Schmerzen Onkologie Schmerzen Onkologie
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H 64122 ISSN 1439-1139 4/2007 August 9. Jahrgang Schmerzen Onkologie @ A LG ES I O LO G I E Update zur Schmerztherapie im Alter @ O N KO LO G I E Lesen Sie mehr dazu ab Seite 10 Strahlentherapie bei Tumorerkrankungen @ SCHLAGANFALL Konzept einer geriatrischen Stroke Unit @ U R O LO G I E Management der Harninkontinenz www.gerikomm.de EDITORIAL Schmerztherapie, Strahlentherapie, Schlaganfall B is zu 80% der über 60-jährigen Deutschen leiden unter chronischen Schmerzen, die den Alltag und damit die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Diese Patienten werden häufig nicht adäquat analgetisch versorgt oder sie verweigern wegen der Nebenwirkungen des Schmerzmedikaments die Einnahme und riskieren damit – unbewusst – eine Chronifizierung ihrer Beschwerden. Daraus wiederum können psychosoziale Konsequenzen wie Depression und/ oder sozialer Rückzug resultieren. Generell stellt die Therapie geriatrischer Schmerzpatienten den behandelnden Arzt vor eine große Herausforderung, denn die Patienten haben häufig– neben der schmerzverursachenden Erkrankung – weitere Krankheiten und nehmen bereits einige Medikamente ein. Diese MultimediÄltere Schmerzkation kann zusätzlich zu unerpatienten werden wünschten Nebenwirkungen häufig nicht adäquat und Fehlmedikationen führen analgetisch versorgt und die Compliance der Patienten reduzieren. Eine adäquate Schmerztherapie für ältere Menschen sollte daher so konzipiert sein, dass sie rechtzeitig den Bedürfnissen der Patienten angepasst wird und – bei möglichst geringen Nebenwirkungen – effektiv analgetisch wirksam ist. Entsprechende Hinweise gibt Dr. Uwe Junker in seinem Beitrag ab S. 10. In den letzten Jahren wurden in der Klinik für Strahlentherapie im Klinikum Lippe rund 35% aller Bestrahlungsfälle bösartiger Tumorerkrankungen bei Patienten mit einem Lebensalter von über 70 Jahren durchgeführt. Hinweise, dass Tumorerkrankungen älterer Patienten schlechter auf eine Strahlentherapie ansprechen als Tumorerkrankungen jüngerer Patienten, gibt es nicht. Tumoransprechraten, Rezidivraten und Behandlungsnebenwirkungen unterscheiden sich kaum. Darüber hinaus bietet die perkutane Be- strahlung den Vorteil des rein ambulanten Vorgehens ohne belastende Eingriffe. Wichtige Kriterien für die Verträglichkeit einer Strahlentherapie sind der Allgemeinzustand und Komorbiditäten. Einen Überblick über die strahlentherapeutische BehandDas Schlaganfalllung von Malignomen gibt Dr. Ulrich Schäfer in seinem Artikel ab risiko steigt in Seite 18. fortgeschrittenem Der Schlaganfall ist nicht nur eiLebensalter ne lebensbedrohliche Akuterkranexponentiell an kung, sondern führt bei zwei Drittel der Betroffenen zu dauerhafter Behinderung oder gar Pflegebedürftigkeit. Das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, steigt mit dem fortgeschrittenen Alter exponentiell an und mit dem demografischen Wandels werden neue Aufgaben auf uns zukommen. Dazu gehören zum Beispiel ein deutlich erhöhter Bedarf im Bereich der Rehabilitation sowie die Langzeitbetreuung von Schlaganfallpatienten, wie Prim. Dr. Johann Donis ab Seite 26 erläutert. Mit Diagnostik und Behandlung des akuten Schlaganfalls befasst sich Prof. Roland Hardt in seinem Beitrag ab Seite 31. Er ist Chefarzt der Geriatrischen Klinik am Katholischen Klinikum Mainz, die über eine speziell auf geriatrische Patienten spezialisierte Schlaganfalleinheit verfügt. Sie wurde im November 2005 als Modellprojekt mit sechs Betten in Betrieb genommen. Die Akzeptanz der geriatrischen Stroke-Unit ist rasch gewachsen, so dass die Kapazitäten mittlerweile voll ausgelastet sind und derzeit eine Erweiterung vorbereitet wird. Eine informative Lektüre wünscht Ihnen Jola Horschig Redakteurin GERIATRIE JOURNAL Foto: Pixelquelle/Harry Hautumm I N H A LT Voraussetzung für eine adäquate Schmerztherapie im Alter ist, dass die Behandlung rechtzeitig den Bedürfnissen der Patienten angepasst wird. Ein starres Einhalten der WHOStufenleiter wird dieser Anforderung nicht immer gerecht. Ein Update zur medikamentösen Schmerztherapie im Alter ab Seite EDITORIAL Schmerztherapie, Strahlentherapie, Schlaganfall Jola Horschig, Springe 3 NACHRICHTEN: TRENDS & THEMEN Wichtige Informationen in Kürze 6 10 L I T E R AT U R : R E F E R I E R T & K O M M E N T I E R T Subkutane Infusion: Hydratation in der Terminalphase Nierenfunktionsbestimmungen: Welche Methode ist im Alter die beste? A LG ES I O LO G I E : O P I O I D E IM FOKUS Foto: U. Schäfer Update zur medikamentösen Schmerztherapie im Alter Uwe Junker, Remscheid und Axel Hoffmann, Köln Alter per se ist keine Kontraindikation gegen eine Strahlentherapie und wird in Deutschland auch nicht so gehandhabt. Zu den entscheidenden Kriterien für die Verträglichkeit einer Strahlentherapie zählen der Allgemeinzustand und Komobiditäten. Ein Bericht zur Strahlentherapie im Alter ab Seite 17 4 9 9 INTERVIEW: TUMORERKRANKUNGEN IM Ziele und Aktivitäten von IN-GHO Interview mit Prof. Dr. med. Carsten Bokemeyer ® 10 A LT E R 15 O N KO LO G I E : B EST R A H LU N G Strahlentherapie bei Tumorerkrankungen Ulrich Schäfer, Lemgo 17 GERIATRIE JOURNAL 4/07 I N H A LT HERAUSFORDERUNG: SCHLAGANFALL IM A LT E R 26 Foto: AOK Schlaganfallpatienten: Rehabilitation und Langzeitbetreuung Johann Donis, Wien SCHLAGANFALL: AKUTTHERAPIE UND SEKUNDÄRPRÄVENTION Konzept einer geriatrischen Schlaganfalleinheit Roland Hardt, Mainz 31 Der Schlaganfall ist die dritthäufigste Todesursache in den industrialisierten Ländern, rund ein Fünftel der über 65-Jährigen ist davon betroffen – mit steigender Tendenz. Mit der Erkrankung befassen sich die Beiträge „Rehabilitation und Langzeitbetreuung“ und „Konzept einer geriatrischen Schlaganfalleinheit“ ab Seite 26 U R O LO G I E : D E R I C I A LG O R I T H M U S Management der Harninkontinenz im höheren Alter Helmut Madersbacher, Innsbruck 36 G E R I AT R I E J O U R N A L – S P E Z I A L Geriatrische Rehabilitation nach dem GKV-WSG: Reha auch bei Demenz-Patienten Martin Bischoff, Planegg 39 P H A R M A : S Y M P O S I E N & P R A X I S I N F O R M AT I O N E N PDE-5-Hemmer: Pharmakologische Unterschiede beeinflussen Patientenpräferenz Analgesie: Morphin nicht der Goldstandard Alzheimer Demenz: Dualer AChE-Hemmer verzögert Krankheitsverlauf Hypertonie: Kombinationstherapie für hypertonen Diabetiker bessere Wahl Akutschmerzen: Postoperative Schmerzen mit Oxycodon therapieren 40 40 41 42 42 GERIATRIE JOURNAL 4/07 36 Titelbild DIVERSES Termine/Impressum Inkontinenz zählt nach wie vor zu den häufigsten Gründen für die Einweisung in Alten- und Pflegeheime. Die Ursache der Harninkontinenz im Alter ist meist multifaktoriell und kann außerhalb des Harntraktes liegen. Hinweise zur Ursachenforschung und Therapie ab Seite 43 © Marti Timple – Fotolia 5 NACHRICHTEN: TRENDS & THEMEN Elisabeth-Krankenhaus Essen: Stationäre Fußbehandlung zertifiziert Seit Juni 2007 darf sich das Diabetes-Zentrum im Elisabeth-Krankenhaus Essen „Stationäre Fußbehandlungseinrichtung“ nennen. Mit dieser Zertifizierung würdigte die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) die ambulante Behandlung des diabetischen Fußsyndroms der Einrichtung. Hier arbeiten Diabetologen, Angiologen, Gefäßchirurgen, Diabetesberater, Podologen und orthopädische Schumacher eng zusammen. Die Zertifizierung wird von der Arbeitsgemeinschaft „Diabetischer Fuß“ organisiert. In diesem offiziellen Gremium der DDG wirken 500 Experten mit. Das diabetische Fußsyndrom ist eine komplexe Störung infolge Diabetes mellitus. Auf Grund von Durchblutungsstörungen und Nervenschädigungen kann es zu schlecht heilenden Wunden an den Füßen kommen. Im schlimmsten Fall kann das Fußsyndrom sogar zum Verlust der Gliedmaßen führen. Für das seit 1984 etablierte moderne Diabetes-Zentrum in Essen ist diese Zertifizierung nach eigenen Angaben eine weitere Anerkennung ihrer hervorragenden Arbeit. Quelle: Elisabeth-Krankenhaus, Essen Leserbrief Brauchen wir ein weiteres Geriatriejournal? In der ersten Februarwoche erhielt der Autor die erste Ausgabe des „Geriatrie-Report“ mit dem Untertitel „Forschung und Praxis in der Altersmedizin“. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass die Geriatrie und geriatrisches Wissen eine größere Verbreiterung erfährt. Doch bei der Lektüre ist schnell zu erkennen, dass es sich hierbei um ein Marketing-Instrument der pharmazeutischen und medizintechnischen Industrie handelt. Mit Ausnahme eines kurzen Artikels (S. 64) findet sich keinerlei Erklärung über (potentielle) Interessenskonflikte von Autoren, soweit diese überhaupt genannt werden. Es entbehrt auch nicht einer gewissen Ironie, wenn in zwei Artikeln der drei Monate zurückliegende Kongress der DGG beworben wird. Unter Marketing ist zu verstehen „die Planung, Koordination und Kontrolle aller auf den Absatzmarkt ausgerichteten Unternehmensaktivitäten mit dem Zweck einer dauerhaften Befriedigung der Kundenbedürfnisse sowie der Erfüllung der Unternehmensziele. Marketing ist das Denken vom Markt her mit dem Ziel Kundenbedürfnisse zu erfassen oder zu erzeugen und zu befriedigen“ [1]. Von Interesse ist für den geneigten Leser in diesem Zusammenhang die Doktorarbeit von V. Schubert [2], die sich systematisch mit der Frage des Kundenbeziehungsmanagements für pharmazeutische Interventionen mit dem Ziel der „Erlösgenerierung“ beschäftigt. Wir sind uns offensichtlich häufig nicht bewusst, in welchem Umfang wir als Ärzte Zielgruppe für eine systematische, EDV-gestütze Datenerfassung 6 sind. Das größte deutsche Softwarehaus – SAP – wirbt z.B. für seine Software mittels derer „Ärzteprofile und -generierung“ erstellt werden, damit „pharmazeutische Unternehmen einen besseren Einblick in das Verschreibungspotential der Ärzte“ erhalten „– eine wichtige Voraussetzung, um Marketingkapital aufzubauen“ [3]. In diesem Zusammenhang sei auf verschiedene ärztliche Eigeninitiativen [4, 5] verwiesen, die die vielfältigen Einflussnahmen auf ärztliches Verordnungsverhalten transparent zu machen versuchen. Um die im Titel genannte Fragestellung zu beantworten: diese Form eines Journals ist mehr als überflüssig und sie schadet der Geriatrie mehr als sie nutzt, wenn sich die Geriatrie für ein solches Marketinginstrument benutzen lässt. Literatur 1. http://de.wikipedia.org/wiki/Marketing (Zugriff 15.02.2007). 2. http://opus.kobv.de/tuberlin/volltexte/2005/ 1045/pdf/schubert_virginie.pdf (Zugriff 15.02.2007) 3. http://www.sap.com/germany/media/ 50064837.pdf (Zugriff 15.02.2007). 4. http://www.nofreelunch.org/ (Zugriff 15.02.2007). 5. http://www.mezis.de/index.php?option= com_content&taskview&id=3&Itemid=3 (Zugriff 15.02.2007). Dr. med. Manfred Gogol, Klinik für Geriatrie, Krankenhaus Lindenbrunn, Lindenbrunn 1, D-31863 Coppenbrügge, eMail: [email protected] Erklärung: Es bestehen keine Verbindungen zu pharmazeutischen und medizin-technischen Firmen. Ausschreibung: SinnVoll Die Demenz Support Stuttgart gGmbH ruft mit der Ausschreibung „SinnVoll: Die Pflege von Menschen mit Demenz in weit fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung“ dazu auf, innovative Konzepte und Projekte einzusenden, die sich für eine qualitätvolle Versorgung dieser Patientengruppe einsetzen. Ziel ist es, Beispiele guter Praxis zu sammeln und gemeinsam mit allen Akteuren einen verantwortungsbewussten Umgang mit neuen Betreuungskonzepten zu fördern. Der Aufruf wendet sich an alle Träger und Einrichtungen der stationären und ambulanten Pflege, an Kliniken, Krankenhäuser, Hospize sowie bürgerschaftlich organisierte Initiativen in der Bundesrepublik Deutschland, die spezielle Ansätze für die Pflege von Menschen in weit fortgeschrittenen Stadien der Demenz entwickelt haben und diese bereits erfolgreich umsetzen. Drei herausragende Projekte werden im Rahmen eines Fachtags (30. Januar 2008) prämiert (1. Preis: 5.000 Euro, 2. Preis: 2.500 Euro, 3. Preis: 1.250 Euro). Über die Vergabe der Preise entscheidet ein unabhängiger und fachlich kompetenter Beirat. Teilnahmeschluss ist der 15. November 2007. Weitere Informationen zu „SinnVoll“ sowie die Teilnehmerunterlagen stehen im Internet zum Download bereit: http://www.demenz-support.de; Menüpunkt: Aktuelles. GERIATRIE JOURNAL 4/07 NACHRICHTEN: TRENDS & THEMEN Alois Alzheimer Award 2007 für Prof. Dr. Agenta Nordberg ausgezeichnet. Sie erhielt den mit 20.000 US-Dollar dotierten Preis für ihr herausragendes Lebenswerk bei der Erforschung der Alzheimer-Demenz. Die Juroren be- Foto: Merz Pharmaceuticals Am 15. Juni 2007 wurde die schwedische Wissenschaftlerin Prof. Dr. Agneta Nordberg von der Universität Stockholm mit dem Alois Alzheimer Award (AAA) 2007 Prof. Agneta Nordberg hat den Alois Alzheimer Award 2007 für ihre Forschung im Bereich Alzheimer-Demenz erhalten (v.l.n.r. Prof. Hans-Jürgen Möller, Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik der LMU München und Vorsitz der AAA-Jury, Prof. Agneta Nordberg, Dr. Martin Zügel, CEO Merz Pharmaceuticals, Prof. Konrad Maurer, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie und Vorsitz des AAA-Board of the Jury) tonen, dass sich Nordberg um die Erforschung der molekularen Grundlagen der Demenz-Erkrankung sehr verdient gemacht habe. Sie trage wesentlich dazu bei, ein besseres Verständnis der Erkrankung und eine Weiterentwicklung von Therapieansätzen zu ermöglichen. Die Zahl der Demenzkranken liegt allein in Deutschland bei 1,2 Millionen. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass sich die Zahl der Erkrankten bis 2050 weltweit auf 107 Millionen Betroffene vervierfachen wird. Die Demenz wurde deshalb in den vergangenen Jahren zu einem Schwerpunkt der Forschung. Der Alois Alzheimer Award wird seit 1995 von dem pharmazeutischen Unternehmen Merz gestiftet. Es hat sich auf die Erforschung und Entwicklung von Medikamenten für neurologische und psychatrische Erkrankungen konzentriert. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben führend im Bereich der Alzheimer-Forschung. Der dort entwickelte Wirkstoff „Memantine“ ist der erste seiner Art zur Behandlung der moderaten bis schweren Alzheimer-Demenz. Quelle: Merz Pharmaceuticals GmbH, Frankfurt am Main Einsame und überforderte Heimbewohner sind verhaltensauffällig 50% erhalten innerhalb von zwei Wochen Besuch. Nur jeder Zweite besaß eine wichtige Bezugsperson im persönlichen Umfeld. Heimbewohner, die körperlich aggressiv Ein Forscherteam der Universität Bielefeld wickeln. Dabei stellten sie zunächst fest, sind, sind in ihrer verbalen Kommunikauntersuchte ein Jahr lang in Pflegeheimen dass 80% der Bewohner mindestens ein- tion deutlich stärker eingeschränkt als anVerhaltensauffälligkeiten der Bewohner. mal pro Woche unruhig und verbal ag- dere. Sie werden nachts auch häufiger durch Das Ergebnis macht deutlich: Sind Bewoh- gressiv waren. 15-17% waren sogar ag- pflegerische Maßnahmen gestört und sind ner sozial isoliert, werden sie unruhig, ir- gressiv gegen Personen und Gegenstände. seltener in Gruppenangebote einbezogen. ren umher, sind verbal oder auch physisch „Die Lebenssituationen in den Heimen Das Forscherteam empfiehlt als vorbeuaggressiv. Diese Verhaltensweisen fordern tragen dazu bei, dass viele Bewohner pro- gendes Konzept die Heimbewohner stärin den Heimen nicht nur die Pflegekräfte blematische Verhaltensweisen entwickeln“, ker sozial zu integrieren. Wichtig ist, Beheraus, sie sind auch ein Problem für die resümiert Projektleiter Dr. Klaus Wingen- ziehungen aufzubauen. „Ebenso dürfen anderen Mitbewohner. Das Forscherteam feld. Viele Bewohner sind sozial isoliert, nur Heimbewohner auf keinen Fall überfordert untersuchte, unterstützt werden“, so der Projektleivom Bundesministerium ter. Das erarbeitete KonVerhaltensauffällligkeiten von Heimbewohnern für Bildung und Forzept wird jetzt in einer 2. 1. Verbale Verhaltensauffälligkeiten (54,2%) schung, mehrere Hundert Phase vom Forschungs2. Motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten (49,8%) Bewohner, die im Schnitt team wissenschaftlich 3. Körperlich aggressives Verhalten gegen andere Personen (17,1%) 80,5 Jahre alt waren. Sie überprüft. versuchten herauszufin4. Körperlich aggressives Verhalten gegen Dinge (15,1%) Quelle: Bundesminisden, wie und warum sich 5. Körperlich aggressives Verhalten gegen sich selbst (5,4%) terium für Bildung und Verhaltensauffälligkeiten Quelle: Dr. Klaus Wingenfeld, Institut für Pflegewissenschaft, Universität Bielefeld Forschung in den Pflegeheimen entGERIATRIE JOURNAL 4/07 7 NACHRICHTEN: TRENDS & THEMEN Jeder vierte Patient in deutschen Krankenhäusern ist mangelernährt Zu diesem Ergebnis kamen Wissenschaftler nach Auswertung aller Daten einer Multizenterstudie zur Mangelernährung im Krankenhaus. Die Studie wurde von der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. (DGEM) angeregt. Hier liefert Priv.-Doz. Dr. Matthias Pirlich von der Charité, Berlin, erstmals Daten zur Ernährungssituation von Patienten in deut- schen Krankenhäusern. Für seine Leistung erhielt der Arzt im Juni in Innsbruck den mit 5.000 Euro dotierten Dr.-Werner-FeklFörderpreis für klinische Ernährung. Er wird seit 2002 von Pfrimmer Nutricia an Nachwuchswissenschaftler verliehen, deren Forschungsarbeiten für die klinische Ernährung von besonders hohem Erkenntniswert sind. Die Studie, die sich über Foto: Pfrimmer Nutricia GmbH PD Dr. Matthias Pirlich erhielt den Dr.-Werner-FeklFörderpreis für klinische Ernährung. Am 1. Juni nahm der Mediziner die Auszeichnung auf dem Kongress „Ernährung 2007“ in Innsbruck entgegen (von links: Dr. Zeno Stanga, Universitätsspital Bern, PD Dr. Matthias Pirlich, Charité Berlin, Dr. Dietmar Stippler, Pfrimmer Nutricia Erlangen). Zu wenig Schmerzmittel für Menschen in Pflegeheimen Beim Personal in Pflegeheimen fehlt das Bewusstsein für Dauerschmerzen. Von den über 600.000 dort lebenden Senioren leiden 70% zeitweise unter Schmerzen. „Diese Menschen bekommen zu wenig Schmerzmittel“, kritisierte Dr. Thomas Lange, Schmerztherapeut, auf dem 18. Deutschen Schmerztag in Frankfurt. Etwa neun von zehn der über 75-Jährigen klagen seltener über Schmerzen als jüngere Menschen. Häufig gilt: Wer weniger klingelt, ist willkommener beim Personal. So beißen die Bewohner lieber die Zähne zusammen, als Hilfe zu holen. Auch wird von Seiten der Pflegekräfte zu wenig nach Schmerzen gefragt. Dr. Lange kritisiert weiter: „Ärzte verordnen Patienten in Pflegeheimen weniger Schmerzmittel, als solche, die sie in der Praxis konsultieren.“ Gerade demente Menschen, die sich nicht eindeutig äußern können, bekommen deshalb zu wenig Analgetika. Dabei reicht 8 oft die Körpersprache: die Patienten haben eine schnelle Atmung, zeigen Angst, zucken zusammen, sind unruhig oder apathisch. Experten haben jetzt einen Screening-Bo- einen Zeitraum von fast vier Jahren erstreckte, erhob bei 1.886 Patienten in 13 Krankenhäusern Daten über deren Ernährungszustand. Hier stellte sich heraus, dass 73% der Patienten über 70 Jahre mangelernährt waren. Gerade solche Patienten sterben früher als Gleichaltrige mit einem guten Ernährungsstatus. Mangelernährung führt zudem zu einer längeren Verweildauer im Krankenhaus. Ursache für die schlechte Ernährung sind, so die Studie, Alter, Krebsund Mehrfacherkrankungen. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass eine ausreichende Ernährungstherapie eingeleitet werden sollte, um das klinische Outcome dieser Patienten zu verbessern. Dazu die Jury: „Mangelernährung ist ein relevantes Problem, dem noch nicht die Bedeutung beigemessen wird, die notwendig wäre.“ Literatur: 1. Pirlich M. et al., The German Hospital Malnutricion Study. Clinical Nutricion 2006; 25: 563-572. Quelle: Pfrimmer Nutricia GmbH, Erlangen gen entwickelt, der über ein Punktesystem Schmerzzustände erfasst. Dr. Lange: „Die Schmerzproblematik muss unbedingt in die Ausbildung der Pflegekräfte integriert werden.“ Quelle: Der deutsche Schmerztag 2007/ ProScience Communications GmbH Medizinklimaindex zeigt bessere wirtschaftliche Aussichten Der neue Medizinklimaindex vom Frühjahr 2007 zeigt bei den Ärzten in Deutschland eine spürbare Aufhellung des Klimas. Zwar bewerten die Ärzte ihre wirtschaftliche Lage für die kommenden Monate weiter ungünstig, dennoch liegt der Klimaindex im Vergleich zum Herbst 2006 bei -11,7 statt bei zuvor -23,3. Ihre aktuelle wirtschaftliche Lage schätzen aktuell 55% der niedergelassenen Ärzte und Zahnärzte als zufriedenstellend ein, 24% als schlecht und 21% als gut. Ihre wirtschaftliche Lage in dem kommenden sechs Monaten bewerten 27,9% als ungünstiger und 7,6% als günstiger. Der Medizinklimaindex ist ein transformierter Mittelwert aus den Salden der momentanen Geschäftslage und der Erwartungen. Die Befragung entsprach den Kriterien des IFO Institutes (Institut für Wirtschaftsforschung e.V.). Unter www.stiftung-gesundheit.de in der Rubrik „Presseservice“ , dann „Studien“ kann die ausführliche Datei zum Medizinklimaindex heruntergeladen werden. Quelle: Stiftung Gesundheit, Hamburg GERIATRIE JOURNAL 4/07 L I T E R AT U R : R E F E R I E R T & K O M M E N T I E R T Subkutane Infusion Hydratation in der Terminalphase Die Frage der Flüssigkeitssubstitution in der Terminalphase schwerer Erkrankungen, speziell Tumorerkrankungen wird seit vielen Jahren kontrovers diskutiert. Eine texanische Studie zur Rolle der subkutan durchgeführten parenteralen Hydratationsbehandlung bei Tumorpatienten in der Terminalphase untersucht den Einfluss dieser Therapie auf die Symptomkontrolle und das Befinden der Patienten. I ntravenöse Flüssigkeitszufuhr als am weitesten verbreitete Methode ist speziell in der Terminalphase und bei älteren Patienten oftmals mit einem erhöhten Ödemrisiko, respiratorischen Problemen durch pulmonale Stauung und daraus resultierenden Befindlichkeitsstörungen von Patienten behaftet. Andererseits ist der Verzicht auf jegliche Hydrierungsmaßnahmen in der Terminalphase vergesellschaftet mit Komplikationen wie Bewusstseinstrübungen, Hyperalgesie, Fieber, Niereninsuffizienz und vor allem einer relativen MorphinÜberdosierung bis hin zur Intoxikation durch Kumulation der zur Schmerztherapie eingesetzten aktiven Opioide und deren durch den Stoffwechsel entstehenden Metabolite. Studie: Mit einer präliminären doppelblind angelegten Studie hat eine internationale Studiengruppe versucht, etwas mehr Klarheit für die Entscheidungsfindung Hydrierung oder Verzicht auf Hydrierung zu bringen. 49 Patienten wurden in die Studie aufgenommen. Alle litten zum Zeitpunkt der Aufnahme an einer leichten bis moderaten Hypohydratation die per Definiton als weniger als 1 l/Tag Trinkmenge definiert war. Diese Patienten erhielten nach Randomisation entweder 1000 ml (Verum) oder nur 100 ml (Plazebo) einer physiologischen Kochsalzlösung als subkutane Infusion. Ausgewertet wurden als Symptome der Dehydratation: das Auftreten von Halluzinationen, Myoklonus, Abgeschlagenheit (Fatigue) und Sedierung. Ergebnisse: 21 (78%) der 27 aktiv therapierten Patienten erfuhren eine substantielle Besserung, erstaunlicherweise aber auch 13 (59%) der 22 Patienten aus der Plazebogruppe. Bezüglich des Gesamttherapieeffektes sowie hinsichtGERIATRIE JOURNAL 4/07 lich des Wohlbefindens der Patienten konnte kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen gesehen werden. Ausschließlich bezogen auf die Zielsymptome Myoklonus und Sedierung schnitten die Verum-Patienten deutlich besser ab als die Patienten der Kontrollgruppe. Diskussion: Die Studienautoren schließen, dass durch eine subkutane Hydratation mit 100 ml/Tag ein gewisser Vorteil erzielt werden kann. Kommentar: Die Studie ist interessant, die Interpretation etwas zu kurz gegriffen. Wichtig wären größere Fallzahlen und Alters-Cluster, da insbesondere die Nebenwirkungen einer Hydratation bei kardial vorgeschädigten Patienten in der Terminalphase und im Alter besonders gravierend sich bemerkbar machen. Prof. Dr. Dr. Gerald F. Kolb, Lingen (Ems) Bruera E., Sala R., Rico M. A., Moyano J., Centeno C., Willey J., and Palmer J. L. Effects of Parenteral Hydration in Terminally Ill Cancer Patients: A Preliminary Study. J Clin Oncol 2005; 23: 2366-2371 Nierenfunktionsbestimmungen Welche Methode ist im Alter die beste? Die Bestimmung der Nierenfunktion ist auf Grund der hohen Prävalenz von Einschränkung der glomerulären Filtrationsleistung im Alter von großer Wichtigkeit. In einer Untersuchung ist eine universitäre geriatrische Arbeitsgruppe in Italien der Frage nachgegangen, welche Methode der Nierenfunktionsbestimmungen am ehesten die Besonderheiten der Altersphysiologie berücksichtigt. S tudie: Verglichen wurden die Cockroft-Gault (CG)-Methode mit zwei Modifikationen der sog. „Modification of Diet in Renal Disease (MDRD1 und MDRD2)“ Formel. In die Untersuchung einbezogen wurden 7.747 Personen (51,1% Frauen), mittleres Alter 77,8 Jahre, Standardabweichung 7,2 Jahre. Die Untersuchung fand ausschließlich bei Patienten akutgeriatrischer und internmedizinischer Stationen statt. Ergebnis: Die mittlere glomeruläre Filtrationsrate (GFR) betrug abhängig von der verwandten Methode (CG, MDRD1 oder MDRD2) 51,2 ml/Min bei einer Standardabweichung von 21,3 ml/Min, respektive 54,9 ml/Min (SD 19,8) und 64,7 ml/Min (24,2). Brach man im Vergleich auf die Individualebene herunter, so zeigten sich bei 50% erhebliche Differenzen im Vergleich von CG und MDRD. In der Diagnosesicherheit gab es eine noch akzeptable Übereinstim- mung im Hinblick auf leichte Niereninsuffizienz, allerdings eine gute Übereinstimmung in der Diagnosesicherheit zur Feststellung einer schweren Niereninsuffizienz. Die Hauptunterschiede zwischen den Methoden waren bedingt durch den Faktor Alter und Gewicht. Zusammenfassung: Bei akzeptabler, sehr guter Diagnosesicherheit innerhalb der Methode zeigt sich im Individualvergleich intermethodisch doch eine deutliche Differenz. Somit kann auf der individuellen Ebene von einem Wechsel zwischen den Methoden nur abgeraten werden. Dies gilt insbesondere für Verlaufsbeobachtungen. Prof. Dr. Dr. Gerald F. Kolb, Lingen (Ems) Pedone C, Corsonello A, Incalzi R A. for the GIFA Investigators. Estimating renal function in older people: a comparison of three formulas. Age and Ageing 2006; 35: 121-126 9 A LG ES I O LO G I E : O P I O I D E IM FOKUS Update zur medikamentösen Schmerztherapie im Alter Uwe Junker, Remscheid und Axel Hoffmann, Köln Mit dem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, insbesondere an chronischen oder rezidivierenden Schmerzen zu leiden. Schmerzen im Alter sind auf Grund der Multimorbidität vieler Senioren und der daraus resultierenden Polymedikation eine Herausforderung an den Therapeuten. Voraussetzung für eine adäquate Schmerztherapie im Alter ist, dass die Behandlung rechtzeitig den Bedürfnissen der Patienten angepasst wird. Ein starres Einhalten der WHO-Stufenleiter wird dieser Anforderung nicht immer gerecht. Zudem werden heute Substanzen bevorzugt, die flexibel dosierbar und leicht titrierbar sind, nicht die Gefahr der Arzneimittelinteraktion in sich bergen sowie nebenwirkungsarm und in der Langzeittherapie gut verträglich sind. I 10 Tab. 1. Mit der Multimorbidität ist zwangsläufig Polymedikation verbunden. Pro Tag nehmen diese Patienten etwa sieben bis zehn verschiedene Medikamente ein. Diese Polymedikation bedingt häufig unerwünschte Wechselwirkungen, da die meisten Medikamente im Körper über das gleiche Enzymsystem, Cytochrom P450 und seine Subtypen, ab- Foto: Pixelquelle/Harry Hautumm n Deutschland wird erwartet, dass der Anteil derjenigen, die älter als 65 Jahre werden, von derzeit 15% auf voraussichtlich 20-25% im Jahr 2050 ansteigt. Bis zu 80% der über 60-Jährigen leiden auf Grund verschiedener GrunderkrankunVoraussetzung gen an chronischen für die adäquate Schmerzen, die den Alltag beeinträchtiSchmerztherapie gen. Meist handelt ist die korrekte es sich um SchmerSchmerz- zen auf Grund bestimmung degenerativer Veränderungen des muskuloskeletalen Systems sowie um tumorbedingte, posttraumatische und neuropathische Schmerzsyndrome [9]. Eine Untersuchung in Deutschland ergab, dass ältere Schmerzpatienten im Durchschnittsalter von über 76 Jahren in Praxen und Kliniken außer ihren chronischen Schmerzen zusätzlich zur schmerzverursachenden Erkrankung mindestens eine weitere Diagnose, im Durchschnitt in fünf weiteren Organsystemen, aufwiesen [3]. Eine Übersicht über den Anteil der Patienten, die Komorbiditäten im jeweiligen Bereich angeben, gibt gebaut werden. Multimedikation führt nicht nur häufig zu Fehlmedikationen, sondern reduziert auch die Compliance der Patienten [6]. Aus Angst vor Nebenwirkungen verzichten viele Patienten zunächst auf Schmerzmittel, akzeptieren ihren Schmerz und riskieren zwangsläufig – häufig unbewusst – eine Chronifizierung ihrer Beschwerden mit oft psychosozialen Konsequenzen wie z.B. Depression und/oder sozialem Rückzug. Es gibt vielfache Hinweise darauf, dass Opioide bei älteren Patienten zu selten eingesetzt werden [2]. Auch in Deutschland werden ältere Schmerzpatienten ab ca. 65 Jahren häufig nicht adäquat analgetisch versorgt oder leiden unter den Nebenwirkungen des angewandten Analgetikums. Medikamentöse Schmerztherapie für ältere Menschen sollte so konzipiert werden, dass sie effektiv analgetisch wirksam ist bei möglichst geringen unerwünschten Wirkungen. Nur so kann sie im Rahmen multimodaler Behandlungskonzepte zur Polymedikation bedingt häufig unerwünschte Wechselwirkungen, da die meisten Medikamente im Körper über das gleiche Enzymsystem, Cytochrom P450 und seine Subtypen, abgebaut werden. GERIATRIE JOURNAL 4/07 A LG ES I O LO G I E : O P I O I D E Voraussetzung für die adäquate Schmerztherapie und die Überwachung des Therapieerfolgs ist die korrekte Schmerzbestimmung. Dazu dienen anerkannte Skalen, wie Visuelle Analog Skala (VAS), Numerische Rating Skala (NRS) und Verbale Rating Skala (VRS). Bei älteren Patienten, vor allem solchen mit fortgeschrittener Demenz, ist es jedoch oft schwierig, deren Schmerzen richtig zu beurteilen. Dazu bedarf es eines speziell strukturierten Schmerzinterviews, wie z.B. die „Beurteilung von Schmerzen bei Demenz“ (BESD; englisch: PAINAD). Diese Skala bewertet die Verhaltenskategorien Atmung, negative Lautäußerungen, Gesichtsausdruck, Körpersprache und Reaktion auf Tröstung [4]. Es konnte gezeigt werden, dass damit auch bei dementen älteren Patienten zuverlässig Schmerz gemessen wird. Weitere Skalen oder Checklisten, wie DoloPlus, ECPA, oder PACSLAC, haben sich ebenfalls bei Schmerzpatienten mit kognitiven Beeinträchtigungen bewährt [21]. Schmerzrhythmus erfordert flexible Medikation Nicht nur Schmerzempfinden und Reaktionen auf Schmerzreize unterliegen tagesrhythmischen Variationen, sondern auch die Wirkungen von Pharmaka und ihre Pharmakokinetik können tageszeitabhängige Variationen aufweisen [15]. Der Grund dafür ist, dass sowohl die Sensitivität der Opiatrezeptoren mit der Tageszeit variiert, als auch unsere körpereigenen Schmerzmediatoren wie Endorphine und Enkephaline über 24 Stunden nicht konstant ausgeschüttet werden. In klinischen Studien konnte für zahlreiche Arzneimittel gezeigt werden, dass zirkadiane Rhythmen bei der Resorption und systemischen Verteilung eine bedeutsame Rolle spielen. Zirkadiane Rhythmen sollten laut Lemmer [15] daher in die Beurteilung der WirksamGERIATRIE JOURNAL 4/07 keit und der therapeutischen Breite eines Arzneimittels einbezogen werden. Auch bei älteren Patienten spielen zirkadiane Schmerzrhythmen eine Rolle. So treten die gerade im Alter häufig vorkommenden Schmerzen auf Grund rheumatoider Arthritis vorwiegend am frühen Morgen auf [14], Patienten mit Osteoarthroseschmerz haben dagegen abends am Ende der Belastung den höchsten Analgetikabedarf [5]. Die höchsten Schmerzintensitäten von Tumorpatienten wurden während des Tages zwischen 8.00 und 22.00 Uhr ge- messen, während sie nachts niedriger lagen [20]. Da unterschiedliche Schmerzen somit unterschiedliche Rhythmen aufweisen, muss darauf mit flexiblen Gaben von Analgetika reagiert werden. Eine starre Therapie, wie z.B. mit transdermalen Pflastersystemen allein, wird daher den individuellen Bedürfnissen der Patienten oft nicht gerecht. Bei transdermaler Basisanalgesie mit starrer Kinetik muss häufiger mit schnell freisetzenden Opioiden oder Nichtopioidanalgetika „nachgesteuert“ werden als bei oralen Retardopioiden, die zweimal täg- Tab. 1: Komorbiditäten ■ schwer (3) ■ mäßig (2) ■ leicht (1) ■ kein (0) Gastrointestinaltrakt Psyche Nervensystem Atmung Urogenitaltrakt Augen, HNO Endokrinum Herz Kreislauf Muskelskel. System 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Anteil der Patienten, die eine Schädigung im jeweiligen Bereich angeben 100 (nach Basler et al., 2003) Beurteilung von Schmerzen FOKUS Tab. 2: Differenzierte Opioidindikation Symptom / Erkrankung Obstipation Übelkeit, Erbrechen Dysphagie Juckreiz Verwirrtheit, Schwindel Neuropathie ± Viszeralschmerz Histaminliberation, Analgetika-Asthma Morphininduzierte Hyperalgesie Polymedikation Hochdosisbereich Niereninsuffizienz Leberfunktionsstörung Junker U, Schmitz A, Busche P, Freynhagen R: Schmerz- und Symptomtherapie bei Tumorpatienten, Klinische Onkologie 2007/2008, im Druck Erhaltung oder Rückgewinnung persönlicher Autonomie einen wichtigen Beitrag leisten. IM Mittel der Wahl 1. Wahl: Tilidin/Naoxon,Oxycodon/Naloxon (2. Wahl: Fentanyl TTS, Buprenorphin TTS) Methadon,Fentanyl TTS, Morphinpumpe Transdermale Systeme / Morphingranulate (sondengängig) „trial and error“ nach analgetischer Wirksamkeit, Methadon Oxycodon ± Naloxon Buprenorphin Methadon Dosisreduktion, Kombination mit Methadon Hydromorphon, Buprenorphin TTS Hydromorphon Buprenorphin, (Hydromorphon) Fentanyl TTS, (Hydromorphon) Abb. 2: Differenzialindikationen für Opioide bei bestimmten Symptomen und Erkrankungen 11 A LG ES I O LO G I E : O P I O I D E lich in unterschiedlicher Dosis appliziert werden können. Medikamentöse Therapie Grundsätzlich gilt auch für die Therapie älterer Patienten das 3-stufige WHOTherapieschema mit Nichtopioidanalgetika (Stufe I), schwachen Opioiden (Stufe II) und starken Opioiden (Stufe III). Die neuen Empfehlungen zur Therapie von Tumorschmerz der AkdÄ 2007 [1] berücksichtigen die Anforderungen an eine adäquate Schmerztherapie und können allgemein auch zur Orientierung bei der Schmerztherapie älterer Patienten dienen. Darin wird eine möglichst orale Therapie, individuell abgestimmt auf den Patienten empfohlen. Das Stufenschema muss nicht starr eingehalten werden. Bei Bedarf kann frühzeitig auf die WHO-Stufe III eingestellt werden, so bei zu erwartender rascher Schmerzprogredienz. Grundsätzlich muss die Schmerztherapie im Laufe der gesamten Therapie dem fortschreitenden und wandelnden Schmerzcharakter angepasst werden. Eine Übersicht über Differenzialindikationen für Opioide bei bestimmten Symptomen und Erkrankungen gibt Tab. 2. In allen drei Stufen werden bei Bedarf Adjuvanzien gegeben. Führt die Gabe von Opioiden nur zu einer partiellen, nicht ausreichenden Schmerzreduktion, werden zusätzlich Koanalgetika, wie Antidepressiva, Antikonvulsiva, Bisphosphonate und Glukokortikoide eingesetzt. Sie modulieren unterschiedliche Rezeptorsysteme und sind zur ergänzenden Therapie verschiedener Schmerzsyndrome, wie neuropathische IM FOKUS und muskuloskeletale Schmerzen, geeignet [12]. Tab. 3 zeigt sinnvolle Kombinationen von Opioid-, Nichtopioidund Ko-Analgetika. auf Grund ihrer eingeschränkten analgetischen Potenz („ceiling effect“) zu einer Untertherapie mit dem Risiko einer ungebremsten Chronifizierung beiträgt [17]. Nichtopioidanalgetika (Stufe I) Schwache bzw, mittelstarke Opioide Die meisten Patienten mit leichten bis mäßigen Schmerzen sprechen gut auf der WHO-Stufe II Nichtopioidanalgetika wie Paracetamol Die Bedeutung dieser schwachen (Traund NSAR an. NSAR haben ihr be- madol) bzw. mittelstarken (Tilidin/ währtes Indikationsspektrum bei akut Naloxon) Opioide der WHO-Stufe II entzündungsbedingten Schmerzzustän- nimmt im Indikationsbereich Tumorden. Allerdings sind die Gefahren, durch schmerz gegenwärtig ab [1]. Oft ist NSAR schwerwiegende, v.a. gastroin- mit der Stufe II nur eine kurzzeitige testinale, Nebenwirkungen zu bekom- Schmerzreduktion zu erreichen und men und die eingeschränkte Anwend- dann zwangsläufig eine Neueinstellung barkeit bei Nierenfunktionsstörungen auf Stufe-III-Opioide erforderlich. Nach bei älteren Patienten besonders zu be- neueren Überlegungen könnten bei achten. Diese gerade von älteren multi- inadäquater Schmerzkontrolle durch Nichtopioidanalgetimorbiden Patienten vorwiegend bei Ge- Unterschiedliche Schmerzen ka alternativ niedrige weisen unterschiedliche Dosen starker Opioilenkschmerzen eingenommenen ArzRhythmen auf. Darauf muss de hinzugefügt und dem Bedarf entspreneimittel verursamit flexiblen Gaben von chend individuell chen Interaktionen Analgetika reagiert werden auftitriert werden mit anderen in die[7]. Tumorpatienten, sem Alter häufig eingesetzten Medikamenten. Kranken- die gleich auf starke Opioide eingestellt hauseinweisungen auf Grund uner- wurden, erfuhren in Untersuchungen wünschter Arzneimittelinteraktionen eine signifikant bessere Schmerzlindeverursachen immense Zusatzkosten. Die rung als solche, die „stufenweise“entAnwendung von NSAR besonders im sprechend der WHO-Leitlinien behanfortgeschrittenen Alter ist also proble- delt worden waren [8]. Tilidin/Naloxon matisch und nicht als Dauermedikation zeichnet sich gegenüber Tramadol nicht geeignet [9]. In den letzten Jahren wird nur durch seine höhere analgetische Poauch immer häufiger kritisiert, dass vie- tenz aus, sondern auch dadurch, dass le Patienten zu lange mit Medikamen- bei Niereninsuffizienz keine Kumulation ten der Stufe I behandelt werden, obwohl auftritt. Außerdem wirkt die Substanz diese auf Grund ihrer zahlreichen weniger obstipierend als Tramadol, was Nebenwirkungen für den Patienten sich auf eine peripher-prähepatische nachteilig sind oder ihre Wirksamkeit Wirkung des Opioidantagonisten Naloxon auf Opioidrezeptoren im Darm während des first-pass-Effekts zurückTab. 3: Sinnvolle Kombinationen führen lässt. Basisanalgetikum = Opioid + … Bei manifester Leberinsuffizienz ist Schmerzform Mittel der 1. Wahl Alternativen Tilidin/Naloxon kontraindiziert, da die Aktivierung der Prodrug Tilidin zum Knochen- und Gelenkschmerz COX-2-Hemmer, NSAR z.B. Bisphosphonate analgetisch wirksamen Nortilidin einer Muskelschmerz Flupirtin Metamizol intakten hepatischen Metabolisierung Viszeraler Schmerz Metamizol Butylscopolamin bedarf. Unter Tramadol treten infolge sePhantomschmerz Gabapentin, Pregabalin Calcitonin rotinerger Begleiteffekte deutlich häufiTrizykl. Antidepressiva ger Übelkeit und Erbrechen sowie insSonstige neuropathische Gabapentin, Pregabalin Carbamazepin besondere bei älteren Patienten kogniSchmerzen Trizykl. Antidepressiva tive Beeintächtigungen auf. 12 GERIATRIE JOURNAL 4/07 Während Tilidin/Naloxon Vorteile bei Patienten mit Obstipationsanamnese und Niereninsuffizienz aufweist, fällt es schwer, für Tramadol bei chronischen Schmerzen noch ein spezifisches Indikationsprofil zu definieren. Starke Opioide der WHO-Stufe III Morphinsulfat wird bedauerlicherweise auch heute noch in den Empfehlungen der WHO und der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft als Opioid-Goldstandard genannt. Dies obwohl inzwischen moderne Retardopioide existieren, die analgetisch potenter sind, die weniger obstipieren, deren Metabolite weniger oder gar nicht kumulieren und die nicht zuletzt eine deutlich bessere Retardgalenik aufweisen. In letzter Zeit mehren sich zudem die Hinweise auf eine immunsuppressive Wirkung von Morphin. Morphin ist in zahlreichen retardierten Zubereitungen einsetzbar, für Durchbruchsschmerzen stehen sowohl schnell freisetzende Morphinsulfattabletten, als auch Morphinlösung zur Verfügung. Statt bei starkem Schmerz grundsätzlich eine Opioidtherapie mit Standardmorphin zu beginnen, sollten heute eher individuelle Faktoren wie Schmerzcharakter und -rhythmus sowie Morbidität des einzelnen Patienten in den Fokus gerückt werden, bevor man sich für das eine oder andere starke Opioidanalgetikum entscheidet. Oxycodon und Oxycodon/Naloxon. Oxycodon ist doppelt so stark wirksam wie Morphin. Auf Grund einer biphasischen Resorptionsgalenik kommt es zu einem raschen Wirkeintritt bei zugleich langer Wirkdauer von bis zu zwölf Stunden. Neuere Arbeiten zeigen, dass Oxycodon anderen Opioiden bei viszeralen und neuropathischen Schmerzen überlegen zu sein scheint. Bei beiden Schmerzarten kommt es zu einer Hochregulation von κ-Opioidrezeptoren, zu denen Oxycodon eine hohe Affinität besitzt. Oxycodon ist in zahlreichen Wirkstärken verfügbar, neuerdings in der 10 und 20 mg-Dosierung auch in der KomGERIATRIE JOURNAL 4/07 IM FOKUS Foto: Jonny Heinsohn/Pixelio A LG ES I O LO G I E : O P I O I D E Schmerzempfinden und Reaktionen auf Schmerzreize unterliegen tagesrhythmischen Variationen. bination mit dem Opioidantagonisten Naloxon, der peripher-prähepatisch an Opioidrezeptoren im Darm wirkt. Erste Studienergebnisse zeigen unter dem Kombinationspräparat eine signifikant geringere Obstipationstendenz bei gleich bleibender analgetischer Wirkung. und die darin erhaltenen Pellets ohne Verlust von Wirkung und Retardierung über eine Sonde verabreichen kann. Für Durchbruchsschmerzen steht schnell freisetzendes Hydromorphon in verschiedenen Wirkstärken – neuerdings auch intravenös applizierbar – zur Verfügung. Auf Grund seiner auch im Hochdosisbereich sehr günstigen pharmokologischen und -kinetischen Eigenschaften könnte Hydromorphon zukünftig den Goldstandard der Opioidtherapie bei Tumorschmerzen darstellen [11, 13]. Transdermale Systeme: Fentanyl und Buprenorphin. Fentanyl ist 200fach stärker analgetisch wirksam als Morphin. Mittels einer Polymer-Matrix wird der Wirkstoff gleichmäßig über Hydromorphon zeichnet wie Oxy- 72 Stunden freigesetzt. Stabile Plascodon eine hohe orale Bioverfügbarkeit maspiegel werden wie beim transderaus. Es ist etwa 8-mal so stark wirksam malen Buprenorphinsytem nach ca. wie Morphin. Hydromorphon hat bei zwölf Stunden erreicht. Letzteres zeichmultimorbiden Patienten unter Poly- net sich durch eine noch effektivere Remedikation entscheidende Vorteile, die tardierung aus und muss nur zwei mal auch im Hochdosisbepro Woche gewechselt Auch die Wirkungen reich erhalten bleiben: werden. Seit kurzem ist von Pharmaka und ihre Die Metabolisierung ein neues Pflaster für erfolgt weitestgehend Pharmakokinetik können den Niedrigdosisbeunabhängig vom Cytoreich im Handel, das tageszeitabhängige chrom-P450-Enzymnur einmal in der WoVariationen aufweisen system, dem Hauptche gewechselt werden katalysator des Arzneimuss. Beide Systeme – stoffwechsels. Darüber hinaus trägt auch insbesondere aber Buprenorphin als pardie sehr geringe Plasmaeiweißbindung tieller Opioidantagonist – führen in etdazu bei, Kumulation und Interaktion was geringerem Ausmaß zu Obstipamit anderen Arzneistoffen zu vermei- tion als die starken oralen Opioide. den. Statistisch signifikant sind diese UnterAktuelle Arbeiten deuten darauf hin, schiede allerdings nicht. Im Gegensatz dass diese Vorteile insbesondere bei al- zu Fentanyl kumuliert Buprenorphin ten, multimorbiden Patienten zum Tra- nicht bei Niereninsuffizienz und bindet gen kommen. Hydromorphon ist in ver- nicht wie die meisten Pharmaka an Seschiedenen Wirkstärken verfügbar, so- rumalbumin, sondern ganz überwiewohl als zweimal täglich zu applizierende gend an α-oder -γ-Globuline, wodurch Retardkapsel, als neuerdings auch als das Arzneimittelinteraktionsrisiko miLangzeit-Retardtablette, die den Wirk- nimiert wird. Wie Oxycodon verfügt stoff mittels eines osmotischen Systems auch Buprenorphin über eine hohe Afgleichmäßig über 24 Stunden freisetzt. finität zu κ-Opioidrezeptoren, die bei Vorteile der zweimal zu applizierenden chronischen viszeralen und neuropaRetardkapsel sind einerseits, dass man thischen Schmerzen eine wesentliche die erforderliche Dosis dem individuel- Rolle spielen (s.o.). Fentanyl ist vorlen Bedarf des Patienten im Tagesverlauf teilhaft bei Patienten mit Leberschäanpassen und andererseits die Kapsel bei den, da es bei Leberinsuffizienz nicht schluckunfähigen Patienten aufbrechen kumuliert. Als wirkstoffgleiche Medi- 13 A LG ES I O LO G I E : O P I O I D E IM FOKUS kation für Durchbruchsschmerzen steder damit einhergehenden Polymedihen transmukosales Fentanyl als Lutschkation eine Herausforderung. tablette und Buprenorphin als Sublin- @ Zur Erfassung des Schmerzes sind speziell strukturierte Schmerzinterviews gualtabletten zur Verfügung. wichtig, die auch mögliche kognitive Beide Pflastersysteme stellen wertLeistungseinbußen berücksichtigen. volle Bereicherungen unseres therapeutischen Arsenals dar. Bedingt durch ih- @ Bei der Auswahl der geeigneten medikamentösen Schmerztherapie müsre träge Kinetik sind sie allerdings wesen pharmakokinetische und chroniger geeignet für die Therapie von nopharmakologische Gesichtspunkte Schmerzen mit hohem Opioidbedarf berücksichtigt werden. und häufigen Durchbruchsschmerzen. Mit über 70% Verordnungen war @ Die WHO-Stufenleiter stellt eine Orientierungshilfe auch bei der transdermales Fentanyl im Kollektiv der Behandlung älterer starken Opioide in Vor dem Einsatz eines Schmerzpatienten den letzten Jahren dar. Ein starres Eindie am häufigsten Opioidanalgetikums halten dieses Schemas eingesetzte Substanz sollten Faktoren wie ist aber nicht zwin– Folge eines geSchmerzcharakter und gend. Der klinische schickten Marketings und nicht Ergebnis -rhythmus sowie Morbidität Nutzen der Stufe-IIklinischer Studien, des Patienten in den Fokus Opioide bei der Behandlung von Krebswie auch die Arzneigerückt werden schmerz sollte übermittelkommission dacht werden. der deutschen Ärzteschaft in ihren aktuellen Empfehlun- @ Die Therapie mit Opioiden sollte flexibel und den individuellen Anfordegen zur Therapie von Tumorschmerzen rungen des Patienten entsprechend feststellt. gestaltet werden und möglichst nebenwirkungsarm sein. Levomethadon ist als Reservesubstanz bei therapieresistenten Opioid- @ Eine transdermale Pflastertherapie kann die Steuerung der Behandlung nebenwirkungen wie z.B. Juckreiz oder bei schwankendem Opioidbedarf ver– selten – Morphinasthma oder opioidkomplizieren. bedingte Hyperalgesie oder ansonsten nicht zu beherrschenden neuropathi- @ Die gravierendste Nebenwirkung von Opioiden ist die Obstipation. Abhilschen Schmerzsyndromen einzustufen. fe: Prophylaxe mit Laxanzien, AusSie bietet einige Besonderheiten, die sie wahl eines seltener mit Obstipation in der Hand des schmerztherapeutisch einhergehenden Opioids in KombiUnerfahrenen gefährlich machen: Die nation mit Naloxon. Eliminationshalbwertzeit von etwa 72 Stunden überdauert die zwischen sechs bis zwölf Stunden variierende analgeti- Literaturverzeichnis 1. Arzneimittelkommission der deutschen Ärztesche Wirksamkeit deutlich. Interindischaft. Empfehlungen zur Therapie von Tumorviduell stark unterschiedliche Plasmaschmerzen. Tumorschmerz 3. Auflage 2007 spiegel aktiver Metabolite bergen das 2. Auret K, Schug SA: Underutilisation of opioids in elderly patients with chronic pain. Drugs Aging Risiko einer Kumulation, so dass nach 22 (2005) 641-654 drei bis sieben Tagen eine Dosisreduk3. Basler HD, Hesselbarth S, Kaluza G et al: Komorbidität, Multimedikation und Befinden bei tion um 20-30% versucht werden sollälteren Patienten mit chronischen Schmerzen. te. Eine kontrolliert-retardierte ZubeSchmerz 17 (2003) 252-260 reitung von Levomethadon existiert 4. Basler H, Hüger D, Kunz, R et al: Beurteilung von Schmerz bei Demenz (BESD): Untersuchung nicht. Zusammenfassung @ Schmerzen im Alter sind auf Grund der Multimorbidität der Patienten und 14 zur Validität eines Verfahrens zur Beobachtung des Schmerzverhaltens. Schmerz 20 (2006) 519-526 5. Bellamy N, Sothern RB, Campbell J. Aspects of diurnal rhythmicity in pain, stiffness, and fatigue in patients with fibromyalgia. J Rheumatol 2004; 31 (2): 379-389 6. Borchelt M: Wichtige Aspekte der Pharmakotherapie beim geriatrischen Patienten. Bundesgesundheitsbl 48 (2005) 593-598 7. Eisenberg E, Marinangeli F, Birkhahn J et al: Assessing step II of the WHO ladder. Paineurope 2 (2005a) 6-7 8. Eisenberg E, Marinangeli F, Birkhahn J et al: Time to modify the WHO analgesic ladder? Pain XIII (2005b) 1-4 9. Hardt R: Besonderheiten der Schmerztherapie im fortgeschrittenen Lebensalter. NeuroGeriatrie 2 (2006) 57-62 10. Hopp M, Ruckes C, Friedmann M et al. The combination of naloxone with prolonged release (PR) oxycodon is able to reduce opioid-induced constipation – Results of a clinical study. Schmerz 19 (2005) 103 11. Junker U, Figge V: Retardiertes Hydromorphon bei älteren Patienten mit starken Schmerzen unterschiedlicher Ätiologie. Munch Med Wochenschr/Fortschr Med 147 (2005) Sonderdruck 3 12. Junker U, Nolte T (Hrsg.). Grundlagen der speziellen Schmerztherapie. Urban & Vogel, München (2005) 13. Junker U, Ludwig H: Wirksamkeit und Verträglichkeit von retardiertem Hydromorphon zur Behandlung älterer Schmerzpatienten. Poster, Deutscher Schmerzkongress, Berlin (2006) 14. Labrecque G, Vanier MC. Biological rhythms in pain and in the effects of opioid analgesics. Pharmacol Ther 68 (1995) 129-147 15. Lemmer B (Hrsg): Chronopharmakologie; Tagesrhythmen und Arzneimittelwirkung, 3. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart (2004) 70-77 16. Liu M, Wittbrodt E: Low-dose oral naloxone reverses opioid-induced constipation and analgesia. J Pain Symptom Manage 23 (2002) 48-53 17. Müller-Schwefe G: Palliative Analgesie. Mehr Lebensqualität für den Palliativpatienten. Hat die Stufentherapie ausgedient? Praxis Depesche 19 (2005) Sonderdruck 9 18. Nolte, T.: Differenzialtherapie mit retardiertem Hydromorphon und transdermalem Fentanyl – Ergebnisse einer Pilotstudie. Abstract, Deutscher Schmerztag, Frankfurt (2006) 19. 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Arzt der Abteilung für Spezielle Schmerztherapie und Palliativmedizin, Sana Klinikum Remscheid, Burger Str. 211, 42859 Remscheid GERIATRIE JOURNAL 4/07 INTERVIEW: TUMORERKRANKUNGEN IM A LT E R Ziele und Aktivitäten von IN-GHO Welche Besonderheiten sind bei der Therapie älterer Tumorpatienten zu berücksichtigen? Was können Fachärzte und Hausärzte, aber auch Pflegekräfte und Angehörige tun, um der besonderen Situation dieser Patienten gerecht zu werden? Mit diesen Aspekten befasst sich IN-GHO®, die Initiative für Geriatrische Hämatologie und Onkologie. Über ihre Ziele und Aktivitäten sprachen wir mit Prof. Dr. med. Carsten Bokemeyer vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Herr Professor Bokemeyer, welche Rolle spielen geriatrische Patienten derzeit in der Hämatologie und Onkologie? ? Knochenmarkreserve) und der Verstoffwechslung von Medikamenten sowie nicht zuletzt die mentale und kognitive Leistungsfähigkeit dieser Patienten. Bokemeyer: Krebs ist vor allem eine Er- krankung des älteren Menschen. Schon heute wird die Hälfte aller Tumorerkrankungen bei Menschen über 65 Jahren diagnostiziert, und mehr als 50% der Tumoren dieser Patienten befinden sich bereits in einem fortgeschrittenen oder metastasierten Stadium. Mit 60% überproportional hoch ist daher der Anteil der tumorbedingten Todesfälle in dieser Altersgruppe. Und die Zahl der älteren und besonders der sehr alten Patienten mit Krebs wird zukünftig noch gravierend steigen. ? Welche Faktoren beeinflussen die Therapieentscheidungen? Bokemeyer: Derzeit basiert die Thera- ? pieentscheidung des Arztes sehr stark auf seinem eigenen Erfahrungshorizont. Die Entscheidungsfindung ist dann leider oft mehr oder minder eine „Bauchentscheidung“, die von ganz unterschiedlichen Faktoren abhängt. Das kann von der reinen Kostenseite bis hin zur Einflussnahme von Angehörigen reichen. Untersuchungen zeigen aber auch, dass ältere Patienten häufiger eine Therapie wünschen, als es die Angehörigen oder wir Therapeuten vermuten. Bokemeyer: Den älteren Tumorpatien- ? Welche Aspekte sollte der Arzt bei der Behandlung des älteren Tumorpatienten besonders beachten? ten als solchen gibt es eigentlich nicht. Ältere Tumorpatienten stellen vielmehr eine sehr heterogene Gruppe dar. Bei gleichem kalendarischen Lebensalter sehen wir Patienten, die noch äußerst vital sind, aber auch solche, die schon recht gebrechlich sind. Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf die Therapiefähigkeit der Patienten. Neben dem Allgemeinzustand besonders wichtig sind hier eventuell bestehende Komorbiditäten, mögliche Veränderungen in den Organfunktionen (z.B. eine veränderte GERIATRIE JOURNAL 4/07 Ein Problem bei der Therapie älterer Tumorpatienten ist oft, dass es für diese Patientengruppe keine Studiendaten gibt. Worauf führen Sie diese Defizite zurück? Bokemeyer: Tatsache ist, dass zur Zeit nur sehr wenige ältere oder alte Patienten in klinische Studien aufgenommen werden. Hier stellt sich die Frage, ob dies daran liegt, dass diese Patientengruppe nicht für Studien geeignet ist – oder umgekehrt – viele Studien nicht für ältere Patienten geeignet sind? Beides ist sicher korrekt. Betrachtet man die „Wir müssen Therapiestandards für geriatrischonkologische Patienten erarbeiten.“ Prof. Dr. med. Carsten Bokemeyer Studienlandschaft genauer, so kann man zahlreiche Barrieren entdecken, die den Einschluss älterer Patienten in onkologisch-hämatologische Studien erschweren. Da ist in erster Linie natürlich das Studiendesign mit teils recht restriktiven Einschlusskriterien, dann aber auch mögliche Vorbehalte des behandelnden Arztes, der vielleicht einen erhöhten Dokumentationsaufwand fürchtet oder sich in seiner Therapiefreiheit eingeschränkt sieht. Barrieren gibt es aber auch auf Seiten der Patienten, die klinischen Studien oft generell skeptisch gegenüber stehen. Oder die räumliche Entfernung zum nächsten Zentrum, in dem eine geeignete Studie läuft, ist einfach zu weit – besonders natürlich für ältere Tumorpatienten, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Abhilfe kann hier sicher die Intensivierung der geriatrisch-onkologischen Forschung bringen. Welche Ziele sehen Sie da an erster Stelle? ? Bokemeyer: Zunächst einmal müssen wir die individuellen Patienten viel besser als bisher klassifizieren. Dazu benötigen wir mehr Daten, um die altersabhängige Organfunktion des einzelnen Patienten charakterisieren zu können. Bei der medikamentösen Therapie brauchen wir mehr Daten zur Pharmakodynamik und vor allem mehr Daten zur Pharmakokinetik im Alter. Wir brauchen aber auch mehr Informationen zum Einfluss bestehender Komorbiditäten und anderer altersbedingter Einschränkungen auf das Therapieergebnis im Einzelfall. Zudem müssen wir mehr 15 INTERVIEW: TUMORERKRANKUNGEN IM A LT E R zum Stellenwert von Supportivmaßnahmen bei alten Patienten wissen und ganz wichtig: Wir müssen Therapiestandards für geriatrisch-onkologische Patienten erarbeiten und diese – durch kontinuierliche Fortbildung – unseren Kollegen in der täglichen Praxis vermitteln. nissen besser zu verstehen, um so unter rationalen Gesichtspunkten die beste Therapieoption auswählen zu können. Hier will die Initiative IN-GHO® die medizinischen Fachkreise unterstützen. Was ist das Besondere an dieser Initiative? @ Fortbildung von Onkologen, Haus- ? Welche Angebote stellt IN-GHO® zur Verfügung? Bokemeyer: Wir bieten unter anderem folgende Aktivitäten an: ? Bokemeyer: Alle an dieser Initiative Be- teiligten haben ein wichtiges Ziel vor Augen: Sie wollen das Bewusstsein für die Besonderheiten älterer Menschen schärfen und darauf basierend die Therapie der geriatrisch-onkologischen Patienten verbessern. Dabei richtet sich IN-GHO® nicht nur an den behandelnden Facharzt, sondern ebenso an Hausärzte, Pflegekräfte, Kostenträger und das Umfeld der Patienten. Alle Personen, die mit älteren Tumorpatienten befasst sind, sollen in die Lage versetzt werden, den individuellen Patienten mit seinen spezifischen Bedürf- ärzten und medizinischen Pflegekräften, @ Entwicklung von unterstützenden Maßnahmen für Fachärzte und Hausärzte, @ Weiterentwicklung geriatrischer Assessments – nun für ältere Krebspatienten, @ Generierung von Impulsen für die Weiterentwicklung von Standards im Sinne von Praxishinweisen. Daneben ist der kontinuierliche Ausbau des Webportals vorgesehen. Hier finden sich aktuelle Informationen zum Thema Krebs im Alter, Assessments und Guidelines, Praxistipps, Erfahrungsberichte und Kasuistiken sowie ein Veranstaltungskalender zu relevanten Kongressen. In einem Newsletter, der sich an Hämatologen, Onkologen und Haus- Abb.: Therapie-Entscheidungen Geriatrisches Assessment Gruppe 1 (Unabhängig und ohne schwere Komorbidität) Gruppe 2 (Abhängig in 1-2 IADL ± 1-2 Komorbiditäten) Gruppe 3 (Gebrechlich, „frail“: abhängig in ≥ 1 ADL, ≥ 3 Komorbiditäten) (Deutsche Krebsgesellschaft; nach Balducci L, Extermann M, Oncologist 2000) Lebenserwartung > Tumorbedingte Prognose < Tumorbedingte Prognose Behandlung toleriert Ja Lebensverlängernde Behandlung Nein Palliation Management of Cancer in the Older Person: A Practical Approach; Balducci L, Extermann M. The Oncologist 2000, 5, 224-237 Geriatrisches Assessments als Basis für Therapieentscheidungen. 16 ärzte wendet, vertiefen wir die speziellen Aspekte des älteren Tumorpatienten zusätzlich. Hinzu kommt das INGHO®-Patientenregister. Es bildet die empirische Datenbasis, mit der wir die bestehenden Assessments optimieren wollen. Das Register @ dokumentiert die heutige Behandlungswirklichkeit geriatrischer Krebspatienten, @ evaluiert die Besonderheiten und Bedürfnisse älterer Tumorpatienten, @ erfasst die Kooperationen verschiedener Fachgruppen und Pflegeeinrichtungen, @ ermöglicht die Entwicklung praxisgerechter geriatrischer Assessments und Therapieempfehlungen und Politikern und Kostenträgern über die wachsende Bedeutung der geriatrischen Hämatologie und Onkologie. ? Welchen Nutzen hat ein geriatrisches Assessment? Bokemeyer: Bei älteren Patienten unterscheiden wir drei Gruppen: @ Gruppe 1: Diese Patienten sind unabhängig und haben keine schweren Komorbiditäten @ Gruppe 2: Diese Patienten benötigen Hilfe in 1 bis 2 instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens (IADL); zusätzlich können sie unter ein bis zwei Komorbiditäten leiden. @ Gruppe 3: Diese Patienten sind gebrechlich („frail“), benötigen Hilfe bei mindestens einer Aktivität des täglichen Lebens (ADL) und leiden unter mindestens drei Komorbiditäten. Während die Therapieentscheidungen bei Patienten der Gruppen 1 und 3 im Prinzip relativ einfach sind, muss bei Patienten der Gruppe 2 zunächst genau abgewogen werden, welches Therapieziel – lebensverlängernde Behandlung oder reine Symptomkontrolle – verfolgt werden soll. Hier bietet ein geriatrisches Assessment eine rationale Basis für die Therapieentscheidung und damit zugleich mehr Sicherheit für den behandelnden Arzt. Herr Professor Bokemeyer, vielen Dank für das Gespräch. GERIATRIE JOURNAL 4/07 O N KO LO G I E : B EST R A H LU N G Strahlentherapie bei Tumorerkrankungen sprechen als bei Jüngeren [4, 10, 11, 15]. Auf „Zeit spielen“ ist jedenfalls bei älteren Tumorpatienten häufig eine schlechte Entscheidung. Patienten im Alter von 70-75 Jahren haben eine (statistische) Lebenserwartung von 10-15 Jahren und im Alter von 85 Jahren immerhin noch von 5-6 Jahren. Es gibt eigentlich keine Beweise, dass Malignome im Alter langsamer wachsen als bei jüngeren Patienten. Dieses gilt auch in der postoperativen Situation. Ohne adjuvante Strahlentherapie müssten insgesamt viele ältere Patienten ein Lokalrezidiv erleiden. Ulrich Schäfer, Lemgo Alter per se ist keine Kontraindikation gegen eine Strahlentherapie und wird in Deutschland auch nicht so gehandhabt. Zu den entscheidenden Kriterien für die Verträglichkeit einer Strahlentherapie zählen der Allgemeinzustand und Komorbiditäten. GERIATRIE JOURNAL 4/07 ein lokal-begrenztes und damit potentiell kurativ behandelbares Tumorleiden. Hiervon werden 56% neben der Chirurgie auch durch Einsatz der Bestrahlung geheilt. Dabei gibt es generell keine Hinweise, dass Tumorerkrankungen älterer Patienten schlechter auf eine Strahlentherapie an- Radiobiologische Daten Radiobiologische Untersuchungen zur Strahlentoleranz im Alter sind selten. Bindegewebezellen (Fibroblasten) zeigen in Zellkulturen Überlebenszeiten, die unabhängig sind vom Alter des Spenders (11-78 Jahre) [7], allerdings ist die Tei- Abb. 1: Lebensalter 70 60 Prozent 50 40 30 20 10 0 < 70 70-75 75-80 80-85 Alter 85-90 90-95 >95 Datenbasis: n = 1852, Strahlentherapie Klinikum Lippe GmbH Prozentuale Verteilung des Lebensalters zu Beginn einer Strahlentherapie. Abb. 2: Tumorerkrankungen 35 unter 70 Jahre 30 über 70 Jahre 25 Prozent I n der Klinik für Strahlentherapie im Klinikum Lippe GmbH wurden in den letzten Jahren rund 35% aller Bestrahlungsfälle bösartiger Tumorerkrankungen bei Patienten mit einem Lebensalter von über 70 Jahren durchgeführt (Abb. 1). Zum Vergleich: Der relative Anteil der über 70-Jährigen an der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland betrug im Jahre 2006 lediglich 13%, der über 75 Jahre 8% [14]. Auch die Intention der Behandlung unterschied sich kaum: Bei Patienten bis 70 Jahre erfolgte eine kurative Behandlung in gut 75% der Fälle, bei Patienten über 70 Jahre immer noch in 70%. Die bestrahlten Tumorerkrankungen waren größtenteils anteilsmäßig ähnlich (Abb. 2). Unterschiede betrafen vor allem das Mammakarzinom (mehr jüngere Patientinnen) und das Prostatakarzinom (mehr ältere Patienten). Die Entscheidung zwischen kurativer und palliativer Bestrahlung älterer Patienten richtet sich grundsätzlich nach dem Allgemeinzustand und den vorhandenen Komorbiditäten und nur bei eindeutig langsam progredienten Tumorleiden (Prostatakarzinom) auch nach der verbliebenen Lebenserwartung. Natürlich kann eine zu aggressive Therapie auf Dauer die Lebensqualität von Patienten einschränken. Meistens jedoch wird mit einer erfolgreichen Tumortherapie auch die Lebensqualität gesteigert. Und neben Chirurgie und Chemotherapie ist nun mal die Strahlentherapie die Hauptwaffe in der Behandlung von Malignomen. Ungefähr 70% aller Patienten, die einer Strahlentherapie zugeführt werden, haben lediglich 20 15 10 5 0 Lu Pr Br os us ng tat tdr e a üs e Re k tum HN O Ha ut an Lym ma Pla Hi Kn Gy rn de nä oc sm lig ph me re he ko ne oz kn tas nm log y Gl o t t o t e i eta ie as m om n me en sta e ta. se n Datenbasis: n = 1852, Strahlentherapie Klinikum Lippe GmbH Diagnosen zwischen jüngeren (unter 70 Jahre) und älteren (über 70 Jahre) Patienten. 17 O N KO LO G I E : B EST R A H LU N G Effekt von Allgemeinzustand und Zusatzerkrankungen. Grundsätzlich ist der Allgemeinzustand einer der wichtigsten Indikatoren für die Prognose vieler maligner Erkrankungen und ebenso für die Durchführbarkeit einer Strahlentherapie! Der Allgemeinzustand wird u.a. nach dem Karnofsky-Index eingeteilt (Tab. 1). Häufig lassen sich intensive Bestrahlungen im Kopfhals-Bereich, Thorax, Abdomen oder Becken nur bis zu einem Karnofsky-Index Abb. 3: Eine Kopfmaske als Lagerungshilfe in der Strahlentherapie von Kopf-HalsTumoren ermöglicht eine exakte und reproduzierbare Lagerung. Laser illuminieren Lagerungsmarkierungen. Fotos: Autor lungshäufigkeit reduziert. Experimentelle Untersuchungen, dass die Fähigkeit zur Reparatur radiogener DNS-Schäden im Alter reduziert sein soll, konnten nicht bestätigt werden. In klinischen Studien zur adjuvanten Strahlentherapie nach Brustamputationen zeigte sich bei älteren Patientinnen keine erhöhte Anzahl chronischer Strahlenfolgen. Die Rate an Hautveränderungen, Lungenfibrosen oder Armödemen war identisch mit denen bei jüngeren [2]. Insgesamt kann man schließen, dass sich die Strahlenreaktion des normalen Gewebes im Alter nicht ändert. (KI) von 70%, weniger intensive Behandlungen bis zu einem KI von 50% sinnvoll durchführen. Bei einem schlechteren Allgemeinzustand kann die Bestrahlung sogar kontraproduktiv sein. Komorbiditäten wie chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen, Bluthochdruck oder Diabetes beeinflussen die Strahlentherapie, da hierbei die Strahlentoleranz mitbestrahlter Organe wie Lunge oder Nieren eingeschränkt sein kann. Die moderne Strahlentherapie setzt eine exakte Tab. 1: Karnofsky-Index 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% Normalzustand, keine Beschwerden, keine manifeste Erkrankung minimale Krankheitssymptome normale Leistungsfähigkeit mit Anstrengung eingeschränkte Leistungsfähigkeit, arbeitsunfähig, kann sich alleine versorgen gelegentliche fremde Hilfe krankenpflegerische und ärztliche Hilfe, nicht dauernd bettlägerig bettlägerig, spezielle Pflege erforderlich schwerkrank, Krankenhauspflege notwendig Krankenhauspflege und supportive Maßnahmen erforderlich moribund, Krankheit schreitet schnell fort Karnofsky-Index zur symptombezogenen Einschränkung der Aktivität, Selbstversorgung und Selbstbestimmung bei Patienten mit bösartigen Tumoren. Tab. 2: Typische akute Nebenwirkungen Bestrahlte Region Gehirn Mundhöhle Brustdrüse Thorax Oberbauch Becken Prostata 18 Nebenwirkungen Fatigue Strahlenmukositis, Verschleimung, Xerostomie Dermatitis, Mastitis Ösophagitis, bronchitische Beschwerden Emesis Diarrhöe Dysurie, Harnverhalt Lagerung und Ruhigstellung unter guter Mitarbeit des Patienten voraus. Lagerungsprobleme können bei älteren Patienten mit bestimmten Erkrankungen wie chronische Gelenkerkrankungen oder respiratorischer Insuffizienz auftreten. Thermoplastische Kopfmasken (Abb. 3), Unterpolsterung im Knochenbereich oder Hochlagerung können helfen, so dass lediglich nur 1% aller Patienten aus diesen Gründen für nicht behandelbar gelten. Sozio-ökonomische Aspekte. Ein häufiges Problem für ältere Patienten ist das tägliche Kommen zur ambulanten Strahlentherapie über viele Wochen. In einer holländischen Untersuchung beeinflusste die Entfernung zur strahlentherapeutischen Einrichtung die Entscheidung zur Durchführung einer Strahlentherapie älterer Patienten. Bei einer täglichen Anreise von über 35 km sank die Akzeptanz zur Therapie deutlich ab [5]. Zumindest in der Palliation kann man diesem Problem begegnen, in dem man die Strahlentherapie nicht täglich durchführt, sondern auf wenige Behandlungen eingrenzt (hypofraktionierte Bestrahlung). Allerdings müssen zum Ausgleich höhere Einzeldosen verwendet werden. Da hierbei aber das Risiko von Spätnebenwirkungen steigen kann, sollte diese Form der Bestrahlung nicht bei kurativer Zielsetzung durchgeführt werden [6]. Supportivtherapie. Ältere Patienten mit Nebenerkrankungen benötigen eine supportive Therapie, ggf. mit hausärztlicher Betreuung. Die alternative Durchführung einer stationären Therapie ist dagegen nicht vorteilhaft, da gerade ältere Patienten in fremder Umgebung zur Desorientiertheit oder depressiven Verstimmung neigen. Typische akute Nebenwirkungen sind abhängig von der bestrahlten Region (Tab. 2). Zusätzlich muss häufig bei Bestrahlungen im Hals- oder Speiseröhrenbereich GERIATRIE JOURNAL 4/07 O N KO LO G I E : B EST R A H LU N G eine Mangelernährung (Malnutrition) ausgeglichen werden, gelegentlich auch mittels temporärer Anlage einer parenteralen Ernährungssonde (PEG). Insgesamt lässt sich somit auch bei älteren Patienten in 80-90% der Fälle die Strahlentherapie rein ambulant durchführen. Spezielle Aspekte Das weite Feld der strahlentherapeutischen Behandlung von Malignomen lässt sich nur unvollständig an wenigen Beispielen umreißen, zumal man bei der Vielzahl von verschiedenen Tumorentitäten jeweils auch noch zwischen der definitiven, der adjuvanten und der palliativen Strahlentherapie unterscheidet. Die folgenden Bespiele können deshalb nur einen groben Überblick geben. Maligne Hirntumoren. Die Strahlentherapie maligner Gliome ist auch bei älteren Patienten eine elementare Behandlung, die nachweisbar die verbleibende Überlebenszeit verlängert. In einer randomisierten französischen Studie lebten Patienten (>70 Jahre) mit einem Glioblastom im Median 16,9 Wochen unter alleinigem „best supportive care“, aber 29,1 Wochen mit zusätzlicher Radiotherapie (50 Gy über fünf Wochen) bei gleicher Lebensqualität [6]. Allerdings gilt diese Aussage nur bei einem Karnofsky-Index (KI) von mindestens 70%. Bei Patienten mit einem KI zwischen 60% und 50% ist der Profit der Bestrahlung geringer, hier kann alternativ eine alleinige medikamentöse Therapie mit einer oralen Chemotherapie (Temozolomid) sinnvoller sein. Bettlägerige Patienten (KI <50%) profitieren meist nicht von einer Tumortherapie. Es gibt Hinweise, dass ältere Patienten ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer strahleninduzierten Demenz oder Hirnatrophie haben [1]. Bei den in der Regel schnell progredienten malignen Gliomen fällt dieser Tatbestand allerdings wenig ins Gewicht. Die akute Verträglichkeit der Hirnbestrahlung ist in der Regel gut. Kopf-Hals-Tumoren. @ Adjuvante Strahlentherapie Die adjuvante Strahlentherapie im KopfHals-Bereich ist mit einer deutlichen AkutGERIATRIE JOURNAL 4/07 toxizität verbunden (schmerzhafte Mukositis/Pharyngitis). Ein Gewichtsverlust von mehreren Kilogrammen ist während der 6-wöchigen Radiotherapie keine Seltenheit. Hinzu kommen Beschwerden seitens der radiogenen Xerostomie. Dem Strahlentherapeuten werden deshalb ältere Patienten nach Operation häufig nicht vorgestellt. Hierbei ist aber zu bedenken, dass lokoregionale Rezidive bei höheren Tumorstadien (T3/T4 Tumoren, Lymphknotenbefall) trotz vollständiger Tumorentfernung sehr häufig sind (teilweise über 50%). Die Hälfte aller lokoregionalen Rezidive ereignet sich innerhalb der ersten 18 Monate [13]. Diese Rezidive sind in 80%90% der Fälle nicht mehr kontrollierbar und führen teilweise zu erheblichen und längeren Beschwerden (Stridor, Dysphagie, Gesichtsödemen, Arrosionsblutungen). Aus diesen Gründen sollte auch bei älteren Patienten mit operierten HNOKarzinomen die Indikation zur adjuvanten Radiotherapie eher wie bei Jüngeren gestellt werden. @ Definitive Strahlentherapie Die definitive, also alleinige Strahlentherapie als alternative Behandlung zur Resektion kann bei bestimmten Tumoren im Kopf-Hals-Bereich (Kehlkopf, Lippe, Wange Mundhöhle) bei älteren Patienten eine Operation ersetzen, sofern sie ein eher niedriges Tumorstadium haben. Die Ergebnisse sind ähnlich wie nach einer Resektion (Paradebeispiel: Kleines Larynxkarzinom), wobei hierbei die Bestrahlungsfelder eher klein gehalten werden können. Die Behandlungserfolge und die objektiven Nebenwirkungen bei Bestrahlungen im Kopf-Hals-Bereich unterscheiden sich nicht bei älteren und jüngeren Patienten. In einer großen Untersuchung wurden Patienten in unterschiedliche Altersgruppen unterteilt (<50, 50-54 bis 70-75, >75 Jahre) [12]. Das Alter der Patienten hatte keinen Einfluss auf den Behandlungserfolg, die Rate objektiver Nebenwirkungen (Grad der Schleimhautentzündung), den Gewichtsverlauf während der Radiotherapie oder Spätnebenwirkungen. Es zeigten sich lediglich in der subjektiven Beurteilung von akuten Nebenwirkungen (Beschwerden) Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Patienten. Tumoren der Brustdrüse. Gut ein Drittel aller bösartigen Brustdrüsentumoren tritt nach dem 70. Lebensjahr auf. Das Mammakarzinom ist somit auch eines der häufigsten Malignome bei älteren Patientinnen. Kleine Tumoren (T1, T2) werden in der Regel brusterhaltend operiert, größere Tumoren (T3, T4) durch Mastektomie. Wichtige prognostische Faktoren sind der Befall der regionalen Lymphknoten, die Tumorgröße, die Hormonrezeptoren und das histologische Grading. Die primäre Therapie ist chirurgisch, die Strahlentherapie also grundsätzlich adjuvant. In sehr frühen Stadien und positivem Hormonrezeptor betragen hierbei für ältere Patientinnen unter hormoneller Therapie die lokalen Rückfallraten lediglich 0,8% pro Jahr (Tumor bis 1 cm, histol. Grading 1, kein Lymphknotenbefall). Eine kontroverse Betrachtung über die Notwendigkeit der Nachbestrahlung älterer Patientinnen ist deshalb in diesen Fällen plausibel. Bei größeren Tumoren und schlechter Differenzierung steigt jedoch die Rezidivrate bis zu ca. 3% pro Jahr deutlich an, bei negativem Hormonrezeptor sogar noch höher. Eine adjuvante Strahlentherapie senkt diese lokale Rückfallrate um ca. 75% deutlich ab. Die Nachbestrahlung der Restbrustdrüse wird deshalb in der Regel auch bei älteren Patientinnen empfohlen. Die Bestrahlung der Brustdrüsen bzw. Brustwand ist in der Regel auch im Alter gut verträglich, typische Nebenwirkung sind eine vorübergehende Dermatitis und Mastitis. Bei Mitbestrahlung des Lymphabflusses besteht ein Risiko von ungefähr 10% für ein radiogenes Lymphödem des Armes. Lungentumoren. Zur Beurteilung, ob bei einem älteren Patienten eine Bestrahlung im Lungenbereich durchgeführt werden sollte, ist die Lungenfunktion relevant. Durch eine Radiotherapie werden nicht selten 25% bis 35% des Lungenvolumens funktionell ausgeschaltet. Zur Beurteilung der Bestrahlungsfähigkeit älterer Patienten ist deshalb eine Lungenfunktionsuntersuchung vor Beginn der Bestrahlung sinnvoll, wobei die zu erwartenden radiogenen Lungenfunktionsverluste einzurechnen sind. Eine 19 O N KO LO G I E : B EST R A H LU N G FEV 1 von weniger als 1,5 bis 1,2 Liter kann eine kritische Grenze für eine thorakale Strahlentherapie sein. Ein weiterer Punkt ist, dass bei Lungenkarzinomen häufig eine sequentielle oder sogar simultane Chemotherapie appliziert wird. In einer Auswertung einer großen amerikanischen Studie zeigte sich bei Gabe von Cisplatin und Etoposid simultan zur Bestrahlung eine verstärkte Hämatotoxizität bei älteren Patienten (> 70 Jahre) [16], so dass multimodale Therapien im Alter eher mit Vorsicht angewendet werden sollten. Die Ansprechund Überlebensraten bei der definitiven Radiotherapie von lokalisierten Bronchialkarzinomen (NSCLC) unterscheiden sich allerdings nicht zwischen älteren (>70 Jahre) und jüngeren Patienten [16]. Speiseröhrentumoren. Die Prognose des Ösophaguskarzinoms ist – unabhängig von der durchgeführten Behandlung – insgesamt schlecht, aggressive Therapien haben hohe Raten an akuten Nebenwirkungen (kombinierte Radiochemotherapie), wenn nicht sogar Akutmortalitäten (radikale Operation). In der Literatur gibt es aus diesem Grunde kaum Untersuchungen zur Strahlentherapie älterer Patienten mit dieser Erkrankung. Insgesamt scheint im Alter ein eher palliatives Vorgehen überlegenswert. Pankreaskarzinom. Die schlechte Prognose von Pankreaskarzinomen wird durch eine Strahlentherapie nur wenig beeinflusst, Bestrahlungen im Oberbauch sind zudem nebenwirkungsträchtig, ein eher palliatives Vorgehen im Alter somit gerechtfertigt. Beckentumoren. Bestrahlungen der Beckenorgane gehören zu den eher nebenwirkungsreichen Behandlungen. Akute Nebenwirkungen treten häufig auf in Form von Diarrhöe und zystitischen Beschwerden sowie auch Hämatotoxizität. Man rechnet bei älteren Patienten mit einer Rate für moderate und schwere Nebenwirkungen von 9-10% [8, 9]. Bei Behandlung von älteren Patienten mit schlechtem Allgemeinzustand (KI 70% und schlechter) steigt die Rate der Therapieabbrecher deshalb steil an. 20 Abb. 4: Lagerung eines Patienten bei einer Beckenbestrahlung. Durch die Bauchlagerung auf einer speziellen Vorrichtung (belly-board) und Bestrahlung aus mehreren Richtungen befinden sich größere Anteile des Darmes außerhalb des Hochdosisbereiches. Rektumkarzinome werden prinzipiell immer operiert, die Strahlentherapie ist somit adjuvant, häufig kombiniert mit einer Chemotherapie. In den letzten Jahren wird diese Therapie aber zunehmend nicht postoperativ, sondern präoperativ (neoadjuvant) eingesetzt, zumal, wenn durch ein „Downstaging“ ein Sphinktererhalt ermöglicht werden soll. Erfahrungsgemäß ist die neoadjuvante Radiotherapie nebenwirkungsärmer als die adjuvante und auch bei älteren Patienten mit einem KI bis 70% zumutbar. Lagerungen in Bauchlage in einem so genannten belly-board verringern die Darmtoxizität (Abb. 4). ginguntersuchungen (Knochenszintigraphie). Besonders in skandinavischen Ländern wurden Studien durchgeführt, die bei älteren Männern (ab 75 Jahre) mit günstigem Risiko (niedriges PSA und Gleasonscore) eine reine Beobachtung des Patienten ohne Therapie beinhalteten (watchful waiting). Der Verzicht auf eine Prostatakarzinom-Therapie scheint aber nur gerechtfertigt, wenn der Patient eine Lebenserwartung von deutlich unter zehn Jahren hat und es sich nicht um einen aggressiven Tumor (hoher Gleason-Score) handelt [3]. Nicht zu unterschätzen ist die psychische Belastung des Patienten, der bei bekanntem Tumor trotz zahlreicher Be- Prostatakarzinom. Bei Prostatakarzinomen im höheren Lebensalter ist zu beachten, dass bei oft sehr langsamem Tumorwachstum viele Patienten an anderen Ursachen sterben, ohne dass ihre Lebensqualität je durch das Prostatakarzinom beeinträchtigt worden wäre. Die Wahl der Therapie sollte daher abhängig gemacht werden von der statistischen Lebenserwartung des Patienten, der bestehenden Komorbidität und dem eigentlichen Tumorrisiko. Letzteres lässt sich abschätzen anhand der Höhe und zeitlichem Verlauf des Serum-PSA, dem Gleason-Score aus den Gewebestanzen, aus dem klinischen Tastbefund und den Sta- Abb. 5: Darstellung einer 3-D Bestrahlungsplanung eines Prostatakarzinoms basierend auf den Daten eines Planungssystems. Die konformalen Bestrahlungsfelder sind auf der virtuellen Patientenoberfläche erkennbar. GERIATRIE JOURNAL 4/07 O N KO LO G I E : B EST R A H LU N G handlungsmöglichkeiten keine Therapie erhält. Die perkutane Strahlentherapie der Prostata bietet auf Grund einer computergestützten, dreidimensionalen Bestrahlungsplanung (Abb. 5) eine gute, ambulante Alternative zur Operation. Sie ist allgemeinkörperlich wenig belastend und kann deshalb auch im Alter durchgeführt werden. Das Tumoransprechen älterer Patienten entspricht dabei dem von Jüngeren. Typische akute Nebenwirkungen bestehen lediglich in einer vorübergehenden Pollakisurie/Nykturie, gelegentlich auch Dysurie oder leichten proktitischen Beschwerden. Das Risiko für bleibende Strahlenschäden (chronische Proktitis) ist gering (ca. 2-3%). Eine Ganzbeckenbestrahlung allerdings (bei Beckenlymphknotenmetastasen) ist bei älteren Patienten häufig zu toxisch, zumal ihr Wert umstritten ist. Palliative Strahlentherapie Nach der Definition der WHO ist Palliativmedizin die aktive Gesamtbehandlung von Kranken, deren Leiden auf kurative Behandlung nicht anspricht. Kontrolle von Schmerzen, von anderen Symptomen sowie von psychischen, sozialen und spirituellen Problemen ist von entscheidender Bedeutung. Das Ziel der palliativen Behandlung ist es, die bestmögliche Lebensqualität für Patienten und deren Angehörigen zu erreichen. Auch beim älteren Menschen kommt der palliativen Strahlenbehandlung eine große Bedeutung zu. Das Alter erweist sich in der Zusammenschau nicht als negati- ver Prognosefaktor. Insbesondere eine tumorbedingte Immobilisation kann abgekürzt werden. Eine der wichtigsten und schwierigsten Entscheidungen dabei stellt die Indikationsstellung dar, denn sie bestimmt das Therapievorgehen entscheidend. Das Hauptziel palliativer Strahlentherapie ist Linderung oder Vermeidung von Schmerzen oder tumorbedingten Komplikationen. Das Indikationsspektrum ist daher außerordentlich breit, die häufigsten Indikationen für eine palliative Strahlentherapie sind in Tab. 3 aufgeführt. Knochenmetastasen stellen mit 60% die häufigste palliative Bestrahlungsindikation dar. 80% der Knochenmetastasen wiederum stammen von Mamma-, Prostata-, Bronchial- und Nierenzellkarzinom. Die häufigsten Lokalisationen sind Wirbelsäule, Beckenknochen, Femur, Humerus und Schädel. Wichtigste Komplikationen von ossären Metastasen sind Schmerzen, Frakturgefahr und evtl. Hyperkalzämie. Die lokale Strahlentherapie ist hierbei bei älteren Patienten aus mehreren Gründen empfehlenswert: Sie kann (im Gegensatz zu kurativen Bestrahlungen) zeitlich kurz gehalten werden (zehn Bestrahlungen in zwei Wochen), sie ist in der Regel gut verträglich auf Grund geringer Gesamtdosis und kleiner Bestrahlungsfelder und sie ist hocheffizient. Die Schmerzlinderungsraten werden in der Literatur mit 71% bis 100% angegeben. Bei älteren Patienten ist bei großvolumigen Bestrahlungen im Beckenskelett auf eine erhöhte Hämatotoxizität zu achten, da die hämatopoetischen Reserven im Alter verringert sind. Tab. 3: Häufigste Indikationen für palliative Strahlentherapie @ Knochenmetastasen @ Hirnmetastasen @ Meningiosis carcinomatosa oder blastomatosa @ Aderhautmetastasen @ Vena-cava-superior-Syndrom (obere Einflussstauung) @ Obstruktion/Kompression von Bronchus oder Ösophagus @ Drohende inkomplette und komplette Querschnittslähmung @ Hautmetastasen, Lymphangiosis carcinomatosa cutis @ Lymphknotenmetastasen @ Präsakrale Lokalrezidive nach Rektumkarzinom @ Tumorblutungen (v.a. bei gynäkologischen Tumoren) GERIATRIE JOURNAL 4/07 Neben den ossären Metastasen stellen die Hirnmetastasen eine der häufigsten Indikationen für eine palliative Strahlentherapie dar. 5% bis 10% aller Malignome metastasieren im Krankheitsverlauf in das zentrale Nervensystem, am häufigsten sind es Bronchial- und Mammakarzinome. Das entstehende Beschwerdebild ist vielfältig und reicht von Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel und Erbrechen, über sensomotorische Störungen und Krampfanfällen bis zu Sprachstörungen und Persönlichkeitsveränderungen. Die Bestrahlung erfolgt in der Regel über seitlich opponierende Gegenfelder. Die Behandlung ist sinnvoll und effizient, die Konzepte mit 10 x 3 Gy ebenfalls kurz. Ohne Strahlentherapie beträgt das mediane Überleben lediglich zwischen sechs und zwölf Wochen, mit einer palliativen Ganzschädelbestrahlung kann diese Zeit zumindest verdoppelt werden. Ältere Patienten neigen nach einer kranialen Strahlentherapie häufiger zu mentalen Funktionsdefiziten. Insgesamt sind aber diese chronischen Bestrahlungsfolgen in einem palliativen Setting weit weniger von Bedeutung, da diese von den Patienten auf Grund ihrer fortgeschrittenen Tumorerkrankung nur selten noch erlebt werden. Zusammenfassung Es gibt nur wenig Argumente, die Strahlentherapie älterer Patienten anders zu gestalten als bei Jüngeren. Tumoransprechen, Rezidivraten und Behandlungsnebenwirkungen unterscheiden sich kaum. Darüber hinaus bietet die perkutane Bestrahlung den Vorteil eines rein ambulanten Vorgehens ohne belastende Eingriffe oder Interventionen. Wesentlich wichtigere Kriterien für die Verträglichkeit einer Strahlentherapie als das Alter sind der Allgemeinzustand und Komorbiditäten. Literatur beim Verfasser PD Dr. med. Ulrich Schäfer, Chefarzt der Klinik für Strahlentherapie, Klinikum Lippe GmbH, Rintelner Str. 85, 32657 Lemgo 25 HERAUSFORDERUNG: SCHLAGANFALL IM A LT E R Schlaganfallpatienten: Rehabilitation und Langzeitbetreuung Johann Donis, Wien Der Schlaganfall ist die dritthäufigste Todesursache in den industrialisierten Ländern, rund ein Fünftel der über 65-Jährigen ist davon betroffen – mit steigender Tendenz. So ist bis 2050 etwa mit einer Verdoppelung dieser Bevölkerungsgruppe zu rechnen. Auch bei optimistischer Einschätzung präventiver Maßnahmen wird es zu einem deutlich erhöhten Bedarf im Bereich der Rehabilitation wie der Langzeitbetreuung von alten Schlaganfallpatienten kommen. Der Artikel zeigt die damit verbundenen Herausforderungen auf. A b dem 55. Lebensjahr verdoppelt sich die Inzidenz des Schlaganfalls etwa alle zehn Jahre und liegt bei den über 75-Jährigen bei etwa 1.500/100.000 Einwohnern. In den letzten Jahrzehnten ist es zu einem Anstieg der Prävalenz um etwa 30% gekommen, bei gleichzeitig sinkender Mortalität durch die verbesserte Akutversorgung. Dennoch sind etwa 15% der Todesursachen bei Frauen und etwa 10% der Todesursachen bei Männern durch einen Schlaganfall bedingt. Die Einjahresletalität ist mit 40% sehr hoch, was sich durch die besonders bei älteren Schlaganfallpatienten bestehenden, meist internistischen Begleiterkrankungen und Risikokonstellationen erklären lässt. Von den überlebenden Patienten behalten 90% neurologische Defizite, allen voran motorische Ausfälle, Sprach-, Sprechund Schluckstörungen. Zwei Drittel der Betroffenen bleiben langfristig hilfs- und pflegebedürftig. 20% behalten auch nach abgeschlossener Rehabilitation schwere bis schwerste Beeinträchtigungen. In mehrfachen Studien wurden Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit von spezialisierten Schlaganfalleinheiten (Stroke Units) mit allgemein medizinischen Ein- 26 Foto: AOK Akutbehandlung des Schlaganfalles richtungen verglichen. Die Betreuung an einer Stroke Unit reduziert die Mortalität um 18-46%, Tod oder Abhängigkeit um 29% und die Notwendigkeit einer Weiterbetreuung in einem Pflegeheim um etwa 25%, unabhängig vom Geschlecht und Alter des Patienten oder vom Typ des Schlaganfalles. Die Wirk- samkeit einer Lysetherapie, insbesondere in den ersten drei Stunden, ist eine bewiesene Tatsache, wenngleich die Anwendung derzeit nur bis zum 80. Lebensjahr zugelassen ist, obwohl in mehrfachen Berichten über kein erhöhtes Komplikations-, insbesondere Blutungsrisiko auch bei älteren Patienten berichtet wird. Man wird diesen Ausschlussgrund zukünftig sicherlich kritisch hinterfragen müssen. In Österreich, mit ca. acht Millionen Einwohnern, gibt es derzeit im gesamten Bundesgebiet 30 Stroke Units. Die Ausweitung auf 40 bis zum Jahre 2010 ist geplant. Ende 2006 lag die Lyserate bei Schlaganfallpatienten, die an einer Stroke Unit aufgenommen wurden, bereits bei über 10%, womit Österreich zu Es besteht kein Zweifel, dass das menschliche Gehirn – unabhängig vom Alter – neue kompensatorische Strukturen im Rahmen eines Rehabilitationsprozesses bilden kann und neuroplastische Prozesse durch Training in Gang gesetzt werden GERIATRIE JOURNAL 4/07 HERAUSFORDERUNG: SCHLAGANFALL IM A LT E R den europäischen Ländern mit der höch- eventuell stattgehabtes Insultgeschehen. thologische Zustände treten in eine ensten Lyserate zählt. Diese optimistische Problematisch wird die Zuordnung zu ge Wechselwirkung und führen gemeinDarstellung relativiert sich aber, be- einem Schlaganfall nicht selten bei Al- sam zu Funktionseinschränkungen. Dartrachtet man alle Patienten, die unter der ternans-Syndromen, die vom Patienten über hinaus ist die physische wie psyDiagnose eines Schlaganfalles in Kran- selbst aber auch vom Umfeld nicht als chische Belastbarkeit meist niedriger. kenhäusern des Wiener Krankenanstal- Schlaganfallsymptomatik erkannt wer- Nicht selten war die selbstständige Alltenverbundes aufgenommen wurden. den. tagsbewältigung schon vor dem SchlagDem Wiener Krankenanstaltenverbund Bei jüngeren Patienten leicht einzu- anfallereignis eingeschränkt. Alt sein besind etwa 80% aller Akutbetten in Wien ordnende Sprach- und Sprachverständ- deutet in der Regel Multimorbidität. Fast zuzuordnen, mit derzeit fünf Schwer- nisstörungen bereiten beim alten Schlag- immer liegen neben der im Vordergrund punktkrankenhäusern und den Univer- anfallpatienten nicht selten diagnosti- stehenden neurologischen Erkrankung sitätskliniken, an desche Probleme. Noch internistische, orthopädische, urologinen Neurologische Vorbestehende Einschrän- schwieriger wird die sche Begleiterkrankungen, aber auch Erkungen der Motorik Abteilungen/Kliniken Zuordnung von krankungen aus dem HNO- und Zahnmit Stroke Units etaSprech- und Schluck- bereich vor. Von orthopädischer Seite erschweren oft die Akutbliert sind. An diesen diagnostik und verbergen störungen. Fast regel- sind degenerative GelenksveränderunFachabteilungen wurhaft überfordert aber gen sowie degenerative Veränderungen ein eventuell stattgehabden beispielsweise im sind nicht spezialisier- der Wirbelsäule und des Stützapparates tes Insultgeschehen Jahr 2005 insgesamt te Abteilungen, wenn zu nennen. Auch Erkrankungen aus dem 1.325 Patienten mit sie mit dem bunten urologischen Bereich mit vorbestehender der Diagnose eines Schlaganfalles auf- Spektrum neuropsychologischer Auffäl- Harn- und Stuhlinkontinenz und Ergenommen. Insgesamt wurden in diesen ligkeiten und kognitiver Störungen kon- krankungen aus dem HNO- und ZahnEinrichtungen aber über 2.700 Schlag- frontiert werden. Agraphien, Alexien, bereich mit Kau- und Schluckstörunanfallpatienten aufgenommen, sodass apraktische Störungen, agnostische, an- gen, die schon vor dem Schlaganmehr als die Hälfte nicht auf einer neu- osognostische Störungen, Körpersche- fallereignis Nahrungsaufnahme und rologischen Fachabteilung und somit mastörungen, räumliche Orientierungs- Schlucken erschwert haben, spielen auch nicht auf einer Stroke Unit ver- störungen und nicht zuletzt das Neglect- eine wesentliche Rolle. sorgt wurde. Ein Zustand, der sich, ver- Syndrom wie amnestische Störungen Schlaganfallpatienten sind meist alte glichen mit einer ähnlichen Erhebung und Störungen des Antriebes und der Patienten und das bedeutet, dass ihr soaus dem Jahr 1997, nur unwesentlich Affektivität sind hier zu nennen. Bedenkt ziales Netzwerk eingeschränkt ist oder verändert hat. Betrachten wir das Alter man die mit zunehmendem Alter häu- gar nicht mehr existiert. Meist fehlen beder aufgenommenen Patienten, so wa- figer werdenden demenziellen Syndrome treuende Angehörige, die Wohnsituaren ca. 60% davon älter als 70 Jahre. Wir mit ihren unterschiedtion entspricht nicht Der für die Rehabilitation der jüngerer Menschen können davon ausgehen, dass Österreich lichen Ausprägungsvorgesehene Zeitrahmen und die oftmals nothier keine Sonderstellung einnimmt und formen, so bekommt ähnliche Zahlenverteilungen auch in an- man eine Ahnung, wendigen Adaptierunnimmt auf die Situation deren europäischen Ländern zu finden dass der Umgang mit gen für eine behinderdes alten Schlaganfallsind. Es ist also eine Tatsache, dass trotz derartig komplexen tengerechte Wohnung vieler Verbesserungen in den letzten Jah- Störungen in nicht patienten keine Rücksicht lassen sich oft nur mit ren bei weitem noch nicht alle akuten spezialisierten Abteigroßen SchwierigkeiSchlaganfälle an neurologischen Fach- lungen eine Herausforderung darstellen ten bewerkstelligen – und das bei einer abteilungen oder an Stroke Units be- kann. Die klinischen Besonderheiten er- in der Regel bei älteren Menschen schwietreut werden. fordern neurologisch orientiertes Wis- rigeren finanziellen Situation als bei junsen, fachliche Spezialisierung und ein gen Menschen. Darüber hinaus ist der grundsätzliches Verständnis, um über- Lebenspartner oft selbst alt, funktionell Besonderheiten haupt einen Zugang zu finden. eingeschränkt oder chronisch krank und des alten Schlaganfallpatienten Auch das Alter dieser Schlaganfallpa- mit der aktuellen Situation massiv überMotorische Defizite, in erster Linie ei- tienten stellt selbst schon eine besonde- fordert – kognitiv wie organisatorisch ne Hemiparese, stehen beim alten re Situation dar. Ohne Krankheitswert durch die eventuelle Änderung der vorSchlaganfallpatienten im Vordergrund, kommt es zu einer Verlangsamung psy- bestehenden Rollenverteilungen, durch wobei der Schweregrad mit zunehmen- chischer und physischer Funktionen. Der aktuelle Konflikte, aber auch Verdrändem Lebensalter ansteigt. Vorbestehen- Schweregrad neurologischer und neuro- gungs- und Vermeidungsreaktionen. Zude, nicht neurologisch bedingte Ein- psychologischer Ausfälle und die damit sätzlich stellt sich nicht selten gerade bei schränkungen der Motorik erschweren verbundenen Behinderungen wirken sich älteren Menschen die Frage nach dem oft die Akutdiagnostik und verbergen ein besonders stark aus. Verschiedene pa- Sinn. GERIATRIE JOURNAL 4/07 27 HERAUSFORDERUNG: SCHLAGANFALL IM A LT E R Die Rehabilitation des alten Schlaganfallpatienten men kann, aber noch zu einem erheb- noch Rehabilitationspotential vorhanlichen Teil von pflegerischer Hilfe ab- den wäre. hängig ist. In den stationären RehabiliBetrachtet man zusätzlich die AufEs besteht kein Zweifel, dass das mensch- tationseinrichtungen ist einerseits die nahmediagnosen in akutgeriatrischen liche Gehirn – unabhängig vom Alter – pflegerische Unterstützung häufig nicht Einrichtungen des Wiener Krankenanneue kompensatorische Strukturen im im ausreichenden Maß vorhanden, an- staltenverbundes, erkennt man, dass entRahmen eines Rehabilitationsprozesses dererseits ist der alte Schlaganfallpatient gegen aller epidemiologischen Erwarbilden kann und neuroplastische Pro- durch eine Therapie von drei Stunden tungen Schlaganfallpatienten nur ca. zesse durch Training in Gang gesetzt pro Tag oft überfordert. So kann das 5% aller Aufnahmen ausmachen. Man werden. Wir wissen, dass dieser Effekt Therapieziel in den meist vorgesehenen kann also feststellen, dass auf Grund der umso effizienter und nachhaltiger ist, je 4-6 Wochen nicht erreicht werden, so- Schwere der Ausfälle, der Begleiterfrüher der Rehabilitationsprozess ein- dass bis dahin investierte Rehabilitations- krankungen, der geringen Belastbarkeit, setzt. Beim alten Menschen ist das Ziel bemühungen vorzeitig der häufigen interZwischen 14 bis 25% der meist nicht eine restitutio ad integrum, abgebrochen werden kurrenten Kompliälteren Schlaganfallsondern das Erlernen von Fähigkeiten, und eine Entlassung kationen, auf Grund um mit den Beeinträchtigungen ein nach Hause nicht mög- patienten müssen vorüber- des oft fehlenden somöglichst selbstständiges Leben führen lich ist. zialen Umfeldes sogehend oder auf Dauer in zu können. Das unterstreicht auch die In der Phase D des wie der notwendigen einem Pflegeheim Wichtigkeit eines höchst individuellen österreichischen PhaLänge des Rehabiliuntergebracht werden Rehabilitationszieles sowie der Aus- senmodells soll der Patationsaufenthaltes schöpfung des vorhandenen Rehabili- tient in den Aktivitäten der alte Schlaganfalltationspotentials. des täglichen Lebens vollkommen oder patient benachteiligt ist. Es ist leider Neurorehabilitation erfordert die en- weitgehend, ggf. mit Hilfsmitteln, selbst- auch nicht auszuschließen, dass ökonoge und aufeinander abgestimmte Zu- ständig sein – eine Voraussetzung, die ge- mische Überlegungen und die Frage sammenarbeit im multiprofessionellen rade beim alten Patienten nicht gegeben nach der Sinnhaftigkeit von BemühunTeam bestehend aus Ärzten, Pflege, Phy- ist. Alle diese Überlegungen zeigen klar gen bei alten, multimorbiden und mehrsio- und Ergotherapeuten, Logopäden, die Notwendigkeit von auf die Bedürf- fach behinderten Patienten eine Rolle Psychologen, Psychotherapeuten und nisse des alten Schlaganfallpatienten spielen. nicht zu vernachlässigen die Sozialar- ausgerichteten neurogeriatrischen Langbeiter, denen oft eine entscheidende Be- zeitrehabilitationseinrichtungen als Wer kommt ins Pflegeheim? deutung in der Wiedereingliederung des wichtiger Bereich zwischen Akutkranalten Schlaganfallpatienten zukommt. kenhaus und Pflegeheim. Hier können Es gibt mehrere Ursachen, warum älteNeurorehabilitation einoch teilweise insta- re Schlaganfallpatienten in ein Pflege... nicht auszuschließen, bile, chronisch kranke, heim verlegt werden. In erster Linie sind nes Schlaganfallpatienten bedeutet die Rück- dass ökonomische Über- intensivpflege- aber es Multimorbidität, Inkontinenz und/ führung zu größtmögauch rehabilitationsbe- oder Schluckstörungen und schließlich legungen und die Frage licher Selbstständigkeit dürftige Menschen mit die Unmöglichkeit, selbstständig oder nach der Sinnhaftigkeit in einen selbst bestimmeinem Schlaganfall in auch nur mit geringer Hilfe einen Transeine Rolle spielen ten Alltag. Das erforeinem erweiterten zeit- fer zu bewerkstelligen. Nicht selten sind dert in der Regel besonlichen Rahmen zu ei- es auch neuropsychologische und kogdere Rücksichtnahme auf die persönli- nem weitgehend selbstständigen Leben nitive Störungen wie depressive Zuche Lebensplanung und das persönliche hingeführt werden. Betrachtet man die stände oder eine Demenz, die eine EntRehabilitationsziel des Patienten und sei- Aufenthaltsdauer von Schlaganfallpa- lassung nach Hause oder die Durchner Angehörigen. tienten in den Schwerpunktkranken- führung einer gezielten Rehabilitation Ältere Patienten schaffen es oft nicht, häusern des Wiener Krankenanstalten- vorerst nicht ermöglichen. Immer wieihr vorhandenes Potential auszuschöp- verbundes, so lässt sich klar erkennen, der wird auch ein fehlendes soziales Umfen, da meist der dafür vorgesehene Zeit- dass die Aufenthaltsdauer an den spezi- feld angeführt und der viel zu kurz berahmen auf die Situation des alten alisierten neurologischen Abteilungen messene zur Verfügung stehende ZeitSchlaganfallpatienten keine Rücksicht bei Schlaganfallpatienten um ein Viel- rahmen für eine Rehabilitation. Es ist nimmt. Im Phasenmodell der Österrei- faches höher ist als an nicht neurologi- interessant, dass auch immer wieder die chischen Gesellschaft für Neurorehabi- schen Abteilungen. Daraus könnte man Dauer des Krankenhausaufenthaltes als litation ist die Phase C als Rehabilita- schließen, dass dort keine entsprechen- wesentlicher Faktor für die Transferietionsphase definiert, in der der Patient de Rehabilitation stattfindet und alte rung in ein Pflegeheim angeführt wird, über den Tag verteilt drei Stunden an Schlaganfallpatienten oft vorzeitig in ein was möglicherweise mit den in Abhäntherapeutischen Maßnahmen teilneh- Pflegeheim entlassen werden, obwohl gigkeit von der Aufenthaltsdauer zu- 28 GERIATRIE JOURNAL 4/07 HERAUSFORDERUNG: SCHLAGANFALL IM A LT E R nehmenden interkurrenten Komplika- ist auch das Ergebnis einer jüngst im nalisierten Patienten, findet eine enttionen zusammenhängt. British Medical Journal publizierten Ar- sprechende Therapie trotz fehlender Zwischen 14 bis 25% der älteren Men- beit über die Konsequenzen einer nach- Kontraindikation nur bei einem Viertel schen mit einem Schlaganfall müssen gewiesenen symptomatischen Karotis- bis zur Hälfte der Patienten statt. Bei vorübergehend oder auf Dauer in einem stenose, wo Patienten über 80 Jahre sig- mehr als 50% der antikoagulierten PaPflegeheim untergebracht werden, wo- nifikant seltener sowohl nachuntersucht, tienten war der INR unterhalb des thebei mit zunehmender Schwere des als auch operiert wurden, obwohl sich rapeutischen Bereiches. Betrachtet man Schlaganfalles dieser Prozentsatz bis auf kein altersabhängiger Unterschied der die Häufigkeit einer indizierten Profast 60% ansteigt. Bedenkt man, dass es peri- wie postoperativen Komplika- phylaxe mit einem Thrombozytenagsich hierbei häufig um tionsrate nachweisen gregationshemmer in Langzeitpflege... ergeben sich doch schwerkranke, multilässt. Vergleicht man die einrichtungen, so erhalten fast zwei DritHinweise darauf, dass Anzahl der Patienten, tel keine entsprechende Therapie. Auch morbide Patienten handelt und stellt man diedie nach dem Akutauf- wenn die angeführten Beispiele nicht ältere Schlaganfallser Tatsache die meist enthalt eine ambulante verallgemeinert werden können, ergepatienten anders anzutreffende, nicht Rehabilitation oder eine ben sich doch Hinweise darauf, dass älbetreut werden fachspezifische mediziweiterführende statio- tere Schlaganfallpatienten anders benisch-ärztliche Versornäre Rehabilitation er- treut werden. gung in Pflegeeinrichtungen gegenüber, hielten, so schneiden ältere Schlaganwird man unweigerlich zu dem Schluss fallpatienten signifikant schlechter ab. Voraussetzungen für die kommen müssen, dass derartige Insti- Auch die Häufigkeit einer logopäditutionen nicht selten überfordert sind. schen, ergo- oder physiotherapeutischen Entlassung nach Hause Neben den internistisch und neuro- Behandlung im häuslichen Langzeitbe- Die Rehabilitation von geriatrischen logisch bedingten Problemen mischen reich nimmt signifikant mit zuneh- Schlaganfallpatienten soll in der Regel sich in bis zu einem Drittel der Fälle mendem Lebensalter ab. Noch drama- die Voraussetzungen schaffen, mit einer Auffälligkeiten durch ein im Vorder- tischer ist der fehlende Zugang zu Behinderung ein möglichst normales, grund stehendes demenzielles Zu- Physio- und Ergotherapie sowie Logo- weitgehend selbstständiges und selbst standsbild. Die Etablierung von auf die pädie in Pflegeeinrichtungen. Vergleicht bestimmtes Leben in den eigenen vier Langzeitbetreuung von älteren Men- man 65-Jährige mit 85-Jährigen, so er- Wänden zu führen. An der Neurologischen mit einem Schlaganfall speziali- hält die ältere Gruppe nur mehr halb so schen Abteilung im Geriatriezentrum am Wienerwald, einer Langzeitpflegesierten Pflegeeinrichtungen ist daher ei- oft eine Physio- oder Ergotherapie. Eine ne dringliche Forderung und es ist un- notwendige logopädische Behandlung und geriatrischen Rehabilitationseinverständlich, dass dieses Problem selbst erhielten nur mehr 6% in der älteren richtung, wurden Patientencharakterisvon den Fachgesellschaften bisher nur Gruppe. Bedenkt man, dass hier in mehr tika von geriatrischen Schlaganfallpaunzureichend erkannt wird. als 50% der Betroffenen Schluckstö- tienten erhoben, die wieder nach Haurungen zu erwarten sind, unterstreicht se entlassen werden konnten. Es waren Schlaganfallpatienten, das die Tatsache einer Alte Schlaganfallpatienten Nach einer die primär in unserer krassen Unterversorgung. werden anders betreut Im Bereich der mediRehabilitationsdauer Pflegeeinrichtung aufgeEin besonders heikles Thema ist die Fra- kamentösen Therapie ist nommen wurden und für von durchschnittlich ge, ob der alte Schlaganfallpatient quan- die geringe Häufigkeit eidie zu diesem Zeitpunkt fast sechs Monaten titativ und qualitativ schlechter sowohl ner indizierten oralen daheim keine ausreiim Akut- wie im Langzeitbereich be- Antikoagulation bei alten chende Versorgung und konnten 60% der treut wird. Leider gibt es dafür eine Schlaganfallpatienten beBetreuung möglich war. Patienten entlassen nachgewiesene Evidenz. Vergleicht man merkenswert. Es ist eine Das durchschnittliche werden Patienten über und unter 80 Jahre, so Tatsache, dass VorhofLebensalter lag bei 72 wird in der älteren Gruppe nur in etwa flimmern mit einem beJahren. 64% der Patienzwei Drittel, in der jüngeren aber fast bei trächtlichen jährlichen Schlaganfallrisi- ten waren Frauen und 75% hatten kei90% eine akute bildgebende zerebrale ko verbunden ist. Es beträgt bei den nen Lebenspartner mehr. Diagnostik durchgeführt. Noch un- über 80-Jährigen etwa 23% pro Jahr Alle Patienten wiesen schwere bis günstiger ist das Verhältnis bei der Ultra- und eine orale Antikoagulation redu- schwerste Beeinträchtigungen mit eischalluntersuchung der extrakraniellen ziert das Risiko um fast 70%. Eine tat- nem durchschnittlichen Barthel-Index Gehirngefäße, die in der jüngeren Grup- sächliche Kontraindikation liegt bei äl- von 26 auf, die in der Regel ein selbpe akut in etwa 50%, in der älteren teren Patienten nur in 14-16% vor. ständiges Leben daheim unmöglich maGruppe jedoch nur mehr in 21% der Untersucht man die Häufigkeit einer chen. Betrachtet man die Ergebnisse im Fälle durchgeführt wird. Bemerkenswert oralen Antikoagulation bei institutio- Einzelnen, so hatten SchlaganfallpaGERIATRIE JOURNAL 4/07 29 HERAUSFORDERUNG: SCHLAGANFALL IM A LT E R tienten, bei denen das linke Mediastrom- ein wachsendes Problembewusstsein in gebiet betroffen war und Patienten mit der Bevölkerung für das Thema Schlageiner vorhergehenden, aber abgebro- anfall lassen eine weitere Verbesserung chenen Rehabilitation, bei denen aber erwarten. Beträchtliche Probleme ergeeine Fortführung der Rehabilitation ben sich jedoch im Bereich der Rehaempfohlen wurde, eine bessere Entlas- bilitation wie im Bereich der Langzeitsungschance. Interessant war auch die betreuung des älteren SchlaganfallpaTatsache, dass Patienten, bei denen ei- tienten. Rehabilitationseinrichtungen ne Entlassung ein bei der Aufnahme wurden historisch mit dem Ziel geselbst artikuliertes Ziel war, zu 82% ent- schaffen, eine Wiedereingliederung in lassen werden konnten. Das Vorhan- den Arbeitsprozess zu ermöglichen. Ein densein eines Lebenspartners war oft ein Ziel, das heute nur mehr zum Teil, wenn entscheidendes Kriterium, ob eine Ent- überhaupt erreichbar ist. Die Bedürflassung möglich war nisse und die Situation In der Rehabilitation oder nicht. Durchgeriatrischer Patienten schnittlich konnte der werden in vielen Eindes alten SchlaganfallBarthel-Index während richtungen nicht auspatienten spielen das des Aufenthaltes um etreichend berücksichsoziale Umfeld und die wa 18 Punkte verbestigt. Eine der HauptVorbereitung dieses sert werden. ursachen ist neben der Ein wesentlicher Beoft unzureichenden Bereiches auf eine reich war die zur Verpflegerischen AusstatBetreuung daheim eine fügung stehende Zeit tung der Faktor Zeit entscheidende Rolle in einer Langzeiteinund die damit verbunrichtung. Nach einer dene oft nicht ausreiRehabilitationsdauer von durchschnitt- chende Vorbereitung und Etablierung lich fast sechs Monaten konnten 60% eines tragfähigen sozialen Umfeldes. der Patienten entlassen werden – also Diese Versäumnisse führen dazu, dass alte Menschen mit einem Schlaganfall, auch ältere Schlaganfallpatienten mit die ohne diese Möglichkeit mit hoher Rehabilitationspotential nicht in ihr Wahrscheinlichkeit den Rest ihres Le- gewohntes häusliches Umfeld oder in bens in einer Institution verbracht hät- adaptierte Wohneinrichtungen entlasten. sen werden können. Die Folge ist die In der Rehabilitation des alten Schlag- Aufnahme in Langzeitpflegeeinrichanfallpatienten spielen das soziale Um- tungen, die wiederum den Bedürfnissen feld und die Vorbereitung dieses Berei- der Schlaganfallpatienten häufig nicht ches auf eine Betreuung daheim eine entsprechen. Hier besteht ein noch beentscheidende Rolle. Diese Tatsache fin- trächtlicher Mangel an auf ältere Schlagdet in der täglichen Praxis viel zu wenig anfallpatienten spezialisierte EinrichBeachtung. In Zeiten, in denen durch tungen. Herkömmliche Pflegeheime die epidemiologischen Veränderungen sind fast regelhaft durch die Besonderdie Finanzierbarkeit der stationären Pfle- heiten dieser Patientengruppe und zum ge heftig diskutiert wird, sollte auf den Nachteil dieser überfordert. Bereich einer geriatrischen LangzeitreDie derzeitige Situation ist unbefriehabilitation besonderes Augenmerk ge- digend, da ältere Schlaganfallpatienten legt werden. einerseits zu oft in nicht spezialisierten Pflegeabteilungen landen, andererseits als „Fehlbelegungen“ auf diversen AkutPerspektive einer integrierten Versorabteilungen ohne entsprechende fachgung des alten Schlaganfallpatienten spezifische Qualifikation über Wochen Trotz mancher Einschränkungen ist die verbleiben oder ohne entsprechende ReAkutversorgung – auch des älteren habilitation in ein meist überfordertes soSchlaganfallpatienten – quantitativ wie ziales Umfeld und ohne ausreichende qualitativ gut organisiert. Der geplan- Möglichkeiten einer ambulanten Thete weitere Ausbau von Stroke Units und rapie nach Hause entlassen werden. 30 Zukünftige Perspektiven umfassen eine altersunabhängige Chance auf Frührehabilitation und die Schaffung neurogeriatrischer Rehabilitationseinrichtungen, denen ein größerer Zeitrahmen zur Verfügung steht. Weiters sind die Schaffung von neurogeriatrischen – auf die Bedürfnisse des alten Schlaganfallpatienten ausgerichtete – Langzeitpflegeeinrichtungen, eine vermehrte Unterstützung für die Pflege daheim notwendig sowie ein unbürokratisches Schnittstellenmanagement neben einem gesicherten Finanzierungskonzept. Hier sind die verantwortlichen Entscheidungsträger in der Gesundheitspolitik, insbesondere aber auch die neurologischen und geriatrischen Fachrichtungen aufgefordert entsprechende Entwicklungen voran zu treiben. Literatur 1. Bauer J., Sieber CC.: Antikoagulation beim älteren Menschen. Schweiz Med Forum (2004) 824-831 2. Böhmer F., Rhomberg H. P., Weber E.: Grundlagen der Geriatrie. Verlagshaus der Ärzte, 2002 3. Brown RD., Ransom J., Hass St.: Use of Nursing Home After Stroke and Dependence on Stroke Severity. Stroke (1999) 924-929 4. Di Carlo A., Lamassa M., Pracucci G. et al.: Stroke in the Very Old. Stroke (1999) 2313-2319 5. Donis J.: Geriatrische Neurorehabilitation; in Gatterer G. (Hrsg): Multiprofesionelle Altenbetreuung, Springer Verlag Wien New York (2003) 6. Fairhead JF., Rothwell PM.: Underinvestigation and undertreatment of carotid disease in elderly patients with transient ischaemic attack and stroke. BMJ (2006) 525-527 7. Ferrari J.: Schlaganfallmanagement in der Geriatrie. Focus Neurogeriatrie (2007)35-40 8. Latif AK., Peng X.: Predictors of anticoagulation prescription in nursing home residents with atrial fibrillation. J Am Med Dir Assoc (2005) 334-335 9. Laussegger C.: Langzeitrehabilitation von Schlaganfallpatienten-Faktoren, die das Entlassungsziel beeinflussen. Masterthese im Rahmen des Lehrganges Neurorehabilitation, DonauUniversität Krems (2005) 10. Portelli R., Lowe D., Irwin P. et al.: Institutionalization after stroke. Clin Rehabil (2005) 97-108 11. Quilliam BJ., Lapane KL.: Clinical Correlates and Drug Treatment of Residents With Stroke in Long Term Care. Stroke (2001) 1385-1393 Prim. Dr. Johann Donis, Vorstand der Neurologischen Abteilung, Geriatriezentrum am Wienerwald, Jagdschlossgasse 59, 1130 Wien, eMail: [email protected] GERIATRIE JOURNAL 4/07 SCHLAGANFALL: AKUTTHERAPIE UND SEKUNDÄRPRÄVENTION Konzept einer geriatrischen Schlaganfalleinheit Roland Hardt, Mainz Der Schlaganfall ist nicht nur eine lebensbedrohliche Akuterkrankung, sondern führt bei der Mehrzahl der vorwiegend älteren Patienten zu dauerhafter Behinderung und gar Pflegebedürftigkeit. Der Beitrag gibt Hinweise zu Diagnostik und Therapie und stellt das Konzept der geriatrischen Schlaganfalleinheit am Katholischen Klinikum Mainz (KKM) vor. N GERIATRIE JOURNAL 4/07 Symptome, Definition und Klinik Der Schlaganfall ist ein akutes, fokales, neurologisches Defizit, verursacht durch eine umschriebene Durchblutungsstörung des Gehirnes (ischämischer Insult) oder durch eine umschriebene Gewebezerstörung durch primäre Einblutung in das Gehirn (hämorraghischer Insult). Die klinische Symptomatik erlaubt eine näherungsweise Lokalisation des Defektes, z.B. bei der Hemiparese oder der Aphasie, gestattet aber keine Rückschlüsse auf die Ätiologie mit Unterscheidung zwischen ischämischem (ca. 85% der Fälle) und hämorraghischem Insult (ca. 15% der Fälle). Differentialdiagnostisch kommen die Subarachnoidalblutung, eine Sinusvenenthrombose, eine Migräne accompagne, Hirntumore und Abszesse, Enzephalitiden, epidurale und subdurale Hämatome, fokale Anfälle, die hypertensive Krise, die metabolische Enzephalopathie sowie Neuritiden und psychogene Lähmungserscheinungen in Betracht. Da die Symptomatik alleine keine spezifische Therapieoption impliziert, steht die unmittelbare zerebrale Bildgebung im Vordergrund (kranielle CT oder MRT). Die prä-stationäre Diagnostik beschränkt sich daher auf das Wahrnehmen der neurologischen Defizite durch den Betroffenen oder durch Fremdbeobachtung und die Identifizierung dieser Symptome als möglichen Schlaganfall. Ziel einer möglichst breiten Aufklärung der Bevölkerung muss die Wahrnehmung von schlaganfallverdächtigen Symptomen als absoluter medizinischer Notfall und die unmittelbare Alarmierung der Rettungskette sein. Der erstversorgende Arzt ist für die Überprüfung der üblichen Notfallparameter sowie die unmittelbare Einweisung der Patienten in ein geeignetes Krankenhaus vorzugsweise mit entsprechend spezialisierter Schlaganfalleinheit verantwortlich. Zur prä-hospitalen Sicherung der Schlaganfalldiagnose haben sich standardisierte Kurzscores bewährt. Folgende drei Funktionen sollten immer überprüft werden: @ Faciale Parese: Lachen, Grimassieren. @ Armparese: im Liegen jeden Arm separat gestreckt anheben (ca. 45 Grad) @ Sprache: Satz nachsprechen, Gegenstand benennen. Abb. 1: Schlaganfallrisiko 0,035 0,030 relatives Risiko Quelle: CS Anderson et al. Med J Aust 1993, 188: 80-84 eben koronarer Herzerkrankung, Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz und peripherer arterieller Verschlusskrankheit ist der Schlaganfall die häufigste Manifestationsform kardiovaskulärer Erkrankungen. Die arterielle Hypertonie ist auch für den Schlaganfall, wie für die anderen genannten Erkrankungen, neben Vorhofflimmern, Stoffwechselstörungen und entsprechendem Risikoverhalten (z.B. Nikotinabusus) der häufigste Risikofaktor. Die Inzidenz des Schlaganfalles ist ausgesprochen hoch: Zwischen 180 und 200 Individuen pro 100.000 Einwohner sind in der BRD jährlich betroffen. Die Ein-Jahres Letalität ist mit bis zu 40% ausgesprochen hoch. Von den Überlebenden sind zwei Drittel langfristig hilfs- oder pflegebedürftig. Das Schlaganfallrisiko steigt in fortgeschrittenem Lebensalter exponentiell an. Die überwiegende Mehrzahl der Schlaganfallpatienten hat das 70. Lebensjahr bereits überschritten. Häufig trifft der Schlaganfall ältere Patienten mit internistischer Multimorbidität bzw. Risikokonstellation, wie z.B. hypertensiver Herzerkrankung, Vorhofflimmern und Diabetes als schwere Akuterkrankung mit oftmals gravierendem funktionellen Defizit, z.B. Hemiparese vergesellschaftet mit motorischer und/ oder sensorischer Aphasie. Der Schlaganfall ist damit das Paradigma einer geriatrischen Akuterkrankung oder eines geriatrischen Notfalles, gefolgt von entsprechendem Bedarf an stationärer Diagnostik und Akuttherapie sowie Frühmobilisation und Rehabilitation. Diagnostik 0,025 0,020 0,015 0,010 0,005 0,000 35-44 45-54 55-64 65-74 75-84 >85 Alter Jährliches Schlaganfallrisiko mit exponentiellem Anstieg des Risikos bei Hochaltrigen. 31 SCHLAGANFALL: AKUTTHERAPIE UND SEKUNDÄRPRÄVENTION Tab. 1: Übersicht Geriatrische Schlaganfalleinheit am KKM @ Intensivüberwachungsstation (6 Betten) @ Monitorüberwachung von Herz, Kreislauf, Sauerstoffversorgung und Temperatur @ Computertomografie (24 h/Tag) @ Umfassende Ultraschalldiagnostik von Herz und Blutgefäßen @ Magnetresonanztomografie @ Videoendoskopische Schluckdiagnostik @ Multiprofessionelles therapeutisches Team bestehend aus: } Ärzten (Geriatrie, Innere Medizin, Kardiologie, Angiologie, Internistische Intensivmedizin, Physikalische Therapie) } Aktivierende Pflege } Physiotherapie } Logopädie } Ergotherapie } Sozialdienst } Seelsorge Tab. 2: Konzept der Geriatrischen Schlaganfalleinheit @ Medizinische Versorgung auf dem Niveau einer internistischen Intensivüberwachungsstation @ Anwendung gesicherter Therapieoptionen (Rhythmus/RR/O2/TemperaturKontrolle, BZ-Einstellung, Thrombembolieprophylaxe, Aspirations/Pneumonieprophylaxe) Lagerung, Frühmobilisation und Aktivierung durch das multiprofessionelle @ Geriatrische Team auf neurophysiologischer Basis Fällt mindestens einer dieser Prüfungen pathologisch aus, kann die Verdachtsdiagnose Schlaganfall mit einer Sensitivität von ca. 80% und einer Spezifität von 90% gestellt werden. Im Falle eines negativen Kurztestes müssen mindestens vier weitere Funktionen untersucht werden: @ Blickparese: Augenwendung nach rechts und links @ Visusstörung: rechtes und linkes Gesichtsfeld (für jedes Auge) @ Beinparese: im Liegen jedes Bein einzeln nach vorne gestreckt anheben (bis 30 Grad) @ Hemihypästhesie: Berührungsempfinden für jede Seite an Gesicht, Arm und Bein. Ist hierdurch die Schlaganfalldiagnose wahrscheinlich, ist die dringlichste Aufgabe die Klärung einer möglichen LyseIndikation. Die Lyse-Therapie mit systemischer r-TPA Gabe ist in Deutschland innerhalb des 3-Stunden-Fensters nach Symptombeginn zugelassen. Patienten mit entsprechenden Kriterien sollten unverzüglich in eine entsprechend zertifizierte Stroke-Unit verbracht werden. Alle anderen Patienten sollten ebenfalls nach Möglichkeit in eine für die Akuttherapie des Schlaganfalls spezialisierte Einrichtung notfallmäßig eingewiesen 32 werden, bei entsprechender Befundkonstellation (fortgeschrittenes Lebensalter, Multimorbidität) und Verfügbarkeit in eine geriatrische Schlaganfalleinheit. Bei Aufnahme der Patienten in der Klinik muss eine unverzügliche, zielgerichtete Diagnostik erfolgen. Zum klinischen Untersuchungsgang gehört die Erfassung der Vitalparameter einschl. der GlasgowComa-Scale, eine internistische Untersuchung mit Auskultation von Herz, Lunge und Gefäßen, Blutdruck, Herzfrequenz und Körpertemperatur. Apparative Minimaldiagnostik sind Sauerstoffsättigung, Basislabor, vor allen Dingen Glukosespiegel sowie ein 12-Kanal-EKG. Neben der primären neurologischen Untersuchung sollte die Erhebung der NIH-SS Skala (National Institut of Health Stroke Scale) stehen. Die NIH-SS erlaubt eine quantitative Erfassung der Schlaganfallschwere und eine Abschätzung eines möglichen Therapieerfolges durch eine Lyse-Therapie. Indikation und Kontraindikation für die Lyse-Therapie sind den entsprechenden nationalen und internationalen Leitlinien zu entnehmen. Besteht eine ausgeprägte Bewusstseinsstörung, verbunden mit schwerer Okkulo- und Pupillenmotorikstörung ergibt sich der Verdacht auf einen Verschluss der Arteria basiliaris, die eine unmittelbare Darstellung des Gefäßes erfordert. Bei den bildgebenden Verfahren steht die unmittelbare Durchführung eines Nativ-CT des Kopfes im Vordergrund. Diese Untersuchung dürfte in den meisten Einrichtungen, ggf. als teleradiologische Leistung verfügbar sein. Wichtigste Indikation ist der sichere Ausschluss einer intrazerebralen oder subarachnoidalen Blutung oder eines subduralen oder epiduralen Hämatoms. Der ischämische Insult selbst ist erst 12-24 Std. nach Symptombeginn als abgrenzbare Dichteminderung sicher erkennbar. Der positive Nachweis des ischämischen Insultes gelingt am frühesten durch eine MRT-Untersuchung. Ein sog. Missmatch zwischen diffusions- und perfusionsgewichteter Darstellung kann auch noch außerhalb des 3-Stunden-Fensters eine Indikation zur Lysetherapie implizieren. Diese Methode steht jedoch nur an wenigen ausgewählten Zentren zur Notfalldiagnostik zur Verfügung. Möglichst frühzeitig, d.h. innerhalb der ersten 24 Std. sollte eine umfassende sonographische kardiovaskuläre Diagnostik erfolgen. Dazu gehört die Duplex-Sonographie der extrakraniellen hirnversorgenden Arterien, nach Möglichkeit die transkranielle Doppleruntersuchung sowie die transthorakale Echokardiographie, ggf. die transösophagiale Echokardiographie im Intervall. Ein pathologischer ABIScore (pathologischer Quotient zwischen dopplersonographisch gemessenem Blutdruck an oberer und unterer Extremität) kann den Verdacht auf eine vaskuläre Genese des Schlaganfalles unterstützen. Da bis zu 50% aller Schlaganfallpatienten zumindest initial Schluckstörungen aufweisen, ist ein gezieltes Dysphagiescreening, vorzugsweise durch videoendoskopische Schluckdiagnostik oder durch klinische Untersuchung, ggf. durch einen erfahrenen Logopäden obligat zur Vermeidung einer meist lebensbedrohlichen Aspirationspneumonie. Das Monitoring während der Akutphase auf der Schlaganfalleinheit (ca. 35 Tage) umfasst die Kontrolle von Herzrhythmus, Blutdruck, Sauerstoffsättigung, Körpertemperatur, Blutzucker, Laborkontrollen und Bilanzierung des WasserGERIATRIE JOURNAL 4/07 SCHLAGANFALL: AKUTTHERAPIE Therapie Die einzige kurative Therapieoption ist die rechtzeitige Lyse-Therapie beim akuten ischämischen Insult. Zugelassen ist die Lyse-Therapie mit r-TPA in intravenöser Anwendung innerhalb eines 3 StundenFensters nach Symptombeginn. Die Zulassung beschränkt sich in Deutschland auf Patienten bis zum 80. Lebensjahr. Eine Vielzahl geriatrischer Patienten könnte also allenfalls innerhalb kontrollierter klinischer Studien von einer LyseTherapie profitieren. Zudem weisen natürlich gerade die hochaltrigen Patienten auch häufig eine oder mehrere Kontraindikationen gegen eine Lyse-Therapie auf. Ohnedies ist insgesamt der Anteil geeigneter Patienten relativ niedrig. Selbst in universitären Stroke-Units, die mit industrieller Unterstützung teilweise erhebliche Mittel in die Aufklärung der Bevölkerung investiert haben, konnten Lyseraten von max. 15% nicht überschritten werden. Insgesamt liegt der Anteil lysierter Patienten, selbst in hochspezialisierten neurologischen Stroke-Units meist im einstelligen Prozentbereich. Für den typischen Geriatriepatienten bedeutet dies, dass die Lyse-Therapie allenfalls in ausgewählten Ausnahmefällen eine nach derzeit gültigen Leitlinien realistische Therapiealternative darstellt. Alle anderen gesicherten Therapieoptionen in der Akutphase des Schlaganfalles zielen auf eine bestmögliche Begrenzung GERIATRIE JOURNAL 4/07 SEKUNDÄRPRÄVENTION des geschädigten Hirnareals. Im Falle des ischämischen Insultes bedeutet dies, das dem Infarktkern benachbarte, vital gefährdete Hirngewebe, die sog. Penumbra, möglichst funktionsfähig zu erhalten. Gleichzeitig zielt die Akuttherapie des Patienten mit frischem Schlaganfall auf die möglichst weitgehende Vermeidung von Komplikationen und die möglichst frühzeitig einsetzende Remobilisation durch aktivierende Therapieverfahren. Konzeption der geriatrischen Schlaganfalleinheit Insgesamt stützt sich die Behandlung von Patienten auf der Schlaganfalleinheit auf wenige, gesicherte Empfehlungen, die in den einschlägigen Leitlinien entsprechend ausgeführt werden. Vitalfunktion und neurologischer Status sollen monitorisiert bzw. engmaschig überwacht werden. Besonders ist auf das Freihalten der Atemwege zu achten, eine zusätzliche Oxygenierung (Sauerstoffgabe) ist obligat. Hypertensive Blutdruckwerte sollen bei Schlaganfallpatienten in der Akutphase nur behutsam gesenkt werden, wenn kritische Grenzen (systolisch über 220 mmHg und/oder diastolisch über 120-140 mmHg) überschritten werden oder Symptome wie z.B. eine kardiale Dekompensation dazu zwingen. Erst nach Ende der Akutphase soll mit einer Blutdrucknormalisierung begonnen werden. Medikamente, die zu einem drastischen Blutdruckabfall führen können (z.B. Nifedipin) sind zu vermeiden. Eine arterielle Hypotonie sollte vermieden werden, ggf. durch Gabe von Volumen und/oder Katecholaminen behandelt werden. Der Blutglukosespiegel sollte in physiologischen Grenzen gehalten werden, was engmaschige Blutzuckerkontrollen, erforderlichenfalls die Insulingabe notwendig macht. Die Körpertemperatur sollte ebenfalls regelmäßig kontrolliert werden. Kerntemperaturen über 37,5° Celsius sollten durch geeignete Maßnahmen, z.B. Paracetamol gesenkt werden. Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushalt sollten überwacht und ggf. ausgeglichen werden. Eine orale Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme bzw. Kostaufbau sollte erst nach entsprechendem Dysphagiescreening bei gefährdeten Patienten unter Anleitung entsprechend weitergebildeter Therapeuten erfolgen. Obligatorisch ist ebenfalls die Prophylaxe von Immobilisationsrisiken, d.h. entsprechende Lagerungstechniken und Frühmobilisation auf neurophysiologischer Basis, Pneumonieprophylaxe sowie allgemeine Infektionsprophylaxe, beispielsweise auch durch Beschränkung künstlicher Harnableitung auf das zwingend notwendige Maß, z.B. bei der neurogenen Blasenentleerungsstörung. Dies impliziert in der Regel den Einsatz des therapeutischen Teams vom ersten Tage an einschließlich aktivierender Pflege sowie der Beratung und Anleitung von Angehörigen im Umgang mit Schlaganfallpatienten. Sekundärprophylaxe Frühe Sekundärprophylaxe, Vorbeugung und Behandlung von Komplikationen des akuten Schlaganfalles greifen unmittelbar ineinander über. Die Verabreichung von ASS (100-300 mg pro die) ist nach Ausschluss einer Blutung beim ischä- Abb. 2: Fallzahlen 2006/2007 35 30 Gesichert Verdacht 25 Fallzahlen und Elektrolythaushaltes. Die Anforderungen entsprechen demnach einer medizinischen Intensivüberwachungsstation, mindestens aber einer sog. IntermediateCare-Einheit. Obligatorisch ist ebenfalls die regelmäßige, im Bedarfsfall engmaschige Kontrolle der klinischen, internistischen und neurologischen Befunde um Änderungen im Verlauf (z.B. Verschlechterung bei einem Progressiv-Stroke) oder Komplikationen (z.B. Pneumonie) unmittelbar zu erkennen und zu behandeln. Selbstverständlich gehört das geriatrische Assessment mit den Bereichen ADl, Sozialassessment, Demenz- und Depressionsscreening, insbesondere auch bei den Schlaganfallpatienten zur Routinediagnostik in der geriatrischen Klinik. UND 20 15 10 5 0 Januar April Juli Oktober Januar Entwicklung der Fallzahlen in der geriatrischen Schlaganfalleinheit am KKM. 33 Fotos: Autor SCHLAGANFALL: AKUTTHERAPIE a b c d e f g h UND SEKUNDÄRPRÄVENTION Abb. 3: Fall einer 91-jährigen Patientin, die mit dem klinischen Bild einer hypertensiven Krise und einer diskreten Halbseitensymptomatik zur Aufnahme kam. Die unmittelbar in der Aufnahmesituation durchgeführte Duplex-Sonographie der Carotiden zeigt eine hochgradige Stenose der Carotis interna rechts (a, b). Bestätigung durch das Angiologische-MR (c, d). e-h zeigen die postoperativen Befunde (Angiologische-MR und Duplex-Sonographie). Entlassung der Patientin ohne neurologisches Defizit. 34 mischen Insult indiziert. Die systemische Vollheparinisierung in PTT-wirksamer Dosierung führt zu keiner Prognoseverbesserung. Die Thrombembolieprophylaxe ist hinsichtlich der Risikoreduktion für tiefe Bein-/Beckenvenenthrombosen und Lungenembolien wirksam, z.B. durch subkutanes niedermolekulares Heparin (low-dose Heparinisierung). Ebenso wirksam ist die Thromembolieprophylaxe durch ausreichende Hydratation, Frühmobilisation und individuell angepasste Antithrombosestrümpfe. Im Falle eines Apoplexie-assoziierten Krampfanfalles ist die Gabe von Antiepileptika zur Vermeidung wiederholter Krampfanfälle indiziert. Eine generelle prophylaktische Gabe von Antiepileptika ist nicht empfehlenswert. Insgesamt könnten die einzelnen allgemeinen Therapieempfehlungen bei der Behandlung des akuten Schlaganfalles möglicherweise trivial erscheinen. Es ist jedoch wissenschaftlich belegt, dass die gezielte Anwendung gesicherten Wissens auf hierfür spezialisierten Behandlungseinheiten verbunden mit den Einsatz hierfür entsprechend geschulten Personals zu einer deutlichen Senkung der Mortalität sowie einer deutlichen Verbesserung des funktionellen Outcomes führt. Insbesondere gilt dies für das skandinavische Modell der sog. Combined-Stroke Unit, das ganz gezielt frührehabilitative Therapiestrategien in die Akuttherapie des Schlaganfallpatienten integriert hat und überhaupt die Diskussion um eine Verbesserung in der Schlaganfalltherapie wesentlich mit initiiert hat. Dies gilt in besonderem Maße für geriatrische Schlaganfallpatienten, die bisher im „normalen“ Medizinbetrieb nicht selten im Abseits gelandet sind und von einer problemorientierten Behandlung auf einer geriatrischen Schlaganfalleinheit nur profitieren können. Die geriatrische Schlaganfalleinheit am Katholischen Klinikum Mainz (KKM) hat sich in diesem Sinne als komplementäre Einrichtung zur Stroke-Unit der Neurologischen Universitätsklinik organisiert. Die Zuweisung der Patienten in die jeweilige Klinik erfolgt nach inhaltlichen Kriterien, die gemeinsam erarbeitet wurden und den Rettungskräften GERIATRIE JOURNAL 4/07 SCHLAGANFALL: AKUTTHERAPIE (Leitstelle, Notärzte) klare Entscheidungshilfen vorgeben. Patienten mit potentieller Lyse-Indikation werden nach diesen Kriterien primär an die StrokeUnit der Neurologischen Universitätsklinik verbracht. Ältere, multimorbide Patienten, speziell auch mit Vorschädigung (Re-Apoplex) werden der geriatrischen Schlaganfalleinheit am Katholischen Klinikum Mainz zugewiesen. Diese Kriterien haben sich in den letzten 1,5 Jahren in der Praxis bewährt. Sekundäre Verlegungen von der einen zur anderen Schlaganfalleinheit sind Einzelfälle geblieben. Die Patienten in der geriatrischen Schlaganfalleinheit zeigen initial ein ausgeprägtes neurologisches Defizit. Der Krankheitsverlauf ist durch die ausgeprägte Begleitmorbidität sowie ein großes Komplikationsrisiko geprägt. Die Verweildauer der Patienten (durchschnittlich 7,2 Tage) ist dementsprechend länger als erwartet. Nicht selten können kritische KarotisStenosen ätiologisch identifiziert werden. Durch eine enge Verzahnung mit der Klinik für Herz-Thorax-Gefäßchirurgie (HTG) der Universität gelingt es jedoch, auch hochaltrige Patienten erfolgreich einer gefäßchirurgischen Intervention zu unterziehen. Die unmittelbare postoperative Nachbetreuung wird wiederum in der geriatrischen Schlaganfalleinheit vorgenommen. Die Akzeptanz der geriatrischen Schlaganfalleinheit ist rasch gewachsen, sodass die Kapazitäten mittlerweile voll ausgelastet sind und eine Erweiterung von 6 auf 10 Betten nach entsprechender Genehmigung durch das Sozialministerium vorbereitet wird. In der Weiterbehandlung hat sich die Kooperation mit den geriatrischen RehaKliniken im Bundesland Rheinland-Pfalz bewährt. Nach Abschluss der Krankenhausbehandlung werden alle Patienten mit positiven Kriterien (Reha-Fähigkeit, Motivation und zu erwartender Benefit einer geriatrisch-rehabilitativen Behandlung) zugeführt. Selbstverständlich ist die Initiierung einer Leitlinien gerechten Sekundärprophylaxe. Es sei diesbezüglich auf den kürzlich in dieser Zeitschrift erschienenen Artikel von E. Schmidt (GERIATRIE JOURNAL 2/2007, S. 21ff.) verwiesen. GERIATRIE JOURNAL 4/07 UND SEKUNDÄRPRÄVENTION Abb. 4: Thrombus am linken Herz bei einem Patienten mit einem embolischen Hirninfarkt. Abb. 5: Video-endoskopisches Bild bei einem Versuch mit fester Nahrung (Weißbrot). Ein Speisebolus penetriert in die Trachealöffnung. Es besteht höchste Aspirationsgefahr. Fazit gegenüber möglichen Komplikationen und der unmittelbaren therapeutischen Intervention. Hierdurch gelingt es Apoplexie bedingte Behinderungen auf ein absolut unvermeidbares Maß zurückzuführen und möglichst vielen Patienten die Chance für ein selbst bestimmtes Leben zu erhalten. Gerade die tägliche Praxis in der Akuttherapie geriatrischer Schlaganfallpatienten lenkt jedoch den Blick auf die Notwendigkeit einer wirksamen Primärprophylaxe, die es insbesondere auch in der Geriatrie zu intensivieren gilt. Auch für hochaltrige Bevölkerungsgruppen existiert eine solide Datenbasis für die Behandlung der häufigsten Risikofaktoren. Sowohl mit der Behandlung der arteriellen Hypertonie, als auch mit der INR-gesteuerten Antikoagulantienbehandlung beim chronischen Vorhofflimmern lässt sich eine jeweilige relative Risikoreduktion um bis zu 50% bzw. 70% bezüglich des Auftretens eines Schlaganfallereignisses erzielen. Diese Möglichkeiten gilt es vordringlich auf Bevölkerungsebene umzusetzen. Der Schlaganfall, mehrheitlich der ischämische apoplektische Insult, ist nicht nur eine nach wie vor lebensbedrohliche Akuterkrankung, sondern führt wie kaum ein anderes Ereignis bei der Mehrzahl der vorwiegend älteren Patienten zu dauerhafter Behinderung und gar Pflegebedürftigkeit. Neben den immensen sozioökonomischen Folgen dieser nach wie vor überaus häufigen Erkrankung bedeutet dies einen erheblichen Verlust von persönlicher Autonomie und Lebensqualität der betroffenen Patienten. Die vornehmlich durch die Neurologische Stroke-Unit Bewegung in Gang gesetzte Diskussion hat hier das öffentliche Interesse auf ein bisher eher stiefmütterlich behandeltes Krankheitsbild gelenkt. Neben dem Versuch, möglichst alle hierfür in Frage kommenden Patienten einer Lyse-Therapie des ischämischen Insultes zuzuführen, dürfen jedoch die Patienten, die die entsprechenden Kriterien nicht erfüllen, keinesfalls vergessen werden. An diese mehrheitlich hochaltrigen, multimorbiden Apoplexiepatienten adressiert das Konzept der geriatrischen Schlaganfalleinheit, das alle medizinischen Therapieoptionen mit positivem Wirksamkeitsnachweis mit den früh-rehabilitativen Behandlungsansätzen des therapeutischen Teams verbindet. Die Patienten profitieren mehrheitlich von der intensivmedizinischen Überwachung, der maximalen Aufmerksamkeit Prof. Dr. med. Roland Hardt, Geriatrische Klinik/Geriatrische Schlaganfalleinheit, St. Hildegardis-Krankenhaus – Katholisches Klinikum Mainz, Hildegardstr. 2, 55131 Mainz 35 U R O LO G I E : D E R I C I A LG O R I T H M U S Management der Harninkontinenz im höheren Alter Helmut Madersbacher, Innsbruck Inkontinenz zählt nach wie vor zu den häufigsten Gründen für die Einweisung in Alten- und Pflegeheime. Die Ursache der Harninkontinenz im Alter ist meist multifaktoriell und kann außerhalb des Harntraktes liegen. Der Beitrag gibt Hinweise zur Ursachenforschung und Therapie. D as Management der Harninkontinenz im höheren Alter unterscheidet sich im Wesentlichen von dem bei jüngeren Inkontinenten. Dementsprechend hat auch das International Consultation of Incontinence (ICI) einen speziellen Algorithmus für „frail elderly persons“, am besten übersetzt „für gebrechliche Ältere“, 2005 veröffentlicht [2]. Der „gebrechliche Ältere“ ist nach der ICI dadurch charakterisiert, dass er meist an mehreren chronischen Erkrankungen leidet, fünf oder mehr Medikamente einnimmt und dass er zur Betreuung von einigen oder allen täglichen Aktivitäten Betreuung benötigt. Prävalenz und Ätiologie der Harninkontinenz im Alter Die Prävalenz ist hoch und schwankt zwischen 30% bei zu Hause Wohnenden – wie eine Straßenbefragung im Veneto gezeigt hat [3] – und 90% bei erheblich Dementen. Die häufigste Form der Harninkontinenz beim Älteren ist die durch eine terminale Detrusorüberaktivität hervorgerufene Dranginkontinenz, sie ist die Ursache bei 90% der Männer und ist bei etwa 60% der älteren Frauen mit einer Belastungsinkontinenz kombiniert. Die Ätiologie der Harninkontinenz im Alter ist multifaktoriell, vielfach liegen die Ursachen außerhalb des Harntrakts. Zu diesen Faktoren gehören Diabetes mellitus, Gelenkserkrankungen, die eine Einschränkung der Mobilität bedingen, die 36 Schlafapnoe, neurologische und psychiatrische Erkrankungen und – häufig nicht beachtet – ein kontinenzfeindliches Umfeld, die chronische Obstipation und eingenommene Medikamente. Medikamente, die Harninkontinenz, insbesondere eine Dranginkontinenz, bewirken oder verstärken, sind Diuretika, insbesondere von Furosemid-Typ, sowie psychotrope Medikamente, wie Sedativa, Hypnotika und Antipsychotika. Algorithmus der Abklärung Die Basisdiagnostik ist insofern umfassend, als es gilt, auch den geistigen und kontraktion, dass die Chance, postkörperlichen Zustand des Betroffenen operativ kontinent zu bleiben, hoch ist zu erfassen. Eine alleinige Fokusierung [7]. auf Blase und Schließmuskel würde Bevor man jedoch all diese diagnosmanchen Auslöser der Harninkontinenz tischen Maßnahmen unternimmt, sollnicht erfassen. Andererseits muss man te man sich vergewissern, ob überhaupt auch bei der urologischen Routineun- ein Therapiewunsch besteht, nicht jetersuchung auf einige Besonderheiten der inkontinente Ältere wünscht sich achten. Bei der Rektaluntersuchung soll- eine Behandlung. te nicht nur die Prostata palpiert, sonZur Basisuntersuchung gehören weidern auch auf den Tonus des Sphinkter ter die Harnanalyse, die Erfassung von ani und auf eine Stuhlimpaktion ge- Restharn, am besten sonographisch, achtet werden. Die Fähigkeit, den aber auch durch Palpation und PerkusSphinkter ani willkürlich kontrahieren sion kann man eine übervolle Blase als zu können, ist ein Ursache einer Überwichtiger positiver laufinkontinenz erfasDie Ätiologie der Prädiktor für die Ersen, der Katheterismus Harninkontinenz im reichung von Kontisollte zur RestharnAlter ist multifaktoriell, nenz, bei Parkinsonbestimmung nur ausvielfach liegen die Patienten, die für eine nahmsweise benützt TUR-P vorgesehen werden. Das wichtigUrsachen außerhalb sind, bedeutet die Fäste Instrument zur Erdes Harntrakts higkeit zur Willkürfassung der Funktion GERIATRIE JOURNAL 4/07 U R O LO G I E : D E R I C I A LG O R I T H M U S des unteren Harntraktes ist das Mik- Therapieziel definieren tionsprotokoll, in dem die Zeiten der Der nächste Schritt ist das Therapieziel Blasenentleerung, die jeweils entleerten zu definieren. Nach Fonda et al., ICI Harnmengen sowie das Faktum, ob der 2005, [2] kann man nur bei wenigen älBetroffene zum Zeitpunkt der Blasen- teren Inkontinenten eine unabhängige entleerung noch trocken oder bereits Kontinenz erreichen, d.h. die Betroffenass war, über zwei Tage, festgehalten nen bleiben nach erfolgreicher Therawerden. Werden zusätzlich auch noch pie ohne Fortführung der Behandlung die Trinkmengen notiert, spricht man kontinent, dies ist im Allgemeinen nur bei sog. temporärer Harninkontinenz von einem Blasentagebuch. Eine urodynamische Untersuchung (s. unten) möglich. Wenn die entspregehört nicht zur Basisdiagnostik bei In- chenden geistigen und körperlichen Voraussetzungen gegeben sind, ist abkontinenz im Alter. Die Basisdiagnostik reicht bei 80% hängige Kontinenz anzustreben; darunder Betroffenen aus, um folgende drei ter versteht man nach der ICI Kontinenz Gruppen zu definieren, solche mit mit Fremdhilfe, mit Verhaltenstherapie Drang- oder/und Belastungsinkonti- und/oder Medikamenten. Ist dieses Ziel nicht erreichbar, sollte nenz sowie solche mit Eine alleinige man zumindest eine Inkontinenz mit erhebFokusierung auf Blase sog. soziale Kontinenz lich Restharn (Restharn anstreben, d.h. gesellmehr als 50% der funkund Schließmuskel schaftsfähig durch adätionellen Blasenkapawürde manchen Ausquate Hilfsmittelverzität). Bei etwa 20% der löser der Harninkonti- sorgung. Betroffenen sind weiternenz nicht erfassen Lediglich bei erhebführende Untersuchunlich Verwirrten und högen wie Sonographie des Harntraktes, eine (video-)urodynami- hergradig Dementen ist auch dieses Ziel sche Untersuchung oder Zystoskopie nicht erreichbar und damit die Inkonnotwendig. Diese weiterführende Dia- tinenz und ihre Auswirkungen nicht begnostik ist vor allem notwendig, wenn einflussbar. eine sog. „komplizierte“ Harninkontinenz vorliegt, Inkontinenz mit SchmerTherapiemaßnahmen zen, Hämaturie, wiederholte Harnwegsinfektionen, ein drittgradiger Pro- Ist das Therapieziel definiert, muss man laps, wenn eine Operation oder eine zunächst nach Ursachen fahnden, solBestrahlung im kleinen Becken voran- che beseitigen oder behandeln. Die Erkennung einer temporären gegangen ist sowie bei Z.n. radikaler Prostatektomie bzw. wenn eine Rezi- Harninkontinenz ist aus zwei Gründen wichtig. Unerkannt und unbehandelt divharninkontinenz vorliegt. Abb.: Prävalenz der Harninkontinenz 100 90 Prozent Quelle: Deutsche Kontinenz Geselllschaft 80 56 60 40 24 25 30-60 Jahre 60-80 Jahre 30 20 0 > 80 Jahre Heimbewohner Demenz Die Prävalenz der Inkontinenz ist hoch und schwankt zwischen 30% bei zu Hause Wohnenden und 90% bei erheblich Dementen. GERIATRIE JOURNAL 4/07 kann aus der temporären rasche eine permanente Harninkontinenz entstehen, zum anderen kann man über die Abklärung der Harninkontinenz bisher nicht bekannte Krankheiten diagnostizieren. Resnick M.N. et al. [5] hat die hauptsächlichen Ursachen einer Harninkontinenz memotechnisch in dem Wort „Diappers“ (= Inkontinenzeinlagen) zusammengefasst und meint darunter, D = Delirium, I = Infektion, insbesondere Harnwegsinfekt, A = Atrophie (athrophe Urethritis, atrophe Vaginitis), P = Pharmaka, P = psychogene Ursachen, E = Übermaß an Einfuhr und Ausfuhr, R = eingeschränkte Mobilität und S = Stuhlverhaltung. Nach diesen Ursachen ist in erster Linie zu fahnden, wenn sich plötzlich beim Älteren Harninkontinenz einstellt. Therapiealgorithmus Hat man das Therapieziel definiert, nach Ursachen gefahndet und solche beseitigt und besteht weiterhin Inkontinenz, so stehen Änderungen der Lebensgewohnheiten (Lifestyle-Interventionen) und verhaltenstherapeutische Maßnahmen an erster Stelle. Obwohl die in der Literatur dokumentierte Evidenz für den Effekt der Änderung von Lebensgewohnheiten eher gering ist, können ausreichende Flüssigkeitszufuhr (Harnausscheidung zwischen 1.500 und 2.000 ml), weniger Kaffee und Maßnahmen, die eine Obstipation verhindern, die verhaltenstherapeutischen Maßnahmen unterstützen. Die verhaltenstherapeutischen Maßnahmen bestehen in erster Linie im sog. Toilettentraining, also in der regelmäßigen Aufforderung, die Blase zu entleeren, bevor sie das kritische Füllungsvolumen erreicht hat. Grundlage dafür ist ein entsprechendes Miktionsprotokoll bzw. Blasentagebuch. Voraussetzung für ein erfolgreiches Toilettentraining ist die Fähigkeit des Betroffenen, den Anordnungen Folge leisten, die Toilette aufsuchen und auf der Toilette in gewohnter Position auf Aufforderung die Blase entleeren zu können. Dadurch kann zumindest untertags das Einnässen stark reduziert 37 U R O LO G I E : D E R I C I A LG O R I T H M U S Foto: Darren Pellegrino – Fotolia.com werden bzw. Kontinenz erreicht wersachen liegen außerhalb des Harntrakts, den. Nachts ist weiterhin eine Hilfsauch eingenommene Medikamente mittelversorgung notwendig. können dafür verantwortlich sein. Erst wenn diese Maßnahmen nicht Bei etwa 80% der Betroffenen reicht ausreichen, sollten bei Dranginkontidie Basisdiagnostik, um zwischen nenz Anticholinergika gegeben werden. Drang- und Belastungsinkontinenz soSie sind im Allgemeinen nur dann inwie Inkontinenz mit erheblich Restharn diziert, wenn die funktionelle Blasenzu differenzieren. Vor Durchführung kapazität deutlich vermindert ist (Mikder diagnostischen Maßnahmen ist festtionsprotokoll!). Mit Anticholinergika zustellen, ob Therapiewunsch besteht. kann man zwar die Blasenkapazität verVor Einleiten der Therapie ist das größern und damit die BlasenentleeTherapieziel – unabhängige Kontinenz, rungsfrequenz senken, das Einnässen Die Ursache der Harninkontinenz im abhängige Kontinenz oder soziale Konals solches kann man jedoch damit meist Alter ist meist multifaktoriell. tinenz – zu definieren. Therapeutisch nicht verhindern. Andererseits können stehen Änderungen der LebensgewohnAnticholinergika im Alter gefährliche solches ist dafür keine Kontraindika- heiten und verhaltenstherapeutische Nebenwirkungen, insbesondere solche tion [4]. Maßnahmen an erster Stelle. Antichozentralnervöser Art, die von der GeAuch für chirurgische Eingriffe, bei linergika sind vor allem dann indiziert, dächtnisstörung bis zu Halluzinationen der Frau mit reiner Belastungsinkonti- wenn die erstgenannten Maßnahmen reichen, hervorrufen. Weiters sind Inter- nenz (die im Alter eher selten ist) eine nicht ausreichen und die funktionelle aktionen mit anderen eingenommenen Bandoperation, ist das Blasenkapazität deutDie verhaltensMedikament möglich und zu beden- Alter keine Kontraindilich vermindert ist. Die therapeutischen ken. Insbesondere Anticholinergika, die kation. Die Implantation Nebenwirkungen der die Blut-Liquor-Schranke leicht über- eines suburethralen BanMaßnahmen bestehen Anticholinergika könwinden, wie das tertiäre Amin Oxybu- des ist nicht sehr belasnen zu ernsthaften, insin erster Linie im sog. tynin, verursachen zentralnervöse tend, allerdings ist eine besondere zentralnerToilettentraining Nebenwirkungen. Das gehäufte Auf- bestehende Drangsympvösen Komplikationen treten derartiger Nebenwirkungen bei tomatik eine Kontrainführen, auch InterakOxybutynin in der immediate release dikation. Entsprechende Studien haben tionen mit anderen eingenommenen Formulierung hat dazu geführt, dass die gezeigt, dass nur etwa 50% der Frauen Medikamenten sind zu bedenken. Amerikanische Gesellschaft für Geria- postoperativ kontinent sind. Sie sind Das Alter an sich ist keine Kontraintrie Oxybutynin in dieser Formulerung zwar von ihrer Belastungsinkontinenz dikation für die Inkontinenzchirurgie, zur Therapie der Dranginkontinenz weitgehend geheilt, leiden aber nun un- insbesondere für suburethrale Bänder nicht mehr empfiehlt [1], weiters, dass ter einer Dranginkontinenz [6]. Grund bei der belastungsinkontinenten Frau, die Food and Drug Administration dafür ist, dass eine vorbestehende wenn die entsprechenden Kontraindi(FDA) nun von der Erzeugerfirma ver- Drangsymptomatik persistiert oder kationen beachtet werden. langt, dass sie die Mögdurch die Bandimplanlichkeit von zentralner- ICI 2005 unterscheidet tation eine solche indu- Literatur: 1. Fick D.M., Cooper J.W., Wade W.E. 2003 Arch. zwischen unabvösen Nebenwirkungen ziert wurde. Int. Med 163: 2716-2724. in der Fachinformation Fortschritte in der 2. Fonda D., Du Beau C.E., Harari D. et al.: Incontihängiger Kontinenz, nence in the Frail Elderly in Incontinence, pg. anführt. abhängiger Kontinenz Hilfsmittelversorgung 1165-1239, Edts. P. Abrams, L. Cardozo, S. Khoury Bei Inkontinenz mit durch bessere Produkte, und A. Wein. Health Publication Ltd. 2005. und sog. sozialer erheblich Restharn könbeim Mann auch ein 3. Maggi et al., 2001 Journal of Geront. 56 A, Kontinenz M14-M18. nen double oder triple Kondomurinal, sollten 4. Pilloni S., Krhut J., Mair D. et al. 2005. Age & voiding sowie regelmäes heute ermöglichen, Aging 34, 57-60 ßige Blasenentleerung bei gut gefüllter, dass man die Inkontinenz soweit be- 5. Resnick, N.M. 1996, JAMA 276, 1832. aber nicht zu voller Blase, mitunter auch herrscht, dass die Betroffenen gesell- 6. Sevestre et al. Eur. Urol 44:128-31. 7. Staskin DS., Vardi Y., Siroki MB., 1988, J. Urology, Medikamente, wie Cholinergika und schaftsfähig werden. Lediglich bei De140: 117-8. Alphablocker, den Restharn auf akzep- menten oder Verwirrten ist dieses Ziel table Werte senken (unter 50% der nicht zu erreichen. Univ. Prof. Dr. Helmut Madersbacher, funktionellen Blasenkapazität). Gelingt Leiter der Neuro-Urologie der dies nicht, so sollte vor Legen eines DauZusammenfassung Universitätsklinik für Neurologie, erkatheters, transurethral oder suprapubisch, der intermittierende Kathete- Die Ursache der Harninkontinenz im Medizin. Univ. Innsbruck, rismus erwogen werden. Das Alter als Alter ist meist multifaktoriell, viele Ur- Anichstr. 35, A-6020 Innsbruck 38 GERIATRIE JOURNAL 4/07 G E R I AT R I E J O U R N A L – S P E Z I A L Geriatrische Rehabilitation nach dem GKV-WSG Reha auch bei Demenz-Patienten Früher wurden Patienten mit einer Demenz aus der geriatrischen Rehabilitation oft nach dem Motto „Wer nicht gut im Kopf ist, ist auch nicht rehafähig“ ausgeschlossen. Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) mag viele Schwächen haben, aber gerade in dieser Hinsicht wird es zu Verbesserungen führen. Mobilität vor und nach Reha-Maßnahme Quelle: Gassmann Prozent der Patienten 100 bei Aufnahme 80 bei Entlassung 60 40 20 0 keine Demenz Demenz keine Demenz Demenz nicht gehfähig mit Hilfe gehfähig selbständig gehfähig M it dem neuen Gesetz sind geriatrische Reha-Leistungen klar als Pflichtleistung der Krankenkassen definiert. Damit steht es nicht mehr in der Entscheidung der einzelnen Kassen, ob sie diese Leistungen übernehmen oder nicht. Wie Prof. Dr. med. Ingo Füsgen, Wuppertal, auf dem 26. Workshop des Zukunftsforums Demenz mitteilte, waren früher demente Patienten besonders benachteiligt. Man war der Meinung, dass bei ihnen die Rehabilitation keinen Sinn machen würde, eine Ansicht, die mittlerweile widerlegt werden konnte. Nunmehr soll mit dem neuen Gesetz auch der ältere, chronisch Kranke die Chance auf eine Rehabilitation bekommen. So soll die geriatrische Rehabilitation beispielsweise auch bei fortgeschrittener Demenz, eine Wiedereingliederung in das soziale Umfeld und eine Reduzierung der Pflegebedürftigkeit ermöglichen. Mehr Selbstständigkeit mit Memantine Damit dies gelingen kann, müssen die ganzheitlichen Bedürfnisse des Dementen erfasst und behandelt werden. Dazu gehöGERIATRIE JOURNAL 4/07 Mobilität bei Aufnahme und Entlassung (Timedup-and-goTest) bei dementen und nichtdementen Patienten ren neben einer internistischen Therapie, einer psychosozialen Betreuung oder körperlichem Training auch eine medikamentöse antidementive Therapie etwa mit Memantine. In einer Meta-Analyse sechs plazebokontrollierter Studien von Winblad et al., 2007, zeigten Patienten unter Memantine deutliche Fortschritte in ihrer Kognition, ihren Alltagsaktivitäten und im klinischen Gesamtbild. In Bayern gibt es seit 1999 das Projekt „Geriatrie-in-Bayern-Datenbank“ (GiBDat). Hierbei werden alle Behandlungsfälle geriatrischer Einrichtungen zentral gespeichert und ausgewertet. PD Dr. med. KarlGünter Gassmann, Erlangen, wies darauf hin, dass dementielle Erkrankungen nicht gesondert in den Hauptdiagnosen aufgeführt werden, jedoch als Begleitdiagnose erscheinen. Nach einer Analyse aus dem Jahr 2006 litten 40% der geriatrischen Rehapatienten an einer Demenz. Das Rehapotenzial dieser Patienten wird zu Unrecht oft sehr kritisch bewertet, wie Gassmann darstellen konnte. Die Patienten verbesserten sich trotz einer ungünstigen funktionellen Ausgangslage durchaus im Hinblick auf ihre Mobilität (siehe Abbildung), ihre Gangsicherheit und Selbstständigkeit im Alltag. Entsprechend nimmt die Pflegebedürftigkeit auch von Patienten mit fortgeschrittener Demenz ab und die Verlegung in eine stationäre Pflegeinrichtung kann vermieden oder zumindest verzögert werden. Der Datenbank zufolge musste nur einer von fünf Patienten aus der Reha in eine Pflegeeinrichtung wechseln. Alle anderen wurden wieder nach Hause entlassen. Fazit von Dr. Gassmann: Die Notwendigkeit einer geriatrischen Reha-Maßnahme sollte auch bei dementen Patienten geprüft werden, denn die Chance auf eine erfolgreiche Behandlung ist durchaus gegeben. Daten, die diese Position stärken, lieferte auch PD Dr. med. Annette Welz-Barth, Wuppertal. Ihr ging es in einer eigenen Untersuchung ebenfalls um Möglichkeiten und Sinnhaftigkeit einer geriatrischen Rehabilitation bei dementen Patienten. Die 100 Teilnehmer waren zu 97% aus anderen Kliniken verlegt worden, die anderen kamen von zu Hause. Die verlegenden Kliniken hatten nur bei 7% kognitive Störungen gemeldet, obwohl in Wirklichkeit bei 64% derartige Defizite vorlagen. WelzBarth stellte fest, dass zwischen dementen und nicht dementen Patienten keine Unterschiede in der Verweildauer bestanden und der gleiche Rehaerfolg erzielt werden konnte. MB Impressum S P E Z I A L 26. Workshop des Zukunftsforum Demenz „Geriatrische Rehabilitation – Vom Ermessen zur Pflicht auch für den dementen Patienten“, unterstützt von Merz Pharmaceuticals, am 9. Juli 2007 in Erlangen Berichterstattung: Martin Bischoff Redaktion: Jola Horschig Layout: Sabine Löffler Druck: Verlag Gödicke Druck & Consulting, Hannover Auflage: 5.500 Exemplare 39 P H A R M A : S Y M P O S I E N & P R A X I S I N F O R M AT I O N E N PDE-5-Hemmer Pharmakologische Unterschiede beeinflussen Patientenpräferenz Zur Behandlung der Erektilen Dysfunktion (ED) gibt es drei zugelassene PDE-5Hemmer. Sie sind vergleichbar und verträglich, schlussfolgert Dr. P.J. Wright vom Wolfson Research Institute der Universität Durham in einer Übersichtsarbeit [1]. Der Autor vergleicht Sildenafil-Citrat, Vardenafil HCI und Tadalafil auf Basis der aktuellen Studienlage. Aus dieser geht u.a. hervor, dass die unterschiedlichen pharmakologischen Eigenschaften die Patientenpräferenz zu beeinflussen scheinen. Dr. Wright vergleicht die PDE-5-Hemmer anhand aktueller Studien zur Wirksamkeit und Verträglichkeit der einzelnen Produkte sowie dreier Patientenpräferenzstudien [2, 3, 4] zwischen Sildenafil-Citrat und Tadalafil. Die drei vergleichbaren Wirkstoffe unterscheiden sich wie folgt: Sildenafil-Citrat und Vardenafil HCI verfügen über eine Halbwertzeit von vier Stunden, Tadalafil von 17,5 Stunden. Letzteres kann zudem nahrungsunabhängig eingenommen werden, denn Rate und Ausmaß der Re- sorption werden nicht durch Nahrungsmittel beeinflusst [5, 6, 7]. In diesen Eigenschaften sieht Wright eine mögliche Ursache für die Ergebnisse der Studie zur Patientenpräferenz. Mehrheitlich zogen diese eine Behandlung mit Tadalafil vor. So präferierten in der offenen, multizentrischen, randomisierten Crossover-Studie von Eardley et al. 71% der Patienten (n = 206) eine Behandlung mit Tadalafil gegenüber 29% (n = 85) mit Sildenafil-Citrat [4]. 376 Männer mit ED, die zuvor noch nicht mit einem PDE-5Hemmer behandelt wurden, erhielten zunächst für einen Zeitraum von zwölf Wochen randomisiert Tadalafil oder Sildenafil-Citrat. Danach gab es für den gleichen Zeitraum die jeweils andere Medikation. 291 Patienten durchliefen beide Therapiephasen. Sie wurden am Studienende gefragt, welches der Präparate sie für die nächsten acht Wochen einnehmen wollten. Die Übersichtsarbeit von Wright geht in einem Absatz auf den möglichen Nutzen Analgesie Morphin nicht der Goldstandard In der Schmerztherapie mit Opioiden kann Morphin als Referenzsubstanz gelten, aber der Goldstandard ist es auf Grund der Nebenwirkungen und der Kontraindikationen nicht. Diese Auffassung vertraten die Referenten des vom Gesprächskreis Ost der Forschenden Arzneimittelhersteller ausgerichteten Pressegesprächs. Zu den wichtigsten Kriterien der Schmerztherapie zählt die individuelle Situation des Patienten, denn „bei der Therapie sind neben der Wirksamkeit auch die Nebenwirkungen der eingesetzten Medikamente zu berücksichtigen“, betonte Prof. Dr. med. Enno Freye, Abteilung für Gefäßchirurgie der HeinrichHeine-Universität Düsseldorf. Dazu zählt fast immer eine Obstipation, die nicht nur die Lebensqualität des Patienten deut- 40 lich reduziert, sondern auch eine effektive Analgesie, weil sie häufig eine weitere Steigerung der Opioiddosis unmöglich mache. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion aktive Metabolite akkumulieren und z.B. Halluzinationen verursachen können. Außerdem wirkt Morphin immunsuppressiv, und viele der Patienten seien auf Grund ihres Alters oder der Grunderkrankung ohnehin immungeschwächt. Für Dr. Thomas Nolte, Schmerzzentrum Wiesbaden, bedeutete das Festhalten am Morphin, wie es von patientenfernen Organen der Gesundheitsverwaltung propagiert wird, nicht nur eine inakzeptable Beeinträchtigung der Lebensqualität und Funktionalität der Patienten. Auf einer regelmäßigen Dosierung von Tadalafil ein. Eine tägliche Einnahme entspricht nicht der aktuellen Zulassung. Tadalafil 10 mg und 20 mg sind vorgesehen zur Einnahme vor einer erwarteten sexuellen Aktivität. Literatur 1. Wright PJ. Comparison of phosphodiesterase type 5 (PDE5) inhibitors. Int J Clin Pact 2006; 60: 967-75 2. von Keitz A et al. A multicenter, randomized, doubleblind, crossover study to evaluate patient preference for tadalafil and sildenafil. Eur Urol 2004; 45: 499-507. 3. Ströberg P et al. Switching patients with erectile dysfunction from sildenafil citrate to tadalafil: results of a European multicenter, open-label study for patient preference. Clin Ther 2003; 25: 2724-37. 4. Eardley I et al. An open-label, multicentre, randomized, crossover study comparing sildenafil citrate and tadalafil for treating erectile dysfunction in men naïve to phosphodiesterase 5 inhibator therapy. BJU International 2005; 95: 1323-32. 5. Nichols DJ et al. Pharmacokinetics of sildenafil after single oral doses in healthy male subjects: absolute bioavailability, food effects and does proportionality. Br J Clin Pharmacol 2002; 53 (Suppl. 1): 5S-21S. 6. Stark S et al.: Vardenafil increases penile rigidity and tumescence in men with erectile dysfunction after a single oral dose. Eur Urol 2001; 40: 181-8 7. Patterson B et al. The effect of intrinsic and extrinsic factors on the pharmacokinetics properties of tadalafil (IC351). Int J Impot Res 2001; 13 (Suppl. 5): S62 (Abstract 16). Quelle: Lilly Deutschland GmbH, Pressemitteilung vom 16. März 2007, www.lilly-pharma.de Grund der z.T. unkalkulierbaren Risiken gerade bei älteren und multimorbiden Patienten gefährde es auch die körperliche Gesundheit. Bei Patienten mit Polymedikation etwa sei Morphin kontraindiziert, vor allem, wenn die Begleitmedikamente über das Cytochrom P450-System abgebaut werden. Gleiches gelte für Patienten mit kognitiven Störungen, Nieren- oder Leberinsuffizienz, vorbestehender Obstipation und immunologischen Problemen. In all diesen Fällen sind neuere Opioide (wie Hydromorphon, Oxycodon/Naloxon, Tilidin/Naloxon, transdermales Buprenorphin oder transdermales Fentanyl) – mit wenigen Ausnahmen und in unterschiedlichen Konstellationen – Mittel der ersten oder zweiten Wahl. Mit Blick auf die Therapiekosten erklärte Nolte: „Unter ökonomischen Gesichtspunkten ist die nebenwirkungsärmere oder -freie Therapie immer die günstigere Option – durch die Vermeidung von Folgekosten.“ GERIATRIE JOURNAL 4/07 P H A R M A : S Y M P O S I E N & P R A X I S I N F O R M AT I O N E N Dr. med. Till Wagner, Chefarzt der Klinik für Schmerztherapie am Medizinischen Zentrum Aachen, hob hervor, dass die Therapie mit Morphin nur vermeintlich günstig ist. Zwar ergebe sich ein Kostenvorteil, wenn die im Arzneimittelindex aufgeführten „angenommenen mittleren Tagesdosen“ (Defined Daily Doses, DDD) zugrunde gelegt würden. Berücksichtige man aber die äquipotenten (d.h. nach der Wirkstärke bereinigten) Dosierungen, schmelze der Preisvorteil von retardiertem Morphin dahin. „Werden dann noch die Ko-Therapeutika zur Behandlung der Nebenwirkungen hinzugerechnet, verursacht diese Therapie am Ende die höchsten Kosten“, erklärte Wagner. Laut mehr als 200 Studien, die den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechen, hätten alle neueren Opioide ein günstigeres Nebenwirkungsprofil als Morphin, so Wagner weiter. „Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen“, zitierte Dr. jur. Ronny Hildebrand, Dierks & Bohle Rechtsanwälte, Berlin, aus dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V, §2 Abs. 1). Bleibt die Schmerztherapie hinter dem Facharztstandard zurück, liegt ein Behandlungsfehler vor und der Patient Alzheimer Demenz Dualer AChE-Hemmer verzögert Krankheitsverlauf In Deutschland leiden derzeit etwa 1,2 Mio. Menschen an einer Demenz, davon 600.000 an Alzheimer. Eine frühzeitige Therapie mit Medikamenten kann ein Fortschreiten der Krankheit effektiv verzögern und Betroffene können lange selbstständig bleiben. Ein Presse-Workshop im März 2007 in Seeon nahm sich dieses Themas an. Hier wurden verschiedene Diagnose- und Therapieverfahren vorgestellt und diskutiert. Insgesamt, so hieß es, werden AChE(Acetylcholinesterase)-Hemmer derzeit noch zu wenig eingesetzt. Nur 26% der an Alzheimer-Demenz erkrankten Patienten werden überhaupt mit einem modernen Antidementivum behandelt. Auch gebe es zwischen den einzelnen Wirkstoffen große Unterschiede. Besonderes Augenmerk galt auf dem Workshop dem modernen AChE-Hemmer Galantamin (Reminyl®) mit seinem dualen Wirkungsprinzip. Prof. Alfred Maelicke, Mainz erklärte: „Als einzige Substanz der Wirkstoffgruppe der AChE-Inhibitoren hemmt es nicht nur den Abbau des Botenstoffes Acetylochin, der eine besondere Bedeutung für Denk- und Lernprozesse besitzt. Darüber hinaus moduliert er die nikotinergen Rezeptoren und erGERIATRIE JOURNAL 4/07 leichtert so die neuronale Signalerweiterung.“ Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Reminyl den bei Alzheimer-Demenz charakteristischen Abbau von Nervenzellen hemmt. Eine Vergleichsstudie mit Donepezil zeigt eine bessere Wirkstärke und Wirkungsdauer bei dem dualen AChEHemmer. Maelicke: „Dieses Antidementivum weist eine breite – symptomatische und protektive – Wirkung auf.“ Auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) bestätigt die Vorteile einer Behandlung dementer Patienten mit AChEHemmern. In seinem auf der Grundlage von kontrollierten Studien erstellten Abschlussbericht gibt es Belege dafür, dass die kognitive Leistung günstig beeinflusst wird. Aktivitäten des täglichen Lebens können von den Patienten besser bewältigt werden. PD Dr. Bernd Ibach, Neuss, betonte: „ Bei Galantamin verbessern sich auch neuropsychiatrische Symptome, wie Wahn oder Aggressivität. Der Betreuungsaufwand lässt sich pro Tag um zwei Stunden reduzieren.“ Das britische National Institute of Clinical Excellence (NICE) zeigte in einer Metaanalyse mehrerer Studien eine Verbesserung der kognitiven Leistungen un- hat ggf. Anspruch auf Schadenersatz. Zwar fordere das SGB V „nur“ eine ausreichende ärztliche Leistung. „Das bedeutet aber nicht Schulnote 4, sondern das Ziel erreichen. Und dazu zählt in der Schmerztherapie auch eine gute Lebensqualität“, betonte der Jurist. Wer dem Bedarf des Patienten gemäß ein anderes Opioid als retardiertes Morphin verordnet, sollte allerdings auf eine sorgfältige Dokumentation achten. Quelle: Gesprächskreis Ost Forschender Arzneimittelhersteller LunchPressekonferenz „Goldstandard Morphin? Eine realistische Bewertung ...“, Freitag, 11. Mai 2007, Berlin ter Galatamin. Bei leichter Erkrankung lag die Verbesserung bei 2,4, bei moderater um 4,1 und bei mäßig-schweren Fällen bei 6,1 Punkten auf der ADAS-Cog. (Alzheimer’s Disease Assessment ScaleCognition). Unbehandelte Patienten verschlechtern sich jährlich zwischen 8 und 11 Punkten. Unter dem dualen Wirkungsmechanismus von Galatamin profitieren Alzheimer-Patienten durch eine Verzögerung ihres Krankheitsverlaufs. Zusätzlich kann ihre Funktionalität verbessert, der Betreuungsaufwand verringert und die Lebensqualität gesteigert werden. Literatur: 1. Brodaty H, et al. Galantamine prolonged-release formulation in the treatment of mild to moderate Alzheimer’s disease. Dement Geriatr Cogn Disord 2005; 20 (2-3): 120-32. 2. Rockwood K, et al. Attainment of treatment goals by people with Alzheimer’s disease receiving galantamine: a randomized controlled trial. CMAJ 2006; 174 (8): 1099-105. 3. Sano M, et al. the effects of galantamine treatment on caregiver time in Alzheimer’s disease. Int J Geriatr Psychiatry 2003; 18: 942-50 4. Presse-Workshop: „Alzheimer-Demenz: Bedeutung verschiedener Diagnoseverfahren und Stellenwert des dualen AChE-Hemmers Galantamin in der Therapie“ am 7. und 8. März in Seeon, Janssen-Cilag 5. Maelicke A. Klinische Bedeutung: Dualer Wirkmechanismus von Galatamin zur Behandlung de Alzheimer-Demenz. Psychoneuro 2005; 31 (5): 243-6 6. Wilcock G, et al. A long-term comparison of galantamine and donepezil in the treatment of Alzheimer’s disease. Drugs Aging 2003; 20 (10): 777-89 7. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG). Cholinesterasehemmer bei Alzheimer Demenz. Abschlussbericht A0519A. Köln: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG); Februar 2007 41 P H A R M A : S Y M P O S I E N & P R A X I S I N F O R M AT I O N E N 8. Matthews F, et al. MRC Report appendixB, http://www.nice.org.uk/page.aspx?o=288664 9. Stern RG et al. A longitudinal Study of Alzheimer’s disease: measurement, rate, and predictors of cognitive deterioration. Am J Psychiatry 1994; 151: 390-6 10. Waldemar G, Phung KT, Burs A, Georges J, Hansen FR, Iliffe S et al. Access to diagnostic evaluation and treatment for dementia in Europe. Int J Geriatr Psychiatry 2007; 22:47-54 Quelle: Janssen-Cilag GmbH, Neuss, Pressemitteilung vom 9. Mai 2007; www.janssen-cilag.de Hypertonie Kombinationstherapie für hypertonen Diabetiker bessere Wahl Welche Strategie ist bei kardiovaskulären Risikopatienten mit Typ 2 Diabetes die überlegenere, die Monotherapie oder die niedrig dosierte Kombinationstherapie? Dies war das Thema auf einem Symposium im April in Mannheim anlässlich des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Vorgestellt wurde eine neue Studie (STRATHE-Studie). 533 Hypertoniker mit einem Ausgangsblutdruck von 166/98 mmHg erhielten entweder eine sequentielle Monotherapie, eine Stufentherapie oder die niedrig dosierte Fixkombi- nation Perindopril/Indapamid (2 mg/ 0,625 mg, Preterax®). Die Ergebnisse, so der Leiter der Studie Prof. Dr. Roland Schmieder, Erlangen, sprechen eine eindeutige Sprache. Unter der Fixkombination war der systolische Blutdruck nach vier Wochen um etwa 4 mmHg mehr abgesunken. Zudem lag hier der Anteil der Patienten mit nunmehr kontrolliertem Blutdruck um 15% höher. Dass 4 mm HG für das kardiovaskuläre Risiko relevant ist, zeigt eine Metaanalyse aus 61 prosprektiven Studien. Die KHK- Akutschmerzen Postoperative Schmerzen mit Oxycodon therapieren Für Patienten mit akuten posttraumatischen Schmerzen gibt es seit Juli 2007 , solange diese z.B. nach einer Operation nicht schlucken können, Oxygesic® injekt. Das intravenös und subkutan injizierbare Medikament gibt es in Dosierungen zu 10 mg/1 ml und 20 mg/ 2 ml. Es wirkt innerhalb von 2-5 Minuten. Der maximale schmerzlindernde Effekt tritt nach 10-15 Minuten ein. Die Analgesie hält vier Stunden an. Die Dosierung kann gut und schnell an die Schmerzstärke angepasst werden. Die Substanz ist nach Angaben des Herstellers auch nach wiederholter Applikation gut steuerbar. Beim Abbau von Oxycodon entstehen im Vergleich zu Morphin keine therapeutisch aktiven Metabolite. Daher wird der Wirkstoff gut vertragen. Die Eleminationskinetik erlaubt nach Angaben des Herstellers eine sichere Einstellung von Risikopatienten, bei denen die Dosis ggf. reduziert werden muss. 42 Sobald der Patient wieder schlucken kann, ist eine schnelle und einfache Umstellung auf eine orale Therapie mit Targin möglich. Das Medikament ist eine Fixkombination aus retardiertem Oxycodon und retardiertem Naloxon. Ein Wechsel auf ein anderes Opiat ist so nicht notwendig. Die Behandlung mit einer einzigen analgetischen Wirksubstanz vermeidet umstellungsbedingte Nebenwirkungen. Die Compliance des Patienten wird so erheblich erhöht. Literatur: 1. KalsoE.: Oxycodone. J Pain Symptom Manage 2005; 29 (5. Suppl.): S 47-56. Review 2. Kalso E. et al: Intravenous morphine and oxycodone for pain after abdominal surgery. Acta Anaesthesiol Scand 1991; 35 (7): S 642-646 Quelle: Mundipharma GmbH & Co. KG, Limburg a.d. Lahn, Pressemitteilung vom 19. Juni 2007; www.mundipharma.de Mortalität sank um 7% pro 2 mmHG Differenz und die Schlaganfall-Mortalität um 10%. Die europäischen Fachgesellschaften ESC und ESH empfehlen die initiale Kombinationstherapie bei hohem kardiovaskulären Risiko und niedrigem Zielblutdruck, z.B. 130/85 mmHG und Typ-2-Diabetes oder Nierenerkrankung. Bei der Kombination mehrerer Antihypertensiva sind Diuretika beliebt. In Deutschland wird am häufigsten Hydrochlorothiazid (HCTZ) eingesetzt. Hier liegt die Halbwertzeit bei zwölf Stunden. Indapamid hingegen, mit einer Halbwertzeit von 18-24 Stunden, senke den Blutdruck effektiv über 24 Stunden. Darauf verwies Prof. Schmieder auf dem Symposium. Das Medikament erweise sich somit als idealer Partner für den ebenfalls 24 Stunden wirkenden ACE-Hemmer Perindopril. Bei der Behandlung des hypertonen Diabetikers sind aber nicht nur der hohe Blutdruck zu senken, auch die metabolische Neutralität und Organprotektion sind zu fordern. Denn, so Prof. Dr. med. Heinrich Holzgreve, München, das kardiovaskuläre Risiko dieser Konstellation übersteige das jeder dieser Erkrankungen alleine um das 2-4-fache. In einer Studie (PREMIERStudie) zeige sich, dass Perindopril/Indapamid in der Reduktion der Albuminurie bei diabetischer Nephropathie als deutlich effektiver als der ACE-Hemmer Enalapril. Zudem sei das Risiko, einen neuen Diabetes zu entwickeln, unter einer Langzeittherapie mit ACE-Hemmern und AT1Blocker sowie Kalziumantagonisten sehr viel geringer als unter Betablocker und Diuretika. Literatur: 1. Symposium „Rationale antihypertensive Therapiestrategien bei kardiovaskulären Risikopatienten mit Typ 2 Diabetes – was ist gesichert?“, Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, 13.04.07, Mannheim 2. Strategies of Treatment in Hypertension: Evaluation Mourad JJ et al. J. Hypertens. (2004) 22: 2379-2386 3. Prospective Study Collaboration. Lancet 2002: 360; 1903-13 4. Blood Pressure Lowering Treatment Trialists Collaboration, Arch. Intern. Med. 2005 5. Preterax in Albuminuria Regression Mogensen C et al. Hypertension 2003 Quelle: Servier GmbH, München; Pressemitteilung vom 9. Mai 2007, www. servier.de GERIATRIE JOURNAL 4/07 IMPRESSUM/TERMINE Impressum Termine 2007 Herausgeber: @ 5. September 2007, Lutherstadt Eisleben Prof. Dr. Dr. med. G. Kolb, Lingen; Prof. Dr. med. I. Füsgen, Wuppertal; Prof. Dr. med. C. Sieber, Nürnberg; Prof. Dr. med. B. Höltmann, Grevenbroich; Prof. Dr. R. Hardt, Trier; PD Dr. M. Haupt, Düsseldorf; Dr. D. Lüttje, Osnabrück Redaktion: Jola Horschig (Ltd. Redakteurin, presserechtlich verantwortlich), Im Kampe 9, 31832 Springe, Telefon: 0 50 41 / 98 90 58, Telefax: 0 50 41/ 98 90 59, e-Mail: [email protected] Herstellung: Sabine Löffler (verantwortlich) Grafik: Sabine Löffler (verantwortlich) Verlag: gerikomm Media GmbH, Winzerstr. 9, 65207 Wiesbaden Verlagsleiter: Reiner Münster, Telefon: 0 61 22 / 70 52 36, Telefax: 0 61 22 / 70 76 98, e-Mail: [email protected] Anzeigen: Reiner Münster, Telefon: 0 61 22 / 70 52 36, Telefax: 0 61 22 / 70 76 98, e-Mail: [email protected] Zur Zeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 01.01.2004 Anzeigenschluss: 3 Wochen vor Erscheinen Rechte: Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mirkoverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag behält sich das ausschließliche Recht der Verbreitung, Übersetzung und jeglicher Wiedergabe auch von Teilen dieser Zeitschrift durch Nachdruck, Fotokopie, Mikrofilm, EDVVerwertung on- und off-line, Funk- oder Fernsehaufzeichnung vor. Jede gewerblich hergestellte oder benutzte Fotokopie verpflichtet nach Paragraph 54 (2) UrhRG zur Gebührenzahlung an die VG Wort, Abt. Wissenschaft, Goethestr. 49, 80336 München, von der die Modalitäten zu erfragen sind. Hinweise: Die in dieser Zeitschrift angegebenen Dosierungen vor allem von Neuzulassungen sollten in jedem Fall mit den Beipackzetteln der verwendeten Medikamente verglichen werden. Alle Informationen werden nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für die Richtigkeit gegeben. Vertrieb: gerikomm Media GmbH, Reiner Münster, Telefon: 0 61 22 / 70 52 36, Telefax: 0 61 22 / 70 76 98 Bezugspreise: Jahresbezugspreise für 6 Ausgaben inkl. 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V., Tel. 05 61 / 7 80 604, Fax: 05 61 / 77 67 70, eMail: [email protected], Internet: www.kontinenz-gesellschaft.de @ 9./10. November 2007, Kiel Kontinent bleiben – kontinent werden. 19. Kongress der Deutschen Kontinenz Gesellschaft e. V. Informationen: Deutsche Kontinenz Gesellschaft e. V., Tel. 05 61 / 78 06 04, Fax: 05 61/776 770, eMail: [email protected], Internet: www.kontinenz-gesellschaft.de @ 12.-16. November 2007 Heidelberger Basiskurs – Palliativmedizin/ Palliative Geriatrie Informationen: Bethanien-Krankenhaus – Geriatrisches Zenrum – Agaplesion Akademie Heidelberg, Almut Lawall, Rohrbacher Str. 149, 69126 Heidelberg, Tel. 0 62 21 / 3 19-16 31, Fax: 0 62 21 / 3 19-16 35, eMail: [email protected], www.agaplesion-akademie.de @ 14. November 2007, Amberg 1. Fachtagung: Demenz – eine Herausforderung für Politik und Gesellschaft Informationen: Verein zur Förderung der Seelischen Gesundheit im Alter im Landkreis Amberg-Sulzbach und Stadt Amberg e.V., Paulanergasse 18, 92224 Amberg, Tel. 0 96 21 / 37 24 13, Fax: 0 96 21 / 37 24 19, www.sega-ev.de @ 15.-17. November 2007, Nürnberg 16. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie e.V. (DGG) Informationen: Deutsche Gesellschaft für Geriatrie e.V. (DGG), Reiner Münster, Winzerstr. 9, 65207 Wiesbaden, Tel. 0 62 21 / 70 52 36, Fax: 0 61 22 / 70 76 98, eMail: [email protected], www.dggeriatrie.de @ 16./17. November 2007 Tübinger HELP Symposium für Alterswissenschaften Informationen: Geriatrisches Zentrum am Universitätsklinikum Tübingen, Antonia Gaertner, Osianderstr. 24, 72076 Tübingen, Tel. 0 70 71 / 2 98 65 28, Fax 0 70 71 / 29 41 41, eMail: [email protected], Internet: www.medizin.uni-tuebingen.de/interdisz_einr/geriatrisches_zentrum/ @ 21.-24. November 2007, Berlin Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) Kongress 2007 Informationen: CPO Hanser Service GmbH, Paulsborner Str. 44, 14193 Berlin, Tel. 0 30 / 3 00 66 90, Fax: 0 30 / 30 06 69 50, eMail: [email protected], www.dgppn-kongress.de 43