MeineStrasse Hommagevon Barbara Honigmann 6 JensSteiner

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MeineStrasse Hommagevon Barbara Honigmann 6 JensSteiner
Nr. 2 | 22. Februar 2015
NZZ am Sonntag
Meine Strasse
Hommage von
Barbara
Honigmann
6
Jens Steiner
Porträt der
Null-BockGeneration
10
C. H. Beck
Verlag mit
250 Jahren
Tradition
12
Götz Aly
Deutschland,
ein Volk
ohne Mitte
21
Bücher
am Sonntag
Biografien
Robert Holzach zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten der
Schweizer Bankgeschichte. Fast 50 Jahre stand er im Dienst
der SBG. Unter seiner Ägide als Verwaltungsratspräsident war das
Institut äusserst erfolgreich.
«Eine lesenswerte Biografie, auch als Rollenmodell für die
Nachfolger.» Maja Wyss, Bilanz, 9. Januar 2015
«Das war noch ein echter Banker. Empfehlenswert.»
@retolipp, 21. November 2014
Claude Baumann
Robert Holzach
Ein Schweizer Bankier und seine Zeit.
Mit einem Vorwort von Henry Kissinger
304 Seiten, 58 Abb., gebunden mit Schutzumschlag
Fr. 36.–* / € 36.–
Auch als E-Book erhältlich
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In jedem Auto dieser Welt stecken bis zu 200 Komponenten der
Schweizer Firma Feintool. Gegründet hat das Unternehmen Fritz
Bösch. Dieser wollte eigentlich Radprofi werden.
«Die erstaunliche Karriere des in ärmlichen Verhältnissen
aufgewachsenen Feintool-Gründers Fritz Bösch.»
Hans Galli, Der Bund, 9. Januar 2014
«Einen tiefen, unterhaltsamen und, gerade was die Kindheit betrifft,
auch berührenden Einblick in ein Unternehmerleben.»
Tobias Graden, Bieler Tagblatt, 20. Dezember 2014
Trudi von Fellenberg-Bitzi
Fritz Bösch
Der Feintool-Gründer.
204 Seiten, 39 Abb., gebunden mit Schutzumschlag
Fr. 38.–* / € 38.–
Auch als E-Book erhältlich
nzz-libro.ch
Inhalt
Der Passionierte im
laubumrankten
Haus in Schwabing
Barbara
Honigmann (S. 6).
Illustration von
André Carrilho
Jeden Tag fährt ein freundlicher älterer Herr, «der auch Professor für
Philosophie und Geschichte sein könnte», mit dem Velo durch MünchenSchwabing – vorne im Einkaufskorb ein paar Bücher und Manuskripte, die
er gerade bearbeitet. Sein Ziel ist der C. H. Beck Verlag, den er zusammen
mit seinem Bruder in Familienbesitz hält und bis Anfang Jahr leitete. Der
feinsinnige Wolfgang Beck (73) ist nicht nur ein Verleger, der zu Firma und
Personal Sorge trägt. Er hat auch ein Credo, das dem beklagten Niedergang
des Buchmarkts zu trotzen vermag: Auch wissenschaftliche Bücher, so
Beck, müssen stilistisch überzeugen und Lesegenuss verschaffen. Reines
Wissen nämlich bezieht das Publikum heute online (und kostenlos). Lesen
Sie dazu das heitere Porträt über Wolfgang Beck (Seite 12).
Einen Genuss bereiten Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, vielleicht die
wiederentdeckte Liebesgeschichte von Alfred Hayes (S. 4). Das elegante
Porträt einer Strasse von Barbara Honigmann (S. 6), der neue Roman von
Jens Steiner (S. 10) oder die Essays von Eva Menasse (S. 19).
Sicher ist: Gute Bücher finden auch 560 Jahre nach Erfindung des Buchdrucks ihre Leserschaft, ob gedruckt oder elektronisch, über Amazon oder
die Quartierbuchhandlung. Das Beispiel des C. H. Beck Verlags zeigt, dass,
wer mit Leidenschaft, Gespür und Ausdauer kluge Bücher produziert, ein
Vierteljahrtausend überleben kann. Keine schlechte Nachricht in der
heutigen Zeit! Urs Rauber
Belletristik
4
Alfred Hayes: In Love
Von Martin Zingg
5 Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreissig
Von Manfred Papst
6 Barbara Honigmann: Chronik meiner Strasse
Von Sandra Leis
Jan Himmelfarb: Sterndeutung
Von Stefana Sabin
7 Iris Hanika: Wie der Müll geordnet wird
Von Jürg Scheuzger
8 Louis Begley: Zeig dich, Mörder
Von Manfred Koch
9 Mamdouh Azzam: Wie ein ferner Herzschlag
Von Susanne Schanda
Johanna Diehl: Borgo Romanità Alleanza
Von Gerhard Mack
10 Jens Steiner: Junger Mann mit unauffälliger
Vergangenheit
Von Regula Freuler
11 Michael Frayn: Streichholzschachteltheater
Von Simone von Büren
Kurzkritiken Belletristik
11 Milan Kundera: Das Fest
der Bedeutungslosigkeit
Von Manfred Papst
Terézia Mora: Nicht sterben
Von Regula Freuler
Georges Perec: Warum gibt es keine Zigaretten
beim Gemüsehändler?
Von Manfred Papst
Linus Reichlin: In einem anderen Leben
Von Regula Freuler
Porträt
12 Vom Gewicht der Geschichte
Im Münchner C. H. Beck Verlag findet ein
Generationenwechsel statt. Manfred Papst
traf Wolfgang Beck zum Gespräch
Jens Steiner, Schweizer Buchpreisträger von 2013,
legt seinen dritten – vergnüglichen – Roman vor (S. 10).
Kolumne
15 Charles Lewinsky
Das Zitat von Arno Schmidt
Kurzkritiken Sachbuch
15 Andreas Müller: Bürgerstaat
und Staatsbürger
Von Urs Rauber
Heinz Gallmann: Zürichdeutsches Wörterbuch
Von Urs Rauber
Peter Gross: Ich muss sterben
Von Kathrin Meier-Rust
Stefanie Schramm, Claudia Wüstenhagen:
Alphabet des Denkens
Von Geneviève Lüscher
Sachbuch
16 Ricardo Tarli: Operationsgebiet Schweiz
Von Urs Rauber
18 Hans Blumenberg: Rigorismus der Wahrheit
Von Kirsten Voigt
19 Eva Menasse: Lieber aufgeregt als abgeklärt
Von Nicole Althaus
Wolfgang Schivelbusch:
Das verzehrende Leben der Dinge
Von Anja Hirsch
20 Andrea Di Nicola, Giampaolo Musumeci:
Bekenntnisse eines Menschenhändlers
Von Sieglinde Geisel
Robert Salmon, Christopher Cordey:
Aufwachen!
Von Thomas Zaugg
21 Götz Aly: Volk ohne Mitte
Von Claudia Mäder
22 André Comte-Sponville: Liebe/Sex
Von Klara Obermüller
Andreas Bachofner: Ur-Alpen
Von Felix E. Müller
23 FlorianHuber:Kind,versprichmir,
dassdudicherschiesst
SusanneWiborg,JanPeterWiborg:
Glaube,Führer,Hoffnung
Von Claudia Kühner
Samuel Mumenthaler, Kurt Stadelmann:
Oh Yeah!
Von Urs Rauber
24 Sven Hedin: Durch Asiens Wüsten/Abenteuer
in Tibet/Trans-Himalaja
Von Kathrin Meier-Rust
Peter Blickle: Der Bauernjörg
Von Peter Durtschi
25 Katja Kraus: Freundschaft
Von Susanne Ziegert
26 Karl-Theodor Zauzich: Hieroglyphen
mit Geheimnis
Von Geneviève Lüscher
Das amerikanische Buch
Mohamedou Ould Slahi: Guantánamo Diary
Von Andreas Mink
Agenda
27 Miriam Kronstädter, Hans-Joachim Simm:
Lob des Landlebens
Von Manfred Papst
Bestseller Februar 2015
Belletristik und Sachbuch
Agenda März 2015
Veranstaltungshinweise
Chefredaktion Felix E.Müller (fem.) Redaktion Urs Rauber (ura., Leitung), Regula Freuler (ruf.), Geneviève Lüscher (glü.), Kathrin Meier-Rust (kmr.), Manfred Papst (pap.)
Ständige Mitarbeit Urs Altermatt, Urs Bitterli, Hildegard Elisabeth Keller, Manfred Koch, Gunhild Kübler, Sandra Leis, Charles Lewinsky, Andreas Mink, Klara Obermüller,
Angelika Overath, Martin Zingg Produktion Eveline Roth, Björn Vondras (Art Director), Susanne Meures (Bildredaktion), Manuela Klingler (Layout), Korrektorat St.Galler Tagblatt AG
Verlag NZZ am Sonntag, «Bücher am Sonntag», Postfach, 8021 Zürich, Telefon 0442581111, Fax 0442617070, E-Mail: [email protected]
22. Februar 2015 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 3
Belletristik
Roman Alfred Hayes, einer der grossen Aussenseiter der angelsächsischen Literatur, hat 1953 eine
hinreissende Geschichte vom Scheitern einer Liebe erzählt. Endlich liegt das Juwel auf Deutsch vor
ZeitlosesLiebesdrama
imNewYork
derNachkriegszeit
Alfred Hayes: In Love. Aus dem Englischen
von Matthias Fienbork.
Nagel & Kimche, Zürich 2015. 144 Seiten,
Fr. 24.90, E-Book 18.90.
Von Martin Zingg
Ob es Liebe war? Bis zuletzt bleibt das
offen, und vielleicht war es ja nur eine
Affäre, was die beiden ein gutes Jahr lang
miteinander verbunden hat, eine lauwarm vor sich hindümpelnde Affäre. Sie
ist etwas über zwanzig, er geht auf die
vierzig zu. Genaueres dazu werden wir
nicht erfahren, auch nicht, wie die beiden heissen. Sie ist ausnehmend schön,
lebt allein und ziemlich unglücklich in
einer kleinen Wohnung, in der sie sich
nie richtig wohl fühlt. Im Alter von achtzehn Jahren hat sie geheiratet, bald darauf ein Kind bekommen, Barbara, und
kurze Zeit später war sie schon geschieden. Die Tochter, inzwischen fünf Jahre
alt, wächst bei den Eltern der Mutter auf,
und diese weiss nicht, wie es mit ihr weitergehen soll. Sie würde gerne wieder
heiraten, hätte gerne endlich ein eigenes
Haus und ein zweites Kind.
Ein unmoralisches Angebot
Er wiederum, der uns diese Geschichte
erzählt, lebt in einem Hotel, wie sich irgendwann herausstellt, und ist öfter mal
unterwegs – in welcher Sache genau, sagt
er allerdings nicht. Er hat immer wieder
zu tun und kann sich darum nicht ständig um seine Freundin kümmern. Sie,
die grosse Mühe hat, ihre Tage zu gestalten, unternimmt umständehalber auch
einiges ohne ihn. Und als sie einmal von
Charlie und Isabel White, einem befreun4 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 22. Februar 2015
deten Ehepaar, mitgenommen wird in
ein Kabarett, lernt sie einen älteren Mann
kennen, Howard. Auf den ersten Blick
wirkt er eher spröde, er fordert sie zwar
zum Tanz auf, scheint aber daran wenig
Freude zu haben. Freude hat er jedoch
an ihr, er ist auf Anhieb von ihr angetan
und macht ihr gleich ein Angebot, das sie
als unmoralisch durchschaut und eher
erstaunt als empört zurückweist – und
das sie dennoch interessieren wird. Howard nämlich bietet ihr tausend Dollar
an, wenn sie mit ihm schläft. Nicht jetzt
gleich. Irgendwann. Sie solle sich das in
Ruhe überlegen, sagt er, dann könne sie
sich melden. Dafür gibt er ihr seine Karte.
Isabel weiss Bescheid über Howard: Er
sei «furchtbar reich», sagt sie. Keine
schlechte Voraussetzung für eine weitere
Affäre, aber die junge Frau zögert und erzählt alles haarklein ihrem Freund, von
dem wir es dann erfahren.
Die Beziehung der beiden sehr Ungleichen wird auf eine seltsame Probe gestellt, und geprüft wird vor allem die
junge Frau. Sie könnte das Geld sehr gut
brauchen, und sie würde es in erster
Linie für ihre Tochter anlegen. «Aber
überleg nur mal, sagte sie. Eine Nacht,
mehr nicht. Er will nur eine Nacht
haben», erklärt sie im Gespräch dem Erzähler. «Ich könnte es ja einfach vergessen und so tun, als wäre nichts passiert.
Und es würde dir wirklich nichts ausmachen, Darling? Denn ich liebe dich doch.
An meinen Gefühlen für dich würde sich
überhaupt nichts ändern.» Natürlich
wird sich einiges ändern, vor allem an
den Gefühlen. «Es war wie in einem
schlechten Film, wenn so etwas im Film
überhaupt noch vorkam. Aber vor allem
war es wie in einem schlechten Leben.»
Es fällt den beiden nicht leicht, voneinander loszukommen. Erst als klar ist,
dass sie sich Howard zuwenden wird, gesteht sich der Erzähler allmählich seine
Gefühle ein, und zugleich realisiert er
auch, dass er sich nicht immer angemessen verhalten hat. «Selten war mir etwas
ganz wichtig», sagt er einmal, und dieses
beiläufige Bekenntnis erklärt manches.
Prosa-Wunderwerk
Alfred Hayes
(1911–1985).
«In Love» heisst der Roman von Alfred
Hayes, der diese Liebesbeziehung vor
allem im Lichte ihres Scheiterns erzählt.
Der Roman ist im fernen Jahr 1953 zum
ersten Mal erschienen und liegt nun in
der geschmeidigen Übersetzung von
Matthias Fienbork wieder vor – ein kleines Prosa-Wunderwerk. Mit nur wenigen
Strichen skizziert Hayes die Kulissen dieses Romans, das New York der frühen
Nachkriegszeit. Noch wird am UnoHauptgebäude gebaut, der Dollar ist
hoch bewertet – das Alter ist dieser Prosa
aber kaum anzusehen, im Gegenteil. Was
am meisten überrascht und alterslos erscheint, ist die Erzählweise von Alfred
Hayes, die Art, wie er über seinen Ich-Erzähler eine komplexe und zugleich äusserst elegant vorgetragene Geschichte
entwickeln kann. Allein schon die knappen und psychologisch dichten Dialoge
sind grossartig. Alfred Hayes war übrigens sehr lange vergessen, möglicherweise war er nie wirklich bekannt. Sein
populärstes Werk ist ausgerechnet ein
Lied, «Joe Hill», das von Earl Robinson
vertont wurde und das den Gewerkschaftsaktivisten und Liedermacher Joe
Hill beschwört.
1911 wurde Hayes in London geboren,
in einer jüdischen Familie, die in die USA
Autobiografie Theodor Fontanes spätes
Werk – erstmals umfassend ediert
Heiteres Bekenntnis
Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreissig.
Aufbau, Berlin 2014. 974 S., Fr. 69.90.
Von Manfred Papst
Kein deutscher Autor verstand sich besser auf die geistvolle Causerie als Theodor Fontane (1819–1998). Seine reifen
Romane, allen voran «Effi Briest» und
«Der Stechlin», zählen zur Weltliteratur.
Zum Spätwerk dieses bedeutenden Realisten gehört auch das weit ausgreifende
autobiografische Buch «Von Zwanzig bis
Dreissig», das wenige Monate vor seinem
Tod erschien. Es schliesst an den bezaubernden Roman «Meine Kinderjahre»
von 1894 an und behandelt die Jahre von
1840 bis 1850. Damals übte Fontane – in
den Fussstapfen seines Vaters – den Brotberuf des Apothekers aus, versuchte sich
aber auch schon als Schriftsteller.
Vieles kam seinen poetischen Ambitionen in die Quere: nicht zuletzt das Militär-Pflichtjahr 1844/45. Wir begleiten
den Autor auf seiner ersten Reise nach
England und erleben mit ihm die Revolution von 1848. Auch seine Verlobung und
Heirat mit Emilie Rouanet ist ein grosses
Thema. Fontane zeigt sich in diesem
Buch so unverstellt wie selten. Seine Memoiren sind Erzählung und Bekenntnis
zugleich. Sie zeugen von Humor und kritischer Selbstprüfung. Jedes Wort ist an
seinem Platz. In diesem späten Parlando
des Meisters gibt es kein Stolpern, kein
Pathos, keine Verkrampftheit. Wolfgang
Rasch hat den Band im Rahmen der von
der Fontane-Forschungsstelle der Universität Göttingen edierten Gesamtausgabe herausgegeben. Sein fundierter
Kommentar lässt keine Wünsche offen.
Besonders zu loben ist, dass Rasch Fontanes Selbstdarstellung exakt hinterfragt
und erstmals im Detail darstellt, wie es in
diesem grossen Erinnerungsbuch um
Dichtung und Wahrheit steht. ●
Eine Nacht für tausend Dollar? Der Roman von Alfred Hayes kreist um eine Affäre im New York der
1950er Jahre.
zog, als er drei Jahre alt war. 1985 ist er in
Kalifornien gestorben. Er absolvierte ein
Studium am New Yorker City College, arbeitete als Reporter, und nach dem Zweiten Weltkrieg verbrachte er einige Jahre
als Drehbuchautor in Rom.
Dort schrieb er unter anderem für Roberto Rossellini und Vittorio de Sica.
Nach seiner Rückkehr in die USA arbei-
tete er weiter für den Film, unter anderem für Nicholas Ray, und schrieb Drehbücher für Fernsehserien wie «The Twilight Zone» und «Alfred Hitchcock Presents». Daneben verfasste er drei Gedichtbände und ein halbes Dutzend Romane sowie Kurzgeschichten. Jetzt ist er
mit «In Love» wieder zu entdecken. Es
lohnt sich. ●
ARNE DAHL LIVE ERLEBEN
· 11. März, 19.30 Uhr:
Kantonsbibliothek Baselland / Liestal
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© Sara Arnald
· 12. März, 18.15 Uhr:
Universität Zürich / Rämistr. 71
In Kooperation mit dem Europa Institut an der
Universität Zürich und der schwedischen Botschaft
· 13. März, 20.00 Uhr:
Hotel Schweizerhof / Bern
»Dahl ist
was die
das Beste,
hwedische
ak tuelle sc
schaft zu
Krimi-Land
«
bieten hat.e
Spiege l O
nlin
576 Seiten · Klappenbroschur
sFr 24,50
· 10. März, 20.00 Uhr:
Buchhandlung Schreiber Kirchgasse / Olten
22. Februar 2015 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 5
Belletristik
Porträt Die deutsch-jüdische Autorin Barbara Honigmann schreibt über die Menschen in ihrer Strasse
Mikrokosmosder
RueEdelinStrassburg
die glühende Kommunisten waren –
ihren jüdischen Glauben praktizieren. In
ihrem erfolgreichen Debüt «Roman von
einem Kinde» (1986) schreibt Barbara
Honigmann von einem «dreifachen Todessprung ohne Netz: vom Osten in den
Westen, von Deutschland nach Frankreich und aus der Assimilation mitten in
das Thora-Judentum hinein». Die Auseinandersetzung mit der eigenen Tradition und Geschichte ist ihr zentrales literarisches Thema. So schrieb sie beispielsweise über ihren Vater, einen jüdischkommunistischen Journalisten, ein anrührendes Buch («Eine Liebe aus nichts»,
1991) und ging auch den Spuren ihrer
Mutter nach («Ein Kapitel aus meinem
Leben», 2004). Diese war mit einem Doppelspion liiert, bevor sie Georg Honigmann heiratete und mit ihm aus dem
Barbara Honigmann: Chronik meiner
Strasse. Hanser, München 2015.
160 Seiten, Fr. 23.90, E-Book 19.–.
Über den ersten Satz eines Buches gibt es
zahlreiche Abhandlungen: Er kann abstossen oder sofort und dauerhaft in den
Text hineinziehen. Barbara Honigmann
gelingt letzteres. Sie beginnt so: «Wenn
wir sagen, dass wir in der Rue Edel wohnen, antwortet man uns meistens, ach ja,
da haben wir am Anfang auch gewohnt.»
Und schon hat sie uns am Wickel. Denn
wir wollen alles erfahren über diese
zuvor noch nie gehörte Rue Edel ganz im
Osten von Strassburg.
In der schmalen Strasse gibt es keinen
einzigen Baum und keine Kathedrale,
dafür den nahe gelegenen Universitätscampus und eine Ecole internationale.
Ein Ghetto ist das Quartier nicht, aber
eine sehr gemischte Gegend: Hier leben
viele Juden, Araber, Kurden und Schwarze, aber auch Pakistani, Inder, Portugiesen und Osteuropäer. Neben den vielen
Völkern wohnen hier auch ein paar Verrückte, zahlreiche Hunde und Katzen
und das sogenannte «andere Frankreich». Gemeint sind Franzosen «ohne
Chic und Charme», die mit struppigem
Haar übers Trottoir schlurfen. Und mittendrin lebt die Schriftstellerin und Malerin Barbara Honigmann im, wie sie
sagt, zweithässlichsten Haus der ganzen
Strasse, vergleichbar einem «DDRAlt-Neubau» aus den späten fünfziger
Jahren.
1984 verliess sie die DDR und zog mit
ihrem Mann und den beiden kleinen
Söhnen von Ostberlin nach Strassburg.
Sie wollte – ganz anders als ihre Eltern,
UTE JUERGEN BAUER
Von Sandra Leis
Vor 30 Jahren hat Barbara Honigmann, heute 66, die DDR verlassen. Seither
lebt sie in der gleichen Wohnung in Strassburg (Foto 2009).
englischen Exil nach Ostberlin zog, um
ein neues Deutschland aufzubauen.
In ihrem neuen Buch beschreibt die
66-jährige Barbara Honigmann die grosse Welt im Kleinen. Ihr Sujet ist die Strasse des Anfangs, wo sie seit dreissig Jahren in derselben hellhörigen Wohnung
im dritten Stock lebt und arbeitet. Sie ist
eine herausragende Beobachterin und
schreibt – treu ihrem schnörkellosen
Stil – mit grosser Zurückhaltung und
sparsam in den sprachlichen Mitteln. Ihr
Buch ist kein chronologischer Rückblick,
vielmehr erzählt sie einzelne Episoden
und fügt diese zu einem kaleidoskopartigen Panorama zusammen.
Sie berichtet von drei jüdischen Witwen, denen sie immer wieder als Sekretärin und Übersetzerin behilflich war,
oder von den Nachbarn Nadja und Hakim
und deren kleinem Buben. Die Familie
scheint glücklich, bis die Frau auszieht
und zwei Schachteln Schlaftabletten
schluckt. Der Mann und der Bub ziehen
fort in ein anderes Quartier, nur zufällig
begegnet man sich hin und wieder, und
Barbara Honigmann hält kurz und bündig fest: «Jetzt besuchen wir uns nicht
mehr und können uns auch nicht mehr
helfen.» Auf eine Wertung verzichtet sie
ganz bewusst.
In der Rue Edel gibt es manche, «die
irgendeine verlassene Heimat mit sich
herumtragen», schreibt die Autorin.
Viele arrangieren sich mit diesem Umstand und leben an beiden Orten zugleich, «durch die Sprache ihrer Herkunft
und die Speisen ihrer Küche». Manche
aber haben überhaupt keine Orientierung mehr und fallen durch alle Maschen. Beide Möglichkeiten dokumentiert Barbara Honigmann anschaulich
und facettenreich in ihrem literarischen
Kleinod.●
Roman In seinem Debüt umkreist der Ukrainer Jan Himmelfarb die Identitätssuche von Immigranten
Das Leben in der Fremde neu erfinden
Jan Himmelfarb: Sterndeutung. C. H. Beck,
München 2015. 394 Seiten, Fr. 33.50.
Von Stefana Sabin
Zu Beginn und mehrmals im Verlauf dieser Geschichte wird Geburtstag gefeiert.
Denn wenn man in einem ukrainischen
Zug im Zweiten Weltkrieg geboren wurde
und während der rabiaten Judenverfolgung aufgewachsen ist, muss man sich
seines Lebens immer wieder vergewissern. So feiert Arthur Segal, der Held im
Roman von Jan Himmelfarb, nachdem er
als Kontingentflüchtling aus der Ukraine
nach Deutschland eingewandert ist,
jedes Jahr seinen Geburtstag – und zwischen diesen Feiern rekonstruiert er den
6 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 22. Februar 2015
Verlauf seiner Existenz als eine anhaltende Überlebensgeschichte. Der Krieg und
die Judenvernichtung durch die Nazis
und ihre ukrainischen Handlanger, aber
auch die innere Emigration im sowjetischen Totalitarismus sind die Eckpunkte
einer Lebensgeschichte, die zugleich erzählt und reflektiert wird.
Der Versuch, im Land der ehemaligen
Verfolger sein «Leben neu zu erfinden»
und die Beschreibung der Anpassung an
Deutschland als eines Prozesses der
ständigen Selbstbefragung machen Arthur Segal zu einer psychologisch glaubwürdigen Gestalt. Zwar haben deutsche
Schriftsteller nichtdeutscher Muttersprache in den letzten Jahren immer
wieder die Identitätssuche von Immigranten thematisiert. Aber nur wenigen
ist es wie Himmelfarb in diesem Roman
gelungen, den deutschen Verwaltungsund Integrationsapparat so gelassen darzustellen. Zugleich zeichnet er, der 1985
in der Ukraine geboren wurde und mit
seiner Familie 1992 nach Deutschland
kam, ein wohlwollend-selbstkritisches
Bild der fröhlichen (Parallel-)Gesellschaft der russischen Immigranten, die
sich im neuen Wohlstand arrangieren,
ohne dabei je das Bewusstsein ihrer
Fremdheit zu verlieren.
Himmelfarb wechselt stilistisch zwischen Satire und Realismus und inhaltlich zwischen Rekonstruktion der Vergangenheit und Beschreibung der Erzählgegenwart – und konstruiert eine
Geschichte, deren Vielschichtigkeit auch
ihre Plausibilität ausmacht.●
Roman Iris Hanika legt ein Buch vor, das häufig die Perspektive wie die Form wechselt: eine
Beziehungsgeschichte um einen jungen Familienvater
WarumAdriandenMüllsortiert
Iris Hanika: Wie der Müll geordnet wird.
Droschl, Graz 2015. 299 Seiten, Fr. 32.–.
Von Jürg Scheuzger
Antonius betrauert den Tod seiner Frau
Magelone, und er hat nun eine Freundin,
Antonina, die aber eigentlich Renate
heisst – und Antonius heisst eigentlich
Manfred. Eine übergeordnete Erzählerstimme belehrt uns, dass es Magelone
nie gegeben hat, und auch Renate/Antonina ist bloss ein Produkt von Manfreds/
Antonius’ Einbildungskraft. Antonius
hat aber eine in der Wirklichkeit existierende Frau, Gabriele, von der er getrennt
lebt, mit der er vier Kinder hat, und in
dieser Lebensrolle heisst er Adrian. Als
Antonius hat er den Vorsatz gefasst, «nur
noch sinnlose Dinge zu tun». Deshalb
macht er täglich frühmorgens Ordnung
in den sieben Mülltonnen, die im Hof
eines Westberliner Wohnhauses stehen.
Tagebuch der Langeweile
Iris Hanika, die uns all dies erzählt in
ihrem Roman «Wie der Müll geordnet
wird», erklärt auf ihrer Webpage, sie
habe «die Arbeit an diesem Buch mit dem
Vorsatz [begonnen], etwas Sinnloses zu
schreiben», sie habe aber «keinen Dadaismus oder ähnliches produzieren» wollen. Die 1962 geborene Hanika, von Beruf
Germanistin und Journalistin, ist geprägt
von der Psychoanalyse Jacques Lacans.
Sie hat in den letzten Jahren in rascher
Folge drei Bücher veröffentlicht, die man
als Romane bezeichnen kann: «Treffen
sich zwei», «Das Eigentliche» und «Tanzen auf Beton. Weiterer Bericht von der
unendlichen Analyse».
Alle ihre Bücher, nun auch der Roman
über den Müll, sind formal vielgestaltig,
enthalten wissenschaftliche und journalistische Einfügungen, literarische Zitate,
Anmerkungen, und Hanika liebt es, mit
dem häufigen Wechsel der Erzählperspektiven zu verwirren. Die Autorin bekennt sich zu ihrer «Russophilie», der
Roman ist denn auch voll von intertextuellen Bezügen zu russischen Autoren,
und der Titel «Wie der Müll geordnet
wird», bezieht sich denn auch auf den
Roman «Wie der Stahl gehärtet wird» von
Nikolai Ostrowski.
Adrian, wie wir ihn nun doch nennen
wollen, findet nach der existenziellen
Einsicht in seine ausweglose Einsamkeit
in einer Mülltonne ein farbiges Heft, ein
Quasi-Tagebuch einer Frau, die ebenfalls
Renate heisst und die ihren Mann Manfred infolge eines grauenhaften Verkehrsunfalls verloren hat. Sie kann nicht
sehr gut schreiben, wie Adrian mäkelnd
feststellt, und klagt repetitiv über die Beschwerden der Wechseljahre, vor allem
aber über die gnadenlose Langeweile,
die sie überfiel, nachdem sie den Tod
Manfreds scheinbar überwunden hatte.
Sie will aus ihrem Leben aussteigen und
alles hinter sich lassen. Iris Hanika ge-
Sinnlose Dinge tun
wie den Abfall anderer
Leute ordnen: Das hat
sich der Exzentriker
in Iris Hanikas Roman
zur Lebensaufgabe
gemacht.
lingt das Kunststück, eine Romanfigur
‹schlecht› schreiben zu lassen und diese
doch zu fundamentalen Einsichten zu
führen: «…das ist überhaupt der grösste
Schrecken, den ich mir vorstellen kann:
ewige Gegenwart. Wenn alles immer so
bliebe, wenn sich nichts verändern, ändern, nicht einmal ändern würde, das
wäre die Hölle. So würde ich mir die
Hölle vorstellen…» Das Tagebuch, von
Adrian dauernd kommentiert, endet mit
einer Antiklimax: Renate findet einen
Wolfgang für ihr Leben, und vieles ist
gut. Meint man.
Satirisch bis tieftraurig
Denn dies ist nur der erste Teil des Romans; den zweiten hat die Autorin vor
mehr als zwanzig Jahren geschrieben
(sagt sie auf ihrer Webpage). Dieser spielt
in den Monaten nach dem Fall der Mauer,
der aber niemanden interessiert («DIE
DEUTSCHE FRAGE … bloss CDU-Gewäsch») – ausser Adrians Vater Kurt
Marschner, einen Möbel-Tycoon, der bei
Leipzig sehr viel Geld verdienen will. Hanika schildert die wohlhabende Westberliner Gesellschaft mit kalter Verachtung:
«[ein] Gewühl von zähnebleckend gutgelaunten Monstern aus Galle, Gier und Intrigantentum.»
Dieser zweite, oft satirische Teil des
Romans ist beinahe ein Kriminalroman;
es geht um ein Buch, das ein verschollenes Schauspiel des barocken Schriftstellers Johann Christian Hallmann enthält.
Im Zentrum steht einerseits der jüdische
Germanist Amos Mann, dessen Verwandte dem Holocaust zum Opfer fielen
und dessen Eltern in den USA ermordet
wurden, möglicherweise des besagten
Buches wegen. Zu Amos’ Umkreis gehört
die junge Germanistin Dorothea (wahrscheinlich ein Alter Ego der Autorin), die
das Buch bei dem Möbel-Menschen Kurt
Marschner vermutet, einem Bibliophilen
mit einer erlesenen Sammlung. Und es
geht um Adrian, den jungen Familienvater und überforderten Souschef im
Betrieb seines übermächtigen Vaters.
Adrian ist gleichsam die Verkörperung
der Entfremdung im kapitalistischen
System, der in einer grotesken Szene mit
seiner Sekretärin Renate einen bizarren
Glücksmoment erzwingt und der am
Schluss des zweiten Teils in einem
eigentlichen Showdown gewalttätig
wird, um sich darauf recht gern in ein «Irrenhaus» einliefern zu lassen – und um
sich dann eben im ersten Teil, etwa
zwanzig Jahre später, dem Müll zu widmen. Der kurze dritte Teil handelt in der
«Zukunft» – zum Beispiel 2014 – und verunklart noch einiges, was an sich schon
verwirrlich genug ist.
Iris Hanika hat zielbewusst des Verwirrenden zu viel getan, inhaltlich und
formal. Der Roman liest sich leicht und
bedarf doch höchster Konzentration. Die
Autorin schlägt oft einen munteren,
manchmal auch zynischen Ton an und
erzählt Tieftrauriges. Ihre Gestalten sind
Hyänen oder rettungslos verloren und
manchmal beides. ●
22. Februar 2015 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 7
Belletristik
Roman Der amerikanische Bestsellerautor Louis Begley unternimmt einen Ausflug ins Thriller-Genre
VerbrechenimAnwaltsmilieu
Louis Begley: Zeig dich, Mörder. Aus dem
Amerikanischen von Christa Krüger.
Suhrkamp, Berlin 2015. 303 Seiten,
Fr. 29.90, E-Book 21.–.
Von Manfred Koch
Erst mit 57 Jahren begann Louis Begley
zu publizieren – und landete mit «Lügen
in Zeiten des Krieges» (1991) gleich einen
Welterfolg. Der Roman spielt in den Jahren 1939 bis 1945. Er erzählt die Geschichte eines in Galizien aufgewachsenen jüdischen Jungen, der mit Glück und
«lügnerischem» Geschick dem Holocaust
entkommt. Begley, der 1946 im Alter von
13 Jahren aus Polen in die USA übersiedelte (damals noch unter dem Namen
Ludwig Beglejter), hat stets betont, mit
seinem Erstling nicht einfach seine Kindheitsmemoiren, sondern ein fiktionales
Gebilde – einen Roman eben – vorgelegt
zu haben.
Die autobiografische Prägung der Geschichte des kleinen Maciek ist dennoch
unübersehbar. Es sei ihm auch nicht
darum gegangen, lang zurückliegende
Traumata aufzuarbeiten, hat der Autor
an anderer Stelle kommentiert. Offenbar
wirkte dieses Werk aber doch befreiend.
In seiner neuen Heimat hatte es Begley
zu einem der angesehensten Wirtschaftsanwälte New Yorks gebracht. Nun, mit
fast sechzig Jahren, begann er eine zweite, zunächst noch parallele Karriere als
Schriftsteller. In rascher Folge erschienen Romane, deren autobiografischer
Hintergrund jetzt seine Erfahrungen im
Milieu der Finanz- und Bildungseliten an
Amerikas Ostküste waren. Mit Albert
Schmidt, dem verstörten Anwalt im Ruhestand, schuf Begley eine archetypische Figur: einen hilflosen Melancholiker des Geldadels, der das Kreisen dieser
Welt um Profit, Sex, Schönheit und vermeintlich höhere Kultur eigentlich schon
hinter sich gelassen hat und dennoch
davon nicht loskommt.
8 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 22. Februar 2015
Selbst lange Anwalt
in New York, macht
Louis Begley einen
Wirtschaftsjuristen
aus Manhattan zum
Protagonisten seiner
rasanten Story.
Auch in Begleys jüngstem Roman geht
es um das Schicksal eines Wirtschaftsanwalts. Harry Dana ist Sozius der noblen
Kanzlei Jones & Whetstone in Manhattan, ein gebildeter, feinsinniger älterer
Herr. Sein lukrativster Mandant, ein texanischer Milliardär namens Abner
Brown, bereitet ihm allerdings zunehmend moralische Skrupel. Dana stösst
auf «verzwickte Geschäfte», die ihn finstere Machenschaften vermuten lassen.
Anstatt sich, wie viele seiner Kollegen,
um die juristische Vertuschung der illegalen Praktiken zu kümmern, will Dana
sie aufklären. Und begibt sich in Gefahr.
Detektiv stirbt als erster
So weit, so anregend. Begley hätte ein
spannendes Buch über die Recherche
eines Juristen-Detektivs schreiben können, mit detaillierten Einblicken in die
sinistren Geschäfte von Konzernbossen
und deren Einfluss auf die Politik. Denn
Abner Brown ist auch ein Erzkonservativer, der nicht nur wohltätige Stiftungen,
sondern auch die bösartigen Think Tanks
und Propagandasender der rechtsextremen Republikaner finanziert. Dann wäre
der Anwalt Harry Dana, offenbar ein
sympathisches Alter Ego des Autors Begley, die Hauptfigur gewesen.
Leider ist Harry aber bereits nach
etwas mehr als 50 Seiten tot. Er soll
Selbstmord begangen haben, heisst es.
Die Aufklärung dieses Todesfalls – der
natürlich ein Mord war – übernimmt sein
Neffe Jack Dana, ein erfolgreicher
Schriftsteller, der vor seiner literarischen
Karriere als US-Marine im Irak und in Afghanistan gekämpft hat.
Man fragt sich, was den vornehmen
Mr. Begley wohl bewogen hat, diesen
Protagonisten einzuführen, der – in
einem für die Qualität des Romans verheerenden Sinn – tatsächlich ein Held ist.
Wollte er statt des komplizierten Wirtschaftskrimis einen echten Thriller hinlegen? Jack Dana ist jedenfalls ein seltsam platter Supermann, der die Ermor-
dung seines Onkels als Gelegenheit für
eine veritable Schlacht im heimischen
Amerika begreift. Er identifiziert den
Auftragskiller (typischerweise ein bosnischer Serbe, der ein bestialisches Englisch radebrecht), überantwortet ihn
aber nicht der Justiz, sondern fordert ihn
mittels einiger mehr oder weniger raffinierter Manöver zum finalen Duell heraus. Unmittelbar vor dem Showdown
tippt er noch schnell ein Kapitel seines
neuesten Romans in den Laptop. Schreiben und Schiessen, Dichten und Messerstechen gehen ihm gleichermassen leicht
von der Hand.
Nicht fehlen darf eine Liebesgeschichte. Jack erobert das Herz einer jungen
Anwältin aus Harrys Kanzlei. Auch im
Bett ist der Ex-Marine äusserst leistungsfähig, unter drei Beischläfen dort und
1400 täglichen Wörtern am Schreibtisch
macht er es generell nicht. Die Sexszenen
haben, man muss es leider so sagen, Groschenroman-Niveau: «Bevor ich antworten konnte, glitt sie auf meinen Schoss.
Ihre Glut drang zu mir durch.»
Experiment gescheitert
Von Begleys vielgerühmter Feinheit in
der Figurenzeichnung ist bei Jack Dana
nichts mehr zu spüren. Der einzige etwas
komplexere Charakter des Romans bleibt
somit Onkel Harry. Als «Weichei», womöglich auch Schwulen habe man ihn
verdächtigt, berichtet Jack, obwohl er
doch nur seiner südamerikanischen Geliebten, die von Terroristen des «Leuchtenden Pfads» getötet worden war, die
Treue hielt. Was hätte Begley nicht alles
entfalten können im Seelenleben eines
Rechtsanwalts, der sensibel, dafür aber
zu wenig tatkräftig ist und sich zwischen
seinen hohen moralischen Ansprüchen
und den brutalen Geschäftsinteressen
aufreibt! Begley hat diesen inneren Zwiespalt aus schwer nachvollziehbaren
Gründen geopfert. Wollte er einfach mal
das Genre wechseln? Das Experiment ist
jedenfalls gescheitert. ●
Roman Das jüngste Werk des syrischen Autors Mamdouh Azzam beleuchtet den Skandal eines
Ehrenmords auf literarisch überzeugende Weise
HimmelfahrtdesTodes
Mamdouh Azzam: Wie ein ferner
Herzschlag. Aus dem Arabischen von
Regina Karachouli. Lenos , Basel 2015.
150 Seiten, Fr. 29.90.
Von Susanne Schanda
Der Roman beginnt mit dem Ende der
Heldin: «Am Morgen erbrach sie Blut.» Er
erzählt zuerst das qualvolle Sterben der
20-jährigen Salma im Keller ihres Familienclans und dann rückwärts ihr Leben
und ihre Liebe in einem syrischen Dorf.
Als Waise ist sie zu ihrem Onkel gekommen und von diesem an den Erstbesten
verheiratet worden. Während einer längeren Abwesenheit ihres gewalttätigen
Mannes verliebt sie sich in einen jungen
Lehrer und flieht mit ihm. Doch bereits
nach wenigen Tagen wird das Paar aufgegriffen und Salma von ihrem Onkel zur
Strafe in den Keller gesperrt.
In den ersten Tagen ihrer Haft versucht sie sich zu befreien, indem sie
gegen die Falltür aus schwerem Holz
klopft. Aber niemand hört sie ausser den
alten Frauen ihrer Familie, den Vollstreckerinnen der Strafe: «Wie ein ferner
Herzschlag drang es aus der Tiefe zu
ihnen herauf und weckte in ihren verdorrten Leibern eine unbändige Gier
nach Leben.»
Doch die Irritation, die auch bei diesen
Frauen zu einem Aufbegehren gegen die
patriarchale Ordnung hätte führen können, dauert nicht an, sondern schlägt im
Gegenteil in strikte Unterordnung und
Mittäterschaft um. Sie töten Salma,
indem sie ihr Glassplitter ins Essen mi-
Italien Zeugen der faschistischen Vergangenheit
Benito Mussolini wollte seine Politik von den späten
1920er bis in die frühen 1940er Jahre durch eine Landreform abstützen. Dazu dienten das wohl grösste Projekt, die Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe
südlich von Rom, an der sich Regierungen seit der Römerzeit vergeblich versucht hatten, aber auch die weitgehende Parzellierung der Ländereien der Grossgrundbesitzer in vielen anderen Landesteilen. 25 Hektare
grosse Einheiten mussten an Bauern verpachtet werden. Durch beide Massnahmen sollte die verarmte Landbevölkerung eine neue Lebensgrundlage erhalten. Dazu
wurden auf dem Land neue Dörfer angelegt, die oft von
Architekten der italienischen Moderne entworfen wurden. Viele dieser Anlagen befinden sich heute im Zerfallsstadium. Johanna Diehl hat solche «Borghi rurali»
auf Sizilien fotografiert und als ländliche Ikonografie
faschistischer Herrschaftsideologie kenntlich gemacht.
Unser Bild zeigt die 1941 in Sizilien erbaute Parteizentrale im Borgo Lupo. Die 1977 geborene Fotografin präsentiert Gebäude und Ensembles meist isoliert und
menschenleer, ergänzt durch Aufnahmen von Innenräumen und Kunstwerken. Gerhard Mack
Johanna Diehl: Borgo Romanità Alleanza. Hatje Cantz,
Ostfildern 2014. 160 Seiten, 71 Abbildungen, Fr. 40.–.
schen. Dieser grausame Mord beruht auf
einer wahren Begebenheit und hat dem
syrischen Autor den Stoff für seinen
Roman geliefert.
Mamdouh Azzam, 1950 in einer drusischen Familie im Süden Syriens geboren,
gehört heute zu den bekanntesten Autoren seines Landes. Mit dem Roman «Wie
ein ferner Herzschlag» prangerte er in
den 1980er Jahren die mörderischen Ehrbegriffe in der konservativen drusischen
Gesellschaft an. Nicht nur weil Ehrenmord weit über die Grenzen dieser religiösen Minderheit in Syrien hinaus vorkommt, sondern auch dank Azzams literarischer Fähigkeiten gewinnt dieser
Roman universale Bedeutung.
Die Protagonistin Salma ist als Rebellin gezeichnet. Sie sprengt gesellschaftliche Fesseln und wehrt sich gegen ihren
Clan, obwohl sie physisch keine Chance
hat. Als ihr Cousin erklärt, sie verdiene
es, «abgeschlachtet» zu werden, da
spuckt sie ihm ins Gesicht. Die Mörder
werden nicht als wesenhaft böse dargestellt. Salma erinnert sich sogar an Momente der Geborgenheit mit ihrem Cousin. Aber sobald eine Frau ihr Leben
selbst in die Hand nimmt und sich den
Regeln der Männer widersetzt, werden
sie zu Bestien. «Wenn es um Freiheit
geht, besitzt die Frau mehr Stärke als der
Mann», sagt der Autor, «Frauen haben
nichts zu verlieren als ihre Ketten.» Der
Roman entlarvt die Perversion dieses
Ehrbegriffs, der Frauen jegliche Selbstbestimmung abspricht.
Die tiefe Frauenverachtung, die sogenannten Ehrenmorden zugrunde liegt,
schockiert nicht nur im Westen, sondern
wird auch von arabischen Feministinnen
heftig attackiert. Der Roman von Mamdouh Azzam ist allerdings kein feministisches Manifest. Er arbeitet mit literarischen Mitteln und erzählt in einer genauen und zugleich bildhaften Sprache von
Salmas Kampf um ihre Liebe. Dabei lässt
er keinen Zweifel daran, dass ihr Tod
eine vom Clan gemeinschaftlich beschlossene Hinrichtung ist.
Dennoch stirbt Salma nicht als Opfer,
sondern als eine leidenschaftlich mutige
Frau, die sich im Leben nicht hat brechen
lassen. Im Stil des magischen Realismus
wird ihr Todesdelirium als ein Entschweben in einem Nebelschleier beschrieben,
in dem sie sich über das irdische Leben
erhebt. Dieser religiös anmutende Aufstieg nach dem Tod kann als Anspielung
auf die Himmelfahrt des Propheten Mohammad gelesen werden, wie die Übersetzerin Regina Karachouli in ihrem erhellenden Nachwort schreibt.
Der Originaltitel des Romans heisst
«Miraj al-maut», auf Deutsch «Himmelfahrt des Todes». Für die deutsche Ausgabe wurde «Wie ein ferner Herzschlag»
als Titel gewählt, der ein hiesiges Publikum wohl eher ansprechen dürfte.
Mamdouh Azzams Roman erschien bereits in mehreren Auflagen und wurde
1996 in Syrien sogar verfilmt, allerdings
erst jetzt erstmals in eine europäische
Sprache übersetzt. ●
22. Februar 2015 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 9
Belletristik
Roman Der Schweizer Buchpreisträger Jens Steiner zeichnet ein versponnenes Porträt von der
Null-Bock-Generation
WiefülltmaneinLebenmitSinn?
Jens Steiner: Junger Mann mit unauffälliger
Vergangenheit. Dörlemann, Zürich 2015.
238 Seiten, Fr. 28.90, E-Book 18.90.
Wer sich in dieses Leseabenteuer stürzt,
muss den Kopf beieinander haben. Belohnt wird man mit ein paar ausserordentlich vergnüglichen Stunden. Also:
Da gibt es die sexy Dolores im roten
Trenchcoat, einen Pudel namens Butz
Atman (ja genau, hallo Schopenhauer),
einen knollennasigen Homunkulus,
einen windigen Medienunternehmer
und sonst noch allerlei rätselhafte Figuren, viele von ihnen in der ausserfiktionalen Welt mehr oder weniger verankert.
Sie mischen das Leben des Ich-Erzählers,
des 25-jährigen Zürcher Philosophiestudenten Paul Kübler, von einem Tag auf
den anderen ordentlich auf.
Bis dahin war dieses so ereignisarm
wie theorielastig. Seinen Vater hatte Paul
nie gekannt. Seine Mutter, die «ungekrönte Königin der Nacht», die bei ihm
mit ihrer Rastlosigkeit jeden Sinn für
eigene Aktivitäten im Keimstadium abmurkste, riet ihm, den Vater gar nicht
erst zu suchen; dieser würde Paul nur
enttäuschen. Nachdem er von zu Hause
ausgezogen war, blieb sie in seinem Gedächtnis «ein stetiger Schmerzfurunkel».
Trotzdem löste ihr Unfalltod drei Jahre
zuvor bei Paul keine Gefühle aus.
Hunde bevölkern die Szene
Für reichlich Theorie in Pauls Leben
sorgt sein bester und einziger Gefährte
Magnus, der mit seinen Spock-Ohren
und dem Kürbiskopf als eine «Neuausgabe des Glöckners Quasimodo» beschrieben wird. «Man kann sagen, dass
meine Boshaftigkeit und Magnus’ Verzweiflung aneinander Gefallen gefunden
hatten.»
Paul knabbert noch an der Trennung
von seiner letzten Freundin Lotta – auch
sie eine Schönheit mit rotem Trenchcoat,
was für etwas Verwirrung sorgen wird –,
als Magnus ihn zu einer politischen Aktion überredet: Der Medienunternehmer
Henri Kudelka – ein passgenauer TitoTettamanti-Verschnitt – wird demnächst
einen Vortrag an ihrer Universität über
die dem Untergang geweihten Printmedien halten.
Paul und Magnus wollen während des
Vortrags die Lautsprecherverbindung
kappen und stattdessen die Aufnahme
einer älteren Rede Kudelkas abspielen.
Diese hatte er vor einer Versammlung
neoliberaler Grosskapitalisten und BoniEinkassierer gehalten.
Gesagt, getan, allerdings mit mittelmässigem Erfolg. Technik ist eben nicht
zwingend Männersache. Auf jeden Fall
entkommen die beiden. Doch dann wird
Kudelka entführt, Paul wird von seinem
neuen Nachbar Klöppel (eine weitere Anspielung an die reale Medienwelt) nie10 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 22. Februar 2015
KEYSTONE
Von Regula Freuler
In Jens Steiners
urkomischem Roman
sprengt ein Student
mit seinem Kumpan
eine Uni-Vorlesung.
dergeschlagen. Als Paul aufwacht, muss
er feststellen, dass er polizeilich gesucht
wird. Es folgt eine mysteriös angeleierte
Flucht nach Marseille, die ihm mit der
Hilfe seiner Nachbarin Dolores gelingt.
Er macht eine Entdeckung nach der anderen, unter anderem taucht immer wieder ein Homunkulus auf und gibt nichtsnutzige Ratschläge. Dann tapst immer
wieder einmal ein Pudel durch die Szene,
und obwohl es sich jeweils um verschiedene Hunde handelt, heissen alle Butz
Atman.
Jetzt auszuplaudern, wie es von Marseille aus weitergeht, wäre ein unverzeihlicher Verrat. Auf jeden Fall wird die
Handlung immer verrückter, während
Paul im Kopf immer klarer wird.
Originelle Metaphern
Das mag sich kompliziert anhören, ist
aber so leichtfüssig und urkomisch geschrieben und so reich an originellen Metaphern, dass man das Buch in einem
Zug durchliest. Danach ist man erst einmal hell überrascht, wie es dem Autor
Jens Steiner gelungen ist, seit dem Erstling «Hasenleben» 2011 in seinen bisher
drei Romanen jedes Mal einen anderen
Ton anzuschlagen und eine ganz neue
Erzählweise zu finden.
Bei der vorletzten Vergabe des Schweizer Buchpreises, im Herbst 2013, stach
Steiner mit seinem Zweitling «Carambole» nur knapp Jonas Lüschers herausragende Novelle «Frühling der Barbaren»
aus. Eine schwierige Entscheidung für
die damalige Jury. Der Berner Lüscher
hätte den Preis genauso verdient gehabt.
Aber mit seinem dritten Roman zeigt der
39-jährige Zürcher Steiner, dass die Jury
sicher nichts zu bereuen hat.
Auf den ersten Blick wirkt der Titel
«Junger Mann mit unauffälliger Vergangenheit» auffällig unauffällig. Gleichwohl werden Assoziationen an andere
Werke wach, an Musils «Mann ohne
Eigenschaften» oder Joyces Bildungsroman «Ein Porträt des Künstlers als junger
Mann», ohne dass sich Steiners Roman
direkt auf sie bezöge. Und doch steckt
von beiden etwas darin. Etwa die «Reservate der Apathie», die Paul und Magnus
im betriebsamen Zürich für sich auswählen. «Wir gehörten einfach zu einer Generation von Hasenfüssen», konstatiert
Paul und beschliesst, dass es die Gegenwart nicht besser verdient hat. Ein prächtiges Exemplar der neuen Null-Bock-Generation. Um ihn herum herrschte Sinn,
er steuerte mit Verachtung den Unsinn
bei. Unverbindlichkeit, Unentschlossenheit, Untätigkeit – Pauls egophilosophische Trias.
Dann aber kommt es zu einer Art Entwicklung. Dabei dreht Jens Steiner dem
mit einer moralischen Botschaft ausgestatteten Genre des Coming-of-Age-Romans eine lange Nase. Denn wie Paul am
Ende liebt und lebt, entspricht sicher
nicht den gängigen Vorstellung des Reifeprozesses. Und ob er wirklich etwas gelernt hat…? Aber wie sagt doch der Homunkulus zu Paul, der seine Vergangenheit am liebsten ignorieren möchte und
doch ständig über sie stolpert: «Vorwärts
ist rückwärts. Rückwärts ist vorwärts.
Wirst schon sehen.» ●
Theater Mal höchst amüsant, mal platt: die
Sketches des Briten Michael Frayn
Zwei reden
aneinander vorbei
Kurzkritiken Belletristik
Milan Kundera: Das Fest der Bedeutungslosigkeit. Deutsch von Uli Aumüller.
Hanser, München 2015. 140 S., Fr. 24.90.
Terézia Mora: Nicht sterben. Luchterhand,
München 2015. 161 Seiten, Fr. 28.90,
E-Book 18.90.
Ist dieses schmale, grosszügig gesetzte
Buch ein Roman? Man könnte es auch als
heiteren kleinen Reigen bezeichnen.
Milan Kundera, der 1929 im tschechischen Brünn geborene Erfolgsautor, der
seit 1975 in Frankreich lebt und seit 1993
auf Französisch schreibt, legt ein federleichtes Prosastück vor. Es erzählt von
vier Männern in Paris, deren Wege sich
bisweilen kreuzen. Einer denkt über das
Wesen des weiblichen Nabels nach, ein
zweiter kann sich nicht überwinden, in
der Schlange vor dem Musée du Luxembourg auszuharren, um eine ChagallAusstellung zu sehen, ein dritter würdigt
Stalin als Erzähler von Witzen, ein vierter
erprobt seine schauspielerischen Künste
als Diener auf Empfängen. Vierzehn
Jahre nach dem Roman «Unwissenheit»
beschert Kundera uns ein filigranes Alterswerk, gespenstisch heiter – ein schönes Buch aus fast nichts, ein anmutiges
«Fest der Bedeutungslosigkeit».
Kämen Literaturpreise als Pokale, Terézia Mora brauchte eine extragrosse Wohnung. Die Liste von Auszeichnungen,
welche die in Ungarn zweisprachig aufgewachsene und seit 1990 in Berlin
wohnhafte Autorin erhalten hat, ist beeindruckend. Jetzt erscheinen die Poetikvorlesungen, welche die 44-Jährige
im Januar/Februar 2014 an der Frankfurter Goethe-Universität gehalten hat. Sie
zu lesen, ist ein Gewinn für alle, die ihr
Werk bereits kennen, von den Erzählungen «Seltsame Materie» über die Romane
«Alle Tage» und «Der einzige Mann auf
dem Kontinent» bis «Das Ungeheuer»,
für den sie 2013 den Deutschen Buchpreis erhielt. «Nicht sterben»: Der Titel
spielt darauf an, dass einer seine sichere
Höhle verlassen muss, um Schriftsteller
zu werden; denn nur ohne Furcht vor
dem Sterben kann er lernen, nicht zu
sterben. Virtuos und sattelfest erklärt
Mora, wie sie das bewerkstelligt hat.
Georges Perec: Warum gibt es keine
Zigaretten beim Gemüsehändler?
Diaphanes, Zürich 2015. 108 S., Fr. 15.90.
Linus Reichlin: In einem anderen Leben.
Galiani, Berlin 2015. 384 Seiten, Fr. 29.90,
E-Book 19.–.
Der kleine Zürcher Verlag Diaphanes bemüht sich nachhaltig darum, dass das
Werk des grossen französischen Autors
Georges Perec (1936–1982) im deutschen
Sprachraum präsent bleibt. Ein halbes
Dutzend Bände hat er – stets in den bewährten Übersetzungen von Eugen
Helmlé – bereits neu aufgelegt. Sie sind
Kabinettstücke der Sprachakrobatik.
Nun folgt der kleine Nachlassband
«Warum gibt es keine Zigaretten beim
Gemüsehändler», der 1991 bei Manholt
erstmals erschien. «L’infra-ordinaire»
hiess er im Original. Damit zielte Perec,
ein Mitglied der auf Experimente spezialisierten Oulipo-Gruppe, auf Ereignisse,
die unter der Wahrnehmungsschwelle
liegen. Scheinbar banale Einzelheiten –
Hausnummern, Mauern, Geräusche – inspirieren ihn zu luziden Beobachtungen
von hintergründigem poetischem Witz.
Eine Fundgrube für Neugierige.
Bekannt war Linus Reichlin als Kolumnist. Dann entschied sich der gebürtige
Aargauer (*1957) fürs freie Schriftstellerleben und reüssierte: Mit «Die Sehnsucht
der Atome» gewann er 2009 den Deutschen Krimipreis. Jetzt ist sein vierter
Roman erschienen, und Reichlin macht
seinem Namen als Autor erstklassiger
Unterhaltung mit Tiefgang alle Ehre. Es
ist die Geschichte des Ich-Erzählers Luis
Maiwald, der in einem Ostschweizer
Städtchen aufwächst. Die Eltern spielen
das Traumpaar ihrer Zeit nach: Liz Taylor
und Richard Burton. Vorlagengetreu ist
Streit der Soundtrack von Luis’ Kindheit.
Die Mutter ist nach einem Unfall behindert, der Vater säuft, der künstlerisch
hochbegabte Luis verlässt das Elternhaus, sobald er kann. Ein Bild, das er als
Teenager fälschte, sucht ihn Jahre später
heim. Ein grossartiger Roman über die
Gespenster der Vergangenheit.
Michael Frayn: Streichholzschachteltheater. 30 zündende Unterhaltungen.
Deutsch von Michael Raab. Dörlemann,
2015. 240 Seiten, Fr. 25.90, E-Book 15.90.
Von Simone von Büren
Es ist so eine Sache mit dem Abdrucken
von Theatertexten. Die besten von ihnen
wurden geschrieben, um gesprochen zu
werden. So auch Michael Frayns absurde
Sketches, in denen es um gescheiterte
und ineffiziente Kommunikation, um
Unverständliches, Aneinandervorbeireden und Missverständnisse geht: Da beendet jemand stets die Sätze der andern
Person; das schicksalsentscheidende
Gespräch eines Liebespaars vor der Trennung am Flughafen wird von zunehmend persönlichen Lautsprecherdurchsagen unterbrochen; zwei versuchen
sich am Telefon gegenseitig zu erreichen,
aus Angst, dass vielleicht ohne ihr Wissen etwas hätte geschehen können.
Auf einer Buchseite sind solche Szenen nicht in ihrem Element, aber ohne
diese drohen sie verloren zu gehen. In
«Streichholzschachteltheater» haben sie
indes eine stimmige Form der Veröffentlichung gefunden. Es ist ein BuchseitenTheater, in dem man alles machen darf,
was sonst verboten ist: Handy einschalten, die Gänge blockieren, essen, Türen
knallen. Da folgen die bissigen Sketches
in der losen Dramaturgie einer Vorstellung samt Pause aufeinander. Auch das
passt für Texte, in denen Bühne und Welt
gerne verschwimmen, wenn etwa ein
eifriger Regisseur «das öde, desorganisierte Kuddelmuddel» auf einer realen
Strasse zu inszenieren beginnt oder Korrespondenten-Meldungen von Tschechow- und Shakespeare-Handlungen
durchzogen sind.
Die Sammlung der über 30 «zündenden Unterhaltungen» ist verspielt als
überdimensionierte Streichholzschachtel gestaltet. Und aufs Zünden versteht
sich der englische Dramatik-Altmeister
gut. Das Stärkste an Frayns Sketches sind
nämlich die ersten Sätze, die in frecher
Knappheit etablieren, wer spricht: Ein
auf einem Sarkophag seit Jahrhunderten festgemeisseltes Paar im Ehestreit; ein Es-Kontraphon-Spieler,
der im Orchestergraben 1271 Takte
herunterzählt bis zum nächsten Einsatz; zwei Vertreter des Nobelpreiskomitees, die sich vergebens
bemühen, den Preisträgern die
frohe Nachricht so mitzuteilen,
dass diese nicht gleich auflegen. Schade, dass dann
einige Streichhölzer nicht
früher ausgeblasen und
einige der originellen
Ideen so plattgetreten
werden. Gut, gibt es im
Theater immer noch
die Strichfassung der
Regie. ●
Manfred Papst
Manfred Papst
Regula Freuler
Regula Freuler
22. Februar 2015 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 11
Porträt
Seit über 250 Jahren ist der Münchner Verlag C. H. Beck in Familienbesitz. Für den Bereich der Kulturund Geisteswissenschaften war gut vier Jahrzehnte lang Wolfgang Beck verantwortlich. Nun gibt er den
Stab mit gelassener Selbstverständlichkeit an seinen Sohn Jonathan und somit an die siebte Generation
weiter. Begegnung mit einem ungewöhnlichen Menschen. Von Manfred Papst
VomGewicht
derGeschichte
Wolfgang Beck, ein soignierter, selbstironischer
Herr von 73 Jahren, könnte auch Professor für
Philosophie oder Geschichte sein. Er wirkt jedenfalls eher wie ein stiller Gelehrter als wie ein
Mann, der mehr als vier Jahrzehnte lang die Geschicke eines der wichtigsten deutschen Verlage
geleitet hat. Doch genau das hat er getan – zusammen mit seinem neun Jahre älteren Bruder
Hans Dieter, der sich um das juristische Programm kümmerte, während Wolfgang Beck die
Kultur- und Geisteswissenschaften sowie die
schöne Literatur oblagen.
«Es ist schon etwas Besonderes», sagt Wolfgang Beck im gediegenen, von Bücherregalen
gesäumten Gartenzimmer am Münchner Hauptsitz des Verlages, einem von Weinlaub umrankten Haus in Schwabing, «wenn man in ein Unternehmen hineinwächst, das sich seit einem Vierteljahrtausend in Familienbesitz befindet. Für
mich war es schon als Kind verlockend, die Aufgabe meiner Vorfahren zu übernehmen und
fortzuführen. In einem Verlag sind Privates und
Berufliches ja nie zu trennen. Ich habe den Beruf
meines Vaters ganz anschaulich erlebt, und er
erschien mir immer attraktiv. Bereits als Halbwüchsiger habe ich etliche Autoren kennengelernt, bei uns daheim beim Mittagessen, manchmal gab es da auch private Lesungen. Heimito
von Doderer war immer einmal wieder bei uns
zu Gast. Aber auch Günther Anders, den ich später als Verleger begleitet habe.»
C. H. Beck Verlag
Der von Carl Gottlob Beck 1763 im bayerischen
Nördlingen gegründete Verlag gehört zu den
grössten Verlagshäusern im deutschen Sprachraum. Benannt nach dem Sohn Carl Heinrich Beck,
wird er heute in siebter Generation in Familienhand geführt. 1889 siedelte er nach München um,
wo sich sein Hauptsitz befindet. Der C. H. Beck
Verlag inkl. Druckerei zählt heute rund 900 Mitarbeiter, die C.H.-Beck-Gruppe, zu der auch der
Basler Verlag Helbing und Lichtenhahn gehört,
1800 Personen. Der Verlag umfasst zwei Zweige:
das Programm für Rechtswissenschaft (Recht,
Steuern, Wirtschaft) und das Programm für Geistes- und Kulturwissenschaften (Literatur, Sachbuch, Wissenschaft). Der Umsatz beläuft sich auf
150 Millionen Euro pro Jahr. Derzeit sind 7000
Buch- und 50 Zeitschriftentitel lieferbar.
Erste Adresse für Historisches
Wolfgang Beck studierte zunächst Medizin,
bevor er mit Hinblick auf die Laufbahn im Verlag
zu den Kultur- und Geisteswissenschaften
wechselte. «Dem Unternehmen ging es ja die
meiste Zeit ziemlich bis sehr gut», erklärt er, «so
etwas gibt man nicht leichtfertig aus der Hand.»
Die ökonomisch stärkste Säule des Verlags war
immer der Fachbuchbereich. Aber er hat den
geistes- und kulturwissenschaftlichen Teil nicht
querfinanziert. Dieser ist eigenständig und
schreibt schwarze Zahlen. Gleichwohl war der
juristische Verlag immer so etwas wie die Bank
im eigenen Hause. Das Unternehmen war stets
liquide und konnte auch aufwendige Grossprojekte in Angriff nehmen, ohne jeden Pfennig
oder Cent umzudrehen, zum Beispiel die
28-bändige Jacob-Burckhardt-Gesamtausgabe,
die C. H. Beck gemeinsam mit dem Schweizer
Verlag Schwabe verlegt.
Wolfgang Beck hat in Göttingen studiert, zu
einer Zeit, als dort Grössen wie Walter Killy und
Albrecht Schöne in der Germanistik wirkten,
Günter Patzig in der Philosophie, Hans Paul
Barth in der Soziologie. Die meisten von ihnen
sind Beck-Autoren geworden und geblieben.
Seit Urzeiten bildeten Egon Friedell mit seiner
«Kulturgeschichte der Neuzeit», Oswald Spengler mit dem «Untergang des Abendlandes» und
Albert Schweitzer mit seinen biografischen und
ethischen Schriften einen Grundpfeiler des Verlags. Zur ersten Adresse für die Geschichtswissenschaft wurde das Haus aber erst unter Wolfgang Beck. «Wir legen viel Wert auf die erzählende Geschichtsschreibung», sagt er. «Es wird
immer wichtiger, dass historische Werke auch
stilistisch überzeugen und so zu einem Lesege-
«Das Verlagsprogramm ist ein
Gemeinschaftswerk, die
Verträge unterschreibe ich.
Alles muss koordiniert
werden, zusammenpassen,
ein Profil haben.»
nuss werden. Das gebildete Publikum wird anspruchsvoller. Das reine Datenwissen kann es
sich aus anderen Quellen holen, vor allem aus
dem Internet.»
Seit 1999 gibt der Verlag C. H. Beck unter eigenem Namen auch belletristische Gegenwartsliteratur heraus. Die Tradition geht jedoch weiter
zurück: Seit 1946 gehörte der Biederstein-Verlag
zu Beck; hier erschienen unter anderem die
grossen Romane Heimito von Doderers. Auch
Klassiker wie die Hamburger Goethe-Ausgabe
und Briefeditionen – etwa Lichtenberg – hat
Beck immer wieder ediert.
Als einer von zwei Gesellschaftern ist Wolfgang Beck sowohl für das Programm als auch für
die geschäftlichen Belange des Verlags verantwortlich. Allein im geisteswissenschaftlichen
Bereich arbeiten neun Lektorinnen und Lektoren, jede Woche findet eine Programmkonferenz statt, an der Titel um Titel durchgesprochen wird. Da fehlt der Verleger nie. Auch die
Presse- und die Vertriebsleitung nehmen an diesen Sitzungen teil. «Ohne Vetorecht allerdings!»,
sagt Wolfgang Beck lachend. «Das Programm ist
ein Gemeinschaftswerk. Die Verträge unterschreibe dann ich. Alles muss koordiniert werden, zusammenpassen, ein Profil haben. Deshalb gibt es einmal pro Woche auch je eine
Vertriebs- und eine Herstellungsbesprechung,
auch eine spezielle mit der Presse. Man muss Lesereisen und Interviews planen. Wir diskutieren
Auflagenhöhen und Ladenpreise.»
Sohn Jonathan übernimmt
Wolfgangs Becks ältester Sohn Jonathan arbeitet
seit sieben Jahren im Haus. Am 1. Februar 2015
hat er offiziell dessen Leitung übernommen. Inoffiziell hat er sie schon etwas länger inne, da
sich sein Vater nach einem Herzinfarkt im Frühjahr 2014 einige Monate schonen musste. Nun
hat er einen Bypass und wirkt wieder im Verlag.
«Ich habe noch ein Büro hier», sagt er heiter,
▲
12 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 22. Februar 2015
An Günther Anders denkt Wolfgang Beck mit
besonderer Wehmut zurück. Er vermisst den
scharfsichtigen Zivilisationskritiker als Gesprächspartner. «Keiner hat brillanter beschrieben, wie die Technik uns bestimmt», sagt er.
«Die Formel von der ‹Antiquiertheit des Menschen› drückt ja genau das aus. Wir haben uns
Dinge herbeigesehnt, mit denen wir nicht fertig
werden. Insofern sind wir Zauberlehrlinge. Als
ich mit ihm zusammenarbeitete, war er nicht
mehr der Jüngste. Sein Weltbild war pessimistisch, aber sehr human. Er gehörte zu jenen Propheten, die das verhindern wollen, was sie voraussagen. 1992 ist er hochbetagt in Wien gestorben. Nicht auszudenken, was er zum Internet
und zu den Social Media hätte sagen können!»
DIETER MAYR
«Es ist schon etwas Besonderes, wenn man in ein Unternehmen hineinwächst, das sich seit einem Vierteljahrtausend in Familienbesitz befindet», sagt Wolfgang Beck, hier im
Gartenzimmer des Verlages am 9. Februar 2015.
22. Februar 2015 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 13
Porträt
VERLAG C. H. BECK
▲
«bin aber ein bisschen an den Rand gezogen.
Natürlich bin ich noch über alles informiert.
Aber die eigentliche verlegerische Arbeit mit
den vielen Entscheidungen, die von Tag zu Tag
zu treffen sind, liegt nun bei meinem Nachfolger. Ich hoffe, da und dort noch ein paar Anregungen und Ideen loswerden zu können.»
Nach wie vor sind die Brüder Beck persönlich
haftende Gesellschafter des Verlags. In Zukunft
soll es sieben Gesellschafter geben, nämlich die
Kinder der jetzigen Inhaber. Dann wird sich vermutlich auch die Rechtsform des Unternehmens
ändern. Obwohl der Verlag ein Traditionsbetrieb
ist, blickt er nach vorn. Im juristischen Sektor
spielt das Online-Geschäft bereits eine enorme
Rolle, namentlich bei den Zeitschriften. Im geisteswissenschaftlichen Bereich wächst der Erlösanteil der E-Books zwar von Jahr zu Jahr, bleibt
aber mit gegenwärtig vier Prozent noch immer
recht überschaubar.
Heimliche Bestseller
Umsatzträger in Wolfgang Becks Bereich sind
Bestseller wie Thomas Pikettys «Kapital im
21. Jahrhundert», das sich schon über 80000
Mal verkauft hat. Daneben gibt es aber auch geheime Bestseller wie Rolf Wilhelm Brednichs
Taschenbücher über moderne Wandersagen
(«Die Spinne in der Yucca-Palme»), die sich insgesamt über eine Million Mal verkauft haben.
Wichtig war für den Verleger immer, dass er ausschliesslich Projekte realisierte, hinter denen er
stehen kann. Seine besondere Liebe gilt den
grossen historischen Werken, zumal, wenn sie
so blendend geschrieben sind wie Jürgen
Osterhammels 1500-seitige «Weltgeschichte des
19. Jahrhunderts», von der 50000 Stück verkauft wurden, und Heinrich August Winklers
vierbändige «Geschichte des Westens».
Eine verlässliche Kalkulation über den Daumen kennt Wolfgang Beck nicht. Jedes Buch ist
anders. «Bei einem Handbuch können schon
1200 Exemplare reichen, im gängigen Bereich
von 14 bis 29 Euro Ladenpreis müssen es schon
5000 bis 6000 verkaufte Exemplare sein, damit
sich ein Titel rechnet. Manchmal auch mehr.
Übersetzungen sind oft teurer. Auch Editionen
mit aufwendigem Apparat.»
«Vielleicht schreibe ich noch
etwas über unsere jüngere
Verlagsgeschichte. Mir selbst
die Zeit zu vergegenwärtigen,
ist vermutlich ein ganz
normales Bedürfnis.»
Jeden Tag mit dem Velo zur Arbeit: Wolfgang Becks Fahrzeug steht vor dem Eingang des Verlagshauses an der
Ainmillerstrasse 12 in München.
Der Verlag C. H. Beck hat einen grossen und
treuen Stamm von Autoren. Gleichwohl kann er
nicht einfach auf die Manuskripte warten, die
von selber eintrudeln. «Wir müssen uns aktiv
bemühen», sagt Wolfgang Beck. «Man kennt uns
zwar. Aber auch wir kommen nicht darum
herum, auf Vorschuss-Börsen mitzubieten. Es
ist keine schöne Entwicklung, aber da kann man
nichts machen, und sie hat inzwischen auch das
sogenannte Sachbuch erfasst.»
Wolfgang Beck hat in den letzten Jahren stets
versucht, das Programm auf einer konstanten
Grösse zu halten. 170 bis 200 Titel pro Jahr. Da
zählen auch die Bände der Taschenbuchreihen
mit. Natürlich kommt er kaum noch dazu, selbst
einmal einen Titel zu lektorieren. Eine Ausnahme bildet der Hausautor Ernst Augustin, der, obwohl alt und fast völlig erblindet, jüngst ein kleines Buch geschrieben hat: «Das Monster von
Neuhausen». Das Manuskript hat der Chef als
Erster gelesen und redigiert. Allerdings war
diesbezüglich kaum etwas zu tun. Soeben ist das
Buch erschienen.
Wolfgang Beck war immer ein leidenschaftlicher Leser. Am liebsten liest er früh am Morgen.
«Ich fahre jeden Tag mit dem Fahrrad zum Verlag», sagt er. «Es ist kein sehr weiter Weg, aber er
hält mich fit. Manuskripte und Bücher finden im
Korb vor dem Lenker Platz.»
Privat sammelt Wolfgang Beck Gegenwartskunst. Regelmässig besucht er die Art Basel. Das
Treppenhaus des Verlags schmücken beispielsweise Bilder von Eugène Ionesco. Antiquarische
Leidenschaften pflegt er nicht systematisch. Natürlich hat er im Lauf seines langen Berufslebens zahllose Briefe mit Autoren gewechselt,
aber er war nie ein Schreib-Berserker wie Siegfried Unseld bei Suhrkamp. «Wir sind eine andere Art von Verlag», sagt Wolfgang Beck. «Bei
Unseld liefen viele Beziehungen mit Autoren
einzig über ihn. Ich habe mich nie in diesem
Sinn als Generalissimus und Impresario gesehen. Und bei uns hatte das Lektorat immer eine
starke Position.»
Keine Diadochenkämpfe
Bei übermächtigen Verlegern gibt es immer Krisen, wenn sie aufhören. Im Hause Beck war das
nie der Fall – zumindest nicht in einem Ausmass, welches die Kontinuität des Unternehmens gefährdet hätte. Es gab keine ödipalen
Dramen, keine Diadochenkämpfe. Kaum je hat
ein Autor den Verlag mit Getöse verlassen.
Ob Wolfgang Beck noch etwas Grösseres
schreiben will, muss er erst sehen. «Vielleicht
tatsächlich etwas über unsere jüngere Verlagsgeschichte», sagt er. «Die Darstellung von Stefan
Rebenich ist zwar sehr gut, aber er musste über
250 Jahre schreiben und exemplarisch vorgehen, was heisst: Er kam nicht umhin, vieles
wegzulassen, auch Autoren und Werke, die ich
wichtig finde. Mir selbst die 42 Jahre, die ich hier
tätig war, noch einmal etwas umfassender zu
vergegenwärtigen, ist vermutlich ein ganz normales Bedürfnis. Ob ich ihm wirklich nachgehen
werde, ist eine andere Frage.» ●
Zürich
Basel
Bederstrasse 4
Güterstrasse 137
Bern
Länggassstrasse 46
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100‘000 antiquarische Bücher
buecher-brocky.ch
14 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 22. Februar 2015
Luzern
Aarau
Ruopigenstrasse 18
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Kunst
Kinder
Hel vetika
Freihofweg 2
Sport
Politik
Literatur
Hobby
Reisen
Kochen
u.v.m.
Kolumne
Charles LewinskysZitatenlese
Noch kein Glücklicher
hat je ein gutes Buch
geschrieben.
Kurzkritiken Sachbuch
Andreas Müller (Hrsg.): Bürgerstaat und
Staatsbürger. Milizpolitik. NZZ Libro,
Zürich 2015. 214 Seiten, Fr. 39.90.
Heinz Gallmann: Zürichdeutsches
Wörterbuch. 3. überarb. Auflage. NZZ
Libro, Zürich 2015. 723 Seiten, Fr. 74.90.
Über 100000 Bürgerinnen und Bürger
haben in Gemeinden, Kantonen und im
Bund politische Ämter inne, meist ehrenamtlich und nebenberuflich. Um dieses
Potenzial, das gemäss Denkfabrik «Avenir Suisse» einen der Erfolgsfaktoren des
Sonderfalls Schweiz darstellt, geht es im
vorliegenden Buch. Nach einer historischen, politischen und statistischen
Analyse durch verschiedene Autoren
werden drei Zukunftsszenarien skizziert.
Eines davon ist der von Georg Kohler und
Patrik Schellenbauer angeregte obligatorische Bürgerdienst für alle Schweizerinnen und Schweizer sowie niedergelassenen Ausländer. So könne der Milizcharakter gestärkt und der republikanische
Gedanke erneuert werden. Avenir Suisse
bricht damit eine «Lanze für Laientum
und Amateurismus in der Politik». Provokativ und produktiv. Wie wohltuend
angesichts der uns immer mehr erdrückenden Expertokratie.
Kann ein Nachschlagewerk Thrillerqualität haben? Gleichermassen tiefsinnigste Erkenntnisse vermitteln und
höchsten Spass bereiten? Strukturierter
Forschungsbericht
und
gleichzeitig
Wundertüte sein? Der Sprachforscher
und pensionierte Gymnasiallehrer Heinz
Gallmann (78) liefert genau das mit der
3. überarbeiteten und erweiterten Auflage seines 2009 erstmals erschienenen
Zürichdeutschen Wörterbuchs. Wer zum
Beispiel wissen will, was ein Nöwöö
oder ein Zuu ist, was chosle und mungge
bedeutet und wo genau man so spricht,
findet die Antwort im «Gallmann». Das
lesefreundliche Buch enthält – eingestreut im Lexikonteil – zudem so viele
witzige Mundartgeschichten, Kinderverse, volkstümliche Sprüche und Erklärungs-Boxen, dass man es nach dem
Schnoiggen nur ungern, wenn auch um
eine Erkenntnis reicher, wieder aus der
Hand legt. Affegäil!
Peter Gross: Ich muss sterben. Im Leid die
Liebe neu erfahren. Herder, Freiburg im
Breisgau 2015. 157 Seiten, Fr. 24.90.
Stefanie Schramm, Claudia Wüstenhagen:
Alphabet des Denkens. Rowohlt, Reinbek
2015. 318 Seiten, Fr. 29.90, E-Book 20.–.
Sein letztes Buch – «Wir werden älter»,
über die Chancen der alternden Gesellschaft – war von fast überbordendem Optimismus. Nun legt der emeritierte
St.Galler Soziologe Peter Gross ein sehr
persönliches und sehr trauriges Buch
vor. Es handelt von Schmerz, Leid und
Verzweiflung, die ihn die Krebskrankheit
und der Tod seiner Frau erfahren liessen.
Diesen geradezu intimen Bericht verwebt Gross mit einem geheimen «Lebensmotto», das ihn mit Philipp II. von
Spanien ebenso verbindet wie mit James
Bond: Orbis non sufficit oder The World
is not enough. Für Gross ist dies eine
«Weltformel» für den Menschen schlechthin, dem die vorhandene Welt nie genüge. Trost findet der Autor deshalb im
«Geschenk», das uns der Tod hinterlasse,
dem Geschenk der Sehnsucht. «Welten
gehen, Sehnsucht bleibt» lautet der letzte Satz dieser ergreifend dunklen Elegie.
Worte können verletzen, manipulieren,
erfreuen: Sie haben Macht. Das auch einzelne Buchstaben dazu in der Lage sind,
das zeigen die beiden «Zeit»-Journalistinnen Stefanie Schramm und Claudia
Wüstenhagen in ihrem Buch über die
Sprache. Sie tragen verblüffende Erkenntnisse aus Psychologie, Linguistik
und Hirnforschung zusammen. Könnten
wir ohne Worte überhaupt denken? Gibt
es einen Zusammenhang zwischen dem
Klang eines Wortes und seiner Bedeutung? Verändern wir uns durch das Lernen einer Fremdsprache? Die spannende
Reise in die Welt der Worte zeigt uns,
dass die Sprache, jenes einzigartige
Werkzeug, das wir Tag für Tag oft gedankenlos benutzen, noch heute viele Rätsel
aufgibt. Ein leicht zu lesendes Buch über
ein schwieriges Thema für alle, die sich
für die Sprache, ihre Entstehung und vor
allem ihre Wirkung interessieren.
LUKAS MAEDER
Arno Schmidt
Der Autor Charles
Lewinsky arbeitet in
den verschiedensten
Sparten. Sein letzter
Roman «Kastelau»
ist im Verlag Nagel &
Kimche erschienen.
Ich habe noch nie ein gutes Buch geschrieben. Nur Schrott und Plunder habe
ich produziert, ungeeignet für anständige Bücherregale, bestenfalls für die
Papierabfuhr bestimmt. Manchmal, ich
kann mir den Grund auch nicht erklären,
sind Leser und Kritiker auf das sprachliche Blendwerk hereingefallen, das ich
mit der Tastatur meines Computers zu
produzieren pflege, aber wirklich gut
waren die Bücher nicht. Sie konnten es
gar nicht sein.
Denn (empfindsame Gemüter mögen
bitte weghören und die nächsten Zeilen
überspringen), denn ich bin eigentlich
ein ganz glücklicher Mensch. Seit fast
einem halben Jahrhundert bin ich mit
derselben Frau zusammen, und es passiert mir immer noch, dass mein Herz
bei ihrem Anblick ins verliebte Wummern gerät. Ich habe zwei wunderbare
Kinder, auf die ich furchtbar stolz wäre,
wenn ich nicht wüsste, dass ihre Leistungen ihr eigenes Werk sind, zu dem
ich selber nur sehr wenig beitragen
konnte.
Und die nächste Generation lässt sich
auch sehr vielversprechend an.
Ausserdem, und ich weiss, dass man
das eigentlich nicht zugeben sollte,
wenn man ein ernstzunehmender
Künstler sein will, ausserdem (empfindsame Leser bitte schon wieder weghören und erst später weiterlesen), ausserdem macht mir mein Beruf Spass.
Ich schreibe gern und würde es wohl
auch tun, wenn mich niemand dafür
bezahlte.
Umso erfreulicher, dass mir mein Verleger jedes Jahr eine Abrechnung
schickt, die mir nicht nur das tägliche
Brot finanziert, sondern auch noch die
Butter obendrauf. Und ab und zu ein
Scheibchen Lachs.
Wenn man schon mal am Beichten
ist, soll man es gründlich tun. Also
streue ich hiermit Asche auf mein Haupt
und gestehe: Wenn ich mich jeden Morgen pünktlich um neun Uhr an meinen
Computer setze (genauer gesagt: um
zehn vor neun, denn das Kreuzworträtsel aus der «Washington Post» will noch
vor Arbeitsbeginn gelöst sein), dann
fühle ich mich keineswegs als Galeerensklave, den die Peitschenhiebe eines
sadistischen Aufsehers ans Ruder zwingen, sondern freue mich auf die Überraschungen, die mir das Schreiben immer
wieder neu beschert.
Selbst wenn die AutorInnen der
Schweiz mich für diese Tatsache aus
ihren Reihen ausschliessen: Ich leide
noch nicht einmal an Depressionen.
Und darum habe ich
eben noch nie ein gutes
Buch geschrieben.
Aber vielleicht irrt sich
Arno Schmidt ja auch.
Urs Rauber
Kathrin Meier-Rust
Urs Rauber
Geneviève Lüscher
22. Februar 2015 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 15
Sachbuch
Kalter Krieg Eine neue Publikation befasst sich mit DDR-Tarnfirmen in der Schweiz. Sie dienten
Ostberlin zur Devisenbeschaffung und zur Umgehung des Technologieembargos
AuchinderSchweiztrieb
dieStasiihrUnwesen
Ricardo Tarli: Operationsgebiet Schweiz.
Die dunklen Geschäfte der Stasi.
Orell Füssli, Zürich 2015 (erscheint am
1. März). 254 Seiten, Fr. 27.90.
Von Urs Rauber
RUNDSCHAU SRF
Dass die ostdeutsche Staatssicherheit
(Stasi) in der Schweiz aktiv war, durch
Agenten, Botschaftsangehörige usw., ist
nicht neu. Schon kurz nach dem Zusammenbruch der DDR im Herbst 1989
berichteten NZZ, «Bilanz», «Facts»,
«Weltwoche» und andere Medien ausführlich über das Wirken östlicher Geheimdienste. Nach der Jahrhundertwende erschienen zudem Bücher wie jene
von Holger Bahl («Als Banker zwischen
Ost und West»), Peter Veleff («Spionageziel Schweiz») und vom kürzlich verstorbenen Erwin Bischof («Honeckers Handschlag»).
Ist also das grosse Panorama bekannt,
so liegen doch zahlreiche Fälle weiterhin
im Dunkeln und manch personelles Rätsel harrt noch der Aufklärung. Im Unterschied zur grossflächigen Erforschung
der Geschichte der Schweiz im Zweiten
Weltkrieg steckt diejenige des Kalten
Krieges und insbesondere der Verflechtung der Schweiz mit der DDR noch in
den Anfängen. Das Buch des 36-jährigen
Berner Historikers Ricardo Tarli, der in
Berlin als freier Journalist arbeitet,
nimmt sich verdienstvollerweise dieses
Kapitels der jüngeren Zeitgeschichte an.
Tarli untermauert seine These, dass
die Schweiz der Stasi als Operationsbasis
16 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 22. Februar 2015
für diverse mafiöse Machenschaften
diente, mit einer beeindruckenden Zahl
bislang nicht bekannter Fälle. Im Buch
werden Beispiele von Waffenhandel,
Geldwäscherei, Devisengeschäften, Zigarettenschmuggel, illegalem Kunsthandel, geheimen Golddeals erzählt – bis hin
zur über die Schweiz laufenden Unterstützung der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Der Verfasser beschreibt, wie Menschen veruntreuten,
verschleierten, tarnten, betrogen oder
Dokumente fälschten.
Im Zentrum steht das Wirken von zwei
Schlüsselpersonen: des in Montagnola
lebenden Ottokar Hermann und des in
Zug wohnhaft gewesenen Michael Grossauer, die beide aus der Schweiz heraus
mit den DDR-Tarnfirmen Befisa S.A., Intrac S.A. und Rexim S.A. (alle Lugano)
sowie Allimex AG und Asada AG (beide
Zug) agierten. Bei diesen Konstrukten
handelte es sich um Tochterfirmen des
Konglomerats von DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski. Der
schillernde Chef der KoKo (Kommerzielle Koordinierung im ostdeutschen Ministerium für Aussenhandel) war für die Beschaffung von Hightech-Geräten und
Embargo-Gütern nach Ostberlin zuständig. Schalck war Stasi-Offizier im Rang
eines Obersten und genoss das Vertrauen
von Stasi-Chef Erich Mielke.
Gemäss Tarli fungierte Ottokar Hermann als Schalck-Golodkowskis «Statthalter in der Schweiz». Der Verfasser
schildert die juristische und finanzielle
Verflechtung dieser Firmen, ihre Aktivitäten, Transaktionen sowie ihr Personal
mitsamt Decknamen – ohne allerdings
restlose Klarheit zu schaffen. Beim Lesen
durch den Wust von Informationen
wünscht man sich gelegentlich ein vereinfachendes
Schema
oder
eine
Überblicksgrafik. Die Vielzahl der Briefkasten- und Holdingfirmen sowie die oft
redundant wirkende Aufzählung ihrer
Tätigkeiten ist manchmal eher verwirrend als erklärend.
Handel mit DDR-Raubkunst
Hausbank der Stasi?
Die heute nicht mehr
existierende Bank für
Handel und Effekten
in Zürich, an der Ecke
Talacker/Sihlstrasse.
Der Autor nennt zahlreiche Schweizer
Anwälte, Politiker, Gemeindepräsidenten (von eher regionaler denn nationaler
Bedeutung), die mit diesen Firmen in
Kontakt standen – meist ohne Wissen um
deren Verstrickung in illegale DDRGeschäfte. Das jedenfalls beteuern die
genannten Personen, soweit sie dazu
befragt wurden. Von besonderer Wichtigkeit scheint der Zürcher Bankier Max
Moser (geb. 1918) gewesen zu sein, der
bei der Bank für Handel und Effekten
(BHE) arbeitete, die Tarli kurzerhand als
«Hausbank der Stasi in der Schweiz» bezeichnet. Der Autor wiederholt damit
eine Anschuldigung des «Spiegels» von
1998 – ohne neuere Dokumente vorzulegen. Hermann verstarb 2007, ohne strafrechtlich belangt zu werden. Grossauer,
der heute in Spanien lebt, mag sich offenbar nicht mehr äussern. Und ob Max
Moser noch lebt, bleibt offen.
Brisant ist die Geschichte eines 2014 in
Zürich versteigerten Gemäldes, «Maria
mit Kind» des niederländischen Malers
Jan Gossaert. Aus der Provenienz des Gemäldes geht laut Tarli nicht hervor, dass
das Bild 1978 bei einem in der DDR unter
mysteriösen Umständen ums Leben gekommenen Kunstsammler von staatlichen Stellen beschlagnahmt worden sei.
Das Beispiel scheint kein Einzelfall zu
sein, denn, wie inzwischen bekannt,
presste auch die ostdeutsche Stasi, nicht
unähnlich den Fällen von Nazi-Raubkunst, Privatpersonen Kunstwerke ab –
zwecks Devisenbeschaffung. Leider fehlt
auch bei diesem Beispiel im Buch die lückenlose Belegung mit Quellen.
Damit sind die beiden Hauptmängel
der Monografie angesprochen: die weitgehend fehlenden Quellenverweise und
die Pauschalisierung der Vorwürfe. Tarli
spricht zwar in der Einleitung von «rund
10000 Blatt Papier», darunter «unveröffentlichten Staatsschutzakten aus dem
schweizerischen Bundesarchiv, Akten
EASTBLOCKWORLD
Ein soziales Projekt der Stiftung Tosam www.tosam.ch
der Stasi-Unterlagenbehörde in Berlin»,
auf die sich seine Arbeit stütze. Doch im
Buch zitiert er ausschliesslich Zeitungsund Zeitschriftenartikel. Hat der Verfasser die ominösen Originalakten gar nicht
selbst eingesehen? Oder darf er daraus
nicht zitieren? Die Antwort auf die Frage
sucht man im Buch leider vergebens. Unverständlicherweise werden auch wörtliche Zitate aus Stellungnahmen, Dementis und Erklärungen der befragten
Behörden (etwa von alt Bundesanwalt
Rudolf Gerber und alt Bundespolizeichef
Peter Huber) sowie von Firmen und Privatpersonen quellenmässig nicht veror-
tet. Wer hat wann über welchen Kommunikationskanal (Brief, Mail, Telefon, Gespräch) was kommuniziert? Und wo sind
diese Aussagen heute niedergelegt?
Diese Mängel schmälern die Beweiskraft
der durchaus plausiblen Hauptthese erheblich.
Gravierende Vorwürfe
Fragwürdig ist auch das Bestreben des
Autors, einzelne Kritikpunkte zu verabsolutieren. Dass von der Stasi gesteuerte
Einzelfirmen offenbar jahrelang verdeckt in der Schweiz operieren konnten,
ist ein gravierender Vorwurf, der durch-
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<wm>10CFXKoQ6FMBBE0S_aZma2Cy2VBEcQBF9D0Py_4j0c4pqbs64tEt7mZTuWvRHIYVJF_H6NpHForJ4UahApMCZmLy4V_3gD6-Dw_jcGGdmZzUdj7ipK93k9yAUuLXIAAAA=</wm>
Alexander SchalckGolodkowski (rechts)
– hier mit Franz
Josef Strauss 1985 in
Leipzig – verschaffte
der DDR auf legalen
und illegalen Wegen
Devisen. Er hatte auch
in der Schweiz seine
«Statthalter».
aus zutreffen mag. Daraus jedoch den
Schluss zu ziehen, die Schweizer Behörden, «allen voran die Bundesanwaltschaft und die Bundespolizei», seien
nicht konsequent gegen die DDR-Spione
und deren Hintermänner vorgegangen,
ist eine (unzulässige) Pauschalbehauptung.
Geradezu absurd mutet der Vorwurf
an, die Schweizer Bundesanwaltschaft,
die in den 1970er und 1980er Jahren
900000 Linke und Andersdenkende im
eigenen Land überwacht hatte, habe
gegenüber DDR-Spionen und deren Hintermännern in der Schweiz «beide Augen
zugedrückt» und ihr habe bezüglich Ostspionage «ein echtes Problembewusstsein» gefehlt.
Verunglückt ist auch das Schlussfazit
des Autors: «Die Schweiz war kein Opfer
der Stasi, sondern vor allem eine Profiteurin des Unrechtsregimes in Ostdeutschland.» Unser Land habe sich gar
«zur Handlangerin des SED-Regimes»
gemacht. Solche Verallgemeinerungen
mindern den Wert der durchaus einleuchtenden Ergebnisse von Tarlis Untersuchung.
Schade auch, dass im Buch ein Personen- und Firmenregister sowie ein ordentliches Quellenverzeichnis fehlen,
abgesehen von einer etwas beliebig
zusammengestellten SekundärliteraturListe. Der renommierte Orell-Füssli-Verlag wäre gut beraten gewesen, für das
Lektorat des Buches mehr Sorgfalt aufzuwenden. ●
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22. Februar 2015 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 17
Sachbuch
Holocaust Der deutsche Philosoph Hans Blumenberg sah in Sigmund Freud und Hannah Arendt
Geistesverwandte: Sie raubten dem jüdischen Volk Moses und Adolf Eichmann
DieWahrheitistsubjektiv
Hans Blumenberg: Rigorismus der Wahrheit.
«Moses der Ägypter» und weitere Texte
zu Freud und Arendt. Suhrkamp,
Berlin 2015. 134 Seiten, Fr. 21.90.
«Der Rigorismus der Hannah Arendt ist
dem des Sigmund Freud sehr ähnlich.
Sie glaubt an die Wahrheit – dass es ihre
Wahrheit ist, kann sie nicht ändern und
nicht verhindern.» Der deutsche Philosoph Hans Blumenberg (1920–1996)
schrieb diesen bisher unveröffentlichten
Satz wohl Ende der achtziger Jahre, mehr
als ein Vierteljahrhundert nach dem Erscheinen von Hannah Arendts Buch
«Eichmann in Jerusalem» 1964, das auf
ihre Berichte für «The New Yorker» über
den Prozess gegen den Hauptorganisator
des Holocaust, den SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann, zurückging. Es
trug den epochalen, umstrittenen Untertitel «Ein Bericht über die Banalität des
Bösen».
Der eingangs zitierte Satz steht in Blumenbergs Text «Moses der Ägypter».
Dieses Manuskript bewahrt das Deutsche Literaturarchiv Marbach in der
Mappe «Unerlaubte Fragmente» auf. Der
1941 geborene Politikwissenschafter
Ahlrich Meyer hat diesen Aufsatz nun
herausgegeben, in den Kontext diverser
Vorarbeiten und Exzerpte Blumenbergs
gestellt, mit kenntnis- und facettenreichen Kommentaren und einem höchst
erhellenden Nachwort versehen.
Innerjüdische Debatte
Das Ergebnis ist mehr als eine Fussnote
zur Auseinandersetzung jüdischer Intellektueller mit dem Holocaust. Dieser lediglich zwölf Seiten lange Aufsatz und
seine editorische Corona beleuchten
nicht nur indirekt Blumenbergs von ihm
zu Lebzeiten nicht öffentlich thematisiertes Selbstverständnis als Sohn einer
jüdischen Mutter, sondern führen zu
Kernpunkten der Debatte, die Arendts
Deutung der Rolle Eichmanns und seiner
Hinrichtung auslöste.
Hans Blumenberg erkennt – und das
ist eine ingeniöse Interpretation – in
Arendts Werk das Pendant zu Freuds
«Der Mann Moses», einer Schrift, die am
Beginn der Shoah erschien. Das Kränkungspotenzial beider Bücher erscheint
Blumenberg ebenbürtig und unerträglich. Freud hatte seine Studie schon in
Wien entworfen, aber aus Sorge um die
Resonanz und die Zukunft der Psychoanalyse in Österreich erst als Emigrant in
London 1939 veröffentlicht. Seine für
Menschen jüdischen Glaubens verletzende Hauptthese: Moses, der Heros
jüdischer Geschichte, war Ägypter, ein
Verächter der Juden, der diese brachial –
von der Tradition des ägyptischen Echnaton-Kultes inspiriert – unter das Joch
einer monotheistischen Religion zwang.
Freud war sich im Anblick von Michelangelos Moses sicher, dass dieser Befrei18 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 22. Februar 2015
AP
Von Kirsten Voigt
Hans Blumenberg
kritisiert an Hannah
Arendt, dass sie
Adolf Eichmann
entdämonisiert habe.
Eichmann-Prozess in
Jerusalem,
11. Dezember 1961.
er sein Gefolge im Grunde als Gesindel
betrachtet und gehasst habe. Im Brief an
Arnold Zweig mutmasst er, Moses sei
«ein starker Antisemit» gewesen. Aus der
Altertumskunde des frühen 20. Jahrhunderts übernahm Freud ausserdem die
Annahme, Moses sei gar vom jüdischen
Volk getötet worden.
Freud arbeitete tief unzufrieden mit
sich, wie er an Arnold Zweig schrieb –
Blumenberg nennt fälschlicherweise
Stefan Zweig –, an der romanhaften Darlegung und folgenden wissenschaftlichen Dekonstruktion des Moses-Mythos.
Der Münsteraner Philosoph klassifiziert
den «absolutistischen» Umgang mit dem,
was Freud als Wahrheit begriff, als Skandal. Und so wie Freud die Juden ihrer
Vaterfigur buchstäblich entfremdete,
nahm Arendt dem Staat Israel seine negative Gründergestalt, meint Blumenberg. Höhepunkt der Arendt’schen Fehlleistung scheint ihm, dass sie Eichmann
als «Hanswurst» von eminenter Dummheit darstellte.
Täter war kein «Hanswurst»
Welche Verhöhnung der Opfer wäre eine
solche Verharmlosung. Durch «Entdämonisierung» entkleidete Arendt den
Eichmann-Prozess – so Blumenberg – seiner symbolischen, seiner kathartischen
Funktion. Was Blumenberg dabei übersieht, benennt Meyer unter anderem in
seinen differenzierten Erläuterungen,
die den Leistungen Blumenbergs ebenso
gerecht werden wie Arendts unermüdlichen Bemühungen, das Unbegreifliche
rational auf den Begriff zu bringen:
Arendt zitierte lediglich Eichmanns stra-
tegische Selbstdarstellung als «Hanswurst» im Interview mit Avner Less.
Freilich – auch das warf man ihr schon
bei Erscheinen vor – folgte sie damit
Eichmanns Äusserungen eng und liess
sich vielleicht sogar von der Maske des
Bösen täuschen.
Es geht Hans Blumenberg auch um
das, was die Lyrikerin Ingeborg Bachmann einmal behauptete – die Wahrheit
nämlich sei dem Menschen zumutbar.
Blumenberg hält dies für einen Irrtum.
Denn erstens begreift er Wahrheit als ein
Interpretationskonstrukt und zweitens
hält er einen rücksichtslosen Offenbarungsimpetus für anmassend. Zum Rigorismus-Vorwurf gesellen sich die früh
gegen Arendts Text erhobenen Einwände: Dass sie erklärte, die Benutzung jüdischer Institutionen wie der Juden-Räte
für die Mechanik der «Endlösung» habe
die Zahl der Opfer drastisch erhöht, war
nicht nur für Blumenberg eine erschütternde Behauptung.
Auch Hannah Arendts Plädoyer für
eine internationale Verurteilung Eichmanns wegen Verbrechen gegen die
Menschheit sah Blumenberg kritisch, da
sie den Juden die Einzigartigkeit ihres
Schicksals geraubt hätte.
Blumenbergs Text mit seinem Bekenntnis zur erlösenden Funktion mythischen Denkens und Handelns, dessen
der Mensch zur Entlastung vom Absolutismus des Wirklichen bedürfe, ist insofern konsistent, als er seine These von
der Subjektivität der «Wahrheit» glänzend belegt. Auch seine Wahrheit ist abhängig von Vorannahmen, Perspektiven
und Entscheidungen. ●
Gesellschaft Kluge Sammlung engagierter Essays
Eva Menasse: Lieber aufgeregt als
abgeklärt. Kiepenheuer & Witsch,
Köln 2015. 256 Seiten, Fr. 29.90.
Von Nicole Althaus
Essaybände haben einen schweren
Stand. In der Buchhandlung erhalten sie
selten einen verkaufsfördernden Platz,
zur Lieblingslektüre werden sie von der
Leserschaft kaum erkoren und für die
Kritik fehlt bei der Rezeption die wichtigste Zutat: die Emotion des Moments.
Es gibt deshalb nur wenige Autoren,
deren Essays, Debatten oder Reden auch
im Nachhinein die Sogwirkung zu entfalten vermögen, die sie im Moment ausstrahlten. Doch wenn sie das schaffen,
dann ist es so, als ob es ihnen gelungen
wäre, ein Stück gefühlte Zeitgeschichte
zwischen den Worten einzufrieren, auf
dass sie beim Lesen auftaue.
Den besten Essays, die Eva Menasse
für ihren Band versammelt hat, gelingt
exakt das. Zwar sind sie so sehr im Heute
zu Hause, dass man nicht von eingefrorenen Emotionen sprechen kann, sondern
höchstens von gekühlten – sie schreibt
über künstliche Befruchtung, Pränataldiagnostik, über die Wiederbelebung des
mittelalterlichen Prangers mittels Shitstorms und die Durchsichtigkeit des
Menschen im Zeitalter des Internets.
Doch wenn sie diese in Worte giesst, ist
die Hitze der Debatte in der Schärfe der
Worte sichtbar: «Wer nicht anders als mit
Gott begründen kann, worin der Unterschied zwischen ‹normaler› und reproduktiver Medizin, also zwischen Infu-
sion und Insemination, zwischen einer
Blut- und einer Samenspende, zwischen
einem Bypass, einem künstlichen Hüftgelenk und ärztlicher Hilfe beim Kinderwunsch bestehen soll, hat sich im
21. Jahrhundert intellektuell erledigt.»
Pointiert bringt Menasse auf den
Punkt, worin die Schwierigkeit jeglicher
Diskussion über Pränatale Diagnostik besteht: Sie wirft den Menschen auf den
Kern seiner Existenz zurück. Dass Menasse sich in die Debatte einmischt, und
das auch noch aus persönlicher Betroffenheit, da sie selber die Fortpflanzungsmedizin beansprucht hatte, ist ein Verdienst. Jede Meinung ist ein Beitrag zum
Diskurs, ohne den eine Gesellschaft
seine Übereinkünfte und Grenzen nicht
überprüfen und verändern kann.
«Lieber aufgeregt als abgeklärt» – der
Titel des Buches ist Programm. Fast in
jedem Text lässt sich die 42-jährige Österreicherin als Zeitgenossin erleben, die
intellektuell und emotional teilnimmt an
dem, was vor ihrer Tür und in der Welt
geschieht. Die Reflexion darüber ist nicht
immer brillant aber immer engagiert. Das
reicht wohl nicht, dass der Leser den
Band ins Herz schliessen wird, aber es
hat Texte darin, manchmal sind es auch
bloss Passagen, die für das Durchackern
des Restes entschädigen. «Diamant mit
Umgebung» lautet der Titel eines Essays
über die Erzählungen von Scott Fitzgerald. Ein Diamant ist auch dieser eine
Satz in der Umgebung des Essays «Mut
zur Wut»: «Es ist so banal wie wahr, dass
die Meinungsfreiheit sich erst dort beweist, wo sie weh tut.» Oder das Ende
des Abschnitts über die rückwärtsge-
EKKO VON SCHWICHOW
EineFrau,
diesicheinmischt
Die österreichische
Publizistin Eva
Menasse fängt in ihren
Essays pointiert den
Zeitgeist ein.
wandten Bussübungen Deutschlands
aus Anlass von Günter Grass’ Israel-Gedicht: «Man kann nicht jedes Mal, wenn
es im Nahen Osten knallt, in Deutschland
erschrocken ein neues Museum bauen.»
Am besten ist Eva Menasse, wenn sie
die kollektive Haltung der Gesellschaft
seziert. Dann schafft sie es, mit zwei, drei
Sätzen ein so klares Bild vom Zeitgeist zu
malen, als hätte sie eine geheime App
entdeckt, das ein iPhone-Bild in Worte
übersetzt. Gerade so wie die Gesangslehrerin der Autorin im autobiografischen
Text «Stell dir vor, du hättest den Hintern
von Montserrat Caballé» ihrer Schülerin
mit ein paar Worten die Magie einer
Musikpassage erschliesst: «Ich blättere
in meinen Noten und Notizen: ‹Gebärdekurs, leiernd› steht über der langsamen Mittelpassage einer barocken Arie,
‹mechanische Spieldosenfigur, endgültig
übergeschnappt› über jener dritten Wiederholung in Glucks Orpheus-Arie.» Im
Zentrum steht die Emotion des Moments. Ob sie den Rezipienten als Wort
erreicht oder als Ton ist letztlich bloss
eine Frage der Übersetzung. ●
Ideengeschichte Ein Kulturhistoriker wirft einen Blick auf das Verhältnis der Menschen zu den Dingen
Auf jede Schöpfung folgt Zerstörung
Wolfgang Schivelbusch: Das verzehrende
Leben der Dinge. Versuch über die
Konsumtion. Hanser, München 2015.
192 Seiten, Fr. 29.90.
Von Anja Hirsch
Mit seiner packend wie ein Drama erzählten «Geschichte der Eisenbahn»
(1977) wurde der 1941 in Berlin geborene
Kulturgeschichtler Wolfgang Schivelbusch bekannt. Endlich einer, der nicht
trocken Fakten vermittelte, sondern
auch in seinen folgenden Büchern, etwa
über Genussmittel oder die elektrische
Beleuchtung, den Blick darauf lenkte,
wie sich das Seelenleben des Menschen
unter dem Einfluss der Technik veränderte. Folgerichtig, dass sich Schivelbusch in seinem neuesten Buch nun
ganz auf diese abenteuerliche Beziehung
zwischen Mensch und Ding konzentriert.
Spuren hinterlassen schliesslich beide
aneinander.
So wird ein Schuh durch langes Tragen
rissig. Aber auch der Fuss kann Blasen
bekommen. Schivelbuschs ideengeschichtlich ausgerichtete Zeitreise führt
uns in die Eingeweide dieser Vorgänge
und fördert eine erstaunliche These zutage: Zivilisation und Schöpfung gingen
schon immer mit Zerstörung oder wenigstens Verwandlung einher. Auf der
Ebene des Körpers sind das Stoffwechselprozesse; die Ökonomie spricht von
Tausch. Damit «Gutes», also ein greifbares «Gut» entsteht, musste schon in den
alten Mythen erst mal das Monster sterben. Fäulnis, Gärung, Verbrennung sind
solche Vorgänge zur Veredelung von
Stoffen. Und war nicht Doktor Frankenstein in Wirklichkeit der «Wissenschaftsoptimist der Aufklärung» schlechthin?
Immerhin habe der, wenn auch aus Leichenteilen, Neues produziert.
Solche Zuspitzungen machen Schivelbuschs Buch so charmant. Ganz nebenbei erfahren wir, wie die Fotografie unser
Selbstbild veränderte, und was man denken könnte, wenn man sich wieder einmal damit abplagt, eine Ware von heute,
nämlich eine CD, aus der Versiegelung zu
befreien: Nicht aufregen. Zerstörung ist
Grundlage des Konsums. Die CD verändert mich. Aber auch ich hinterlasse
zweifelsfrei Abdrücke.
Schivelbuschs vorsorglich als «Versuch» bezeichneter Parcours «über die
Konsumtion» spiegelt quasi selbst eine
wilde, konsumtive Aneignung aus so
virulenten Denkfeldern wie der Philosophie, Mythologie, Alchimie, Ökonomie
oder der Psychoanalyse. Lustvoll greift
er deren Begriffe und Theorien auf, um
sie für sich fruchtbar zu machen. Diese
ungewöhnliche Perspektive auf ein Beziehungsdrama ist das eigentlich Aufregende an der Lektüre. ●
22. Februar 2015 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 19
Sachbuch
Organisierte Kriminalität Hinter den oft tragisch endenden Flüchtlingsströmen nach Europa
versteckt sich ein Milliardengeschäft
Schlepper,Schleuser,Schmuggler
Von Sieglinde Geisel
Medien zeichnen in ihren Berichten über
Flüchtlingsdramen oft das Bild einer
skrupellosen und gewalttätigen Schleppermafia, der ein Menschenleben nichts
gilt. Stimmt dieses Bild? Der italienische
Kriminologe Andrea Di Nicola und sein
Co-Autor Giampaolo Musumeci haben in
der Welt der Schleuser recherchiert: Entgegen ihrem reisserischen Buchtitel
sprechen sie aber kaum von «Menschenhändlern» und Gewalt. Sie beschreiben
vielmehr ein System von «flexiblen Netzwerken», die international und mit effizienter Arbeitsteilung agieren. Diese
nennen sie, etwas beschönigend, «illegale Reiseagenturen», die auch einen Ruf
zu verlieren hätten. Klar, denn es spricht
sich herum, wenn Flüchtlinge nicht ankommen – und das ist schlecht fürs Geschäft.
Die beiden Autoren haben mit Flüchtlingen, Staatsanwälten und Schleusern
gesprochen, mit letzteren oft in Gefängnissen: In den Netzwerken sind die Kapitäne und Busfahrer zwar die kleinsten
Fische, doch sie gehen das grösste Risiko
ein. Vom Taxifahrer zum Schlepper ist es
oft nur ein kleiner Schritt. Kenntnis von
Land und Leuten ist ebenso wichtig wie
die Fähigkeit zur Kooperation sowie
Kreativität: Für jede neue Hürde an der
EU-Grenze erfinden die kriminellen
Netzwerke neue Methoden der Umge-
hung. Auch die Grossen in diesem äusserst lukrativen Geschäft haben klein angefangen, so etwa der Kroate Josip
Jončarić, der in den 1990ern fast den gesamten Menschenschmuggel aus China
nach Europa organisiert haben soll. Er
war Lastwagenfahrer, bevor er seine
Kenntnisse über die Grenzregion des
Karst dazu nutzte, Menschen anstelle
von Obst und Gemüse über die Grenze zu
transportieren.
Die Schauplätze, über die die Autoren
berichten, wechseln rasch: Oberägypten,
Calais (der Ärmelkanal gehört zu den einträglichsten Routen) oder ein Hafenstädtchen in der Türkei. Das Prinzip ist
überall das gleiche. Die Anwerbung wird
von Agenten im Heimatland der Flücht-
REUTERS
Andrea Di Nicola, Giampaolo Musumeci:
Bekenntnisse eines Menschenhändlers. Das
Milliardengeschäft mit den Flüchtlingen.
Kunstmann, München 2015. 201 Seiten,
Fr. 29.90.
Menschenschmuggel im Lastwagen: Französische Polizisten entdecken
illegale Migranten in den Terminals von Calais (22.10. 2014).
linge betrieben, Organisatoren sorgen im
jeweiligen Streckenabschnitt für Transport, Unterkunft und Verpflegung der
Flüchtlinge sowie allenfalls die Bestechung von Beamten, ein Kapitän oder
Schleuser bringt die Flüchtlinge schliesslich über die Grenze, wo sie sich selbst
überlassen werden.
Aus allen Regionen der Welt versuchen Menschen, in den Westen zu gelangen. Am teuersten ist eine Flucht von
China in die USA: Hier sind gefälschte
Dokumente sowie mehrere Flugreisen
erforderlich, das kostet 40000 bis 70000
Dollar. Meistens jedoch bezahlen Flüchtlinge (etwa aus Afghanistan, Syrien oder
Afrika) einige tausend Dollar, um nach
Europa zu gelangen. Zwischen drei und
zwanzig Milliarden Dollar pro Jahr soll
die illegale Migration den Schleppern
einbringen. Genaue Zahlen gibt es nicht,
denn die Summen werden bar bezahlt
und per Schuldschein weitergeleitet – ein
de facto legales System, das so einfach ist
wie raffiniert.
Die internationale Fahndung gestaltet
sich schwierig: Die Bosse dieser organisierten Kriminalität bleiben unerreichbar, niemand hat mit ihnen direkten
Kontakt, und oft ist nicht einmal ihr wahrer Name bekannt.
Das Schleusen von Menschen (im
Buch wird zwischen Kriegsflüchtlingen
und Armutsmigranten leider nicht unterschieden) funktioniert letztlich wie
jedes Geschäft: Wo es eine Nachfrage
gibt, findet sich auch ein Anbieter – und
die Nachfrage wird auf absehbare Zeit
nicht abreissen, im Gegenteil. Wie diesem verbrecherischen Tun jedoch zu begegnen sei, darauf haben auch die Autoren keine Antwort. ●
Schweiz Zwei Manager richten einen Reformappell an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
Heidi, wach auf!
Robert Salmon, Christopher Cordey:
Aufwachen! Ist die Schweiz in die Falle
ihres eigenen Erfolgs getappt? Europa
Verlag, Zürich 2015. 104 Seiten, Fr. 19.90.
Von Thomas Zaugg
Dieses Buch erlaubt sich, «mit der Faust
auf den Tisch zu schlagen», und haut daneben. Die Erfolgsgeschichte der Schweiz
habe ihre eigene innere Kultur geschaffen, benennen die beiden Autoren das
Kernproblem. Im Tourismus, der Banken- und Exportbranche, den Auslandbeziehungen und bei der Jugend stellen
Robert Salmon und Christopher H.
Cordey eine alarmierende Starre fest. Mit
86 Prozent – laut Sorgenbarometer 2012
der Credit Suisse – seien die Schweizer zu
stolz auf ihre Nation.
Zwar bringen die Autoren viel Erfahrung mit: Salmon war Vize-Präsident der
L’Oréal-Gruppe, Cordey arbeitete unter
20 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 22. Februar 2015
anderem für Philip Morris, Movado, Richemont und Clarins. Jedoch beschränkt
sich ihr «Aufwachen!» auf Zukunftsmusik, ja «Futurologie» im schlechtesten
Sinne. Allgemeinplätze sind die Regel:
«Nehmen Sie sich angesichts von Schwierigkeiten vor Unbeweglichkeit sowie
übereilten Veränderungen in Acht.»
Oder: «Die beste Lösung ist, pragmatisch
vorzugehen und in sukzessiven Schritten zu handeln.» Störend auch, wenn alt
Bundesrat Willi Ritschard sinnentstellend zitiert wird. Der Sozialist wollte folgenden Satz sicherlich nicht so unternehmerisch verstanden wissen, wie es
die Autoren tun: «Die Schweizer stehen
früh auf, aber sie erwachen spät.»
Auch «Aufwachen!» kommt zu spät.
Die jüngste Entwicklung aufgrund der
zunehmenden Frankenstärke kann das
auf Französisch («Heidi réveille-toi!») bereits im Januar 2014 erschienene Pamphlet nicht berücksichtigen. Seine acht
Kurzratschläge für Heidi sind dennoch
eine Diskussion wert: etwa die Wahlpflicht zwischen 18 und 30 Jahren, Mandarin als dritte Fremdsprache ab der Sekundarstufe oder Zivildienst im Ausland
als Militärersatzpflicht für Schweizer
und (!) Schweizerinnen.
Aufrüttelnd wirkt das zügig zu lesende Büchlein, wenn es globale Trends behandelt. In einer Welt ohne Staaten übernehmen bald «reiche Privatpersonen,
akademische Institutionen, NGOs und
multinationale Konzerne» die Aufgaben
der Nationen. Smartphones führen mit
Übersetzungstools zu einem Sprachensterben. Die Ausbeutung von Schiefergas
verschafft den USA die energetische Unabhängigkeit und fördert ihren Rückzug
aus der Weltpolitik. Nicht zu vergessen
der Mensch 2.0, der sich mit Computerchips ausrüstet, die unter die Haut
gehen. Er wird von «Bio-Konservativen»
bekämpft, die sich nicht kybernetisch
hochrüsten wollen. Heidi muss sich entscheiden. ●
Geschichte Verhalfen die kleinen Leute dem Nationalsozialismus zum Erfolg? Götz Aly seziert
das Mitläufertum der Deutschen
VonderMitschuldder
Biedermänner
Götz Aly: Volk ohne Mitte. Die Deutschen
zwischen Freiheitsangst und
Kollektivismus. S. Fischer, Frankfurt am
Main. 272 Seiten, Fr. 34.90, E-Book 23.-.
Die Vergangenheit vergeht nicht. 70
Jahre nach Kriegsende stellt sich noch
immer die Frage, wie «das» geschehen
konnte, und anders als von Reinhart Koselleck prophezeit, ist die Forschung zur
NS-Zeit mit dem Aussterben der Zeitzeugen nicht «nüchterner» geworden.
Immer wieder entflammen hitzige Debatten, und Götz Aly ist einer, der sie seit
Jahren mit so klugen wie provokativen
Thesen mitbefeuert. Jenseits des akademischen Establishments schreibt der
Historiker gegen Tabus an und wagt neue
Perspektiven: Indem er den Nationalsozialismus beim Namen und die sozialistische Komponente des gemeinhin als
«rechts» etikettierten Phänomens in den
Blick nimmt, sieht er Hitler weniger als
charismatischen Führer denn als Volkstribun, der die Leute mit wohlfahrtsstaatlichen Gefälligkeiten von Kindergeldern bis Rentenerhöhungen bei der Stange hielt – und «Massenraubmord» an den
Juden beging, um die Leistungen für den
kleinen Durchschnittsdeutschen zu finanzieren.
Am Anfang stand der Neid
Dieser Letztere steht im Zentrum des Aufsatzbandes, in dem Aly neun ältere und
zwei neue Texte versammelt, die sich um
das Verhalten der Deutschen während
und nach der Hitlerzeit drehen. Das Millionenvolk reduziert er dabei auf den zentralen Typus des «Alfred Fretwurst».
Fretwurst hatte sich unter dem NS vom
Klärwerkarbeiter
zum
Justizwachtmeister emporgehangelt, zeigte sich in
den 1960ern als strammer SED-Funktionär und steht exemplarisch für das geschmeidige Gleiten zwischen den Systemen und die konsequente Verführbarkeit
einer Masse, die vorab eines wollte: «ihren
sozialen Status mit entschiedener Rücksichtslosigkeit verbessern und dabei ihre
biedermännische Reputation wahren.»
Wo eine starke Mitte Abwehr gegen die
Extreme hätte leisten sollen, schwabbelte
in Deutschland ein «menschliche[r] Wackelpudding», den Hitler dem Autor zufolge mit Worten und Taten zur Basis seines Regimes stabilisierte.
Wenn Kritiker zuweilen monieren,
dass Aly seine aus Einzelfällen abgeleiteten Gesamtthesen nicht mit der Fachliteratur abgleiche, so gibt einer der neuen
Essays Aufschluss darüber, wen der Historiker anstelle seiner Berufskollegen als
Referenz hochachtet: Dem Ökonomen
Wilhelm Röpke, der den Nationalsozia-
ULLSTEIN BILD
Von Claudia Mäder
Die Masse liess sich
vom Nationalsozialismus verführen:
Hermann Göring
nimmt ein Bad in der
Menge (Anfang der
1940er Jahre).
lismus von Beginn weg als illiberal kritisierte und seinen Massencharakter betonte, widmet Aly eine ausführliche Darstellung. Und an ihn knüpft er an, wenn
er darauf beharrt, dass nicht Firmen,
Banker oder Bürokraten, sondern die
leere Mitte untersuchen müsse, wer die
ungeheuerlichen Kräfte des NS-Staates
analysieren wolle.
Mehrere Aufsätze illustrieren dabei
insbesondere die sozialpsychologischen
Mechanismen, denen das Ungeheuerliche folgte. Ob in der vorchristlichen Ära
oder im Industriezeitalter: Am Anfang
war laut Aly der Neid. Während er sich
im Alten Testament etwa an einem Weinberg entzündete, war es im 19. Jahrhundert die jüdische Mobilität, die den von
der Moderne überrollten, ja abgehängten
Deutschen missfiel. Wie früher der Landesfürst, anerbot sich sodann im 20.
Jahrhundert der Staat, die angestauten
Ressentiments aufzunehmen und die
Neidhammel zufriedenzustellen, indem
er im Rahmen eines «justizförmig arrangierten, im Auftrag der Obrigkeit vollzogenen Massenmords» Sündenböcke exekutierte.
Das ist reichlich schematisch; subtiler
sind die Folgen dieses Mechanismus. Die
Entindividualisierung der Tat beförderte
nämlich laut Aly das Entstehen eines
«Schweigekartells» – eines Kollektivs,
das, so wie es Schuld und Profit teilte,
auch das Böse gemeinsam unter dem Deckel hielt. Und hält: Dass sich die Nachgeborenen bis heute im Vertuschen
üben, kritisiert eine weitere Serie von
Aufsätzen. Speziell nimmt der Autor die
Wissenschaft ins Visier und zeichnet
etwa im Detail nach, wie lange das MaxPlanck-Institut die Tatsache leugnete,
dass ihre Vorzeigeforscher mit den Euthanasie-Organisatoren kooperiert hatten, um an interessante Hirnpräparate zu
gelangen. Selbstverständlich schont der
Historiker aber auch seine eigene Zunft
nicht. Ihr und ihren Vertretern wirft Aly
vor, die Forschungsthemen so eng zu
wählen (etwa: die Berufsverbände/Unis/
Studienräte… und ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus), dass sich ihnen fast
jeder entziehen und auf die sichere Seite
fliehen könne. Anders gesagt: Die Geschichtsschreiber helfen den Deutschen,
«ihre Mitschuld zu reduzieren».
Quälend vage Theorie
Der Gedanke, dass die «Fretwursts» tatsächlich eine Mitschuld tragen, verbindet alle Texte, doch bleibt das brillant
geschriebene und inspirierend zu lesende Buch gerade in diesem Knackpunkt
quälend vage – weil letztlich auch sein
Fokus ein beschränkter ist und es sich
keinen graduellen Abstufungen öffnet:
Ist jenes Gros, das dank Hitler höhere
Renten oder einen neuen Posten bezog,
gleichermassen schuldig wie der Nazi,
der Deportationen plante?
Indem das Augenmerk auf der Masse
ruht, geraten die Relationen aus dem
Blick und mit ihnen ein Aspekt, ohne den
man 70 Jahre nach Kriegsende in die simple These einer Kollektivschuld zurückzufallen droht. ●
22. Februar 2015 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 21
GALLERYSTOCK
Sachbuch
Erotik André Comte-Sponville plaudert in seinen beiden neuen Büchern über Liebe und Sex
Parlez-moid’amour
André Comte-Sponville: Liebe. Eine kleine
Philosophie. Diogenes, Zürich 2014.
165 Seiten, Fr. 23.90, E-Book 23.–.
André Comte-Sponville: Sex. Eine kleine
Philosophie. Diogenes, Zürich 2015.
177 Seiten, Fr. 29.90, E-Book 23.–.
Von Klara Obermüller
Wie im Deutschen, so steht das Wort
«Liebe» auch im Französischen für die
unterschiedlichsten Empfindungen. Mit
dieser «Verwirrung» möchte André
Comte-Sponville «aufräumen». Aufräumen heisst bei diesem Autor: Begriffe erklären, Bedeutungen herleiten und bei
den Philosophen nachfragen, was sie
zum Thema zu sagen haben. André
Comte-Sponvilles Publikationen sind in
der Regel aus Vorträgen hervorgegangen.
Das hat Vorteile: Die Texte sind verständlich und lesen sich leicht. Der Nachteil:
Sie wirken oft etwas geschwätzig, nicht
selten redundant und im Aufbau nicht
immer ganz logisch.
Dies gilt auch für die beiden Neuerscheinungen zum Thema Liebe und zum
Thema Sex, die vom deutschsprachigen
Verlag im Abstand von wenigen Monaten
herausgebracht wurden. Diogenes hat
aufgeteilt, was in Frankreich unter dem
Titel «Le sexe ni la mort» als ein Band erschienen ist. Der Titel bezieht sich auf
ein Zitat des französischen Moralisten
François de La Rochefoucauld, der Geschlecht, Tod und Sonne oder, anders
gesagt, Sexualität, Sterblichkeit und Lebensenergie als die Bereiche bezeichnet
hat, die dem menschlichen Blick entzogen und gerade deshalb so ungemein faszinierend sind.
In der Einleitung zum soeben erschienen Band «Sex» knüpft Comte-Sponville
nun an dieses Zitat an und liefert thematisch nach, was der erste Band vermissen
liess. Dort konzentriert sich der Autor auf
die drei zentralen Dimensionen von
Liebe, die in der griechischen Philosophie mit Eros, Philia und Agape bezeichnet werden. Zu deutsch etwa: die Liebesleidenschaft, die Freundschaft und die
Nächstenliebe. Sex hingegen kommt nur
insofern vor, als behauptet wird, Eros
habe mit ihm nichts zu tun. Schade,
eigentlich. Ich denke, dem Thema wäre
gedient gewesen, wenn der Autor der
Komplexität des Phänomens Liebe von
allem Anfang an mehr Beachtung geschenkt hätte.
Existenziellen Tiefgang gewinnen
seine Ausführungen im zweiten Band,
der sich weit spannender liest als der
erste. Nun fliesst seine eigene Lebenserfahrung in die Texte ein. Der Eindruck,
einem philosophischen Kolloquium beizuwohnen, tritt in den Hintergrund, und
man versteht, worum es dem Autor wirklich geht: das menschliche Leben, das
menschliche Tun, die menschliche Moral
Der französische
Philosoph André
Comte-Sponville will
Liebe und Sex vom
religiösen Überbau
befreien.
von ihrem religiösen Überbau zu befreien. Das war auch das erklärte Ziel seines
letzten Buches, das nach einer Spiritualität ohne Gott fragte. Der Philosoph plädiert für eine Liebe, die nicht Pflicht ist,
und führt eine Sexualität ins Feld, die frei
ist von jeglichem Zweck. «Wen schert das
Paradies, wenn er Sex hat? Und wozu
braucht er einen Gott, wenn ihm der Körper des andern genügt?» Die Sexualität
hält dieser Autor für einen «ziemlich
überzeugenden Einwand gegen jede Religion».
André Comte-Sponville ist sich und
seiner Mission als bekennender Atheist
treu geblieben. Er ist aber auch keinen
Schritt weitergekommen. Noch immer
arbeitet er sich an einem Gott ab, an den
er nicht glaubt. Noch immer muss er beweisen, dass es ihn nicht braucht, um ein
erfülltes Leben zu führen. Der Humanismus, den er vertritt, verdankt der religiösen Tradition allerdings mehr, als ihm
vermutlich bewusst ist. Sein Menschenbild ist weit entfernt von jener Hybris,
die Menschenwerk an die Stelle Gottes
setzt und sich damit über die eigene Bedingtheit hinwegsetzt. Zu den schönsten
Passagen seines Buches zählen deshalb
jene, die nach dem Gelingen von Liebe
und der Dauerhaftigkeit von Beziehungen fragen. Da muss der Autor nichts beweisen und niemanden befragen. Da
schöpft er allein aus seiner Erfahrung. Da
hört man ihm gerne zu. ●
Bergleben Ein Buch über höchstgelegene Alpweiden, entlegenste Täler und urtümliches Menschsein
Unter dem Firnis der Zivilisation
Andreas Bachofner: UR-Alpen. Alp- und
Bergleben im Kanton Uri. Gisler Druck,
Altdorf 2014. 247 Seiten, Fr. 38.90.
Von Felix E. Müller
Es ist ein wunderbares Buch, das Andreas Bachofner geschrieben, fotografiert und produziert hat, eines über die
Menschen, die sich noch heute im Kanton Uri den Herausforderungen des
Alpen- und Berglebens stellen. Es beeindruckt durch seine Authentizität, die seinem fast journalistischen Ansatz zu verdanken ist. Der Autor verbrachte die ers22 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 22. Februar 2015
ten fünf Lebensjahre in Erstfeld und lebt
heute in Schaffhausen. Doch der Kanton
Uri hat ihn nie losgelassen, und zwar der
Kanton jenseits der Reusstal-GotthardAchse. Die abgelegensten Winkel, die
höchstgelegenen Alpen besuchte und
beschreibt er in Text und Bild. Er vermittelt den Blick auf Menschen, die unter
schwierigen Bedingungen ihren Lebensunterhalt verdienen.
So stellt er uns etwa die Familie
Aschwanden vor, die auf Gitschenen zuhinterst im Isenthal seit 330 Jahren lebt
und wirtschaftet, wozu auch das anstrengende und gefährliche Wildheuen
an den steilen Abhängen des Zindel ge-
hört. Oder das Ehepaar Bernhard und
Maria Brand, die seit 30 Jahren die Alp
Gnof bestossen. Diese liegt zuhinterst im
Maderanertal im Schatten des Gross
Dussi und ist immer noch nur zu Fuss zu
erreichen. Wir erfahren etwa, dass jeden
Abend Bernhard Brand seinen «Follä»,
einen hölzernen Milchtrichter, nimmt
und seinen Betruf erschallen lässt, der
das Schicksal der Menschen und der
Tiere dem Allmächtigen überantwortet.
Das alles lässt den Leser in eine Welt eintauchen, die unter einem Firnis von Zivilisation immer noch viel Archaisches hat
und die unter der Moderne die Macht der
Natur erahnen lässt. ●
Nationalsozialismus Deutschland erlebte am Ende des Zweiten Weltkriegs eine regelrechte
Selbstmordwelle
«WirsindhiereinefideleMeute»
Florian Huber: Kind, versprich mir, dass du
dich erschiesst. Der Untergang der kleinen
Leute 1945. Berlin Verlag, Berlin 2015.
304 Seiten, Fr. 34.90, E-Book 19.–.
Susanne Wiborg, Jan Peter Wiborg: Glaube,
Führer, Hoffnung. Der Untergang der
Clara S. Antje Kunstmann, München
2015. 320 Seiten, Fr. 29.90.
Von Claudia Kühner
Es war ein Massenphänomen, und doch
entschwand es der kollektiven Erinnerung: Zu Ende des Kriegs 1945 nahmen
sich vor allem im Osten des Reichs Zehntausende Menschen das Leben. Konnten
fanatische Nationalsozialisten die Niederlage nicht ertragen, fürchteten andere die Rache der Russen – oder wussten einfach nicht mehr weiter. Väter
erschossen ihre Familien und dann sich
selbst, Mütter erhängten sich oder ertränkten sich mit ihren Kindern. Ganze
Familien löschten sich selber aus.
Zwei Bücher haben dieses Thema nun
aufgegriffen. Der Historiker Florian
Huber hat eine Vielzahl von Tagebüchern, Briefen und Erinnerungen zu
einer eindrücklichen Darstellung verarbeitet. Im Zentrum steht das pommersche Städtchen Demmin, Schauplatz des
mutmasslich grössten Massenselbstmords und gut dokumentiert. Huber vermittelt einen tiefen Einblick in die Psyche von Leuten, die die Konfrontation
mit sich selber oder den Zusammenbruch all dessen, woran sie geglaubt hatten, nicht (mehr) ertrugen. Er stellt aber
auch den Zusammenhang her mit den
schwierigen Weimarer Jahren und erklärt, wie danach die Menschen mit der
NS-Herrschaft in einem emotionalen
Ausnahmezustand lebten. Nach einem
zwölfjährigen Propaganda-Bombardement brachen viele 1945 zusammen. Die
Angst vor Rache zeigte auch, dass viele
von ihnen sehr wohl im Bilde gewesen
waren über die Massenverbrechen, die
sie sonst leugneten.
Dazu flicht Huber geschickt die Beobachtungen ausländischer Zeitzeugen ein.
Zu ihnen zählt der Auslandschweizer
René Jouvet, Prokurist in Augsburg, der
die zunehmende Fanatisierung beschrieb. Oder die amerikanischen Reporterinnen Lee Miller und Margaret Bourke
White, die französisch-jüdische Korrespondentin Stéphane Roussel, der
Deutsch-Brite Sefton Delmer, der spätere
Emigrant Sebastian Haffner. Alle diese
Autoren setzten der NZ-Propaganda damals ihre eigene nüchterne Analyse entgegen.
Zeigt Huber das grosse Bild, bietet ein
zweites Buch zum Thema die dramatische Detailaufnahme der Clara S., die
ganz in der Nähe von Demmin aufgewachsen war. Claras Nichte und Neffe,
die Historikerin Susanne und der Journalist Jan Peter Wiborg, haben deren Leben
bis in die letzten Stunden im Frühjahr
1945 recherchiert. Zwar waren die genauen Umstände ihres Todes nicht mehr
zu eruieren, doch die 24-Jährige starb
durch die Hand ihres Geliebten oder
durch die eigene. Die Autoren zeichnen
hier ohne jede Beschönigung die Geschichte der eigenen Familie und ein
«authentisches Zeugnis der weiblichen
Seite des Dritten Reichs» nach. Der Leser
folgt einem literaturinteressierten jungen Mädchen, das zu einer fanatisch
gläubigen Nationalsozialistin wird, hoch
aufsteigt im Bund deutscher Mädel,
BDM, und so eine den Nazis genehme
«Frauenkarriere» schafft. Basis der Recherche waren die unzensurierten Briefe
aus Claras letzten fünf Lebenswochen,
eine einzigartige Quelle.
Als in der Ferne die russischen Geschütze dröhnten, lebte Clara längst in
einer Art Wahn, und auch im Rausch
einer Liebesbeziehung zu ihrem Vorgesetzten, dem sie bis in den Tod folgte.
Gespenstisch an den Briefen sind Kitsch
(«Es gibt in meinem Leben nichts Höheres als diese Liebe. In Ihr fällt mein
Menschsein mit der Idee zusammen»),
Sentimentalität und Realitätsverlust:
«Wir sind hier eine fidele Meute.» Man
trank noch Sekt, als ringsum alles zerfiel.
Die Frage konnten Susanne und Jan Peter
Wiborg indes nicht beantworten: Warum
ihre Tante nie begriffen hat, was um sie
herum geschah. ●
Fotografie Sechs Jahrzehnte Schweizer Popmusik
«Ohne Fotos tönt die Popmusik nicht», schreiben die
Herausgeber dieses Bildbandes über sechs Jahrzehnte
Schweizer Popmusik. Von der Hawaii-Combo «Honolulu
Girls», der ersten Schweizer Girl-Group (1959), über die
gloriosen Sixties, als die Luzerner Band «Five Dorados»
den noch kaum bekannten John Lennon 1965 in seinen
Skiferien in St.Moritz traf, bis zum schweizerisch-japanischen Duo «Tim & Puma», den Erfindern der SkypeKonzerte. Alles, was in der Schweizer Popszene Rang
und Namen hat(te), ist hier versammelt. Auch fast Vergessene wie das Zürcher Strassenmusik-Trio «Minstrels»
mit ihrem legendären Hit «Grüezi wohl Frau Stirnima»
(1970), der das Revival der Mundart einläutete (siehe
Bild). Neben Schweizer Urgesteinen sind auch Weltstars
bei ihren Auftritten in der Schweiz zu sehen: Jimi Hendrix, Bob Marley, Bruce Springsteen oder Michael Jackson. Der wunderbar-wehmütige Rückblick erscheint als
Begleitband zur Ausstellung «Oh Yeah!» im Museum für
Kommunikation in Bern (bis 19.7.2015). Urs Rauber
Samuel Mumenthaler, Kurt Stadelmann: Oh Yeah!
200 Pop-Photos aus der Schweiz, 1957–2014. Chronos,
Zürich 2014. 240 Seiten, 200 Abbildungen, Fr. 39.90.
22. Februar 2015 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 23
Sachbuch
Expedition Der schwedische Entdecker Sven Hedin (1865–1952) reiste durch Asiens Berge und Wüsten
ImFrackbeimPantschenLama
men getrotzt und schliesslich als erster
Europäer die Quellen des Brahmaputra
und des Indus gefunden und kartiert. In
wenigen Monaten verfasste Hedin danach, gestützt auf sein Expeditionstagebuch, ein weiteres seiner vielen, damals
höchst erfolgreichen Reisebücher.
Die ganz den grossen Entdeckungsberichten gewidmete Edition Erdmann
hat nun aus Anlass des 150. Geburtstages
von Sven Hedin (1865–1952) dessen Be-
Sven Hedin: Durch Asiens Wüsten. Drei
Jahre auf neuen Wegen in Pamir,
Lop-nor, Tibet und China. 1893–1897.
Edition Erdmann, Wiesbaden 2013.
416 Seiten, Fr. 34.90, E-Book 23.90.
Sven Hedin: Abenteuer in Tibet. 10000
Kilometer auf unbekannten Pfaden.
1899–1902. Edition Erdmann,
Wiesbaden 2014. 352 Seiten, Fr. 37.90.
Sven Hedin: Trans-Himalaja. Entdeckungen
und Abenteuer in Tibet. 1905–1908.
Edition Erdmann,
Wiesbaden 2014. 416 Seiten, Fr. 37.90.
richte von seinen drei grossen, mehrjährigen Asien-Expeditionen neu herausgebracht. Mit vorzüglichen Einleitungen
versehen und reich illustriert mit zahlreichen der originalen Landschaftsskizzen,
Karten und Fotografien von Sven Hedin
selbst, lassen die schönen Bände einzig
eine aktuelle Karte mit den Reiserouten
des Forschers vermissen.
Fasziniert von den letzten weissen
Flecken auf der Landkarte der Erde – da-
Von Kathrin Meier-Rust
Im April 1880 stand der 15-jährige Sven
Hedin in der jubelnden Menge, die Adolf
Erik Nordenskjöld nach der ersten Umschiffung Asiens auf der Nordostpassage
im Hafen von Stockholm empfing und
dachte: «So will auch ich einst heimkommen!» Sein jugendlicher Traum sollte
sich erfüllen. Knapp 30 Jahre später fuhr
der nun 43-jährige Hedin 1908 umjubelt
und in einem perfekt inszenierten Triumphzug in denselben Hafen ein.
Hedin stand auf dem Höhepunkt seines wissenschaftlichen Ruhms und seiner Popularität. Auf seiner dritten grossen Expedition ins Innere Asiens von
1905–1908 hatte er die zuvor unbekannte
Gebirgskette nördlich des Himalaja entdeckt – das Hedin-Gebirge, heute TransHimalaja; war trotz englischem und chinesischem Verbot ins Tibet gereist, wo er
in Schigatse vom Pantschen Lama empfangen wurde und im Frack am tibetischen Neujahrsfest teilnahm; hatte über
Monate eisiger Kälte und Schneestür-
In der Wüste
Takla-Makan
(Nordwestchina)
posiert Sven Hedin
1936 mit einem Kamel.
Geschichte Im deutschen Bauernkrieg von 1524–1526 kämpften die Aufständischen für Menschenrechte
Vom Retter zum Schlächter
Peter Blickle: Der Bauernjörg. Feldherr im
Bauernkrieg. C. H. Beck, München 2015.
584 Seiten, Fr. 49.90.
Von Peter Durtschi
Noch lange nach Kriegsende hätten die
Bauern vor dem Namen «Jörg Truchsess»
oder «Herr Jörg» gezittert, schreibt im
19. Jahrhundert ein bayerischer Militärhistoriker. Und der Ausspruch «man wird
dir den Jörgen zeigen» diente lange dazu,
jemandem eine schwere Strafe anzudrohen: Untrennbar ist der Name von Georg
Freiherr Truchsess zu Waldburg (1488–
1531) mit dem Bauernkrieg von 1525 verknüpft. Als Feldhauptmann hat der oberschwäbische Adlige den Aufstand des
gemeinen Mannes niedergeworfen. Seinen Standesgenossen galt von Waldburg
dafür als Retter des Reiches. In der Revolutionszeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts geriet er der Geschichtsschreibung zunehmend zum Bauernschlächter.
24 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 22. Februar 2015
Hielt Georg von Waldburg den Krieg,
der auf Seiten der Bauern mehrere Zehntausend Tote forderte, für rechtens? Ja,
argumentiert der Historiker Peter Blickle: «Gehorsam als leitende systemische
Kategorie» habe keine Abweichung geduldet; zumindest habe von Waldburg
nicht erkennbar darüber reflektiert. Tatsächlich bildet um 1500 Gehorsam das
verbindende Band zwischen Herrn und
Leibeigenem. Der Herr erlässt Gebote
und Verbote, und diese Satzungstätigkeit
ist dadurch legitimiert und gesichert,
dass die Leibeigenen ihm durch Eid Gehorsam versprechen. Aber in zunehmendem Mass hatten Herren wie Georg von
Waldburg die Gesetzgebung monopolisiert und das «Herkommen» – die Ortsgewohnheiten und das Landrecht – ausser
Kraft gesetzt. Und mit dem Aufkommen
von reformatorischem Gedankengut
nahmen Bauern und auch Stadtbürger
Bezug auf das göttliche Recht; dies lief
auf eine Kontrolle geltender Normen an
christlichen Grundsätzen hinaus.
Aus den Beschwerden der Bauern an
die Obrigkeit schält sich ein harter Kern
von Forderungen heraus. So reklamierten die schwäbischen Bauern in ihren
«Zwölf Artikeln» das Recht auf Pfarrerwahl, politische und gerichtliche Zuständigkeiten der Gemeinden und, besonders brisant, Entlassung aus der Leibeigenschaft. Immer wieder haben die Bauern dem Schwäbischen Bund ihre Forderungen als Grundlage für Gespräche aufgedrängt, letztlich ohne Erfolg.
Überzeugend schildert Blickle, welche
juristischen Spitzfindigkeiten von Seiten
des Schwäbischen Bundes, einem Zusammenschluss der Reichsstände, notwendig waren, um den Krieg gegen Bauern zu legitimieren: Man deutete die organisierten Proteste, die «Empörung»
der Bauern als Landfriedensbruch. Und
man warf den Bauern, die sich gegenseitig Eide geschworen und den Huldigungseid gegen ihren Herren ausgesetzt
hatten, einen Verstoss gegen die Ordnung des Reichs vor. «Nicht wegen ge-
stürmter Burgen und besetzter Klöster
wurde der Krieg eröffnet, sondern wegen
verweigerter Unterwerfung und Demutsbezeugung», hält Blickle fest. Und er
weist darauf hin, dass Burgen und Klöster nach der Eröffnung des Krieges durch
den Schwäbischen Bund erobert wurden, nicht vorher.
In seiner flüssig geschriebenen Darstellung geht Peter Blickle, bis 2004 Professor für Neuere Geschichte in Bern,
auch auf die weitere Karriere Georg von
Waldburgs ein und zudem auf die Rezeptionsgeschichte des «Bauernjörgen» – so
wird der Feldherr und Diplomat erstmals
im Herbst 1525 genannt. 1795 schreibt ein
deutscher Historiker, die oberschwäbischen Bauern hätten das verlangt, was
einige Jahrhunderte später allgemeine
Menschenrechte genannt wurde. «Damit
war Schluss mit den noch in den 1780er
Jahren erschienen Kinderbüchern, in
denen der Bauernkrieg als Lehrbeispiel
für die Folgen von Ungehorsam diente»,
hält Blickle fest. ●
Beziehungen Prominente aus Sport, Politik und Kultur erzählen über ihre
Lebensgefährten
Freundschaftenverändern
dasLeben
Katja Kraus: Freundschaft. Geschichten
von Nähe und Distanz. S. Fischer,
Frankfurt am Main 2015. 256 Seiten,
Fr. 29.90, E-Book 18.–.
Von Susanne Ziegert
Sie waren 15 und vollkommen auf einer
Wellenlänge. In ihrem Gymnasium hatte
sich die spätere Ski-Olympiasiegerin
Maria Höfl-Riesch oft als Aussenseiterin
gefühlt. Dann traf sie die Amerikanerin
Lindsey Vonn, ein anderes Ausnahmetalent, und fühlte sich endlich verstanden.
Mehrere Monate verbrachten die Freundinnen nach dem Abitur zusammen,
feierten gemeinsam Weihnachten. Als
beide an die Weltcup-Spitze rasten, begann ein erbitterter Kampf.
In ihrem Sachbuch über Freundschaft
beschreibt die Autorin Katja Kraus, wie
aus engsten Freundinnen harte Rivalinnen wurden, die drei Jahre lang gegeneinander um Zehntelsekunden rangen.
Für ihr Buch ist sie durch Deutschland
gereist und hat mit Sportlern, Politikern,
Medienleuten und einem Schriftsteller
über ihre Lebensmenschen, Zweckbündnisse oder Ersatzfamilien gesprochen
und jeder der besonderen Beziehungen
ein Kapitel gewidmet.
Den schwierigen Spagat zwischen
Freundschaft und sportlichem Wettkampf kennt die frühere Fussballerin
Katja Kraus aus ihrer eigenen Vergangenheit als Bundesliga-Torhüterin und Nationalspielerin. Sie legt hiermit ihr zweites Sachbuch vor, ihr Erstlingswerk
«Macht – Geschichten
vom Erfolg und Scheitern» verfasste sie
nach dem jähen
Karriereende
als
Vo r s t a n d s m i t -
Zwei Skiasse, vereint
in Freundschaft und
Rivalinnen auf der
Piste: Lindsey Vonn
(links) und Maria
Höfl-Riesch.
EQ
mals waren das nur noch die beiden Pole
und das Innere Asiens samt dem Tibet –,
galt Hedins Leidenschaft von Anfang an
mehr dem Abenteuer des Entdeckens als
der wissenschaftlichen Forschung. Zwar
hatte er sich in einem schnell absolvierten Studium das nötige Rüstzeug für
Feldforschung verschafft, die er gewissenhaft mit vielen mehrmals täglichen
Messungen durchführte. Doch er überliess die Auswertung der Daten meist anderen Wissenschaftern, um mit seinen
eigenen Büchern das grosse Publikum
mit gefährlichen Abenteuern und Exotik
zu fesseln.
Entsprechend spannend sind diese
Reiseberichte noch heute zu lesen. Man
lernt die sorgfältig ausgewählten Reisegefährten – je nach Route und Sprachbedarf muslimische Karawanenführer,
Hirten, Kosaken, mongolische Lamas –
ebenso kennen wie die zahlreichen Lastund Reittiere – von Pferden, Kamelen,
Mauleseln und Yaks bis zu den Hunden,
die allzu oft den Strapazen der Reise erlagen. Man erfährt von schier unglaublichen Reisestrecken auf Kamel- und Pferderücken, wenn nicht zu Fuss. Von kolossalen Strapazen, die in den berühmten Episoden gipfeln, als Hedin in der
Wüste Takla-Makan beinahe verdurstet
und in den eisigen Höhen Nordtibets beinahe erfroren wäre. Auch die vielen Treffen mit gekrönten Häuptern werden gebührend geschildert, nebst dem Pantschen Lama und dem schwedischen
König etwa mit dem russischen Zaren
und dem Schah von Persien.
Dass sich der germanophile und politisch naive Hedin in seinem späteren
Leben mit seiner nazifreundlichen Haltung diskreditierte – er traf Hitler mehrmals persönlich –, zeigt, wie wenig dieser
abenteuerlustige Geist ins 20. Jahrhundert passte. Wagemutig bis zur Tollkühnheit, vielsprachig und ein exzellenter
Zeichner war er ein Epigone in der grossen Geschichte der europäischen Entdeckung der Welt. ●
glied beim Hamburger Sportverein. Mit
der Auswahl ihrer Gesprächspartner bildet Katja Kraus eine Vielfalt von unterschiedlichsten Lebenswelten ab. Nicht
jeder Interviewte möchte die Fragestellerin aber in die Tiefen seiner Seele blicken lassen. Gleich im ersten Kapitel
lässt der Politiker Egon Bahr die Fragen
zu seiner Zeit mit Willy Brandt an der
Oberfläche abprallen. Neue Erkenntnisse
über die legendäre Männerfreundschaft
fördert sie nicht zu Tage.
Spannend ist der Einblick in das Leben
der digitalen Bohème. Eine jahrzehntelange Freundschaft könnte sich die ehemalige Parteivorsitzende der Piratenpartei, Marina Weisband, nicht vorstellen.
Für sie seien die Beziehungen etwas
«phasisches». Nirgends habe sie so zartfühlende Menschen kennengelernt, wie
im Internet. Die Hemmschwelle, wirklich etwas zu sagen, sei dort viel geringer. Ihre Bekanntschaften pflegt sie am
liebsten über Twitter.
Über Freunde auf dem Papier spricht
der junge Schriftsteller Benjamin Lebert,
Autor des Jugendromans «Crazy». Er
hatte mit dem Schreiben begonnen, um
sich Freunde zu basteln, mit denen er die
grossen Fragen des Lebens diskutieren
konnte. Der Protagonist ist wie der Autor
halbseitig gelähmt und stets der letzte,
der in eine Mannschaft gewählt wird. In
Wirklichkeit hatte er keine Schulfreunde, nur die Mädchen wollten mit ihm
spielen. Auch als Erfolgsschriftsteller ist
er ein «alleiniger» Mensch geblieben.
Einen seltenen Einblick in sein persönliches Netzwerk gibt der Adidas-Vorstandschef Herbert Hainer, der für seine
Verbindung zum Steuersünder Uli Hoeness heftige öffentliche Kritik einstecken
musste. Ein Freund, so der Unternehmer, hilft und ist immer da, auch
wenn er daraus keinen Nutzen zieht
oder sogar Schaden nimmt. Einst
hatte Uli Hoeness ihn nach dem
Tod seiner Tochter aufgefangen,
ihm einen Rückzugsort geboten und Anteil genommen. Nun war es an ihm,
den Freund zu stützen.
Denn in der Krise zeige
sich die Substanz einer
Freundschaft.
Die Vielfalt der Lebensphilosophien
machen das Buch lesenswert, auch wenn
die Wiedergabe der
Gesprächssituation
in einigen Fällen zu
weitschweifig ausfällt. Eine stringentere
Darstellung,
die sich stärker auf
das
eigentliche
Thema fokussiert,
wäre wünschenswert gewesen. ●
22. Februar 2015 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 25
Sachbuch
Schrift Ein Ägyptologe erklärt, wie sich unsere Buchstaben entwickelt haben könnten
Wir alle schreiben mit Hieroglyphen
Karl-Theodor Zauzich: Hieroglyphen mit
Geheimnis. Zabern, Darmstadt 2015.
176 Seiten, Fr. 28.90.
Von Geneviève Lüscher
Nach seinem ersten, erfolgreichen Buch
zum Thema «Hieroglyphen ohne Geheimnis», das 2012 in der 12. Auflage erschienen ist, publiziert Karl-Theodor
Zauzich einen Nachfolgeband, dessen
Titel seinen Bestseller zu widerlegen
scheint: «Hieroglyphen mit Geheimnis».
Ging es im ersten darum, eine allgemeinverständliche Einführung in die altägyptische Schrift zu geben, handelt dieses
Werk von der Herkunft des Alphabets.
Wieder ist es dem emeritierten Ägyptologen, der bis 2004 an der Uni Würzburg gelehrt hat, ein Anliegen, ein Werk
vorzulegen, das nicht nur von Spezialisten, sondern auch von Interessierten
ohne sprachwissenschaftliche Ausbildung gelesen werden kann. Die Herkunft
des Alphabets sei «ein uraltes Problem
der Menschheit», ganze Bibliotheken
seien über das Thema geschrieben worden, ohne dass die Forschung einer allgemein akzeptierten Lösung näher gekommen wäre. Übereinstimmung besteht
nur darüber, dass unsere Buchstaben
vom phönizischen Alphabet abgeleitet
sind; sie gelangten von dort über griechische oder etruskische Zeichen zu uns;
unklar bleibt, wann, wo und wie das geschah.
Das phönizische Alphabet seinerseits
habe sich, gemäss der Standardthese,
aus proto-sinaitischen Zeichen entwickelt, die bis anhin nur auf dem Sinai gefunden wurden. Zauzich lehnt diese Ansicht ab. Er nimmt eine alte Theorie wieder auf, die besagt, dass unser Alphabet
nach einer phönizischen Zwischenstufe
aus den kursiven ägyptischen Hieroglyphen abgeleitet ist.
Das heisst, dass wir, wenn wir – wie
jetzt gerade – lateinische Buchstaben tippen, eigentlich Hieroglyphen in veränderter Form verwenden. «Das ganze
abendländische Wissen ist in morgenlän-
dischen Schriftzeichen fixiert», meint
Zauzich.
Nach einer Einführung für die Leserschaft ohne ägyptologische Kenntnisse,
diskutiert der Wissenschafter Schritt für
Schritt, wie jeder einzelne phönizische
Buchstabe sich aus einer Hieroglyphe
entwickelt hat und von dort weiter ins
griechische Alphabet gelangte. Er gibt
dabei offen zu, dass längst nicht alles geklärt ist, und die ägyptische Kursivschrift
noch etliche Geheimnisse birgt.
Für den Laien scheint Zauzichs Argumentation zwar überzeugend, aber ob
sie es für den Fachmann ebenfalls ist,
wird sich weisen. Der Autor vertritt seine
These seit 1973; sie wurde von der Fachwelt, die sich weiterhin an die Standardthese hält, abgelehnt.
Auch wenn Zauzich keine Kenntnisse
voraussetzt, ist die Lektüre des Buches
kein Sonntagsspaziergang. Sie ermöglicht aber einen Ausflug in ferne Zeiten,
als der Mensch erst begann, Gedanken in
Zeichenform zu fixieren – eine seiner
wohl bedeutendsten Kulturleistungen. ●
Das amerikanische Buch Zucker, Tee und Terror in Guantánamo Bay
Es waren nur zwei Worte in einem
Abhörprotokoll, die amerikanische Geheimdienste nicht losliessen. Als
Mohamedou Ould Slahi Ende der 1990er
Jahre mit einem Cousin telefonierte,
sprachen die Mauretanier über «Zucker
und Tee». Die Amerikaner vermuteten
dahinter einen Code. Wie Slahi in seinem internationalen Bestseller Guantánamo Diary (Little, Brown and Co. 2015;
381 Seiten) schreibt, fragten ihn Verhörspezialisten des FBI und des Militärs vier Jahre lang immer wieder nach
der Bedeutung von «Zucker und Tee».
Doch selbst die von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld persönlich
abgesegnete Folter von Juli bis Oktober
2003 brachte weder einen Code noch
Beweise für die vermutete Mitwirkung Slahis an Terrorkomplotten der
Al Kaida zu Tage. Der im August 2002
in Guantánamo (Kuba) eingelieferte
Elektroingenieur versichert in seinem
«Tagebuch», er teile schlicht die Vorliebe seiner Nation für gesüssten Tee.
So fokussiert die amerikanische Kritik
in zahlreichen und durchweg positiven
Rezensionen auf die Absurdität der Geschichte Slahis. Diese trägt für die
«New York Times» und die «Washington Post» kafkaeske Züge: Der heute
44-Jährige sei in eine sture, bürokratische Maschinerie geraten. Diese habe
Slahi auch nach einer fruchtlosen
Abfolge von Schlägen, Unterkühlung,
Schlafentzug, sexueller Misshandlung
und Isolierung als «gefährlichen und
hochintelligenten Terroristen» behandelt. Ganz ohne Anlass ging Washington jedoch nicht gegen Slahi vor. Er
trainierte und kämpfte 1991 mit der
Al Kaida in Afghanistan, hatte anschlies26 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 22. Februar 2015
über 2500 Streichungen in seinem Manuskript.
Slahi hat das Tagebuch 2005 auf Englisch geschrieben. Die Sprache hat er
sich auf Kuba selbst beigebracht. Die
Lagerverwaltung gab das Manuskript
erst 2011 frei. Danach begann der Menschenrechtler Larry Siems mit der Bearbeitung. Die Regierung untersagte
ihm jeden Kontakt zu Slahi.
Ein Häftling wird
ins Gefängnis
von Guantánamo
geführt. Das Leben
hinter Stacheldraht
hat der inzwischen
freigekommene
Insasse Mohamedou
Ould Slahi (unten)
beschrieben.
send während seines zehnjährigen Aufenthaltes als Ingenieur in Deutschland
Kontakte zu Islamisten und ist zudem
mit einem Al-Kaida-Imam verwandt.
Allerdings hatten FBI-Spezialisten Slahi
bereits 2000 und 2001 mehrfach vernommen und nach «9/11» begab er sich
freiwillig auf eine erneute Vorladung
hin in mauretanische Haft. Erst dann
nahmen ihn die Amerikaner fest, flogen
ihn zu ebenfalls erfolglosen Verhören
nach Jordanien und dann weiter nach
Kuba. Deshalb hat ein Bundesrichter
nach der Intervention von Menschenrechtsanwälten 2010 seine Freilassung
angeordnet. Doch die Obama-Regierung
hat dagegen Einspruch eingelegt, nun
sitzt Slahi weiterhin in Guantánamo. Als
Motiv vermutet er, Washington wolle
die Wahrheit über seine Leiden im Haftlager verbergen. Dafür sprechen die
Während sie Washington deshalb kritisieren, übergehen die meisten Rezensenten in den USA andere Aspekte des
«Tagebuches». Denn neben dem offenkundigen Motiv der Selbstbehauptung
und der Aufarbeitung seiner Qualen
verfolgt Slahi weitere Ziele. So überrascht er mit seinem geistreichen
Humor, indem er etwa alte BeduinenWitze auf seine Situation anwendet.
Gleichzeitig gibt er der Analyse des
Guantánamo-Personals viel Raum.
Dabei tönt Slahi fast mitleidig: Er nennt
Wachen «Babies», die lediglich an
Videospielen, Bodybuilding, Essen und
Sex interessiert seien. Bösartig seien
die Wenigsten. Doch Krisen wie «9/11»
brächten das Schlimmste im Menschen
zu Tage. Dies gelte auch für Staaten.
Allein deshalb habe es geschehen können, dass der «Anführer der freien
Welt, die USA» ihn gefoltert habe.
Dann appelliert Slahi an die Bürger
Amerikas: Aus ihrem Idealismus heraus sollten sie die US-Regierung zur
Aufarbeitung ihrer Folterpraxis bewegen. Diese Forderung wird auch von
der Kritik geteilt. Mit seinem Buch
trägt er nun zu diesem Prozess bei.
Von Andreas Mink ●
Agenda
Bilder und Gedichte Zurück zur Natur
Agenda März 2015
Basel
Montag, 9. März, 19 Uhr
Martin Pollack: Kontaminierte Landschaften. Lesung, Fr. 17.–. Literaturhaus,
Barfüssergasse 3. Info: Tel. 061 261 29 50.
Dienstag, 17. März, 19 Uhr
Lizzie Doron: Who the
Fuck is Kafka. Lesung,
Fr. 17.–. Literaturhaus
(siehe oben).
Mittwoch, 25. März, 20 Uhr
Pedro Lenz: Radio. Lesung, Fr. 15.–.
Thalia, Freie Strasse 32. Vorverkauf:
Tel. 061 264 26 55.
Bern
AKG
Sonntag, 1. März, 11 Uhr
Matthias Zschokke: Der Mann mit den
zwei Augen. Lesung, Fr. 20.– inkl. Ausstellungseintritt. Zentrum Paul Klee, Monument im Fruchtland 3. Info: 031 359 01 01.
Immer wieder haben sich Menschen nach dem einfachen Leben gesehnt, nach der Nähe zur Natur, nach
einer Existenz in Übereinstimmung mit dem Kreislauf
der Jahreszeiten. Diesem Bedürfnis gehen Miriam Kronstädter und Hans-Joachim Simm nach – in einem TextBild-Band, der Werke der bildenden Kunst und
literarische Texte einander gegenüberstellt. Zu Pflanzen und Tieren, Feldarbeit und Handwerk, Äckern und
Gärten, zu Kirchen, Höfen und Wirtshäusern sowie zu
den Kalenderfesten haben sie Gemälde, Gedichte und
Prosa versammelt – quer durch die Jahrhunderte,
Länder und Stile. Damit haben sie ein sorgsam gestaltetes «Coffeetable»-Buch geschaffen, das man kaum
systematisch lesen wird, aber immer wieder gern zur
Hand nimmt. Unser Bild zeigt einen handkolorierten
Stahlstich des französischen Künstlers Edouard
Traviès, der 1856 publiziert wurde und einen Grünspecht so genau zeigt, wie keine Fotografie es vermag.
Texte von Christian Morgenstern und Rainer Maria Rilke
begleiten ihn. Manfred Papst
Miriam Kronstädter, Hans-Joachim Simm (Hrsg.): Lob
des Landlebens. Reclam, Stuttgart 2015. 192 S., Fr. 59.90.
Bestseller Februar 2015
Belletristik
Sachbuch
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Ian McEwan: Kindeswohl.
Diogenes. 224 Seiten, Fr. 29.90.
Michel Houellebecq: Unterwerfung.
Dumont. 272 Seiten, Fr. 28.80.
Lori Nelson Spielman: Morgen kommt ein neuer
Himmel. Fischer Krüger. 368 Seiten, Fr. 19.45.
Paulo Coelho: Untreue.
Diogenes. 320 Seiten, Fr. 29.90.
Kazuaki Takano: Extinction.
Bertelsmann. 560 Seiten, Fr. 19.45.
Tana French: Geheimer Ort.
Fischer Scherz. 704 Seiten, Fr. 19.45.
Lukas Bärfuss: Koala.
Wallstein. 220 Seiten, Fr. 24.55.
Jo Nesbø: Der Sohn.
Ullstein. 528 Seiten, Fr. 26.90.
Guillaume Musso: Vielleicht morgen.
Pendo. 480 Seiten, Fr. 19.45.
Sebastian Fitzek: Passagier 23.
Droemer/Knaur. 432 Seiten, Fr. 25.40.
Giulia Enders: Darm mit Charme.
Ullstein. 288 Seiten, Fr. 23.70.
Wilhelm Schmid: Gelassenheit.
Insel. 118 Seiten, Fr. 10.95.
Pascal Voggenhuber: Zünde dein inneres Licht
an. Giger. 160 Seiten, Fr. 30.90.
Martin Werlen: Heute im Blick.
Herder. 192 Seiten, Fr. 23.90.
Guinness World Records 2015.
Hoffmann und Campe. 256 Seiten, Fr. 25.40.
Hape Kerkeling: Der Junge muss an die frische
Luft. Piper. 320 Seiten, Fr. 24.55.
Karoline Arn: Elisabeth de Meuron von
Tscharner. Zytglogge. 320 Seiten, Fr. 36.90.
Benjamin Behnke, Kai Daniel Du: Trick 17 –
365 Alltagskniffe. Frech. 400 Seiten, Fr. 27.90.
Guido M. Kretschmer: Eine Bluse macht noch
keinen Sommer. Edel. 288 Seiten, Fr. 23.70.
Laura Hillenbrand: Unbroken.
Klett-Cotta. 521 Seiten, Fr. 16.05.
Erhebung Media Control® AG im Auftrag des SBVV; 10.2.2015. Preise laut Angaben von www.buch.ch.
Mittwoch, 18. März, 20 Uhr
Katharina Zimmermann: Umbrüche –
Aus meinem Leben. Lesung,
Gratistickets im Vorverkauf. Stauffacher
Buchhandlungen, Neuengasse 25/37.
Info: Tel. 031 313 63 63.
Mittwoch, 25. März, 20 Uhr
Christine Brand: Stiller Hass. Lesung.
Gratistickets im Vorverkauf. Stauffacher
Buchhandlungen (s. oben).
Zürich
Mittwoch, 4. März, 19.30 Uhr
Evelina Jecker Lambreva: Vaters Land;
Gabriele Markus: Das Geschichtenhaus.
Doppellesung, Fr. 10.–. ZSV Forum im
Gartensaal, Cramerstr. 7.
Info: www.zsv-online.ch.
Freitag, 6. März, 19 Uhr
Hermann-Burger-Abend, anlässlich der
Gesamtausgabe. Apéro. Museum
Strauhof, Augustinergasse 9.
Info: www.publishersinresidence.ch.
Montag, 9. März, 20 Uhr
A. L. Kennedy: Der letzte
Schrei. Lesung, Fr. 25.–. Kaufleuten, Pelikanplatz 18.
Karten: Tel. 044 225 33 77.
Montag, 16. März, 19.30 Uhr
Albert Sánchez Piñol: Der Untergang
Barcelonas. Lesung, Fr. 18.– inklusive
Apéro. Literaturhaus, Limmatquai 62.
Info: Tel. 044 254 50 08.
Donnerstag, 26. März, 19.30 Uhr
Simona Ryser: Der Froschkönig. Buchpremiere, Lesung, Fr. 18.– inkl. Apéro.
Literaturhaus (s. oben).
Bücher am Sonntag Nr. 3
erscheint am 29.3.2015
Weitere Exemplare der Literaturbeilage «Bücher am
Sonntag» können bestellt werden per Fax 044 258 13 60
oder E-Mail [email protected]. Oder sind
– solange Vorrat – beim Kundendienst der NZZ,
Falkenstrasse 11, 8001 Zürich, erhältlich.
22. Februar 2015 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27
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