitdem dort Deutsch unterrichtet, damit syrische Studenten ihrem „Paradies“ Deutschland ein kleines Stückchen näher kommen Warme Sonnenstrahlen fallen ins Zimmer und lassen die bunten Kissen mit orientalischen Mustern leuchten. Eine orange-gelbe Katze schlängelt sich an der Familie vorbei in den Vorgarten, wo mehrere Pullis und Hosen auf der Leine hängen, ausschließlich Frauensachen, durch eine große Hecke geschützt vor dem Blick der Fußgänger. Tage wie heute sind selten, an denen die Familie Schubert freitags zusammen sitzt und frühstückt. Das ist deswegen so, weil die Töchter Juana (17) und Djamila (24) in den Wintermonaten ein paar Häuserblocks entfernt bei ihrem Vater Jusuf leben. Seit 24 Jahren lebt Beate im syrischen Aleppo, der Heimatstadt ihres Mannes. Nach einem Streit mit der Familie des Mannes zog das junge Paar mit beiden Kindern vom Land nach Aleppo. Das war für Beate die erste große Enttäuschung, denn nach Syrien ging die Hamburgerin nur, weil sie das Stadtleben in Hamburg satt hatte: „Ich träumte damals von einem Leben auf einer Olivenplantage nahe der syrisch- türkischen Grenze. Und mein Exmann sagte immer: My country is a paradise. Wir träumten von einem Haus in der Natur. Stattdessen landete ich hier in Aleppo, einer lauten Stadt, die niemals zu schlafen scheint. Ich habe mich getrennt, das hätte ich nie geglaubt, denn er war die große Liebe meines Lebens. Wir haben uns in Rom kennen gelernt, aber als ich in Syrien ankam, stellte ich fest, dass er noch nie gearbeitet hat, denn er ist der Sohn eines Großgrundbesitzers. Das einzige, was er tut, ist malen.“ Die Mädchen decken widerwillig den Frühstückstisch ab, ein Wortschwall aus Arabisch und Deutsch erklingt, bis die Badezimmertür laut ins Schloss fällt. In drei Stunden wird Juana ein Date haben, und die 19jährige kann sich nicht entscheiden, was sie anziehen soll. Aleppo bekannt und so hilft Mahmoods ganze Familie, die 400 Lira (sechs Euro) zusammenzukratzen, die eine Deutschstunde kostet. Dafür versprechen sie sich jedoch auch eine Unterstützung, wenn aus Mahmood dann ein Arzt geworden ist. Während Beate an der Tafel im Wohnzimmer erklärt, dass alle Wörter mit der Endung „chen“ stets sächlich sind, tropft in der Küche der Tchibokaffee durch die Kaffeemaschine. Die älteste Tochter Djamila holt eine große Tasse aus dem Schrank: „So gewöhnen sich die Studenten meiner Mutter langsam an den deutschen Kaffee, bevor sie in Deutschland sind. Hier in Syrien wird nämlich Mokka, also Kaffee mit Kardamon, getrunken. Den macht man ohne Kaffeemaschine, nur in einem Metallkännchen auf dem Feuer.“ Auf die Frage, ob sie es schwierig finde, als Tochter einer deutschen Mutter und eines syrischen Vaters in Syrien zu leben, überlegt Djamila nicht lang: „Also die Syrer sehen mich als Syrerin mit deutschem Verhalten, da mir meine Mutter mehr Freiheiten lässt.“ Und Es klingelt an der Tür, Mahmood, ein Medizinstudent, betritt den Raum. „Setz dich, willst du einen Kaffee?“ fragt Beate auf Deutsch. Mahmood versteht und bejaht. Er ist einer der vielen Syrer, die nach Deutschland wollen, um dort ihr Glück zu finden. Dafür muss er jedoch Deutsch lernen. Beate ist als gute Lehrerin in Frau mit Viehfutter, Foto: Barbara Schumacher 51 lachend fügt sie hinzu: “Ein Junge meinte jedoch einmal zu mir M ´ ade in Germany´ “. In Deutschland sei das Leben für ein Mädchen einfacher, erklärt sie. „Du kannst einfach auf der Strasse laufen, ohne dir bewusst sein zu müssen, wie du lachen musst, wie du laufen sollst, wen du ansprechen sollst. Das ist viel unkomplizierter. Bei uns ist es nicht so. Man muss immer daran denken, was die Leute jetzt von einem denken. Das kann ich gar nicht ertragen, denn ich bin ein sehr offener Mensch, und die Regeln hier stören mich sehr. Außerdem lügt man in Syrien öfter als in Deutschland, man redet drum herum, ehe man etwas Konkretes sagt. Die Deutschen dagegen sind viel direkter, dafür aber haben sie weniger Leidenschaft, kümmern sich weniger um die Familie und arbeiten zu viel. Was ich nicht gut finde, ist, dass sie die Ausländer nicht mögen. Aber vielleicht ist das auch normal, es gibt ja auch sehr viele.“ Juana betritt fertig gestylt die Küche: In weißen Stiefeln und einer engen Röhrenjeans: „So etwas trägt man hier, das ist ganz normal. Auch die Haare müssen gefönt sein und Make up darf nicht fehlen. Das kann sich in Deutschland keiner vorstellen, wie die syrischen Frauen aussehen, wenn sie ausgehen. Die Deutschen mögen kein Make up, aber hier gehört das dazu.“ Djamila schaut prüfend das Outfit ihrer Schwester an und runzelt die Stirn: „Nein, ich finde es nicht gut, dass sich Juana so stark schminkt. Auch nicht, dass sie Stiefel anzieht, in denen sie kaum laufen kann. Wenn ihre Mutter die sehen wird…!“ Das Telefon klingelt, Juana springt in den Korridor, greift zum Hörer, kichert und flüstert leise. Djamila grinst: „Hier in Syrien hat jeder einen Freund, aber es geheim zu halten, ist sehr kompliziert, aber wichtig. Wenn man mit einem Jungen alleine auf der Strasse läuft, der nicht mit dir verwandt ist, reden alle schlecht über dich. Es gibt Stress mit den Eltern und der Polizei, die dich anhalten und fragen, ob du mit dem Jungen verwandt bist. Hier ist das sehr streng, selbst eine einfache Unterhaltung bringt Probleme. Das ist für mich ein Grund, nach Deutschland zu gehen. auf dem Gemüsemarkt, Foto: Claus und Edeltraut Rautenstrauch 52 Dort unterscheidet man zwischen Freundschaft und Liebe, man redet nicht schlecht über dich und wird nicht falsch verstanden!“ Beate versucht, ihre Kinder westlich zu erziehen und dennoch orientalische Bräuche und Regeln zu beachten, damit ihre Kinder im Alltag nicht anekken. Doch das ist eine schwierige Gradwanderung: „Natürlich sind die Mädchen in einem Alter, wo sie gerne ausgehen und sich mit Jungs unterhalten wollen, ohne gleich ans Heiraten zu denken. Doch die Gesellschaft erzieht immer mit. Meine Kinder verhalten sich trotz meiner offenen Erziehung sehr orientalisch.“ Für Djamila ist klar, wenn sie ihr Geschichtsstudium beendet hat, wird sie nach Deutschland gehen: „Ich fühle mich sehr wohl in Deutschland, dort bin ich einfach viel natürlicher, einfach mehr ich …“ Lautes Schimpfen im Korridor. Juana blockiert das Telefon schon eine Stunde und die Mutter zieht den Stecker. Juana setzt sich maulend in die Küche und gießt sich einen Kaffee ein. In vier Monaten wird die Schülerin ihre Abiturprüfung haben. Bis Ostern will sie in Deutschland sein und sich einen Ausbildungsplatz suchen. Obwohl sie schon oft in Deutschland war, ähnelt der Traum der 19jährigen Stereotypen amerikanischer Serien: „Ich stelle mir ein großes Büro in einem Hochhaus vor mit einem Geschäftsmann, für den ich arbeite, ich bin die Privatsekretärin und ich kann alles bestimmen, das finde ich toll.“ Einen Anfang in Deutschland stellt sich Juana überhaupt nicht schwer vor. Lediglich das Deutsch und das Englisch muss verbessert werden: „Außerdem habe ich ein Konto in Deutschland, da ist zwar nicht viel drauf, aber ich habe von „Herz vier“ gehört und da kriegst du die Miete bezahlt und noch ein bisschen Geld dazu. Das finde ich super. Bei uns in Syrien kriegst du gar nichts bezahlt. Das ist doch schon mal ein Anfang. Ich habe gehört, dass man das mit Abitur kriegt, deswegen arbeite ich jetzt dran, das ich das „Herz vier“ kriege.“ Djamila lacht und kneift der jüngeren Schwester scherzhaft in die Wange: „Das Haaaartz Vieeeeer“ kriegste nur mit einer „Vier“, da brauchst du Dich gar nicht anzustrengen, Juana, Ralisa*!“ Die Mutter weiß, was auf ihre Kinder in Deutschland zukommen wird. Die Umstellung wird schwer sein: „Ich weiß nicht, ob sie das alleine schaffen werden. Hier ist man sehr behütet von der Familie, in Deutschland müssen die Kinder viel früher mehr Eigenständigkeit zeigen. Auch meine Deutschstudenten, die ich unterrichte, denken, da passiert etwas ganz Großes, wenn sie nach Deutschland kommen. Sie werden von mir deswegen zeitig genug darauf vorbereitet, dass sie in Deutschland nur einige von vielen Ausländern sind und das Leben schwer ist. Das genau ist für mich ein persönlicher Konflikt, da ich oftmals schon vorher ahne, dass viele Studenten, denen ich die deutsche Sprache beibringe, unglücklich aus Deutschland zurückkehren werden.“ Juana hat sich entschlossen, doch noch den blauen Pulli anzuziehen und nimmt ihn von der Leine im Vorgarten. Es beginnt zu nieseln, das Mädchen flucht. „Das ist einfach heute kein guter Ausgehtag!“, sagt sie. Die orange-gelbe Katze windet sich um ihre Beine. Nur noch 10 Minuten, dann kommt das Taxi. „Die sind in Deutschland viel teuer als hier. Da fahren die Leute nur Taxi, wenn sie Geld haben“, erklärt sie. Manchmal hat Juana Angst, dass Deutschland für junge Leute im Club, Foto: Samia Susann Trabolsi sie kein Paradies sein wird und ihre Träume platzen werden, genauso wie die Vorstellungen der Mutter über ein Leben in syrischen Olivenhainen. „Klar wird das eine große Veränderung werden, wir sind ja hier in Syrien aufgewachsen und unsere syrische Familie ist hier und mein Vater, aber trotzdem freue ich mich sehr auf Deutschland. Ein bisschen Angst habe ich davor, dass mir die Deutschen nicht wirklich gefallen und ich feststellen muss, dass sie nicht so sind, wie ich dachte, dass sie nicht zu mir passen, aber ich denke schon, es klappt alles.“ Es klingelt an der Tür, der nächste Student kommt. Beate Schubert stöhnt, denn sie ist müde, der Tag wird lang. Fast 10 Stunden arbeitet die Alleinerziehende für die teure Miete und den Lebensunterhalt. Trotzdem bereut sie es nicht, nach Syrien gegangen zu sein: „ Ich hatte eine schwere Zeit, als ich mich von meinem Mann trennte, der Kontakt zu meinen arabischen Freunden ist seitdem weniger geworden, weil die Ehemänner Angst davor haben, dass ich als allein stehende westliche Frau einen schlechten Einfluss auf ihre Frauen ausüben würde. Also habe ich mehr mit Deutschen zu tun, die hier wohnen. Aber ich genieße trotzdem mein Leben hier in Syrien, ich bin viel durch das Land gereist und habe tolle Menschen kennen gelernt. Ich bin jetzt über 50. Seit 23 Jahren lebe ich also hier in Aleppo. Ich habe mal gesagt, ich bin hier lebenslänglich. Nach 25 Jahren werde ich bei guter Führung begnadigt. Zurück nach Deutschland will ich aber nicht. Das geht nicht, wenn man in einem warmen Land gelebt hat. Ich kann mir Sri Lanka oder Afrika vorstellen. Dort kann man sicher auch als Deutschlehrerin arbeiten. Allerdings habe ich meine Töchter hier und bevor ich nicht weiß, was die machen und ob sie in Deutschland glücklich sind, gehe ich von hier nicht weg.“ Ein Taxi hupt vor der Tür. Juana springt aus dem Haus. Sie hat sich doch noch einmal umgezogen. Eine Tüte ist in ihrer Hand, worin sie die weißen Stiefel versteckt hat, deren Absätze ihre Mutter viel zu hoch findet. Beate ruft ihr etwas hinterher, doch die Taxitür ist schon zu. * Ralisa- Du Doofe! 53 Sensationsfund in Syrien Deutsche Archäologen entdecken Königsgrab Claudia Groh mit freundlicher Genehmigung des ZDF-Kulturmagazings ASPEKTE Oft ist es die richtige Mischung aus Geduld und Entdeckergeist, die Archäologen belohnt. Im Fall Qatna ist es genau so: Zwei Mal muss das Tübinger Forscherteam um Prof. Dr. Peter Pfälzner den Syrienaufenthalt verlängern, dann endlich stoßen die Wissenschaftler in der größten Palastruine Vorderasiens auf königliche Grabkammern aus der späten Bronzezeit. Als am 25. September 2002 in einem Korridor unter dem Thronsaal des Königspalasts die ersten Fundstück aus dem Königsgrab, © Altorientalisches Seminar, Uni Tübingen; Fotograf: Konrad Wita Keilschriften freigelegt werden, gehen die Forscher auf dem Ruinenhügel von Tell Mishrife mit neuem Eifer an die Grabungsarbeiten. Schon seit 1999 arbeitet das internationale Projekt mit syrischen, italienischen und deutschen Archäologenteams vor Ort in Qatna. Das deutsche Team hat seinen Standort in Tübingen und steht unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Pfälzner. Das syrische Team ist in Damaskus stationiert und steht unter Leitung von Dr. Michel Maqdissi. Die Ausgrabungsstätte liegt im Westen Syriens, rund 200 Kilometer nördlich der Hauptstadt Blick auf den königlichen Palast von Süden, © Missione Archeologica dell’Univertisà di Udine a Mishrifeh, Dir. Daniele Morandi Bonacossi 54 Sowohl die Hethiter mussten auf ihrem Weg nach Ägypten durch das Hoheitsgebiet der syrischen Könige, als auch die Babylonier auf Reisen zum Mittelmeer. Qatna war von 1800 bis 1600 v. Chr. ein völlig autonomes Königreich. Auf Grund seiner strategisch günstigen Lage an zwei Handelswegen konnten seine Herrscher über die Jahrhunderte ungeheure Reichtümer anhäufen. Erst als Qatna um 1600 v. Chr. unter den Einfluss der Mitanni fällt, wird es zum Vasallenstaat degradiert. Den Endpunkt und das völlige Verschwinden der syrischen Könige markiert die legendäre Schlacht um Kadesch 1260 v. Chr. Damals beanspruchen sowohl Hethiter als auch Ägypter den Sieg Luftbild des Grabungsgebietes, © Altorientalisches Seminar, Uni Tübingen; Fotograf: Konrad Wita für sich. Damaskus und ganz in der Nähe der modernen Großstadt Homs. Auf einer Fläche von einem Quadratkilometer ragen hier noch immer die Festungswälle der Palastruine vielversprechend in den Himmel. Ehrgeiziges Ziel der Forscher ist es, nach und nach das gesamte Areal großflächig freizulegen. Ausgerechnet die Tübinger haben Glück: In ihrem Quadrat liegen die königlichen Grüfte. Bei den Grabungsarbeiten an dem rund 50 Meter langen Korridor, dessen Niveau ständig abfällt, stoßen die Archäologen am 10. November 2002 auf eine Tür. Hier mündet der Gang in eine Kammer, die von schweren Steinmauern eingefasst ist. Die Archäologen vermuten: Es muss die Außenkammer der Grabanlage sein. Doch anfangs blokkieren Schutt und Geröll den Eingang der in den Fels gehauenen Grabkammer. Zunächst können die Wissenschaftler nicht tiefer in das Dunkel der Grabkammern vordringen. Zu groß wäre die Gefahr, sich mit Schimmelpilzen zu infizieren, die sich in der jahrtau- Den syrischen Königen nützt das wenig. Ihre Kultur geht unter. Um so spannender, dass jetzt mit der Entdekkung der Königsgräber unglaubliche Funde auf die Forscher warten. sendelang von Luft abgeschlossenen Kammer ausgebreitet haben könnten. Das Team könnte dann der "Fluch des Pharao" ereilen. Deshalb montieren die Forscher eine Kamera an eine lange Stange und schieben sie durch eine kleine Öffnung in den Innenraum. Die ersten "Funde" müssen sie daher auf dem Bildschirm bestaunen. Die große Überraschung ist: Von der Hauptkammer gibt es anscheinend Zugänge zu drei anderen Grabräumen. Und in einer dieser Nebenkammern sieht man bereits einen weiteren Sarkophag. Vor allem die zwei Statuen vor der Grabkammer sind das Indiz dafür, dass es sich in Qatna um das Königsgrab handelt. Bevor die Grabungen allerdings weitergehen können, müssen erst die Proben aus den Räumen der Grabkammer in Deutschland analysiert werden. Wenn dann die Trennwand abgebaut ist, wird es noch einmal einige Tage dauern, bis die Forscher die Gruft betreten können. Denn zunächst muss der Boden bearbeitet werden. Die Spezialisten aber sind sehr zuversichtlich. Infos unter: Prof. Dr. Peter Pfälzner Altorientalisches Seminar, Tel.: 0 70 71 29 7 67 71 Fax: 0 70 71 29 50 56 e-mail: [email protected] www.qatna.de www.qatna.org 55 Ausstellung Saladin und die Kreuzfahrer in den Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim Die Ausstellung in den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim hat sich zur Aufgabe gesetzt, die Begegnung zweier Welten, der zwischen Orient und Okzident - bewusst mit einer Anspielung auf die aktuellen Geschehnisse - zur Zeit der Kreuzfahrer zu zeigen. Mit 300 Exponaten aus Museen, Bibliotheken und Sammlungen in Europa und dem Orient, ergänzt um Modelle von Burgen, Kirchen und anderen Bauwerken dokumentiert die Ausstellung Saladin und die Kreuzfahrer die Begegnung zweier Kulturen im Orient. ebenso legendären Richard Löwenherz (1157 - 1199) thematisiert die Ausstellung kriegerische Begegnungen und friedlichen Austausch einer Zeit, die viele Jahrhunderte lang Historiker und Dichter gleichermaßen faszinierte. 1099 eroberten die Kreuzfahrer unter der Führung Gottfrieds von Bouillon Jerusalem. Er war der Gründer des Königreichs von Jerusalem. Erst 1187 konnte Saladin die Heilige Stadt zurück erobern. Der englische König Richard Löwenherz hatte vergeblich versucht, Jerusalem für die Christenheit zurückzuerobern. 1192 schlossen Saladin und Richard Löwenherz einen Waffenstillstandsvertrag, der die Herrschaft über Jerusalem in Saladins Hände legte. Dieser gewährte allen christlichen Pilgern freien Zugang zu den heiligen Stätten. Highlights der Ausstellung Orient trifft Okzident Am Beispiel des sagenumwobenen Sultans Saladin (1138 - 1193) und dem Saladin und die Kreuzfahrer stellt beide Kulturen gegenüber und beleuchtet inwieweit sie sich beeinflussten, insbesondere in ihrer Kunst und Kultur. Über den Handel erfolgte ein intensiver Austausch von Waren, Währungen, Wissen und Kunsttechniken. Schmuck, Textilien und Gebrauchsgegenstände, aber auch Waffen und Schriftstücke geben Einblick in das vielschichtige Leben und die unterschiedlichen Kulturen im Heiligen Land - darunter Ausstellungsstücke wie die Reiterstandbild von Salah el Din in Damaskus, Foto: M. Ayman Haykal 56 Dose des Malik al-Aziz, ein bedeutendes Zeugnis ayyubidischen Metallhandwerks, und der Lateinische Psalter der Königin Melisende, das früheste noch erhaltene, komplett bebilderte Gebetbuch aus dem 12. Jahrhundert aus dem Königreich Jerusalem. Begegnung oder Konfrontation der Welten? Auch die politische Aktualität dieses Themas spiegelt sich in der Ausstellung der Reiss-Engelhorn-Museen. Deutlich wird, wie die Region des Vorderen Orients in der Zeit von etwa 1000 n. Chr. bis 1200 n. Chr. von Phasen erbitterter Konkurrenzkämpfe arabischer Fürsten untereinander, vernichtender Schlachten gegen die Kreuzfahrer und friedlicher Koexistenz bestimmt war. Von einem "Laboratorium des kulturellen Miteinanders" kann dennoch nicht die Rede sein, wie es im umfangreichen Katalog zur Ausstellung heißt. Auf jeden Fall aber zeigt die Ausstellung, dass das Zusammenleben von Christen, Juden und Muslimen über lange Zeitspannen hinweg unblutig und friedlich und bisweilen sogar kooperativ möglich war. Infos: Reiss-Engelhorn-Museen, D5 68159 Mannheim Telefon 0621/293 31 50 Fax 0621/293 95 39 E-Mail: [email protected] www.rem.mannheim.de Ins Heilige Land Pilgerstätten von Jerusalem bis Mekka und Medina Fotografien des 19. Jahrhunderts Zeitgleich zur Ausstellung Saladin und die Kreuzfahrer zeigt das Forum Internationale Photographie (FIP) Reisebilder des Orients aus seiner Sammlung historischer Fotografien. Erstmals werden in dieser Ausstellung europäische wie einheimische Pioniere der arabischen Fotografie vorgestellt und wissenschaftlich aufbereitet. Die Ausstellung Ins Heilige Land zeigt die weltweit einzigen erhaltenen Albuminabzüge der Aufnahmen von Jerusalem des berühmten Mannheimer Reisefotografen Jakob August Lorent aus dem Jahr 1864. Ein weiteres Highlight ist unter anderem ein zwei Meter langes Panorama Jerusalems, eine exakte Bestandsaufnahme der Stadt im 19. Jh. - in außergewöhnlicher fotografischer Schärfe und Detailgenauigkeit. Die führenden Reisefotografen der Zeit, z. B. Félix Bonfils, Tancred Dumas, Bruno Hentschel, Hippolyte Arnoux, Jakob August Lorent, Mohammed Sadiq Bey, Christiaan Snouck Hurgronje und al Sayyid Abd al Ghaffar vermitteln dem Besucher die Welt des Orients, wie sie Pilger und Reisende im 19. Jahrhundert erlebt haben. Ergänzt wird die Präsentation durch anonyme Reisealben, darunter das der Orientreise von Kaiser Wilhelm II. 1898. Die ersten Porträts von Pilgern aus den verschiedenen Kontinenten, die sich auf der Pilgerfahrt, Medina, Foto: Sadiq Bey, 1880 Foto: Forum Internationale Photographie (FIP), Reiss-Engelhorn-Museen der Hadsch, an den heiligen Stätten des Islam aufhielten, wurden von dem holländischen Arabisten Christiaan Snouck-Hurgronje angefertigt, dem wir auch die ersten ethnologischen Schilderungen arabisch-islamischer Sitten und Gebräuche verdanken. Die Ausstellung lädt den Besucher ein, die Städte des Heiligen Landes und ihre Sehenswürdigkeiten in geografischer Abfolge zu entdecken. Er folgt dem Blick des Reisenden des 19. Jh.s und gelangt an die Orte Jaffa, Jerusalem, Bethlehem, Bethanien, Jericho, Nazareth, Tiberias, Damaskus, Balbeck, Palmyra und Beirut, an den Jordan und ans Tote Meer. Es werden Zeitdokumente zu allen drei monotheistischen Religionen vereint. So ist sie nicht nur ein historischer Rückblick auf ein zentrales Stück Fotografiegeschichte, sondern auch ein Beitrag zum Dialog der Kulturen. In der Edition Braus erscheint ein Katalog mit einer Auswahl von Abbildungen der ausgestellten Fotografien. Fotografien von Felix Bonfils: www.charlesnesphotography.com/ex hibition/exhibition-page1.html /www.iznik-galerie.de/ghr_fotos.htm http://naegelke.a.tuberlin.de/offen/sammlung/einzelarch.php?D1=Bonfils&D2=F%E9lix 57 Der Vater des ägyptischen Romans Zum Tod von Nagib Mahfouz Ulrike-Zeinab Askari Nagib Mahfouz im Café, Foto: Unionsverlag Am 30. August 2006 verstarb Nagib Mahfouz, der berühmteste arabische Schriftsteller. Er ist fast 95 Jahre alt geworden und hat im Laufe seines Lebens so manchen Wandel miterlebt, den er auch in seinen Werken verarbeitet hat. Geboren (11. 12. 1911) und aufgewachsen ist er in der Altstadt von Kairo, die er kaum einmal verlassen hat, lediglich, wie die meisten mittelständischen Ägypter, im Sommer für einen Urlaub am Meer in Alexandria. Das Land selbst hat Mahfouz nur zweimal verlassen. Selbst zur Verleihung des Literaturnobelpreises reiste er nicht persönlich. Den nahmen seine Töchter 1988 für ihn entgegen. Ganz Kind seiner Stadt ist er geprägt von seinen Vorstreitern der Nahda wie etwa Taufik al Hakim, dem "Vater des arabischen Theaters", Taha Husain, dem Intellektuellen und Mitgestalter der modernen Literaturkritik, und Jussuf Idris, der die moderne Form der Kurzgeschichte in der arabischen Literatur etabliert hat sowie der Phase des 58 Aufbruchs in den 20er Jahren in Ägypten, als die ersten Tageszeitungen gegründet wurden, politische Parteien und Gewerkschaften entstanden, mit Huda Shaarawi (Begründerin der ersten Frauenrechtsbewegung in Ägypten) die erste Frau 1923 öffentlich ihren Schleier ablegte und das geistigintellektuelle Leben Ägyptens aufblühte. Einerseits kämpften die Intellektuellen für die Unabhängigkeit Ägyptens vom britischen Mutterland, andererseits erhielten viele von ihnen in dieser Zeit ihre Ausbildung in Europa, kamen so mit Theater, Film und Literatur in Kontakt und gründeten in Kairo erste Kunstgalerien und literarische Salons. Nach seinem Studium der Philosophie arbeitete der Sohn einer kleinbürgerlichen Familie bis zu seiner Pensionierung 34 Jahre lang als Beamter in der ägyptischen Verwaltung (im Ministerium für kulturelle Angelegenheiten). Vom Schreiben allein hätte er nicht leben können. Aber das hatte ihn nicht abhalten können, nebenher zu schreiben. Insgesamt umfasst das Werk des sehr kreativen und disziplinierten Schriftstellers 40 Romane, Novellen und Theaterstücke, 15 Kurzgeschichtensammlungen und 25 Drehbücher. 35 seiner Romane oder Kurzgeschichten sind entweder verfilmt worden oder lieferten zumindest die Idee für einen Film (Meister Hassan, 1952, Dein Tag wird kommen, 1952, Raiya und Sekina, 1953, Das Ungeheuer, 1954, Jugend einer Frau, 1956, Anfang und Ende, 1960, mit Omar Sharif in einer der Hauptrollen, und viele andere), wodurch er überhaupt erst dem breiten ägyptischen Publikum, das auch heute noch zu einem hohen Prozentsatz aus Analphabeten besteht, bekannt geworden ist. Mahfouz thematisierte in seinen Werken u. a. das Leben in seinem Viertel (Kairo-Trilogie 1956/57, dt. 1996), was bis dahin in der arabischen und ägyptischen Literatur nicht üblich war. Mit dem Roman Die Midaq-Gasse, 1947, dt. 1985, wird erstmals überhaupt die arabische Literaturkritik auf ihn aufmerksam. Hier schildert er nicht nur das Leben in einer typischen Gasse der Kairoer Altstadt sondern auch das Sterben des alten Viertels, den Tod der Traditionen, der Werte wie der Ethik und Moral, der Menschlichkeit und Solidarität. Die Journalistin Erdmute Heller nannte Mahfouz einen "Anwalt der kleinen Leute, der Ausgestoßenen, Unterdrückten und Entrechteten, deren Schicksal bis dahin unter dem Deckmantel der Moral, der Religion und der Heuchelei verschwiegen worden war." Andere verglichen ihn gar mit Thomas Mann, Charles Dikkens oder Honoré de Balzac. Ist doch die Kairo-Trilogie, bestehend aus den drei Gesellschaftsromanen Zwischen den Palästen, Palast der Sehnsucht, und Zuckergässchen, eine ausführliche Schilderung des Kairoer Kleinbürgertums. In Die Kinder unseres Viertels, 1959, dt. 1990, ging Nagib Mahfouz noch weiter und verfasste quasi eine Menschheitsgeschichte, in denen Figuren wie Adam, Moses, Jesus und Mohamed auftreten und falsche Heilslehren angeprangert werden. Der Vorabdruck in der Tageszeitung Al Ahram verursachte eine derartige Empörung unter den streng Religiösen, dass der Vorabdruck eingestellt werden musste. Und bis heute wurde dieser Roman noch immer nicht auf Arabisch veröffentlicht. Mahfouz, der selbst ein toleranter und liberaler Muslim war, setzte sich nicht nur mit diesem Roman für die Trennung von Staat und religiösen Institutionen nach türkischem Vorbild - ein. Sein Engagement und seine Offenheit brachten ihm aber auch Feinde ein. 1994 wurde er das Opfer eines fanatischen Attentäters, der ihn mit Messerstichen schwer verletzte. Bis heute dürfen viele seiner Werke in manchen arabischen Staaten noch immer nicht veröffentlicht werden. Naguib Mahfouz hatte zunächst die Schilderungen der politischen Zustände und dann die Enttäuschung über die Errungenschaften der Revolution von 1919 in historischen Romanen verpackt (in seinen pharaonischen Romanen Echnaton, dt. 1999, Che- ops, dt. 2005 und Radubis, 1943, dt. 2006). Auch später sind seine Schilderungen des Lebens der "kleinen Leute" immer sozial-kritisch, aber dennoch verständnis-, ja liebevoll geschrieben, in einer Sprache, die dem Volk entlehnt ist. Er ist der erste, der nicht mehr die schwülstige Sprache der klassischen arabischen Dichtung und Epen für seine Romane benutzt, sondern die Sprache reduziert, glättet, säubert, von allem Überflüssigen befreit. Nichtsdestoweniger bleibt er dennoch in der arabischen Erzähltradition, er ist und bleibt ein Ägypter, der seine Traditionen hat (den täglichen Besuch im Caféhaus) und ohne seine Jahrtausende alte Kultur ohne Wurzeln wäre. In den 60er Jahren geht Mahfouz von der Schilderung der Vergangenheit ab und stellt die Gegenwart in den Vordergrund. In Hausboot am Nil, 1966, dt. 1982, thematisiert er die Enttäuschungen nach der Revolution der "freien Offiziere" 1952, die entgegen aller Hoffnungen die Verstaatlichung des Grundbesitzes und die Industrialisierung des Landes vorrangig betreiben, von einer Demokratie aber weit entfernt sind. Immer wieder wagt Nagib Mahfouz Vorstöße in neue literarische Bereiche (Der letzte Tag des Präsidenten, 1984, dt. 2001), gleich aber bleibt durch sein gesamtes Schaffen hindurch sein Engagement für Freiheit und Gerechtigkeit. Durch die Verleihung des Literaturnobelpreises 1988 wird schließlich nicht nur die arabische sondern auch der Rest der Welt auf ihn aufmerksam. So ist er für viele Kollegen in der arabischen Welt ein Pionier. Ab Anfang der 90er Jahre entstehen im Schweizer Unionsverlag vermehrt deutsche Übersetzungen. Aber nicht nur Nagib Mahfouz ist damit als Schriftsteller von Interesse sondern die arabische literarische Welt an sich wird über die Geschichten aus Tausendundeiner Nacht hinaus entdeckt. Nagib Mahfouz hat sich mit seinem literarischen Werk bereits selbst ein Denkmal gesetzt. Wem das noch nicht genügt, der kann die lebensgroße Bronzestatue mit dem typischen Spazierstock, der Sonnenbrille und dem Buch unterm Arm auf dem Kairoer “Midan Sphinx” bestaunen. Nagib Mahfouz im Ali Baba Café, Foto: John Green weitere Informationen über Nagib Mahfouz www.unionsverlag.com/info/person.as p?pers_id=1357 www.marabout.de/machfus/machfus.h tm#radubis 59 Buchervostellungen Arabische Erzähltradition Ulrike-Zeinab Askari Agatha Christie: Erinnerungen an glückliche Tage, Scherz Verlag, 3. Aufl., 2000, 224 S., geb. Ausg., 9,90 Euro Eine ganz andere Agatha Christie begegnet uns hier: eine Frau, die trotz ihres viktorianischen Umfeldes (geboren 1890) einen Sinn für Toleranz hat, der weit über das hinausgeht, was sonst bei Orientreisenden Anfang des 20. Jahrhunderts üblich war. Für Agatha Christie ist Syrien eine faszinierende Landschaft, die einerseits ihre Reize, andererseits aber auch ihre Schattenseiten hat. Ebenso sind die Menschen nicht alle freundlich, hilfsbereit und gastfreundlich sondern es gibt auch Schlitzohrige, Gierige, Arbeitsscheue, Laute, Unbequeme wie eben überall auf der Welt. Die "Erinnerungen" beschreiben eine Reise mit ihrem zweiten Mann, dem Archäologen Max Mallowan, von London durch Europa mit dem Zug und schließlich mit dem Auto bis zu den endgültigen Grabungsstätten. Wie lebten die Menschen dort früher, wie leben die Syrer 60 dort heute und wie leben die Archäologen dort, wenn sie sich für eine bestimmte Zeit in Syrien für Grabungen einrichten. Mit welchen kulturellen Unterschieden werden sie konfrontiert, wie kommen sie dennoch zu einer Einigung, wenn es Missverständnisse oder Probleme gibt. Das alles schildert Agatha Christie humorvoll und nicht ohne Selbstironie. Dennoch verklärt Christie nichts, sieht die positiven Aspekte genauso wie die negativen, verurteilt aber niemals, wertet nicht. Leicht plätschert ihre Erzählung dahin. Agatha Christie verwöhnt den Leser mit einem exquisiten Sprachstil. Ihre Sprache ist einfach, blütenreich, fast viktorianisch zu nennen, bildhaft. "Erschöpft verlassen wir das Postamt und kehren zu unserem Zeltplatz am Fluss zurück, den wir etwas entfernt vom Staub und Schmutz von Hassatché ausgesucht haben. Uns grüßt ein trauervoller Anblick. Den Kopf in den Händen vergraben sitzt 'Isa, unser Koch, vor dem Küchenzelt und heult. Was ist denn passiert? Großes Wehgeschrei. "Schande über mich. Jungen haben mich eingekreist und verspottet. Meine Ehre ist weg!" Als er einen Augenblick nicht aufpasste, haben Hunde das fertig gekochte Nachtmahl gefressen. Es ist nur noch etwas Reis übrig geblieben. Verdrossen essen wir den Reis ohne alle Zutaten, während Hamoudi, Aristide und Abdullah dem armen 'Isa einbläuen, eines Koches erste Pflicht sei es, sich mit ungeteilter Aufmerk- samkeit der Zubereitung des Essens zu widmen, bis dieses wohlbehalten serviert ist. 'Isa klagt, dass er sich seiner Aufgabe nicht gewachsen fühle. "Ich bin nie im Leben Koch gewesen ("Das erklärt vieles", bemerkt Max) und viel lieber möchte ich in einer Garage arbeiten. Sie können mich doch als erstklassischen Fahrer empfehlen?" wendet er sich an meinen Mann. Max lehnt entschieden ab, da er ihn nie fahren sah. "Aber", insistiert 'Isa, "an einem kalten Morgen habe ich den Motor der Dikken Mary angekurbelt. Das haben Sie doch gesehen?" Max gibt es zu. "Dann können Sie mich auch empfehlen." Eine ganz andere Agatha Christie, die Lust auf Lesen macht, auf gepflegte Sprache, die man lesen sollte, wenn man sich mit dem Vorderen Orient und speziell mit Syrien befasst. wird und man sich drinnen beschäftigen muss. Legen Sie schon mal die Schere, den Kleber und den Bleistift bereit. Und verzaubern Sie sich selbst, Ihre Umgebung und all Ihre Lieben mit vielen schönen kleinen Geschenken im Orient-Stil. Tina Kröner: Deko-Ideen im OrientStil, Mit Vorlagen, Christophorus Verlag, Freiburg i. Br. 2006, 34 S., 6,90 Euro Geht es Ihnen auch manchmal so, dass Sie nicht so recht wissen, was Sie als kleines Gastgeschenk mitbringen sollen, zum Geburtstag oder zu sonstigen Anlässen. Er oder sie hat schon alles, glauben Sie. Na dann schauen Sie doch mal in dieses Heftchen. Da gibt es immer noch Anregungen, entweder zum Selbermachen oder Sie verschenken einfach das komplette Heft zum Nachmachen. Der Reihentitel Wohn-Deko ist allerdings etwas irreführend. Ich dachte spontan an Inneneinrichtung im orientalischen Stil. Es geht in diesem Heftchen aber lediglich um Deko-Gegenstände wie Lampen, Spiegel, Tabletts, Bilderrahmen, Schächtelchen, Flaschen, Vasen, Kissen usw. Ein kleines Heftchen von nur 34 Seiten, aber mit viel Inhalt, übersichtlich aufgebaut, auf jeder Seite eine Beschreibung der Vorgehensweise, dazu am Rand noch einmal die benötigten Materialien, gegebenenfalls mit Hinweis auf die Arbeitsvorlage, auf der sich zahlreiche verwendete Muster und Motive finden und auf der gegenüberliegenden Seite ein Foto des fertigen Endproduktes. Da kann man es kaum erwarten, dass es bald wieder ungemütlich draußen Marie Fadel und Rafik Schami: Damaskus. Der Geschmack einer Stadt. Oasen für die Sinne, Sanssouci Verlag 2002, geb. Ausgabe, 208 S., 14,90 Euro Vieles an diesem Buch ist ungewöhnlich: Die "Verpackung" in einem Schuber, das Format, ein schmales, hochkant Taschenbuch, aber dennoch gebunden. Und schließlich auch der Inhalt. Nicht wirklich Kochbuch und auch kein Stadtführer sondern eher ein Blick zurück in die eigene Kindheit und Jugend, die Rafik Schamit mit seiner Familie in der Altstadt von Damaskus verbracht hat. Interessant und außergewöhnlich auch die Entstehung des Buches: Marie Fadel, Rafik Schamis Schwester, wandert durch das Viertel und besucht alte Bekannte. Dabei erinnert sie sich, welche Spezialitäten dort gekocht wurden. In einem Telefonge- spräch erzählt sie ihrem Bruder in Deutschland davon, der schließlich alles zu Papier bringt. Der Spaziergang durch die Altstadt von Damaskus bekommt so eine sehr persönliche Note. Eingestreut hat Schami Interessantes und Informatives und der Leser biegt bald mit Marie und Rafik um die Ecken und hat den Duft von frisch gebackenem Brot oder von Kebab und anderen Köstlichkeiten in der Nase. Die Rezepte runden dann die jeweiligen Spaziergänge ab und machen schnell Lust auf Nachahmung. Eine kleine Gewürz- und Kräuterkunde rundet das Buch ab. Schade nur, dass die wenigen Abbildungen im Text nur klein und in schwarz-weiß sind. Aber das ist vielleicht wie mit dem Essen. Man kann viel über die gute Küche Syriens lesen, deswegen kann man sie immer noch nicht verstehen. Man muss sie tatsächlich probieren. Und mit diesem Buch ist es sogar relativ einfach geworden, die besten typischen Gerichte nachzukochen. Und auch die schönsten Fotos hätten nicht den Eindruck bieten können wie ein realer Spaziergang durch die Altstadt. Na, und wann geht der nächste Flieger nach Damaskus? 61 Radubis ist ein Roman, der im alten zu Füßen lagen. Doch nun hat sie sich verliebt und ist nicht mehr Herr der Lage. Das Schicksal hat die beiden zusammengeführt. Beinahe erinnert die Stelle an griechische Sagen, ein Adler hat eine goldene Sandale von Radubis gestohlen und lässt sie genau über dem Pharao wieder fallen. Damit nimmt die Geschichte ihren Lauf. Und wie aktiv die eine oder andere Figur im Roman auch sein mag, gegen das scheinbar bereits beschlossene Schicksal kommen sie nicht an. Das Ende ist für den Leser von Anfang an absehbar und unabwendbar. Der Pharao, der sich nicht einmal durch seine Liebe zu Radubis davon abbringen lässt, die Ländereien der Priester zu konfiszieren, um die Staats- anzuwenden. Es entspinnen sich politische Intrigen, aber es ist zu spät. Das Schicksal nimmt unerbittlich seinen Lauf. Letzten Endes stürmt das Volk den Palast und der Pharao stirbt in Radubis Armen. Auch sie setzt ihrem Leben ein Ende, denn es ist jetzt sinnentleert. Dass Mahfouz in seinem Roman, der bereits 1943 auf Arabisch erschien, auf die eigene ägyptische Situation anspielt, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Immerhin herrschte zu der Zeit, als er diesen Roman schrieb, in Ägypten noch König Faruk I, der einen sehr verschwenderischen Lebensstil hatte. Seine Staatskasse füllte er vornehmlich aus den Einnahmen der Großgrundbesitzer, die durch die Ägypten spielt, dennoch würde ich ihn nicht als historischen Roman bezeichnen. Zwar haben beide Hauptfiguren tatsächlich gelebt, aber es kommt Mahfouz nicht darauf an, die historischen Einzelheiten detailgetreu zu schildern. Er schildert vielmehr die Liebesgeschichte zwischen der schönen Kurtisane Radubis und dem Pharao Merenra. Im Mittelpunkt scheinen die verworrenen Gefühle einer Frau zu stehen, die es gewohnt war, dass ihr die Männer kasse wieder aufzufüllen, bleibt bis zum letzten Augenblick hart. Er tut es um seiner Glaubwürdigkeit und seiner Würde Willen. Er war dabei aber so pflichtvergessen, dass er einerseits die eingenommenen Gelder für seine Geliebte verschwendet und andererseits nichts hört und nicht sieht, was in seinem Staat vorgeht. Die Priesterschaft hat das Volk gegen ihn aufgewiegelt. Als er es endlich erfährt, versucht er von Radubis angestiftet - eine List "freien Offiziere" nach deren Putsch 1952 enteignet werden sollten. Selbst wenn man nicht in die tiefen Anspielungen vordringt, ist es ein lesenswerter Roman, der die Verstrickung der menschlichen Gefühle sehr feinfühlig darstellt. Nagib Mahfouz, Radubis, dt. von Doris Kilias, Unionsverlag, 2006, 267 Seiten, 19,90 Euro Anzeige 62 Göttlicher Hüftschwung in Trainingshose Svetlana Georgieva Dolphina:,"Bauchtanz. Der sanfte Weg zu einem besseren Körpergefühl", Dorling Kindersley, London, 2005, Seitenzahl: 160, Preis 14,90 Euro In Ländern mit orientalischem Kulturerbe wird der Bauchtanz von Frau zu Frau, meist in familiären Kreisen weitergegeben. Da wir im Westen nicht zu den direkten Erbinnen des Bauchtanzes gehören, versuchen bei uns u.a. Bücher diese Lücke zu füllen. In den 80er Jahren begann die Bauchtanzwelle (aus USA) Deutschland zu überfluten. Seitdem sind zahlreiche Ratgeber mit vielversprechenden Titeln erschienen. Eine der neueren Erscheinungen wurde 2005 von der amerikanischen Bauchtänzerin und Fitnesstrainerin Dolphina herausgebracht. Wie so einiges, was aus den USA zu uns kommt, scheint es neue Trends zu setzen. Bereits auf den ersten Blick vermittelt es ein Life-Style-Gefühl. Selbstbewusste Frauen im sportlichen TrainingsZweiteiler lächeln uns von den Buchseiten aus an. Ein zartes Hüfttuch erinnert an den Bauchtanz. Doch etwas über den Tanz erfahren wir hier nur am Rande. Einen historischen Zugang finden wir auf zwei Seiten (mit Photos), auf denen uns die komplette Geschichte des Bauchtanzes von der Steinzeit bis heute, mit allen bekannten Namen, Begriffen und ebenso mit allen Klischees entgegengeschleudert wird. Dem folgt eine noch knappere Einführung in das anatomische und tanztechnische Grundwissen. Was hier im Vordergrund steht, ist offensichtlich nicht der Tanz sondern ein modern aufgemachtes Wellness-Produkt. Das am Bauchtanz orientierte Bewegungsprogramm wird in die Reihe der soften Trainings wie Yoga, Pilates und Co. aufgenommen. Die Liste von Dolphinas Schülerinnen glänzt mit prominenten Namen wie Salma Hayek, Heather Locklear, Pamela Anderson u. a. Nun sind wir also dran. Das "Work-out der Göttin" soll sanft den Körper formen und zum Selbstbewusstsein beitragen. Über die Bezeichnungen der einzelnen Übungen - eine seltsame Mischung aus deutscher und englischer Sprache - habe ich etwas gestutzt. So lernen wir einerseits den "Hüftschwung", andererseits den "Hip-Circle", einmal den "Hip Camel", ein anderes Mal den "Kamelgang". Unter neuen stilistischen Schöpfungen wie "Hip Hop" oder "Chest Slide" verbergen sich auch nur alte Bekannte, wie der Hüftkick und das Brustschieben. Abgesehen von diesen kritischen Anmerkungen, halte ich den überwiegenden Teil des Buches - die Bewegungsanleitung - für durchaus praktikabel. Die Wiedergabe von Bewegungstechnik durch die graphische Gestaltung setzt im Vergleich zu bisherigen Tanzbüchern neue Maßstäbe. Die Seiten sind lichtdurchflutet und bieten dem Auge viel Abwechslung. Die Beschreibungen der einzelnen Bewegungen werden weniger verbal sondern eher graphisch dargeboten. Dazu verhelfen Photographien aus den verschiedensten Perspektiven. Manche Bewegungen wurden grafisch übereinandergelappt, mit jeweils unterschiedlicher Farbstärke der einzelnen Bewegungssequenzen. Dies ermöglicht das Beobachten von Bewegungsabfolgen auf dem Papier. Farbige Pfeile lassen uns die Bewegungsrichtung nachvollziehen. Als besondere Hilfestellungen sind in kleineren schwarz-weißen Kästchen fehlerhafte Bewegungen und Körperhaltungen abgelichtet. Diese "Gegenbeispiele" halte ich für sehr nützlich, vermute dennoch, dass es AnfängerInnen schwer fallen würde, die eigenen Schwachstellen zu erkennen oder zu erspüren. Die Übungen sind sehr einfach gehalten. Der Trainingseffekt wird nicht durch das Nachstellen komplexer Bewegungen sondern durch eine stete Ausdehnung der Trainingsphasen (von 5 Min. täglich für Anfänger bis einigen Stunden für Mittelstufe) erzielt. Damit steigt die Motivation zum Training und sicherlich auch die Lust zu tanzen. Svetlana Georgieva studierte Theaterwissenschaft, Philosophie und Erziehungswissenschaft. Eine intensive Beziehung zur Musik und eine Bewegungslust von existentieller Bedeutung führten sie zum orientalischen Tanz. Ihre Erfahrungsund Forschungsarbeit mündete in ihrer Magisterarbeit an der FU Berlin: "Die Empfindsamkeit des Bauches. Orientalischer Tanz vor und nach dem 11. September." 63 Veranstaltungen Der Orient - Mythos und Moderne 21. Berliner Sommer-Uni Ulrike-Zeinab Askari Vom 28. August bis 5. September fand im Berlin zum 21. Mal die Berliner Sommer-Uni in Zusammenarbeit mit der Berliner Akademie für weiterbildende Studien e. V. statt. 10 Tage lang hielten Fachleute (Wissenschaftler, Journalisten, Botschafter u. a.) Vorträge und Seminare über das jeweilige Thema. In diesem Jahr stand das brandaktuelle Thema Orient auf dem Programm und wurde von allen Seiten her beleuchtet. So stand jeder Tag unter einem besonderen Motto wie z. Der Vortrag von Hans-Günther Gnodke, dem Beauftragten der Bundesregierung für den Dialog mit der islamischen Welt, war nahezu eine Offenbarung, lag es ihm doch am Herzen, zu betonen, dass für ihn und seine Mitarbeiter der Dialog die Alternative zum Kampf der Kulturen sei. Allerdings hinderte ihn das nicht, sehr kritisch aufzuzeigen, welche Probleme zunächst zu überwinden seien. So sei die Arbeitslosigkeit in der arabischen Welt ein großes Problem, da es nahe- Wer es genauer wissen will, sei auf das oben genannte Buch verwiesen. B. "Islam im Spannungsfeld zwischen Dialog und Konfrontation", "Werte und Integration", "Der Orient - Literatur und Medien". Aber auch Praktisches wie diverse Stadtrundgänge in Berlin mit Besichtigung von typischen Kiezen (Moabit und Kreuzberg) und Museen, von Moscheen und Friedhöfen gehörten zum Programm. Ein orientalisches Fest durfte natürlich nicht fehlen. Doch das hielt die bis zu 400 Teilnehmer - größtenteils Senioren aus ganz Deutschland und eine Gruppe von ca. 20 Personen aus Holland - nicht davon ab, die Gastredner mit diffizilen Fragen zu bestürmen. zu tabuisiert würde. Die technische Entwicklung und Modernisierung in manchen Ländern, die Prachtbauten aus der Wüste sprießen lasse, sei dagegen oft nur Fassade, um von sozialen Konflikten abzulenken. Auch sei ein "Demokratiewille" nicht "herbeibombbar". Trotz all dieser Hindernisse seien die kulturellen Barrieren nicht unüberwindbar und ein Kulturaustausch durchaus möglich. Wie die Diskussionsbeiträge der zum Teil äußerst engagierten Damen und Herren anschließend zeigte, war die Zeit leider zu kurz, das Thema angemessen zu behandeln und so wurde in so mancher Pause weiterdiskutiert. in jedem Jahr wird ein anderes Thema behandelt. Und wie intensiv kann man schon in einer Stunde auf die Frage nach den islamischen Werten eingehen, das islamische Berlin entdecken, den Dschihad verstehen oder auch nur einen Überblick über die arabische Literatur geben? Einen schönen Überblick über die europäischen Phantasien vom Orient legte Andreas Pflitsch - in Anlehnung an sein Buch "Mythos Orient" - dar. Allein der Begriff Orient rufe ein verwirrendes und vielfältiges Bild hervor das seit der Zeit der Kreuzzüge bestehe und sich aus Obszönität einerseits und Brutalität andererseits zusammensetze. Welche vielfältigen Faktoren dazu beigetragen haben, kam dann in der näheren Ausführung zur Sprache. 64 Mich lässt diese Woche dennoch etwas skeptisch zurück, weil ich mich frage, was eine solche Woche erreicht, da sie sich doch an potentiell interessierte Menschen richtet, die bereits sensibilisiert sind nach Beendigung der Sommer-Uni und in ihre wohl situierte Alltagswelt zurückkehren. Schließlich war ja auch das Thema Orient nur eines von Vielen, denn Bleibt die Frage, was folgt daraus? Nur die Beruhigung der Teilnehmer, die sich vor den Nachbarn mit Kopftuch fürchten? Oder vielleicht sogar ansatzweise ein zaghafter Dialog, der Besuch in der Moschee im eigenen Wohnviertel und die Gegeneinladung zu einem Besuch in der Kirche? Wie weit sind wir noch von einem so ungezwungenen Umgang von Christen und Muslimen entfernt, wie er etwa in Kairo ganz selbstverständlich ist, wie ihn auch Hans-Günther Gnodtke aus eigener Anschauung beschrieb, denn er ist immerhin in Kairo aufgewachsen, zur Schule gegangen, konfirmiert und schließlich auch getraut worden. Film/Kino Die syrische Braut Die Politik im kleinen Maßstab Joachim Kunz mit freundlicher Genehmigung www.Kino-Zeit.de Majdal Shams ist ein kleiner Ort in dem von Israel besetzten Teil der Golanhöhen direkt an der syrischen Grenze. Hier leben seit jeher die Drusen, eine eigenständige Religionsgemeinschaft, die in Syrien, dem Libanon und Israel beheimatet ist. Obgleich die Drusen stark von der ismailitischen Tradition geprägt sind, setzen sie sich doch weitgehend vom Islam ab. Jahrhunderte lang verfolgt, leben die Drusen weitgehend zurückgezogen, heiraten ausschließlich Glaubensgenossen und opponieren kaum gegen den Staat, dem sie gerade angehören. Auf den Golanhöhen allerdings ist die politische Lage undurchschaubar, weshalb die eine Hälfte des Dorfes Israel zugeneigt ist, während die andere mit Syrien sympathisiert. Kein Wunder also, wenn Monas großer Tag, ihre Hochzeit, von einigen Schwierigkeiten geprägt ist und eine richtige Feierstimmung nicht aufkommen will. Die junge drusische Braut (Clara Khoury) wird den syrischen Fernsehstar Tallel (Derar Sliman), einen entfernten Verwandten heiraten, doch der Neuanfang ist zugleich ein Abschied für immer, denn wenn die Braut sogar der Ausschluss aus der Gemeinschaft der Dorfältesten. Vollends zur Farce wird die Hochzeit, als die Braut nach der offiziellen Ausreise aus Israel in Syrien nicht ins Land gelassen wird, denn die Anerkennung ihres Ausreisestempels würde für die Syrer eine faktische Anerkennung der Golanhöhen als Teil der offiziellen Israels bedeuten - eine traurige Braut im Niemandsland einmal die Grenze nach Syrien überschritten hat, darf sie nicht mehr nach Israel zurückkehren. Ihr schönster Tag im Leben ist also eine traurige und todernste Angelegenheit für die ganze Familie. und zwischen den Mühlen der großen Politik. Während ihre Mutter und ihre Schwestern sie auf die Zeremonie vorbereiten, bleibt Mona ruhig und gefasst, sie lässt den Friseur ebenso über sich ergehen wie das Festessen und den anschließenden Gang zur Grenze. Zum bevorstehenden Fest hat sich die ganze verstreute Familie Monas eingefunden, und hier brechen nun die Konflikte offen aus, im kleinen wie im großen Maßstab. So darf etwa ihr Vater Hamed nicht an der Zeremonie teilnehmen, weil er offen mit den Syrern paktiert. Und noch schlimmer: Wenn sein Sohn Hatem, der eine russische Jüdin geheiratet hat, an der Feier teilnimmt, droht dem Vater Die syrische Braut ist ein nachdenklicher, trauriger und zugleich urkomischer Film über die Absurditäten, die die große Politik schafft und die ganz unmittelbare und lebenspraktische Auswirkungen auf das Leben der "einfachen Leute" hat, eine kraftvolle Parabel auf den Nahost-Konflikt, bei der das einzig Würdevolle die stoische Gelassenheit und Schicksalsergebenheit der jungen Braut ist! Der Film kam im März 2005 in die deutschen Kinos und ist inzwischen auf DVD (www.amazon.de) erhältlich. Regie: Eran Riklis, Israel Frankreich/Deutschland/Israel 2004 Hauptdarsteller: Hiam Abbas, Makram J. Khoury, Clara Khoury, Eyad Sheety, Evelyn Aplun Infos: http://www.syrianbride.com/ http://www.diesyrischebrautderfilm.de/ 65 Vorschau Die nächste Ausgabe, Nr. 4 erscheint am 20. Dezember 2006 Bücher-Special Sitten und Gebräuche in der Arabischen Welt, Teil 3 Interview mit Doris Kilias, Übersetzerin von Nagib Mahfouz Von der Idee zum fertigen Buch Urheberrecht bei den alten Arabern Arabische Kalligraphie Interview mit Hans Schiler, Verleger Weihnachten in Syrien über den Maler Ismael Shammut Die neue Shisha-Kultur in Deutschland und viele Buchrezensionen * * * * * * * * * Leserbriefe Liebe Ulrike Askari, vielen Dank für die Zusendung der neubelebten Zeitschrift. Ich sehe, mit wieviel Sorgfalt das sehr ansprechende Heft erstellt wurde ... Für die weitere Arbeit wünsche ich viel Erfolg und Glück. Mit besten Grüßen und Wünschen S. R., Kaarst Hallo liebe Ulrike, danke nochmals für das Probeexemplar, ich war begeistert! Es ist lange her, dass ich in einer orientalischen Fachzeitschrift soviel Wissenswertes und Interessantes gelesen habe! Oder überhaupt soviel lesen konnte! ... Wie gesagt, sehr viele interessante Artikel. Man hat das Gefühl, wieder was dazulernen zu können! Herzliche Grüße sendet Dir L. N., Berlin 66 Liebe Frau Askari, gestern fand ich die zweite Ausgabe von ‘“Al-Maqam” in der Post, und ich bin - wie bereits schon von der Nr. 1 begeistert: Das Layout ist ansprechend und die Inhalte sehr interessant und profund. - Es ist mir deshalb eine Freude, hiermit “Al-Maqam” zu abonnieren. Bitte richten Sie meine Empfehlung auch an den Verleger Herrn Maarouf aus: Ich weiß aus Erfahrung, dass ein solches Projekt immer unternehmerischen Mut und langen Atem braucht. Doch ich bin sicher, dass “Al-Maqam” beides verdient: Abgesehen von den o. g. Qualitäten ist es eine Freude, eine Zeitschrift in den Händen zu halten, die Sachlickeit und Enthusiamus für ihr Thema so gekonnt verbindet und dabei jede ‘Politisierung’ vermeidet. Ich bin sicher, dass es “Al-Maqam” auf dieser Basis gelingen wird, viele Menschen für die arabische Kunst und Kultur zu interessieren. Ihnen, Herr Maarouf und natürlich “AlMaqam” die besten Wünsche! J. V., Frankfurt Aida Nour, Kairo, liest die neue Al-Maqam, Foto: André Elbing Gasse in der Altstadt von Damaskus, Foto: Claus und Edeltraut Rautenstrauch www.mediaagent.net