Legends of Beauty - Absolut Beautiful
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Legends of Beauty - Absolut Beautiful
B e a u t y- H i s t o r y Fo to : C ha ne l D eu af tu t y - H i s t o r y B Legends of Beauty Wer setzte Meilensteine im Bereich der Schönheitspflege? Welche Frauen waren ihrer Zeit stets voraus, welche Männer prägten die Beauty-History? Wer aller schuf sein Kosmetik-Imperium mit Fleiß, Mut zum Risiko und mehr als nur einer Prise Genialität? Welche Produkte haben anscheinend kein Ablaufdatum, weil sie schon vor Jahrzehnten so modern und innovativ wie heute waren? AB auf den Spuren der „Legenden der Schönheit“. Im Jahre 1909 ist „Coco“ Chanel eine Schönheit mit schwerem dunklen Haar und einem wundervollen Profil. Gegen die herrschende Mode verweigert sie das Korsett – all ihre Erfolge liegen noch vor ihr. ( Foto aus „Coco Chanel, Ihr Leben in Bildern“). 68 A b s o l u t Beautiful Text: Doris Springenfels Absolut BeauTiful 69 Missionarinnen der Schönheit Sie wurden nicht reich geboren, sondern mussten sich aus eigener Kraft hocharbeiten, waren innovative Workaholics, Kontrollfreaks und - notwendigerweise - auch FrühEmanzipierte, die ihre Männer (in einer Zeit, in der deutsche Frauen beispielsweise noch um das Wahlrecht kämpfen mussten) mit der allergrößten Selbstverständlichkeit in die Nebenrolle drängten. Bis ins hohe Alter lenkten sie das Geschick ihrer Konzerne, stets bereit, sich fortzubilden und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse umzusetzen. Untereinander verfeindet bis aufs Blut, spornte der Konkurrenzkampf sie zu Höchstleistungen an, obwohl (oder gerade weil) sie an sich viel gemeinsam hatten. Die Rede ist von den vier Grandes Dames der jüngeren Beautygeschichte: Coco Chanel, Helena Rubinstein, Elizabeth Arden und Estée Lauder. Sie alle schufen ihre Imperien mit Fleiß, Mut zum Risiko und mehr als nur einer Prise Genialität. Wie alles Begann Am Weihnachtstag 1870 in Krakau als Älteste von acht Schwesterngeboren, kannsich Helena Rubinstein als Kind schon für die 70 A b s o l u t Beautiful Nicht nur Elizabeth Arden selbst ist eine Beautylegende, auch ihre 1935 lancierte „Eight Hour Cream“ gilt bis heute als der Geheimtipp für beanspruchte Haut. Sie pflegt rissige Lippen, raue Ellbogen und heilt sogar kleine Verletzungen. Als Chefinnen wurden die drei durchsetzungsfähigen Damen nicht nur verehrt, sondern auch gefürchtet. Mrs. Lauder (linkes Foto) war wegen ihrer Hartnäckigkeit legendär: Um die Parfum-Einkäufer der Pariser Galeries Lafayettes von ihrem „Youth Dew“ zu überzeugen, verschüttete sie „versehentlich“ etwas davon auf dem Boden – die Zahl der von dem Duft angelockten Kundinnen war ihr stärkstes Argument. Auch „Coco“ Gabrielle Chanel führte ein strenges Regiment. Sie war bereits in den 20er Jahren ein wahrer Workaholic, war Kettenraucherin und vergrub sich nach dem Tod ihrer großen Liebe Boy Chapels geradezu in die Arbeit. Heute, um die 40 Jahre nach ihrem Tod, gilt Coco Chanel immer noch als Stilikone und Vorbild. Ihre Düfte sind ebenso wie sie selbst legendär und ihr Imperium ist am Olymp der Kosmetikindustrie platziert! Foto s : C han e l Hautcreme ihrer Mutter begeistern. Als sie, eine aufmüpfige junge Frau, zu ihrem Onkel nach Australien zieht, nimmt sie ein paar Tiegel davon mit – eigentlich nur für den Eigenbedarf. Doch angesichts der sonnenverbrannten und ausgetrockneten Haut der Australierinnen erkennt sie eine Marktlücke und eröffnet ein Geschäft, das so gut geht, dass sie ihr Start-Darlehen von 250 Pfund binnen sechs Monaten zurückzahlen kann. Acht Jahre später, am 31. Dezember 1878 wird in Toronto Rubinsteins härteste Konkurrentin geboren: Florence Nightingale Graham, später bekannt als Elizabeth Arden, wuchs als vorletztes von fünf Kindern von britischen Einwanderern auf. Von ihrer abgebrochenen Krankenschwesternlehre bringt sie eine Hautcreme mit, um sie weiterzuentwickeln, damit sie nicht nur heilt, sondern auch verschönt. Nach einem Umzug nach New York beginnt sie als Kassierin bei einer renommierten KosmetikFirma und überredet die Besitzerin, sie auszubilden. Im Alter von 31 – aber mit dem Aussehen und angeblich auch dem Benehmen einer 20-jährigen – eröffnet sie ihren ersten Salon. Coco Chanel, eigentlich Gabrielle Bonheur Chanel, erblickte das Licht der Welt am 19. August 1883 in Saumur, Frankreich als zweite uneheliche Tochter des Hausierers Albert Chanel und Jeanne Devolle. Noch in Gabrielles Kindheit starb ihre Mutter. Die junge Gabrielle verbrachte sechs Jahre im Waisenhaus des katholischen Klosters von Aubazine, wo sie den Beruf der Näherin erlernte und damit die Basis für ihr späteres Leben als Modeschöpferin schuf. Mit der finanziellen Hilfe zweier Männer eröffnete sie ihre ersten Läden – dank Etienne Balsans 1910 in Paris ein Hutatelier und durch Arthur („Boy“) Capel 1911 ihr Modehaus. Der erste Juli 1908 gilt als das „allgemein akzeptierte“ Geburtsdatum von Esty (Esther) Mentzer, spätere Lauder. Sie stammt von einem tschechischen Vater und einer ungarischen Mutter ab, die ihre sechs Kinder aus erster Ehe mitgebracht hat. Vor den Nazis nach New York geflohen, stößt auch noch Onkel Johann zur Familie, ein Hautspezialist, der sich im kleinen Stall hinter dem Haus ein Labor einrichtet. Esty darf mitexperimentieren – und entwickelt die Super Rich All-Purpose Cream, die sie an freiwilligen und unfreiwilligen Opfern ausprobiert. Als verehelichte Lauder zieht sie nach Manhattan und experimentiert in ihrer Küche unentwegt weiter. Erste Erfolge stellen sich ein, als sie bei dem Friseur „House of Ash Blondes“ die Chance erhält, Fotos : El iza b e th A r de n S ie badete in Milch und Honig: Kleopatra – die wohl erste aller weiblichen Beauty-Legenden. Ihre Schönheit galt als einzigartig, ihr Charme ebenso. Ihr Name wurde zum Symbol für Luxus und Erotik, ihr Antlitz geisterte durch die Träume der Männer. Ihre Geschichte inspirierte Historiker, Dichter und Filmemacher gleichermaßen. Noch heute - nach mehr als 2000 Jahren – ist ihr Ruf als Männer mordende Bestie und göttliche Dirne nicht verblasst. Die Griechen rühmten die stolze Ptolemäerin als göttliche Regentin, als Verkörperung der Schutzgöttin Isis und als Frau, die sich gerne dem Ritual der Körperpflege widmete. Ihr Bad in Eselsmilch ist ebenso legendär wie ihr exakt gezogener Lidstrich. „Alles, was sie tat“, schrieb der antike Historiker Plutarch, „tat sie mit voller Hingabe. Wenn sie liebte, liebte sie ganz und gar, wenn sie hasste, hasste sie mit Inbrunst, wenn sie trauerte, dann aus vollem Herzen.“ Vielleicht ist das auch das Geheimnis ihres Charismas, denn Schönheit ist letztendlich relativ. Optische Schönheit kann erst bezaubern, wenn sie verbunden ist mit einer ganz speziellen Ausstrahlung. Kommt zu der Ausstrahlung noch eine Portion Mut, Kraft und der starke Wille, etwas Schönes, Bleibendes zu schaffen, dann kann aus einer Schönheit eine Legende werden. B e a u t y- H i s t o r y F oto: E s te e L au d e r B e a u t y- H i s t o r y die Kundinnen – gratis – zu schminken und gleichzeitig ihre Produkte zu bewerben. Innovationen Die vier Konkurrentinnen sind, jede für sich, innovative Genies. Zu allererst einmal im Bereich Produktentwicklung, wo sie immer wieder mit Weltneuheiten von sich reden machen. 1921 kreierte Coco Chanel zusammen mit dem Parfumeur Ernest Beaux das erste Parfum aus synthetischen Komponenten (Chanel Nº5). Es war das erste verbreitete Parfum, das nicht nach Blumen roch, sondern durch eine so genannte Aldehydnote geprägt war. Rubinsteins Wimperntusche Mascara-Matik, später auch in der wasserfesten Version, und Ardens Eight Hour Cream setzten Meilensteine in der Kosmetik. Jede der Damen vertrat ein ganzheitliches Konzept: In Ardens Salon etwa gibt es eigene Räume für Yoga-, Stepptanz- und Fechtunterricht, 1936 gründet sie die erste Schönheitsfarm; Rubinstein etablierte den „Schönheitstag“. Standard setzend sind sie vor allem aber auch im Bereich Marketing gewesen. Lauder cremte und schminkte zu Beginn ihrer Laufbahn Frauen beim Friseur umsonst, in der Hoffnung, sie als Kundinnen zu gewinnen, und „erfand“ die Gratisprobe. 4 Absolut BeauTiful 71 2008 B e a u t y- H i s t o r y B e a u t y- H i s t o r y Die zierliche Helena Rubinstein liebte große Auftritte: „Sie sah aus wie eine russische Zarin“, meinte sogar Estée Lauder. Ein Meilenstein in Sachen Mascara gelang Helena Rubinstein. Vor 1957 wurde Mascara in Blockform basierend auf Carnaubawachs verkauft. Die Bürste zum Auftragen wurde angefeuchtet und dann über den Block gestrichen. Bis die amerikanische Beauty-Pionierin 1957 die bis heute gebräuchliche, dickflüssige Mascara im Fläschchen auf den Markt brachte, die sich ohne Vorbereitung auftragen lässt. Unsere Informationen über Helena Rubinstein stammen aus: „Helena Rubinstein. apropos“ von Michaela Wunderle sowie aus „Der Kampf um die Schönheit“. Jahrhundertkarrieren. Helena Rubinstein. Elizabeth Arden. Estée Lauder von Doris Burchard. „Eine Aufsehen erregende Garderobe ist auf meinem Gebiet unerlässlich“, stellte Helena Rubinstein fest. Und tatsächlich, mehr noch als Inserate und Mundpropaganda waren die Firmengründerinnen selbst ihre besten Werbeträger. Am prächtigsten trat die nur 1 m 45 große und nicht ganz schlanke Rubinstein auf: Mehr noch als Inserate und Mundpropaganda waren die Firmengründerinnen Gabrielle, Helena, Elizabeth und Estée selbst ihre besten Werbeträger. „Sie sah aus wie eine russische Zarin, mit Rubin-Ringen, so groß wie Taubeneier an ihren aufgeregten Fingern. Ihr Gesicht sah absolut großartig aus, aber ihr Hals war weniger perfekt“, erinnerte sich Lauder. Rubinstein wiederum urteilte über die schlanke Arden: „Sieht gut aus! Tolle Haut, gutes Kinn, aber zu viel Farbe im Haar für ihr Alter!“ Als blond, zierlich, blauäugig und ausgesprochen feminin wird Estée Lauder beschrieben. Die stilprägendste war aber sicherlich Coco Chanel, deren klarer Sinn für Eleganz bis heute trendsetzend ist. Beautiful Pato u Was bleibt? 300 Jahre sollte die Firma Rubinstein nach Wunsch der Gründerin überdauern; tatsächlich wurde sie aber schon bald nach ihrem Tod verkauft und ist nicht mehr in Familienbesitz. Ähnlich erging es dem Lebenswerk von Elizabeth Arden, zwischen 1915 und 1920 immerhin der größte Kosmetikkonzern der Welt, der allein in den USA jährlich über 2 Mio. US Dollar Umsatz machte: da sie zu Lebzeiten keine Stiftung gegründet hatte, waren Erbschaftssteuern in Millionenhöhe zu bezahlen – Verkauf schien die einzige Lösung. Auch Chanels Imperium konnte nach ihrem Tod erst nicht an die Erfolge anknüpfen, die es unter Cocos Leitung hatte. Es geriet in den Ruf, Mode für reiche, ältere Damen zu kreieren. Das änderte sich jedoch 1983 schlagartig, als Karl Lagerfeld begann, für Chanel Mode zu entwerfen und das Haus zu seinem früheren Ruhm zurückführte. Eigentümer ist heute die Familie Wertheimer. Allein die Firma Lauder ist, trotz Börsengangs, auch heute noch fest in der Hand der Familie, mittlerweile unter Beteiligung der dritten Generation. Abgesehen von den reellen Werten ist das Vermächtnis der Grand Dames jedoch ein beträchtliches: Ihre Düfte und Cremen sind heute weltweit ein Begriff, stehen für Qualität und beste Ingredienzen. Viele von ihnen sind ebenso zur Legende geworden wie jene innovativen Frauen, die sie kreiert haben. g Fotos : C h l oé , Pr ada , L an c ôm e , Y v es S ai nt L au r e n t Image, Stil und Markenzeichen Die Rezepturen der Schönheitsmittel wurden streng gehütet: Bei Lauder wird ein Duft zum Beispiel nur zu 98 Prozent in der Fabrik fertig gestellt – die restlichen 2 Prozent muss ein Familienmitglied hinzufügen, um sicherzustellen, dass es keine Betriebsspionage gibt. Ähnlich geheim gehalten wurde das tatsächliche Alter der vier Diven. Erst knapp vor ihrem Tod mit 94 Jahren gab Helena Rubinstein („Eine Frau soll sich und der Welt gegenüber aufrichtig sein, wenn sie, sagen wir, das neunte Jahrzehnt überschritten hat.“) ihr tatsächliches Geburtsjahr bekannt. L a n c ôm e Grosse Geheimnisse und kleine Schummeleien Rubinstein wiederum lancierte ihren Duft Heaven Scent, indem sie in der Fifth Avenue tausende blaue Luftballons aufsteigen ließ, an denen jeweils ein Mini-Flakon hing. 72 A b s o l u t Di o r 2008 Men‘s Business Männer wissen, was Frauen gefällt. Sie wissen aber auch, was Frauen noch schöner macht. Und das seit geraumer Zeit. Dort, wo Frauen zu Beginn des letzten Jahrhunderts auch ihre wirtschaftliche Kompetenz unter Beweis stellen mussten, konnten sich ihre männlichen Kontrahenten in Ruhe auf die Verknüpfung von Wissenschaft und Kosmetik konzentrieren und somit den Grundstein zu Firmenimperien legen, die noch heute den Markt bestimmen. Text: Doris Springenfels Absolut BeauTiful 73 B e a u t y- H i s t o r y B e a u t y- H i s t o r y Meilensteine setzte auch Jean Paul Gaultier immer wieder (Foto rechts). „Warum habe ich Lancôme gegründet? Weil ich feststellen musste, dass Frankreich eine immer geringere Rolle auf dem Schönheitsmarkt spielte. Das wollte ich wieder ändern. ” Armand Petitjean, Gründer von Lancôme Obwohl Kosmetik und Mode traditionell ein eher weibliches Metier sind, behaupteten sich schon früh einige Männer in diesen Disziplinen. Einer der ersten war Paul Poiret, der in der Belle Epoque des beginnenden 20. Jhdts. den Begriff des Couturier Parfums eingeführt hatte. Sein Rosine passte perfekt zum Frauenbild der Zeit – elegant, luxuriös und befreit vom Korsett. Ein weiterer Parfumhersteller, der von sich reden machte, war François Coty, der 1910 als „der“ Parfumeur von Paris galt. Coty kreierte als erster nicht nur für den Adel, sondern versuchte mittels kleinerer, erschwinglicher Flakons auch einen erreichbaren Luxus zu schaffen. Coty arbeitete erst mit Baccarat und dann mit René Lalique zusammen und diese Verbindungen sorgten dafür, dass die Düfte nicht nur die Nasen der Damen erfreuten, sondern auch eine wahre Augenweide waren. 1912 trat dann erstmals ein Mann in Erscheinung, dessen Name auch heute noch für erlesene Düfte und feinste Kosmetik steht: Jacques Guerlain lancierte L’Heure Bleu mit großem Erfolg. Jean Paul Guerlain, war der letzte einer langen Reihe von Parfumeur en des Unternehmens, der aus der Familie stammte. 74 A b s o l u t Krieg und Frieden Der erste Weltkrieg unterbrach jäh den Höhenflug der Parfumherstellung, doch in den zwanziger Jahren hatte sich alles wieder beruhigt und ungefähr zur gleichen Zeit, als Coco Chanel ihr N°5 auf den Markt brachte, begann auch Jean Patou mitzumischen. Sein wohl größter, bleibender Erfolg war Joy (1931). Auch das Haus Guerlain war nach dem Krieg außerordentlich aktiv. Drei seiner großen legendären Düfte entstanden: Mitsouko (1919), Shalimar (1925) und Vol de Nuit (1932). Bei Coty wurde man in den 20ern auf einen Mann aufmerksam, der schon bald eines der berühmtesten Kosmetikhäuser der Welt gründen sollte: Armand Petitjean wurde zunächst mit der Leitung der brasilianischen Coty-Niederlassung bedacht und kurz darauf zum Generaldirektor des französischen Mutterhauses. Im Rahmen dieser Tätigkeit erwarb er Fertigkeiten und Fähigkeiten und entwickelte die für die Parfumschöpfung unerlässliche „Nase“. Nach dem Tod von François Coty verließ Petitjean die Firma, um am 21. Februar 1935 seine eigene elitäre Luxusmarke für Parfum und Kosmetik zu gründen: Lancôme. Eine ganze Reihe von Cotys Mitarbeitern ging mit ihm: die Brüder d’Ornano für den kommerziellen Bereich, der Glaskünstler Georges Delhomme für den Entwurf der Flakons und Schatullen, der Chemiker Pierre Vélon und der Jurist Edouard Breckenridge. Die Parfums entwickelte Petitjean selber, so wie er auch die begleitenden Texte entwarf. Bereits einen Monat später kamen fünf Parfums, zwei Eaux Beautiful de Cologne, ein Puder und mehrere Lippenstifte auf den Markt. Es gelang Petitjean auch, die Teilnahme an der Weltausstellung in Brüssel zu arrangieren, wo die Marke offiziell lanciert und prompt prämiert wurde. Die Einrichtung einer eigenen Fabrik in Courbevoie und einer Boutique im noblen Pariser Faubourg Saint-Honoré in der gleichnamigen Straße (Hausnummer 29) gingen der spektakulären Entwicklung des Unternehmens voraus, das in sechs Monaten 31 Märkte erobert hatte. Schon 1935 wünschte sich Armand Petitjean Pflegeprodukte von höchstem Niveau, vergleichbar mit seinen Parfums. Aus diesem Grunde wendete er sich der Wissenschaft zu. 1936 brachte Lancôme Nutrix auf den Markt, eine intensiv nährende Creme, die Dank der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Arbeiten der Doktoren Medynski und Simonnet und des Chemikers Pierre Velon entwickelt werden konnte. Eine reichhaltige Creme, die die Vitalität der Haut schützt und durch Stimulierung der Zellaktivität die Hautzellen unterstützt. Dann erneut ein Rückschlag für die Kosmetikindustrie – der Zweite Weltkrieg ließ die Menschen an anderes denken als an betörende Düfte und die Industrie stand kurz vor dem Ruin. Aber nicht einmal das konnte Petitjean einbremsen: Mit unermüdlichem Schöpfergeist gründete er im Februar 1942 die „Ecole Lancôme“ genannte hauseigene Schule, in welcher er sein „Charme-Kommando“ ausbilden ließ, Kosmetikerinnen und Botschafterinnen für die Eroberung neuer Märkte in der ganzen Welt. Nach dem Krieg war Christian Dior einer der ersten, der mit einem Schlag den grauen Kriegslook vergessen machte: er präsentierte schwingende Röcke, schmale Taillen und bloße Schultern. Dazu passte sein Miss Dior (1947), Diorama (1949) und Diorissimo (1955). Die Dior-Düfte wurden bereits damals von der Moët-Gruppe finanziert, die auch heute noch die Geschicke des Hause lenkt. In diesen Jahren betrat auch ein Mann, der von sich selbst behauptet „Ich bin ja eigentlich langweilig“, die Pariser Modeszene: Karl Lagerfeld. Von 1958 bis 1963 künstlerischer Direktor bei Jean Patou. Im Anschluss daran wechselte Karl Lagerfeld 1963 als künstlerischer Direktor zu Chloé. Revolution Während der späten 50er und 60er Jahre prosperierte die westliche Welt wie nie zuvor und mit ihr auch alles, was Luxus und Eleganz verhieß. Nach dem Tode Diors trat ein Mann in seine Fußstapfen, dessen Initialen schon bald zu den berühmtesten der Welt zählen sollten: der 21-jährige Yves Saint Laurent. Nach dem Weggang von Dior wurde YSL nicht nur zum Meister außergewöhnlicher, avantgardistischer Couture, auch seine innovativen Düfte und die damit verbundenen Skandale sind bis heute unvergessen. Immer wieder schockierte der eigentlich schüchterne und zurückgezogene Künstler: So etwa 1971, als Der Meister der Eleganz: Giorgio Armani (oben).YSL (rechts) schuf innovative Düfte wie Rive Gauche oder Opium – die damit verbundenen Skandale sind bis heute unvergessen. F otos : Dio r , G u e r l ai n, L a n co me , Patou, G au lti e r , Y SL , L ag e r fe l d, Ar m a n i, M u g l e r Männer im Dienste der Schönheit sein erster Herrenduft YSL pour homme auf den Markt kam. Yves Saint Laurent zog sich kurzerhand für die Werbekampagne aus und posierte nackt auf einem Samtkissen. Auch die Lancierung seines orientalischen Damendufts Opium 1977 zog den Groll so mancher Moralapostel auf sich. Immerhin hatte sich der gebürtige Algerier einen recht provokanten Namen für seine Kreation ausgesucht, die mit ihren würzigen, sinnlichen Akkorden die Sehnsüchte der modernen Frauen verkörperte und die Übertretung von Tabus suggerierte. Die Revolution, die YSL in den 60er Jahren verkörperte, ging weiter und 1978 erregte Karl Lagerfeld mit seinem ersten Herrenduft „für mutige Männer“ Aufsehen. Weitere neue „junge Wilde“ er-oberten das Terrain, um Düfte zu schaffen, die auch heute noch in den Badezimmerregalen stehen: Man denke an Angel (1992), mit dem sich Thierry Mugler ein Denkmal gesetzt hat, an den transparenten Duft L’Eau d’Issey des japanischen Designers Issey Miyake, der bis heute aus den Regalen der Beauty-Stores nicht mehr wegzudenken ist. Ein Meilenstein ist auch Jean Paul Gaultiers Classique (1993), ein sinnlicher Damenduft in einem Flakon, der eine Frauenbüste im Korsett darstellt. Sein Schöpfer, der von sich selbst behauptet: „Ich wollte eigentlich nie berühmt sein“, galt lange Zeit als Enfant terrible der französischen Mode. Weniger wild, dafür aber umso eleganter gestaltete sich Giorgio Armanis Eintritt in die Welt der Düfte. Begonnen hat die Geschichte des Armani Parfums mit seinem ersten Damenparfum, Armani, im Jahr 1982. Zwei Jahre später folgte dann Armani Die Revolution, die YSL in den 60er Jahren verkörperte, ging weiter und 1978 erregte Karl Lagerfeld (rechts) mit seinem ersten Herrenduft „für mutige Männer“ Aufsehen. Damals „junge Wilde“ wie z. B. Thierry Mugler (oben) oder Jean Paul Gaultier lancierten Düfte, die auch heute noch in den Badezimmerregalen stehen: Der blaue Stern Angel (1992), oder Classique (1993) im berühmten Korsettflakon. pour Homme. 1995 schließlich wurde jene Duftserie lanciert, die zum absoluten Klassiker des Hauses wurde: Acqua di Gió für Damen und in Folge Acqua di Gió Homme, das bis heute einer der meist verkauften Herrendüfte der Welt ist. Wer schaffte die Jahrtausendwende? Imperien, die Jahrzehnte überdauern, gibt es zum Glück viele. Und auf legendäre Firmengründer wie Christian Dior, Jacques Guerlain oder François Coty folgten andere, die ihr „Werk“ fortsetzten. Dior und Guerlain gehören heute beide zur LVMH Group. Bis 2002 war bei Guerlain noch immer ein FamiliDior, Lancôme, YSL, Guerlain – sie alle enmitglied für die verfügen über legendäre Firmengründer. Duftherstellung verantwortlich, aber mit dem Ruhestand Jean-Paul Guerlains ist es damit vorbei. Coty ist heute ein Kosmetikmultikonzern, zu dem unter anderem so erfolgreiche Marken wie Lancaster, Jil Sander, Joop oder Marc Jacobs gehören. Lancôme gehört seit 1974, fünf Jahre nach dem Tod des Sohnes Petitjeans, zur L’Oréal Group, die auch die Düfte von Altmeister Giorgio Armani vertreibt. Auch YSL-Cosmetics gliederte sich letztes Jahr in die Riege der hochkarätigen Luxusbrands des Kosmetikmultis ein. Und Kaiser Karl? Dem ist es gelungen, zur lebenden Legende zu werden. Sein Stil ist einzigartig, was er anfasst wird zum Erfolg – egal ob Duft, Mode oder g Fotografie. Absolut BeauTiful 75 B e a u t y- H i s t o r y E igentlich hatte Cristobal Balenciaga nur die Wahl, Fischer wie sein Vater oder Priester, wie sein Onkel zu werden – 1895 mitten im spanischen Baskenland geboren gab es wenig, was sich sonst noch einem Mann an Arbeit anbot. Doch beides erschien dem jungen, temperamentvollen Südländer wenig reizvoll: Da interessierte ihn das Handwerk seiner Mutter, die Schneiderin war, schon wesentlich mehr. Stundenlang saß er bei ihr und beobachtete, wie sie Schnitte zeichnete und wohlhabende, aber nicht allzu wohlproportionierte Kundinnen in wahre Schönheiten verwandelte. Er half seiner Mutter, so gut er konnte, lernte nähen und fing an, selbst Kleider zu entwerfen. Der Marquise von Casa Torres gefiel, was sie da in der Werkstatt seiner Mutter sah, sie fragt ihn, ob er nicht eine Kopie ihrer Pariser Robe, die auf ihren Reisen schon etwas gelitten hatte, anfertigen könne. Er nahm den Auftrag an, veränderte den Schnitt ein wenig zugunsten seiner neuen Kundin, wählte andere Stoffe und lieferte das Modell an die Gräfin, die schlichtweg begeistert war. Sie zeigte das Kleid ihren Freundinnen, die nun auch Roben im Pariser Stil, der damals vor allem von den Modehäusern Worth, Doucet und Drecoll inspiriert wurde, von Cristobal haben wollten – so konnte der damals 24-Jährige bald seinen ersten Salon in San Sebastian eröffnen. Meister der perfekten Schnittführung Cristobal Balenciaga brach schnell mit größter Sorgfalt herkömmliche Strukturen auf, setzte sie wie bei einem Puzzle neu zusammen und vereinfachte dann alles, um schließlich immer wieder die perfekte Linie zu finden. Sein Meisterstück aber war der dreidimensionale Schnitt, der seine Haute Couture-Kreationen wie Skulpturen wirken ließ: „Ein großer Modeschöpfer muss ein Architekt für den Schnitt, ein Bildhauer für die Form, ein Maler für die Farbe, ein Musiker für die Harmonie und ein Philosoph für den Stil sein“, kommentierte er seine Auffassung von Design und tatsächlich nannte man ihn später auch den „Picasso der Mode“. Ein Spanier in Paris „Sie müssen nicht schön sein” soll Cristobal Balenciaga einst zu einer Kundin gesagt haben, „meine Kleider erledigen das für Sie”. Das Pariser Modehaus des gebürtigen Spaniers war bis zu den späten 60er Jahren Treffpunkt der internationalen High Society, dann wurde es still um den Namen. Erst der junge Franzose Nicholas Ghesquière konnte dem Traditionsnamen neues Leben einhauchen, das heute wieder im Ruf einer Kultmarke steht. Text: Susanne Baust 76 A b s o l u t Beautiful Fotos: Balenciaga Neuer Anfang in Paris Als der Spanische Bürgerkrieg seine Salontüren erreichte – das Baskenland mit seinen Autonomiebestrebungen war einer der Brennpunkte dieser Auseinandersetzungen – flüchtete der Pazifist aus Überzeugung Hals über Kopf nach Paris. Sein Ruf und seine Kreationen waren ihm schon vorausgeeilt und so bereitete es ihm keine Probleme, an einer der exklusivsten Adressen der französischen Hauptstadt, der Avenue Georges V Nr. 10, nur wenige Schritte von den Champs Elysées entfernt, ein neues Zuhause für seine Marke zu finden. Die klassische Schönheit und Eleganz der Modelle ließ sein Modehaus bald zum Lieferanten vieler gekrönter Häupter und berühmter Persönlichkeiten werden: die Königinnen von Spanien und Belgien gehörten ebenso dazu wie die Fürstin von Monaco und die Herzogin von Windsor. Von Audrey Hepburn wird sogar erzählt, sie hätte gesagt, dass sie „Schaum vor dem Mund bekäme“, wenn sie Cristobal Balenciaga tragen dürfe – der Meister selbst hingegen mied öffentliche Auftritte und machte nur immer wieder durch seine Arbeit auf sich aufmerksam. Mit seinen innovativen Kollektionen schwamm er konsequent gegen den Strom und erneuerte vieles in der Mode: auf seinen Einfluss sind Kreationen wie das „Baby Doll“, Tunikakleider und der „U-Boot-Kragen“ zurückzuführen, die jahrelang den formalen Stil der französischen Mode beeinflusst haben. Um den Versuchen, seine Modelle zu kopieren, zu entgehen, präsentierte er seine HauteCouture konsequent einen Monat später als alle anderen Modehäuser – und überraschte alle immer wieder mit seinen kraftvollen Kollektionen und seiner ausgefeilten Schnitttechnik. Legenden sterben nicht Als Cristobal Balenciaga das dreißigjährige Jubiläum seines Pariser Salons feierte, überraschte er die Modewelt mit einer weiteren Sensation: Er zog sich komplett zurück und ging wieder nach Spanien, wo er vier Jahre später im Alter von 77 Jahren verstarb. Sein Name hingegen wurde weiterhin für verschiedene Lizenzprodukte verwendet, trotzdem geriet er immer mehr in Vergessenheit. Erst als der damals 25-jährige Franzose Nicholas Ghesquière nach zwei Jahren Assistenz bei Jean-Paul Gaultier die Linzenzproduktion der Marke für Japan übernahm, geriet das schon ziemlich verstaubte Modehaus wieder in Bewegung. Ghesquière gab sich nämlich nicht mit seiner ursprünglichen Aufgabe zufrieden, sondern brachte unter der Schirmherrschaft von Balenciaga auch einige viel beachtete Prêt-á-Porter-Kollektionen auf den Markt, um auch in Europa wieder Fuß fassen zu können. Es kam genauso, wie Ghesquière es vorausgesehen hatte: Das Modehaus wechselte – nun wieder zum Prestigeobjekt geworden – in den Besitz des französischen Luxusgüterkonzerns PPR (zu dem auch Gucci gehört) und hatte damit die Möglichkeit, wieder zum „Global Player“ auf dem Gebiet der Mode zu werden. Nicholas Ghesquière gilt heute nicht nur als einer der begabtesten Designer der neuen Generation, sondern auch als guter Stratege. Und so fand er es heuer an der Zeit, für das Modehaus auch wieder ein Parfum zu erschaffen: „Balenciaga Paris – 10 Avenue Georges V“ ist nicht nur eine geglückte Hommage an die feminine Eleganz, die der Begründer der Marke niemals aus den Augen verlor, sondern mit der zarten Veilchen-Note auch eine Referenz an die facettenreiche Persönlichkeit von Charlotte Gainsbourg, die Nicholas Ghesquière seit Jahren als Inspiration dient und nun zur Repräsentantin des Duftes geworden ist, der von Coty Prestige auf den Markt gebracht wird. Und so haben die beiden jungen Franzosen ein neues Zeitalter bei Balenciaga eingeläutet – modern und doch der Tradition des g Hauses entsprechend. Absolut BeauTiful 77