FSF-Jahresbericht 2004
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FSF-Jahresbericht 2004
Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V. Jahresbericht 2004 Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V. Jahresbericht 2004 Impressum: Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V. Schöneberger Ufer 1-3 10785 Berlin Kontakt: Fon: 030 - 230 836 0 Mail: [email protected] © Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V. Berlin, im Juni 2005 Inhalt VORWORT ............................................................................................................................................9 1. VORGESCHICHTE ..........................................................................................................13 1.1 DIE FREIWILLIGE SELBSTKONTROLLE FERNSEHEN (FSF) ..................................................14 1.2 DIE ERSTEN JAHRE DER FSF ................................................................................................16 1.3 DER JUGENDMEDIENSCHUTZ-STAATSVERTRAG ................................................................18 1.4 UMSETZUNG DER GESETZLICHEN VORAUSSETZUNGEN ...................................................20 1.4.1 Unabhängigkeit und Sachkunde der Prüferinnen und Prüfer ...................................20 1.4.2 Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen .........................................................................20 1.4.3 Sachgerechte Ausstattung durch eine Vielzahl von Anbietern ..................................21 1.4.4 Vorgaben für Prüfentscheidungen .................................................................................21 1.4.5 Vorlage einer Verfahrensordnung über die Vorlagepflicht der Sender ....................22 1.4.6 Überprüfung der Entscheidungen durch landesrechtlich bestimmte Träger der Jugendhilfe ..................................................................................................................24 1.4.7 Anhörung der Anbieter und schriftliche Begründung der Entscheidung................24 2. INHALTLICHE SCHWERPUNKTE DES JUGENDMEDIENSCHUTZES ..............25 2.1 ASPEKTE DER MEDIENWIRKUNGSFORSCHUNG .................................................................26 2.1.1 Gewalt ..................................................................................................................................26 2.1.2 Angst und Angstverarbeitung ........................................................................................28 2.1.3 Darstellung von Sexualität ...................................................................................................29 2.2 NEUE FERNSEHFORMATE ......................................................................................................31 2.3 DAS ALTER ALS KRITERIUM FÜR DIE VERSTEHENSFÄHIGKEIT .........................................33 3. SICHERUNG DER UNABHÄNGIGKEIT UND QUALITÄT DER PRÜFUNGEN ..35 3.1 DAS KURATORIUM ................................................................................................................35 3.1.1 Arbeitsgruppe „Programm und neue Formate“...........................................................35 3.1.2 Arbeitsgruppe „Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung“ ..............................36 3.2 FORTBILDUNG DER PRÜFERINNEN UND PRÜFER ..................................................................37 5 Inhalt 4. PRÜFUNGEN 2004 ........................................................................................................... 41 4.1 ZAHLEN UND ENTWICKLUNG............................................................................................ 41 4.2 ORGANISATION ................................................................................................................... 52 4.3 INHALTE .............................................................................................................................. 54 4.3.1 Zusammenspiel von Prüfausschüssen und Kuratorium ............................................ 54 4.3.2 Lenya und Lara Croft: Angst und das Verhältnis von Angst und Gewalt im Tagesprogramm................................................................................................................ 55 4.3.3 Darstellungen von Sexualität und sexualisierte Sprache............................................ 60 4.3.4 Scare Tactics – Menschenwürdeverstoß im „Versteckte Kamera“-Format?............ 62 4.3.5 Viva la Bam und Schürmanns Gebot – Tabuverletzungen und das Überschreiten von Ekelschwellen ............................................................................................................ 65 4.3.6 Schönheitsoperationen in Unterhaltungsformaten ..................................................... 68 4.3.6.1 I want a famous face......................................................................................................... 68 4.3.6.2 Alles ist möglich! .............................................................................................................. 73 4.3.6.3 Nip/Tuck und Beauty Queen......................................................................................... 76 4.3.6.4 The Swan – amerikanisches Original und deutsche Fassung .................................... 77 4.3.6.5 Schönheit um jeden Preis – Letzte Hoffnung Skalpell ................................................ 78 4.4 PRÜFUNGEN DURCH DIE JURISTISCHEN SACHVERSTÄNDIGEN ........................................ 80 4.5 OFFENE FRAGEN: ABSTIMMUNG ZWISCHEN JUSCHG UND JMSTV ..................................... 82 5. DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN KJM UND FSF ....................................................... 85 5.1 KOMMUNIKATION ................................................................................................................ 85 5.2 BEURTEILUNGSSPIELRAUM .................................................................................................. 90 5.3 RECHTLICHE AUSEINANDERSETZUNGEN MIT DER KJM ...................................................... 91 6. PROGRAMMBEGLEITUNG ......................................................................................... 93 6.1 ANFRAGEN UND BESCHWERDEN BEI DER JUGENDSCHUTZ-HOTLINE .................................. 93 6.1.1 Programmbeschwerden im Jahre 2004................................................................................ 94 6.1.2 Arbeitsweise der Jugendschutz-Hotline .............................................................................. 96 6.2 BERATUNG DER SENDER ...................................................................................................... 97 6 Inhalt 7. TAGUNGEN, VERÖFFENTLICHUNGEN, FORSCHUNG ........................................99 7.1 FACHTAGUNGEN ...............................................................................................................100 7.2 PUBLIKATIONEN ................................................................................................................101 7.2.1 Die Fachzeitschrift tv diskurs ........................................................................................101 7.2.2 Bücher ...............................................................................................................................102 7.3 FORSCHUNGSPROJEKTE UND STUDIEN.............................................................................103 7.3.1 Mitwirkung an der Spot-Kampagne "Gewalt ist keine Lösung" des VPRT............103 7.3.2 Die Show Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! und ihre jugendlichen Zuschauer ............................................................................................................................................104 7.3.3 FSF/FU-Forschungsprojekt „Angst als Risikodimension im Jugendmedienschutz: subjektive Theorien und faktische Erscheinungsformen“ ........................................105 7.4 DIE WEBSITE DER FSF........................................................................................................106 8. MEDIENPÄDAGOGIK ..................................................................................................107 8.1 UNTERRICHTSEINHEITEN ..................................................................................................108 8.2 INTERNETANGEBOT FÜR KINDER UND JUGENDLICHE ....................................................109 8.3. MITWIRKUNG AM PROJEKT MEDIA SMART – EIN MEDIENPÄDAGOGISCHES PROJEKT ZUM THEMA „WERBUNG“ FÜR DEN EINSATZ IN DER GRUNDSCHULE..........................110 8.4 PROJEKT „DARSTELLUNG VON KRIEG IN DEN MEDIEN“ ....................................................111 8.5 MEDIENPÄDAGOGISCHER PREIS FÜR WISSENSCHAFTLICH AUßERGEWÖHNLICHE LEISTUNGEN (MEDIEN-WAL)..........................................................................................112 ZUSAMMENFASSUNG ...................................................................................................................115 LITERATURHINWEISE .................................................................................................................129 ANHANG ............................................................................................................................................131 7 Vorwort Am 01. April 2003 trat ein neues Jugendschutzgesetz in Kraft. Eine wesentliche Zielsetzung war es, Einrichtungen der Selbstkontrolle im Bereich der Medienregulierung zu stärken. Die Grundlage dafür ist das Modell der regulierten Selbstregulierung. Die vom Staat für die Kontrolle des Jugendschutzes im Fernsehen und Internet eingesetzte Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) erkennt Selbstkontrolleinrichtungen der Anbieter an, wenn sie bestimmten, im Gesetz vorgeschriebenen Anforderungen entsprechen. Eine anerkannte Selbstkontrolle kann dann selbstständig für die Durchsetzung des Jugendschutzes gegenüber ihren Mitgliedern sorgen. Die KJM, so die Idee, soll sich also nicht mit einzelnen Programmen oder möglichen Verstößen auseinander setzen. Sie soll garantieren, dass das System funktioniert. Ihre Aufgabe besteht also darin, einzugreifen, wenn die Selbstkontrolle von den Mitgliedern nicht im ausreichenden Umfang genutzt wird oder wenn sie in ihren Programmprüfungen einen fachlich begründbaren Beurteilungsspielraum überschreitet. Dem Gesetzgeber war von vornherein klar, dass er mit diesem Modell neue Wege einschlägt und dass er in regelmäßigen Abständen überprüfen muss, ob es sich in der Praxis bewährt. Drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes soll die erste Evaluationsphase abgeschlossen sein. Die FSF ist seit dem 01. August 2003 anerkannt. Es zeigt sich, dass in fast allen Punkten die Erwartungen erfüllt wurden. Vor allem die Zahl der vorgelegten Sendungen weist darauf hin, dass sich die Anbieter an ihre Zusage halten, jugendschutzrelevante Programme im notwendigen Umfang der FSF zur Prüfung vorzulegen. So wurden im Jahr 2003 834 Programme geprüft, im Jahr 2004 765 Sendungen, was gegenüber den Vorjahren 2001 und 2002 eine Erhöhung des Prüfaufkommens um 9 Vorwort durchschnittlich ca. 50 % bedeutet. Besonders augenfällig ist die Zunahme von Ausnahmeanträgen: Im Jahr 2004 lagen immerhin 148 Filme vor (zum Vergleich 2003: 63 Filme; 2002: 49 Filme; 2001: 24 Filme). Hier zeigt sich, dass die FSF von den Sendern auf Grund der Tatsache, dass nun ausschließlich die FSF über Ausnahmeanträge entscheiden kann, stärker genutzt wird. Bemerkenswert ist auch die erhöhte Vorlage von TV-Movies und FSK-12-Filmen. Der vorliegende Jahresbericht stellt offen und praktisch dar, wie die FSF gearbeitet hat, wie Entscheidungsprozesse organisiert werden und welche Grundüberlegungen aus ihrer Sicht an Jugendschutzentscheidungen angelegt werden sollten. Die zuständigen Gremien der FSF sind sich bewusst, dass es sich bei Prüfergebnissen um Wertentscheidungen handelt, bei denen absolut objektivierbare Maßstäbe nicht herangezogen werden können. Wir wollen deshalb darüber informieren, wie gerade in strittigen Fällen die Gremien der FSF zu ihren Entscheidungen gelangen, um einen möglichst breiten und konstruktiven Diskurs zu ermöglichen. Auf dem Prüfstand steht auch die Frage, ob das Verhältnis zwischen Selbstkontrolle und Aufsicht richtig austariert ist und die Aufgabenverteilung zu einer Verbesserung des Jugendschutzes in den Medien führt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass beide erst einmal ihr Aufgabenfeld abstecken müssen und es ersichtlich Zeit braucht, bis die Abstimmungen und die Kommunikation so funktionieren, dass es dem gemeinsamen Ziel dienlich ist. Hinzu kommt, dass wesentliche Rechtsbegriffe, die das Verhältnis von KJM und der Selbstkontrolle betreffen, erst durch die Praxis und – notfalls – durch die Rechtsprechung interpretiert werden müssen. Dazu gehört vor allem die Frage, wie mit dem Beurteilungsspielraum der Selbstkontrolle umgegangen wird. Der vorliegende Bericht beschreibt die Erfahrungen mit dem neuen Jugendschutzrecht im Jahre 2004 aus Sicht der FSF, dem ersten Jahr, in dem die FSF vollständig als anerkannte Selbstkontrolle gearbeitet hat. Um nachvollziehbar zu machen, wie es zur Gründung der Selbstkontrolle bis hin zu den Überlegungen des Gesetzgebers, das 10 Vorwort System der regulierten Selbstkontrolle gesetzlich vorzugeben, gekommen ist und was die FSF unternommen hat, um die Anerkennung zu erreichen, wird dem Jahresbericht ein Kapitel Vorgeschichte vorangestellt, das diesen Weg beschreibt. Berlin, im Juni 2005 Joachim von Gottberg, Geschäftsführer der FSF 11 1. Vorgeschichte Anfang der 90er Jahre wurde in der Gesellschaft eine heftige Debatte über die Folgen der Darstellungen von Gewalt oder Sexualität im Fernsehen geführt. Die noch jungen privaten Fernsehsender mussten sich, teilweise mit vergleichsweise bescheidenen finanziellen Mitteln, gegenüber den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern etablieren und gestalteten ihr Programm überwiegend mit amerikanischen Spielfilmen und Serien, deren Handlungen häufig auf Gewaltkonflikten aufbauten. Vor dem Hintergrund der gesellschafts- und rundfunkpolitischen Diskussion, mit der zunehmenden technischen Reichweite sowie steigenden Zuschauerzahlen wuchs die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gegenüber diesen Programminhalten, die zuvor weniger Beachtung fanden. Die Landesmedienanstalten, die für die Kontrolle und Durchsetzung der Jugendschutzbestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages zuständig waren, entwickelten nur langsam geeignete Verfahren, um Jugendschutz im Fernsehen effektiv umzusetzen. Auch in den Sendern selbst mangelte es noch an Sensibilität für die Belange des Jugendschutzes. Eine heute selbstverständliche Struktur, beispielsweise die Einbindung der Jugendschutzbeauftragten in den Programmeinkauf und in die Programmplanung, war noch in den Anfängen ihrer Entwicklung. Neben diesen entwicklungsbedingten Problemen eines neuen, dualen Fernsehsystems hatten die Landesmedienanstalten aber auch mit strukturellen Problemen zu kämpfen. Aufgrund des Zensurverbotes in Artikel 5 Abs. 1 Grundgesetz war die vom Staat bestellte Aufsicht im Wesentlichen auf eine Kontrolle im Nachhinein beschränkt. Beanstandungen, die zum Teil erst nach langwierigen internen Verfahren ausgesprochen wurden, konnten darüber hinaus bei den Verwaltungsgerichten angefochten werden, so dass Klarheit über jugendschutzrelevante, programmliche Fragen oft erst Jahre nach der tatsächlichen Ausstrahlung einer Sendung erzielt wurde. Damit war der Effekt einer kurzfristigen Kriterienbildung innerhalb der Sender im Hinblick auf die Belange des Jugendschutzes erschwert. 13 Vorgeschichte In der politischen Diskussion wurde Anfang der 90er Jahre zunächst eine Verschärfung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Jugendschutz gefordert. Vor allem auf bundespolitischer Ebene wurde ein Ausstrahlungsverbot für Filme diskutiert, die in der Videofassung auf der Liste der jugendgefährdenden Schriften standen. Gleichzeitig war man sich aber auch bewusst, dass sich die Probleme bei der Durchsetzung gesetzlicher Vorschriften kaum durch schärfere gesetzliche Bestimmungen beheben ließen. Durch diesen Diskurs wuchs in den Sendern die Bereitschaft, in eigener Verantwortung etwas zu unternehmen, um das Programm nach Jugendschutzgesichtspunkten akzeptabel zu gestalten. Im Sommer 1993 beschlossen daher die privaten Sender, nach dem Vorbild der freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) eine eigene Selbstkontrolleinrichtung zu gründen. 1.1 Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) Zunächst war geplant, eine Selbstkontrolleinrichtung zu schaffen, in der zu drei gleichen Teilen Vertreterinnen und Vertreter aus dem Bereich Jugendschutz/Wissenschaft, den Sendern und den Landesmedienanstalten vertreten sind. Durch die Beteiligung der Landesmedienanstalten im Aufsichtsgremium über die Prüfungen der FSF (Kuratorium) sowie in den Prüfausschüssen selbst wurde erwartet, dass im Gegenzug die vom Staat beauftragte Aufsicht die Prüfergebnisse der FSF akzeptieren würde. Für Streitfälle war, vergleichbar mit der FSK, eine Art Appellationsverfahren vorgesehen. Da die Prüfergebnisse der FSF im Rahmen der Selbstverpflichtung der beteiligten Wirtschaft entstanden wären, hätte es selbst bei der Beteiligung von Prüfern der Landesmedienanstalten keine Probleme mit dem Verbot der Vorzensur gegeben. Dieses System hätte also eine Vorkontrolle auf freiwilliger Basis ermöglicht. Die Landesmedienanstalten sahen in diesem System jedoch eine unzulässige Vermischung von staatlicher Aufsicht und der von den Sendern finanzierten Selbstkontrolle, so dass sie diesem System nun ihre Mitarbeit verweigerten. Die FSF musste also eine Arbeitsweise finden, die in Bezug auf die Neutralität und Fachkompetenz ihrer 14 Vorgeschichte Prüfgutachten vergleichbar mit der FSK war, ohne jedoch durch das direkte Zusammenwirken von Aufsicht und Selbstkontrolle rechtsverbindliche Prüfergebnisse schaffen zu können. Im November 1993 wurde der Antrag gestellt, die FSF als gemeinnützigen Verein in das Vereinsregister einzutragen. Mitglieder waren alle bundesweit ausstrahlenden privaten Fernsehsender. Aus den Reihen der Mitglieder wurde ein Vorstand gewählt, der für organisatorische Fragen, für das Funktionieren der Geschäftsstelle sowie für die Finanzierung zuständig ist. Für alle Fragen, die formal und inhaltlich mit der Prüfung von Programmen zusammenhängen, wurde ein Kuratorium berufen, in dem allgemein anerkannte Experten in Fragen der wissenschaftlichen Medienwirkungsforschung, des Medienrechts, der Medienkritik oder der Jugendschutzpraxis vertreten sind. Ein Drittel der Mitglieder des Kuratoriums wurde von den Mitgliedssendern benannt. So war gewährleistet, dass die nicht sendergebundenen Mitglieder des Kuratoriums eine Mehrheitsentscheidung tragen können und zugleich die Sichtweisen der betroffenen Sender in ihre Arbeit mit einbezogen werden. Das Kuratorium ist ebenfalls für die Benennung der Prüferinnen und Prüfer, die laut Satzung der FSF über fachliche Kompetenz und Erfahrung in Jugendschutzfragen verfügen müssen, zuständig. Sie dürfen laut Prüfordnung nicht bei einem Sender oder in dessen Umfeld beschäftigt sein. Eine Liste der derzeitigen Kuratoriumsmitglieder und Prüfer/-innen der FSF befindet sich im Anhang (Anhänge III und IV). Um die Erfahrungen von FSK und Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM; vormals BPjS) zu nutzen, wurden für die Prüftätigkeit zu etwa 50 % Personen benannt, die auch in den Gremien dieser beiden Institutionen des Jugendschutzes tätig waren. 15 Vorgeschichte 1.2 Die ersten Jahre der FSF Im April 1994 nahmen die Prüfausschüsse der FSF ihre Arbeit auf. Dafür hatte das Kuratorium vorläufige Prüfgrundsätze verabschiedet, die von der Fachöffentlichkeit als geeignet und in Bezug auf den Kenntnisstand der Medienwirkungsforschung aktuell eingeschätzt wurden. Es zeigte sich bald, dass ein relativ hoher Anteil der Prüfanträge – ca. 40% – abgelehnt wurde. Teilweise geäußerte Befürchtungen, die Selbstkontrolle orientiere sich zu sehr an den Interessen der Mitglieder, bestätigen sich damit nicht. Als Problem stellte sich jedoch relativ bald heraus, dass die Kompetenzverteilung zwischen FSF und den Landesmedienanstalten gesetzlich nur unzureichend geregelt war. Zwar mussten die Landesmedienanstalten nach dem Rundfunkstaatsvertrag die Gutachten der FSF berücksichtigen, sie waren jedoch frei, im Ergebnis anders zu entscheiden. Dies machte sich besonders im Rahmen der so genannten Ausnahmegenehmigungen bemerkbar. Laut Rundfunkstaatsvertrag wurden Programme, die in der Kino- oder Videofassung von der FSK eine Freigabe ab 18 bzw. 16 Jahren erhielten, mit einer Sendezeitbeschränkung ab 23.00 Uhr bzw. 22.00 Uhr belegt. Wollten die Sender einen Film früher ausstrahlen, (beispielsweise dann, wenn es sich um einen älteren Film handelte, bei dem sich die Spruchpraxis des Jugendschutzes geändert hatte, oder wenn die für die hohe Freigabe verantwortlichen Szenen im Film geschnitten wurden), benötigten sie eine Ausnahmegenehmigung. Die FSF konnte Filme im Hinblick auf die angestrebte Ausnahme überprüfen und begutachten, das Prüfergebnis war jedoch für die Landesmedienanstalten nicht verbindlich. Bei Jugendschutzentscheidungen handelt es sich häufig um Wertentscheidungen – in diesen Kontext ist es einzuordnen, dass etwa ein Drittel der von der FSF positiv beschiedenen Anträge von den Landesmedienanstalten anders beurteilt und nicht akzeptiert wurden. 16 Vorgeschichte Für die Sender stellte sich hier sehr bald die Frage, welchen Sinn die Begutachtung durch die FSF für sie hatte. Eine Ablehnung durch die FSF mussten sie akzeptieren. Vor allem im Bereich der Serien und eigenproduzierten TV-Movies, die vor Gründung der FSF keiner systematischen Kontrolle unter Gesichtspunkten des Jugendschutzes unterlegen hatten, stellten ablehnende Prüfergebnisse der FSF z. T. erhebliche Programminvestitionen in Frage. Auf der anderen Seite boten die Freigaben der FSF keine Sicherheiten vor Beanstandungen, da die Landesmedienanstalten dem Ergebnis nicht folgen mussten.1 Die Folge dieser Situation war eine Schwächung der Position der FSF gegenüber den Sendern. Den Sendern fehlte der Anreiz, ein Programm durch die FSF bewerten zu lassen. Dies führte dazu, dass vor allem dann, wenn für wirtschaftlich wichtige Programme eine Sendezeit von 20.00 Uhr angestrebt wurde, auf Grund der Selbsteinschätzung des Senders aber eine Ablehnung durch die FSF wahrscheinlich war, auf eine Vorlage des Programms verzichtet wurde. Da die Landesmedienanstalten keine systematische Programmbeobachtung betrieben, standen die Chancen in solchen Fällen gut, einer Beanstandung zu entgehen. Hätte man den Film vorher der FSF vorgelegt, wäre das Risiko einer Ablehnung hoch. Im Falle einer Freigabe hätte der Sender nicht sicher sein können, damit eine mögliche spätere Beanstandung abzuwehren. Die Prüfung durch die FSF brachte also für die Sender nur Risiken und Nachteile, konkrete Vorteile waren nicht zu erkennen. Trotz erheblicher Bemühung der FSF, ihre Prüfkriterien mit den Landesmedienanstalten zu synchronisieren, um solche divergierenden Entscheidungen zumindest quantitativ zu reduzieren, ist es damals nicht gelungen, eine vernünftige, sachliche und auf die Interessen des Jugendschutzes bezogene Aufgabenverteilung zwischen Selbstkontrolle und vom Staat beauftragter Aufsicht zu entwickeln. Es zeigte sich bald, dass eine wirksame Selbstkontrolle und Aufsicht nur dann möglich ist, wenn dem Risiko eines Senders, dass sein vor der Ausstrahlung vorgelegtes Programm 1 Vergleicht man dieses System mit dem der FSK, so würde sicher kein Filmverleiher einen Prüfentscheid der FSK einholen, wenn diese nicht für die letztendlich gültige Entscheidung zuständig wäre. 17 Vorgeschichte abgelehnt wird, die Sicherheit gegenübersteht, dass im Falle einer Freigabe diese auch verbindlich ist. Solche und andere Überlegungen veranlassten den Gesetzgeber, bei einer Reform der Jugendschutzgesetze das System der so genannten regulierten Selbstregulierung einzuführen. 1.3 Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag Die im Sommer 2001 begonnene Diskussion um eine Reform des Jugendschutzrechtes wurde von drei Grundideen geleitet (siehe hierzu auch Deutscher Bundestag: Drucksache 14/9013): 1. Die Zusammenfassung von Jugendschutzbestimmungen verschiedener Gesetze in das Jugendschutzgesetz (JuSchG) für Offlinemedien und den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) für Onlinemedien, 2. weitgehende Angleichung der Jugendschutzbestimmungen für Fernsehen und Internet und 3. Stärkung der Selbstkontrolleinrichtungen. Für die Aufsicht über Fernsehen und Internet (Onlinemedien) wurde durch den Jugendmedienschutzstaatsvertrag die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) gebildet, ein Organ der Landesmedienanstalten, das aus zwölf Mitgliedern besteht. Davon werden sechs aus den Kreisen der Direktoren der Landesmedienanstalten gewählt, vier Mitglieder werden von den Obersten Landesbehörden benannt, zwei vom Bund. Die Landesmedienanstalten geben alle Jugendschutzverfahren an die KJM ab, die gemeinsam für alle Landesmedienanstalten die Entscheidung trifft. Das Gesetz bietet gleichzeitig den Anbietern die Möglichkeit, Institutionen der Selbstkontrolle einzurichten. In § 19 JMStV werden bestimmte Anforderungen an die Selbstkontrolle festgelegt. Werden diese erfüllt, so wird die jeweilige Einrichtung als Selbstkontrolle im Sinne des JMStV von der KJM anerkannt. Anerkannte Selbstkontrolleinrichtungen können mit der Selbstregulierung die Bestimmungen des Jugendschutzes gegenüber den Anbietern weitgehend eigenständig durchsetzen. Gegen18 Vorgeschichte über den Anbietern, die sich einer solchen Selbstkontrolleinrichtung angeschlossen haben, beschränkt sich die Zuständigkeit der KJM darauf, zu bewerten, ob sich die Anbieter und die Selbstkontrolle an die formalen Vereinbarungen halten. Von der Selbstkontrolle freigegebene Angebote können von der KJM nur dann anders bewertet werden, wenn die Prüfausschüsse der Selbstkontrolle einen fachlich begründeten Beurteilungsspielraum überschreiten. Eigene Entscheidungen kann die KJM nur dann treffen, wenn die Anbieter vorlagefähige Inhalte der Selbstkontrolle nicht zur Prüfung eingereicht haben. Für den Fall, dass ein nicht vorlagefähiger Inhalt gegen Jugendschutzbestimmungen verstößt, führt die KJM zunächst eine Prüfung durch die Selbstkontrolleinrichtung herbei. In diesem Falle gilt ebenfalls der Beurteilungsspielraum der Selbstkontrolleinrichtung. Die FSF hat alles daran gesetzt, bereits während des Gesetzgebungsverfahrens Voraussetzungen zu schaffen, die zu einem möglichst frühen Zeitpunkt den Antrag auf Anerkennung durch die KJM zulassen. Der Jugendmedienschutzstaatsvertrag trat am 01.04.2003 in Kraft, bereits bei der konstituierenden Sitzung der KJM am 02.04.2003 lag der Antrag auf Anerkennung der FSF mit den notwendigen ergänzenden Unterlagen vor. Die KJM ihrerseits setzte eine Arbeitsgruppe ein, um die von der FSF eingereichten Unterlagen im Hinblick auf die in § 19 JMStV formulierten Anforderungen zu überprüfen. In einem gemeinsamen Gespräch zwischen dem Vorstand der FSF und der KJM am 25.05.2003 konnten noch einige strittige Fragen geklärt werden, bereits am 18.06.2003 wurde gemäß einer Pressemitteilung der KJM die FSF anerkannt. Am 28.08.2003 lag der Anerkennungsbescheid der KJM vor, in dem die FSF rückwirkend zum 01.08.2003 anerkannt wurde. 19 Vorgeschichte 1.4 Umsetzung der gesetzlichen Voraussetzungen In § 19 Abs. 3 JMStV werden für die Anerkennung der FSF (sowie anderer Selbstkontrolleinrichtungen) folgende Voraussetzungen aufgeführt: 1.4.1 Unabhängigkeit und Sachkunde der Prüferinnen und Prüfer Die FSF hat von Anfang an Wert darauf gelegt, dass ihre Prüferinnen und Prüfer über umfangreiche Erfahrungen im Bereich des Jugendmedienschutzes oder der Medienpädagogik verfügen. Sie haben in der Regel ein Studium im Bereich Kommunikationswissenschaften, Pädagogik, Psychologie oder Rechtswissenschaften abgeschlossen und verfügen zum großen Teil über Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Die FSF hat dem Anerkennungsantrag eine Liste der etwa 100 Prüfer/-innen, erläutert durch eine aussagefähige Kurzbiografie, beigelegt. 1.4.2 Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen Im Rahmen der Beratungen während des Gesetzgebungsverfahrens haben vor allem die Kirchen darauf hingewiesen, dass die für den Jugendschutz zuständige KJM allein nach fachlichen Gesichtspunkten zusammengesetzt sei und die pluralistisch besetzten Gremien der Landesmedienanstalten, die nach den bisherigen Regelungen im Rundfunkstaatsvertrag in Jugendschutzentscheidungen involviert waren, nun nicht mehr daran beteiligt seien. Dies veranlasste den Gesetzgeber, den Selbstkontrolleinrichtungen aufzutragen, gesellschaftliche Gruppen, die in besonderer Weise mit Fragen des Jugendschutzes beschäftigt sind, bei der Auswahl der Prüfer zu berücksichtigen. Die FSF hat sich im Sommer 2003 mit den Kirchen in Verbindung gesetzt, um Personen aus ihren Reihen in einem kooperativen Verfahren als Prüfer für die FSF zu gewinnen. Inzwischen sind etwa 10 Prüferinnen und Prüfer aus dem Bereich der Kirchen in den Kreis der FSF-Prüfer integriert. Darüber hinaus wurde vereinbart, jeweils einen Vertreter der beiden großen Kirchen ins Kuratorium der FSF aufzunehmen. Damit haben die Kirchen über die konkreten Prüfungen hinaus die Möglichkeit, bei allen formalen und inhaltlichen Fragen, die die Prüfung betreffen, mitzuwirken. 20 Vorgeschichte 1.4.3 Sachgerechte Ausstattung durch eine Vielzahl von Anbietern Schon bei der Vereinsgründung im Jahre 1993 haben sich die Mitgliedssender auf ein Finanzierungskonzept geeinigt, das die Finanzierung der FSF auf eine solide Basis stellt. Wesentlich dabei ist, dass die festen Kosten für die Selbstkontrolleinrichtung durch einen von der Mitgliederversammlung verabschiedeten Etat nach einem bestimmten Verfahren auf die Mitgliedssender aufgeteilt werden. Darüber hinaus zahlt jeder Antragsteller für eine konkrete Filmprüfung, so dass die im Rahmen der Prüfung entstehenden Kosten (Prüfer, Reisekosten, etc.) gesondert finanziert werden. So ist die Finanzierung der Geschäftsstelle unabhängig von der Menge der zu prüfenden Programme gesichert und nicht durch quantitative Schwankungen der Prüfanträge beeinflusst. 1.4.4 Vorgaben für Prüfentscheidungen Wie oben erwähnt, hat das Kuratorium der FSF bereits 1994 eine umfassende Prüfordnung verabschiedet, die sowohl hinsichtlich des formalen Ablaufs der Prüfungen als auch im Hinblick auf die Prüfkriterien dem aktuellen Stand der Medienwirkungsforschung entspricht. Durch die kontinuierliche Arbeit des Kuratoriums wurde die Prüfordnung immer wieder an neue Entwicklungen angepasst. Zur Vorbereitung auf die Anerkennung der FSF hat das Kuratorium in Zusammenarbeit mit dem Vorstand zahlreiche Änderungen unter Berücksichtigung der im Gesetz aufgeführten Bedingungen vorgenommen. Dies betraf sowohl einige formale wie auch inhaltliche Fragen. Dennoch gab es bezüglich der Prüfordnung mit der KJM Erörterungsbedarf, es wurde vereinbart, die Prüfordnung in einigen Punkten gemäß der Vorstellungen der KJM zu verändern. Im Wesentlichen ging es dabei um die Festlegung der Sendezeitschienen. Die KJM war der Auffassung, die Prüfordnung der FSF müsse dezidiert dem im Gesetz vorgeschriebenen Sendezeitrahmen folgen. Die FSF-Prüfordnung sah hier einige Differenzierungen vor, was die Programmierung an Wochenenden und Feiertagen anging. Das Kuratorium vertrat die Auffassung, dass die Rezeptionssituation von Kindern und Jugendlichen an Wochentagen unter anderen Bedingungen stattfindet als am Wochenende (Berücksichtigung des 21 Vorgeschichte Familienkontextes). Außerdem hatte die FSF-Prüfordnung für Sendungen, die zwar nicht unzulässig, unter Jugendschutzgesichtspunkten aber besonders problematisch waren, über das Gesetz hinaus eine Sendezeitbeschränkung ab 24.00 Uhr vorgesehen. Das Kuratorium verwies diesbezüglich auf die Zuschauerforschung, der zufolge das Risiko, dass Jugendliche einen Film nach 24.00 Uhr wahrnehmen, noch einmal erheblich geringer ist als nach der im Gesetz festgelegten Sendezeitbeschränkung nach 23.00 Uhr. Die KJM vertrat hier die Auffassung, die FSF müsse in ihrer Prüfordnung exakt den Vorgaben des Gesetzgebers folgen. 1.4.5 Vorlage einer Verfahrensordnung über die Vorlagepflicht der Sender Wesentlich für das Funktionieren einer Selbstkontrolleinrichtung ist die Vorlage der jugendschutzrelevanten Programme durch die Anbieter. Es ist daher verständlich, dass der Gesetzgeber auf Grund der neuen Rolle der Selbstkontrolle eine klare Regelung fordert, welche Programme die Sender der FSF vorlegen müssen. Die FSF hat eine Vorlagesatzung erarbeitet, die für alle Mitgliedssender verpflichtend ist. So soll gewährleistet werden, dass tatsächlich alle Programme von der FSF geprüft werden, die unter Jugendschutzgesichtspunkten relevant sein können. Die Entwicklung einer solchen Verfahrensordnung stellte die FSF-Geschäftsstelle, den Vorstand und das Kuratorium vor die Aufgabe, zu definieren, welche Programme vorgelegt werden müssen und welche offensichtlich nicht jugendschutzrelevant sind. Angesichts der Programmmenge von 12 Mitgliedssendern, die 24 Stunden täglich Programme ausstrahlen, ist eine Prüfung aller Programme vor der Ausstrahlung weder gefordert noch sinnvoll. Selbst wenn man berücksichtigt, dass ein großer Teil der Spielfilme bereits auf Grund der Prüfung durch die FSK bestimmten Sendezeitbeschränkungen unterliegt2 und weiterhin die Berichterstattung und Sportsendungen von der Programmmenge abzieht, bleibt immer noch ein erhebliches Programmvolumen. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass zahlreiche Serien und Programme offensichtlich unter Jugendschutzgesichtspunkten vollkommen irre2 Daher muss ein solches Angebot nur dann von der Selbstkontrolleinrichtung geprüft werden, wenn ein Sender von diesen Sendezeitbeschränkungen abweichen möchte. 22 Vorgeschichte levant sind, so dass deren Vorlage vor der Ausstrahlung nicht nur eine Überforderung der Kapazitäten von Selbstkontrolleinrichtungen darstellen würde, sondern auch unter fachlichen Gesichtspunkten als überflüssig erscheint. Bei einigen Formaten ist es schwierig, sie vorab vorzulegen, da sie entweder live ausgestrahlt werden oder erst kurz vor der Ausstrahlung fertig gestellt sind. Eindeutig nicht vorlagefähig ist der gesamte Bereich der Nachrichten und der Berichterstattung. Aber auch im Bereich der Unterhaltungsshows gibt es zahlreiche Live– Ausstrahlungen. Andere Sendungen sind erst so kurz vor der Ausstrahlung fertig, dass sie zwar theoretisch vorgelegt werden könnten, im Falle einer Ablehnung aber dem Sender keine Möglichkeit lassen, die Sendung zu verändern oder zu ersetzen. Auch im Bereich der so genannten neuen Fernsehformate wurden immer dann, wenn die Programme rechtzeitig zur Verfügung standen, FSF-Prüfungen beantragt (z.B. Fear Factor oder The Swan). Die Vorlagesatzung, die schließlich seitens der FSF erarbeitet wurde, fand die Zustimmung der KJM, Meinungsunterschiede gab es allerdings bezüglich einer Sonderregelung für Serien. Das Typische an Serien ist, dass die einzelnen Folgen in der Regel (bezüglich Darstellung und Handlung) bestimmten gleich bleibenden Mustern folgen. Die Sender vertreten daher die Auffassung, dass die Vorlage bestimmter typischer Folgen einer Serie ausreicht, um eine Gesamteinschätzung der Serie durch die FSF zu ermöglichen. Um sicherzustellen, dass die gesamte Serie sich im Rahmen der freigegebenen Folgen bewegt, werden seitens der FSF folgende Maßnahmen getroffen: 1. Der Jugendschutzbeauftragte des Senders legt Folgen, die außerhalb des Rahmens liegen, der FSF zur Prüfung vor. 2. Bei neuen Staffeln müssen jeweils erneut drei Folgen zur Prüfung vorgelegt werden. 3. Die FSF führt stichprobenartige Programmbeobachtung durch. Die KJM äußerte zwar Verständnis dafür, dass die komplette Prüfung aller Folgen von Serien kaum möglich sein wird. Sie vertrat jedoch die Auffassung, dass der Beurteilungsspielraum der Selbstkontrolleinrichtung nur für die Folgen einer Serie gilt, 23 Vorgeschichte die auch tatsächlich vorgelegt worden sind.3 Die FSF und die sie tragenden Mitgliedssender haben hier den Wunsch, mittelfristig eine Lösung zu finden, die den Gesichtspunkten des Jugendschutzes gerecht wird, aber auch die Kapazitäten der Selbstkontrolleinrichtungen nicht überfordert. 1.4.6 Überprüfung der Entscheidungen durch landesrechtlich bestimmte Träger der Jugendhilfe Ziel dieser Regelung ist es, dass die obersten Landesbehörden bestimmte Einrichtungen der Jugendhilfe benennen, die innerhalb der Verfahrensstruktur der Selbstkontrolle eine Überprüfung von Ausschussentscheidungen beantragen können. Dadurch soll die Spruchpraxis der Selbstkontrolleinrichtung auf eine breite und fachlich kompetente Basis gestellt werden. Die FSF hat hierfür sowohl in ihrer Satzung als auch in der Prüfordnung eine entsprechende Regelung getroffen. 1.4.7 Anhörung der Anbieter und schriftliche Begründung der Entscheidung Nach der Prüfordnung der FSF hatten die Antragsteller schon immer die Möglichkeit, ihre Argumente vor den Ausschüssen vorzutragen. Auch die Zusammenfassung der Argumente für oder gegen eine Freigabe in einem ausführlichen Gutachten war für die FSF selbstverständlich. Durch gezielte Fortbildung der Prüferinnen und Prüfer, insbesondere der Ausschussvorsitzenden, hat das Kuratorium in Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle von Anfang an eine gute Qualität der Begründungen erarbeitet. 3 Käme es also zu einem Prüfverfahren durch die KJM für die Folge einer Serie, die gemäß der Vorlagesatzung der FSF eingestuft worden ist, die aber als Einzelfolge der FSF nicht vorgelegen hat, so sieht sich die KJM nicht an die Kriterien und Begründungen für die Gesamteinschätzung der Serie durch die FSF gebunden. 24 2. Inhaltliche Schwerpunkte des Jugendmedienschutzes Die traditionellen Themen des Jugendschutzes liegen im Bereich der Beurteilung von Gewaltdarstellungen und Sexualität in den Medien. In diesen beiden Bereichen hat sich im Laufe der Zeit eine Spruchpraxis etabliert, die sowohl Erkenntnisse der wissenschaftlichen Medienwirkungsforschung, der Entwicklungspsychologie als auch der Jugendforschung mit einbezieht. Die Grundlagen für die Prüfungen sind zwischen der FSK, der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien und der FSF nicht zuletzt durch den hohen Anteil gemeinsamer Prüfer/-innen vergleichbar. Die Darstellung von Gewalt steht dabei sowohl innerhalb der Institutionen des Jugendschutzes als auch in der Öffentlichkeit im Mittelpunkt des Interesses. Der Grund dafür liegt in der verbreiteten Befürchtung, die Darstellung von Gewalt in den Medien könnte vor allem bei jugendlichen Rezipienten zu einem Ansteigen der Gewaltbereitschaft in der Realität führen. In der Erwartung der Gesellschaft soll der Jugendschutz vor allem dieser Entwicklung entgegentreten. Nun lassen sich Darstellungen von Gewalt in den Medien durch den Jugendschutz nicht generell verhindern. Gewalt als Thema der Kunst, der Literatur, des Theaters und des Films spiegelt die Rolle der Gewalt in der Menschheitsgeschichte im Allgemeinen wider. Zwar ist es ein wichtiges Ziel zivilisatorischer Gesellschaften, zumindest physische Gewalt als Mittel des Machterhalts oder zur Durchsetzung individueller Interessen zurückzudrängen, dennoch wird gerade in den letzten Jahren deutlich, dass radikal religiöse oder politische Interessen mit ungeheuerer Brutalität verfolgt werden. Die Auseinandersetzungen mit den Ursachen, aber auch mit den Folgen der Gewalt ist ein notwendiger Aspekt des Sozialisationsprozesses. Es kann also nicht darum gehen, die Darstellung von Gewalt aus den Medien zu verdrängen, es muss vielmehr Aufgabe des Jugendschutzes sein, Filme und Fernsehprogramme danach zu unterscheiden, ob sie die Einstellung des Zuschauers zur Gewalt als berechtigtes Mittel zur Durchsetzung von Interessen fördern oder ob sie eher dazu geeignet sind, deutlich zu machen, dass Gewalt schreckliche Folgen hat, dass sie letztlich nicht zum Erfolg führt und dass sie in unserer Gesellschaft ethisch und rechtlich nicht ak- 25 Inhaltliche Schwerpunkte des Jugendmedienschutzes zeptiert wird. Diese Unterscheidung nach unserem derzeitigen Wissensstand plausibel zu treffen und zu begründen, ist eine wesentliche Aufgabe des Jugendschutzes und somit der FSF. Dabei bleibt es nicht aus, dass sowohl die Kriterien als auch die Spruchpraxis oder Einzelentscheidungen in die öffentliche Diskussion geraten und den Erwartungen von Menschen, die allein in der Darstellung von Gewalt schon eine hohe Imitationswirkung befürchten, nicht entsprechen. Umso wichtiger ist es, unsere theoretischen Grundlagen transparent zu machen, sie offensiv zu vertreten, aber auch zu verändern, wenn dies aufgrund neuer Argumente oder Erkenntnisse notwendig ist. Folgt man den Jugendschutzgesetzen sowie der einschlägigen Rechtsprechung, muss der Jugendschutz bei seinen Entscheidungen eine Abwägung zwischen dem Freiheitsgedanken und dem Schutzgedanken treffen. Kommen die Prüfausschüsse zu dem Ergebnis, dass ein Film oder eine Sendung entwicklungsbeeinträchtigend oder entwicklungsgefährdend ist, so muss er dafür zwar keinen Beweis erbringen, er muss seine Entscheidung aber plausibel begründen. Um die Kriterienbildung zu untermauern, beziehen die Institutionen des Jugendschutzes vor allem die Ergebnisse der Medienforschung in ihre Arbeit ein. 2.1 Aspekte der Medienwirkungsforschung 2.1.1 Gewalt Die etwa 5.000 Studien, die den Zusammenhang zwischen realer und fiktionaler Gewalt untersucht haben, führten dabei allerdings nicht zu eindeutigen Ergebnissen. So genannte Metaanalysen (vgl. u.a. Kunczik, M. /Zipfel, A.: 2004 Grimm, J. 1999, Groebel, J., Selg, H. 1993, 1998) finden in den Studien zwar keinen Beweis dafür, dass mediale Gewaltdarstellungen ursächlich für bestimmte Realgewalttaten sein könnten, sie finden aber insgesamt viele Hinweise darauf, dass es einen Zusammenhang zwischen der Rezeption medialer Gewaltdarstellungen und realem Gewaltverhalten gibt. Dies wird so interpretiert, dass die meisten Menschen wohl in der Lage sind, medialen Gewaltkonsum als Fiktion und Unterhaltung zu verstehen, ohne sich da- 26 Inhaltliche Schwerpunkte des Jugendmedienschutzes durch in ihrem Verhalten oder in ihrer Auffassung gegen Gewalt beeindrucken zu lassen. Es werden aber bestimmte Risikogruppen vermutet, die auf Grund individueller oder sozialer Dispositionen über eine ohnehin erhöhte Gewaltbereitschaft verfügen, die dann durch die Erfahrung der medialen Gewalt bestätigt wird. Der Jugendschutz kann mit solchen relativ pauschalen Aussagen sehr wenig anfangen. Die meisten wissenschaftlichen Wirkungsuntersuchungen basieren auf dem Vergleich so genannter Vielseher und Wenigseher von Fernsehgewalt. Danach weisen die Vielseher von medialer Gewalt in ihrer Lebensrealität eine leicht erhöhte Bereitschaft zum Einsatz von Gewalt auf. Es ist jedoch unklar, ob die Vielseher auf Grund ihrer bereits bestehenden Vordispositionen ein höheres Interesse an Gewaltdarstellungen haben oder ob ihre ex post gemessene erhöhte Bereitschaft zu Gewaltverhalten die Folge des Medienkonsums ist. Ein weiteres Problem dieser Studien besteht darin, dass sie Gewaltdarstellungen rein quantitativ erfassen, also weder den dramaturgischen Kontext noch die Identifikationsangebote der Programme berücksichtigen. In der neueren Forschung wird daher sehr viel stärker die spezifische Wirkung von detaillierter oder wenig detaillierter Gewaltvermittlung, die vom Film vorgegebene Perspektive des Zuschauers sowie der Gesamtkontext des Filmes untersucht. Es zeigt sich, dass Gewaltdarstellungen in Abhängigkeit von der Gestaltungsform des Filmes sowohl aggressionssteigernde als auch aggressionshemmende Effekte haben können. Ziel des Jugendschutzes sollte es also sein, differenzierende Kriterien zu formulieren, die den Prüferinnen und Prüfern eine seriöse Bewertung der Risikodimensionen eines konkreten Fernsehprogramms ermöglichen. Das Kuratorium der FSF hat dazu im Jahre 2004 ausführliche Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung entwickelt, in denen zu den verschiedenen Bereichen des Jugendschutzes Ergebnisse der Medienwirkungsforschung in anwendbare Kriterien umgesetzt wurden (siehe Anhang V: PrO-FSF, u. a. § 30 und 31, und Anhang VI: Richtlinien zur Anwendung der PrO-FSF § 8). 27 Inhaltliche Schwerpunkte des Jugendmedienschutzes 2.1.2 Angst und Angstverarbeitung Ein weiterer Aspekt des Jugendschutzes hinsichtlich der Wirkung von Gewaltdarstellungen ist die Erzeugung von Ängsten, die vor allem jüngere Kinder nicht adäquat verarbeiten können (vgl. Michaelis, 2005). Dabei kann es nicht darum gehen, Kindern möglichst jede Konfrontation mit Angst erzeugenden Bildern zu ersparen, sondern wir müssen lernen, mediale Angebote so zu differenzieren, dass man Darstellungen, die eine positive Angstverarbeitung ermöglichen, von solchen unterscheidet, die Kinder kurzfristig oder mittelfristig traumatisieren. In den 70er Jahren gab es in der Pädagogik eine Diskussion um die Frage, ob Märchen, die ebenfalls auf Gewalthandlungen basieren, bei Kindern eine positive Einstellung zur Gewalt fördern könnten. Bruno Bettelheim beendete diese Debatte mit seinem Buch Kinder brauchen Märchen, in dem er unter anderem darauf hinwies, dass Märchen eine wichtige Funktion für die Angstverarbeitung besitzen. Da Kinder schnell in der Lage sind, Erzählstrukturen von Märchen zu verinnerlichen, wissen sie bald, dass Märchen zwar ein hohes Angstpotential entwickeln, dass aber zum Schluss derjenige, aus dessen Perspektive das Märchen erlebt wird, als Sieger aus der Geschichte hervorgeht. Märchen, so Bettelheim, entwickeln also die Hoffnung und die innere Sicherheit, dass Situationen, die Angst erzeugen, zu bewältigen sind. Sie haben so die Möglichkeit, auf einer fiktionalen, real letztlich ungefährlichen Weise Angst zu erleben, sie auszuhalten und zum Schluss durch die Dramaturgie wieder abzubauen. (vgl. Vitouch 1993) Hier begegnen wir bereits der Bedeutung des Begriffes Medienkompetenz, der auch im Bereich der Fernsehrezeption eine wichtige Rolle spielt: Allein durch die Konfrontation mit Geschichten lernt das Kind, Erzählstrukturen zu durchschauen. Auch die Erfahrung, die der Jugendschutz in den 80er Jahren mit Gewaltvideos gemacht hat, nämlich dass Jugendliche bestimmte Filme immer wieder angeschaut haben, unterstützt diese Überlegung: Die Jugendlichen wollen sich vergewissern, dass sie alle Details der Angstvermittlung genau kennen, denn nur so können sie die Handlungsstrukturen von Filmen sicher beherrschen. Medienkompetenz ist also nicht allein etwas, das durch den Erziehungsprozess von außen vermittelt wird, sondern sie entwickelt sich zu einem großen Teil durch die individuelle Medienerfahrung selbst. 28 Inhaltliche Schwerpunkte des Jugendmedienschutzes Allerdings ist bei der Beurteilung durch den Jugendschutz darauf zu achten, dass die verschiedenen Altersgruppen über unterschiedliche Verstehens- und Verarbeitungsfähigkeiten verfügen, Filme mit Angst erzeugenden Inhalten ohne Schaden anzusehen. Es wird davon ausgegangen, dass Kinder bis zum zehnten Lebensjahr Filme als Addition von Einzelszenen wahrnehmen und erst mit zunehmendem Alter in der Lage sind, eine längere Gesamtdramaturgie nachzuvollziehen. Angsterzeugung durch einzelne Szenen kann daher starke Emotionen hervorrufen, die eine Verarbeitung durch das Happy End verhindern. Daher sind längere Ruhephasen im Film wichtig, um Kindern die Möglichkeit zu geben, Erregungen abzubauen. Darüber hinaus benötigen sie eine Figur, die ihnen die Sicherheit vermittelt, dass sich angstbesetzte Szenen auflösen. Zwar ist das Erzeugen von Spannung und Angst eines der Motive, warum sich Menschen überhaupt solche Filme gern anschauen, wenn die Angst aber nicht adäquat verarbeitet wird, können sich Ängste auch verstärken und vor allem jüngere Zuschauer traumatisieren. Auch zu dieser Frage enthalten die von Kuratorium im Jahre 2004 entwickelten Richtlinien wichtige Kriterien, die differenziert an entsprechende Filme angelegt werden können (siehe Anhang VI: Richtlinien zur Anwendung der PrO-FSF § 9). 2.1.3 Darstellung von Sexualität Im Bereich der Wirkung von Sexualdarstellungen auf Kinder und Jugendliche scheint sich eine Spruchpraxis etabliert zu haben, die sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei den Landesmedienanstalten bzw. der KJM akzeptiert wird. Nachdem es Ende der 90er Jahre zwischen der FSF und den Landesmedienanstalten erhebliche Auseinandersetzungen über die Grenze zwischen erlaubten erotischen und verbotenen pornografischen Darstellungen gab, war dieses Thema in den letzten Jahren kaum noch Gegenstand von Auseinandersetzungen. In keinem anderen Bereich hat sich der gesellschaftliche Wertewandel so deutlich auf die Spruchpraxis des Jugendschutzes ausgewirkt wie bei sexuellen Darstellungen. Während in den 50er Jahren Filme allein deshalb nicht für Jugendliche freigegeben wurden, weil außereheliche Sexualität auch nur thematisiert wurde, ist heute selbst die Darstellung nackter Menschen kein Jugendschutzkriterium mehr. Auch mögliche 29 Inhaltliche Schwerpunkte des Jugendmedienschutzes sexuell stimulative Effekte allein stehen heute nicht mehr unter Jugendschutzgesichtspunkten in der Debatte. Während man lange Zeit befürchtete, durch die Konfrontation mit medialer Sexualität würden Pubertierende zu immer früheren sexuellen Erfahrungen animiert, geht es heute eher darum, Heranwachsende vor medial vermittelten Normalitätskonzepten zu bewahren, die sexuelle Erfahrungen als notwendige Voraussetzung darstellen, um in der sozialen Gruppe akzeptiert und anerkannt zu werden. Der sexuelle Reifungsprozess läuft in sehr unterschiedlicher Geschwindigkeit ab. Jugendliche sollen selbstbestimmt und unabhängig von medialen Darstellungen über ihr Verhalten entscheiden können. Ein weiterer wesentlicher Gesichtspunkt ist das durch sexuelle Darstellungen vermittelte Geschlechterbild. Die Reduzierung der Frau auf die Rolle des Lustobjekts oder die Stilisierung des Mannes als ständig potenter Sexualpartner gehören zu den Klischees, die zahlreiche Softerotikfilme vermitteln. Pubertierende können diesen Darstellungen noch keine eigenen Erfahrungen entgegensetzen und dadurch übermäßig beeinflusst werden. Dies steht der pädagogisch gewollten Selbstbestimmung und der grundgesetzlich garantierten Gleichberechtigung der Geschlechter entgegen. Im Gegensatz zu der Wirkung medialer Gewalt gibt es bezüglich der Wirkung sexueller Darstellungen keine für den Jugendschutz relevante Forschung. Dennoch zeigen Ergebnisse der Jugendforschung, dass sich beispielsweise trotz unbestrittener Liberalisierung sexueller Darstellungen in den Medien das durchschnittliche Alter erster sexueller Erfahrungen seit den 70er Jahren nicht wesentlich nach unten verändert hat. Auch die Befürchtung, sexueller Lustgewinn könnte durch die mediale Präsens sexuell stimulativer Bilder die Beziehungen zwischen jungen Menschen gegenüber zwischenmenschlichen Emotionen und Verantwortungen dominieren, scheint sich angesichts des hohen Stellenwerts eher konservativer Werte wie Treue und Zuverlässigkeit nicht zu bestätigen. Jugendliche wollen zwar über die Sexualität der Erwachsenen gut informiert sein, aber sie antizipieren dies eher in der Phantasie als in ihrer Realität. Im Zentrum der Kriterien des Jugendschutzes stehen also vor allem die vermittelten Normalitätskonzepte: Jugendliche sollen nicht aufgefordert werden, etwas zu akzep30 Inhaltliche Schwerpunkte des Jugendmedienschutzes tieren, was sie selbst nicht wollen, sexueller Lustgewinn soll nicht isoliert von Gefühlen und Verantwortung dargestellt werden, und nicht durch psychischen oder materiellen Druck einseitig zustande kommen. Ebenso wird ein Geschlechterbild, das nicht auf der Gleichwertigkeit von Mann und Frau beruht, für Heranwachsende als kritisch angesehen, vor allem dann, wenn sich die agierenden Personen als Vorbilder für Heranwachsende eignen (siehe Anhang VI: Richtlinien zur Anwendung der PrOFSF § 0). 2.2 Neue Fernsehformate Bereits seit Mitte der 90er Jahre ist ein neuer Trend zu beobachten, der den Jugendschutz und die Selbstkontrolle vor praktische, aber auch vor inhaltliche Probleme stellt. Während der Anteil fiktionaler Programme im Fernsehen zurückgeht, entstehen immer mehr Mischformate, in denen Realität, Spiel, Spontaneität und redaktionelle Vorgaben miteinander kombiniert werden. Begonnen hat diese Entwicklung mit den Talkshows, die dann später von den Gerichtsshows abgelöst wurden. Aber auch Big Brother, das so genannte Dschungel-TV und die thematische Behandlung von Schönheitsoperationen zu Unterhaltungszwecken vermischen Realität und Showelemente. Organisatorisch stellt sich das Problem, dass viele dieser Sendungen erst kurz vor der Ausstrahlung fertiggestellt werden bzw. live über den Sender gehen. Eine Vorlage bei der FSF ist also oft nicht möglich. Allerdings wurden auch im Bereich der so genannten neuen Fernsehformate Sendungen vorgelegt, wenn sie rechtzeitig zur Verfügung standen. Das inhaltliche Problem besteht darin, dass alle Untersuchungen über die Wirkung von Medieninhalten sowie die meisten Kriterien des Jugendschutzes zur Bewertung von Filmen oder Fernsehprogrammen an fiktionalen Unterhaltungsfilmen ausgerichtet sind. Filme wollen den Zuschauer für eine bestimmte Zeit in eine Scheinrealität mitnehmen und über attraktive Identifikationsfiguren fesseln. Die Figuren in den 31 Inhaltliche Schwerpunkte des Jugendmedienschutzes Reality-Shows sind hingegen keine Medienprofis, und es stellt sich die Frage, inwiefern sie als Identifikationsfiguren dienen. Ob allein die Tatsache, dass solche Sendungen zum Teil vorgeben, den Zuschauer an der Realität anderer teilnehmen zu lassen, dazu führt, dem Geschehen eine Vorbildfunktion für das eigene Verhalten oder das eigene Denken zu geben, kann bezweifelt werden. Betrachtet man die bisher zu diesem Thema durchgeführten Untersuchungen (z. B. Paus-Haase, I. et al: 1999, Bente, G. / Fromm, B.: 1997), die sich vor allem mit den Talkshows beschäftigten, so scheint dies nur bei einer relativ kleinen Gruppe in einer bestimmten Altersphase der Fall zu sein. Schon bei den Talkshows, stärker aber noch bei Big Brother oder bei Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! wurde in der Öffentlichkeit die Frage diskutiert, ob es einem Sender erlaubt sein darf, Menschen, die auf Grund mangelnder Medienerfahrung die Folgen ihrer Teilnahme an einer Sendung möglicherweise nicht richtig einschätzen können, einem Millionenpublikum zu präsentieren. Einige sahen darin sogar einen Verstoß gegen den in Artikel 1 Grundgesetz garantierten Schutz der Menschenwürde. Verfolgt man den Diskurs um entsprechende Sendungen, so fällt es schwer, zwischen Argumentationen, die auf der Ebene der Qualität, des Geschmacks oder des Anstands liegen, von denen zu unterscheiden, die sich auf die Zielsetzung des Jugendschutzes beziehen. Oft wird dieses Dilemma in der öffentlichen Diskussion wahrgenommen, die Aufsichtsbehörden sind gegenüber diesen Sendungen mit Beschwerdeverfahren oder gar Beanstandungen eher zurückhaltend. Andererseits wird aber auch von Selbstkontrolle gefordert, das zu schaffen, was der vom Staat bestellten Aufsicht nicht möglich ist, nämlich über die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Jugendschutz hinaus solche Sendungen ganz oder teilweise zu unterbinden (vgl. auch Anhang VI: Richtlinien zur Anwendung der PrO-FSF § 12). 32 Inhaltliche Schwerpunkte des Jugendmedienschutzes 2.3 Das Alter als Kriterium für die Verstehensfähigkeit Der Jugendschutz geht von der Idee aus, dass jüngere Altersgruppen durch Medien stärker in ihrer Entwicklung beeinträchtigt werden als ältere. Dabei wird immer auf Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie zurückgegriffen, die Aussagen über kognitive und emotionale Reifungsprozesse trifft. Folgt man allerdings neueren Ergebnissen der Entwicklungspsychologie, so wird deutlich, dass weniger das Alter, sondern vielmehr der Erfahrungshintergrund der Rezipienten die Verarbeitungsprozesse von Medieninhalten bestimmt. Ein wesentlicher Faktor ist darüber hinaus das Geschlecht: Mädchen erleben Gewaltfilme eher aus der Opferperspektive, Jungen hingegen aus der Täterperspektive. Die Befürchtung einer Gewalt befürwortenden Wirkung trifft also auf Jungen in viel stärkerem Maße zu als auf Mädchen. Weitere Faktoren wie Bildung, Medienerfahrung oder Stabilität des eigenen Wertekonzepts sind mit Blick auf die entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung von Medien ebenfalls von hoher Bedeutung. Dem Jugendschutz stehen allerdings diese Differenzierungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung. Die Freigabe für bestimmte Altersgruppen oder, analog dazu im Fernseher, bestimmte Sendezeiten sind die einzigen Instrumente. Das macht deutlich, wie schwierig es ist, in der Freigabe die richtige Entscheidung zu treffen: Wird ein Film in Streitfällen für eine zu junge Altersgruppe freigegeben, ist das Risiko groß, dass Teile der Altersgruppe in ihrer Entwicklung beeinträchtigt werden; wird für die nächsthöhere Altersgruppe entschieden, nimmt man den kompetenten Jüngeren die Möglichkeit, einen für sie vielleicht sogar positiv wirkenden Film zu sehen. Gerade im Bereich der Kinder- und Jugendfilme führt dies oft zu einem Dilemma. Die Altersgruppe der 6- bis 12-Jährigen beinhaltet sehr viele Entwicklungsstufen, so dass manche Filme, die für ab 8-Jährige sogar ausgesprochen geeignet sind, den 6Jährigen nicht zugemutet werden können. Immer dann, wenn das Jugendschutzrecht reformiert wird, geraten daher auch die Festlegungen der Altersgruppen in die Diskussion. Der Gesetzgeber hat dies erkannt und im Jugendschutz die Möglichkeit gegeben, dass Filme im Kino, die ab 12 Jahren freigegeben sind, auch von ab 6-Jährigen in Be33 Inhaltliche Schwerpunkte des Jugendmedienschutzes gleitung der Eltern gesehen werden dürfen. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Modell erfolgreich sein wird. Im Jugendschutz gilt dagegen der Grundsatz, dass bei der Altersfreigabe auf den gefährdungsgeneigten Jugendlichen abzustellen ist. Das heißt, im Zweifel wird für die höhere Altersgruppe entschieden. Das mag für die Kino- und Videofreigabe noch vertretbar sein, im Fernsehen kann das aber auch dazu führen, dass Filme entweder ganz aus dem Programm fallen oder so spät gesendet werden, dass sie auch für viele Erwachsene, die am nächsten Tag früh aufstehen müssen, nicht mehr zugänglich sind. Filme, die vorwiegend ein jüngeres Publikum ansprechen, wird ein Sender kaum im Hauptabendprogramm ausstrahlen können, wenn sie aus Jugendschutzgründen nicht im Tagesprogramm gesendet werden dürfen, weil sie als Programm für Erwachsene zu unattraktiv sind. Dies macht es für manche Jugendfilme schwer, ihr Publikum im Fernsehen zu finden. Trotz dieser Probleme sind die Altersfreigaben und die Sendezeitbeschränkungen von hoher Bedeutung. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass sie in den Familien als Orientierung sehr ernst genommen werden. Sie besitzen darüber hinaus vor allem in Grenzfällen eine wichtige Thematisierungsfunktion. Der Disput über die richtige Freigabe stärkt letztlich bei Erziehenden und jungen Rezipienten das Bewusstsein, dass Medien nicht gedankenlos und ohne elterliche Kontrolle konsumiert werden sollten. Es zeigt sich aber auch, dass es fast unmöglich ist, die Spielräume, in denen im Bereich des Jugendschutzes entschieden wird, immer nachvollziehbar abzustecken. 34 3. Sicherung der Unabhängigkeit und Qualität der Prüfungen 3.1 Das Kuratorium Es ist originäre Aufgabe des Kuratoriums, für eine von den Anbietern unabhängige und inhaltlich qualifizierte Prüfung zu sorgen. Nach § 7 der Satzung der FSF können dem Kuratorium bis zu 18 Personen angehören, dabei darf der Anteil an von den Sendern benannten Mitgliedern nicht mehr als ein Drittel ausmachen. Um größtmögliche Transparenz und Unabhängigkeit von den Anbietern zu schaffen, hat sich das Kuratorium im Jahre 2003 eine eigene Geschäftsordnung gegeben. Nachdem die Mitglieder des Kuratoriums zunächst von der Mitgliederversammlung bestimmt wurden, hat das Kuratorium nun beim Ausscheiden von Mitgliedern ein Vorschlagsrecht für die Benennung neuer Mitglieder. Zur wesentlichen Aufgabe des Kuratoriums gehört die Verfassung und Weiterentwicklung der Prüfordnung (siehe Anhang V), in der alle formalen und inhaltlichen Fragen, die mit der Prüfung zusammenhängen, geregelt sind. Darüber hinaus ist das Kuratorium für die Benennung der Prüferinnen und Prüfer zuständig. Die Mitglieder des Kuratoriums wirken maßgeblich auch bei den Prüferfortbildungen mit. Des Weiteren berät das Kuratorium die Geschäftsstelle der FSF, den Vorstand und die Mitgliederversammlung in allen den Jugendschutz betreffenden Fragen. Das Kuratorium ist auch in Fällen grundsätzlicher Bedeutung die oberste Prüfinstanz der FSF. 3.1.1 Arbeitsgruppe „Programm und neue Formate“ Die Arbeitsgruppe „Programm und neue Formate“ des Kuratoriums trifft sich regelmäßig, um über aktuelle, für die Prüfung relevante Fragen zu diskutieren und daraus für die Prüfungen umsetzbare Kriterien und Hilfestellungen zu entwickeln. Der Arbeitsgruppe gehörten zunächst 5 Mitglieder des Kuratoriums an, die Treffen stehen aber grundsätzlich allen Mitgliedern offen. Die Arbeitsgruppe traf sich 2004 zu drei ganztägigen Beratungen. Auf die Inhalte und Ergebnisse der Arbeitsgruppensitzungen wird detailliert in Kapitel 4.3 eingegangen. 35 Unabhängigkeit und Qualität der Prüfungen Thema der ersten Sitzung am 9. Januar 2004 war das Tagesprogramm. Unter anderem wurden die Voraussetzungen der bei einer Ausstrahlung im Tagesprogramm zu berücksichtigenden Altersgruppe der unter 12-Jährigen diskutiert, Bedingungen verschiedener Genres wie Fantasy und Mystery für eine Tagesprogrammierung, sexualisierte Sprache/Fäkalsprache sowie neue Reality-Formate. Gesichtet wurden folgende Programmbeispiele: Lenya (D 2000, Fantasy/Mystery; gekürzte Fassung, ca. 92 Minuten), Lara Croft – Tomb Raider (USA 2001, Fantasy/Action, FSK 12, gekürzte Fassung, ca. 91 Minuten); Jay & Silent Bob schlagen zurück (USA 2000, Komödie, FSK 12, ca. 101 Min.); Arabella – Die Abschlussklasse 03 (D 2003, Real-Life-Soap/Talkshow, ca. 120 Minuten). Bei dem zweiten Treffen am 2. Juli 2004 standen Programme im Vordergrund, die mögliche Verstöße gegen die Menschenwürde darstellen. Gesichtet wurden Programmbeispiele, die von Prüfausschüssen der FSF als möglicher Verstoß gegen die Menschenwürde an einen juristischen Sachverständigen weitergereicht worden waren. Dies waren einige Episoden der Sendung Scare Tactics sowie ein Magazinbeitrag der Reihe RTL-Explosiv, Eistauchen von Babys, der laut einer Pressemitteilung der KJM einen Menschenwürdeverstoß darstellt. Ein weiteres Thema der Sitzung waren die zu erarbeitenden Richtlinien zur Anwendung der FSF-Prüfordnung. Die dritte Arbeitsgruppensitzung am 23. September 2004 war dem Thema „Sendungen über Schönheitsoperationen“ gewidmet. Gesichtet und anhand der vom Kuratorium erarbeiteten Kriterien für Sendungen über Schönheitsoperationen diskutiert wurde eine Folge der Reality-Show Alles ist möglich. 3.1.2 Arbeitsgruppe „Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung“ Eine wesentliche Aufgabe des Kuratoriums im Jahre 2004 bestand in der Ausarbeitung der Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung der FSF. Ziel dieser Richtlinien ist es, die in § 5 Abs. 1 JMStV sehr allgemein gehaltene Zielsetzung des Jugendschutzes, solche Sendungen zu identifizieren und zeitlich zu beschränken, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu selbstbestimmten und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu beeinträchtigen, durch anwendbare Kriterien zu konkretisieren und diese auf der Grundlage des aktuellen wissenschaftlichen For36 Unabhängigkeit und Qualität der Prüfungen schungsstandes und der bisherigen Spruchpraxis des Jugendschutzes für die Prüferinnen und Prüfer nachvollziehbar zu begründen. Zwar werden die gesetzlichen Bestimmungen bereits in der Prüfordnung konkretisiert, bei der Analyse der Prüfpraxis fällt allerdings auf, dass weitere Differenzierungen von Nöten sind, um eine einheitliche und transparente Spruchpraxis zu gewährleisten. Dabei war es dem Kuratorium wichtig, durch Rückkopplung der Richtlinien mit den Prüferinnen und Prüfern dafür Sorge zu tragen, dass die Vorgaben für die Praxis relevant und umsetzbar sind. Die inzwischen verabschiedeten Richtlinien müssen nun regelmäßig auf ihre Praxistauglichkeit überprüft werden, ggf. sind sie durch Kriterien für weitere Fernsehformate, die durch sie noch nicht erfasst werden, zu ergänzen. Im Einzelnen wird im Kapitel 4.3 auf diese Richtlinien eingegangen. 3.2 Fortbildung der Prüferinnen und Prüfer Die Prüferinnen und Prüfer der FSF gewährleisten durch ihre berufliche Erfahrung und durch ihre Ausbildung eine hohe Qualität der Prüfentscheidungen und Gutachten. Bei ihrer Auswahl werden auch Angehörige gesellschaftlicher Gruppen berücksichtigt, die sich in besonderer Weise mit Fragen des Jugendschutzes befassen. Im Jahr 2004 waren 98 Prüferinnen und Prüfer vom Kuratorium benannt (siehe Anhang IV). Die Prüferinnen und Prüfer der FSF kommen aus völlig unterschiedlichen Lebensund Arbeitskontexten. Sie werden von der FSF nach einem Zufallsprinzip im Durchschnitt für zwei bis drei Wochen pro Jahr in die Prüfausschüsse eingeladen. Für eine plausible und kontinuierliche Spruchpraxis der FSF ist es notwendig, regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen durchzuführen, um die Prüfer über den aktuellen Stand der Forschung und der Diskussion um Jugendschutzfragen zu informieren und um die Kommunikation zwischen den Prüferinnen und Prüfern einerseits und mit dem Kuratorium der FSF andererseits zu befördern. Bei den Themen der Prüferfortbildungen handelt es sich zum einen um allgemeine wissenschaftliche Grundlagen, zum anderen werden aber auch aktuelle Fernsehformate unter dem Gesichtspunkt der Medienwirkung diskutiert. Da die Prüferinnen und Prüfer der FSF aus 37 Unabhängigkeit und Qualität der Prüfungen allen Teilen der Bundesrepublik zusammenkommen, bietet die FSF inzwischen Fortbildungsveranstaltungen nicht nur in Berlin, sondern auch in München und Köln an. Darüber hinaus führt die FSF zusammen mit der FSK alle 2 Jahre eine gemeinsame Prüferfortbildung durch. Dabei geht es vor allem um Themen, die von grundsätzlicher Bedeutung sind und sowohl den Jugendschutz in Film und Video als auch im Fernsehen betreffen. Die regelmäßige Fortbildung der Prüfer im Hinblick auf die Anwendung der Prüfordnung gehört seit jeher zu den Aufgaben des Kuratoriums der FSF. Gerade die Kommunikation zwischen dem eher auf wissenschaftliche und theoretische Vorgaben orientierten Kuratorium und den Prüferinnen und Prüfern, die die Prüfkriterien auf die Fülle des zu begutachtenden Programms umsetzen müssen, befördert eine vergleichbare, transparente und plausible Spruchpraxis. Im Jahr 2004 haben insgesamt vier Fortbildungen für Prüferinnen und Prüfer stattgefunden, in denen immer Themen behandelt wurden, die in der aktuellen Prüfpraxis von Bedeutung waren. Die Inhalte der Prüferfortbildungen werden ausführlich im Kapitel 4.3 beschrieben. Am 22. März 2004 wurde eine Prüferfortbildung für Prüferinnen und Prüfer aus Berlin und Brandenburg in Berlin organisiert. Thema war das Verhältnis von Angst und Gewalt im Tagesprogramm (siehe Kapitel 4.3.2). Gesichtet wurden die Beispielfilme Lara Croft – Tomb Raider (USA 2001) in der gekürzten Fassung sowie Ausschnitte aus dem TV-Movie Lenya (D 2000). Vor dem wissenschaftlichen Symposion anlässlich des 10-jährigen FSF-Jubiläums am 25. Mai 2004 wurde eine Fortbildungseinheit für alle Prüferinnen und Prüfer angeboten. Berichtet wurde zum einen über die Prüffälle Lara Croft und Lenya, des Weiteren wurden Ausschnitte aus neueren Non-Fiction-Formaten, Viva la Bam und Schürmanns Gebot, gezeigt und Tabuverletzungen und das Überschreiten von Ekelschwellen in neueren Programmformaten diskutiert (siehe Kapitel 4.3.5). Thema der Fortbildungsveranstaltung am 24. September 2004 in Köln waren Sendungen über Schönheitsoperationen im Fernsehen und mögliche entwicklungsbeein38 Unabhängigkeit und Qualität der Prüfungen trächtigende Wirkungen (siehe Kapitel 4.3.6). Gesichtet und diskutiert wurde eine Folge der von der KJM beanstandeten Doku-Soap I want a famous face sowie eine Folge der Reality-Show Alles ist möglich. Im zweiten Themenblock wurden Möglichkeiten der Schnittbearbeitung an einem professionellen Schnittplatz demonstriert. Ein ähnliches Fortbildungsangebot wurde am 26. November 2004 in München für die Prüferinnen und Prüfer aus dem süddeutschen Raum organisiert. Auf dieser Veranstaltung wurde die Problematik um Sendungen über Schönheitsoperationen am Beispiel der Makeover-Show The Swan – Endlich schön diskutiert. Auch in dieser Veranstaltung wurden möglicher Umfang und technische Durchführbarkeit von Schnittauflagen an einem professionellen Schnittplatz demonstriert. Von den insgesamt 98 Prüferinnen und Prüfer der FSF haben im Jahr 2004 73 an mindestens einer der Fortbildungen teilgenommen. Mit den Veranstaltungen wurden somit 75 % der Prüfer/-innen direkt erreicht. Darüber hinaus wurden alle Prüferinnen und Prüfer über die Ergebnisse der Fortbildungen wie auch über andere für die Prüfungen relevante Fragen in Rundbriefen informiert. Im Jahr 2004 wurden drei Rundbriefe – im Februar, Juni und Oktober – an alle Prüferinnen und Prüfer versandt. An den Fortbildungsveranstaltungen nehmen regelmäßig auch die Jugendschutzbeauftragten von Mitgliedssendern teil, so dass die Fortbildungen auch in die Sender hineinwirken. 39 4. Prüfungen 2004 2004 ist das erste Jahr, in dem die FSF komplett als anerkannte Selbstkontrolle im Sinne des JMStV gearbeitet hat. An dieser Stelle soll über die Tätigkeit der FSF ausführlich berichtet und dabei auf besondere Problemfälle eingegangen werden, die sich angesichts der Programmentwicklung in diesem Jahr gestellt haben. Die Prüfung von Fernsehprogrammen vor der Ausstrahlung ist eine der wesentlichen Aufgaben der FSF. Besonders durch die Anerkennung der FSF als Einrichtung der Selbstkontrolle im Sinne des JMStV kommt der fachlich fundierten Beurteilung von Fernsehprogrammen und der nachvollziehbaren und transparenten Begründung des jeweiligen Prüfergebnisses eine besonders hohe Bedeutung zu. 4.1 Zahlen und Entwicklung Seit 2003 – dem Jahr der Anerkennung der FSF – hat das Prüfvolumen im Vergleich zu den Vorjahren erheblich zugenommen. Wurden in den Jahren 2001 und 2002 insgesamt 514 bzw. 543 Sendungen geprüft, waren es 2003 834 Programme und im Jahr 2004 765 Sendungen, die den Ausschüssen vor der Ausstrahlung zur Prüfung vorgelegt wurden. Die Entwicklung des Programmvolumens seit Bestehen der FSF zeigt Tabelle 1. Tabelle 1: Auswertung der Prüfanträge nach Kategorien und Jahr – 1994 bis 2004 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 135 144 154 143 65 78 50 24 49 63 148 1.053 9 3 1 2 2 1 102 89 210 5 3 1 5 4 4 7 4 3 6 3 45 159 164 321 176 159 164 162 140 241 361 192 2.239 TV-Movie 56 80 24 38 16 10 11 33 45 94 97 504 Non-Fiction/Reality 17 23 2 5 25 1 3 67 83 226 Erotik 49 30 38 51 104 156 102 309 201 141 153 1.334 Indizierter Film 171 179 97 59 50 39 19 3 Gesamt 601 626 636 476 405 476 353 513 Ausnahmeanträge FSK-12-Kennzeichen Kinofilme ohne FSKKennzeichnung Serie 41 1 2004 gesamt 617 543 834 765 6.228 Prüfungen 2004 Der Rückgang der Zahlen im Jahr 2004 im Vergleich zum Vorjahr erklärt sich weitgehend durch eine geringere Anzahl von Serienprüfungen: In dieser Kategorie sank die Zahl der Prüfungen von 361 (2003) auf 192 Serienfolgen 2004 (zur Erläuterung siehe Tabelle 2d). Gegenüber den Serien ist im Bereich der Ausnahmeanträge ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen: Ihre Zahl stieg von 63 Filmen (2003) auf 148 Filme im Berichtszeitraum 2004 (siehe Tabelle 2a). Die Beispiele zeigen, dass es sich für eine genauere Betrachtung des Prüfaufkommens lohnt, die Entwicklung der Vorlage in den einzelnen Prüfungssegmenten zu verfolgen. Die Zahlen aus Tabelle 1 werden daher in den Tabellen 2a – 2h für die einzelnen Kategorien veranschaulicht. Tabelle 2a: Ausnahmeanträge 1994 - 2004 180 154 160 140 144 148 143 135 120 100 78 80 65 60 63 50 40 49 24 20 0 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Ausnahmeanträge sind Filme, die bereits von der FSK geprüft und mit „Freigegeben ab 16 Jahren“ bzw. „Keine Jugendfreigabe“ gekennzeichnet wurden. Mit diesen Altersfreigaben sind nach § 5 Abs. 4 JMStV bei der Fernsehausstrahlung bestimmte Sendezeiten (22.00 bis 6.00 Uhr bzw. 23.00 bis 6.00 Uhr) verbunden, von denen abgewichen werden kann, wenn die Vermutung einer entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkung auf Kinder und Jugendliche unter 16 bzw. unter 18 Jahren nicht mehr vorliegt. Nach § 9 Abs. 1 JMStV kann dies vor allem für Angebote gelten, deren Bewertung durch die FSK länger als 15 Jahre zurückliegt, darüber hinaus werden FSKgekennzeichnete Filme oft auch in bearbeiteten Fassungen zur Prüfung vorgelegt, bei denen die seitens der FSK inkriminierten Szenen verkürzt wurden oder nicht mehr enthalten sind. 42 Prüfungen 2004 Mit 148 Ausnahmeanträgen im Jahr 2004 werden in dieser Kategorie wieder die hohen Werte der Anfangsjahre erreicht. Während von 1994 bis 1997 die Ausnahmeanträge mit durchschnittlich 144 Filmen pro Jahr einen beträchtlichen Anteil am Prüfvolumen einnahmen, fiel ihr Anteil 1998 abrupt auf 65 Filme ab. Von 1999 bis 2001 sank der Anteil der Ausnahmeanträge stetig, was die abnehmende Bereitschaft der Sender dokumentiert, angesichts einer erneuten Prüfung der Filme durch die zuständigen Landesmedienanstalten, die nicht an das Votum der FSF gebunden waren, diese Programme überhaupt der Selbstkontrolle vorzulegen. Entsprechend wandelt sich dieser Trend mit Anerkennung der FSF: 2003 werden 63 Ausnahmeanträge durch die FSF geprüft, 2004 wird diese Zahl mehr als verdoppelt. Tabelle 2b: Filme mit FSK-12-Kennzeichen 1994 bis 2004 120 102 100 89 80 60 40 20 9 3 1 2 2 1 1 0 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Bei Filmen, die nach § 14 Abs. 2 des Jugendschutzgesetzes von der FSK für Kinder unter 12 Jahren nicht freigegeben sind, ist zu entscheiden, ob sie im Tagesprogramm ausgestrahlt werden können und die Platzierung somit den Anforderungen des § 5 Abs. 4 Satz 3 JMStV genügt, nach dem bei der Wahl der Sendezeit dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung zu tragen ist, oder ob eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung zu befürchten ist, die den Anbieter zu einer Sendezeitbeschränkung verpflichtet (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 in Verb. m. § 5 Abs. 4 JMStV). Seit Anerkennung der FSF durch die KJM haben die Anträge dieser Kategorie erheblich zugenommen. Waren von 1994 bis 2002 insgesamt nur 19 FSK-12-Filme Gegens43 Prüfungen 2004 tand einer FSF-Prüfung, wurden 2003 102 und im Jahr 2004 89 Filme mit FSK-12Kennzeichen geprüft. Tabelle 2c: Kinofilme ohne FSK-Kennzeichen 1994 bis 2004 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Bei dieser Kategorie handelt es sich um Kinofilme, die der FSK nicht vorgelegen haben, weil sie in Deutschland weder für das Kino noch auf Video oder DVD ausgewertet wurden. In der Kategorie finden sich darüber hinaus Kinofilme, die in einer bestimmten Fassung (z. B. restaurierte Fassungen, so genannte „extended versions“ o. Ä.) der FSK nicht vorgelegen haben, sowie Filme, denen in der Originalfassung das FSK-Kennzeichen verweigert wurde und die nun in bearbeiteten Versionen vorgelegt werden. Diese Kategorie enthält definitionsgemäß nur wenige Titel und ist über die Jahre konstant niedrig geblieben. 2004 wurden 3 Filme dieser Kategorie geprüft, im Jahr 2003 6 Filme. 44 Prüfungen 2004 Tabelle 2d: Serien 1994 bis 2004 400 361 350 321 300 241 250 192 200 159 164 176 159 164 162 140 150 100 50 0 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Die Prüfung von Serien hat seit Bestehen der FSF einen bedeutenden Anteil am Prüfgeschehen. Die Entwicklung der Serienprüfungen über 10 Jahre zeigt, dass die Anzahl relativ konstant geblieben ist, in drei Jahren – 1996, 2002 und 2003– aber auffällig hoch ausfällt. In diesen Jahren wurden neben den „üblichen“ Serienprüfungen, d.h. einigen markanten Folgen einer Serie, auch sehr viele Folgen bzw. ganze Staffeln einer Serie zur Prüfung vorgelegt, weil diese etwa insgesamt mit Blick auf den angestrebten Sendeplatz unter Jugendschutzgesichtspunkten relevant erschien. 1996 (321 Serienprüfungen) waren dies etwa die Serien Walker Texas Ranger (92 Folgen beantragt für das Hauptabendprogramm) und Krieg der Welten (47 Folgen beantragt für das Spätabendprogramm), des Weiteren die Serie Power Rangers (78 Folgen), von der nahezu alle Staffeln komplett der FSF zur Prüfung vorlagen. 2002 wurden allein 54 Folgen der Serie Airwolf geprüft, die für den beantragten Sendeplatz am Nachmittag umfangreich bearbeitet worden waren, sowie japanische Animeserien (24 Folgen Shin Shan; 15 Folgen Dragon Ball Z) für eine Ausstrahlung im Tagesprogramm. Auch 2003 wurde jeweils eine große Anzahl von Serienfolgen vorgelegt – so etwa 45 Folgen der Serie Sentinel, über 20 Folgen von Dragon Ball Z oder zahlreiche Episoden von Angel, Buffy, Coupling, Kommissar Rex oder Sex and the City. Im Berichtszeitraum reduzierte sich die Anzahl der jeweils eingereichten Serienepisoden wieder. Einerseits war eine Orientierung der Antragsteller an den Vorgaben der FSFVorlagesatzung festzustellen, die von der Vorlage von drei typischen Folgen einer 45 Prüfungen 2004 Serie ausgeht (vgl. § 4 Abs. 1 FSF-Vorlagesatzung); andererseits gab es nach wie vor Fälle, bei denen die Anzahl der geprüften Episoden einer Serie auch deutlich darüber lag, z.B. bei Nip/Tuck (10 Folgen), Mutant X (7 Folgen) oder den Power Rangers – Ninja Storm (39 Folgen). Tabelle 2e: TV-Movies 1994 bis 2004 TV-Movie 120 94 100 97 80 80 60 56 45 38 40 33 24 16 20 10 11 0 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Die Kategorie TV-Movies beinhaltet alle fiktionalen Fernsehproduktionen in Spielfilmlänge. Da TV-Movies vor Bestehen der FSF von keiner Instanz des Jugendmedienschutzes vor Ausstrahlung begutachtet wurden, ist die Prüfung von TV-Movies neben den Serien wesentliche Aufgabe der FSF. Entsprechend wurde die Vorlage in diesem Segment häufig als Gradmesser für das Funktionieren der Selbstkontrolle insgesamt gewertet. Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung der Prüfungen von TV-Movies in den vergangenen Jahren ein positives Zeichen für die FSF. Auffällig ist der abrupte Anstieg der Vorlage von TV-Movies seit Anerkennung der FSF: Im Jahr 2003 wurden 102, im Jahr 2004 97 TV-Movies geprüft. Der Anteil der Eigenproduktionen ist dabei entgegen der allgemeinen Programmentwicklung in den letzten Jahren erheblich angestiegen. Seit Anerkennung der FSF ist die Vorlage der eigenproduzierten TV-Movies für alle Mitgliedssender verbindlich. 48 geprüfte Eigenproduktionen bzw. deutsche Koproduktionen im Jahr 2004 und damit ein Anteil von mehr als 52 % an den geprüften TV-Produktionen verweisen darauf, dass diese Regelung der Vorlagesatzung wirksam ist. 46 Prüfungen 2004 Zu Tabelle 2e: Anteil der Eigenproduktionen an den TV-Movies 1994 bis 2004 60 48 50 37 40 33 30 26 20 10 4 7 1 4 9 6 2 0 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Tabelle 2f: Non Fiction/Reality 1994 bis 2004 Non-Fiction / Reality 90 83 80 67 70 60 50 40 30 20 10 25 23 17 2 5 1 3 0 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Die Anzahl der Prüfungen nicht fiktionaler Programme ist bis zum Jahr 2003 eher gering. In den Anfangsjahren 1994 und 1995 wurden Magazinsendungen wie Liebe Sünde oder Reality-Formate wie Auf Leben und Tod vorgelegt, die bald vom Markt verschwanden. 1999 waren es einzelne Talkshowsendungen, die einen Anstieg der Prüfungen auf 26 Programme bewirkten. Seit 2003 ist die Anzahl der Prüfungen in dieser Kategorie stark angestiegen und beläuft sich auf 67 (2003) bzw. 83 (2004) Sendungen im Jahr. Der allgemeinen Programmentwicklung in dem Bereich nicht fiktionaler Sendungen entsprechend finden sich in dieser Kategorie neben den bekannten 47 Prüfungen 2004 Talk- oder Gerichtsshows auch viele neue Programmformate wie Doku-Soaps oder Doku-Shows (vgl. Kapitel 4.3.3 – 4.3.5). Tabelle 2g: Sex- /Erotikfilme 1994 bis 2004 350 309 300 250 201 200 156 141 150 104 153 102 100 49 50 30 38 51 0 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Bei Sex- bzw. Erotikfilmen ist zu entscheiden, ob es sich um eine pornografische Darstellung im Sinne des § 184 StGB handelt, was in Verbindung mit § 4 Abs. 2 Nr. 1 JMStV die Sendeunzulässigkeit nach sich zieht, bzw. ob weitere Kriterien für unzulässige Angebote nach § 4 JMStV bzw. § 29 der FSF Prüfordnung (PrO-FSF) auf das Angebot zutreffen oder schwer jugendgefährdende Momente, die ein Ausstrahlungsverbot gem. § 4 Abs. 2 Nr. 3 JMStV bzw. § 30 PrO-FSF rechtfertigen, auszumachen sind. Die Anzahl der Prüfungen im Bereich Erotik hängt stark ab von der Mitgliedschaft von Sendern mit entsprechendem Programmangebot. Im Jahr 2000 etwa wurde Beate Uhse TV FSF-Mitglied, was im Folgejahr 2001 statistisch zu Buche schlägt (insgesamt 305 geprüfte Erotikfilme, davon 183 Anträge von Beate Uhse TV). Im Jahr 2003 wurden 141 Erotikfilme zur Prüfung vorgelegt, 2004 153 Titel. 48 Prüfungen 2004 Tabelle 2h: Indizierte Filme 1994 bis 2001 200 180 179 171 160 140 120 100 97 80 59 60 50 39 40 19 20 3 0 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Die indizierten Filme hatten in der Anfangszeit der FSF einen erheblichen Anteil am Prüfaufkommen. 1994 nahm die Prüfung indizierter Filme mit 171 Sendungen im Jahr einen Anteil von ca. 28 % am Prüfvolumen ein. In den darauffolgenden Jahren reduzierte sich die Anzahl der indizierten Filme stetig, auf 39 Filme im Jahr 1999 bzw. 19 Filme im Jahr 2000. Mit Inkrafttreten des 4. RÄStV ist die Ausstrahlung indizierter Filme in ungeschnittener Fassung im Fernsehen generell verboten und werden diese daher der FSF nicht mehr vorgelegt. Wie sich die Anteile der einzelnen Programmkategorien am Prüfvolumen seit 2001 entwickelt haben, veranschaulichen die folgenden Grafiken. Es wird deutlich, dass die verschiedenen Programmarten in den Prüfungen in einem zunehmend ausgewogenen Verhältnis stehen. 49 Prüfungen 2004 Abb. 1a: Anteil der Programmkategorien am Prüfvolumen 2001 Abb. 1b: Anteil der Programmkategorien am Prüfvolumen 2002 50 Prüfungen 2004 Abb. 1c: Anteil der Programmkategorien am Prüfvolumen 2003 Abb. 1d: Anteil der Programmkategorien am Prüfvolumen 2004 51 Prüfungen 2004 Insgesamt zeigt die positive Entwicklung der Vorlagepraxis, dass die Sender das System der regulierten Selbstregulierung angenommen haben. Wurde der FSF und den sie tragenden Sendern in den vorangegangenen Jahren oft vorgeworfen, gerade besonders jugendschutzrelevante Programme würden aus Angst vor einer Ablehnung nicht vorgelegt, so hat sich das Vorlageverhalten der Sender offensichtlich gewandelt, wie etwa die Zunahme der Prüfungen im Bereich TV-Movie zeigt. Die Prüfergebnisse der FSF werden von den Mitgliedssendern akzeptiert. Die Anzahl der Berufungen ist im Verhältnis zum gesamten Prüfvolumen nur gering: Im Jahre 2004 wurde lediglich gegen 40 von 765 FSF-Entscheidungen Berufung eingelegt. In nahezu 50 % der Fälle folgten die Berufungsausschüsse den Einschätzungen der Vorinstanz oder milderten die Entscheidung lediglich ab, was als Indikator für die Kontinuität in der Spruchpraxis gewertet werden kann. Darüber hinaus verweist die hohe Quote an Programmen, die von den Sendern vor Antragstellung z.T. recht umfangreich bearbeitet werden – von den im Jahr 2004 geprüften 765 Sendungen wurden 157 Programme in geschnittenen Fassungen eingereicht –, auf eine verstärkte Orientierung der Sender an der FSF-Spruchpraxis. Dennoch wurden im Jahr 2004 186 Programme nicht wie beantragt zur Ausstrahlung zugelassen. 98 Filme und Fernsehsendungen wurden auf einen späteren Sendeplatz verschoben. In 80 Fällen wurden Schnittauflagen verhängt. In 8 Fällen wurde ein Verstoß gegen die Unzulässigkeitsbestimmungen des § 4 JMStV festgestellt und die Ausstrahlung entsprechend abgelehnt. 4.2 Organisation Die Art und Weise der Prüfungsorganisation durch die FSF-Geschäftsstelle gewährleistet eine im Voraus festgelegte Besetzung der Prüfausschüsse. Jeweils 5 Prüferinnen und Prüfer pro Woche werden am Jahresende für das kommende Jahr zu einer Prüfsitzung eingeladen. Bei der Zusammenstellung ist darauf zu achten, dass alle 52 Prüfungen 2004 Prüferinnen und Prüfer im Laufe eines Jahres möglichst gleichmäßig berücksichtigt werden (vgl. § 6 Abs. 3 PrO-FSF). Die Disposition der 98 Prüferinnen und Prüfer für das Jahr 2004 wurde im Dezember 2003 abgeschlossen. Auf Grund des gestiegenen Prüfaufkommens wurde jede zweite Woche ein Doppelausschuss eingerichtet, so dass pro Monat 18 Prüftage fest geplant waren, hinzu kamen spontan zu organisierende Prüftermine, Berufungssitzungen und Einzelprüfungen. Einige Doppelausschüsse mussten im Sommer 2004 auf Grund des rückläufigen Prüfaufkommens abgesagt werden, gegen Ende des Jahres wurde das geplante Prüfvolumen wieder erreicht. Die Vertreterinnen und Vertreter der Kirche wurden gebeten, Einarbeitungstage in das erste Quartal des Jahres zu legen, um in der zweiten Jahreshälfte bereits reguläre Prüftermine wahrnehmen zu können. Dieser Bitte sind die neuen Kolleginnen und Kollegen nachgekommen, so dass im zweiten Quartal 2004 bereits Vertreter/-innen der Kirche als Prüferinnen und Prüfer integriert werden konnten. Um zu gewährleisten, dass nach Möglichkeit in jedem Prüfausschuss eine hauptamtliche Prüferin bzw. ein hauptamtlicher Prüfer vertreten ist, die bzw. der auf die Kontinuität der Spruchpraxis achten und über vergleichbare Fälle berichten kann, hat das Kuratorium drei weitere Ausschussvorsitzende als hauptamtliche Prüfer bzw. Prüferin benannt. Hauptamtliche Prüferinnen und Prüfer im Jahr 2004 waren: Claudia Mikat sowie von Februar bis Jahresende Susanne Bergmann, Nils Brinkmann und Christina Heinen. Auch die Gruppe der juristischen Sachverständigen wurde um einen vierten Juristen erweitert. Juristische Sachverständige 2004 waren: Prof. Dr. Oliver Castendyk, Dr. Marc Liesching, Dr. Claudia Rinke sowie Dr. Matthias Heinze. 53 Prüfungen 2004 4.3 Inhalte 4.3.1 Zusammenspiel von Prüfausschüssen und Kuratorium Mit den im Folgenden dargestellten Themen und exemplarischen Fällen des Jahres 2004 waren nicht nur Prüfausschüsse, sondern verstärkt auch das Kuratorium der FSF befasst. Zum Teil wurden einzelne Fälle auch an die juristischen Sachverständigen weitergegeben. Das Kuratorium wird auf den regulären Sitzungen durch die hauptamtliche Prüferin auf exemplarische Fälle, offene Fragen in den Prüfungen, strittige Entscheidungen o. Ä. aufmerksam gemacht. Weiterführend wurde dazu eine Arbeitsgruppe zu Programmfragen und neuen Formaten gegründet, die die Prüfordnung präzisiert und Interpretationshilfen erarbeitet. Auf den drei Sitzungen der Arbeitsgruppe im Jahre 2004 wurden Beispiele aus der Programmprüfung gesichtet und erörtert. Die daraufhin entwickelten Gesichtspunkte für die Bewertung finden sich in den Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung vom 1. März 2004 wieder oder auch in eigenen Kriterienkatalogen wie etwa für Sendungen zum Thema Schönheitsoperationen vom 6. August 2004. Die Ergebnisse der Kuratoriumssitzungen und der Arbeitsgruppentreffen wurden auf Fortbildungsveranstaltungen und in Rundbriefen an die Prüferinnen und Prüfer rückgekoppelt. Insofern dokumentieren die hier dargestellten Fallbeispiele die Probleme und Fragestellungen in den Prüfungen und die Entwicklung von Kriterien durch das Kuratorium, z.T. auch den juristischen Blick auf den Sachverhalt. Sie zeigen darüber hinaus den ständigen Abstimmungsprozess zwischen FSF-Kuratorium und den Prüfausschüssen auf, der notwendig ist, um zu einer nachvollziehbaren und sachlich begründbaren Spruchpraxis zu gelangen. 54 Prüfungen 2004 4.3.2 Lenya und Lara Croft: Angst und das Verhältnis von Angst und Gewalt im Tagesprogramm Seit Anerkennung der FSF durch die KJM haben die Anträge für das Tagesprogramm insgesamt zugenommen. Bei der überwiegenden Anzahl der geprüften Serien war eine Ausstrahlung im Tagesprogramm vorgesehen (110 von 191) und auch die Anzahl der TV-Movies, die z.T. in gekürzter Fassung für eine Wiederholung im Tagesprogramm vorgelegt wurden, ist von 34 auf 92 angestiegen. Insbesondere Filme, die nach § 14 Abs. 2 des Jugendschutzgesetzes für Kinder unter 12 Jahren nicht freigegeben sind, waren vor August 2003 kein nennenswerter Prüfgegenstand. Lediglich 18 Filme dieser Kategorie wurden von Januar bis Juli 2003 geprüft; von August bis Dezember 2003 stieg die Anzahl auf 84 an. Im Berichtszeitraum 2004 wurden insgesamt 89 FSK-12-Filme zur Prüfung vorgelegt. Bei Filmen dieser Kategorie ist zu entscheiden, ob sie im Tagesprogramm ausgestrahlt werden können und die Platzierung somit den Anforderungen des § 5 Abs. 4 Satz 3 JMStV genügt, nach dem bei der Wahl der Sendezeit dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung zu tragen ist, oder ob eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung zu befürchten ist, die den Anbieter zu einer Sendezeitbeschränkung verpflichtet (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 in Verb. m. § 5 Abs. 4 JMStV). Analog legt die Prüfordnung der FSF fest, dass für die Tagesprogrammierung die Voraussetzungen für die Wahrnehmung und Verarbeitung von Kindern unter 12 Jahren zu berücksichtigen sind. Die Diskussionen in den Ausschüssen und ein z.T. breites Beurteilungsspektrum bei den Entscheidungen für das Tagesprogramm verwiesen auf Klärungsbedarf in der Anwendung der Prüfordnung. Fraglich war vor allem, welche Altersgruppe bei einer Platzierung im Tagesprogramm im Fokus der Betrachtung stehen soll, inwieweit also die Bestimmung des JMStV, dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung zu tragen, präzisiert werden kann. Vor allem in Bezug auf mögliche Angst erzeugende Wirkungen zeigten sich hier Unsicherheiten. Auf der einen Seite ist das Wirkungsrisiko einer übermäßigen Angsterzeugung vor allem im Tagesprogramm relevant; nach § 31 Abs. 3 Satz 2 PrO-FSF ist der Angstdimension bei unter 12-Jährigen ein höheres Gewicht zuzumessen als bei älteren Zuschauergruppen. Auf der anderen Seite kann dies wohl 55 Prüfungen 2004 nicht bedeuten, potenziell ängstigende oder auch nur kurzfristig erschreckende Inhalte generell aus dem Tagesprogramm zu verbannen. Schließlich hängt es von der Verarbeitungsfähigkeit von Kindern verschiedenen Alters ab, inwieweit Ängste verarbeitet und im entsprechenden Medienkontext auch lustvoll erlebt werden können. Insofern sind auch verschiedene ergänzende Kriterien zu berücksichtigen, wie etwa relativierende Genrekontexte. Beschäftigt haben die Ausschüsse, wie die beiden folgenden Beispiele zeigen, in diesem Zusammenhang vor allem die Genres Fantasy/Mystery und Action. Der TV-Film Lenya (D 2000, Fantasy/Mystery, gekürzte Fassung, ca. 92 Minuten) wurde 2001 in der Originalfassung antragsgemäß für das Hauptabendprogramm entschieden. Die Ausstrahlung einer gekürzten Fassung im Tagesprogramm lehnten Prüf- und Berufungsausschuss im November 2003 ab. Beide Gremien sahen das Wirkungsrisiko einer übermäßigen Ängstigung auf unter 12-jährige Kinder gegeben. Der Kinospielfilm Lara Croft – Tomb Raider (USA 2001, Fantasy/Action) wurde von der FSK im Jahr 2001 in Originallänge mit „Freigegeben ab 12 Jahren“ gekennzeichnet. Der FSF wurde im Dezember 2003 eine gekürzte Fassung von ca. 91 Minuten zur Prüfung vorgelegt. Die Ausstrahlung der gekürzten Fassung im Tagesprogramm lehnten Prüf- und Berufungsausschuss ab. Auf ihrer ersten Sitzung am 9. Januar 2004 hat sich die Arbeitsgruppe „Programm und neue Formate“ des Kuratoriums u.a. mit den Themen „Tagesprogramm und die zu berücksichtigende Altersgruppe“ sowie „Fantasy, Mystery, Action im Tagesprogramm“ befasst und die beiden Filme gesichtet. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Arbeitsgruppe hielten eine Erläuterung der Prüfordnung für notwendig. Insbesondere mit Blick auf das Tagesprogramm und der hier zu berücksichtigenden schwer fassbaren Gruppe der jüngeren Kinder unter 12 Jahren sollten neben dem Alter als Richtschnur ergänzende Kriterien berücksichtigt und den Prüferinnen und Prüfern vermittelt werden. Vor allem das Wirkungsrisiko der übermäßigen Angsterzeugung müsse präzisiert und um eine positive Bedeutungsbestimmung von Angst ergänzt werden. Der positive Zusammenhang zwischen notwendiger Angst (z.B. 56 Prüfungen 2004 durch Darstellung der Folgen von Gewalt) und der Entwicklung einer Gewalt ablehnenden Haltung werde in den Gutachten in zu geringem Maße reflektiert, mögliche Ängste würden oftmals überbewertet. Auch dieser Zusammenhang sei daher näher zu beleuchten. Darüber hinaus sei auch der symbolische Gehalt von Gewaltdarstellungen und Angst erzeugenden Szenen in bestimmten Erzählkontexten und ihre Verarbeitung durch Kinder zu erläutern. Auch im Zusammenhang mit Einzelbildern sei zwischen dramaturgisch erzeugten und notwendigen Ängsten und solchen Bildern oder Szenen zu unterscheiden, die ein übermäßiges Verstörungspotenzial für jüngere Kinder besitzen. Lenya und Lara Croft wurden beim Kuratorium als Fälle grundsätzlicher Bedeutung zur Überprüfung4 beantragt. Diesem Antrag wurde zugestimmt. Am 27. Februar 2004 hat sich das Kuratorium mit den beiden Filmen befasst. Im Fall des Fantasyfilms Lenya (D 2000) war die Prüfgruppe dem Votum des Prüfund Berufungsausschusses gegen eine Tagesprogrammierung gefolgt, hatte ihr Urteil aber weniger mit der Angst erzeugenden Wirkung einzelner Szenen, sondern mit dramaturgischen Schwächen, dem Changieren der Figuren zwischen gut und böse und der mangelnden Auflösung begründet. Im Fall von Lara Croft – Tomb Raider (USA 2001, FSK 12, gekürzte Fassung), der von Prüf- und Berufungsausschuss für das Hauptabendprogramm entschieden worden war, hatte das Gremium eine Ausstrahlung im Tagesprogramm bei weiteren Kürzungen für möglich gehalten und dies vor allem mit den irrealen und fantastischen Elementen, die Kindern die symbolische Verarbeitung der gezeigten Gewalt ermöglichten, begründet. Die Ergebnisse der Kuratoriumsprüfung wurden den Prüferinnen und Prüfern auf verschiedenen Fortbildungsveranstaltungen vermittelt. Die erste dieser Fortbildungen am 22. März 2004 richtete sich an Prüferinnen und Prüfer aus Berlin und Brandenburg. Diskutiert wurden die Konsequenzen der Kuratoriumsprüfung für die Spruchpraxis unter dem Aspekt des übergeordneten Themas, dem Verhältnis von Gewalt- und Angstdimension im Tagesprogramm. In der Diskussion wurde deutlich, 4 Ein Fall grundsätzlicher Bedeutung liegt immer dann vor, wenn die zu klärende Frage exemplarisch für eine Vielzahl von Filmen ist. 57 Prüfungen 2004 dass in den Prüfungen entwicklungsfördernde und –beeinträchtigende Ängste sorgfältiger voneinander zu unterscheiden sind. Der Begriff der Nachhaltigkeit wurde hier als geeignet angesehen, um „normale“ und in gewissem Maße auch notwendige Ängste von massiven Ängsten zu trennen, die die kindliche Entwicklung stören können. Das Prüfergebnis zu Lenya verweist dagegen auf die Grenze dessen, was von unter 12-Jährigen problemlos verarbeitet werden kann, weil der Film kommunikative Vereinbarungen nicht einhält, der offene Ausgang des Geschehens einen Teil der Kinder im Ungewissen lässt. Die mögliche Unklarheit über den Ausgang der Geschichte kann rückwirkend auch die Interpretation und Wirkung der vorherigen Szenen beeinflussen, z.B. Ängste schüren vor der Undurchschaubarkeit des „Bösen“, hinsichtlich des Verlustes der eigenen Urteilsfähigkeit und damit auch hinsichtlich der so notwendigen Deutungskompetenz („Ich – Kind – habe keine Angst, weil ich zumindest vom Filmende her die Geschichte durchschaut habe!“) – so im Kuratoriumsgutachten zu Lenya. Insofern fehlen Bewältigungsmöglichkeiten, und dies kann mit Gefühlen der Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe bei jüngeren Kindern verbunden sein. Die Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung wurden von einer weiteren Arbeitsgruppe des Kuratoriums im Laufe des Jahres 2004 erarbeitet und lagen in einer ersten Fassung am 30. September 2004 vor. Die Überlegungen des Kuratoriums zum Wirkungsrisiko der übermäßigen Angsterzeugung und zum Tagesprogramm finden sich in den §§ 9 und 11 der Richtlinien. § 9 der Richtlinien präzisiert den Umgang mit Programmen, die Ängste auslösen können, und den Begriff der Nachhaltigkeit in Bezug auf die Wirkung: „ Bei Programmen, die durch die Darstellung von physischer und psychischer Gewalt, von Bedrohungen oder von Menschen, die Opfer von Unfällen oder Katastrophen werden, anhaltende und nicht zu verarbeitende Ängste auslösen, muss bei der Wahl der Sendezeit das Wohl jüngerer Kinder berücksichtigt werden.“ In den Erläuterungen zu § 9 wird die entwicklungsfördernde Funktion von Ängsten hervorgehoben und auf ergänzende Kriterien wie etwa die Medien- und Genrekompetenzen von Kindern 58 Prüfungen 2004 verwiesen: „Dass Kinder lernen, Ängste, die während der Filmrezeption entstehen können, auszuhalten, kann ihnen auch den Umgang mit realen Ängsten erleichtern. Kinder lernen darüber hinaus schnell die genretypischen Strukturen von Filmen kennen und wissen daher, dass Filmhelden, aus deren Perspektive sie die Handlung erleben, Gefahren und Bedrohungen überwinden. Dies gibt ihnen die Hoffnung, dass auch sie die Ängste in der Realität überwinden können.“ Darüber hinaus wird in den Erläuterungen die Grenze des für jüngere Kinder Zumutbaren beschrieben und zwischen Kindern verschiedenen Alters differenziert: „Kinder können und müssen zwar Ängste aushalten, sie sind aber überfordert, wenn die Ängste während des gesamten Films (von durchschnittlicher Dauer) ununterbrochen anhalten. Dies gilt vor allem für Kinder unter 10 Jahren, da sie noch nicht in der Lage sind, die nachhaltige Wirkung einzelner Szenen durch das Verständnis des Gesamtkontextes zu verarbeiten, und für Kinder unter 8 Jahren, da sie Realität und Fiktion noch nicht ausreichend unterscheiden können. Sie benötigen Erholungsphasen und episodische Lösungen, weil sie daraus die Gewissheit erlangen, dass ihre Identifikationsfigur die Gefahr überwinden wird.“ Im § 11 – Sendungen im Tagesprogramm – wird hervorgehoben, dass bei der Freigabe für das Tagesprogramm grundsätzlich von den Verstehens- und Verarbeitungsmöglichkeiten der ab 12-Jährigen auszugehen ist, das Wohl jüngerer Kinder aber insbesondere von Filmen beeinträchtigt werden kann, „die Krieg oder andere Gewalthandlungen in den jeweiligen geschichtlichen, politischen oder sozialen Zusammenhängen darstellen und damit in einen Kontext einordnen, der jüngeren Kindern unverständlich sein kann.“ Solche Programme können bei Kindern unter 12 Jahren zu übermäßigen Angstreaktionen führen (vgl. § 11 Richtlinien zur Anwendung der PrOFSF). Insofern ist davon auszugehen, so in den Erläuterungen der Richtlinien zu § 11, dass „Filme mit einer Freigabe ab 12 Jahren auch im Tagesprogramm ausgestrahlt werden können, sofern sie nicht für jüngere Kinder unter 12 Jahren ein erhebliches Angstrisiko enthalten oder andere Wirkungsrisiken, die aufgrund geringerer Verarbeitungsfähigkeit dieser Altersgruppen angenommen werden können. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass beispielsweise nur Filme, die eine Freigabe ab 6 Jahren erhalten haben, im Tagesprogramm ausgestrahlt werden dürfen, so hätte er 59 Prüfungen 2004 dies ohne weiteres im Gesetz festschreiben können. Es geht also wohl nicht um eine klare Altersdifferenzierung für das Tagesprogramm, sondern eher darum, die grundsätzliche Sendeerlaubnis für 12er-Filme im Tagesprogramm für solche Filme einzuschränken, bei denen das Wirkungsrisiko aufgrund ihres Themas, ihrer Art der Darstellung und des Kontextes bei Kindern vor Vollendung des 12. Lebensjahres nicht vertretbar ist.“ 4.3.3 Darstellungen von Sexualität und sexualisierte Sprache Ein weiteres vor allem im Tagesprogramm relevantes Thema war 2004 die Darstellung von Sexualität sowie sexualisierte Sprache in humoresken Kontexten. Mit der allgemeinen Zunahme der Anträge für das Tagesprogramm und hier insbesondere der FSK-12-Filme stellte sich in den Prüfausschüssen auch zunehmend die Frage, wie Sexualität bildlich und verbal im Tagesprogramm dargestellt werden kann und welche Darstellungen das Wohl jüngerer Kinder beeinträchtigen. Teenie-Sex-Komödien, von der FSK ab 12 Jahren freigegeben, führten hier zu teilweise sehr kontroversen Diskussionen. So wurde etwa der Film Mädchen, Mädchen, dem erst ein FSK-Hauptausschuss die begehrte Freigabe ab 12 Jahren erteilt hatte, im Januar 2004 nur mit knapper Mehrheit im Berufungsverfahren und in einer erweiterten Schnittfassung wie beantragt für das Tagesprogramm entschieden. Die Kontroverse in diesem Ausschuss wurde in ähnlicher Weise auch in den Vorinstanzen geführt und findet in der Regel zu vergleichbaren Produktionen statt, die Sexualität von Jugendlichen thematisieren. Aber auch Serien, die sich klar erkennbar an Erwachsene richten und Sexualität humorvoll-derb verhandeln (Sex and the City), waren in der Vergangenheit für die Wiederholung im Tagesprogramm zur Prüfung vorgelegt und zum Teil äußerst kontrovers diskutiert worden. Die Arbeitsgruppe „Programm und neue Formate“ des Kuratoriums griff auf ihrer ersten Sitzung am 9. Januar 2004 das Thema „Sexualisierte Sprache/Fäkalsprache und sexuelle Anspielungen in humoresken Kontexten“ ebenfalls auf. Im Ergebnis 60 Prüfungen 2004 kamen die Anwesenden zu dem Schluss, dass bei Filmen, die sexualisierte Sprache oder Fäkalsprache in gehäufter Form verwenden, sorgfältig zwischen Geschmacksurteil und Gefahrenpotenzial unterschieden werden müsse. Entsprechend müssten die Prüferinnen und Prüfer ihre Subjektivität stärker in den Blick nehmen und hinterfragen. Drastische Sprache und Verbalinjurien in parodistischen Kontexten beinhalteten nicht per se Gefährdungsmomente, Kriterium sei eher die Vermittlung von Einstellungen. Zu berücksichtigen seien auch das Humorverständnis und die Rezeptionsgewohnheiten verschiedener Altersgruppen. Diese Überlegungen des Kuratoriums finden sich in den Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung wieder. § 10 (Umgang mit der Darstellung von Sexualität und Geschlechterbeziehungen) geht davon aus, dass es weder Aufgabe des Jugendschutzes sein kann, Kinder oder Jugendliche „vor der Thematisierung sexueller Darstellungen oder Handlungen zu bewahren“, noch „die Thematisierung bestimmter sexueller Orientierungen oder Formen des Zusammenlebens der Sexualpartner generell zu fördern oder zu verhindern, es sei denn, die dargestellten Verhaltensweisen sind strafrechtlich verboten.“ Der nachfolgend aufgeführte Katalog zu entwicklungsbeeinträchtigenden Programmen hebt daher nicht auf die bildliche oder verbale Ebene allein ab, sondern betont die Vermittlung von Verhaltensmustern, Lebens- und Normalitätskonzepten in Bezug auf Sexualität. Stereotype Geschlechterrollen und Diskriminierungen werden ebenso in den Blick genommen wie sexuelle Praktiken, die den Erfahrungen von Normalität eines Heranwachsenden widersprechen, dabei jedoch den Eindruck völliger Normalität vermitteln und so bei Jüngeren Ängste hinsichtlich der eigenen späteren Sexualität auslösen könnten. Eine Rolle spielt u.a. auch, inwieweit sexuelle Erfahrungen als erstrebenswert oder der sexuelle Lustgewinn in seiner Bedeutung für zwischenmenschliche Beziehungen überbetont werden und ob sexuelle Handlungen nicht auf gegenseitigem Wunsch, sondern auf Drängen bzw. gegen den Willen eines Partners oder durch das Ausnutzen von Macht, durch Geld oder Gewalt verübt werden. Für sexualisierte oder vulgäre Sprache ist entscheidend, inwieweit damit eine Herabwürdigung von Menschen oder eines Geschlechts verbunden ist (vgl. § 10 der Richtlinien zur Anwendung der FSFPrüfordnung). 61 Prüfungen 2004 Diese Kriterien sind vor allem im Hinblick auf Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren zu beachten. In den Erläuterungen zu § 10 wird darauf hingewiesen, dass es bei der Prüfung weniger darauf ankommt, „dass die hier skizzierten Schutzzwecke durch die Handlung oder die Darstellung tangiert werden; es ist vielmehr zu prüfen, ob ein Programm geeignet ist, Einstellungen oder Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen der entsprechenden Altersgruppen nachhaltig zu beeinflussen.“ Zum Thema „Darstellungen von Sexualität und sexualisierte Sprache in humoristischen Kontexten“ ist für das Jahr 2005 eine Fortbildungsveranstaltung vorgesehen. 4.3.4 Scare Tactics – Menschenwürdeverstoß im „Versteckte Kamera“-Format? Die US-amerikanische Sendung Scare Tactics wurde 2004 unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Verstoßes gegen die Menschenwürde diskutiert. In der Sendung werden Menschen in Schrecksituationen oder Horrorszenarien gebracht und mit einer versteckten Kamera aufgezeichnet. Die der FSF vorgelegten Episoden waren von verschiedenen Ausschüssen geprüft worden, die Ergebnisse reichten je nach Intensität der Inszenierung bzw. der Angst des so genannten Opfers vom Tagesprogramm bis hin zur Sendeunzulässigkeit. Darüber hinaus hatten einige Ausschüsse die Wiedervorlage der Episoden nach Synchronisation und neuem Zusammenschnitt einzelner Szenen gefordert. Der antragstellende Mitgliedssender RTL II hatte das Format kurz nach der Prüfung aus seinem Programm genommen und an MTV, zu diesem Zeitpunkt noch nicht FSF-Mitglied, sublizenziert. Der Sender wurde über die Problematik eines möglichen Menschenwürdeverstoßes informiert. Die Prüfergebnisse haben aber auch Bewertungsunterschiede zwischen den verschiedenen Ausschüssen offenbart, die auf der Fortbildungsveranstaltung am 22. März 2005 in Berlin diskutiert wurden. Um hier vor allem im Grenzbereich zwischen Ausstrahlung im Nachtprogramm und einer möglichen Sendeunzulässigkeit wegen Verstoßes gegen die Menschenwürde Klarheit hinsichtlich der Kriterien zu gewinnen, hatte die FSF von sich aus die für 23.00 Uhr entschiedenen Episoden an alle drei juristischen Sachverständigen weitergereicht. Ziel war es, einerseits eine möglichst breite Diskussionsbasis zu erhalten, andererseits aber auch auf eine sachgerechte, einheitliche Spruchpraxis hinzuwirken. Die Sachverständigen wurden daher um eine 62 Prüfungen 2004 juristische Meinung zu dem Format gebeten. Sie wurden darüber hinaus aufgefordert, Kriterien zu formulieren, die von den Prüferinnen und Prüfern an diese und ähnliche Formate anzulegen sind. Es zeigte sich, dass auch die Juristen zu unterschiedlichen Ergebnissen bzw. Begründungen kamen. Ein Gutachter sah einen Verstoß gegen die Menschenwürde nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 JMStV in drei der sechs Fälle gegeben. Zentrale Kriterien waren für ihn eine in den Beiträgen zum Ausdruck kommende Objektdegradierung, die Intensität der Verletzungshandlung in ihrer Stoßrichtung gegen die Subjektqualität des Menschen sowie eine implizite Befürwortung des Menschenwürdeverstoßes durch den Kontext. In den als sendeunzulässig eingestuften Beiträgen könnten sich die Opfer einer vermeintlichen Gefahrensituation nicht entziehen, vielmehr werde eine ausweglos einengende Szenerie geschaffen, in der die Opfer zum bloßen Spielball der inszenierten Dramaturgie und zum bloßen Reaktionsanschauungsobjekt des Zuschauers würden; die Unwissenheit des Opfers werde ausgenutzt, um es für erniedrigende oder zumindest intime Verhaltensweisen gefügig zu machen; schließlich seien die Gefahrensituationen existenziell bedrohlich, und die Opfer zeigten existenziell-intensive Emotionen bis hin zur Todesangst, was zumindest ein Indiz dafür darstelle, inwieweit die Szenerie geeignet ist, den anvisierten Menschen der Selbstbestimmung zu berauben. Der zweite Sachverständige kam dagegen zu dem Ergebnis, dass eine Menschenwürdeverletzung in keinem der sechs Fälle vorliege. Sein zentrales Argument war, dass die Leugnung der Subjektqualität in den vorliegenden Fällen nicht eine Intensität erreiche, die Voraussetzung für eine Menschenwürdeverletzung wäre. Die Opfer würden nicht wie Sachen, Untermenschen, handelbare Güter oder wie Schädlinge behandelt oder angesehen, ihr sozialer Achtungsanspruch würde nicht verletzt. Eingegriffen werde aber in das verfassungsrechtlich ebenfalls garantierte Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG und im Einzelfall auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG. Die damit verbundenen Fernsehaufnahmen verletzten, wenn eine Genehmigung nicht vorliege, das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG. Insofern, so der 63 Prüfungen 2004 Schluss des Sachverständigen, sei Art. 1 Abs. 1 GG der falsche verfassungsrechtliche Aufhänger für die Problematik der inszenierten Horrorszenarien. Der dritte Sachverständige argumentierte schließlich damit, dass die Beteiligten offenbar vorab in die Inszenierung eingeweiht worden seien, und gelangte entsprechend zu der Einschätzung, dass kein Verstoß gegen die Menschenwürde vorliege. Die Szenen seien in der Regel so gestaltet, dass der Zuschauer Empathie mit dem Opfer empfinde und mit diesen leide, das Geschehen löse sich in Wohlgefallen auf, die Opfer seien nach der Auflösung entspannt. Der Straftatbestand der schweren Körperverletzung könne aber durch das Zufügen von heftigem Schrecken oder intensiver Angst erfüllt sein, sofern das Opfer nicht vorher oder hinterher einer Aufzeichnung bzw. Veröffentlichung zugestimmt habe. Unterhalb der strafrechtlich relevanten Schwelle sah der juristische Sachverständige entwicklungsbeeinträchtigende Wirkungsrisiken der sozialethischen Desorientierung und übermäßigen Angsterzeugung auf unter 16-jährige Zuschauer, weshalb eine Sendezeitbeschränkung zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr geboten sei. Als sich die Arbeitsgruppe „Programm und neue Formate“ des Kuratoriums in ihrer zweiten Sitzung am 2. Juli 2004 mit dem Fall Scare Tactics und den unterschiedlichen Ergebnissen der juristischen Sachverständigen befasste, bestand Einigkeit, die Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung vor allem hinsichtlich § 12, der sich auf neue Formate bezieht, zu ergänzen. Zum Begriff „Menschenwürde“, der – wie es sich in der Vergangenheit bewährt habe von den Prüfausschüssen mit zu prüfen sei, gebe es in den neuen Richtlinien auch weitere konkrete Hinweise, unter welchen Gesichtspunkten das zu geschehen habe. In Zweifelsfällen müsse der Prüfausschuss ein juristisches Gutachten einholen. In Teil II der Richtlinien werden in § 12 (Beurteilung von nicht fiktionalen Programmen) Kriterien aufgeführt, die sich auf Scare Tactics und vergleichbare Formate anwenden lassen. In Absatz 4 heißt es etwa: „Wenn Menschen ohne ihr Wissen und ohne ihre Zustimmung mit Themen oder Ereignissen oder Situationen konfrontiert werden, muss bei der Wahl der Sendezeit berücksichtigt werden, ob eine Veröffentlichung von intimen Erlebnissen oder Ereignissen ihrer Lebensbereiche erfolgt. Zu 64 Prüfungen 2004 prüfen ist dabei auch, ob die Situation in der Sendung für die Betroffenen eine besondere psychische Belastung darstellt.“ Die Grenze zum Unzulässigkeitstatbestand wird in Absatz 5 wie folgt definiert: „Unzulässig ist die Konfrontation mit gestellten, irreführenden Situationen, die Menschen beispielsweise kurzfristig in Todesängste oder in andere bedrohliche Extremsituationen versetzen können. Dabei ist es unerheblich, ob die Menschen ohne Wissen des Zuschauers in die Handlungen eingeweiht sind. Des Weiteren wird auf Teil III verwiesen.“ In Teil III der Richtlinien zur Anwendung der FSF-Prüfordnung (Unzulässige Sendungen) finden sich die Erläuterungen der Unzulässigkeitsbestimmungen. In § 14 (Programme, über deren Unzulässigkeit der juristische Sachverständige entscheidet) werden unter Abs. 7 Verstöße gegen die Menschenwürde (§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 JMStV, § 29 Abs. 8 PrO-FSF ) erläutert. 4.3.5 Viva la Bam und Schürmanns Gebot – Tabuverletzungen und das Überschreiten von Ekelschwellen Unter dem Stichwort „Neue Formate“ wurden 2004 in Arbeitsgruppensitzungen des Kuratoriums und auf Fortbildungsveranstaltungen für die Prüferinnen und Prüfer Sendungen diskutiert, bei denen es nicht, wie bei Scare Tactics, um Grenzbereiche zu Straftatbeständen ging, sondern um ethische Fragestellungen und ihre Relevanz für die Prüftätigkeit. Zu drei Sendungen von Schürmanns Gebot, die von der KJM geprüft und durch die BLM als zuständige Landesmedienanstalt beanstandet worden waren, lagen mit dem Beanstandungsbescheid, den der Sender der FSF übermittelt hatte, auch die Einschätzungen durch die KJM vor und wurden wie die unterschiedlichen FSF-Ergebnisse auf die zugrunde liegenden Kriterien hin untersucht. Insgesamt zeigten die Bewertungen, dass von den verschiedenen Gremien ähnliche Kriterien herangezogen, z.T. aber anders ausgelegt bzw. unterschiedlich gewichtet worden waren. Die Bewertungsunterschiede wie auch die Abstimmungsverhältnisse in den FSFPrüfausschüssen – es handelte sich ausschließlich um Mehrheitsentscheidungen – machten deutlich, dass eine Klärung hinsichtlich des Umgangs mit diesen Formaten und eine Abgrenzung von Geschmacksfragen und persönlichen Wertentscheidungen 65 Prüfungen 2004 zu Kriterien des Jugendschutzes notwendig war. Als Beispiele seien hier zwei Sendungen angeführt, bei denen in der Beurteilung die Frage der Wertevermittlung im Vordergrund stand. In der MTV-Serie Viva la Bam albert Jackass-Gruppenmitglied Bam Margera mit seiner Familie und mit seinen Freunden herum. Von den vorgelegten acht Folgen wurden zwei Folgen, wie beantragt, für das Tagesprogramm entschieden, davon eine nur unter einer Schnittauflage. Bei sechs Folgen wurde mehrheitlich für eine Ausstrahlung erst im Hauptabendprogramm plädiert. In den Begründungen wird für eine Ausstrahlung im Tagesprogramm die Realitätsferne des Geschehens angeführt. Die Präsentation der Geschichten (schnelle Schnitte, Zeitraffer, Zwischentitel, Musikeinlagen, Make-up, groteske Situationen) mache auch jüngeren Kindern deutlich, dass es sich um Klamauk handele. Für eine spätere Platzierung im Hauptabendprogramm wird dagegen mit der Gefahr der Nachahmung argumentiert sowie mit der Vermittlung von entwicklungsbeeinträchtigenden Einstellungen und Werthaltungen: Die Komik der dargestellten Scherze beruhe auf Schadenfreude und Häme, der Umgang mit dem Thema Fettleibigkeit beispielsweise und der gesamte zwischenmenschliche Umgang sei für jüngere Kinder abträglich und sozialethisch desorientierend, da die Erwachsenen in diskriminierender Weise vorgeführt würden. Für jüngere Kinder, die die Ironie und das Parodistische noch nicht richtig einordnen können, vermittle sich die Botschaft, es sei in Ordnung, sich auf Kosten anderer jeden denkbaren Scherz zu erlauben. Von der 9Live-Unterhaltungssendung Schürmanns Gebot, die seit dem 1. März 2004 im Hauptabendprogramm ausgestrahlt wurden, waren die Folgen 1-3 von der BLM beanstandet worden (Bescheid vom 16. April 2004). Das Format bestehe „von seinem Konzept her aus der als Unterhaltung inszenierten, gezielten Herabsetzung und Verhöhnung Anderer in Zusammenhang mit der Suggestion von Käuflichkeit“. Die BLM folgte der Einschätzung der KJM und sah eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung auf Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren und entsprechend die Verpflichtung des Veranstalters, die Sendung erst ab 22.00 Uhr auszustrahlen. Als Wirkungsrisiken erkannten KJM bzw. BLM die Vermittlung erziehungsabträglicher Ein66 Prüfungen 2004 stellungen (Ausgrenzung, Häme, Herabsetzung anderer) durch diskriminierende Verhaltensweisen (z.B. gegenüber Menschen mit körperlichen Behinderungen) sowie Gesundheitsbeeinträchtigung im Falle einer Nachahmung. Durch die FSF wurden die Folgen 1-3 am 7. April 2004 begutachtet und für verschiedene Tageszeiten freigegeben: Folge 1 wurde für das Spätabendprogramm, Folge 2 für das Tagesprogramm, Folge 3 für das Hauptabendprogramm entschieden. In der Begründung werden für die Folge 1 ähnliche Argumente angeführt wie seitens der BLM. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Folgen liegen nach Meinung des Ausschusses in der Art der Aufgaben und dem Verhalten des Moderators. In den Folgen 2 und 3 seien die Scherze weniger gemein, der Nachahmungsanreiz und auch die Nachahmungsgefährlichkeit weitaus geringer, der Moderator enthalte sich verbal-zynischer Kommentare, die Autonomie und Entscheidungsfreiheit der Kandidaten werde stärker deutlich. Am 21. April 2004 wurde eine weitere – entschärfte – Folge von Schürmanns Gebot durch einen FSF-Ausschuss geprüft und für das Tagesprogramm entschieden. Auch dieser Ausschuss argumentiert mit dem Verhalten des Moderators, der erkennbaren Selbstbestimmung der Teilnehmenden bzw. nicht Teilnehmenden und mit der Art der Aufgaben bzw. der Art der Inszenierung. Zwar ziele die Sendung darauf, die Korrumpierbarkeit von Menschen auszuloten, letztlich setze sich aber nicht der Eindruck durch, dass Menschen bereit oder aus einer Notlage bzw. der konkreten Situation heraus gezwungen seien, für Geld alles Erdenkliche zu tun. Der Problematik um nicht fiktionale Sendungen wie Viva la Bam oder Schürmanns Gebot wird nach entsprechenden Diskussionen im Kuratorium in den Richtlinien zur Anwendung der FSF-Prüfordnung in § 12 (Beurteilung von nicht fiktionalen Programmen) Rechnung getragen. In Abs. 3 heißt es: „Bei Unterhaltungsprogrammen, in denen die teilnehmenden Personen offensichtlich und für den Zuschauer erkennbar selbstbestimmt handeln, sich dabei aber beispielsweise aufgrund von Gewinnerwartungen zu Handlungen oder Aufgaben bereit erklären, die als demütigend oder besonders gefährlich eingestuft werden kön- 67 Prüfungen 2004 nen, ist bei der Wahl der Sendezeit zu prüfen, ob die zu berücksichtigenden Altersgruppen aufgrund ihrer Verstehensfähigkeit und Lebenserfahrung in der Lage sind, die Verhaltensweisen als Grenzfall des Normalen zu erkennen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, a) wie die Teilnehmer oder die Moderation die geforderten Handlungen beurteilen oder ob eine oder mehrere der Personen ihre Teilnahme daran mit relativierender Kommentierung ablehnen, b) ob es sich bei den handelnden Personen um Schauspieler oder im Bereich der Medien geübte Personen handelt oder um andere Personen, c) ob die Sendung geeignet ist, für den Zuschauer als Anleitung für den Umgang mit Menschen in seiner Lebenswirklichkeit zu dienen oder Elemente wie z. B. besonders gefährliche Mutproben nachzuahmen.“ 4.3.6 Schönheitsoperationen in Unterhaltungsformaten 4.3.6.1 I want a famous face Inhaltlich gab es 2004 im Bereich der klassischen Jugendschutzthemen keine Entscheidung der FSF, die in der Öffentlichkeit zu kontroversen Diskussionen geführt oder die die KJM veranlasst hätte, die Einhaltung des Beurteilungsspielraumes zu überprüfen. Auseinandersetzungen mit der KJM gab es allerdings bei drei von der FSF für das Tagesprogramm freigegebenen Folgen der MTV-Serie I want a famous face. Es handelt sich um eine von MTV in den USA produzierte Serie, die um 21.15 Uhr ausgestrahlt wurde. In jeder Folge werden drei Personen, die sich entschieden haben, durch eine kosmetische Operation einer prominenten Persönlichkeit ähnlich sehen zu wollen, von einem Kamerateam begleitet. In der Sendung wird deutlich, dass MTV sie dazu weder motiviert noch die Operationen finanziert hat. Die Protagonisten geben zunächst Auskunft über ihre Motivation und darüber, was sie sich von der Operation versprechen. Dann folgt das Beratungsgespräch bei einem Schönheitschirurgen, spä- 68 Prüfungen 2004 ter werden kurze, aber eindrucksvolle Szenen aus der Operation gezeigt, anschließend folgt die lange und oft sehr schmerzhafte Phase der Rekonvaleszenz. Abschließend wird beobachtet, ob die Betreffenden mit dem Ergebnis zufrieden und ob sie dem von ihnen formulierten Ziel näher gekommen sind. Eingeblendet in die jeweiligen Sendungen werden verschiedene Aussagen von Personen, die eine ähnliche Operation vorgenommen haben, die aber entweder nicht geglückt ist oder zu erheblichen gesundheitlichen Komplikationen geführt hat. Auch die Kandidaten, die bei ihren Operationen begleitet werden, sind teilweise von dem Ergebnis enttäuscht. Die Sendungen verfügen allesamt über einen rudimentären dokumentarischen Charakter, sie enthalten sich aber jeglichen Kommentars und lassen allein die Personen sprechen, über die sie berichten. Sowohl auf der Bildebene – in der Schnitttechnik – als auch auf der Tonebene folgen diese Sendungen der Videoclipdramaturgie. Sie verfügen dadurch über zahlreiche ironisierende Elemente. So wird der Arzt in seinem Beratungsgespräch beispielsweise mit einem Weitwinkel aufgenommen, so dass er eher die Züge des Täters in einem Horrorfilm trägt. Auch der hohe Preis der Operation wird effektvoll in die Sendung eingeblendet. MTV legte die drei Folgen der Sendung der FSF zur Prüfung vor. Sie erhielten am 15. Juni 2004 eine Freigabe für das Tagesprogramm. Im Gutachten stellte der Prüfausschuss fest, dass bei den vorliegenden Sendungen die klassischen Themen des Jugendschutzes nicht berührt seien. Als Kritikpunkt aus der Perspektive des Jugendschutzes könnte gegenüber einer solchen Sendung angeführt werden, dass vor allem Pubertierende, die sich oft in einer schwierigen Phase der Selbstakzeptanz befinden, durch die Sendung motiviert werden könnten, mit dem Blick auf den allgemeinen gesellschaftlichen Schönheitswahn sich selbst leichtfertig einer solchen Operation zu unterziehen. Dieses Kriterium sah der Ausschuss durch die drei Folgen von I want a famous face jedoch nicht erfüllt. Als Argument dafür wurde angeführt, dass bei einem großen Teil der dargestellten Personen die Operation nicht zu dem von ihnen gewünschten Ergebnis geführt habe. Die Zwillingsbrüder, die ihrem Idol Brad Pitt ähnlich sehen 69 Prüfungen 2004 wollten, weil einer der beiden in ein Mädchen verliebt war, das Brad Pitt als Vorbild verehrte, sahen nach der Operation dem Schauspieler nicht besonders ähnlich. Der Versuch, durch die Operation die angebetete Freundin zu beeindrucken, scheiterte ebenfalls. Zwar behauptete die Clique, ihr Aussehen sei deutlich besser und Brad Pitt ähnlich, aber jeder Fernsehzuschauer sieht, dass dies kaum der Wirklichkeit entspricht. Brad Pitt dürfte in dieser Altersgruppe hinlänglich bekannt sein. Auch die Tatsache, dass verschiedene Personen eingeblendet werden, bei denen die Schönheitsoperationen misslungen sind, wurde vom Ausschuss eher als abschreckend gegenüber solchen chirurgischen Eingriffen gewertet. Eine besondere ablehnende Wirkung wurde vor allem den Bildern von der Operation und der Rekonvaleszenz nach der Operation zugemessen. Die Szenen verdeutlichen, so der Ausschuss, dass Schönheitsoperationen mit erheblichen Eingriffen in den Körper verbunden sind, dass sie lange nach der Operation noch erhebliche Schmerzen verursachen und dass es sehr lange dauert, bis die Narben verheilt sind. In einer Pressemitteilung vom 21. Juli 2004 informierte die KJM die Öffentlichkeit über einen Grundsatzbeschluss, den sie zum Thema „Schönheitsoperationen zu Unterhaltungszwecken“ getroffen hatte. Beschlossen wurde, dass „TV-Formate, in denen Schönheitsoperationen zu Unterhaltungszwecken angeregt, durchgeführt oder begleitet werden, grundsätzlich nicht vor 23.00 Uhr gezeigt werden dürfen“ (Pressemitteilung der KJM vom 21. Juli 2004). Gleichzeitig wurde empfohlen, solche Programme der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen vorzulegen. Als Begründung wird in der Pressemitteilung ausgeführt: „In der wichtigen Phase der Realitätsfindung, so der KJM-Vorsitzende, Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, wird jungen Zuschauern suggeriert, es komme nur auf das Äußere an und dieses sei beliebig formbar. Sie könnten den Eindruck gewinnen, dass sich Probleme der Selbstakzeptanz durch Wegschneiden, beliebiges Verkleinern oder Vergrößern von Körperteilen, absaugen oder einspritzen lösen lassen.“ Gleichzeitig kündigte die KJM an, die MTV-Serie I want a famous face im Eilverfahren prüfen zu wollen. Über dieses Format hinaus wurde noch auf einige andere Formate 70 Prüfungen 2004 eingegangen, auf die der Grundsatzbeschluss sich ebenfalls erstrecken sollte, die jedoch zum Teil erst im Herbst 2004 auf Sendung gehen sollten. Etwa zwei Wochen später wurde, ebenfalls in einer Pressemitteilung, darüber informiert, dass zwei der drei von der FSF geprüften Folgen auf einen Sendeplatz nach 23.00 Uhr gesetzt worden waren, eine hingegen auf einen Sendeplatz nach 22.00 Uhr. Außerdem wurde mitgeteilt, dass nach Auffassung der KJM die FSF bei der Prüfung dieses Programms den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten habe. Wieder etwa zwei Wochen später erhielt der Sender die Begründung für die Beanstandung durch die BLM, in der ebenfalls auf die Frage des Beurteilungsspielraumes der FSF eingegangen wurde. Bemängelt wurde vor allem, dass die FSF zu diesen drei Folgen ein Sammelgutachten erstellt habe. Das sei nicht angemessen, da alle drei Folgen unterschiedlich zu bewerten seien. Neben einigen anderen formalen Aspekten kam der Bescheid auch in der Bewertung der Sendung unter Jugendschutzaspekten zu einem anderen Ergebnis. Die Sendung vermittle den Eindruck, so der Bescheid, man könne sein Äußeres durch eine Operation beliebig verändern. Es wird zwar eingeräumt, dass in der Sendung auch Personen dargestellt werden, bei denen eine entsprechende Operation negative Folgen hatte, die positiven Ergebnisse würden aber überwiegen. Insgesamt könnte die Sendung jedenfalls den in der Gesellschaft weit verbreiteten Schönheitswahn unterstützen. Sie würde nicht die aus pädagogischer Sicht notwendige Selbstakzeptanz im Pubertätsalter fördern, sie vermittle eher den Eindruck, man könne über die Schönheitschirurgie seinen Körper in jede beliebige Richtung formen. Dass aber das Aussehen ein Teil der eigenen Identität ist, werde in der Sendung verschwiegen. Die Pressemitteilungen der KJM haben eine Reihe rechtlicher und inhaltlicher Fragen aufgeworfen und zu Irritationen in den Prüfausschüssen geführt. Inhaltlich erschien die der Pressemitteilung zu entnehmende Wirkungsvermutung, gemessen an der gängigen Spruchpraxis des Jugendmedienschutzes, zu pauschal und wenig geeignet, die verschiedenen Programme zu bewerten. Eine eigene Spruchpraxis oder Vorgaben durch die KJM, auf die die Ausschüsse sich hätten stüt- 71 Prüfungen 2004 zen können, existieren für den Umgang mit Sendungen über Schönheitsoperationen bislang nicht. Um für die weitere Prüfung von entsprechenden Formaten vergleichbare Kriterien zu schaffen, hat das Kuratorium der FSF in Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle kurzfristig einen Kriterienkatalog entwickelt, in dem die Haltung der KJM, soweit bekannt, berücksichtigt wurde. Die am 6. August 2004 seitens der FSF erarbeiteten Kriterien für die Bewertung von Sendungen über Schönheitsoperationen (siehe Anhang VII) verfolgen das Ziel, nach diesen Gesichtspunkten nachvollziehbare und praktikable Kriterien für eine Jugendschutzbewertung der neuen Programmformate zu gewinnen. Die potenziell entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung durch die Darstellung von Schönheitsoperationen im Fernsehen liegt nach diesen Kriterien in der unmittelbaren Verbindung zwischen dem Erreichen eines bestimmten Ideals und sozialer Akzeptanz bzw. im Umkehrschluss zwischen Abweichungen von optischen Schönheitsidealen und sozialer Diskriminierung. Des Weiteren wird als wesentlich erachtet, dass Schönheitsoperationen nicht als einziger und unproblematischer Weg zur Optimierung des eigenen Aussehens bzw. als einfacher Ausweg aus der Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen dargestellt werden (Kriterien für die Platzierung ab 22.00 bzw. 23.00 Uhr). Bei der Platzierung im Tages- oder Hauptabendprogramm ist darüber hinaus zu beachten, dass die psychischen, sozialen und medizinischen Risiken der chirurgischen Eingriffe erkennbar dargestellt werden und dass Verletzungen während der Operation nicht in den Vordergrund geschoben oder durch selbstzweckhafte Effekte verstärkt werden. Insgesamt erscheint es bei Sendungen, die Schönheitschirurgie thematisieren, wesentlich, dass kein Druck hinsichtlich des Nacheiferns von Schönheitsidealen erzeugt und die Vorstellung, durch einen chirurgischen Eingriff das eigene Aussehen zu verbessern, nicht als unproblematisch und für Kinder und Jugendliche besonders reizvoll dargestellt wird. Auf der Grundlage dieses Kriterienkatalogs hat die FSF 41 Sendungen geprüft und für verschiedene Sendezeiten freigegeben. Bisher gab es dazu keine weiteren Bean72 Prüfungen 2004 standungen durch die KJM. Insgesamt lagen im Berichtszeitraum 47 Sendungen zum Thema Schönheitsoperationen vor; die beanstandeten Folgen von I want a famous face im Juni 2004, drei Folgen der Serie Beauty Queen im April 2004. Beide Sendungen sind somit lange vor der erstmaligen Befassung durch die KJM und vor Beginn der öffentlichen Diskussion von der FSF geprüft worden. Die beanstandeten Sendungen von I want a famous face waren Gegenstand von Prüferfortbildungen und Arbeitsgruppensitzungen des Kuratoriums gleichermaßen. In den Diskussionen zeigten sich Bewertungsunterschiede, wenngleich unter allen Beteiligten Einigkeit darin bestand, dass die Verschiebung der um 21.45 Uhr ausgestrahlten Sendung ins Nachtprogramm überzogen sei und die Fähigkeiten der ab 16Jährigen unterschätzt würden. Im Meinungsbild fand sich eine Minderheit für eine Platzierung im Spätabendprogramm, mehrheitlich fanden sich Stimmen für das Hauptabend- und Tagesprogramm. Konsens bestand weiterhin darin, dass bei der Beurteilung von Sendungen über Schönheitsoperationen analog zur Bewertung von Gewaltdarstellungen differenziert gefragt werden muss, welche Art von Darstellung in welchem Kontext Kindern und Jugendlichen welchen Alters im Sinne einer aktiven Auseinandersetzung mit der Umwelt zuzumuten bzw. zuzutrauen ist und welche Art von Darstellung geeignet ist, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen. Die Pressemitteilung der KJM bzw. der hierüber übermittelte Grundsatzbeschluss ist für die konkrete Programmprüfung in dieser Hinsicht kaum geeignet, da wesentliche Fragen zur Einschätzung einer möglichen Entwicklungsbeeinträchtigung für die diversen Altersgruppen offen bleiben. 4.3.6.2 Alles ist möglich! Alles ist möglich! ist eine Reality-Show mit Doku-Soap- und Reportage-Elementen. Drei Kandidaten werden sechs Wochen lang bei einer „RundumErneuerung“ ihres Aussehens, die der Sender bzw. die Produktion finanziert, begleitet. Die Probanden werden zunächst in ihrem alltäglichen sozialen Umfeld vorgestellt, äußern sich zu 73 Prüfungen 2004 ihrer spezifischen Unzufriedenheit mit dem eigenen Äußeren. Lebenspartner, Geschwister oder Eltern kommen zu Wort. Es wird deutlich, dass die Kandidaten sich schon seit langem eine plastisch-kosmetische Schönheitskorrektur wünschen, sich diese jedoch bislang nicht leisten konnten. Entsprechend emotional wird der Moment in Szene gesetzt, in dem ihnen die Nachricht überbracht wird, dass ihre Bewerbung bei Alles ist möglich! erfolgreich gewesen ist. Im weiteren Verlauf der Sendung werden Gespräche der Teilnehmenden mit plastischen Chirurgen, einem Fitnesstrainer, einer Psychologin, einem Zahnarzt etc. über die jeweiligen Problemzonen und mögliche Korrekturen gezeigt. Die Eingriffe selbst werden visuell nur knapp angedeutet. Ausführlicher werden das Fitnesstraining, Friseurbesuche, Kosmetikbehandlungen und ein Styling mit neuer Kleidung begleitet. Schließlich werden alle drei Kandidaten jeweils im Finale gezeigt. Sie treffen ihre Angehörigen nach sechs Wochen auf einer Party und dürfen zum ersten Mal einen Blick in den Spiegel werfen. Bei der Prüfung der ersten Folge zeigten sich große Bewertungsunterschiede. Der FSF-Prüfausschuss sah eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung auf Kinder und Jugendliche unter 16 bzw. unter 18 Jahren „durch eine unkritische, affirmative Darstellung von Schönheitsoperationen“ und votierte entsprechend für die Platzierung des Beitrags im Nachtprogramm. Der FSF-Berufungsausschuss erkannte eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung auf ab 12-Jährige nicht, aufgrund „der Ferne des Geschehens zur Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen und der fehlenden Anknüpfungspunkte für Identifikationen, des deutlichen Inszenierungscharakters sowie unter Berücksichtigung der Voraussetzungen, die 12- bis 16-jährige für die Wahrnehmung und Verarbeitung von Medieninhalten haben.“ Die Mehrheit schloss auch eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung auf unter 12-jährige aus und votierte für eine Ausstrahlung der Sendung im Tagesprogramm. Das Meinungsbild auf der Prüferfortbildung im September 2004 ergab eine Mehrheit für die Platzierung im Tagesprogramm und eine Minderheit für die Platzierung im Hauptabendprogramm. Nur zwei Prüfer/-innen hätten für eine Ausstrahlung der Sendung im Nachtprogramm bzw. im Spätabendprogramm plädiert. Für eine späte Platzierung ab 22.00 bzw. 23.00 Uhr wurde angeführt, dass Thema und Darstellungsweise der Sendung Entwicklungsthemen von Jugendlichen aufgreifen, indem 74 Prüfungen 2004 sie eine unspezifische Unzufriedenheit von Jugendlichen mit dem eigenen Körper verstärken könnten. Die geringste Abweichung von der Norm werde als „behandlungsbedürftig“ dargestellt, und das Bewusstsein dafür, dass man mit kleinen Defekten leben könne, werde verwischt. Die Mehrheit der Anwesenden schätzte die Wahrscheinlichkeit als eher gering ein, dass Kinder und Jugendliche durch die Sendung darin bestärkt werden, ihrer möglicherweise vorhandenen Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen durch eine OP zu begegnen. Die Sendung sei extrem stilisiert, die Operationen würden nicht als etwas Alltägliches dargestellt, und die Diskrepanz zum Interesse und zur Realität der kindlichen bzw. jugendlichen Betrachtergruppe sei groß. In der Diskussion um die Grenze zwischen Tages- und Hauptabendprogramm wurden verschiedene Argumente angeführt. Für das Tagesprogramm spreche etwa, dass die relevante Altersgruppe für den Aspekt der sozialethischen Desorientierung die 12- bis 16-jährigen seien, während unter 12-Jährige die Sendung kaum interessieren dürfte. Insofern seien die Wirkungsrisiken für die unter 12-Jährigen noch geringer als für ältere Kinder oder Jugendliche. Für das Hauptabendprogramm spreche dagegen, dass in der Sendung nicht hinreichend auf Kosten und Risiken der chirurgischen Eingriffe hingewiesen werde. Ähnlich war in der Sitzung der AG des Kuratoriums für das Tages- bzw. Hauptabendprogramm argumentiert worden. Die Mehrheit der Kuratoriumsmitglieder war schließlich zu der Auffassung gelangt, dass die Kritik an der Sendung eher an der journalistischen Qualität anzulegen sei. Dass die Sendung nicht der pädagogischen Forderung nach Selbstakzeptanz folge, sei als solches noch nicht als entwicklungsbeeinträchtigend anzusehen. Über die Ablehnung kosmetisch chirurgischer Eingriffe gebe es in der Gesellschaft keinen klaren Konsens. Für die Entscheidung Tagesprogramm versus Hauptabendprogramm gehe es eher darum, zu prüfen, ob auf der Bildebene unter dem Aspekt der übermäßigen Ängstigung Operationsszenen gezeigt würden. 75 Prüfungen 2004 4.3.6.3 Nip/Tuck und Beauty Queen Nip/Tuck und Beauty Queen sind fiktionale Serien mit einer Klinik für Schönheitsoperationen als Setting. In Nip/Tuck, dem amerikanischen Original, leiten Christian Troy und Sean McNamara eine erfolgreiche Praxis für Schönheitschirurgie. Die Charaktere der beiden Ärzte sind sehr unterschiedlich, und so erwachsen hieraus zahlreiche Konflikte und Probleme. Während Christian als attraktiver Single ein abwechslungsreiches Liebesleben genießt (was ihm auch die eine oder andere Patientin einbringt bzw. vice versa), führt Sean ein konventionelles Familienleben, das aufgrund der täglichen Routine zu scheitern droht. Die Mehrheit der im Berichtszeitraum geprüften Serienfolgen wurde – z.T. in bearbeiteter Fassung – für das Hauptabendprogramm entschieden. Hierfür wurde geltend gemacht, dass „das Thema der Schönheitsoperationen auf fiktionaler Ebene behandelt“ werde und durch „humoristische Elemente, Ironie und zahlreiche durchaus kritische Aussagen zum Thema (so etwa Verweigerung einer OP aufgrund nicht bestehender Notwendigkeit, ... Thematisierung von Schönheitsoperationen vs. medizinisch notwendiger Eingriffe) gekennzeichnet“ sei. Die Bilder von Operationen seien zwar „in einigen Einstellungen durchaus eindringlich inszeniert, jedoch filmisch verfremdet und hierdurch in ihrer möglicherweise ängstigenden Wirkung erheblich gemildert“ (Gutachten zum Serienpiloten). Zwei Serienfolgen, in denen drastische Operationsbilder nicht zu sehen sind, wurden für das Tagesprogramm entschieden, eine Folge aufgrund ihrer Selbstmordproblematik für das Spätabendprogramm. In Beauty Queen führen die Brüder Oskar und Mark Seeberg eine Privatklinik am Bodensee. Oskar ist mit Katja verheiratet und hat zwei Kinder. Mark ist Single, schleppt aber in regelmäßigen Abständen die schönsten Frauen ab. Die Brüder haben unterschiedliche Vorstellungen, wie die Klinik zu führen sei: Mark geht es nur ums Geld, Oskar will helfen, auch ohne auf die Finanzen zu sehen. Alle vier Folgen der Serie wurden von der FSF geprüft und für das Hauptabendprogramm entschieden. Im Gutachten zu den ersten drei Folgen der Serie, die bereits im April 2004 vorlagen, heißt es: „Sowohl der dramaturgische Aufbau als auch die fil76 Prüfungen 2004 mische Umsetzung unterstützen eine kritische Sicht auf das Thema Schönheitsoperation, die für die Altersgruppe ab 12 Jahren von der Prüfkommission in ihrer Wirkung positiv eingeschätzt wird. In allen drei Teilen werden sehr detaillierte Operationsbilder gezeigt, die von Zuschauern jeder Altersklasse als belastend empfunden werden können. Für die relevante Altersgruppe wird durch diese Bilder die Aussage unterstützt, dass eine solche Operation kein Kinderspiel ist. Daher ist durch die vorliegenden Episoden eine nachhaltige Beeinträchtigung von Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren nach den Kriterien aus § 31 PrO-FSF nicht zu befürchten. Kinder unter 12 Jahren sind kaum in der Lage, dem dramaturgischen Ablauf der Handlung durch den Wechsel innerhalb der Episoden und die Fortsetzung der Handlung über die Episoden hinweg zu folgen und können durch die zum Teil sehr blutigen und detaillierten Operationsbilder nachhaltig verängstigt werden. Eine Ausstrahlung im Tagesprogramm käme daher nach einhelliger Auffassung der Mitglieder der Prüfkommission nicht in Frage.“ 4.3.6.4 The Swan – amerikanisches Original und deutsche Fassung The Swan ist eine Reality-Dokumentationsserie in der pro Episode zwei Frauen präsentiert werden, die sich aus unterschiedlichen Motiven entschlossen haben, ihr Aussehen zu verändern. Größtenteils geschieht dies durch eine umfängliche Schönheitsoperation, daneben gehören eine begleitende Psychotherapie, teils strenge Diäten und ein umfassendes Sportprogramm zum „Verwandlungsprozess“. Nach drei Monaten werden die Kandidatinnen in schicker Garderobe und passendem Make-up einer Jury präsentiert, die dann entscheidet, welche der beiden Frauen die weitesten Fortschritte gemacht hat. Die Siegerin hat die Chance, „The Ultimate Swan“ zu werden. Am Ende der Sendung sehen sich die Frauen schließlich das erste Mal nach der langen Zeit im Spiegel und treten vor die Augen ihrer meistens verblüfften Familie. Nach zwei Folgen der US-amerikanischen Originalserie wurden der FSF 2004 alle neun Folgen der deutschen Adaption, z.T. in Rohschnitt- und Sendefassung, zur Prüfung vorgelegt. Einige Folgen wurden für das Tagesprogramm, die überwiegende Mehrheit für das Hauptabendprogramm entschieden. Bei den für das Tagesprogramm freigegebenen Episoden wird als Argument angeführt, dass die „mit der Se77 Prüfungen 2004 rie suggerierte `Verwandlung´ vermeintlich unattraktiver und wenig selbstsicherer Frauen in absolute Schönheiten … nicht mit unangenehmen Bildern [spart], die nach Auffassung des Ausschusses keinesfalls geeignet sind, eine leichtfertige Entscheidung in Richtung einer Schönheitsoperation beim Rezipienten zu befördern. Ausführlich werden die physischen und psychischen Leiden der beiden Frauen geschildert, die tagelang unter starken Schmerzen leiden, sich nach ihrer Familie sehnen oder sich durch das harte Trainingsprogramm arbeiten. Die hierzu verwendeten Bilder wirken zwar sehr eindringlich, sind aber nach Auffassung des Ausschusses nicht ängstigend, sondern eher distanzierend“ (Prüfgutachten zu Folge 1 des amerikanischen Originals). Bei der Mehrheit der Folgen wird dagegen problematisiert, dass die Risiken der Eingriffe nicht bzw. in zu geringem Maße thematisiert würden und ausgespart bliebe, dass die Operationen auch misslingen können. Der Eignung für das Tagesprogramm steht in der Mehrheit der Folgen auch die animierte Darstellung der Kandidatinnen entgegen, die von vielen Prüferinnen und Prüfern als sehr schematisch empfunden wird. Es könne, so die Befürchtung, bei Kindern unter 12 Jahren eventuell der Eindruck erweckt werden, dass Menschen konfektioniert werden könnten. „Kindern ist diese Form der Darstellung außerdem aus Videospielen mit unterschiedlichen Kandidaten bekannt. Dieser spielerische Eindruck steht der Ernsthaftigkeit des Themas in einem medizinischen Risikobereich entgegen. Ab 12-Jährige besitzen eher die Medienkompetenz, sich die Risiken der Eingriffe und die alternativen Möglichkeiten zur Schönheitschirurgie aus dem Gesamtkontext zu erschließen“ (Prüfgutachten zu Folge 9 der deutschen Fassung). Zwei gleichartige Folgen der Serie The Swan (am. Fassung) lagen im September 2004 auch Arbeitsausschüssen der FSK vor und erhielten eine Freigabe ab 12 Jahren. 4.3.6.5 Schönheit um jeden Preis – Letzte Hoffnung Skalpell Schönheit um jeden Preis – Letzte Hoffnung Skalpell ist eine Reportagereihe über das Thema Schönheitsoperationen. In jeder Episode stehen Menschen im Mittelpunkt, die sich einer Schönheitsoperation unterziehen. Nach dem Aufmacher, der kurze Ausschnitte aus Szenen der Sendung zeigt, werden die Personen vorgestellt, die sich 78 Prüfungen 2004 für eine Operation entschieden haben. Diese von der Kamera eingefangenen Porträts werden im Verlauf der 48-minütigen Sendezeit miteinander verwoben, die Geschichten werden abwechselnd weitererzählt. Die Mehrheit der im Jahr 2004 geprüften 7 Episoden wurde für das Tagesprogramm entschieden, eine Folge wurde im Hauptabendprogramm platziert. In der Argumentation für eine spätere Platzierung im Hauptabendprogramm wird wieder auf das zu geringe kritische Potenzial der Sendung und auf die drastischen Bilder der Operationen verwiesen: „Die Risiken eines kosmetischen Eingriffs werden nicht wirklich deutlich herausgearbeitet, da der Film in seiner Gesamtwirkung auf die Normalität von Schönheitsoperationen im Leben junger Menschen abhebt. Diese Sendung verstärkt möglicherweise bei jüngeren Zuschauern den Druck, bestimmten Schönheitsidealen nachzueifern und die kosmetische Operation als ganz normale Alternative zu Diät, Fitnesstraining etc. zu begreifen. Gegen eine Ausstrahlung im Tagesprogramm sprach auch, dass die eingestreuten Operationsszenen, die Halbtotalen mit dem vermummten OP-Personal und der gesamten medizinischen Apparatur, die Groß- und Detailaufnahmen von „getackerten“ Hautstücken, gesetzten Spritzen und malträtierten Brüsten trotz ihrer Kürze für das Publikum der unter 12-Jährigen die Gefährdungsdimension der nachhaltigen Verängstigung (§ 31 Abs. 3 Nr. 2 PrO-FSF) durch schockhafte und irritierende Bilder erfüllt“ (Prüfgutachten zu Folge 3). Diese Aspekte werden auch im Prüf- und Berufungsausschuss zu Episode 5 diskutiert. Die Episode war im Prüfausschuss für 22.00 Uhr entschieden worden, weil die Mehrheit in der Episode „eine einseitig positive Berichterstattung über Schönheitsoperationen [sah], die ein verzerrtes Bild entstehen lassen könnte, welches die Risiken chirurgischer Eingriffe verharmlost“. Darüber hinaus spreche allein die Bildebene mit zum Teil drastischen Operationsszenen gegen eine Platzierung im Tagesprogramm. Der Berufungsausschuss sah dies anders und stimmte mehrheitlich einer Ausstrahlung im Tagesprogramm. Eine Verbindung von einem Schönheitsideal und sozialer Akzeptanz sei nicht gegeben, Abweichungen vom Schönheitsideal würden nicht als legitimer Grund für sozi79 Prüfungen 2004 ale Diskriminierung erscheinen. Zudem gebe es in der Reportage auch kritische Töne: „Der Schönheitswahn einiger Protagonistinnen wird durch den Kommentar ironisiert (‚Soviel künstliche Schönheit löst echte Begeisterung aus’, heißt es über die mehrfach operierte Sandra; ‚Drei Mal verpfuscht und dann noch eine SchönheitsOP.’ über Phyllis; ‚Marita und Sandra finden sich immer noch nicht schön genug.’ und ‚Auf Sport hat Marita keine Lust.’ – sie lässt lieber absaugen) ebenso wie die Blauäugigkeit hinsichtlich der Risiken (‚Risiken sind ihr egal’, heißt es über Mercedes; ‚Noch überwiegt die Gelassenheit.’ über Janine und ihre im Folgenden ausführlich und abschreckend inszenierte OP; Ralfs Unbesonnenheit wird ironisch überhöht durch die Einbettung – Szenen, die ihn beim Gokartfahren zeigen – und den Kommentar ‚Der schnelle Ralf’)“ (Berufungsgutachten Folge 5). Auch eine übermäßige Ängstigung wurde mehrheitlich nicht gesehen, da das „abschreckende Potenzial der OP-Szenen ... positiv gewertet wurde ... und die in der Gesamtbetrachtung kurz gehaltenen Szenen nicht in einer selbstzweckhaften Weise in der Vordergrund gerückt oder durch den Einsatz filmischer Gestaltungsmittel in ihrer Wirkung gezielt verstärkt (Loops, Nahaufnahmen, blutige Detailansichten etc.) wurden. ... Es wird deutlich und auch auf der Bildebene gezeigt, wie aufwändig Schönheitsoperationen sind und wie schmerzhaft sie sein müssen.“ 4.4 Prüfungen durch die juristischen Sachverständigen Die juristischen Sachverständigen der FSF waren 2004 unter anderem mit der Prüfung von Erotikfilmen befasst, die vor dem 1. August 2003 von der FSF geprüft und nach der damals gültigen Prüfordnung für 24.00 Uhr entschieden bzw. empfohlen worden waren. Damals bestand die Möglichkeit, dass Sendungen, die an die Grenze des gesetzlich Unzulässigen gehen, erst ab 24.00 Uhr bzw. am Wochenende ab 1.00 Uhr platziert werden, um die Wahrscheinlichkeit, dass Jugendliche diese Programme wahrnehmen, weiter zu verringern. Die Landesmedienanstalten hatten dagegen besonders bei Erotikfilmen vermutet, dass auf diese Weise Programme freigegeben würden, die die Grenze zur Unzulässigkeit bereits überschritten hätten. Die 24 –Uhr- 80 Prüfungen 2004 Grenze wurde daher aus der Prüfordnung gestrichen. Die Filme, die nach der alten Regelung eine Freigabe ab 24 Uhr erhalten hatten, wurden den juristischen Sachverständigen vorgelegt, um die Zulässigkeit zu prüfen. Es handelt sich hierbei um einen Sonderfall der juristischen Einzelprüfung, da nicht über die Unzulässigkeit des Programms gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-6, 8 und 9 JMStV zu entscheiden war und auch nicht ein Prüfausschuss das Programm nach § 15 PrOFSF weitergereicht hat. Über das Verfahren der juristischen Einzelprüfung bei Neuvorlage wegen veränderter Spruchpraxis wurde das Kuratorium informiert, das im Dezember 2003 seine Zustimmung zum Verfahren und zur Aufnahme in die Prüfordnung der FSF gegeben hatte. Im Berichtszeitraum wurden 17 Erotikfilme mit einer Freigabe für das Nachtprogramm ab 24.00 Uhr durch die juristischen Sachverständigen überprüft. In 11 Fällen sahen die Sachverständigen bei einer beantragten Platzierung im Nachtprogramm ab 23.00 Uhr keinen Verstoß gegen § 184 StGB und § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JMStV. In vier Fällen konnte einer Ausstrahlung im Nachtprogramm nur unter Schnittauflagen zugestimmt werden, da die juristischen Sachverständigen in den Filmen Szenen erkannten, die als grob anreißerische Darstellung des Sexuellen im Sinne des § 184 StGB zu werten sind. Zwei der überprüften Filme wurden als pornografisch eingeschätzt. Verführerisches Spiel (OT Guilty Pleasures) ist in jedem Fall ein strittiges Beispiel. Der Film war bereits im Januar 2001 von einem FSF-Ausschuss geprüft und für 24.00 Uhr entschieden worden. Nach der Ausstrahlung hat die zuständige Medienanstalt BerlinBrandenburg den Film und zwei weitere Fälle bei Beate Uhse TV angefordert und der Staatsanwaltschaft Berlin vorgelegt, um einen möglichen Verstoß gegen § 184 StGB prüfen zu lassen. Die Staatsanwaltschaft hatte den Pornografieverdacht nicht bestätigt gesehen und im April 2001 das Verfahren in allen drei Fällen eingestellt. Der zweite durch einen FSF-Sachverständigen abgelehnte Film, Mystery, die dunkle Seite der Lust, wurde demselben Sachverständigen in einer um ca. 15 Minuten gekürzten Fassung erneut vorgelegt und hat in dieser Fassung die beantragte Ausstrahlungsgenehmigung erhalten. 81 Prüfungen 2004 4.5 Offene Fragen: Abstimmung zwischen JuSchG und JMStV Nach § 5 JMStV hat eine FSK-Kennzeichnung „Freigegeben ab 16 Jahren“ bzw. „keine Jugendfreigabe“ im Fernsehen eine Sendezeitbeschränkung nach 22.00 Uhr bzw. nach 23.00 Uhr zur Folge. Umgekehrt hat die Ausstrahlung zu einer bestimmten Sendezeit keine Rückwirkung auf die Altersfreigabe nach dem JuSchG. Die einseitige Bindungswirkung war in der Vergangenheit sinnvoll und ausreichend, weil fast ausschließlich Filme zunächst im Kino, dann auf Video/DVD und erst danach im Fernsehen veröffentlicht wurden. Inzwischen hat sich dies geändert. TV– Movies werden zeitgleich mit der Ausstrahlung auf DVD herausgebracht. Da aber eine FSF–Freigabe keine Relevanz für die Altersfreigabe hat, muss die FSK den Film so prüfen, als hätte es keine FSF-Prüfung gegeben. Hier ergibt sich das Problem, dass einige Filme, die sich in Fragen der Jugendschutzrelevanz zwischen einer Freigabe für das Hauptabendprogramm und das Spätabendprogramm bewegen und eine Freigabe für das Fernsehen ab 20.00 Uhr erhalten haben, von der FSK ab 16 Jahren freigegeben wurden. Es ist nicht ganz klar, ob nach der gegenwärtigen Rechtslage damit die Sendezeit beeinflusst wird. Umgekehrt kommt es ebenso vor, dass von der FSF abgelehnte oder nur unter Schnittauflagen freigegebene Filme bei der FSK eine günstigere Freigabe für die ungeschnittene Fassung erhalten. Bedeutet dies dann, dass er im Fernsehen trotz vorliegender ablehnender FSF-Prüfung ausgestrahlt werden darf? Gerade in Grenzfällen kommt es vor, dass verschiedene Prüfgremien zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Das ist für Fachleute leicht nachvollziehbar, dem Laien ist das jedoch kaum zu erklären: Er hält Freigaben unter diesen Umständen für willkürlich. Allein schon aus diesem Grunde sollte darauf abgezielt werden, dass die Institution, die zuerst mit einem Fall beschäftigt ist, die Freigabe auch für den jeweils anderen Vertriebsweg erteilt. Eine entsprechende Ergänzung im Gesetz halten wir für erforderlich. 82 Prüfungen 2004 Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass zahlreiche im Fernsehen bereits ohne Jugendschutzbeanstandungen ausgestrahlte Serien komplett neu geprüft werden müssen, wenn sie auf DVD herauskommen. Ohne hier einen direkten Lösungsvorschlag unterbreiten zu können, wollen wir auf dieses Problem dringend hinweisen, um den Jugendmedienschutz in seiner Glaubwürdigkeit nicht zu beschädigen und auf eine effiziente Organisation in diesem Bereich hinzuarbeiten. 83 5. Das Verhältnis zwischen KJM und FSF 5.1 Kommunikation Das System der regulierten Selbstregulierung, so wie die FSF es versteht, sieht vor, dass die anerkannte Selbstkontrolleinrichtung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben in eigenen Richtlinien Kriterien für die Beurteilung von Programmen unter Jugendschutzgesichtspunkten entwickelt. Gleichzeitig stellt sie eine fachgerechte Prüfung des Programmangebotes ihrer Mitglieder in angemessenem Umfang sicher. Die KJM als Aufsicht soll garantieren, dass die Selbstkontrolle diese in sie gesetzten Erwartungen erfüllt. Nachdem sie die Selbstkontrolle anerkannt hat, soll sie ihre Tätigkeit zum einen auf Inhalte beschränken, die jugendschutzrelevant sind, aber der Selbstkontrolle nicht vorgelegt wurden (bzw. bei nicht vorlagefähigen Sendungen eine Prüfung durch die FSF beantragen und Aufsicht über die Programme der NichtFSF-Mitglieder). Zum anderen soll sie einschreiten, wenn die Selbstkontrolle bei der Prüfung einen fachlich akzeptablen Beurteilungsspielraum überschreitet. Eine eigene parallele Überprüfung von Programmen gehört hingegen nicht zur Aufgabe der KJM. Die doppelte Zuständigkeit von Selbstkontrolle und Aufsicht, wie sie vor dem Inkrafttreten des neuen Jugendschutzrechts bestand, sollte durch das System der regulierten Selbstregulierung ersetzt werden. Wenn die Anbieter sowohl von der Selbstkontrolle als auch von der KJM gleichermaßen beaufsichtigt werden, schwächt das die Akzeptanz und Durchsetzungsstärke der Selbstkontrolle. Die KJM sollte also den Anbietern gegenüber nur in Ausnahmefällen tätig werden – etwa dann, wenn sie die Selbstkontrolle umgehen. Vielmehr ist es ihre Aufgabe, durch die Kommunikation mit der Selbstkontrolle deren effektives Arbeiten zu gewährleisten. Dass sich die KJM diesen Leitvorstellungen des Gesetzgebers anschließt, ist indes nicht durchgängig erkennbar. Die KJM sieht in der FSF offenbar weiterhin ausschließlich eine gutachterlich arbeitende Stelle im Dienste der Anbieter. Im Falle von Programmprüfungen erfährt die FSF nur über die Presse oder die Sender, ob die KJM beispielsweise Beiträge überprüft, die über eine FSF-Freigabe verfügen und bei denen die Einhaltung des Beurtei85 Verhältnis zwischen KJM und FSF lungsspielraums zur Debatte steht. Eine Aussprache mit der FSF über kontrovers diskutierte Entscheidungen hat bisher – entgegen diesbezüglicher Ankündigungen der KJM in ihren Pressemitteilungen und weiteren öffentlichen Äußerungen – nicht stattgefunden. Sowohl die FSF als auch die Anbieter erfahren sehr spät von Prüfverfahren oder Beanstandungen der KJM. Dabei ist die Aufhebung des Beurteilungsspielsraums durch die KJM für die FSF eine wichtige Grenzziehung, die sie in ihrer Prüftätigkeit beachten muss. Es ist ebenso wichtig, von Verfahren zu erfahren, in denen der Beurteilungsspielraum diskutiert, aber letztlich noch anerkannt wird. Gerade die Diskussion um Grenzziehungen ist für die Kriterienbildung der Prüfer von großer Bedeutung. Umso mehr ist hier zu kritisieren, dass die FSF über die Prüffälle der KJM praktisch nichts erfährt. Die entsprechende Kommunikation der KJM gegenüber der Öffentlichkeit, die damit indirekt auch die FSF erreicht, beschränkt sich auf den Inhalt von Presseerklärungen. KJM–Mitglieder dagegen erhalten auf Wunsch Zugang zur Datenbank der FSF und können alle Prüfergebnisse und Gutachten abrufen. Die FSF hat der KJM mehrere Male eine offenere Information und Kommunikation vorgeschlagen, bisher ohne Erfolg. Ohne die Leistung der KJM im Übrigen bewerten zu wollen, halten wir den Mangel an Kommunikation für ein großes Hindernis auf dem Weg zu einem produktiven Verhältnis zwischen Selbstkontrolle und Aufsicht. So lag der Arbeitsgruppe „Programm und neue Formate“ des Kuratoriums auf ihrer zweiten Sitzung am 2. Juli 2004 eine Pressemitteilung der KJM vom 21. Juni 2004 vor. Der Pressemitteilung war zu entnehmen, dass seit Gründung der KJM von ca. 60 Aufsichtsfällen im Rundfunk bislang 41 Fälle inhaltlich bewertet worden seien, nachfolgend wurden 20 Verstöße gegen die Bestimmungen des JMStV aufgeführt. Einige der dort genannten Titel hatten zum Teil nach der Ausstrahlung auch der FSF zur Prüfung vorgelegen, nämlich ein Beitrag des RTL-Magazins Explosiv (Eistauchen von Babys, Teil 1) wie auch die Folgen 1-3 von Schürmanns Gebot. Im Fall der angeführten Sendungen von Lenßen & Partner und Blitz handelte es sich offensichtlich um andere Folgen als die durch die FSF geprüften, bei denen seitens der KJM ein Verstoß gegen 86 Verhältnis zwischen KJM und FSF den JMStV festgestellt worden war, im Fall von Arabella – die Abschlussklasse 2003 war anhand der Pressemitteilung nicht ersichtlich, ob es Überschneidungen zwischen den festgestellten Verstößen und den FSF-geprüften Folgen der Sendung gab. In die Statistik wurden auch alte Fälle aufgenommen, die vor Inkrafttreten des JMStV bereits Verfahrensgegenstand bei den zuständigen Landesmedienanstalten waren, wie etwa die bei Premiere ausgestrahlten Filme Machen wir´s wie Cowboys oder Excalibur, die beide im Dezember 2002 ausgestrahlt worden waren. Bezüglich dieser in der Pressemitteilung aufgeführten Verstöße gegen die Bestimmungen des JMStV musste die AG des Kuratoriums feststellen, dass die Begründungen der Ergebnisse, die z.T. von den FSF-Ergebnissen abweichen, weder dem betroffenen Sender noch der FSF bekannt waren. Da die Auseinandersetzung mit den Argumenten der KJM für die weitere Tätigkeit der Prüfausschüsse und für die Auslegung von Prüfkriterien wesentlich ist, wurde die hauptamtliche Prüferin beauftragt, die entsprechenden Entscheidungsbegründungen bei der KJM anzufragen. Von besonderer Relevanz war hier der Fall des RTL-Magazinbeitrags über das Eistauchen von Babys. Berichtet wurde über einen russischen Kinderarzt, der Babys in Wasserlöcher taucht, die er in zugefrorene Seen gehauen hatte. Angeblich soll diese Methode Kinder psychisch und physisch abhärten. Die vor Angst schreienden Babys wurden diverse Male im Bild gezeigt. Verschiedene Experten aus Deutschland kommentierten die angebliche Therapie äußert kritisch. Laut Pressemitteilung hatte die KJM den ersten Teil des Beitrags der RTL-Sendung Explosiv als Verstoß gegen die Menschenwürde gewertet. Die FSF hatte diesen Beitrag geprüft und ein juristisches Gutachten in Auftrag gegeben, um den Verdacht auf Verletzung der Menschenwürde zu klären. Der juristische Sachverständige gelangte zu dem Ergebnis, dass es sich hier nicht um einen Verstoß gegen die Menschenwürde handele. Die Machart des Beitrags (insbesondere die mehrfache Wiederholung der ins Eis getauchten schreienden Babys) errege zwar Anstoß, allerdings weit unterhalb des schweren Vorwurfs einer „Verletzung der Menschenwürde“. Der FSFBerufungsausschuss hatte sich nach der juristischen Prüfung, am 4. November 2003, gegen die beantragte Platzierung im Tagesprogramm ausgesprochen, weil er das 87 Verhältnis zwischen KJM und FSF Wirkungsrisiko einer übermäßigen Ängstigung unter 12-Jähiger als hoch einstufte. Die Mehrheit des Ausschusses votierte für die Ausstrahlung im Hauptabendprogramm, eine Minderheit für die Platzierung erst im Spätabendprogramm. Im Juli 2004 wurde die KJM um Zusendung der Entscheidungsbegründungen zu den in der Pressemitteilung aufgeführten Verstößen gebeten. In ihrer Antwort zeigte sich die KJM kooperationsbereit und aufgeschlossen, effiziente Informationswege zu schaffen. Es wurde darauf hingewiesen, dass für eine Einsicht der FSF in die Entscheidungsbegründungen der KJM das Einverständnis der betroffenen Rundfunkveranstalter einzuholen sei. Eine schriftliche Einverständniserklärung der FSFMitgliedssender lag kurze Zeit später vor und wurde umgehend an die KJM weitergeleitet. Dennoch wurden der FSF bislang weder Entscheidungsbegründungen der KJM noch Bescheide der zuständigen Landesmedienanstalten zugesandt, sondern mussten bei den Sendern angefragt werden. Im Fall der RTL-Explosiv-Sendung, in dem die Zusendung des Bescheides direkt zugesagt wurde, ist auch dem Sender RTL bislang kein Bescheid zugegangen. Inwieweit eine Auseinandersetzung mit den Argumenten des juristischen Sachverständigen und des Berufungsausschusses stattgefunden hat und wie die abweichende Einschätzung der KJM im Einzelnen begründet wird, ist daher bislang nicht ersichtlich. Die Methode, die Öffentlichkeit über eine Pressemittelung zu informieren, gegenüber dem Sender und der FSF Informationen aber zurückzuhalten, erscheint in diesem Fall besonders problematisch, weil hier der Eindruck erweckt und nicht revidiert wird, RTL habe mit seiner Sendung gegen die Menschenwürde verstoßen. Mit Schreiben vom 21. Juni 2004 wird dem Sender dieser vermeintliche Verstoß gegen die Menschenwürde auch mitgeteilt, gleichzeitig aber „aufgrund der Besonderheiten“ des Falls, der bereits im Februar 2003 gesendet wurde, von einer förmlichen Beanstandung abgesehen. Welche Besonderheiten es im konkreten Fall rechtfertigen, gegen einen angeblichen Menschenwürdeverstoß nicht rechtsaufsichtlich tätig zu werden, wird in dem Schreiben nicht erläutert. Unklar ist auch, welche Gremien sich mit den beanstandeten Fällen beschäftigt haben und inwieweit dies überhaupt Gegenstand von Sitzungen der KJM war. Auch zu den anderen festgestellten Verstößen gab es außer der Pressemitteilung keine weiteren Informationen oder inhaltliche Einlassungen. Offensichtlich ist es aber kein Einzelfall, dass nach Veröffentlichung eines angeblichen Verstoßes durch die KJM 88 Verhältnis zwischen KJM und FSF dass nach Veröffentlichung eines angeblichen Verstoßes durch die KJM ein solcher durch die zuständige Landesmedienanstalt nicht festgestellt bzw. nicht beanstandet wird. Auch im Fall der Ausstrahlung von Machen wir´s wie Cowboys hat die Hamburgische Anstalt für neue Medien entgegen der Empfehlung der KJM von einer förmlichen Beanstandung abgesehen. Ebenso unverständlich ist die Vorgehensweise der KJM im Fall der MTV-Sendung I want a famous face, in dem zum ersten Mal der Beurteilungsspielraum der FSF in einem Prüfverfahren als überschritten angesehen wurde (vgl. Kapitel 4.3.6.1). Dabei bezog sich die KJM auf einen Grundsatzbeschluss, der ebenfalls nur über eine Pressemitteilung kommuniziert und weder der FSF noch den Sendern offiziell mit den notwendigen Erläuterungen zugeleitet wurde. Dass die KJM den Beurteilungsspielraum der FSF als überschritten ansah, erfuhr die FSF weder durch die KJM noch durch die BLM, sondern aus der Presse. Sie musste sich beim Sender MTV die nötigen Informationen besorgen. Zwar kündigte die KJM in ihrer Pressemitteilung zur Beanstandung an, mit der FSF ein Gespräch über Kriterien zu Schönheitsformaten zu suchen, ein konkretes Gesprächsangebot hat es allerdings bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nie gegeben. Die hier kritisierte Pressearbeit der KJM hat sich bis heute nicht verändert und lässt keine Einblicke in die Prüftätigkeit zu. In einer aktuellen Pressemitteilung vom 8. April 2005 wird als Zwischenbilanz zwei Jahre nach Konstituierung der KJM vermeldet, dass „von 129 Prüffällen aus dem privaten Rundfunk … 91 inhaltlich abschließend bewertet“ worden seien. In 49 Fällen sei ein Verstoß gegen die Bestimmungen des JMStV festgestellt worden. Ob es sich dabei um Fälle aus dem Bereich des Fernsehens handelt, ob die Sendungen der FSF zur Prüfung vorgelegen haben oder Anbieter betreffen, die nicht FSF-Mitglied sind, ob „Altfälle“ vor Inkrafttreten des JMStV in diese Statistik einfließen und andere Fragen lassen sich anhand der Pressemitteilung nicht beantworten. Der FSF wurden weder Entscheidungsbegründungen der Fälle, die ihre Mitgliedssender betreffen, zugesandt, noch liegt ihr eine Übersicht über die Prüffälle oder Verstöße vor. Wünschenswert wäre zumindest die Übermittlung einer Liste der festgestellten Verstöße, was bei einer Anzahl von knapp 25 Fällen im Jahr sicher auch zu leisten wäre. 89 Verhältnis zwischen KJM und FSF 5.2 Beurteilungsspielraum Die Jugendschutzinstitutionen haben sich immer wieder bemüht, plausible Kriterien zu entwickeln, die es ermöglichen, Filme oder Fernsehsendungen in vergleichbarer Weise Altersstufen oder Sendzeiten zuzuordnen. Dennoch liegen den Filmprüfungen immer auch subjektive Bewertungen zugrunde, die selbst bei erfahrenen Prüferinnen und Prüfern zu unterschiedlichen Einschätzungen führen. Deshalb werden die Prüfungen bei FSK, BPjM oder FSF in Ausschüssen durchgeführt, um durch das Zusammenwirken verschiedener Meinungen nach vorgeschriebenen Regeln zu einem Ergebnis zu gelangen. Es handelt sich um eine Entscheidung durch ein Verfahren, auf das sich eine Institution geeinigt hat. Entscheidungen können also nur bedingt überprüft werden, wenn die Verfahrensvorschriften eingehalten und in der Begründung nicht völlig sachfremde Argumente verwendet werden oder der Sachverhalt unzutreffend dargestellt wird. Gerade bei Grenzfällen ist es also möglich, dass der eine Ausschuss beispielsweise für eine Freigabe ab 12 Jahren (20.00 Uhr) entscheidet, der andere würde sich eher für eine Freigabe ab 16 Jahren (22.00 Uhr) aussprechen. Dieser Beurteilungsspielraum, der bisher schon für die FSK und die BPjM galt, steht nun durch den JMStV auch der FSF zu. Für den Umgang mit Schönheitsoperationen zu Unterhaltungszwecken gab es bislang keine Spruchpraxis. Den FSF-Prüfausschüssen standen außer den allgemeinen Prüfgrundsätzen keinerlei spezifische Kriterien oder Anhaltspunkte, wie solche Programme aus der Sicht des Jugendschutzes beurteilt werden können, zur Verfügung. Der Prüfausschuss musste sich also Kriterien erarbeiten, die man aus der Sicht des Jugendschutzes sinnvollerweise an solche Formate anlegen konnte. Die im konkreten Fall vom Ausschuss entwickelte Fragestellung war dabei durchaus mit der vergleichbar, die die KJM in ihrem Grundsatzbeschluss bzw. in dem Bescheid zur Beanstandung der Folgen von I want a famous face zum Ausdruck gebracht hat. In der konkreten Bewertung der Sendung im Hinblick auf diese Fragestellung kam allerdings der Ausschuss zu einem anderen Ergebnis als die KJM. Während die KJM in der Sendung eine Werbung für Schönheitsoperationen sah, ging der FSF-Ausschuss eher von einer kritischen, abschreckenden Wirkung aus. Beweisbar ist dabei weder 90 Verhältnis zwischen KJM und FSF die Position der FSF noch die der KJM. Deshalb ist die FSF der Meinung, dass eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums nicht angenommen werden kann, man kann zwar zu einem anderen Ergebnis kommen, aber das FSF–Ergebnis ist sachlich durchaus begründet. Nur wenn die Position des FSF–Ausschusses aus fachlicher Sicht nicht begründbar wäre, könnte also die KJM den Beurteilungsspielraum als überschritten ansehen. Es reicht nicht, wenn sie inhaltlich zu einem anderen Ergebnis kommt. Derzeit wird in einem Gerichtsverfahren geprüft, ob die KJM den Beurteilungsspielraum der FSF in dem genannten Fall zu Recht als überschritten angesehen hat. 5.3 Rechtliche Auseinandersetzungen mit der KJM Im Rahmen der Auseinandersetzungen der FSF mit der KJM über den Umgang mit Schönheitsoperationen in Unterhaltungsformaten ist die FSF derzeit an zwei Gerichtsverfahren beteiligt. Zum einen hat der Sender MTV gegen den Beanstandungsbescheid der BLM zu I want a famous face Klage beim Verwaltungsgericht München eingereicht. Bei der inhaltlichen Begründung spielt die Tatsache, dass die Sendung von der FSF eine Freigabe erhalten hat, eine wichtige Rolle. Aufgabe des Verfahrens ist es aus der Sicht der FSF vor allem, zu klären, welche Bedeutung die KJM dem Beurteilungsspielraum der FSF einräumen muss. Da die Klärung dieser Frage sowohl für die FSF als auch für die KJM von grundsätzlicher Bedeutung ist (siehe oben), hat sich die FSF entschlossen an diesem Verfahren als Beigeladene teilzunehmen. Das Gericht hat einem entsprechenden Antrag zugestimmt. In einem zweiten Verfahren geht es darum, dass die FSF klären lassen will, ob die KJM generelle Sendezeitbeschränkungen zu bestimmten und noch nicht konkret vorliegenden Formaten erlassen kann und ob es ausreicht, einen solchen Grundsatzbeschluss ausschließlich über eine Pressemitteilung zu kommunizieren. Letztlich geht es um die Frage, ob die Selbstkontrolle in ihren Rechten durch einen solchen Grundsatzbeschluss eingeschränkt wird. Nach unserer Interpretation des Gesetzes 91 Verhältnis zwischen KJM und FSF sollte es zunächst Sache der Selbstkontrolle sein, Kriterien für die Prüfung neuer Fernsehformate zu entwickeln. Die Beteiligung der FSF an diesen beiden Gerichtsverfahren bedeutet nicht, dass die KJM und die FSF von grundsätzlich anderen Sichtweisen gegenüber dem Jugendschutz ausgehen. Es geht vielmehr darum, dass das System der regulierten Selbstregulierung etwas völlig Neues ist, so dass sich das Verhältnis von FSF und KJM noch aufeinander einspielen muss. Gleichzeitig gibt es im Gesetz zahlreiche Regelungen, die in der Gestaltung der praktischen Zusammenarbeit zwischen FSF und KJM Interpretationsspielräume zulassen. Da es sich sowohl bei der Bedeutung des Grundsatzbeschlusses der KJM für die Arbeit der FSF als auch bei der Bewertung des Beurteilungsspielraumes um grundsätzliche Fragen handelt, halten wir in diesen beiden Punkten eine rechtliche Klärung sowohl für die FSF als auch für die KJM für wichtig. 92 6. Programmbegleitung 6.1 Anfragen und Beschwerden bei der Jugendschutz-Hotline Jugendschutz kann nur effektiv umgesetzt werden, wenn er von den Eltern, aber auch den Kindern und Jugendlichen selbst akzeptiert wird. Das Interesse der Öffentlichkeit an Fragen des Jugendschutzes ist sehr groß, vor allem FSK-Freigaben werden immer wieder kontrovers diskutiert. Auch die Systematik der Sendezeitbeschränkungen für jugendschutzrelevante Programme im Fernsehen ist bei Eltern und Heranwachsenden weitgehend bekannt und wird im Großen und Ganzen akzeptiert. Allerdings entstehen aus dem Interesse der Öffentlichkeit immer wieder Fragen zu den Kriterien des Jugendschutzes, bei denen es teils um Informationsbedürfnis, teils aber auch um Beschwerden über das Programm oder die Einschätzungen der Jugendschutzinstitutionen geht. Um auf Fragen und Beschwerden sachgerecht und im notwendigen Umfang reagieren zu können, hat die FSF bereits im Jahre 2002 dafür eigens eine Stelle eingerichtet. Sie war zunächst als reine Beschwerdestelle geplant, allerdings stellte sich bald heraus, dass sich viele Zuschauer mit unterschiedlichen Anliegen an die FSF wandten. Um niemanden abzuschrecken, haben wir uns daher entschlossen, sie statt Beschwerdestelle nun Jugendschutz-Hotline zu nennen. Der Kontakt zur Jugendschutzhotline kann über die FSF-Homepage ([email protected]) aufgenommen werden. Die Hotline ist inzwischen bekannt und wird als direkter Ansprechpartner akzeptiert. Während 2003 noch mehr als die Hälfte der E-Mails die Beschwerdestelle über eine Weiterleitung von der FSK oder die allgemeine E-Mail-Adresse der FSF([email protected]) erreichten, war 2004 auffällig, dass ca. 80 Prozent der Mails und Anrufe direkt an die Jugendschutzhotline gerichtet waren. Insgesamt erreichten die Hotline im Jahre 2004 397 Anfragen. Auffällig ist die starke Zunahme an Telefonanrufen, die sich nicht auf konkrete Programme bezogen, sondern allgemeine Fragen zum gesetzlichen Hintergrund oder zu den aus den Jugendschutzgesetzen resultierenden Kriterien betrafen. Stark zugenommen haben Beschwerden über Schnittfassungen. Der FSF wurde meist vorgeworfen, Filme aus Ju- 93 Programmbegleitung gendschutzgründen „verstümmelt“ zu haben. Zahlreiche allgemeine Beschwerden gab es auch zu Beate Uhse TV. Dabei hielten sich diejenigen, denen das Programm in der gegenwärtigen Form zu weit geht, mit denjenigen, die nicht verstehen wollen, warum Pornografie im Fernsehen nicht erlaubt ist und die FSF dafür als Schuldigen identifizieren, die Waage. 6.1.1 Programmbeschwerden im Jahre 2004 Insgesamt 271 Anfragen (190 Mails, 73 Anrufe, 8 per Post oder Fax) und Beschwerden wurden zu konkreten Programmen eingereicht. Die Aufteilung nach Programmformaten zeigt Tabelle 3a: Tabelle 3a: Werbespots 95 Nachrichten und Magazine 39 Trailer 17 Zu umfangreiche Schnittbearbeitung 19 Videoclips 17 Sonstige Programme der Musiksender 12 Reality-Shows 10 Comedy 10 Spielfilme (mit FSK-Freigabe) 9 Talk- und Gerichtsshows 8 Spielfilme (Wdh. im Tagesprogramm) 6 Gewinnshows 9live etc. 7 Animes 6 Erotikfilme (Beate-UhseTV etc.) 6 Amerik. Spielfilme und Serien 6 TV Movies und Serien (Eigenproduk.) 4 94 Programmbegleitung Folgende Tabelle zeigt die Verteilung der Beschwerden auf die Sender. Werbespots wurden nicht berücksichtigt, da sie sich keinem bestimmten Sender zuordnen lassen. Tabelle 3b: Musiksender 30 ProSieben 22 Sat.1 19 Öffentlich-rechtliche Sender 19 RTL II 16 RTL 13 9live 8 Sonstige (Lokalsender) 8 Premiere (Beate Uhse TV) 6 Kabel 1 5 VOX 5 Super RTL 2 Tele 5 2 Im Vorjahr (2003) wurde die Beschwerdestelle von Fans der japanischen AnimeSerien, die bei RTL II im Tagesprogramm ausgestrahlt wurden, in großem Umfang beschäftigt. Diese versuchten mit immer neuen Argumenten über die FSF zu erreichen, dass diese Serien ungeschnitten im Abendprogramm gezeigt werden. Dieses Beispiel zeigt, dass Jugendschutz für andere, sachfremde Fragen funktionalisiert werden kann: die Forderung der Fans, die Serie aus vermeintlichen Jugendschutzgründen ins Hauptabendprogramm zu verschieben, war motiviert von der Hoffnung, dass sie dann ungeschnitten ausgestrahlt wird. Im Jahre 2004 beschäftigte dieses Thema die Hotline nur noch vereinzelt. Beschwerden aufgrund von Gewaltdarstellungen in den (von RTL II geschnittenen) Animes gab es gar nicht mehr. Mit Abstand die meisten Beschwerden kamen zu Werbespots. Allen voran erregten Spots für Kaffee in Dosen („K-Fee“) die Gemüter. Diese Spots begannen immer in besonders harmonischer Atmosphäre mit Szenen in friedlicher Natur und entsprechender musikalischer Untermalung. Plötzlich und unerwartet tauchte für ca. 1 Se95 Programmbegleitung kunde eine Fratze in der Totalen auf, die einen erschütternden Schrei ausstieß. Etwa 40 Menschen haben sich via E-Mail oder Telefon von Juni bis August über diesen Spot beschwert und dessen Absetzung gefordert. Sie vermuteten Alpträume bei Kindern oder sorgten sich um die Gesundheit alter Menschen. Nach einer allgemeinen Antwort mit Informationen über Aufgaben und Arbeit der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen leitete die Beschwerdestelle die Mail an den Deutschen Werberat weiter oder gab dessen Adresse und Telefonnummer weiter. Der Werberat antwortete stets zeitnah und schickte eine ausführliche Antwort, die in Kopie an die FSF-Hotline ging. An zweiter Stelle standen Beschwerden zu Werbespots für Handy-Klingeltöne und Handy-Logos der Firma Jamba. Hier ging es meist um Geschmacklosigkeiten, die die Beschwerdeführer für jugendgefährdend hielten („Geh an Dein Handy, Man! Es ist ‚ne Pussy dran.“ als Klingelton, nackte Frauen dienten als Logo). Gerügt wurde auch, dass Kinder und Jugendliche hier finanziell „abgezockt“ würden. Die Beschwerdestelle verfuhr mit diesen Zuschriften und Anrufen ähnlich wie bei dem K-Fee-Spot – mit dem zusätzlichen Hinweis darauf, dass es sich zum größten Teil um Geschmacks- und nicht um Jugendschutzprobleme handle. Zu klären ist hier aber grundsätzlich, wie die FSF mit Werbung im Fernsehen umgehen soll,die, wie dargelegt, zu den meisten Beschwerden führte. Darauf folgten im Jahr 2004 (mit annähernd gleicher Anzahl) Beschwerden über Programmtrailer für Abendfilme im Tagesprogramm, über einzelne Beiträge in tagesaktuellen Sendungen (Nachrichten und Magazine) und über Live- und Reality-Shows wie Big Brother, die Super Nanny oder Frauentausch. 6.1.2 Arbeitsweise der Jugendschutz-Hotline Die Hotline stellt zunächst fest, ob die Beschwerden tatsächlich den Jugendschutz betrafen. Vor allem zu Nachrichten oder zur Berichterstattung erreichen die Hotline oft Beschwerden, die offensichtlich nichts mit Fragen der Entwicklungsbeeinträchti- 96 Programmbegleitung gung zu tun haben. Häufig betrafen die Beschwerden bestimmte Einstellungen und Interpretationen von Ereignissen, die die Beschwerdeführer anders bewerteten. Bei Beschwerden, die den Jugendschutz betreffen, wird überprüft, ob eine FSK- oder FSF-Freigabe vorliegt. Sollte dies der Fall sein, wird der Beschwerdeführer über die entsprechenden Argumente informiert. Allerdings sind solche Beschwerden sehr selten, abgesehen von gelegentlichen Beschwerden über FSK-12-Filme, die im Tagesprogramm wiederholt wurden. Bei relevanten Beschwerden wird der Sender informiert und um Stellungnahme gebeten. In vielen Fällen nimmt er die Beschwerde zum Anlass, auf Wiederholungen des Programms zur beanstandeten Zeit zu verzichten. Ansonsten wird er um die Zusendung einer Sendekopie gebeten, die mit einer Kommentierung der Hotline an die FSF geschickt wird. Dabei klärt die Hotline vor allem die Frage, ob die Beschwerde inhaltlich zutrifft. Es kommt beispielsweise oft vor, dass Beschwerdeführer behaupten, Bilder und Szenen in einem Film gesehen zu haben, die tatsächlich nicht enthalten sind. Kommt die Geschäftsstelle zu dem Ergebnis, dass es sich um ein jugendschutzrelevantes Programm eines Mitgliedssenders handelt, wird dieser zu einer nachträglichen Prüfung aufgefordert. Dies ist im Jahre 2004 in 3 Fällen geschehen. 6.2 Beratung der Sender Einer der wesentlichen Vorteile von Selbstkontrolleinrichtungen gegenüber der vom Staat beauftragten Aufsicht ist es, dass sich ihre Tätigkeit nicht allein in Prüfungen erschöpft, sondern dass sie direkt in die Arbeitsbereiche der Anbieter hineinwirken kann. Dazu gehört, dass die Jugendschutzbeauftragten der Sender in alle Fortbildungsveranstaltungen der FSF integriert werden und dadurch an dem Diskussionsprozess um Prüfkriterien aktiv teilnehmen. Das erleichtert ihnen, Aspekte des Jugendschutzes in ihren Häusern offensiv und mit Argumenten unterlegt zu vertreten. Gleichzeitig hat die FSF in der Vergangenheit in Kooperation mit den Jugendschutzbeauftragten verschiedene Vortragsveranstaltungen innerhalb der Sender zu grundlegenden Fragen des Jugendschutzes durchgeführt, um die Produktion, den Pro97 Programmbegleitung grammeinkauf und die Sendeplanung für die Belange des Jugendschutzes zu sensibilisieren und zu informieren. Auch die vom Kuratorium vorgelegten Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung der FSF bieten für die Verantwortlichen in den Sendern wichtige Hinweise, um bereits beim Produktionsprozess und beim Programmeinkauf auf die Einhaltung von Jugendschutzvorgaben im Blick auf bestimmte Sendezeiten zu achten. Die Erfahrung zeigt, dass die Programmverantwortlichen überzeugenden Argumenten gegenüber aufgeschlossen sind. 98 7. Tagungen, Veröffentlichungen, Forschung Es war seit jeher die Überzeugung der FSF, dass sich die Umsetzung des Jugendschutzes im Fernsehen nicht allein auf die Prüfung von Programmen nach Jugendschutzgesichtspunkten beschränken darf. Die fachliche Beurteilung von Programmen unter Berücksichtigung der bekannten Wirkungsrisiken stimmt in vielen Fällen nicht mit populären, subjektiven Vorstellungen über Medienwirkungen überein. Die in der Gesellschaft verbreitete Vorstellung, das Betrachten dargestellter Gewalt in den Medien führe zu einer höheren Akzeptanz von Gewaltmustern bei den Zuschauern, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, wird in der fachlichen Jugendschutzdiskussion differenzierter betrachtet. Entscheidend ist u. a. die Einbettung bestimmter Darstellungen von Gewalt in einen allgemeinen Handlungskontext, wobei die dem Zuschauer durch den Film nahe gelegte Identifikation (beispielsweise TäterOpfer-Perspektive) eine entscheidende Rolle spielt. Aufgabe der Selbstkontrolle und der Prüfungen muss es also sein, die wirkungsrelevanten Faktoren auf Grund des aktuellen Forschungsstandes herauszuarbeiten, in praktikable Kriterien umzusetzen und diese in den Prüfungen an die entsprechenden Programme anzulegen. Um Jugendschutzkriterien jedoch sinnvoll umzusetzen, ist nicht nur die Akzeptanz durch die Anbieter erforderlich, sondern auch die einer breiten Öffentlichkeit. Der Jugendschutz, in diesem Fall die Selbstkontrolleinrichtung, muss alles daran setzen, um die Plausibilität ihrer Wirkungsvermutungen ständig neu zu überprüfen und gegenüber der Öffentlichkeit transparent zu machen. Gleichzeitig muss die Selbstkontrolle bereit sein, Anregungen und berechtigte Kritik aus dem Bereich der Öffentlichkeit in ihre Arbeit mit einzubeziehen. Um einen regelmäßigen Diskurs mit der Öffentlichkeit, der Wissenschaft und den Praktikern des Jugendschutzes sowie der Medienpädagogik zu führen, gibt die FSF seit 1998 die Fachzeitschrift tv diskurs heraus, die aus verschiedenen Blickwinkeln die Bewertungspraxis des Jugendschutzes beleuchtet und auf den aktuellen Diskurs um bestimmte neue Programmformate, die in die öffentliche Kritik geraten, eingeht. 99 Tagungen, Veröffentlichungen, Forschung Daneben wirkt die FSF an zahlreichen Veröffentlichungen zu Themen des Jugendschutzes oder der Medienrezeption mit. Sie initiiert darüber hinaus Veranstaltungen und Seminare zu aktuellen Fragen des Jugendschutzes, um die Arbeit der FSF gegenüber den Fachleuten und der Öffentlichkeit transparent zu machen und ihre Arbeit durch den Dialog zu verbessern. Über die FSF-Homepage (www.fsf.de) kann sich die Öffentlichkeit direkt und aktuell über die FSF und den Jugendmedienschutz allgemein informieren. 7.1 Fachtagungen Anlässlich ihres 10-jährigen Bestehens hat die FSF am 18.05.2004 eine Fachtagung zum Thema „Was nützt die Wissenschaft dem Jugendschutz?“ durchgeführt. Da es nach den gesetzlichen Bestimmungen zum Jugendschutz nicht darum gehen darf, allein die Inhalte von Filmen oder Sendungen zu bewerten, sondern eine Beeinträchtigung, also eine Wirkung auf Kinder und Jugendliche zu prognostizieren, haben sich die Institutionen des Jugendschutzes spätestens seit den 70er Jahren immer wieder auf die wissenschaftliche Medienwirkungsforschung berufen. Ihre Ergebnisse sind, wie schon erwähnt, jedoch zum Teil nicht eindeutig und lassen sich kaum auf die Bewertung eines bestimmten Filmes oder eines bestimmten Programms übertragen. Darüber hinaus wird in letzter Zeit von einigen Wissenschaftlern bezweifelt, dass der Versuch, wissenschaftlich eine Kausalbeziehung zwischen dem Konsum medialer Gewalt und realem Gewaltverhalten zu untersuchen, sinnvoll ist. Die Ursachen- und Motivketten, die letztlich zu einer Gewalttat führen, seien ungleich komplizierter und widersprüchlicher, als dass der mediale Gewaltkonsum direkt für eine bestimmte Gewalttat verantwortlich gemacht werden kann. Das heißt jedoch nicht, dass damit Jugendschutz unsinnig wäre. Es wird lediglich davor gewarnt, Jugendschutzkriterien allein wissenschaftlich begründen zu wollen. Ziel der FSF-Veranstaltung war es vor allem, eine Gesamtschau verschiedener wissenschaftlicher Positionen zu erhalten, um letztlich das Verhältnis zwischen der Kri- 100 Tagungen, Veröffentlichungen, Forschung terienbildung im Jugendschutz und der wissenschaftlichen Forschungslage angemessen zu interpretieren. Die wesentlichen Beiträge der Veranstaltung wurden in tv diskurs, Heft 28, dokumentiert. Es ist seit 1996 Tradition, dass sich die FSF inhaltlich und finanziell am jährlichen Forum der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) beteiligt. Im November 2004 bot die FSF auf dem GMK-Forum in Bielefeld ein Diskussionsforum mit dem Titel „Werbung oder Abschreckung?" über das Thema Schönheitschirurgie in TV-Formaten an. Nach einem medienwissenschaftlichen Eingangsreferat über die Entwicklung neuer Fernsehformate wurde anschließend die Position der KJM durch Prof. Ben Bachmair vertreten, die Position des FSFPrüfausschusses trug deren Vorsitzende Susanne Bergmann vor. Zur Information des Publikums, das im Wesentlichen aus Fachleuten des Jugendschutzes und der Medienpädagogik bestand, wurde eine Folge von I want a famous face, die Prof. Bachmair ausgesucht hatte, vorgeführt. Ziel der Veranstaltung war es, sowohl die Position der KJM als auch die der FSF einem Fachpublikum transparent zu machen und durch die Diskussion für beide Positionen ein Meinungsspektrum zu erhalten. 7.2 Publikationen 7.2.1 Die Fachzeitschrift tv diskurs Die zentrale Publikation der FSF ist die Zeitschrift tv diskurs, die vierteljährlich erscheint. Sie dient der Kommunikation zwischen der Wissenschaft, Medienpädagogik, Fachöffentlichkeit und den Prüferinnen und Prüfern in den Einrichtungen der Selbstkontrolle wie der FSF. Sie fördert zudem den Dialog zwischen Medienforschung, Medienkritik und Medienpädagogik. Darüber hinaus bietet sie einen guten Überblick über alle aktuellen Veröffentlichungen, die im Rahmen der Tätigkeit der FSF und des Jugendschutzes interessant sind. In einem juristischen Teil wird über alle relevanten gesetzlichen Veränderungen sowie über die Rechtssprechung informiert. 101 Tagungen, Veröffentlichungen, Forschung tv diskurs wendet sich auch an Behörden, an die Politik und an die Presse, denn nur durch eine möglichst breit angelegte Kommunikation plausibler Argumentationen im Jugendmedienschutz kann es gelingen, in der Öffentlichkeit, insbesondere aber bei den Erziehenden und den Jugendlichen selbst, die Einsicht in die Notwendigkeit von Jugendschutz innerhalb des Erziehungsprozesses zu schaffen und für Vertrauen in die Arbeit der Prüfgremien zu werben. Wichtig ist auch, in der Gesellschaft einen Diskurs über Wirkungsprozesse zu initiieren, um so einen kritischen und reflektierten Medienkonsum zu befördern. Die Thematisierungsfunktion des Jugendschutzes gerade im Hinblick auf die Darstellung von Gewalt ist in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung nicht zu unterschätzen. Im Zentrum eines jeden Heftes steht ein Titelthema, das verschiedene teils ergänzende, teils kontroverse Aspekte entweder zu grundsätzlichen oder zu aktuellen Fragen des Jugendmedienschutzes beleuchtet. Im Jahre 2004 hatten wir folgende Titelthemen: - Piraten im Netz. Raubkopierer schaden der Wirtschaft und dem Jugendschutz - Zehn Jahre FSF: Was nützt die Wissenschaft dem Jugendschutz? - Spiel ohne Grenzen? Neue Fernsehformate beschäftigen den Jugendschutz - Brutale Jugend? Vorurteile, Fakten und die Rolle der Medien 7.2.2 Bücher Die FSF kann in ihrer 11-jährigen Tätigkeit auf einige Publikationen verweisen. Neben der Zeitschrift tv diskurs gibt die FSF, teilweise zusammen mit anderen Institutionen, auch Bücher zu bestimmten Medienthemen heraus. So hat der Geschäftsführer der FSF, Joachim von Gottberg, zusammen mit Prof. Dr. Christian Büttner (Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung) und Verena MetzeMangold (Hessischer Rundfunk in Frankfurt sowie stellvertretende Vorsitzende der Deutschen UNESCO-Kommission) im Jahr 2004 das Buch Der Krieg in den Medien herausgegeben. Ausgehend von der These, dass die Bevölkerung in demokratischen Gesellschaften schwer davon zu überzeugen ist, sich an Kriegsgeschehen zu beteili- 102 Tagungen, Veröffentlichungen, Forschung gen, beleuchtet das Buch das Zusammenspiel von Politik und Medien, um am Beispiel verschiedener Kriegseinsätze (Kosovo, Afghanistan oder Irak) die Bedeutung der Medien auf die Haltungen der jeweiligen Bevölkerungen zu untersuchen. Dabei wird deutlich, dass in der Einstellung zum Kriegsgeschehen nicht nur die aktuelle Berichterstattung von Bedeutung ist, sondern auch die Vorstellung von Krieg, die in einer Bevölkerung durch verschiedene fiktionale Filme (Kriegsfilme, Antikriegsfilme) geschaffen werden. 7.3 Forschungsprojekte und Studien 7.3.1 Mitwirkung an der Spot-Kampagne „Gewalt ist keine Lösung“ des VPRT Nach dem Amoklauf von Robert Steinhäuser in Erfurt im Jahr 2002 initiierte Bundeskanzler Gerhard Schröder den Runden Tisch „Medien gegen Gewalt“. Dem von dort ausgehenden Appell an alle Fernsehanstalten gegen Gewalt in den Medien und gegen Gewalt unter Jugendlichen etwas zu unternehmen, sind die privaten Sender gefolgt. Verschiedene Aktionen wurden ins Leben gerufen, um die Öffentlichkeit für die Gewaltproblematik in Bezug auf Kinder und Jugendliche zu sensibilisieren. Im Frühsommer 2003 wurde seitens der privaten Rundfunkveranstalter und des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) mit Unterstützung FSF der TV-Spot-Wettbewerb „Gewalt ist keine Lösung“ gestartet. Kinder und Jugendliche bzw. Schülerinnen und Schüler sollten sich durch die Konzeption eines 30 Sekunden dauernden Clips mit dem Thema „Gewalt“ auseinander setzen. Insgesamt wurden bei der FSF mehr als 450 Konzepte eingereicht, aus denen der Gewinnerspot ausgewählt und zu Beginn des Jahres 2004 produziert wurde. Auf der Pressekonferenz zur Präsentation der Gewinner und des Siegerspots, der ab dem 16. Februar 2004 in den privaten Fernsehsendern ausgestrahlt wurde, machten Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und Staatsministerin Dr. Christina Weiss deutlich, wie wichtig die Auseinandersetzung mit der Gewaltthematik ist. Sie drückten zugleich ihre Hoffnung aus, dass die in ihren Augen gelungene Kampagne fortgeführt werde. 103 Tagungen, Veröffentlichungen, Forschung 7.3.2 Die Show Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! und ihre jugendlichen Zuschauer Mit der RTL-Show Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!, die im Januar 2004 startete, entbrannte eine Debatte um bewusste Normverletzungen und Tabubrüche im Fernsehen und um die Zuständigkeit des Jugendschutzes. Die KJM hatte nach Prüfung der Sendung zwar keinen Verstoß gegen die Menschenwürde festgestellt, die Show, deren einzelne Folgen im späten Hauptabend- bzw. überwiegend im Spätabendprogramm platziert wurden, aber aus Jugendschutzsicht als grenzwertig eingeschätzt (vgl. KJM-Pressemitteilung vom 23. Januar 2004). „Häme, Spott und Schadenfreude“ zögen sich durch alle Sendungen der Dschungelshow und würden durch die Kommentare der Moderatoren noch erhöht. „Die bei Kindern und Jugendlichen ohnehin vorhandenen Tendenzen zu Ausgrenzung und Hänseleien könnten dadurch legitimiert oder noch verstärkt werden.“ Die Vermittlung wichtiger sozialer Werte wie Achtung und Respekt werde konterkariert. Um einen ersten Zugang zu dem neuen Format und den möglichen Wirkungen zu erhalten, hat die FSF eine Studie in Auftrag gegeben, die Inszenierungsstrategien und Rezeptionsmuster der Show untersucht. Dabei standen zwei Aspekte im Vordergrund: einerseits die Frage, wie die Kandidaten und die Moderatoren inszeniert sind und welches Werte- und Moralverständnis dabei eine Rolle spielt, und andererseits die Frage, wie Kinder und Jugendliche vor dem Hintergrund ihrer eigenen Werteund Moralvorstellungen mit dem Format Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! umgehen. Zusammenfassend kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die befragten Kinder und Jugendlichen in der Lage sind, angemessen mit der Show umzugehen. Sie besitzen ein ausreichendes Medienwissen und genügend Medienkompetenz, um die Rahmung als Comedy und Spiel zu erkennen und entsprechend die Show als witzige Unterhaltung wahrzunehmen; sie beurteilen die Sendung vor dem Hintergrund eines moralischen Bewusstseins und vorhandener Werthaltungen, ziehen etwa eine Grenze, wenn physische Schäden für Kandidaten Bestandteil des Spiels sind, und empfinden Mitleid, wenn Spielregeln und zentrale Werte wie Fairness verletzt werden. Insgesamt trennen die Kinder und Jugendlichen klar zwischen der sozialen Wirklichkeit ihres Alltags und der Welt der Show und des Spiels. Lediglich die 10104 Tagungen, Veröffentlichungen, Forschung bis 12-jährigen Kinder mit geringer Bildung und teilweise die 11- bis 14-jährigen Mädchen mit geringer Bildung sind hierzu nur begrenzt in der Lage. Sie benutzen Deutungsmuster aus ihrer sozialen Alltagserfahrung, um die Sendung zu bewerten, und vermuten, dass man aus der Show etwas lernen könne, weil ihnen aus ihrem eigenen schulischen Alltag bekannt ist, dass Prüfungen einen didaktischen Sinn haben.5 7.3.3 FSF/FU-Forschungsprojekt „Angst als Risikodimension im Jugendmedienschutz: subjektive Theorien und faktische Erscheinungsformen“ Die im Jahr 2004 begonnene Untersuchung umfasst zwei Bausteine: Der erste dient der Erfassung unterschiedlicher Perspektiven auf das Phänomen Angst (u.a. wissenschaftliches und gesellschaftliches Verständnis von Angst), der zweite zielt, aufbauend auf den Ergebnissen aus dem ersten Untersuchungsbaustein, auf den Faktor Angst als Begleiter des Fernsehumgangs von Kindern. Konkret soll hier mit einem quasiexperimentellen Design auch der Frage einer möglichen Angsterzeugung durch bestimmte Fernsehinhalte nachgegangen werden. Die Untersuchung wird voraussichtlich im Herbst 2006 veröffentlicht. 5 Die Studie ist nicht veröffentlicht, kann aber über die FSF-Geschäftsstelle bezogen werden. 105 Tagungen, Veröffentlichungen, Forschung 7.4 Die Website der FSF Seit 1998 ist die FSF auch im Internet präsent. Unter www.fsf.de finden sich nicht nur ausführliche Beschreibungen ihrer Arbeitsbereiche und Gremien, sondern auch umfangreiche Informationen rund um das Thema „Jugend(medien)schutz“. Durch regelmäßige Aktualisierungen kann das Angebot laufend erneuert und erweitert werden. Im Jahre 2004 wurde ein umfangreicher Relaunch der Site durchgeführt. In einem Glossar und einem öffentlichen Downloadbereich werden Begriffe aus dem Jugendmedienschutz erläutert, deren Institutionen vorgestellt sowie relevante Gesetzestexte zur Verfügung gestellt. Auch die Grundlagen der FSF-Prüfpraxis (Satzung, Prüfkriterien und Richtlinien) sind dort für die Öffentlichkeit zugänglich. Zur Transparenz der FSF-Prüfungen trägt die Publikation der Prüfergebnisse in Form einer monatlich aktualisierten Statistik bei. Die Jugendschutz-Hotline der FSF ist über die Website direkt zu erreichen, um Fragen zum Jugendmedienschutz, aber auch Beschwerden über das Programm der privaten Fernsehsender entgegenzunehmen. Dokumentationen bereits durchgeführter Projekte in Schulen bieten Interessierten umfangreiches Material für eigene medienpädagogische Aktivitäten. In einem englischsprachigen Bereich wird die FSF der internationalen Öffentlichkeit vorgestellt; dies stellt auch ein Forum für Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland dar. Dokumentationen von Tagungen zum europäischen Jugendmedienschutz bieten Einblicke in die Jugendschutzpraxis in anderen Ländern. Die oft unterschiedlichen Altersfreigaben von Kinofilmen können abgefragt sowie zahlreiche Filmprüfstellen nicht nur in Europa erreicht werden. Die Website bietet einen Überblick über Veranstaltungen und Publikationen der FSF. Ausführlich wird die Zeitschrift tv diskurs vorgestellt. Eine umfangreiche Datenbank hilft bei der Suche nach Fachliteratur, stellt aber auch einen Großteil der Artikel aus tv diskurs zur Verfügung. 106 8. Medienpädagogik Ob und wie Medien wirken, hängt zum einen von deren Inhalten ab, zum anderen aber auch von der Kompetenz und Verarbeitungsfähigkeit der Rezipienten. Um einen vernünftigen Jugendschutz zu gewährleisten, ist es daher nicht allein erforderlich, die Anbieterseite zu regulieren, wichtig ist es vielmehr auch, vor allem die jugendlichen Rezipienten zu einem kompetenten und selbstbestimmten Umgang mit Medieninhalten zu erziehen. Die FSF beschäftigt daher seit 1995 zwei Medienpädagogen, die schwerpunktmäßig zum einen Veranstaltungen mit Kindern und Jugendlichen zu bestimmten Fragen der Medienwirkung durchführen, zum anderen aber auch ein Unterrichtsmodell entwickelt haben, dass sie in Zusammenarbeit mit verschiedenen Berliner Schulen durchführen. Darüber hinaus entwickeln sie in Kooperation mit anderen Partnern Unterrichts- und Fortbildungsmaterialien zu verschiedenen Medienthemen. Durch die im Grundgesetz verankerte Meinungs- und Informationsfreiheit (Artikel 5 Abs. 1) sind dem Jugendschutz klare Grenzen vorgegeben. Es kann nicht Aufgabe des Jugendschutzes sein, Filme und Programme zu beschränken, die den Qualitätsoder Geschmacksvorstellungen bzw. den ethischen Grundsätzen der Gesellschaft widersprechen. Nur dann, wenn Medieninhalte geeignet sind, Einstellungen oder Verhaltensweisen zu schaffen, die dem allgemeinen gesellschaftlichen Wertekonsens, insbesondere den im Grundgesetz festgelegten Wertvorstellungen, zu widersprechen, darf der Jugendschutz eingreifen. Das heißt im Umkehrschluss: Wenn die Institutionen des Jugendschutzes bei bestimmten Filmen oder Programmen keine Jugendschutzrelevanz feststellen können, bedeutet dies nicht, dass dem Programm ein bestimmtes Qualitäts- oder Geschmacksprädikat erteilt wird. Es bedeutet weiterhin nicht, dass solche Medieninhalte aus pädagogischer Sicht völlig unproblematisch sind. Der gesetzliche Jugendschutz kann die Erziehungsaufgaben der Eltern, der Schule oder der außerschulischen Jugendbildung nicht ersetzen. Er kann aber durch seine Vorgaben und Ausle107 Medienpädagogik gungen Orientierungshilfen im Erziehungsprozess geben. Die Förderung eines souveränen und kompetenten Umgangs mit Medieninhalten, der durch die Eltern und in den Bildungseinrichtungen der Gesellschaft erlernt wird, ist daher seit jeher eine wichtige Aufgabe für die Pädagogik und den Jugendschutz. Während es lange Zeit zwischen der Medienpädagogik und dem gesetzlichen Jugendschutz gewisse Berührungsängste gab, hat sich das Verhältnis in den letzten Jahren erheblich gebessert. In der Pädagogik wird akzeptiert, dass eine bestimmte gesetzliche Grenzziehung, die durch die Jugendschutzinstitutionen umgesetzt wird, nötig ist, und es wird eingesehen, dass diese Grenzziehung durchaus auch einen pädagogischen Effekt hat. Auch wenn Heranwachsende damit nicht immer einverstanden sind, so bieten die Reglementierungen doch eine gute Grundlage für die Auseinandersetzung mit dem eigenen Medienkonsum und den aus den Medien resultierenden Wertevorstellungen. Gleichzeitig wird den Institutionen des Jugendschutzes immer deutlicher, dass nur die Ergänzung von gesetzlichem mit erzieherischem Jugendschutz einen gesellschaftlich verantwortbaren Umgang der Heranwachsenden mit den Medien ermöglichen kann. 8.1 Unterrichtseinheiten Seit 1996 hat die FSF ein Unterrichtsmodell entwickelt, das sie Berliner Schulen anbietet. Dieses Modell wird von zwei pädagogischen Mitarbeitern der FSF durchgeführt, wobei der jeweilige Klassenlehrer und die Eltern, aber auch die übrigen Lehrer der Schule einbezogen werden. Ziel ist es nicht allein, nur mit einer Klasse zu arbeiten, sondern die Lehrer anhand des konkreten Modells zu informieren und zu motivieren, Medienpädagogik umzusetzen. Es geht also einerseits um die Durchführung eines bestimmten Unterrichtsmodells über sechs bzw. acht Schulstunden, andererseits soll die Zusammenarbeit mit der FSF aber auch zu einem Multiplikations- und Motivationseffekt führen. Zwar gibt es bisher schon zahlreiche Unterrichtsmaterialien im Bereich der Medienpädagogik, nach unserer Erfahrung wird aber Pädagogen, 108 Medienpädagogik die ein solches Modell in einer Schule durchführen, mehr Kompetenz zugetraut als denjenigen, die ein solches Modell nur theoretisch vorgeben. Dieses Angebot der FSF wird von den Schulen intensiv genutzt. Auf Grund der begrenzten Kapazitäten der FSF kann allerdings nur ein Teil der nachfragenden Schulen bedient werden. Es ist daher unser Ziel, durch fachliche und inhaltliche Kooperationen ein breiteres Angebot zu ermöglichen. Besonders positiv zu erwähnen ist die Zusammenarbeit mit dem Institut für Lehrerfortbildung in Berlin (LISUM), das im Jahre 2004 eine Reihe solcher Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit FSFMitarbeitern sowie dem Offenen Kanal Berlin an Schulen durchgeführt hat. 8.2 Internetangebot für Kinder und Jugendliche Die FSF hat im Jahre 2004 damit begonnen, ein Internetportal zu entwickeln, das vielen Kindern und Jugendlichen zugänglich sein soll. Ziel dieses Angebots ist es, Heranwachsenden die schwierigen Abwägungsprozesse bei Jugendschutzentscheidungen nahe zu bringen. Die Erfahrung zeigt, dass Kinder und Jugendliche sich sehr für die Grenzziehungen des Jugendschutzes interessieren, nicht zuletzt deshalb, weil sie beispielsweise selbst von FSK-Freigaben betroffen sind. Das Internetangebot wird grafisch wie ein Computerspiel gestaltet. Neben grundlegenden, entsprechend der Zielgruppe aufbereiteten Informationen zum Jugendmedienschutz bietet es als wesentliches Element die virtuelle Teilnahme an Prüfungen bestimmter Programme an. Es wird die Möglichkeit geben, über die Entscheidung der virtuellen Prüfer abzustimmen oder sich in Chats und Diskussionsforen an den Prüfungen zu beteiligen. So wird Kindern und Jugendlichen deutlich werden, dass es bei Prüfentscheidungen keine absolut „richtige“ gibt und dass – wie auch in anderen Bereichen demokratischer Gesellschaften – das Ergebnis einer Filmprüfung nur durch ein Verfahren zustande kommen kann, das bestimmten festgelegten Kriterien folgt. Gleichzeitig bietet dieses Portal die Möglichkeit, durch die Rückmeldungen der Heranwachsenden die Urteile der Prüferinnen und Prüfer auf eine breitere und fundierte Grundlage zu stellen. 109 Medienpädagogik 8.3. Mitwirkung am Projekt Media Smart – ein medienpädagogisches Projekt zum Thema „Werbung“ für den Einsatz in der Grundschule Seit drei Jahren existiert in England das Werbekompetenz-Projekt „Media Smart“. Die Idee zu dem Projekt stammt ursprünglich aus Kanada, wo die werbetreibende Industrie seit zwölf Jahren medienpädagogisches Material unter dem Namen „Concerned Children’s Advertisers“ finanziert. Das kostenlose Unterrichtsmaterial hat das pädagogische Ziel, Kinder über Formen von Werbung und deren Produktionsmechanismen aufzuklären, sie in Bezug auf Werbebotschaften zu sensibilisieren und über deren Absichten aufzuklären. Außerdem soll die Selbstreflexion von Kindern gefördert werden, indem man sie anregt, ihre Informationsquellen in Frage zu stellen und den Einfluss von Werbung auf das eigene Konsumverhalten zu hinterfragen. Kindern wird so in einem zunehmend kommerzialisierten Alltag Orientierung geboten und die Fähigkeit vermittelt, die immer komplexeren Strategien der Werbeindustrie zu durchschauen. In Deutschland übernahm der private Kinderfernsehsender Super RTL in Zusammenarbeit mit Verbänden der Werbetreibenden und zahlreichen Unternehmen im Jahre 2003 die Projektorganisation. Zunächst wurde eine unabhängige Expertengruppe formiert mit der Aufgabe, die bestehenden Ideen und Materialien an die hiesigen Verhältnisse anzupassen. Die FSF hat dabei durch einen pädagogischen Mitarbeiter mitgewirkt. Im Herbst 2004 führte die FSF gemeinsam mit Dr. Norbert Neuß eine intensive Evaluierung der Unterrichtsentwürfe an einer Berliner Grundschule durch. Aufgrund der Auswertung konnte das Material um zahlreiche Aspekte ergänzt werden. Auch nach dem geplanten Erscheinungstermin im Sommer 2005 wird das Material in seiner Eignung zur Werbekompetenzvermittlung durch Experten weiterentwickelt. 110 Medienpädagogik 8.4 Projekt „Darstellung von Krieg in den Medien“ In Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung und der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung entwickelt die FSF derzeit verschiedene Materialien zum Thema „Massenmedien und Krieg in Demokratien und ihre Bedeutung für die politische Bildung Jugendlicher“. Auf der Grundlage umfangreicher Forschungsarbeiten und Materialien zum Thema „Krieg in Bildschirmmedien“ soll ein E-Learning-Projekt für die Bildungsarbeit entstehen. Aufgabe des im Jahr 2004 begonnenen Projektes ist die Erstellung einer Handreichung mit Unterrichtsempfehlungen sowie einer medienpädagogisch gestalteten DVD zum bevorzugten Einsatz an Haupt- und Realschulen. DVD und Handreichung sollen pädagogischen Fachkräften helfen, Inszenierungsstrategien medialer Kriegsdarstellungen in Nachrichten, Filmen und Computerspielen zu veranschaulichen sowie die aktive Auseinandersetzung der Jugendlichen mit den Medien und der Kriegsthematik zu fördern. Die Jugendlichen sollen in die Lage versetzt werden, anhand von Vergleichen, Analysen und praktischen Übungen die ökonomischen, politischen, sozialen und kulturellen Interessen, die hinter der medialen Verarbeitung des Themas "Krieg" stehen, zu erkennen. Die Einflüsse, Bedingungen und Grundlagen der Informationsvermittlung sollen durch praktische Übungen kennen gelernt und die Gestaltungsprinzipien aus den Produkten heraus durchschaut werden. Damit werden wichtige Komponenten der Medienkompetenzentwicklung gefördert. Da die elektronischen Medien im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen, wird sich die Auseinandersetzung mit der Thematik genau dieser Medien bedienen. Inhaltliche Beispiele sollen für alle Unterrichtsfächer geboten werden, in denen sich die DVD einsetzen lässt (Deutsch, Geschichte, Sozial- oder Gesellschaftskunde). Die Materialien werden Ende 2005 wissenschaftlich evaluiert, zudem steht eine didaktischmethodische Beratung zur Verfügung. Abschluss des Projekts wird voraussichtlich Mai 2006 sein. 111 Medienpädagogik 8.5 Medienpädagogischer Preis für Wissenschaftlich Außergewöhnliche Leistungen (Medien-WAL) Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen und die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) haben 1997 den Medienpädagogischen Preis für wissenschaftlichen Nachwuchs ins Leben gerufen. Jährlich werden herausragende Diplom-, Magister- und Staatsexamensarbeiten aus dem deutschsprachigen Raum mit dem Medien-WAL ausgezeichnet. Die Arbeiten müssen im laufenden Jahr oder im Vorjahr angefertigt worden sein. Eingereicht werden können auch Arbeiten, die nicht in schriftlicher Form, sondern auf anderen Medien und Datenträgern vorliegen. Die Arbeiten sollten sich mit Themen wissenschaftlich auseinander setzen, die für die Theorie und Praxis der Medienpädagogik sowie für Fragen des Jugendmedienschutzes relevant sind, z. B. Arbeiten, die - sich mit dem Bereich der Rezipientenforschung befassen, - sich mit der Rolle der Medien in der Kinder- und Jugendkultur auseinander setzen, - sich mit der Bedeutung der Medien unter entwicklungspsychologischen Gesichtspunkten beschäftigen, - Konzepte und Praxismodelle zum Umgang mit alten und neuen Medien entwickeln, - einen Bezug zu aktuellen medienpädagogischen Diskussionen aufweisen, - medienpädagogische Theorie und Praxis kritisch reflektieren, - sich mit Medien in der schulischen und außerschulischen Erziehung und Bildung sowie in der Erwachsenenbildung befassen, - sich mit medialen Gestaltungsmitteln und/oder ihrer Wirkung auseinander setzen, - sich mit Lernprozessen in der Medien- und Informationsgesellschaft beschäftigen, - sich aus historischer Perspektive mit Fragestellungen der Medienpädagogik oder des Jugendmedienschutzes befassen. 112 Medienpädagogik Eingereicht werden können die Arbeiten durch die betreuenden Hochschullehrer/-innen und Dozent/-innen mit einem begleitenden Gutachten und einer ein- bis zweiseitigen Zusammenfassung der Arbeit durch die Verfasser/-innen. Der Preis ist mit 1.500 Euro dotiert. Den Preisträgerinnen und Preisträgern werden Möglichkeiten zur Veröffentlichung geboten. Die Bewertung der Arbeiten und Auswahl der Preisträger/-innen übernimmt eine vierköpfige Jury, die sich aus Vertreter/-innen der FSF und der GMK zusammensetzt. 113 ZUSAMMENFASSUNG Vorgeschichte Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) wurde im November 1993 von den damals bundesweit ausstrahlenden privaten Sendern gegründet und nahm am 1. April. 1994 in Berlin ihre Arbeit auf. Laut Satzung ist es ihre Aufgabe, zu einer Verbesserung des Jugendschutzes im Fernsehen beizutragen. Schwerpunkt der Arbeit bildet die Prüfung von Fernsehprogrammen vor ihrer Ausstrahlung. Darüber hinaus berät die FSF ihre Mitgliedssender in Fragen des Jugendschutzes, bietet medienpädagogische Aktivitäten an und entwickelt Informationsmaterialien für Eltern und Pädagogen. Seit ihrer Gründung hat die FSF 6.581 Fernsehprogramme auf Antrag der Sender begutachtet (Stand: 31. 05. 2005). Davon wurden 4.217 antragsgemäß freigegeben, bei 1.067 Programmen erfolgte die Freigabe nur unter Schnittauflagen. 1.011 Programme wurden auf eine spätere Sendezeit verschoben, in weiteren 114 Fällen wurden darüber hinaus noch Schnittauflagen verfügt. 172 Programme wurden nicht für die Ausstrahlung im Fernsehen zugelassen. Die Prüfungen werden von etwa 98 Sachverständigen durchgeführt, die in der Medienpädagogik, der Jugendarbeit oder im praktischen Jugendschutz arbeiten und Erfahrungen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen und deren Mediennutzung besitzen. Sie verfügen in der Regel über ein abgeschlossenes sozialwissenschaftliches Studium. Etwa die Hälfte der Prüferinnen und Prüfer arbeitet auch in den Prüfausschüssen der FSK und der Bundesprüfstelle mit, so dass die Erfahrungen dieser Institutionen in die Spruchpraxis der FSF mit einbezogen werden. Die Prüfer/-innen werden am Ende jedes Jahres nach einem festgelegten Verfahren im Durchschnitt für 3 Wochen im darauf folgenden Jahr zu den Prüfungen eingeladen. Die Prüfausschüsse bestehen aus fünf, Berufungsausschüsse aus sieben Mitgliedern. Die FSF ist als gemeinnütziger Verein organisiert. Für ihre Organisation und Finanzierung ist ein siebenköpfiger Vorstand verantwortlich, der aus den Reihen der Mit- 115 Zusammenfassung glieder gewählt wird. Für alle formalen und inhaltlichen Fragen, die mit den Prüfungen zusammenhängen, hat der Vorstand ein unabhängiges Kuratorium zusammengestellt, das laut Satzung zwischen 15 und 18 Mitgliedern hat. Dort arbeiten Vertreterinnen und Vertreter der Kommunikations- und Medienwissenschaft, der Medienpädagogik, des Medienrechts, der Medienkritik sowie des praktischen Jugendschutzes mit. Bereits zu Beginn der Prüftätigkeit hat das Kuratorium eine ausführliche Prüfordnung vorgelegt, die ständig gemäß dem aktuellen Stand der Medienforschung, der Spruchpraxis des Jugendschutzes sowie der Einschätzung neuer Fernsehformate weiterentwickelt wurde. Darüber hinaus ist das Kuratorium für die Benennung der Prüferinnen und Prüfer zuständig. Zu jedem geprüften Programm wird ein ausführliches Gutachten erstellt, das Auskunft über die Diskussion gibt und die Entscheidung des Ausschusses bzw. die Voten einzelner Ausschussmitglieder begründet. Die FSF hat von der Fachöffentlichkeit für die Qualität ihrer Prüfordnung und ihrer Arbeit von Anfang an viel Anerkennung erhalten. Dennoch gelang es nicht, die Arbeit der FSF und der vom Staat bestellten Aufsicht, den Landesmedienanstalten, in zufrieden stellender Weise aufeinander abzustimmen. Die Bundesländer, die für den Jugendschutz im Fernsehen zuständig sind, haben sich zwar für die Gründung der FSF ausdrücklich eingesetzt, versäumten es jedoch, im Rundfunkstaatsvertrag eine klare Aufteilung der Kompetenzen vorzunehmen. Die FSF und die Landesmedienanstalten prüften teilweise doppelt, eine inhaltliche Abstimmung fand nicht in ausreichendem Maße statt. Für die so genannten Ausnahmegenehmigungen etwa, mit denen ein Sender einen Film mit einer Freigabe ab 16 bzw. nicht unter 18 Jahren zu einer früheren Zeit als im Rundfunkstaatsvertrag festgelegt ausstrahlen konnte, z.B. nach Bearbeitung der für die Freigabe im Wesentlichen maßgeblichen Szenen, waren die Landesmedienanstalten zuständig. Sie mussten die Gutachten der FSF in ihre Entscheidungen einbeziehen, waren aber nicht an die Prüfergebnisse der FSF gebunden. Da es sich bei Jugendschutzentscheidungen häufig um Werturteile handelt, kann es gerade in Grenz116 Zusammenfassung fällen vorkommen, dass unterschiedliche Ausschüsse zu anderen Ergebnissen gelangen. Für die Sender stellte sich hier das Problem, dass sie sich an Ablehnungen ihrer Anträge durch die FSF in jedem Fall halten mussten, etwa auch bei eigenproduzierten Serien und TV-Movies, bei denen ein FSF-Votum gegen die beantragte Sendezeit z.T. erhebliche Programminvestitionen in Frage stellte. Im Falle eines positiven Votums der FSF im Bereich der Ausnahmeanträge mussten sie dagegen weiterhin mit einer Ablehnung durch die Landesmedienanstalt rechnen. Die FSF-Prüfung bot den Sendern also keine ausreichende Sicherheit, so dass sich bald die Frage stellte, welchen Sinn die Prüfung durch die FSF für sie hatte. Es war eine wesentliche Forderung der FSF, dass ihren Prüfungen der gleiche Beurteilungsspielraum zugesprochen wird, wie er im Rahmen der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft und der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) gewährt wird. Die regulierte Selbstregulierung In der Reform des Jugendschutzrechts griff der Gesetzgeber diese Forderung der FSF auf. Dabei wurde erkannt, dass die Selbstkontrolle gegenüber der vom Staat bestellten Aufsicht den Vorteil aufweist, Programme vor ihrer Ausstrahlung überprüfen zu können. Die Landesmedienanstalten hingegen können auf Grund des Zensurverbots des Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz immer erst im Nachhinein tätig werden. Auf grund ihrer komplizierten Gremienstrukturen und der Tatsache, dass ihre Entscheidungen bei den Verwaltungsgerichten angefochten werden konnten, zogen sich Beanstandungsverfahren oft über Jahre hin. Damit verfehlten sie meist ihre beabsichtigte Wirkung, bei den Anbietern die nötige Sensibilität für die Belange des Jugendschutzes zu erzeugen. Die Selbstkontrolle ist dagegen so organisiert, dass der Sender innerhalb von etwa einer Woche ein ausführliches Gutachten erhält, welches ihm nachvollziehbar darlegt, mit welchen Argumenten sein Antrag angenommen oder abgelehnt wurde. Dadurch hat die FSF von jeher ganz entscheidend dazu beigetragen, innerhalb der Sender die Kompetenz und die Sensibilität für die Belange des Jugendschutzes zu verbessern. 117 Zusammenfassung Der Gesetzgeber entschied sich für das Modell der so genannten regulierten Selbstregulierung. Nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, der am 1. April 2003 in Kraft trat, ist für die Kontrolle der Jugendschutzbestimmungen im Fernsehen sowie im Internet die neu gegründete Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zuständig. Die Anbieter erhalten die Möglichkeit, eine Selbstkontrolleinrichtung aufzubauen. Wenn diese den im Gesetz benannten Kriterien entspricht, wird sie von der KJM anerkannt und kann dann weitgehend selbstständig für die Durchsetzung des Jugendschutzes bei ihren Mitgliedssendern sorgen. Programme, die vor der Ausstrahlung eine Freigabe durch die Selbstkontrolle erhalten haben, können im Nachhinein von der KJM nur dann anders beurteilt werden, wenn die Selbstkontrolle den ihr zugestandenen Beurteilungsspielraum überschritten hat. Nicht vorlagefähige Programme (Livesendungen, Reportagen, Berichterstattungen) muss die KJM der Selbstkontrolleinrichtungen vorlegen, bevor sie ein eigenes Urteil fällt. Auch in diesem Falle gilt der Beurteilungsspielraum. Eine eigene Entscheidung kann die KJM nur dann fällen, wenn ein Programm der Selbstkontrolle trotz Geeignetheit zur Vorabkontrolle vor der Ausstrahlung nicht vorgelegen hat. Erfüllung der Voraussetzungen auf Anerkennung Die FSF hat die Voraussetzungen für die Anerkennung zeitnah geschaffen. Neben einigen organisatorischen Maßnahmen mussten dazu die Satzung und die Prüfordnung geändert werden. Bereits in der ersten Sitzung der KJM am 2.4.2003 lag ein ausführlicher Antrag auf Anerkennung der FSF vor. Die KJM setzte eine Arbeitsgruppe ein, um den Anerkennungsprozess zu beschleunigen. Nach gemeinsamen Gesprächen und Vorlage einer nochmals veränderten Prüfordnung wurde die FSF am 1.8.2003 von der KJM als Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle anerkannt. Eine wesentliche Aufgabe für die FSF im Rahmen des Anerkennungsverfahrens bestand darin, eine Vorlagesatzung zu erarbeiten, die für alle Sender verbindlich regelt, welche Programme sie vor der Ausstrahlung der FSF vorzulegen haben. Einer der wichtigsten Kritikpunkte der Landesmedienanstalten an der FSF vor dem Anerken118 Zusammenfassung nungsprozess bestand darin, dass den Mitgliedssendern mangelnde Vorlagebereitschaft bei den jugendschutzrelevanten Programmen vorgeworfen wurde. Ziel der Vorlagesatzung war es also, eindeutige und überprüfbare Maßstäbe für die Vorlagepraxis der Sender zu setzen. Die FSF als anerkannte Selbstkontrolle Schon im Laufe des Anerkennungsverfahrens zeigte sich, dass die Sender ihre Programme gemäß der Vorlagesatzung bei der FSF vorlegen. Das Prüfvolumen der FSF war in wenigen Wochen um ca. 30 % angestiegen. TV-Movies, die um 20.15 Uhr ausgestrahlt werden sollten, wurden der FSF komplett vorgelegt. Auch im Bereich der Ausnahmeanträge, der Filme mit FSK-12-Kennzeichen und der Non-Fiction- und Reality-Formate nahm die Prüfung durch die FSF erheblich zu. Nach den bisherigen Erkenntnissen der FSF wird die Vorlagesatzung von den Sendern befolgt. Die zentrale Aufgabe des Kuratoriums im Jahre 2004 war es, die Qualität der Prüfgutachten weiter zu verbessern, da ihnen nun eine noch größere Bedeutung zukommt. Im Rahmen dieser Aufgabe wurden die Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung vorgelegt, in denen die Schwerpunktthemen des Jugendschutzes, die bisherige Spruchpraxis, die aktuellen Erkenntnisse der Medienforschung sowie die Anforderung durch neue Fernsehformate in für die Prüfungen anwendbare Kriterien zusammengeführt wurden. Zum einen sollten damit den Prüferinnen und Prüfern fundierte und klare Beurteilungsmaßstäbe an die Hand gegeben werden, die ihnen helfen, gerade in Grenzfällen oder bei neuen Fernsehformaten sachkundige Entscheidungen zu treffen, andererseits sollte damit aber auch erreicht werden, dass die Spruchpraxis einheitlichen und transparenten Überlegungen folgt. Da die Vorgaben des Gesetzes sehr allgemein gehalten sind, bieten sie in der Praxis Spielräume, die dazu führen können, dass bei vergleichbaren Programmen unterschiedliche Entscheidungen gefällt werden. Gleichzeitig sollten die Richtlinien auch in die Sender hineinwirken. Die Programmverantwortlichen erhalten so die Möglichkeit, auf der Grundlage konkreter und 119 Zusammenfassung nachvollziehbarer Kriterien bei der Produktion oder beim Einkauf von Programmen bereits die Belange des Jugendschutzes zu berücksichtigen. Darüber hinaus geben die Richtlinien zahlreiche Hilfestellungen bezüglich der Einschätzung unzulässiger Programme (§ 4 JMStV), indem sie den Prüfenden zahlreiche Interpretationshilfen sowie Informationsmaterial zur Verfügung stellen. Eine eigens gegründete Arbeitsgruppe des Kuratoriums hat sich mit verschiedenen Fernsehformaten auseinander gesetzt. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, das Kuratorium über aktuelle Programmentwicklungen zu informieren, für die Prüferinnen und Prüfer Orientierungshilfen zu bestimmten Fragen, die sich in der Prüfpraxis als klärungsbedürftig erwiesen haben, zu erarbeiten und darüber zu beraten, welche Jugendschutzkriterien an neue Programmformen angelegt werden können. Dabei war es ein wichtiger Aspekt, zwischen Geschmacksfragen oder der Erzeugung von Ekel und tatsächlichen Jugendschutzfragen zu unterscheiden. Darüber hinaus hat das Kuratorium im Jahre 2004 drei Prüferfortbildungen durchgeführt, die der Kommunikation zwischen Kuratorium und Prüferinnen bzw. Prüfern dienen sollen, die aber auch den Prüferinnen und Prüfern die Möglichkeiten geben, in einer größeren Gruppe als im Fünferausschuss und anhand aktueller und meist strittiger Beispiele über Prüfkriterien und Prüfentscheidungen zu diskutieren. Prüfungen im Jahre 2004 Im Jahr 2004 wurden bei der FSF insgesamt 765 Sendungen geprüft. 2003, im Jahr der Anerkennung der FSF durch die KJM, waren es sogar 834 Programme. In den Jahren vor der Anerkennung waren es 513 Sendungen (2001) bzw. 543 Sendungen (2002). Besonders augenfällig ist die Zunahme von Ausnahmeanträgen: Im Jahr 2004 lagen immerhin 148 Filme dieser Prüfkategorie vor (zum Vergleich 2003: 63 Filme, 2002: 49 Filme, 2001: 24 Filme). Hier zeigt sich, dass die FSF von den Sendern auf Grund der Tatsache, dass nun ausschließlich sie über Ausnahmeanträge entscheiden kann, stärker genutzt wird. Neu hinzugekommen ist die Prüfung der Tagesprogrammtaug120 Zusammenfassung lichkeit von FSK-12-Filmen (2004: 89, 2003: 102, 2002: 1, 2001: 0). Angestiegen ist auch das Prüfaufkommen im Bereich der TV-Movies und der Reality-Formate. Als eine der Anerkennungsvoraussetzungen hat die FSF 2004 insgesamt 10 Vertreter/-innen beider Kirchen in die Gruppe der Prüfer aufgenommen. Die Zusammenarbeit mit den Kirchen erwies sich als kollegial und produktiv. Bereits in der zweiten Jahreshälfte 2004 konnte festgestellt werden, dass die Integration der von den Kirchen benannten Prüferinnen und Prüfer in die FSF sehr gut gelungen ist. Um die Bedeutung der Kirchen für die Arbeit der FSF zu unterstreichen, hat die FSF darüber hinaus jeweils einen Vertreter der beiden großen Kirchen in das Kuratorium aufgenommen. So haben die Kirchen die Möglichkeit, neben der Beteiligung an der Prüfpraxis über das Kuratorium auch alle grundsätzlichen mit der Prüfung zusammenhängenden Fragen zu beeinflussen. Erfolge im Bereich des fiktionalen Programms Im Zentrum des Jugendschutzes stehen traditionell fiktionale Programme (Spielfilme, TV- Movies, Serien). Zu diesen Formaten hat der Jugendschutz eine inzwischen abgesicherte und weitgehend akzeptierte Spruchpraxis in den Bereichen Wirkung von Gewaltdarstellungen, übermäßige Angsterzeugung oder Wirkung von sexuellen Darstellungen erarbeitet. Gerade im Hinblick auf die Frage, ob Gewaltdarstellungen im Fernsehen zu einem Ansteigen der Gewaltbereitschaft jugendlicher Zuschauer führen, hat es in der Vergangenheit immer wieder Kritik an der Umsetzung des Jugendschutzes im Fernsehen gegeben. Die Kritik der Landesmedienanstalten an der FSF richtete sich weitgehend gegen die mangelnde Vorlagebereitschaft der Sender gerade im Bereich der eingangs genannten Programmformate. Hier kann das erste Jahr der FSF als anerkannte Selbstkontrolle als großer Erfolg verbucht werden. Nach unseren Kenntnissen gab es im Hinblick auf fiktionale Fernsehformate im Jahre 2004 keinerlei Beschwerden bei der KJM, in keinem einzigen Fall der von der FSF geprüften Filme hat die KJM den Beurteilungsspielraum in Frage 121 Zusammenfassung gestellt. Dort, wo die Erwartungen an das System der regulierten Selbstregulierung besonders hoch waren, konnten sie also durchweg erfüllt werden. Neue Fernsehformate Bei Talkshows, Gerichtshows, Formaten wie Big Brother, Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! oder Die Burg handelt es sich um Sendungen, in der sich Fiktion bzw. Inszeniertes und Realität vermischen. Die traditionelle Spruchpraxis des Jugendschutzes ist auf solche Formate nicht ohne weiteres zu übertragen. Während fiktionale Filme durch die Dramaturgie, die Story und attraktive Figuren darauf zielen, Identifikationen und Emotionalisierungen zu erzeugen, begegnet man in den RealityFormaten Personen aus dem Alltag, die in der Regel nicht als Vorbild taugen. Vieles spricht daher dafür, dass die Zuschauer gegenüber den dort agierenden Personen die gleiche Distanz entwickeln wie gegenüber Menschen ihres realen sozialen Umfeldes. Dagegen steht die Befürchtung, dass solche Sendungen den Eindruck vermitteln könnten, ein reales Abbild der Wirklichkeit zu sein und somit fragwürdige Normalitätskonzepte vermitteln. All diese Formate haben gemein, dass Menschen in besonderen Situationen aufeinander treffen, die Konflikte oder Streit provozieren. In Sendungen wie Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! oder Die Burg wird durch den produzierenden Sender ein zusätzliches Konfliktpotential geschaffen, indem Menschen beispielsweise mit Aufgaben konfrontiert werden, die bei jedem durchschnittlichen Mitteleuropäer Ekelgefühle aufkommen lassen. Eine Schwierigkeit bei der Prüfung solcher Formate besteht darin, Fragen des gesellschaftlichen Anstands, des Geschmacks oder des Ekels von Fragen des Jugendschutzes zu trennen. Das Kuratorium der FSF hat durch die Erläuterung der Prüfordnung entscheidend dazu beigetragen, Vorgaben für die Beurteilung solcher Formate unter Jugendschutzgesichtspunkten zu erarbeiten. Die Vorabprüfung ist allerdings bei manchen Formaten nicht ohne weiteres möglich. In manchen Sendungen werden die Zuschauer etwa aufgefordert, während der Sendung anzurufen und ein bestimmtes Votum abzugeben, das den weiteren Verlauf der Sendung bestimmt. Viele Talk- oder Gerichtshows sind erst einige Tage vor der 122 Zusammenfassung Ausstrahlung fertig, und eine Vorlage bei der Selbstkontrolle würde im Falle der Ablehnung bedeuten, kurzfristig eine Programmlücke füllen zu müssen. Dennoch ist es Aufgabe der FSF, auch in solchen Unterhaltungsformaten die Belange des Jugendschutzes im privaten Fernsehen zu sichern. Allerdings sind hier die Prüfund Mitsprachemöglichkeiten erheblich geringer als bei fiktionalen Programmen. Die FSF erwartet jedoch von den Sendern, dass sie über die Konzepte solcher Formate im Vorhinein informiert wird und dass die Kriterien, die die FSF dazu aufstellt, von den Sendern bei der Umsetzung des Konzeptes berücksichtigt werden. Über die eigene Programmbeobachtung wird festgestellt, ob bei der Umsetzung aus der Sicht des Jugendschutzes Probleme entstehen. Ist dies der Fall, ist es Aufgabe der FSF, bei den zuständigen Redaktionen entsprechend Einfluss zu nehmen. Gerade in Bezug auf die Sendung Ich bin ein Star – holt mich hier raus! hat die KJM die Auffassung vertreten, der Sender würde die FSF nicht in ausreichendem Umfang in die Jugendschutzprüfungen mit einbeziehen. In einer gemeinsamen Sitzung der KJM mit dem Vorstand der FSF schlug der Vorsitzende der KJM, Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, vor, die FSF solle in ihrer Prüfordnung die Möglichkeit schaffen, für solche Formate eine Art Konzeptprüfung durchzuführen. Innerhalb der FSF wurde über diesen Vorschlag einer Konzeptprüfung eingehend diskutiert. Letztlich wurde entschieden, dass er nicht tatsächlich umgesetzt werden kann. Das System der Prüfungen bei der FSF ist ebenso wie bei der FSK darauf angelegt, einen fertigen Film oder eine fertige Sendung zu begutachten. Die Beurteilung von Drehbüchern oder Sendekonzepten kann immer nur eine beratende Funktion haben, die jedoch nicht in einer Freigabe münden sollte. Zum einen lässt die konkrete Umsetzung zunächst scheinbar harmloser Konzepte genügend Spielraum, um letztlich jugendbeeinträchtigende Szenarien herzustellen, auf die aus dem Konzept heraus zunächst nicht geschlossen werden konnte. Zum anderen muss bedacht werden, dass gerade durch die Interaktion der handelnden Personen jugendschutzrelevante Konstellationen entstehen können, die vorher nicht zu prognostizieren waren. 123 Zusammenfassung Die FSF setzt daher stärker auf eine Beratung zu den Konzepten bzw. auf Gespräche mit den verantwortlichen Redaktionen. Dies hat sich bisher im Bereich der Talkshows, aber auch der Gerichtsshows bewährt. Darüber hinaus kann die Vorlage von Sendungen im Nachhinein wichtige Hinweise geben, welche Kriterien an die Produktion weiterer Folgen anzulegen sind. Von Big Brother wurden beispielsweise verschiedene Folgen der FSF vorgelegt, deren Begutachtung dazu beigetragen hat, sowohl das weitere Konzept als auch die weiteren Zusammenschnitte positiv weiter zu entwickeln. Bei neuen Fernsehformaten, die bereits längere Zeit vor der Ausstrahlung vorliegen, ist eine FSF-Prüfung vor der Ausstrahlung möglich und wird auch von den Sendern beantragt. Dies trifft zum Beispiel auf die Formate Fear Factor (RTL), Scare Tactics (MTV) sowie alle Sendungen, die Schönheitsoperationen zu Unterhaltungszwecken darstellen, zu. Insgesamt arbeitet die FSF mit hohem Engagement daran, Systeme zu entwickeln, den Jugendschutz auch bei solchen Sendungen zu sichern, die nicht im Vorhinein vorgelegt werden können. Es gibt bisher keine Hinweise darauf, dass dies nicht gelungen ist. Die KJM hat sich mit all diesen Formaten eingehend beschäftigt, ohne aber eine dieser Sendungen im Nachhinein beanstandet oder für den Sender nachvollziehbare umsetzbare Kriterien entwickelt zu haben. Schönheitsoperationen zu Unterhaltungszwecken Bei drei Folgen der MTV Serie I want a famous face, die der FSF vor der Ausstrahlung zur Prüfung vorgelegt und von ihr freigegeben worden sind, hat die KJM im Nachhinein eine Beanstandung ausgesprochen und die Auffassung vertreten, die FSF habe ihren Beurteilungsspielraum überschritten. Der Beanstandungsbescheid beruft sich unter anderem auf einen Grundsatzbeschluss der KJM, der erst einige Wochen nach der FSF-Prüfung getroffen wurde. Dieser wurde allerdings weder der FSF noch den beteiligten Sendern jemals direkt zugeleitet, sondern über eine Pressemitteilung 124 Zusammenfassung kommuniziert. In der Pressemitteilung sind jedoch keine für die Prüfung anwendbaren Kriterien enthalten. Vielmehr wird sehr allgemein die Vermutung und Befürchtung formuliert, dass Jugendliche durch solche Sendungen den Eindruck erhalten könnten, man könne sein Äußeres beliebig durch einfache und risikolose chirurgische Eingriffe verändern. Die FSF kam jedoch in der Begutachtung der drei vorgelegten Folgen von I want a famous face zu dem Ergebnis, dass sie eher eine kritische Haltung zu Schönheitsoperationen vermitteln. Zum einen würden die Folgen eindeutig zeigen, dass Schönheitsoperationen mit tiefen Eingriffen in den Körper verbunden sind und starke sowie anhaltende Schmerzen verursachen können. Es werde auch nicht verheimlicht, dass es nach den Eingriffen sehr lange dauert, bis z.B. die Narben verheilt sind und das normale Leben wieder aufgenommen werden kann. Außerdem werde in den Sendungen auch darüber berichtet, dass man mit solchen Operationen nicht immer den gewünschten Effekt erzielt, und es zu gesundheitlichen Problemen nach den Operationen kommen kann. In der Pressemitteilung zum Grundsatzbeschluss der KJM wurde auch auf ähnliche Formate verwiesen, die zu dem damaligen Zeitpunkt allerdings noch gar nicht produziert waren. Die Sender haben daraufhin alle diese Formate der FSF zur Prüfung vorgelegt und eine Freigabe für verschiedene Sendezeiten erhalten, eine Beanstandung weiterer Sendungen durch die KJM erfolgte nicht. Das Verhältnis der Selbstkontrolle zur KJM Positiv bleibt festzuhalten, dass im Bereich der fiktionalen Programme bisher von der KJM keinerlei Beanstandungen zu Programmen ausgesprochen worden sind, die von der FSF geprüft wurden. Im Bereich der neuen Fernsehformate vertritt die KJM zwar öffentlich die Auffassung, die Mitgliedssender würden die FSF nicht ausreichend beteiligen. Da es jedoch in diesem Bereich tatsächlich wenige Beanstandungen gibt, sieht es faktisch eher so aus, dass die FSF auch hier in der Lage ist, den Jugendschutz 125 Zusammenfassung effektiv umzusetzen. Für diese Sichtweise spricht auch, dass die Befürchtung der KJM, Formate wie Big Brother, Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!, Die Burg und Ähnliches seien erst der Anfang einer eskalierenden Entwicklung, bisher jedenfalls nicht bestätigt wurde. Die FSF hat den beteiligten Sendern immer wieder deutlich gemacht, dass es bezüglich solcher Formate Grenzen gibt, vor allem was den Umgang mit den beteiligten Protagonisten angeht. Dies hat dazu beigetragen, dass von der Entwicklung weiterer, eskalierender Formate abgesehen wurde. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl in der inhaltlichen Zielsetzung als auch in der Kriterienbildung vom Jugendschutz zwischen der FSF und der KJM eine weitgehende Übereinstimmung festzustellen ist. Unterschiedliche Sichtweisen in Detailfragen, die zu konkreten Prüfergebnissen – beispielsweise im Falle I want a famous face – auftreten, bewegen sich in einem für den Jugendschutz üblichen Abwägungsspektrum und spiegeln zum Teil auch unterschiedliche Meinungen unter den FSFPrüferinnen und -Prüfern wider. Für die Prüfungen ist es bei der FSF ein wichtiger qualitativer Standard, dass sich der jeweilige Ausschuss gemeinsam einen Film anschaut und nach eingehender Diskussion zu einem Ergebnis kommt. Auf den Austausch von Argumenten in der Diskussion über das Prüfergebnis kann aus Sicht der FSF nicht verzichtet werden. Umso mehr stößt es bei der FSF auf Kritik, dass die formalen und inhaltlichen Prüfaspekte der KJM nicht transparent sind. So wird etwa nicht deutlich, ob Entscheidungen von der KJM selbst, von einem Prüfausschuss oder von einem anderen Gremium getroffen wurden. Bei der KJM scheinen zum Teil Prüfgruppen, die im Gesetz nicht vorgesehen sind, Entscheidungen im Detail vorzubereiten, die dann im schriftlichen Umlaufverfahren von den KJM-Mitgliedern bestätigt werden. Nach Auffassung der FSF kann aber nur durch eine gemeinsame Sichtung mit anschließender Diskussion gewährleistet werden, dass alle Mitglieder den Film unter den gleichen Bedingungen und in voller Länge sehen. Nur durch die gemeinsame Beratung gelangt ein Prüfgremium zu einem fachlich fundierten Ergebnis. Eine Abstimmung im 126 Zusammenfassung Umlaufverfahren, wie es die KJM unternimmt, halten wir für fachlich nicht vertretbar und für rechtlich fragwürdig. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn in einem solchen Verfahren über den Beurteilungsspielraum der FSF entschieden wird. Besonders kritisch wird bei der FSF die Art der Kommunikation mit der KJM bewertet. Zwischen Selbstkontrolle und Aufsicht muss ein Mindestmaß an Meinungsaustausch und gegenseitiger Information stattfinden, da ansonsten die für die Umsetzung des Jugendschutzes notwendige Abstimmung zwischen den Beteiligten nicht erfolgreich stattfinden kann. Die FSF gewährt den KJM-Mitgliedern auf Wunsch Zugang zu all ihren Daten der internen Datenbank, so dass sich KJM-Mitglieder über alle Prüfungen, Freigaben und Gutachten informieren können. Die KJM ihrerseits informiert die FSF im Wesentlichen über Pressemitteilungen. Inhaltliche Diskussionen und Schwerpunkte der KJM werden der FSF ebenso wenig übermittelt wie Nachrichten darüber, welche Fernsehsendungen bei der KJM selbst oder in deren Ausschüssen behandelt wurden. Es ist völlig unklar, was die KJM mit dieser Diskretion bezweckt. Möglicherweise ist sie auf organisatorische Unzulänglichkeit zurückzuführen. Der Durchsetzung des Jugendschutzes dient sie jedenfalls nicht. Die FSF muss sich mit Argumentationen der KJM zu bestimmten Programmformen, die ihr nicht vorgelegt wurden, beschäftigen und sie in die Prüfpraxis mit einbeziehen. Ohne die entsprechenden Informationen durch die KJM ist dies jedoch nicht möglich. Insgesamt fordern wir die KJM auf, die FSF besser über ihre Arbeit zu informieren. Je früher die FSF über die Beschäftigung der KJM mit bestimmten Programmen informiert ist, je mehr sie über deren Kriterienbildung weiß, desto besser kann sie diese in ihre eigene Arbeit und Prüfpraxis mit einbeziehen. Abstimmung zwischen dem JMStV und dem JuSchG Während die FSK-Freigaben nach dem Jugendschutzgesetz Sendezeitbeschränkungen im Bereich des Fernsehens zur Folge haben, sind Freigaben der FSF ohne Auswirkungen auf die Jugendfreigaben im Bereich der Kino- oder Videofilme. Dies ist insofern verständlich, als in der Vergangenheit lange die Kino– und Videoauswer- 127 Zusammenfassung tungen an erster Stelle standen und erst später die Fernsehauswertung erfolgte. In letzter Zeit werden jedoch immer häufiger Fernseherstausstrahlungen (TV-Movies, Serien) praktisch zeitgleich auf Video oder DVD vermarktet. Wir halten es für sinnvoll, im Rahmen einer Evaluation darüber nachzudenken, inwieweit Entscheidungen der FSF oder der KJM auch Rückwirkungen auf die Altersfreigaben im Bereich des Jugendschutzgesetzes haben könnten. Medienpädagogik und Öffentlichkeitsarbeit Angesichts des immer größeren Medienangebotes vor allem durch das Internet kann aus Sicht der FSF Jugendschutz nicht bei Programmprüfungen enden. Die FSF führt daher an Schulen medienpädagogische Projekte durch, sie entwickelt Materialien zu bestimmten jugendschutzrelevanten Themen und beteiligt sich an zahlreichen Publikationen, die die Fachöffentlichkeit über inhaltliche Schwerpunkte ihrer Arbeit informiert. Aufgabe der von ihr herausgegebenen Fachzeitschrift tv diskurs sowie ihres Webauftritts ist es, die Prüferinnen und Prüfer, aber auch eine breite interessierte Öffentlichkeit über aktuelle Jugendschutzthemen zu informieren und sie an dem Diskurs zu beteiligen. 128 Literaturhinweise Bente, Gary/Fromm, Bettina (1997) : Affektfernsehen. Motive, Angebotsweisen und Wirkungen. Opladen: Leske+Budrich. Bettelheim, Bruno (1980): Kinder brauchen Märchen. München: dtv. Grimm, Jürgen (1999): Fernsehgewalt. Zuwendungsattraktivität, Erregungsverläufe, sozialer Effekt. Zur Begründung und praktischen Anwendung eines kognitiv-physiologischen Ansatzes der Medienrezeptionsforschung am Beispiel von Gewaltdarstellungen. Opladen / Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Groebel, Jo (1994): Gewaltdarstellungen im Fernsehen. Analyse und Empfehlungen. Herausgegeben vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen Duisburg. Kunczik, Michael / Zipfel, Astrid (2004) : Medien und Gewalt. Befunde der Forschung seit 1998. Projektbericht für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Mainz. Michaelis, Wolfgang (2005): Unsere Kinder sollen ohne Angst aufwachsen… In: tv diskurs, Ausgaben 31-33. Paus-Haase, I./ Hasebrink, U./ Mattusch, U./Keuneke,S./Krotz, F (1999) :Talkshows im Alltag von Jugendlichen. Opladen: Westdeutscher Verlag. Selg, Herbert (1993): Gewaltdarstellungen in Film und Fernsehen – Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche, in: Sonderdruck aus Sozialpädiatrie für Praxis und Klinik 15, Nr. 10.577-579, Mainz. Selg, Herbert (1998): Filmhelden als Gewaltmodell? Was gelernt wird, hängt von der Gesamtaussage ab. Interview mit J.v. Gottberg in: tv diskurs, Ausgabe 6. Vitouch, Peter (1993): Fernsehen und Angstbewältigung. Opladen. Westdeutscher Verlag. 129 Anhang 131 Anhang I: Mitglieder der FSF im Jahre 2004 9Live Beate Uhse TV DSF Deutsches SportFernsehen Kabel 1 n-tv Premiere Fernsehen ProSieben RTL RTL II Sat. 1 Super RTL Tele5 VOX Anhang II: Vorstand der FSF im Jahre 2004 Dr. Hans-Henning Arnold RTL Television GmbH Aachener Str. 1044 50858 Köln Klaus Beucher Freshfields Deringer (Vertretung RTL II) Heumarkt 14 50667 Köln Sabine Christmann, LL.M. Premiere Fernsehen GmbH & Co. KG Medienallee 4 85774 Unterföhring Dieter Czaja RTL Television GmbH Aachener Str. 1044 50858 Köln (Vorsitzender) Annette Kümmel ProSiebenSat.1 Media AG Oberwallstr. 6 10117 Berlin Dr. Anne-Kathrin Luchting 9Live Fernsehen GmbH & Co. KG Infanteriestr. 19, Haus 1 85737 Ismaning Dr. Peter Lück (im Juni 2004 ausgeschieden) ProSiebenSAT.1 Media AG Medienallee 7 85774 Unterföhring Anhang III: Kuratorium der FSF im Jahre 2004 Prof. Dr. Jürgen Grimm Professor Jürgen Grimm, geb. 1954, ist Medien- und Kommunikationswissenschaftler. 1992–1994 Leitung des DFG-Forschungsprojekts „Medien: Simulation und Wirklichkeit“; 1998 Habilitation zum Thema „Wirkungen von Fernsehgewalt“ (Universität Mannheim); Vorsitz des Vereins zur Förderung der Medienforschung. Seit Januar 2004 Professor für Kommunikationswissenschaft am Institut für Publizistik u. Kommunikationswissenschaft der Universität Wien. Zahlreiche Publikationen u. a. zu Reality TV, Talkshows u. Nachrichtengewalt sowie zu verschiedenen Themen der Medienunterhaltung u. -information, z. B. Kinder, Jugend u. Medien. Ausgewählte Studien zum internationalen Forschungsstand mit einigen Schlussfolgerungen für den Jugendschutz. Studie im Auftrag der ULR Kiel (Malik 1994); Informationsleistungen von Medien in Krisenzeiten. In: P. Ludes (Hg.), Informationskontexte für Massenmedien, Theorien und Trends (Westdt. Verlag 1996); Der RobespierreAffekt. Nichtimitative Wege filmischer Aggressionsvermittlung. In W. Mahle (Hg.), Kultur in der Informationsgesellschaft. (UVK Medien 1998); Talkshows – aus Sicht der Rezipienten. In: tv diskurs, Heft 7, Januar 1999; Fernsehgewalt. Zuwendungsattraktivität – Erregungsverläufe – sozialer Effekt. (Westdt. Verlag 1999). Michael Groh Michael Groh, geb. 1961, absolvierte ein Studium der Rechtswissenschaft an der LudwigMaximilian-Universität München. Nach einer Beschäftigung im Bereich des Medienmarketing war er ab 1993 als Redakteur in der Spielfilmabteilung bei ProSieben tätig. Anfang 1996 wechselte er in die Abteilung Jugendschutz des Senders, die er seit Juni 1996 leitet. Dr. Peter Hasenberg Dr. Peter Hasenberg, geb. 1953, studierte Anglistik und Germanistik an der Ruhr-Universität Bochum, wo er von 1978 bis 1987 als Hochschulassistent am Englischen Seminar beschäftigt war. Studienbegleitend machte er eine Journalistenausbildung und arbeitete als freier Journalist und Filmkritiker für diverse Publikationen. 1988 übernahm er das Filmreferat der damaligen Zentralstelle Medien der Deutschen Bischofskonferenz, die 2001 im Zuge einer Strukturreform aufgelöst und in den neu gegründeten Bereich „Kirche und Gesellschaft“ integriert wurde. Seitdem leitet er das Referat Film und Grundsatzfragen, zu dem u. a. die Jugendschutzthematik gehört. Seit 1989 ist er Vorsitzender der Katholischen Filmkommission für Deutschland. Als Autor und Mitherausgeber ist er an zahlreichen Publikationen der katholischen Filmarbeit beteiligt (Zeitschrift film-dienst, Lexikon des Internationalen Films, Lexikon Religion im Film, Buchreihe Film und Theologie). Seit 1989 ist er auch als Prüfer bei der FSK tätig und vertritt die katholische Kirche in Gremien der Filmförderung (Filmförderungsanstalt, Jury Deutscher Filmpreis). 1 Anhang III: Kuratorium Regina Käseberg Regina Käseberg, geb. 1958, studierte Philosophie und Rechtswissenschaft und ist seit 1992 für die Landesregierung Rheinland-Pfalz in verschiedenen Aufgabenfeldern tätig. Seit 2001 leitet sie das Referat Rechtsangelegenheiten der Kinder- und Jugendpolitik sowie des Jugendschutzes im Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend Rheinland-Pfalz, in dem die Rahmenfederführung für Angelegenheiten des gesetzlichen Jugendschutzes sowie die Federführung für die Zusammenarbeit der Bundesländer mit der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) bei der Freigabe und Kennzeichnung von Filmen und Bildträgern angesiedelt ist. Robert Mehlhose Robert Mehlhose, geb. 1941. Nach dem Studium der ev. Theologie und der Sinologie einige Jahre Pfarrer mit einem Schwerpunkt in der Jugend- und Bildungsarbeit (u. a. Gründung eines Jugend-Film-Clubs). Für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und in Verbindung mit dem Deutschen Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen (DIFF) Aufbau und Leitung einer Fortbildungseinrichtung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugend-, Familien- und Erwachsenenbildung (u. a. im Bereich Medienpädagogik). 1981 Wechsel in die praktische Medienarbeit für die norddeutschen Kirchen und den NDR als Kontaktmann für den Sender und mit der Verantwortung für die kirchlichen Sendezeiten, Mitarbeit im Programmausschuss einer Fernsehproduktionsfirma, Beteiligung an der Diskussion um das sich entwickelnde duale Rundfunksystem etc. 1987 bei der EKD Oberkirchenrat in der Bildungsabteilung; 1995 Rückkehr in den Medienbereich; Leiter der Referatgruppe “Publizistik/Medien” mit der Verantwortung für das Handeln der Kirche in den Medien und für die zahlreichen publizistischen Einrichtungen. Mai 2004 Verabschiedung in den Ruhestand. Mitglied in verschiedenen Gremien (u. a. Verwaltungsrat Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik; Verwaltungsrat Filmförderungsanstalt; Steering Committee der World Association for Christian Communication). Berufungen durch die AudioEngineering-Society (AES) und die Deutsche Gesellschaft für Photographie (DGPh). Prof. Dr. Wolfgang Michaelis Professor Wolfgang Michaelis, geb. 1939, absolvierte nach dem Studium der Klassischen Philologie und der Psychologie zunächst eine postgraduelle Ausbildung in England, bevor er als Psychologe berufstätig war. Promoviert und habilitiert in Psychologie; ab 1970 Lehrtätigkeiten a. d. Universitäten Kiel, Freiburg, Augsburg. Arbeitsschwerpunkte: Kognition u. Emotion (Aggression, Angst, Sexualität), Lernen u. Informationsverarbeitung, Medienwirkung, Psychoszene und Psychosekten. 2 Anhang III: Kuratorium Martin Rabius Martin Rabius, geb. 1948, Studium der Anglistik und Germanistik; Filmreferent des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik; freier Filmjournalist; Festivalleiter des MaxOphüls-Festivals in Saarbrücken u. Mitglied der Gruppe ”Film, Ästhetik und Kommunikation” der Akademie Arnoldshain. Seit 1984 Prüfer der Öffentlichen Hand bei der FSK und seit 1994 Prüfer bei der FSF. Seit Januar 1996 Jugendschutzbeauftragter bei kabel eins. Alexander Scheuer Alexander Scheuer, geb. 1968, Studium der Rechtswissenschaften (Universität des Saarlandes u. Katholieke Universiteit Leuven, Belgien); Rechtsreferendar am Saarländischen Oberlandesgericht (1994–1996); Aufbaustudium „Europäische Integration“ (Universität des Saarlandes); stellv. Geschäftsführer des dortigen Europa-Instituts (Sektion Rechtswissenschaft, 1994–1995); wissenschaftl. Mitarbeiter und stellv. Geschäftsführer d. Instituts f. Europäisches Medienrecht (EMR) (1996–2000); seit Febr. 2000 Rechtsanwalt; seit Sept. 2000 Geschäftsführer u. Mitglied des Direktoriums des EMR; seit 1999 Autor des Kommentars zum EU- u. EGVertrag (3. Aufl. 2003, hrsg. von C. O. Lenz u. K.-D. Borchardt), Arbeitnehmerfreizügigkeit u. Niederlassungsfreiheit; Mitglied i. beratenden Ausschuss d. Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle, div. Publikationen zum nationalen u. europäischen Medien- u. Telekommunikationsrecht. Sandra Singer Sandra Singer, geb. 1974, studierte Pädagogik mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik. Praktische Erfahrungen in der Medienpädagogik sammelte sie beim „Augsburger Kinderfilmfest“ (1995-1997); sie war Gründungsmitglied und Dozentin der „Filmschule e. V.“ in Augsburg und hat das Praxishandbuch „Filmschule. Anregungen – Methoden – Beispiele“ (hrsg. von Annette Eberle) mitverfasst. Beim Bayerischen Fernsehen war sie als freie Mitarbeiterin im Schulfernsehbereich tätig: Moderation der Sendung „Mail and More“ (2000); Redaktion und Moderation der Sendung „Sandras Tier TV“ (2002/03). Seit Anfang 2000 ist sie Mitarbeiterin in der Jugendschutzabteilung bei Premiere, wo sie Mitte 2003 die Leitung der Abteilung übernahm. Dr. Ulrich Spies Dr. Ulrich Spies, geb. 1947, studierte Rechts- und Sozialwissenschaften in Frankfurt a. M. und Göttingen. 1978–1981 war er Geschäftsführer der Gesellschaft für interdisziplinäre Sozialforschung in Berlin und seit Oktober 1981 Leiter des Referats Adolf Grimme Preis beim Adolf Grimme Institut in Marl. 3 Anhang III: Kuratorium Andrea Urban Andrea Urban, geb. 1954, übte nach ihrem Studium der Germanistik und Politik fürs Höhere Lehramt verschiedene Lehrtätigkeiten an Volkshochschulen und ähnlichen Bildungseinrichtungen aus. 1984 wurde sie Medienreferentin der Landesstelle für Jugendschutz in Hannover, wo sie 1985 die Leitung übernahm. Seit 1985 ist sie Jugendschutzsachverständige in den Ausschüssen der FSK. Sie war von 1992 bis 2004 Mitglied des ZDF-Fernsehrates und ist Mitglied des Beirates ARTE-G.E.I.E. Andrea Weller Andrea Weller, geb. 1964, studierte Medienmarketing an der Bayerischen Akademie für Werbung. Seit 1992 ist sie in der Fernsehbranche tätig, zunächst als Assistentin der Programmdirektion bei TELE 5, anschließend als Assistentin der Geschäftsleitung bei RTL 2. Seit Januar 1994 ist sie Jugendschutzbeauftragte von RTL II. Prof. Dr. Dieter Wiedemann Professor Dieter Wiedemann, geb. 1946, studierte Dramaturgie, Theater- und Filmwissenschaft sowie pädagogischen Psychologie in Leipzig und Potsdam-Babelsberg. Seine Promotion und Habilitation befassten sich mit Themen der Film- und Kunstwirkungsforschung. Seit 1971 war er Mitarbeiter des Leipziger Zentralinstituts für Jugendforschung. Dort übernahm er 1980 die Leitung der Abteilung „Kultur- und Medienforschung“. Seit 1990 ist er an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg, wo er zunächst das Institut für Medienforschung leitete. 1993 war er Gründungsbeauftragter des Studiengangs AV-Medienwissenschaft; seit 1995 ist er Professor für Medienwissenschaft. Im gleichen Jahr wurde er zum Rektor und im Jahr 2000 zum Präsidenten der HFF gewählt. Professor Wiedemann ist seit 1991 Mitglied und seit November 1999 Vorsitzender der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK), er gehört der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) und weiteren wissenschaftlichen Gesellschaften an. Er war mehrfach Mitglied in nationalen und internationalen Film- und Fernsehjurys (u. a. Adolf-Grimme-Preis), ist in den Kuratorien verschiedener deutscher Film- und Fernsehfestivals und Autor zahlreicher Publikationen zu medienwissenschaftlichen und medienpädagogischen Themen, mit dem Schwerpunkt: Kinder- und Jugendmedien. 4 Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer der FSF im Jahre 2004 Bernd Allenstein Jg. 1947; Pädagoge; Referent beim Hamburger Senat für Kultur- und Medienarbeit. Ursula Arbeiter Jg. 1958; Diplomsozialpädagogin (FH), langjährige Erfahrung in der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Jugendschutzsachverständige für Baden-Württemberg bei der FSK. Fachreferentin für Medien bei der Aktion Jugendschutz, Landesarbeitstelle Baden-Württemberg. Dr. Elke Baur Jg. 1942; Filmemacherin, Autorin und Journalistin; Mitglied des Beirats der Film- und Mediengesellschaft (Filmförderung) Baden-Württemberg; diverse Gremientätigkeiten im Bereich Film und Fernsehen u.a. FBW u. FSK. Ulrike Beckmann Jg. 1964; Studium der Publizistik an der Freien Universität Berlin, Produktion von TVBeiträgen und der Dokumentation „Jugendschutz in Film und Fernsehen“. 1996 bis 2000 Jugendschutzbeauftragte bei Premiere; bis 2001 Leiterin Programmeinkauf bei der Helkon Media AG München; seit Sommer 2001 freiberufliche Tätigkeit als Beraterin für internationale Kinoproduktionen und für das Media-II-Programm „Kids Storys“; seit 2002 Prüferin bei der FSK. Susanne Bergmann Jg. 1961; Studium an der Hochschule der Künste Berlin, Staatsexamen als Kunsterzieherin, 1984–95 Dozentin im Jugendfilmstudio Berlin, seit 1995 freie Autorin u. a. für den Kinderfunk von SWR und SFB. Seit 2004 hauptamtliche Prüferin bei der FSF. Nils Brinkmann Jg. 1967; Studium der Publizistik, Kunstgeschichte, Soziologie. Seit 1991 Prüfer für die Öffentliche Hand bei der FSK, 2000–2002 Mitglied der FSK-Grundsatzkommission; 1994–1999 und seit 2002 Prüfer und Ausschussvorsitzender bei der FSF. 2000–2002 Dezernent für Programmaufsicht und Medienwissenschaft bei der Unabhängigen Landesanstalt für das Rundfunkwesen (ULR) Schleswig-Holstein, Kiel; seit 2003 stellvertr. Gutachter bei der Kurz- und Spielfilmliste; seit 2004 Prüfer bei der FSM und hauptamtlicher Prüfer bei der FSF. 1 Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer Dr. Wolfgang Brudny Jg. 1925; Studium der Erziehungswissenschaften u. Publizistik; Mitbegründer u. langjähriges Vorstandsmitglied des JFF – Institut für Medienpädagogik in Wissenschaft und Praxis; Produktionstätigkeit im FWU (Institut für Film und Bild in Wissenschaft u. Unterricht), zuletzt als pädagogischer Leiter der Abteilung Produktion. Jurymitglied mehrerer Filmfestivals und Fernsehpreise (u. a. Westdeutsche Kurzfilmtage, Adolf Grimme Fernsehpreis); medienpäd. Seminararbeit im In- u. Ausland; freier Journalist; Prüfpraxis bei FBW u. FSK. Dr. Hans Peter Buba Jg. 1942; Soziologe an der Sozialwissenschaftlichen Forschungsstelle der Universität Bamberg; Mitarbeit bei jugendsoziol. Arbeiten wie der Shell-Jugendstudien; Studien zu Medien/TV-Konsum bei Kindern und Jugendlichen. Michael Conrad Jg. 1949; Studium der Sozial- und Medienpädagogik; Kultur- u. Medienarbeit, Organisation von kulturellen Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche; Mitarbeit an Film- und Fernsehproduktionen; Jugendschutzsachverständiger für Hamburg bei der FSK. Horst Dunkel Jg. 1944; Hauptschullehrer (Deutsch, Geschichte/Politik, Informatik); aktiv in der Jugendkulturarbeit (Schwerpunkte: Fotografie, Videofilm, Computeranwendungen); Kinderschutzbund; Fortbildungen für Lehrer und Erzieher im Bereich Jugendschutz und Internet; Gutachter bei DT-CONTROL (Selbstkontrolle elektronischer Datenträger im Pressevertrieb); seit 1975 ehrenamtlicher Mitarbeiter bei der BPjM; Medienberater für den Erftkreis im Bereich weiterführende Schulen. Dr. Barbara Eschenauer Jg. 1951; Studium der Publizistik, Germanistik und Pädagogik. 1978–1986 wissenschaftliche Angestellte und Lehrbeauftragte an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz, 1986 Promotion. Seit 1987 Leiterin des Referats Medienpädagogik der Evangelischen Medienakademie im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP). Klaus-Dieter Felsmann Jg. 1951; Studium der Germanistik und Geschichte, freiberuflicher Publizist, Autor und Medienfachberater, Veranstaltungsmanagement, FSK Prüfer. 2 Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer Michael Felstau Jg. 1962; Studium der Philosophie, Germanistik u. vergleichenden Religionswissenschaft. Multimedia-Autor (Konzeption und Programmierung von E-Learning- und Informationsanwendungen), Dozent für Multimedia-Drehbuch; bis 2001 Kinderfilmexperte bei einer Programmzeitschrift und dem Kinderfernsehfilmpreis "Emil"; bis 2002 Prüfer bei der FSK. Prof. Dr. Franz Fippinger Jg. 1932; Psychologe; ehem. Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Aktion Jugendschutz; Ehrenvorsitzender der Bundesgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz; Prüfer bei der FSK. Stefan Förner Jg. 1965, Theologe, seit 2003 Pressesprecher im Erzbistum Berlin, Filmbeauftragter der Erzdiözese, auch Privatrundfunkbeauftragter, Organisation kirchlicher Aktivitäten in Zusammenhang mit der Berlinale, Mitglied in kirchlichen Jurys, Mitglied der Katholischen Filmkommission, FSK-Prüfer (bis 2003). Dr. Ingrid Förschner Jg. 1954; Oberfeldärztin bei der Bundeswehr; tätig in schulischen und außerschulischen Beiräten im Hinblick auf Auswirkungen des Medienkonsums auf Kinder und Jugendliche. Burkhard Freitag Jg. 1958; Studium der Psychologie in Heidelberg; seit 1996 wissenschaftlicher Angestellter an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Dr. Edith Gaida Jg. 1942; seit 1973 medienpädagogisch tätig: bis 1990 am Zentralinstitut für Schulfunk und Schulfernsehen an der Pädagogischen Hochschule Potsdam und ab 1991 am Medienpädagogischen Zentrum Land Brandenburg. Veröffentlichungen zum Thema „Medien und Gewalt“ als Schulfernsehbegleitheft und diverse Fortbildungen für Lehrkräfte zum Thema „Sprache des Films, Filmanalyse, Gewalt in den Medien und Medienerziehung im Deutschunterricht. 3 Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer Angela Göpfert Jg. 1980; Studium der Politikwissenschaften, Psychologie und VWL an der Universität Mainz. Diverse Praktika im redaktionellen Bereich sowie in der Öffentlichkeitsarbeit, freie Redakteurin für das ZDF. Seit 1999 Prüferin für die FSK und dort seit 2003 Vorsitzende der Filmwirtschaft in den Arbeitsausschüssen. Achim Hackenberg Jg. 1969; Kameramann und Studium der Film- und Erziehungswissenschaft. Dissertation zum Thema: „Filmverstehen als kognitiv-emotionaler Prozess – Ein Beitrag zur sozial- und erziehungswissenschaftlichen Filmtheorie und Filmanalysemethodik“. Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FU-Berlin im Rahmen eines DFG-Forschungsprojektes zur Medienrezeptionsforschung bei Jugendlichen. Susanne Hagemann Jg. 1973; Studium der Neueren deutschen Literatur, der Soziologie und Publizistik- und Kommunikationswissenschaften (M.A.) in Göttingen und Berlin mit filmwissenschaftlichem Schwerpunkt. Dr. Manfred Hahn Jg. 1951; Studium der Sozialpädagogik und der Erziehungswissenschaften in Darmstadt und Frankfurt am Main; Promotion zum Thema „Horrorfilm und Jugendschutz“; mehrjährige Lehrertätigkeit; Betriebspädagoge bei der Landeshauptstadt Saarbrücken; seit 1996 Jugendschutzsachverständiger bei der FSK. Irmgard Hainz Jg. 1954; Studium der Kommunikationswissenschaft, Journalistik, Psychologie (M.A.), Dipl. Sozialpädagogin (FH); Referentin für Medienpädagogik und Jugendmedienschutz bei der Landesarbeitsstelle Aktion Jugendschutz in Bayern; Redaktion der Fachzeitschrift „pro jugend“; Jugendschutzsachverständige für das Land Bayern bei der FSK; Mitglied im Bayerischen Filmgutachterausschuss. Eva Hanel Jg. 1974; Studium der Pädagogik, Hauptrichtung Jugendmedien und Bildungsmittel; Praktika bei der FSF, dem NDR und beim Kinderschutzbeauftragten im Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes NRW. Seit 2002 Pädagogische Mitarbeiterin der Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen. 4 Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer Martina Hasselmann Jg. 1957; Freie Presse- und TV-Journalistin; ehemalige Mitarbeiterin des Jugendmedienschutzprojektes „Jugendperspektiven in Berlin“ (JuPiB) mit dem Schwerpunkt Fernsehprogrammanalyse. Dr. Susanne vom Hau Jg. 1961; Studium der Soziologie, Psychologie, VWL sowie Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Hamburg. Lehraufträge an der Universität der Bundeswehr in Hamburg und an der Universität Lüneburg, bis 1993 freie Mitarbeit bei einer Hamburger Filmproduktion (Dramaturgie und Lektorat); freiberuflich als Junior PM Assistentin für die Universal Music Publ. tätig. Christina Heinen Jg. 1975; Studium der Soziologie; Filmkritikerin; Promotionsvorhaben über das Verhältnis von Psychoanalyse und Kino; seit Mai 2003 Journalistenschule der Evangelischen Medienakademie. Seit 2004 hauptamtliche Prüferin bei der FSF. Josefine Hempel Jg. 1945; Pädagogin; Redakteurin beim Rundfunk der DDR; ehemalige Leiterin des Jugendschutzprojektes „Jugendperspektiven in Berlin“ (JuPiB). Wolfgang Hentschel Jg. 1930; Sozialpädagoge, Wirtschafts- u. Sozialwissenschaftler; 1965–1991 Leitung der Obersten Landesjugendbehörde in Bremen; Sachverständiger für Jugendschutz bei der FSK bis Ende 2000, Bis Ende 2004 Ständiger Vertreter der OLJB bei der FSK. Susanne Hetzer Jg. 1967; Diplom-Sozialwissenschaftlerin; Studium der Soziologie und Gesellschaftswissenschaften an der Karl-Marx-Universität Leipzig, der Freien Universität und der HumboldtUniversität Berlin; Mitarbeiterin des Zentrums für Literaturforschung Berlin. 5 Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer Ingrid Hillebrandt Jg. 1962; Studium der Soziologie, Publizistik, Politikwissenschaft (MA); Referentin f. erzieherischen Kinder- und Jugendschutz., Schwerpunkt Medien; Redaktion „Kinder Jugend Gesellschaft“; Beisitzerin bei der BPjM. Jürgen Hilse Jg. 1947; Studien der Psychologie, Philosophie und Anglistik; Dipl.-Psychologe; Jugendschutzsachverständiger des Landes Nordrhein-Westfalen bei der FSK; Ständiger Vertreter der Obersten Landesbehörden bei der Unterhaltungssoftware (USK). Andreas von Hören Jg. 1961; Medienpädagoge; Leiter des Medienprojektes der Stadt Wuppertal; freier Referent, Publizist und Dokumentarfilmemacher. Oliver Hoffmann Jg. 1965; Studium der Medienwissenschaft, Germanistik und Politischen Wissenschaft. Ehemaliger Mitarbeiter im DFG-Projekt Medien der Universität Mannheim; Mitarbeit an div. Medienwirkungsstudien; seit 1995 Creative Direktor beim Verlag Feder & Schwert, Mannheim. Prof. Dr. Bernward Hoffmann Jg. 1955; Studium der Erziehungswissenschaften und Theologie. Seit 1988 Professor für Medienpädagogik in der Ausbildung von Sozialarbeitern und Sozialpädagog(inn)en. Seit 1999 am Fachbereich Sozialwesen an der Fachhochschule Münster. Anja Humberg Jg. 1963; Studium der Publizistik, Slawistik und Ethnologie in Münster; ehemal. Referentin für Programme und Öffentlichkeitsarbeit in der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk, Vertretung der LPR Hessen im Arbeitskreis Jugendschutz und Programm der Landesmedienanstalten; 1996–2000 Jugendschutzbeauftragte bei DF1, später Premiere. 6 Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer Univ.-Prof. Dr. Ludwig J. Issing Jg. 1940; Psychologe und Erziehungswissenschaftler, Professur für Medienforschung am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin. Edelgard Iven Jg. 1947; Studium am Institut für Literatur in Leipzig; Tätigkeiten im Kunst- und Kulturbereich; Referentin für Literatur, Theater, Film in Potsdam; Redakteurin bei Rundfunk und Zeitung; Öffentlichkeitsarbeit; FSK-Prüferin. Dr. Reinhold Jacobi Jg. 1941; Direktor der Katholischen Akademie Schwerte (1973–78), 1978–2001 Zentralstelle Medien der Deutschen Bischofskonferenz (Filmreferent, Rundfunkreferent, seit 1992 Leiter der Stelle), Sekretär der Publizistischen Kommission der Bischofskonferenz (1992–2001), diverse Funktionen im Filmbereich (FSK, FFA, FBW, Kuratorium junger deutscher Film, Jury Deutscher Filmpreis u. Ä.), Prüfer bei der FSK, Mitglied der Katholischen Filmkommission. Prof. Konrad Jentzsch Jg. 1939; Studium der Kunst- und Werkpädagogik sowie Germanistik; seit 1985 Professor für Kunstpädagogik an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig; Beisitzer der Gruppe „Kunst“ bei der BPjM. Monika Käller-Vielhaber Jg. 1941; Dozentin für audiovisuelle Kommunikation und Medienpädagogik an der Fachhochschule Köln, Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften. Unterrichtsschwerpunkte: Videofilmen, Filmanalyse und Filmgespräch in der sozialpädagogischen Praxis. Ralf Knobloch Jg. 1958; Studium der Soziologe, Politikwissenschaft und Sozialpsychologie; wissenschaftlich-pädagogischer Mitarbeiter beim bundesweiten Schülerfilm- und Videozentrum Hannover; Jurymitglied bei Bundeswettbewerb Jugend u. Video; Gutachter für die Niedersächsische Landesstelle Jugendschutz; Medienreferent beim Medienpädagogischen Zentrum in Hannover; Initiator und Leiter der „Medientage Zukunft, Umwelt und Entwicklung – Media 21“; seit 2004 Jugendschutzsachverständiger des Landes Niedersachsen bei der FSK. 7 Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer Christina Koenig Jg. 1958; Studium der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation/audiovisuelle Kommunikation/Film an der Hochschule der Künste, Berlin und der UFF Rio de Janeiro; Filmemacherin; Buch- und Drehbuchautorin für Kinder und Jugendliche. Ingelore König Jg. 1960; Geschäftsführerin der Kinderfilm GmbH (Film- und TV-Produktion); freie Autorin; Herausgeberin verschiedener Publikationen (Film und Fernsehen; Medienpädagogik). Stellvertretende Vorsitzende des Filmverbandes Brandenburg; Mitglied im Beirat des Filmboard Berlin-Brandenburg GmbH. Dr. Torsten Körner Jg. 1965; Studium der Germanistik und Theaterwissenschaften; verschiedene ehrenamtliche Tätigkeiten, z.B. Medienarbeit mit straffälligen Jugendlichen, Betreuung von Senioren; seit 1992 diverse journalistische Veröffentlichungen u. a. für „Funkkorrespondenz“, seit 2000 Fernsehkritiker für die „Berliner Zeitung“ und freier Buchautor (u. a. das Jugendbuch „Die Geschichte des Dritten Reiches“, „Ein guter Freund“, Rühmann-Biografie), 2000–2002 Mitglied der Nominierungskommission und Jury des Adolf-Grimme-Preises. Ute Kortländer Jg. 1965; Diplompädagogin, Schwerpunkt Medienpädagogik; seit 1991 Mitarbeiterin der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM). Klaudia Kremser Jg. 1967; Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Völkerkunde und Geschichte an der Universität Wien; seit 1995 Mitglied des Wiener Filmbeirats als Vertreterin der Jugendorganisationen, seit 1998 Mitglied der Jugendfilmkommission beim Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur; seit 2000 Prüferin bei der FSK. Gabriele Kriegs Jg. 1958; ehemalige freie Mitarbeiterin beim SFB (Kinder- und Kirchenfunk); Leiterin des Frauenhauses beim Caritasverband für Berlin e.V.; Mitglied des Vereins Kommunales Kino Spandau. 8 Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer Dr. Thomas Kroll Jg. 1958, Dipl. Theologe (Dissertation über Wim Wenders), wiss. Mitarbeiter am Seminar für Pastoraltheologie, freiberuflich tätig in der Bildungsarbeit (u. a. Filmseminare), Kommunikationstrainer, seit 1997 als Supervisor tätig, Mitglied der Katholischen Filmkommission, diverse Veröffentlichungen zu Filmthemen. Heike Kühn Jg. 1963; Studium der Germanistik, Film-, Fernseh-, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte; freie Journalistin im Film- und Theaterbereich; FSK-Prüferin. Dr. Marc Liesching Jg. 1972; Rechtsanwalt in München; vormals Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht u. Kriminologie an der Universität Erlangen; Jugendschutzbeauftragter bei einem Onlineprovider; Verfasser des Beckschen Kommentars zum Jugendschutzrecht. Ruth Liffers Jg. 1961; Diplompädagogin; bis 2002 Referentin für außerschulische Kinder- und Jugendmedienarbeit/Sozialpädagogik beim Medienpädagogischen Zentrum Brandenburg/Lisum; 1994-2002 Jugendschutzsachverständige (Brandenburg) bei der FSK; seit 2004 Vertreterin der Öffentlichen Hand bei der FSK. Wolfgang Lindemeyer Jg. 1951; Referent beim Senator für Inneres, Kultur und Sport in Bremen; Tätigkeiten in den Bereichen Jugendförderung, Jugend-Erziehungshilfe, Jugendschutz, und sozial-kulturelle Bildungsarbeit; 1977–1998 Vertreter für das Land Bremen bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, 1984–1993 Sachverständiger für Jugendschutz bei der FSK, seit 1994 für die öffentliche Hand Gremienmitglied der FSK. Thomas Luttermann Jg. 1961; Politologe; ehem. Dozent für Medientheorie und -praxis beim Projekt Jugendperspektiven in Berlin (JuP iB); Honorardozent für aktive Medienarbeit und freier Mitarbeiter bei Videoproduktionen. 9 Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer Norbert Mehmke Jg. 1954; Jugendbildungsreferent im Jugendhof Idingen; Schwerpunkt Medienarbeit; Vorsitzender der LAG Jugend und Film Niedersachsen: Kinder- und Jugendfilmarbeit, Medienprojekte; stellv. Vorsitzender des Bundesverbandes Jugend und Film; FSK-Prüfer. Reinhard Middel Jg. 1953; Medienpädagoge, ehemal. Mitarbeiter im Fachreferat Film des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP) mit dem Schwerpunkt "Kino und Kirche", Prüfer bei der FSK. Gerald Ferro Miesera Jg. 1952; Studium der Germanistik und Anglistik; Heilpraktiker für Psychotherapie; Mitarbeit bei Filmfestivals (u.a. Internationale Filmfestspiele Berlin, Deutsches Kinder-Film & Fernseh-Festival „Goldener Spatz“ Gera) und internationalen Film-Koproduktionsmessen; 1999–2001 Tätigkeit in der Produktion bei Zieglerfilm Köln. Claudia Mikat Jg. 1965; Studium der Erziehungswissenschaften/Medienpädagogik; freiberufliche Medienpädagogin in der Kinder- und Jugendarbeit; Dozentin in der Erwachsenenbildung; verschiedene Lehraufträge für Medienpädagogik und Jugendschutz; 1994–2001 Leiterin der FSFGeschäftsstelle; seit 2001 hauptamtliche Prüferin und Vorsitzende der Prüfausschüsse bei der FSF. Prof. Dr. Lothar Mikos Jg. 1954; Soziologe; seit 1981 Lehrtätigkeiten an verschiedenen Hochschulen und Arbeit in der Lehrerfortbildung im Bereich Medien; Durchführung von Drehbuchseminaren und Untertitelung von Filmen und Serien; Professur für Fernsehwissenschaft an der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg. Helmut Morsbach Jg. 1946; Archivar, langjähriger Mitarbeiter im Bundesarchiv/ Filmarchiv (zuletzt als Referatsleiter), seit Juli 2003 Vorstand der DEFA-Stiftung, stv. Vorsitzender der Katholischen Filmkommission, Prüfer bei der FSK. 10 Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer Isolde Mozer Philologin, Koordinatorin der Kommission zur Entwicklung des Curiculums für den Studiengang der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften an der Universität Frankfurt am Main, Print- und Hörfunkpublizistin u. a. zum Film, langjährige Prüferin bei der FSK. Milan Nešpor Jg. 1955; Studium der Psychologie und Sozialwissenschaften; seit 1990 Mitarbeiter der Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen.; Lehrbeauftragter für Sexualpädagogik an der Universität Hannover; Dolmetscher/Übersetzer; FSK-Prüfer. Dr. Frank Niggemeier Jg. 1961; Studium der Philosophie, Psychologie, Vergleichenden Religionswissenschaft und Germanistik; seit 1990 im Bundesgesundheitsministerium, seit 2000 zum Auswärtigen Amt abgeordnet; Beschäftigung mit Fragen des Jugendschutzes im Zusammenhang mit AIDSPräventionskonzepten und Gewalt verherrlichenden oder verharmlosenden Medien. Christian Nitsche Jg. 1967; Diplom-Psychologe; Betreuung seelisch Behinderter und verhaltensauffälliger Kinder und Jugendlicher; Beratung von Mitarbeitern im Umgang mit seelisch Behinderten; Krisenberatung und -intervention; Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten; Prüfer bei der FSK. Walburga Raeder Jg. 1950; Lehrerin für Musik und Deutsch; ehemal. Mitarbeiterin des Jugendschutzprojektes „Jugendperspektiven für Berlin“ (JuPiB) mit den Schwerpunkten Horror- und Gewaltvideos, Pornografie; Multiplikatorentätigkeit; Produktion von Dokumentarfilmen. Christian Rink Jg. 1938; bis zur Pensionierung im Jahr 1998 Seminarleiter am Staatlichen Studienseminar der FH Hamburg (Geschichte, Politische Bildung); 1981–86 Mitglied im NDR-Rundfunkrat; 1986–98 Mitglied der Hamburgischen Anstalt für neue Medien. 11 Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer Carmen Rosenthal Jg. 1954; Musikwissenschaftlerin; Mitarbeiterin bei RISM (Internationales Quellenlexikon der Musik); seit 1992 Vertreterin des Sächsischen Frauenforums in der Versammlung der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM); Vorsitzende der Versammlung der SLM. Detlef Ruffert Jg. 1943; Diplom-Pädagoge, Sozialarbeiter; 1966–1980 Kreisjugendpfleger; seit 1980 Geschäftsführer des Landesfilmdienstes Hessen. Thomas Russow Jg. 1963; Studium der Germanistik, Erziehungs- und Medienwissenschaft; Mitarbeit im ehemaligen DFG-Projekt Medien der Universität Mannheim. Ingo Sanftleben Jg. 1965; Studium der Kommunikationswissenschaften/Journalistik und Dramaturgie/Regie; nach Auslandsstudien an den Universitäten von Dhakar und Wales Tätigkeiten als Journalist im Medienbereich, in Medienproduktionsgesellschaften und in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit; seit 1997 Öffentlichkeitsarbeit für die Stadt Leipzig. Udo Schmidt Jg. 1955; Studium der Sozialpädagogik; Zusatzausbildung Management; Berufstätigkeit im Bereich der Jugendarbeit und Jugendhilfe; seit 1985 Angestellter im Bayerischen Landesjugendamt; Geschäftsführung des Bayerischen Filmgutachterausschusses, Prüfer bei der FSK und Länderbeisitzer Bayerns bei der BPjM. Dorothee Schnatmeyer Jg. 1963; Studium der Pädagogik; freiberufl. Medienpädagogin in der Kinder- und Jugendarbeit; Mitarbeit an verschiedenen Forschungsprojekten (z.B. über Tonkassettenmarkt für Kinder, Kinder und Werbung); 1996–2001 Jurymitglied beim Deutschen Jugendvideopreis des Kinder- und Jugendfilmzentrums (KJF) Remscheid; 1998–2002 wissenschaftl. Referentin in der GMK-Geschäftsstelle; Lektorat und Herausgabe von Publikationen zu verschiedenen Medienthemen, u. a. zu Infotainment, neue Medien, Kinderalltag und Werbung. 12 Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer Dr. Bernadette Schnorr Jg. 1967; Erzieherin, Diplom-Sozialpädagogin mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik, Doktorandin der Erziehungswissenschaften; langjährige Tätigkeit als Medienpädagogin beim Landesfilmdienst Rheinland-Pfalz; Sprecherin der GMK-Landesgruppe RheinlandPfalz. Christiane Schöwer Jg. 1948; Studium der Pädagogik, Soziologie u. Psychologie (Schwerpunkt Medien); 1986–90 Begleitforschung zum Kabelpilotprojekt Berlin (Schwerpunkt Kinderalltag-Medienalltag); 1987–91 FSK-Prüferin; Aufbau u. Leitung der Offenen Kanäle Wolfsburg/Braunschweig (1996) und Offenbach/Frankfurt (seit 1997). Vanessa Ariane Schweihofer Jg. 1970; Studium der Pädagogik an der Universität Augsburg, Schwerpunkte: Medienwirkungsforschung, Medienaufklärung, Jugendmedienschutz; Praktikum bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Bernd Schwering Jg. 1945; Studium der Angewandten und Freien Grafik sowie der Bildenden Kunst, Lehrtätigkeit an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz; freischaffender Künstler; FSK-Prüfer. Dieter Spürck Jg. 1966; Rechtsanwalt im Oberlandesgerichtsbezirk Köln, Mitglied der Juristenkommission in der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft, Rechtsreferent bei der Arbeitsgemeinschaft Kinder und Jugendschutz in NRW, Kommissarischer Ständiger Vertreter der Obersten Landesjugendbehörde bei der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle; Mitarbeit beim Aufbau der staatlichen Jugendschutzeinrichtung für die neuen Informations- und Kommunikationsdienste „jugendschutz.net“. Stefan Strauß Jg. 1968; Studium der Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin, Aufbaustudium Medienberatung an der Technischen Universität Berlin (Schwerpunkte: Fernseh- u. Filmanalyse, Medienpsychologie); Diplomarbeit zum Thema „Talkshows im deutschen Fernsehen“; freier Journalist. 13 Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer Matthias Struch Jg. 1969; Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und der Klassischen Archäologie; Mitarbeiter am Filmmuseum Potsdam; Prüfer bei der FSK. Lothar Strüber Jg. 1943, Dipl. Theologe, seit 1981 Leiter der Medienstelle im Erzbistum Freiburg, Mitglied der Katholischen Filmkommission sowie in verschiedenen Gremien der kirchlichen Medienarbeit, Kinoarbeit (Veranstaltungsreihen) und Festivalarbeit (Mitglied kirchlicher Jurys), Prüfer bei der FSK. Dieter Strunz Jg. 1933; bis 1996 Ressortleiter Feuilleton und Film der Berliner Morgenpost; danach Kulturkorrespondent, freier Autor; Prüfer bei der FSK. Jörg Tänzer Jg. 1963; Jurist (Studienschwerpunkt Medienrecht); 1986-88 Bundesvorsitzender des Jugendwerks der Arbeiterwohlfahrt; 1992-98 stellvertretendes Mitglied im Landesjugendhilfeausschuss des Landes Brandenburg und Gründungsvorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Aktion Jugendschutz in Brandenburg; Prüfer bei der FSK. Friederike Tilemann Jg. 1967; Diplompädagogin (Schwerpunkte: Medien-, Kultur- und Sozialpädagogik, Erwachsenenbildung, Unternehmenstheater); Partnerin bei SoVal – Netzwerk für Beratung, Lernen & Entwicklung, Mitbegründerin des medien- und kulturpädagogischen Vereins „Blickwechsel“; freie Mitarbeiterin beim Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) beim Bayerischen Rundfunk, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Erziehungswissenschaften an der PH Heidelberg (Medienpädagogik), Stellvertretende Leiterin des Audiovisuellen Zentrums der Pädagogischen Hochschule. Tatjana Trögel Jg. 1949; Journalistin; Redakteurin im Bereich Kultur und Feuilleton; ehemal. Mitarbeiterin im Jugendmedienschutzprojekt „Jugendperspektiven in Berlin“ (JuPiB), Schwerpunkt: Medienarbeit mit Jugendlichen; Aufbau u. Betreuung eines Jugendmedienzentrums in Wandlitz. 14 Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer Peter Uhlig Jg. 1928; Studium der Soziologie, Wirtschaftswissenschaften, Pädagogik an der Universität Heidelberg, München und Hamburg; 1973–1993 Leiter des Fachreferats Fernsehen, Film und Medienpädagogik der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg; Lehraufträge an den Universitäten Heidelberg und Leipzig. Prüfer und Vorsitzender in den Arbeitsund Hauptausschüssen der FSK. Peter Wagener Jg. 1955; Diplom-Pädagoge; Abteilungsleiter der Caritas Berlin e.V., zuständig für Migration und Wohnungslosenhilfe; ehem. FSK-Prüfer; ehem. SFB-Rundfunkrat. Dr. Claudia Wegener Jg. 1970; Studium der Pädagogik und Psychologie an der Universität Bielefeld. Dissertation über Informationsprogramme im dualen Rundfunksystem. Seit 2001 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Medienpädagogik der Universität Bielefeld. Arbeitsscherpunkte: Jugendforschung, Medienkompetenz und qualitative Methoden. Stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums „Kinder und Jugendfilmzentrum Remscheid“. Sprecherin der GMKFachgruppe „Qualitative Medienforschung“; freiberufliche Tätigkeiten für das AdolfGrimme-Institut (Marl) und das mmb – Institut für Medien- und Kompetenzforschung (Essen). Roland Wicher Jg. 1973; Studium der evangelischen Theologie, Kunstgeschichte und Religionswissenschaft in Frankfurt am Main und Berlin; Dissertation über Filmgewalt an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin; Publikationen zu Film, Medien und Filmgewalt; Mitglied kirchlicher Jurys bei Filmfestivals in Oberhausen und Mannheim. Frauke Wiegmann Jg. 1952; Studium der Sozialpädagogik und Soziologie; Diplom-Soziologin; seit 1985 Leiterin des Referats Medienarbeit beim Amt für Jugend Hamburg; seit 1985 BPjM- und FSKPrüferin. Silvia Wilhelm Jg. 1969; Studium der Publizistik; Diplomarbeit über BPjM und FSK; freie Journalistin. 15 Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer Margit Witzke Jg. 1969; Studium der Erziehungswissenschaften; freiberufliche Medienpädagogin in verschiedenen Arbeitsfeldern; Lehraufträge an der Universität Leipzig; Sprecherin der Fachgruppe „Kinder und Jugendliche“ der GMK; Seit 2003 Bereichsleiterin Jugend und Familie beim Humanistischen Verband Deutschlands, Landesverband Berlin e.V. Prof. Ernst Zeitter Jg. 1924; emeritierter Professor für Medienpädagogik an der PH Heidelberg; Medienpraxis beim Südwestfunk (Schulfunkredaktion), beim Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (FWU); zahlreiche Projekte der medienpädagogischen Forschung für Landesund Bundesministerien; Prüfpraxis in der FBW und FSK. Meinhard Zumfelde Richter am Arbeitsgericht Gelsenkirchen; Jugendschutzsachverständiger für NordrheinWestfalen bei der FSK; Mitglied der Juristenkommission der SPIO; Leiter des Kinos ONIKON in Herdecke; Gast bei der französischen Filmprüfstelle in Paris. Renate Zylla Jg. 1955; Studium der Pädagogik (Schwerpunkt Medienpädagogik) und Sozialarbeit. Tätigkeiten als Sozialarbeiterin und Jugendberaterin; 1988–2002 Leiterin des Kinderfilmfestivals der Internationalen Filmfestspiele Berlin; seit 1993 Supervisorin beim Kinderfilmfest in Tokyo/Japan und seit 2003 Ehren-Direktorin des Festivals; seit Februar 2003 Lektorin für den SWR: Kinder- und Familienprogramm; seit Mai 2004 Lektorin für das Kinderprogramm des WDR; Organisation von Kinderfilmprojekten im In- und Ausland; Offizielle Beraterin des Children und Youth Film Festival Buenos Aires seit 2004. Prüferin bei der FSK seit 1991. 16 Anhang V: Prüfordnung der FSF vom 01.09.2003 Prüfordnung der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen e.V. (PrO-FSF) I. Prüfung von Programmen vor der Sendung § 1 Vorlagepflicht § 2 Antragsrecht § 3 Prüfantrag § 4 Verfahren der Geschäftsstelle § 5 Zuständigkeit der Prüfausschüsse § 6 Besetzung der Prüfausschüsse § 7 Hauptamtliche Prüfer § 8 Bindung an Prüfkriterien § 9 Rechte des zur Sitzung des Prüfausschusses erschienenen Antragstellers § 10 Mehrheitsentscheidung § 11 Prüfrahmen § 12 Auflagen § 13 Prüfgutachten § 14 Einzelprüfer § 15 Zuständigkeit juristischer Sachverständiger § 16 Verfahren der Geschäftsstelle nach der Prüfung § 17 Weitergabe der Prüfgutachten § 18 Vertrauliche Prüfungen § 19 Recht zur Berufung § 20 Besetzung der Berufungsausschüsse § 21 Besonderheiten des Berufungsverfahrens § 22 Begründung der Berufungsentscheidung § 23 Geltung der Vorschriften über den Prüfausschuss § 24 Berufung gegen Entscheidungen juristischer Sachverständiger § 25 Prüfung durch das Kuratorium § 26 Geltung der Prüfentscheidungen für inhaltsgleiche Programme § 27 Erneute Vorlage § 28 Allgemeine Prüfgrundsätze § 29 Unzulässige Sendungen gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 11 und Absatz 2 Nummer 1 und 2 JMStV § 30 Unzulässige Sendungen gemäß § 4 Absatz 2 Nummer 3 JMStV § 31 Kriterien für die Platzierung § 32 Prüfung von Serien II. Prüfung von Programmen nach der Sendung § 33 Prüfung auf Antrag § 34 Prüfung ohne Antrag § 35 Besonderheiten bei nachträglicher Prüfung § 36 Recht zur Berufung und zur Anrufung des Kuratoriums § 37 Entsprechend anzuwendende Vorschriften III. Schlussvorschriften § 38 Inkrafttreten Prüfordnung der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen e.V. (PrO-FSF) I. Prüfung von Programmen vor der Sendung § 1 Vorlagepflicht Die ordentlichen Mitglieder der FSF, die Fernsehprogramme veranstalten, die nicht Telemedien sind, legen alle Programme, die im Hinblick auf die geplante Sendezeit unter den Gesichtspunkten des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) und der hierzu erlassenen Satzungen nicht offensichtlich unbedenklich sind, der FSF vor der Ausstrahlung zur Entscheidung vor. Näheres regelt die Vorlagesatzung. § 2 Antragsrecht (1) Berechtigt, Prüfanträge zu stellen, sind die ordentlichen Mitglieder der FSF. Nichtmitglieder sind nach Maßgabe der Satzung antragsberechtigt. Antragsberechtigte, die einen Jugendschutzbeauftragten bestellt haben, üben ihr Recht durch diesen aus. (2) Antragsberechtigt sind auch die Mitglieder des Kuratoriums. Stellt ein Mitglied des Kuratoriums einen Prüfantrag, so sind die für den Antragsteller geltenden Vorschriften der §§ 3, 4 Absatz 1; 9, 11, 14 bis 16 und 19 auch auf den von der Prüfung Betroffenen anzuwenden. Die für den Antragsteller geltenden Bestimmungen der §§ 12, 17 Absatz 2 und 18 gelten in diesem Fall nur für den von der Prüfung Betroffenen. § 3 Prüfantrag (1) Der Antrag auf Prüfung ist an die Geschäftsstelle der FSF zu richten. Er enthält die wesentlichen Daten zur Identifizierung des Programms sowie die vom Antragsteller angestrebte Prüfentscheidung. (2) Der Antragsteller hat das Recht, seinen Antrag schriftlich und mündlich zu begründen. 1 § 4 Verfahren der Geschäftsstelle (1) Nach Eingang eines Prüfantrags sorgt die Geschäftsstelle der FSF dafür, dass eine Prüfung innerhalb eines angemessenen Zeitraums, der in der Regel nicht mehr als eine Woche betragen soll, durchgeführt wird. Sie teilt dem Antragsteller den Termin der Prüfung mit. (2) Stellt ein Mitglied des Kuratoriums einen Prüfantrag, so übersendet die Geschäftsstelle dem von der Prüfung Betroffenen eine Kopie des Antrags und gibt ihm Gelegenheit, hierzu in angemessener Frist Stellung zu nehmen. Die Geschäftsstelle übersendet dem Mitglied des Kuratoriums eine Kopie der Stellungnahme. § 5 Zuständigkeit der Prüfausschüsse Sofern nachfolgend nichts anderes bestimmt ist, sind für die Programmprüfungen die Prüfausschüsse der FSF zuständig. § 6 Besetzung der Prüfausschüsse (1) In die Liste der Prüfer der FSF nimmt das Kuratorium Personen auf, die durch ihre berufliche Erfahrung oder durch ihre Ausbildung Gewähr für eine hohe Qualität der Prüfentscheidungen und -gutachten bieten. Bei ihrer Auswahl werden auch Angehörige gesellschaftlicher Gruppen berücksichtigt, die sich in besonderer Weise mit Fragen des Jugendschutzes befassen. Die Prüfer werden für die Dauer von 2 Jahren bestellt. Wiederbestellung ist zulässig. (2) Die Prüfer dürfen nicht bei ordentlichen Mitgliedern der FSF, ihren Anteilseignern oder Programmlieferanten beschäftigt sein. An der Prüfung von Programmen, die von Nichtmitgliedern vorgelegt worden sind, dürfen Prüfer, die bei ihnen, ihren Anteilseignern oder Programmlieferanten beschäftigt sind nicht mitwirken. (3) Die Prüfausschüsse sind mit 5 Prüfern besetzt. Sie werden von der Geschäftsstelle am Ende eines Jahres auf Grund der Meldungen der Prüfer für alle Prüfwochen des folgenden Jahres zusammengestellt. Hat sich für eine Prüfwoche mehr als die erforderliche Zahl von Prüfern gemeldet, so achtet die Geschäftsstelle bei der Zusammenstellung des Prüfausschusses darauf, dass alle Prüfer der FSF im Laufe eines Jahres möglichst gleichmäßig berücksichtigt werden. Hat sich für eine Prüfwoche eine zu geringe Zahl von Prüfern gemeldet, sind Mitglieder eines Prüfausschusses verhindert oder müssen im Jahresplan nicht vorgesehene zusätzliche Prüfausschüsse gebildet werden, so fragt die Geschäftsstelle abwechselnd in alphabetischer und umgekehrter Reihenfolge der Prüferliste bei den Prüfern an, ob sie zur Verfügung stehen. Hat ein Prüfer zugesagt, so fährt sie bei weiteren Anfragen mit dem nach dem in Satz 4 genannten Verfahren auf ihn folgenden Prüfer fort. Auch bei Anfragen nach Satz 4 und 5 achtet die Geschäftsstelle darauf, dass alle Prüfer im Laufe eines Jahres möglichst gleichmäßig berücksichtigt werden. Die Geschäftsstelle achtet ferner darauf, dass den Prüfausschüssen die zur Einhaltung der Frist des § 16 Satz 2 erforderliche Zahl von Vorsitzenden angehört. (4) Den Vorsitz im Ausschuss führen Prüfer, die von den Vorsitzenden des Kuratoriums hierfür bestellt worden sind. Sind zwei oder mehr Mitglieder eines Prüfausschusses als Vorsitzende bestellt, so wählt der Ausschuss eines von ihnen mit einfacher Mehrheit zum Vorsitzenden. 2 § 7 Hauptamtliche Prüfer (1) Hauptamtliche Prüfer im Sinne des § 13 Absatz 4 der Satzung der FSF sollen regelmäßig an den Programmprüfungen teilnehmen und auf eine einheitliche Spruchpraxis der Prüfgremien hinwirken. (2) Beschäftigt die FSF keine hauptamtlichen Prüfer oder sind diese verhindert, so werden die ihnen in § 27 Absatz 1 und 2 und § 33 zugewiesenen Aufgaben von Vorsitzenden von Berufungsausschüssen wahrgenommen, die von den Vorsitzenden des Kuratoriums hierfür bestellt worden sind. § 8 Bindung an Prüfkriterien Die Prüferinnen und Prüfer sind in ihrem Abstimmungsverhalten unabhängig und nur an die Bestimmungen des JMStV, die dazu erlassenen Satzungen, Richtlinien und diese Prüfordnung gebunden. § 9 Rechte des zur Sitzung des Prüfausschusses erschienenen Antragstellers Ist der Antragsteller oder sein Vertreter zur Sitzung des Prüfausschusses erschienen, so kann er vor oder nach der Sichtung des Programms durch den Ausschuss mündlich Stellung nehmen. Zur Beratung und Abstimmung sind nur die Mitglieder des Ausschusses zugelassen. Nach der Entscheidung unterrichtet der Vorsitzende des Ausschusses den erschienenen Antragsteller oder dessen Vertreter unverzüglich über deren Inhalt. § 10 Mehrheitsentscheidung Der Prüfausschuss entscheidet mit einfacher Mehrheit. Stimmenthaltung ist unzulässig. § 11 Prüfrahmen (1) Beantragt der Antragsteller die Freigabe eines Programms für eine bestimmte Sendezeit oder Sendezeitschiene (§ 30 Absatz 2 Nummer 1 bis 4), so entscheidet der Ausschuss zunächst darüber, ob es für die beantragte Zeit oder Zeitschiene ohne oder mit Schnitt- oder sonstigen Auflagen freizugeben ist. Kann das Programm ohne Auflagen freigegeben werden, so entscheidet er auch darüber, ob es für eine frühere als die beantragte Zeit oder Zeitschiene zuzulassen ist. Ist eine Freigabe gemäß Satz 1 nicht möglich, so entscheidet der Ausschuss darüber, ob das Programm ohne oder mit Auflagen für eine spätere Sendezeit oder Sendezeitschiene zugelassen wird. (2) Abweichend von Absatz 1 wird eine Entscheidung über eine andere als die beantragte Sendezeit oder Sendezeitschiene oder über eine Freigabe mit Schnittauflagen nicht getroffen, wenn der Antragsteller seinen Antrag ausdrücklich entsprechend beschränkt. 3 § 12 Auflagen (1) Mit Zustimmung des Antragstellers kann der Ausschuss die Freigabe eines Programms für eine bestimmte Sendezeit oder Sendezeitschiene oder in einer bestimmten Fassung auch mit anderen als Schnittauflagen verbinden. (2) Ist ein Ausschuss, der erwägt, ein Programm mit Schnittauflagen zuzulassen, der Ansicht, diese Entscheidung erst auf Grund der entsprechend geschnittenen Fassung treffen zu können, so kann er dies dem Antragsteller mitteilen und ihn zur Vorlage der Schnittfassung auffordern. Der Ausschuss kann in diesem Fall auch die Zulassung des Programms unter Schnittauflagen vorläufig beschließen und den Vorsitzenden ermächtigen, auf Grund der Schnittfassung zu entscheiden, ob der Beschluss in Kraft treten soll. Setzt der Vorsitzende den Beschluss nicht in Kraft, so veranlasst die Geschäftsstelle eine erneute Prüfung. An dieser sollen möglichst viele Mitglieder des Ausschusses mitwirken, der die vorläufige Entscheidung getroffen hat. § 13 Prüfgutachten (1) Das Prüfgutachten ist vom Vorsitzenden des Prüfausschusses schriftlich abzufassen. Es besteht aus der Prüfentscheidung, einer Angabe des für die Entscheidung wesentlichen Inhalts des Programms sowie einer Begründung. Bei der Abfassung der Gutachten ist die besondere Bedeutung zu berücksichtigen, die ihnen auf Grund des JMStV zukommt. (2) Die Prüfentscheidung enthält die für die Identifizierung des Programms erforderlichen Angaben und spricht aus, ob und für welche Sendezeit oder Sendezeitschiene es zur Sendung freigegeben wird. Bei einer Freigabe unter Schnitt- oder anderen Auflagen (§ 12) sind diese in der Entscheidung genau und vollständig anzugeben. (3) Die Begründung muss die für die Entscheidung maßgeblichen Erwägungen enthalten und angeben, auf welchen Bestimmungen des JMStV, der dazu erlassenen Satzungen oder dieser Prüfordnung sie beruht. (4) Ist ein Ausschuss der Ansicht, Änderungen eines Programms, über die er in seiner Sitzung weder abschließend noch gemäß § 12 Absatz 2 entscheiden konnte, könnten zu einer Entscheidung führen, die für den Antragsteller günstiger als die getroffene ist, so weist er in der Begründung seiner Entscheidung darauf und auf die Art dieser Änderungen hin. § 14 Einzelprüfer (1) Liegen zu Serien oder anderen wiederkehrenden Programmen bereits Prüfgutachten der FSF vor, so kann der hauptamtliche Prüfer eine vorgelegte Folge auf begründeten Vorschlag des Antragstellers einem Einzelprüfer zuweisen. Dasselbe gilt, wenn die Beurteilung eines Programms auf Grund der Spruchpraxis der FSF unzweifelhaft und eine Entscheidung durch einen Prüfausschuss oder einen juristischen Sachverständigen nicht erforderlich erscheint oder Anträge gemäß § 9 Absatz 1 4 JMStV für Programme gestellt werden, deren Bewertung mehr als 20 Jahre zurückliegt. (2) Einzelprüfer können nur Prüfer sein, die zu Vorsitzenden von Prüf- oder Berufungsausschüssen bestellt sind. (3) Folgen von Serien oder anderen wiederkehrenden Programmen sollen Einzelprüfern zugewiesen werden, die mit der Beurteilung solcher Programme besondere Erfahrung haben. Hat ein Einzelprüfer bereits Folgen einer bestimmten Serie oder eines bestimmten wiederkehrenden Programms begutachtet, so sollen ihm auch weitere vorgelegte Folgen zugewiesen werden. (4) Hat der Einzelprüfer Zweifel, ob oder für welche Sendezeit oder mit welchen Auflagen das Programm zuzulassen ist, so gibt er die Sache mit einer schriftlichen Begründung an die Geschäftsstelle zurück. Die Geschäftsstelle teilt dies dem Antragsteller mit und führt die Entscheidung eines Prüfausschusses herbei. Der Antragsteller und der Prüfausschuss erhalten Kopien der Begründung, mit der der Einzelprüfer sich einer Entscheidung über das Programm enthalten hat. (5) Gegen eine Entscheidung des Einzelprüfers kann der Antragsteller einen Prüfausschuss anrufen. §§ 19 und 25 bleiben unberührt. (6) Im Übrigen gelten für die Prüfungen durch Einzelprüfer die Bestimmungen über Prüfungen und Entscheidungen von Prüfausschüssen entsprechend. § 15 Zuständigkeit juristischer Sachverständiger (1) Über die Unzulässigkeit eines Programms gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 6, 8 und 9 JMStV entscheiden Sachverständige, die die Befähigung zum Richteramt besitzen müssen (juristische Sachverständige), als Einzelprüfer. Sie werden vom Kuratorium im Einvernehmen mit dem Geschäftsführer bestellt und im Einzelfall mit der Prüfung beauftragt. (2) Ist ein Prüfausschuss oder ein Einzelprüfer der Ansicht, dass ein Programm gemäß Absatz 1 zu prüfen ist, so teilt er dies der Geschäftsstelle mit. Diese unterrichtet den Antragsteller, gibt ihm Gelegenheit, in angemessener Frist Stellung zu nehmen, und veranlasst die Prüfung. (3) Der juristische Sachverständige verfasst ein schriftliches Prüfgutachten gemäß § 13 Absatz 1 Satz 2 und 3. Die Prüfentscheidung enthält die für die Identifizierung des Programms erforderlichen Angaben und spricht aus, ob es gemäß § 4 Absatz 1 JMStV unzulässig ist. Die Begründung muss die für die Entscheidung maßgeblichen Erwägungen enthalten und angeben, auf welchen der vorgenannten Bestimmungen des JMStV sie beruht. Ist der Sachverständige der Ansicht, ein in der vorgelegten Form unzulässiges Programm könne in der Weise geändert werden, dass seine Ausstrahlung nicht gegen die vorgenannten Bestimmungen des JMStV verstößt, so soll er die erforderlichen Änderungen in der Begründung seines Prüfgutachtens angeben. 5 § 16 Verfahren der Geschäftsstelle nach der Prüfung Über die Prüfentscheidung wird der Antragsteller von der Geschäftsstelle unverzüglich schriftlich unterrichtet. Das Prüfgutachten soll ihm möglichst eine Woche nach der Prüfung durch die Geschäftsstelle zugesandt werden. § 17 Weitergabe der Prüfgutachten (1) Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) und die Mitglieder des Kuratoriums erhalten Prüfgutachten auf Anfrage. (2) Die Gutachten können in begründeten Fällen mit Zustimmung des Antragstellers auch an Dritte weitergegeben werden (z.B. für Forschungszwecke, für pädagogische Zwecke oder für journalistische Recherchen). Hierüber entscheidet der Geschäftsführer. (3) Den Mitgliedern der FSF, den Mitgliedern des Kuratoriums und der KJM werden regelmäßig Zusammenstellungen der erstellten Prüfgutachten sowie deren Ergebnisse auf Anfrage zur Verfügung gestellt. § 18 Vertrauliche Prüfungen In besonderen Fällen kann ein Antragsteller die FSF verpflichten, die Tatsache der Prüfung sowie das Prüfgutachten vertraulich zu behandeln. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Prüfgutachten eine mögliche Voraussetzung für die Entscheidung über den Kauf des geprüften Programms ist. Die Vertraulichkeit darf nur so lange gewahrt werden, wie der Antragsteller hierfür hinreichende Gründe darlegt. Hierüber entscheidet der Geschäftsführer. § 19 Recht zur Berufung Gegen die Entscheidung des Prüfausschusses können der Antragsteller und, sofern dieser ein Fernsehveranstalter ist, landesrechtlich bestimmte Träger der Jugendhilfe den Berufungsausschuss anrufen. § 20 Besetzung der Berufungsausschüsse (1) In die Liste der Prüfer in Berufungsausschüssen nimmt das Kuratorium besonders erfahrene oder auf Grund ihres Arbeitsbereichs besonders kompetente Prüfer auf. (2) Die Berufungsausschüsse sind mit 7 Prüfern besetzt. Die Geschäftstelle stellt sie bei Bedarf aus der vom Kuratorium erstellten Liste zusammen. Dabei achtet sie darauf, daß die in die Liste aufgenommenen Prüfer im Laufe von 3 Jahren möglichst gleichmäßig berücksichtigt werden. Prüfer, die an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt haben, können nicht Mitglied des Berufungsausschusses sein. (3) Den Vorsitz im Ausschuss führen Prüfer, die von den Vorsitzenden des Kuratoriums hierfür bestellt worden sind. Sind zwei oder mehr Mitglieder des Berufungsaus- 6 schusses gemäß Satz 1 bestellt, so wählt der Ausschuss eines von ihnen mit einfacher Mehrheit zum Vorsitzenden. § 21 Besonderheiten des Berufungsverfahrens (1) Hat ein landesrechtlich bestimmter Träger der Jugendhilfe oder ein Mitglied des Kuratoriums (Berufungsführer) den Berufungsausschuss angerufen, so übersendet die Geschäftsstelle dem von der Prüfung Betroffenen (Berufungsgegner), eine Kopie des Berufungsantrags und gibt ihm Gelegenheit, hierzu in angemessener Frist gegenüber der FSF schriftlich Stellung zu nehmen. Die Geschäftstelle übersendet dem Berufungsführer eine Kopie der Stellungnahme. (2) Der Prüfausschuss, der die angefochtene Entscheidung getroffen hat, kann eines seiner Mitglieder beauftragen, die Entscheidung vor dem Berufungsausschuss zu vertreten. Das beauftragte Mitglied wird von der Geschäftsstelle zur Sitzung des Berufungsausschusses eingeladen. Der Prüfausschuss kann auch eine schriftliche Stellungnahme zur Berufung abgeben. Sie wird dem Berufungsausschuss von der Geschäftsstelle vorgelegt. (3) Die Sitzung des Berufungsausschusses beginnt mit der Feststellung des Vorsitzes oder der Wahl gemäß § 20 Absatz 2 Satz 2. Das erstinstanzliche Prüfgutachten, Berufungsbegründungen, -erwiderungen sowie schriftliche Stellungnahmen des erstinstanzlichen Prüfausschusses werden verlesen. Sind der Berufungsführer, der Berufungsgegner, ihre Vertreter oder ein gemäß Absatz 2 Satz 1 beauftragtes Mitglied des erstinstanzlichen Prüfausschusses zur Sitzung erschienen, so ist ihnen die Anwesenheit bei der Verlesung zu gestatten und nach ihrer Wahl anschließend oder nach der Sichtung des Programms Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Zur Beratung und Abstimmung sind nur die Mitglieder des Berufungsausschusses zugelassen. Nach der Entscheidung unterrichtet der Vorsitzende des Berufungsausschusses die in Satz 3 Genannten unverzüglich über deren Inhalt. § 22 Begründung der Berufungsentscheidung Weicht der Berufungsausschuss in seiner Entscheidung oder in deren Begründung von dem erstinstanzlichen Prüfgutachten ab, so muss er in seinem Gutachten die wesentlichen Gründe hierfür nennen. Gutachten des Berufungsausschusses werden den Mitgliedern des Prüfausschusses, der die angefochtene Entscheidung getroffen hat, zugesandt. § 23 Geltung der Vorschriften über den Prüfausschuss Im Übrigen gelten, soweit vorstehend nichts anderes bestimmt ist, für das Berufungsverfahren und die Gutachten des Berufungsausschusses die §§ 3, 4, 10 bis 13 sowie 16 bis 18 entsprechend. Hat ein landesrechtlich bestimmter Träger der Jugendhilfe oder ein Mitglied des Kuratoriums den Berufungsausschuss angerufen, so gilt § 2 Absatz 2 Satz 3 entsprechend. 7 § 24 Berufung gegen Entscheidungen juristischer Sachverständiger (1) Gegen Entscheidungen juristischer Sachverständiger (§ 15) können die zur Berufung Berechtigten (§ 19) den Juristenausschuss anrufen. (2) Der Juristenausschuss besteht aus drei der gemäß § 15 Absatz 1 Satz 2 bestellten Sachverständigen, die vom Geschäftsführer mit der Entscheidung über die Berufung beauftragt werden. § 20 Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend. (3) Die Sitzung des Juristenausschusses beginnt mit der Wahl des Vorsitzenden. Das erstinstanzliche Prüfgutachten, Berufungsbegründungen und -erwiderungen werden verlesen. Sind der Berufungsführer, der Berufungsgegner oder deren Vertreter zur Sitzung erschienen, so ist ihnen die Anwesenheit bei der Verlesung zu gestatten und nach ihrer Wahl anschließend oder nach der Sichtung des Programms Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Zur Beratung und Abstimmung sind nur die Mitglieder der Juristenausschusses zugelassen. Nach der Entscheidung unterrichtet der Vorsitzende des Ausschusses die in Satz 3 Genannten unverzüglich über deren Inhalt. (4) Im übrigen gelten für das Verfahren und die Gutachten des Juristenausschusses die §§ 3, 4 sowie 10, 13 Absatz 1, 15 Absatz 3 Satz 2 bis 4, 16 bis 18 entsprechend. Hat ein landesrechtlich bestimmter Träger der Jugendhilfe oder ein Mitglied des Kuratoriums den Juristenausschuss angerufen, so gilt § 2 Absatz 2 Satz 3 entsprechend. § 25 Prüfung durch das Kuratorium (1) Gegen eine Entscheidung des Berufungsausschusses können die zur Einlegung der Berufung Berechtigten (§ 19) das Kuratorium anrufen, wenn die Nachprüfung der Entscheidung zur Fortbildung der Prüfgrundsätze und -kriterien der FSF oder zur Sicherung einer einheitlichen Spruchpraxis erforderlich erscheint. Hat ein landesrechtlich bestimmter Träger der Jugendhilfe das Kuratorium angerufen, so übersendet die Geschäftsstelle dem Fernsehveranstalter, der das Programm vorgelegt hat, eine Kopie des Antrags und gibt ihm Gelegenheit, hierzu in angemessener Frist gegenüber der FSF Stellung zu nehmen. Die Geschäftsstelle übersendet dem Träger der Jugendhilfe eine Kopie der Stellungnahme. Über die Zulassung von Anträgen auf Prüfung durch das Kuratorium entscheidet ein hauptamtlicher Prüfer im Einvernehmen mit den Vorsitzenden des Kuratoriums. (2) Für die in Abs. 1 genannten Fälle bildet das Kuratorium einen Ausschuss, der aus sechs derjenigen seiner Mitglieder besteht, die nicht von einem ordentlichen Mitglied der FSF entsandt sind. Mitglieder des Kuratoriums, die die Prüfung des Programms beantragt oder an seiner Prüfung im Prüf- oder Berufungsausschuss mitgewirkt haben, können dem Ausschuss nicht angehören. (3) §§ 3, 4, 8, 10 bis 13, 16 bis 18 sowie 24 Absatz 3 gelten für das Verfahren vor dem Kuratorium und dessen Gutachten entsprechend. Hat ein landesrechtlich bestimmter Träger der Jugendhilfe oder ein Mitglied des Kuratoriums das Kuratorium angerufen, so gilt § 2 Absatz 2 Satz 3 entsprechend. 8 § 26 Geltung der Prüfentscheidungen für inhaltsgleiche Programme Die Entscheidungen der Prüfgremien gelten für die Fassung, in der ein Programm vorgelegt worden ist oder die es auf Grund von Schnittauflagen erhalten hat, sowie für Fassungen, die mit der vorgelegten oder der Schnittfassung wesentlich inhaltsgleich sind. § 27 Erneute Vorlage (1) Ein gemäß § 2 Absatz 1 Antragsberechtigter kann ein Programm nach wesentlicher Änderung erneut zur Prüfung vorlegen. Ein hauptamtlicher Prüfer entscheidet darüber, ob die Bearbeitung ausreicht, um das Programm als wesentlich geänderte Fassung anzuerkennen. (2) Ein Programm kann unverändert zur erneuten Prüfung vorgelegt werden, wenn der gemäß § 2 Absatz 1 Antragsberechtigte glaubhaft machen kann, dass aufgrund einer veränderten Spruchpraxis der Prüfausschüsse der FSF das Prüfergebnis bei einer erneuten Prüfung anders ausfallen könnte. Über die Annahme zur Prüfung entscheidet ein hauptamtlicher Prüfer. (3) Gegen ablehnende Entscheidungen kann der Berufungsausschuss angerufen werden. § 24 gilt entsprechend. § 28 Allgemeine Prüfgrundsätze (1) Ziel der Prüfungen ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Sendungen, die geeignet sind, ihre Entwicklung oder Erziehung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu beeinträchtigen oder zu gefährden, sowie der Schutz vor solchen Sendungen, die die Menschenwürde oder sonstige durch das Strafgesetzbuch geschützte Rechtsgüter verletzen. (2) Grundlagen der Prüfungen sind §§ 4 und 5 JMStV, die hierzu erlassenen Satzungen sowie die in §§ 29 bis 31 genannten Kriterien. (3) Bei jeder Prüfung sind der Aufbau, der Handlungskontext und der Gesamtzusammenhang der Sendung zu berücksichtigen. (4) Handelt es sich bei einem Programm um Kunst i. S. d. Art. 5 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes, so muss das Gutachten zwischen den Interessen der Kunst und den Interessen des Jugendschutzes sorgfältig abwägen; dies gilt insbesondere für Programme, die möglicherweise nach § 29 als unzulässig eingestuft werden. Äußerungen von Fachkreisen zu den Programmen (z.B. Filmkritiken) sind dabei zu berücksichtigen. § 29 Unzulässige Sendungen gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 11 und Absatz 2 Nummer 1 und 2 JMStV (1) Gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 JMStV sind Programme unzulässig, die Propagandamittel 9 1. einer vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Partei oder einer Partei oder Vereinigung, von der unanfechtbar festgestellt ist, dass sie Ersatzorganisation einer solchen Partei ist, 2. einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, dass sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist, 3. einer Regierung oder Einrichtung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, die für die Zwecke einer der in Nummer 1 oder 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen tätig ist, oder 4. Propagandamittel, die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen, darstellen. Propagandamittel im Sinne dieser Bestimmung sind nur solche Programme, deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist. (2) Gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 JMStV sind Programme unzulässig, die Kennzeichen der in Absatz 1 Nummer 1, 2 oder 4 genannten Parteien oder Vereinigungen verwenden. Kennzeichen im Sinne des Satz 1 sind insbesondere Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind. (3) Gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 JMStV sind Programme unzulässig, die zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, dass Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden. (4) Gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 JMStV sind Programme unzulässig, die eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Absatz 1 und § 7 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuchs bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, leugnen oder verharmlosen. (5) Gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 JMStV sind Programme unzulässig, die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen. Dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen. (6) Gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 JMStV sind Programme unzulässig, die geeignet sind, als Anleitung zu einer der in § 126 Absatz 1 Strafgesetzbuch (StGB) genannten rechtswidrigen Taten zu dienen, und nach ihrem Inhalt bestimmt sind, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine solche Tat zu begehen. (7) Gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 7 JMStV sind Programme unzulässig, die den Krieg verherrlichen. (8) Gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 8 JMStV sind Programme unzulässig, die gegen die Menschenwürde verstoßen, insbesondere durch die Darstellung von Men10 schen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren, wobei ein tatsächliches Geschehen wiedergegeben wird, ohne dass ein berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der Darstellung oder Berichterstattung vorliegt. Eine Einwilligung in die Darstellung ist unbeachtlich. (9) Gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 9 JMStV sind Programme unzulässig, die Kinder oder Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen. Dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen. (10) Gemäß § 4 Absatz 1 Nummer 10 und Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 JMStV sind Programme unzulässig, die pornographisch im Sinne des § 184 StGB sind. Dies sind Programme, die sexuelle Vorgänge in aufdringlicher Weise in den Vordergrund rücken, in ihrer Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf sexuelle Stimulation angelegt sind und dabei die im Einklang mit allgemeinen gesellschaftlichen Wertvorstellungen gezogenen Grenzen eindeutig überschreiten. (11) Gemäß § 4 Absatz 1 Nummer 11 und Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 JMStV sind Programme unzulässig, die mit einem gemäß § 18 Absatz 1 JuSchG in die Liste jugendgefährdender Medien aufgenommenen Medium ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind. Dies gilt gemäß § 4 Absatz 3 JMStV auch nach wesentlichen inhaltlichen Veränderungen gegenüber dem in die Liste aufgenommenen Medium bis zu einer Entscheidung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. (12) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn das Programm oder seine Ausstrahlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient. Absatz 5 gilt nicht, wenn die Ausstrahlung des Programms der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte dient. § 30 Unzulässige Sendungen gemäß § 4 Absatz 2 Nummer 3 JMStV (1) Gemäß § 4 Absatz 2 Nummer 3 JMStV sind Programme unzulässig, die offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten unter Berücksichtigung der besonderen Wirkungsform des Verbreitungsmediums schwer zu gefährden. Als im Sinne des Satz 1 geeignet sind insbesondere folgende Programme anzusehen: 1. Programme, die extreme Gewalt in ihren physischen, psychischen und sozialen Erscheinungsformen verherrlichen oder verharmlosen. Von Bedeutung ist hierbei insbesondere, ob (a) Gewalt als probates Handlungskonzept im Kontext des Programms unzureichend relativiert dargestellt wird; (b) die Darstellungen von Gewalt so aneinandergereiht sind, dass die Problematik von Gewalt als Mittel der Konfliktlösung nicht hinreichend zum Ausdruck kommt; (c) die Gewalthandlungen insofern verkürzt dargestellt sind, als z.B. deren Folgen und Wirkungen für die Opfer verschwiegen werden; (d) die einzelnen Darstellungen von Gewalt derart breit und in grausamen Details ausgespielt sind, dass sie weit über das dramaturgisch Notwendige hinausgehen; 11 (e) die Gewalt gegen Personen, die nach ihrem Aussehen, ihrem kulturellen und sozialen Selbstverständnis, ihren Gewohnheiten oder ihrem Denken als andersartig empfunden werden, verharmlosend oder als gerechtfertigt dargestellt wird. 2. Über pornographische Darstellungen (§ 184 Strafgesetzbuch) hinaus solche Sendungen, die sexuelle Darstellungen enthalten und (a) physische und sonstige Gewalt zur Durchsetzung sexueller Interessen befürworten; Vergewaltigung als lustvoll für das Opfer erscheinen lassen; (b) ihrer Gesamttendenz nach ein Geschlecht degradieren; (c) in erheblichem Umfang Darstellungen enthalten, die Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung degradieren. 3. Sendungen, die den Krieg verherrlichen oder als heldenhaftes Abenteuer zur Bewährung besonderen Mutes darstellen. 4. Sendungen, die zum Rassenhass oder zum Hass gegen Personen, Personengruppen oder Minderheiten aufstacheln. § 31 Kriterien für die Platzierung (1) Soweit Programme nicht nach den gesetzlichen Regelungen oder gemäß § 29 unzulässig sind, ist bei der Entscheidung über die Platzierung zu berücksichtigen, ob die jeweilige Sendung im Tages-, Vorabend-, Hauptabend-, Spätabend- oder Nachtprogramm platziert werden soll. Hierbei sind die Auswirkungen auf Handlungen, Einstellungen und Erlebnisweisen der Zuschauer getrennt einzuschätzen. Ganz besonderes Augenmerk ist darauf zu richten, inwieweit Programminhalte oder Darstellungsformen bei Kindern und Jugendlichen unterschiedlicher Altersstufen gewaltbefürwortende Einstellungen fördern, übermäßig ängstigend oder sozialethisch desorientierend wirken. Bei der Abschätzung der Wirkungsrisiken sind der Kontext innerhalb der Sendung zu berücksichtigen sowie die altersspezifische Zuordnung zu den oben genannten Risikodimensionen zu beachten und im Gutachten deutlich zu machen. (2) Folgende Platzierungen werden unterschieden: 1. Sendungen im Tagesprogramm. Für die Zeit von 6.00 bis 20.00 Uhr sind die Voraussetzungen zu berücksichtigen, die Kinder unter 12 Jahren für die Wahrnehmung und Verarbeitung von Fernsehinhalten haben. 2. Sendungen im Hauptabendprogramm. Für die Zeit von 20.00 bis 22.00 Uhr sind die Voraussetzungen zu berücksichtigen, die Kinder ab 12 Jahren und Jugendliche unter 16 Jahren für die Wahrnehmung und Verarbeitung von Fernsehinhalten haben. 3. Sendungen im Spätabend- (22.00 bis 23.00 Uhr) und im Nachtprogramm (23.00 bis 6.00 Uhr). Für die Sendezeit von 22.00 bis 23.00 Uhr sind entsprechend den Maßstäben der FSK die Voraussetzungen zu berücksichtigen, die Jugendliche ab 16 Jahren für die Wahrnehmung und Verarbeitung von Fernsehinhalten haben. 12 (3) Bei der Entscheidung darüber, für welche der in Abs. 2 genannten Sendezeiten ein Programm freigegeben werden kann, sind die drei Risikodimensionen Gewaltbefürwortung bzw. -förderung, übermäßige Angsterzeugung und sozialethische Desorientierung im Hinblick auf die prüfungsrelevanten Altersgruppen getrennt zu beurteilen und in die Gesamtrisikobewertung einzubringen. Bei über 12-Jährigen ist in der Regel der Angstdimension ein geringeres Gewicht zuzumessen als bei jüngeren Zuschauergruppen. Grundsätzlich ist das altersspezifische Risiko unter Berücksichtigung des Kontextes innerhalb der Sendung im Einzelfall zu prüfen. 1. Indikatoren für Gewaltbefürwortung bzw. -förderung sind insbesondere (a) Angebote von Identifikationsfiguren mit gewalttätigen oder anderen sozial unverantwortbaren Verhaltensmustern; (b) Präsentation von einseitig an Gewalt orientierten Konfliktlösungsmustern oder deren Legitimation; (c) die Darstellung von Gewalt als erfolgreichem Ersatz von Kommunikation; (d) Darstellungen, die eine Desensibilisierung gegenüber Gewalt fördern, indem sie die Wirkung von Gewalt verharmlosen oder verschweigen. 2. Indikatoren für übermäßige Angsterzeugung sind insbesondere (a) drastische Darstellung von Gewalt; (b) drastische Darstellung des Geschlechtsverkehrs; (c) unzureichende Darstellungen realitätsnaher Inhalte, die im Lebenskontext von Kindern besonders angstvoll erlebt werden (z. B. Familienkonflikte); (d) eine gemessen an der Realität überproportionale Darstellung von Gewalt mit der Folge der Empfindung allgegenwärtiger Bedrohung. 3. Indikatoren für sozialethische Desorientierung sind insbesondere (a) unzureichend erläuterte Darstellungen realen Gewaltgeschehens (z. B. Krieg); (b) Darstellung von Fiktion als Realität wie auch von Realität als Fiktion in einer Art, die eine Trennung sehr erschwert oder unmöglich macht; (c) die kritiklose Präsentation von Vorurteilen oder Gewalttaten gegenüber Andersdenkenden; (d) die anonymisierte Präsentation von Kriegsgeschehen; (e) die Befürwortung von extrem einseitigen oder extrem rückwärtsgewandten Rollenklischees; (f) befürwortende Darstellungen entwürdigender sexueller Beziehungen und Praktiken. (4) Die Kriterien der Absätze 2 und 3 sind durch die Prüferfahrungen zu konkretisieren und fortzuschreiben. (5) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Nachrichtensendungen und Sendungen zum politischen Zeitgeschehen, soweit ein berechtigtes Interesse gerade an der gewählten Form der Darstellung oder Berichterstattung vorliegt. § 32 Prüfung von Serien (1) Für Serien gelten dieselben Prüfkriterien wie für sonstige Programme. Bei ihrer Anwendung ist jedoch auf die spezifischen Wirkungen von Serien (z. B. Zuschauerbindung, Gewöhnung an Serienfiguren und bestimmte Handlungsmuster) zu achten. Bereits vorliegende Gutachten zu einer Serie sind bei weiteren Gutachten zu berücksichtigen. 13 (2) Die Entscheidung über die Zulassung einer Serie gilt für diese insgesamt, es sei denn, dass gemäß § 4 Absatz 3 der Vorlagesatzung eine erneute Vorlage erforderlich ist. II. Prüfung von Programmen nach der Sendung § 33 Prüfung auf Antrag (1) Ist die KJM der Ansicht, durch die Ausstrahlung eines Programms, zu dem im Zeitpunkt der Ausstrahlung keine Entscheidung der FSF vorlag, sei gegen Bestimmungen des JMStV oder der hierzu erlassenen Satzungen verstoßen worden, so ist das Programm auf ihren Antrag nachträglich zu prüfen. (2) Berechtigt, eine nachträgliche Prüfung zu beantragen, ist auch das Mitglied der FSF, das das Programm ausgestrahlt hat. § 34 Prüfung ohne Antrag (1) Sofern sich aus Zuschauerbeschwerden oder auf andere Weise Gründe hierfür ergeben, prüft ein hauptamtlicher Prüfer, ob durch die Ausstrahlung eines Programms, zu dem im Zeitpunkt der Ausstrahlung keine Entscheidung der FSF vorlag, gegen Bestimmungen des JMStV oder der hierzu erlassenen Satzungen verstoßen worden ist. In geeigneten Fällen kann der hauptamtliche Prüfer auch einen anderen Prüfer als Einzelprüfer beauftragen oder die Prüfung durch einen Prüfausschuss veranlassen. (2) Ist der hauptamtliche Prüfer der Ansicht, es handele sich um einen Fall von grundsätzlicher Bedeutung, so teilt er dies den Vorsitzenden des Kuratoriums mit. Diese können eine Prüfung durch das Kuratorium veranlassen. § 35 Besonderheiten bei nachträglicher Prüfung (1) In den Fällen des §§ 33 Absatz 1 und 34 übersendet die Geschäftsstelle dem Mitglied, das das Programm ausgestrahlt hat, eine Kopie des Antrags oder teilt ihm die Gründe für die nachträgliche Prüfung mit und gibt ihm Gelegenheit, dazu in angemessener Frist Stellung zu nehmen. (2) In den in Abs. 1 genannten Fällen steht das Recht aus § 9 auch dem Mitglied, das das Programm ausgestrahlt hat, oder seinem Vertreter zu. (3) Bei nachträglichen Prüfungen spricht die Prüfentscheidung aus, ob die Ausstrahlung des Programms zulässig war. War sie dies nicht, so bestimmt sie ferner, ob und zu welcher Sendezeit das Programm in der gesendeten Fassung künftig ausgestrahlt werden darf. Auf Antrag des Mitglieds, das das Programm ausgestrahlt hat, findet eine Prüfung gemäß § 11 Absatz 1 statt. 14 § 36 Recht zur Berufung und zur Anrufung des Kuratoriums Das Recht zur Berufung und zur Anrufung des Kuratoriums steht im Fall des § 33 Absatz 1 der KJM, landesrechtlich bestimmten Trägern der Jugendhilfe sowie dem Mitglied zu, das das Programm ausgestrahlt hat. In den Fällen des § 33 Absatz 2 und des § 34 steht es dem Mitglied, das das Programm ausgestrahlt hat, und landesrechtlich bestimmten Trägern der Jugendhilfe zu. § 37 Entsprechend anzuwendende Vorschriften Im übrigen gelten, soweit vorstehend nichts anderes bestimmt ist, die §§ 3 bis 17 und 19 bis 32 Absatz 1 für nachträgliche Prüfungen entsprechend. III. Schlussvorschriften § 38 Inkrafttreten Diese Prüfordnung tritt am 01.09.2003 in Kraft. Zugleich verliert die bis dahin geltende Prüfordnung ihre Gültigkeit. 15 Anhang VI: Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung der FSF vom 01.03.2005 Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen Berlin, 1. März 2005 Inhalt RICHTLINIEN TEIL I: ALLGEMEINES ..............................................................................................3 § 1 Zielsetzung .....................................................................................................3 § 2 Umsetzung der Vorgaben des JMStV.............................................................3 § 3 Grundlage der Prüfung ...................................................................................3 § 4 Ausnahmeanträge nach § 9 JMStV / Beanstandete Sendungen ....................3 § 5 Rechte des Antragstellers...............................................................................4 § 6 Einbindung juristischer Sachverständiger.......................................................5 TEIL II: § 5 JMSTV: ENTWICKLUNGSBEEINTRÄCHTIGUNG ................................6 § 7 Ziel der Prüfungen ..........................................................................................6 § 8 Umgang mit Darstellungen von Gewalt ..........................................................6 § 9 Umgang mit Filmen, die Ängste auslösen können..........................................7 § 10 Umgang mit der Darstellung von Sexualität und Geschlechterbeziehungen ..7 § 11 Sendungen im Tagesprogramm .....................................................................8 § 12 Beurteilung von nicht-fiktionalen Programmen ...............................................9 ERLÄUTERUNGEN zu Teil I und II Zu TEIL I: ALLGEMEINES........................................................................................ 11 Zu § 1 Zielsetzung ............................................................................................... 11 Zu § 2 Umsetzung der Vorgaben des JMStV ...................................................... 11 Zu § 3 Grundlage der Prüfung ............................................................................. 12 Zu § 4 Ausnahmeanträge nach § 9 JMStV / Beanstandete Sendungen.............. 13 Zu § 5 Rechte des Antragstellers ........................................................................ 14 Zu § 6 Einbindung juristischer Sachverständiger................................................. 14 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Inhalt Zu TEIL II: § 5 JMSTV: ENTWICKLUNGSBEEINTRÄCHTIGUNG ........................ 15 Zu § 7 Ziel der Prüfungen ................................................................................... 15 Zu § 8 Umgang mit Darstellungen von Gewalt.................................................... 15 Zu § 9 Umgang mit Filmen, die Ängste auslösen können ................................... 16 Zu § 10 Umgang mit der Darstellung von Sexualität und Geschlechterbeziehungen ....................................................................... 17 Zu § 11 Sendungen im Tagesprogramm............................................................... 19 Zu § 12 Beurteilung von nicht-fiktionalen Programmen......................................... 21 TEIL III: § 4 JMSTV: UNZULÄSSIGE SENDUNGEN .............................................. 22 § 13 Allgemeines.................................................................................................. 23 § 14 Nicht zu prüfende („indexbetroffene“) Programme (§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 11, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JMStV, § 29 Abs. 11 PrO-FSF) ............................. 24 § 15 Programme, über deren Unzulässigkeit der juristische Sachverständige entscheidet (§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 6, 8, 9 JMStV, § 29 Abs. 1 bis 6, 8, 9 PrO-FSF i. V. m. § 15 PrO-FSF)............................... 25 § 16 Programme, deren Unzulässigkeit von den Prüfausschüssen oder Einzelprüfern zu prüfen ist (§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 7, 10, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 3 JMStV, § 29 Abs. 7, § 10, § 30 PrO-FSF) ..................... 44 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil I: Allgemeines TEIL I: ALLGEMEINES §1 Zielsetzung Die Richtlinien verfolgen das Ziel, konkrete Fragen, die sich in der Anwendung der Prüfordnung der FSF (PrO-FSF) auf Programme ergeben, so weitgehend wie möglich zu beantworten. Dabei sollen auch die neuere Entwicklung von Programmen sowie der aktuelle Stand der Forschung berücksichtigt werden. Ergänzend zur Prüfordnung, sollen sich diese Richtlinien auf die Prüfpraxis beziehen und regelmäßig in Anpassung an neue Entwicklungen fortgeschrieben werden. Dabei wird auch auf die Spruchpraxis der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) sowie auf die von ihr im Zusammenwirken mit den Landesmedienanstalten und deren Gremien erlassenen Satzungen und Richtlinien Bezug genommen werden. §2 Umsetzung der Vorgaben des JMStV Die Vorgaben des Gesetzes sind in die Prüfordnung eingearbeitet und in ihr konkretisiert und erläutert worden. Die Prüfordnung dient somit als Grundlage für die Prüfung. Geschmacksfragen oder Qualitätsurteile sind bei der Beurteilung außer Acht zu lassen. §3 Grundlage der Prüfung Aufgabe der Prüfausschüsse der FSF ist es, im Rahmen einer im Sinne des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) anerkannten Selbstkontrolleinrichtung Programme auf der Grundlage der §§ 4 und 5 JMStV sowie § 28 Abs. 2 der PrO-FSF zu prüfen. Das Gesetz bildet dabei die Grundlage für die Prüfung. Eine Beachtung weiterer, über das Gesetz hinausgehender Aspekte findet nicht statt. §4 Ausnahmeanträge nach § 9 JMStV 1. Bei Ausnahmeanträgen nach § 9 JMStV entscheidet ein hauptamtlicher Prüfer darüber, ob die Voraussetzungen für die Annahme des Antrags gegeben sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn a) die Prüfung durch die FSK länger als 15 Jahre zurückliegt oder b) der Antragsteller den Film so bearbeitet hat, dass die wesentlichen Gründe, die zur Ablehnung einer günstigeren Freigabe im Jugendentscheid der FSK 3 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil I: Allgemeines genannt werden, auf die der FSF vorgelegten Fassung nicht mehr zutreffen oder c) der Antragsteller glaubhaft machen kann, dass sich bezüglich der Thematik oder des Genres eines Films die Spruchpraxis des Jugendschutzes seit dem Zeitpunkt der Prüfung durch die FSK wesentlich geändert hat. 2. Wurde ein Ausnahmeantrag vor dem 01.04.2003 durch die FSF positiv entschieden, von den damals zuständigen Landesmedienanstalten jedoch abgelehnt, so kann der Film nach 10 Jahren der FSF erneut zur Entscheidung vorgelegt werden. Legt der Antragsteller einen solchen Film in einer bearbeiteten Fassung vor (vgl. § 10 der Vorlagesatzung der FSF), in der die Gründe berücksichtigt sind, die zur Ablehnung durch die Landesmedienanstalten geführt haben, entscheidet zunächst der hauptamtliche Prüfer, ob die Voraussetzungen für eine erneute Prüfung erfüllt sind. 3. Wird für ein Programm eine Sendezeit beantragt, die bei dessen früherer Ausstrahlung zu einer Beanstandung durch eine Landesmedienanstalt geführt hat, so kann der Antrag nur angenommen werden, wenn die Beanstandung länger als zehn Jahre zurückliegt oder wenn aufgrund der Bearbeitung der Sendung durch den Antragsteller die wesentlichen Gründe, die zur Beanstandung geführt haben, nicht mehr zutreffen. 4. Der Ausschuss hat die Gründe, die im FSK-Jugendentscheid oder in einer Beanstandung einer Landesmedienanstalt aufgeführt sind, in seiner Beratung zu berücksichtigen. Entscheidet er sich für eine Freigabe im Sinne des Antragstellers, so ist im Prüfgutachten darzulegen, welche Erwägungen oder welche veränderte Sachlage gegenüber den Vorentscheidungen aus der Sicht des Prüfausschusses die Freigabe rechtfertigen. §5 Rechte des Antragstellers 1. Der Antragsteller kann hilfsweise eine Freigabe unter Schnittauflagen beantragen. Der Ausschuss ist gehalten, in diesem Falle auch über weitergehende Schnittauflagen zu diskutieren. Das setzt voraus, dass dies im Rahmen der Prüfung zumutbar ist und dazu führen kann, dass die Sendung unter den Aspekten des Jugendschutzes verantwortbar ist. 4 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil I: Allgemeines 2. Schnittauflagen sind auch ohne Hilfsantrag möglich. Nach § 11 Abs. 2 PrO-FSF kann der Antragsteller sie allerdings ausdrücklich ausschließen. 3. Bestehen Zweifel, ob der Film nach Durchführung der Schnittauflagen tatsächlich in seiner Gesamtwirkung so verändert ist, dass eine Entwicklungsbeeinträchtigung auszuschließen ist, so beschließt der Ausschuss, dass der Film nach Durchführung der Schnitte zeitnah durch einen hauptamtlichen Prüfer oder den Vorsitzenden des Ausschusses begutachtet wird. 4. Gelangt der Ausschuss zu dem Ergebnis, dass der Film zwar grundsätzlich unter (weiteren) Schnittauflagen freigegeben werden kann, dass er sich jedoch aufgrund der notwendigen Menge von Schnitten nicht (mehr) in der Lage sieht, diese als verbindliche Schnittauflagen zu erteilen, so soll er dies dem Antragsteller möglichst unter Angabe der entsprechenden Szenen mitteilen. 5. Auf Antrag kann der Ausschuss statt Schnittauflagen auch die Szenen angeben, die zur Ablehnung der angestrebten Freigabe führen, und die Zielsetzung der Überarbeitung beschreiben. In diesem Fall überarbeitet der Antragsteller das Programm nach den Vorgaben des Ausschusses und führt darüber ein exaktes Protokoll, das er zusammen mit der überarbeiteten Fassung dem hauptamtlichen Prüfer oder einem vom Ausschuss hierfür bestimmten Prüfer zur Freigabe vorlegt. §6 Einbindung der juristischen Sachverständigen Wenn Zweifel bestehen, ob ein Programm gegen Bestimmungen des § 29 Abs. 1 bis 6, 8 und 9 PrO-FSF verstößt, knüpft der Ausschuss das Prüfergebnis an die Bedingung, dass das Programm gemäß § 15 der PrO-FSF zeitnah einem juristischen Sachverständigen vorgelegt wird. Die vom Ausschuss erteilte Freigabe gilt nur dann, wenn die Sendung von dem juristischen Sachverständigen als zulässig eingestuft wird. 5 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 TEIL II: PRÜFUNG DER ENTWICKLUNGSBEEINTRÄCHTIGUNG BEI ZULÄSSIGEN PROGRAMMEN §7 Ziel der Prüfungen Allgemeines Ziel der Prüfungen ist es, Kinder und Jugendliche vor Fernsehprogrammen zu schützen, die geeignet sind, ihre Entwicklung zur eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen. Dazu zählen auf jeden Fall Programme, die Verhaltensweisen, Weltanschauungen oder ethische Grundhaltungen fördern, die im Widerspruch zum gesellschaftlichen Wertekonsens, insbesondere zu den Grundwerten unserer Verfassung und den daraus abzuleitenden Grundprinzipien für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft sowie den allgemeinen Gesetzen stehen. Dabei geht es nicht darum, entsprechende Themen zu tabuisieren, sondern den Gesamtkontext und seine Botschaft im Hinblick auf die Verstehens- und Verarbeitungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen der entsprechenden Altersstufen zu bewerten. Zur Annahme einer Entwicklungsbeeinträchtigung bedarf es nicht eines wissenschaftlichen Beweises, die Annahme muss aber auf der Grundlage der Prüfordnung plausibel und nachvollziehbar dargestellt werden. §8 Umgang mit Darstellungen von Gewalt 1. Ein hohes Wirkungsrisiko im Sinne von § 31 PrO-FSF ist bei Programmen anzunehmen, die Gewalt darstellen oder Gewalthandlungen thematisieren und dabei unter Berücksichtigung der Handlung, des Inhalts, der Dramaturgie, der Darstellungsebene und der Identifikationsprozesse den Einsatz von physischer Gewalt als Mittel, Konflikte zu lösen oder Interessen durchzusetzen, nicht eindeutig ablehnen, sondern legitimieren. 2. Neben der Gesamtaussage eines Programms im Sinne von Absatz 1 sind die Verstehens- und Verarbeitungsfähigkeit der jeweiligen Altersgruppen sowie deren soziale Erfahrung zu berücksichtigen. Programme, bei denen ein Wirkungsrisiko nach Absatz 1 vorliegt, werden für eine Sendezeit zwischen 06.00 Uhr und 22.00 Uhr nicht freigegeben. Ist die sozialethisch desorientierende bzw. Gewalt befürwortende Wirkung eines Programms derart eindringlich und suggestiv, dass ältere Jugendliche diese Botschaft angesichts ihrer noch eingeschränkten sozialen Erfahrung und ihrer ethischen Einordnungsfähigkeit nicht relativieren können, so ist für eine Ausstrahlung 6 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil II: § 5 JMStV Entwicklungsbeeinträchtigung im Nachtprogramm (23.00 Uhr bis 6.00 Uhr) zu entscheiden. In besonders schweren Fällen gilt ein solches Programm als unzulässig. §9 Umgang mit Filmen, die Ängste auslösen können Bei Programmen, die durch die Darstellung von physischer und psychischer Gewalt, von Bedrohungen oder von Menschen, die Opfer von Unfällen oder Katastrophen werden, anhaltende und nicht zu verarbeitende Ängste auslösen, muss bei der Wahl der Sendezeit das Wohl jüngerer Kinder berücksichtigt werden. Auf § 11 wird verwiesen. § 10 Umgang mit der Darstellung von Sexualität und Geschlechter- beziehungen Es gehört nicht zu den Aufgaben des Jugendschutzes, Kinder oder Jugendliche vor der Thematisierung sexueller Darstellungen oder Handlungen zu bewahren. Es kann auch nicht darum gehen, die Thematisierung bestimmter sexueller Orientierungen oder Formen des Zusammenlebens der Sexualpartner generell zu fördern oder zu verhindern, es sei denn, die dargestellten Verhaltensweisen sind strafrechtlich verboten. Als entwicklungsbeeinträchtigend sind hingegen Programme einzustufen, wenn a) stereotype Geschlechterrollen mit diskriminierenden Verhaltensmustern vermittelt werden, die für Kinder oder Jugendliche mangels Erfahrungen und Einordnungsfähigkeit als gesellschaftlich normal und akzeptiert wirken; b) Lebenskonzepte, sexuelle Verhaltensweisen oder Praktiken dargestellt werden, die den Erfahrungen und Vorstellungen von Normalität eines Heranwachsenden entscheidend widersprechen, dabei jedoch den Eindruck völliger Normalität vermitteln und so bei Jüngeren die Angst auslösen könnten, in Zusammenhang mit eigenen späteren sexuellen Erfahrungen auf entsprechende Erwartungen des Partners oder der Umwelt zu stoßen; c) sexuelles Verhalten und sexuelle Erfahrungen vor allem bei Jugendlichen als erstrebenswert überbetont werden und dadurch der Eindruck entstehen könnte, jemand sei weniger wert, wenn er über entsprechende Erfahrungen nicht verfügt; d) Menschen, insbesondere Jugendliche, dargestellt werden, die entgegen den eigenen Wünschen auf Drängen eines Partners sexuelle Handlungen vor- 7 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil II: § 5 JMStV Entwicklungsbeeinträchtigung nehmen, ohne dass dieses Verhalten durch den Gesamtkontext relativiert wird; e) sexuelle Handlungen mit vulgärer Sprache benannt werden und damit eine Herabwürdigung von Menschen oder eines Geschlechts verbunden ist; f) bestimmte sexuelle Praktiken nicht auf gegenseitigen Wunsch, sondern gegen den Willen einer der beteiligten Personen ausgeübt werden und der Eindruck entstehen könnte, entsprechende Forderungen seien gerechtfertigt; g) sexuelle Handlungen oder bestimmte sexuelle Praktiken durch das Ausnutzen von Macht, durch Geld oder mit Gewalt herbeigeführt werden, ohne dass dies durch den Gesamtkontext negativ bewertet wird; h) bestimmte sexuelle Praktiken nicht nur dargestellt und thematisiert werden, sondern durch den Gesamtkontext der Eindruck entsteht, sie seien gegenüber anderen Praktiken vorzuziehen; i) der sexuelle Lustgewinn in seiner Bedeutung für zwischenmenschliche Beziehungen singulär/dominant dargestellt wird und Gefühle sowie Verantwortung in Beziehungen nicht nur ignoriert, sondern negiert werden. Diese Kriterien sind vor allem im Hinblick auf Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren zu beachten. In Betracht kommen dabei Filme, die im Rahmen einer Spielhandlung (z.B. einer Teenykomödie) entsprechende Wirkungen hervorrufen können. Eine Entscheidung für das Nachtprogramm oder die Unzulässigkeit ist angezeigt, wenn die hier dargestellten Kriterien ganz oder teilweise auf Programme zutreffen, die ausschließlich oder überwiegend das Ziel verfolgen, den Betrachter sexuell zu stimulieren. Auf die Ausführungen zu unzulässigen Sendungen in Teil III wird verwiesen. § 11 Sendungen im Tagesprogramm 1. Filme, die gemäß § 14 Abs. 2 Jugendschutzgesetz (JuSchG) von der FSK ab 12 Jahren freigegeben worden sind, unterliegen nach dem Gesetz grundsätzlich keinerlei Sendezeitbeschränkungen. Allerdings ist bei der Wahl der Sendezeit dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung zu tragen. 2. Das Wohl jüngerer Kinder kann vor allem von Programmen beeinträchtigt werden, die Gewalt darstellen oder Gewalt zum Inhalt haben. Solche Programme sind für junge Menschen ab Vollendung des 12ten Lebensjahres aufgrund ihres umfangreichen Wissens und robusterer Verarbeitungsfähigkeit verantwortbar, können jedoch bei 8 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil II: § 5 JMStV Entwicklungsbeeinträchtigung Kindern unterhalb dieses Alters zu übermäßigen Angstreaktionen führen. Dazu zählen insbesondere Filme, die Krieg oder andere Gewalthandlungen in den jeweiligen geschichtlichen, politischen oder sozialen Zusammenhängen darstellen und damit in einen Kontext einordnen, der jüngeren Kindern unverständlich sein kann. 3. Grundsätzlich ist jedoch bei der Freigabe für das Tagesprogramm von den Verstehens- und Verarbeitungsmöglichkeiten der ab 12-Jährigen auszugehen. § 12 Beurteilung von nicht-fiktionalen Programmen 1. Grundsätzlich gelten bei der Festlegung von Sendezeitgrenzen die hier aufgeführten Beurteilungskriterien auch für nicht-fiktionale Programme. Es muss dabei allerdings berücksichtigt werden, dass die wirkungsrelevanten Faktoren sich von denen fiktionaler Programme unterscheiden. 2. Gemäß § 5 Abs. 6 JMStV sowie § 31 Abs. 5 PrO-FSF muss die jeweilige Bedeutung des Programms im Hinblick auf den Informationswert berücksichtigt werden. Dies gilt vor allem für die Berichterstattung über reale Ereignisse. Hier kann der Freiheit der Berichterstattung im Wege der Abwägung gegebenenfalls Vorrang gegenüber den Belangen des Jugendschutzes einzuräumen sein. Bei der Bewertung von Programmen ist bei der Auswahl von Bildern realer Gewalthandlungen, Anschlägen, Unglücken oder Katastrophen zwischen dem Informationswert und der Wirkung auf Kinder und Jugendliche abzuwägen. 3. Bei Unterhaltungsprogrammen, in denen die teilnehmenden Personen offensichtlich und für den Zuschauer erkennbar selbstbestimmt handeln, sich dabei aber beispielsweise aufgrund von Gewinnerwartungen zu Handlungen oder Aufgaben bereit erklären, die als demütigend oder besonders gefährlich eingestuft werden können, ist bei der Wahl der Sendezeit zu prüfen, ob die zu berücksichtigenden Altersgruppen aufgrund ihrer Verstehensfähigkeit und Lebenserfahrung in der Lage sind, die Verhaltensweisen als Grenzfall des Normalen zu erkennen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, a) wie die Teilnehmer oder die Moderation die geforderten Handlungen beurteilen oder ob eine oder mehrere der Personen ihre Teilnahme daran mit relativierender Kommentierung ablehnen, 9 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil II: § 5 JMStV Entwicklungsbeeinträchtigung b) ob es sich bei den handelnden Personen um Schauspieler oder im Bereich der Medien geübte Personen handelt oder um andere Personen, c) ob die Sendung geeignet ist, für den Zuschauer als Anleitung für den Umgang mit Menschen in seiner Lebenswirklichkeit zu dienen oder Elemente wie z. B. besonders gefährliche Mutproben nachzuahmen. 4. Wenn Menschen ohne ihr Wissen und ohne ihre Zustimmung mit Themen oder Ereignissen oder Situationen konfrontiert werden, muss bei der Wahl der Sendezeit berücksichtigt werden, ob eine Veröffentlichung von intimen Erlebnissen oder Ereignissen ihrer Lebensbereiche erfolgt. Zu prüfen ist dabei auch, ob die Situation in der Sendung für die Betroffenen eine besondere psychische Belastung darstellt. 5. Unzulässig ist die Konfrontation mit gestellten, irreführenden Situationen, die Menschen beispielsweise kurzfristig in Todesängste oder in andere bedrohliche Extremsituationen versetzen können. Dabei ist es unerheblich, ob die Menschen ohne Wissen des Zuschauers in die Handlungen eingeweiht sind. Des Weiteren wird auf Teil III verwiesen. 10 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Erläuterungen zu Teil I ERLÄUTERUNGEN ZU TEIL I: ALLGEMEINES Zu § 1 Zielsetzung Diese Richtlinien sollen den Prüfern helfen, die Kriterien der §§ 4 und 5 JMStV, die auch in der PrO-FSF aufgelistet sind, für die Prüfpraxis auszudifferenzieren und so weit wie möglich zu vereinheitlichen. Der Versuch dieser Richtlinien, die verschiedenen Aspekte, die unter Jugendschutzgesichtspunkten geprüft werden, weitgehend zu konkretisieren, birgt die Gefahr in sich, dass sie auf manchen Einzelfall nicht zutreffen, insbesondere dann, wenn neue Formate geprüft werden müssen, die bisher nicht bekannt sind. Nicht zuletzt deshalb wird angestrebt, Anregungen oder Ergänzungen, die aus Sicht des Kuratoriums und der Prüfer notwendig sind, bei der Weiterentwicklung dieser Richtlinien zu berücksichtigen. Zu § 2 Umsetzung der Vorgaben des JMStV Die für die Prüfung von Sendungen zu beachtenden Bestimmungen sind § 4 JMStV (Unzulässige Angebote) und § 5 JMStV (Entwicklungsbeeinträchtigende Angebote). Die Bestimmungen für unzulässige Sendungen werden in § 29 PrO-FSF erläutert und sind dort bereits aufgeführt, soweit dies derzeit möglich ist. Da allerdings einige Bestimmungen neu in das Gesetz aufgenommen wurden, liegen noch nicht für alle ausreichende Erfahrung und Rechtsprechung vor, um sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt hinreichend detailliert zu erläutern. Teil III der Richtlinien gibt daher nur den gegenwärtigen Diskussionsstand wieder; es ist damit zu rechnen, dass mit fortschreitender Spruchpraxis und Rechtsprechung Änderungen und Ergänzungen folgen werden. Die Jugendschutzbestimmungen für zulässige Programme finden sich in § 5 JMStV. Er findet seinen Niederschlag in § 31 f PrO-FSF. Zu beachten ist dabei, dass der Gesetzgeber in § 5 JMStV gegenüber den bisherigen Bestimmungen des RundfunkStaatsvertrages eine andere Formulierung zur Kennzeichnung jugendschutzrelevanter Programme wählt. Bisher waren dies laut gesetzlicher Definition Sendungen, die 11 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Erläuterungen zu Teil I geeignet waren, das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern oder Jugendlichen einer bestimmten Altersgruppe zu beeinträchtigen. Nach dem nun geltenden Gesetz geht es darum, Programme danach zu beurteilen, ob sie „geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen“ (§ 5 JMStV Abs. 1). Zu § 3 Grundlage der Prüfung Seit dem 01.08.2003 ist die FSF als Einrichtung der Selbstkontrolle nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag anerkannt. Das Gesetz wählt dabei das Modell der regulierten Selbstkontrolle. Originär zuständig für die Umsetzungen der Bestimmungen des JMStV ist die KJM, die jedoch Einrichtungen der Selbstkontrolle bei Vorliegen der in § 19 JMStV aufgeführten Bedingungen anerkennt. Damit kann die FSF nahezu alle aus dem Gesetz resultierenden Aufgaben selbständig übernehmen. Die KJM kann ein Programm, das die FSF vor der Sendung freigegeben hat und bei dessen Ausstrahlung sich der Sender an die Auflagen der FSF gehalten hat, nur beanstanden, wenn die Entscheidung der FSF einen fachlich zu begründenden Beurteilungsspielraum überschritten hat. Konnte ein Programm, das nicht gem. § 4 Abs. 1 JMStV unzulässig ist, der FSF vor der Ausstrahlung nicht vorgelegt werden, so kann die KJM es nur beanstanden, wenn sie zuvor eine Entscheidung der FSF herbeigeführt hat und diese Entscheidung die Grenzen des Beurteilungsspielraums überschreitet. Tätig werden kann die KJM weiterhin bei Programmen, - bei denen der Sender die Entscheidung der FSF nicht beachtet hat, - die der FSF vor der Ausstrahlung hätten vorgelegt werden können, aber nicht vorgelegt worden sind und/oder - die zwar vor der Ausstrahlung nicht vorgelegt werden konnten, aber gem. § 4 Abs. 1 unzulässig sind. Die Prüfordnung der FSF ist nach § 19 Absatz 3 Ziffer 3 JMStV eine wesentliche Voraussetzung für die Anerkennung der FSF durch die KJM. Sie enthält eine Reihe von Regelungen, die das Gesetz zur Anerkennung der Selbstkontrolle fordert. Die Prüfordnung dient dem Ziel, die formalen und inhaltlichen Vorgaben des Gesetzes umzusetzen und gegebenenfalls zu interpretieren. 12 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Erläuterungen zu Teil I Gegenstand der Prüfung ist ausschließlich die Frage, ob Sendungen nach § 4 und § 5 JMStV unzulässig oder entwicklungsbeeinträchtigend sind. Die Qualität einer Sendung ist nur dann zu berücksichtigen, wenn sie bei der Beurteilung der Unzulässigkeit beziehungsweise Entwicklungsbeeinträchtigung eine Rolle spielt. Die Arbeit der FSF-Prüfausschüsse und ihre Prüfergebnisse besitzen eine höhere Bindungswirkung/Verbindlichkeit als bisher. Zu § 4 Ausnahmeanträge nach § 9 JMStV / Beanstandete Sendungen Grundsätzlich unterliegen nach § 5 JMStV Filme, die nach dem Jugendschutzgesetz eine Freigabe ab 16 erhalten haben, einer Sendezeitbeschränkung zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr; Filme ohne Jugendfreigabe dürfen grundsätzlich nur zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr ausgestrahlt werden. Die KJM oder die FSF können Ausnahmen zulassen, insbesondere dann, wenn die Freigabe durch die FSK mehr als 15 Jahre zurückliegt. Bevor ein Film als Ausnahmeantrag von den Ausschüssen der FSF zu Prüfung angenommen wird, muss zunächst festgestellt werden, ob ein Ausnahmetatbestand vorliegt. Dies ist generell der Fall, wenn die Prüfung mehr als 15 Jahre zurückliegt. Das Gesetz (§ 9 Abs. 1 Satz 1 JMStV) lässt aber auch im Einzelfall eine erneute Prüfung zu, ohne hierfür weitere Kriterien zu nennen. Bei der Zulassung zur Prüfung als Ausnahmeantrag muss daher festgestellt werden, ob es plausible Gründe für die Annahme gibt, dass sich gegenüber den Umständen, die zu der jeweiligen FSKFreigabe geführt haben, etwas geändert hat, das für die Bewertung unter Jugendschutzgesichtspunkten relevant ist. Die grundsätzliche Verknüpfung von Altersfreigaben und Sendezeitschienen soll dabei beachtet werden und durch willkürliche Anträge auf Ausnahmeprüfungen nicht außer Kraft gesetzt werden. Weiterhin geht es in § 4 der Richtlinien darum, Regelungen für den Umgang mit Sendungen zu treffen, die bereits von den Landesmedienanstalten beanstandet wurden oder bei denen, wie im Falle von Ausnahmegenehmigungen, in der Zeit vor der Anerkennung der FSF ein entsprechender Antrag von den Landesmedienanstalten abgelehnt wurde. Eine erneute Prüfung ist nur zulässig, wenn die in § 4 aufgeführten Voraussetzungen zutreffen. 13 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Erläuterungen zu Teil I Zu § 5 Rechte des Antragstellers Wenn der Antragsteller besonderes Interesse an einer Freigabe für eine bestimmte Sendezeitschiene bekundet und dies für die von ihm vorgelegte Fassung einer Sendung aus Jugendschutzgesichtspunkten nicht möglich ist, so soll der Ausschuss über Schnittauflagen entscheiden, soweit dadurch die beantragte Freigabe verantwortbar ist. Die in § 5 getroffenen Regelungen geben je nach Einzelfall den Ausschüssen sowie dem Antragsteller verschiedene Möglichkeiten, um innerhalb des Prüfverfahrens eine Freigabe unter Schnittauflagen zu erreichen. Zu § 6 Einbindung der juristischen Sachverständigen Die Aufgabe der Ausschüsse bezieht sich überwiegend auf die Prüfung der möglicherweise entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungen einer Sendung nach § 5 JMStV. Darüber hinaus gilt es aber auch zu prüfen, ob bestimmte Sendungen nach § 4 JMStV unzulässig sind. Kommt der Ausschuss zu dem Ergebnis, dass eine Sendung auf Grundlage der Bestimmungen des § 4 JMStV oder § 29 PrO-FSF unter Berücksichtigung der dazu in Teil III dieser Richtlinien getroffenen Erläuterungen unzulässig ist, trifft er die Entscheidung entsprechend. Der juristische Sachverständige steht dem Ausschuss dann zur Verfügung, wenn der Ausschuss bei der Bewertung Zweifel hat, ob er über den im Einzelfall notwendigen juristischen Sachverstand verfügt. Dies kann vor allem dann der Fall sein, wenn er bei neuen Formaten noch nicht über ausreichende Erfahrungen im Umgang mit den rechtlichen Kriterien verfügt oder wenn zu neuen Unzulässigkeitstatbeständen noch keine ausreichende Spruchpraxis vorliegt. 14 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Erläuterungen zu Teil II ZU TEIL II: PRÜFUNG DER ENTWICKLUNGSBEEINTRÄCHTIGUNG BEI ZULÄSSIGEN PROGRAMMEN Zu § 7 Ziel der Prüfungen Die vom Gesetzgeber in § 5 JMStV verwendete Generalklausel für die Prüfung unter Jugendschutzgesichtspunkten (Entwicklungsbeeinträchtigung) soll hier in einen Gesamtkontext gestellt und präzisiert werden. Das, was als für die Entwicklung beeinträchtigend angesehen wird, kann je nach Standpunkt des Betrachters sehr unterschiedlich sein. Zu beachten ist, ob eine Sendung nicht gegen Bestimmungen des § 4 JMStV verstößt und damit unzulässig ist. Eine Prüfung nach Gesichtspunkten der Entwicklungsbeeinträchtigung kann nur für zulässige Sendungen stattfinden. Zu § 8 Umgang mit Darstellungen von Gewalt Eine Gewalt legitimierende Wirkung kommt vor allem bei Filmen in Betracht, in denen der Held, mit dem sich der Zuschauer nach der Anlage des Films identifiziert, Gewalt ohne nachvollziehbaren und zu rechtfertigenden Grund anwendet, damit erfolgreich ist und sein Verhalten für ihn folgenlos bleibt. Darüber hinaus zählen dazu Filme, die Gewalthandlungen ohne einen einordnenden Kontext darstellen und ihren Reiz für den Zuschauer ausschließlich aus den spektakulären oder detaillierten Bildern beziehen. Bei der Beurteilung von Einzelszenen ist darauf zu achten, ob die Gewalt aus der Perspektive des Täters oder des Opfers gezeigt wird. Auch wenn die opfer-zentrierte Perspektive beim Zuschauer oft erheblichen Einfühlungsstress verursacht und für den Laien als unerträglich und damit gewaltfördernd empfunden wird, so erzeugt sie doch ein starkes Mitgefühl mit dem Opfer und bewirkt beim Zuschauer letztendlich eher eine Ablehnung der Gewalt. Die Täterperspektive hingegen macht die dargestellte Gewalt leichter konsumierbar, der Zuschauer identifiziert sich mit der Macht und Stärke des Täters und empfindet kein Mitgefühl für die Opfer. In solchen Fällen ist eher ein Ansteigen der Gewaltbereitschaft und der Akzeptanz von Gewalt zu befürchten. 15 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Erläuterungen zu Teil II Zu § 9 Umgang mit Filmen, die Ängste auslösen können Es ist wohl eine verbreitete Fehleinschätzung, dass Kinder in einem angstfreien Umfeld aufwachsen. Viele Situationen, die für jeden Erwachsenen ohne weiteres als ungefährlich einschätzbar sind, können bei Kindern große Ängste auslösen: Der dunkle Keller oder der angeleinte, aber laut bellende Hund auf dem Weg in den Kindergarten oder in die Schule stellen für kleinere Kinder scheinbar unüberwindbare Hürden da. Kinder können auch nicht realistisch einschätzen, wie gefährlich die im Film dargestellten Situationen sind. Sie reagieren spontan auf Gesichtsausdrücke: Ein Mensch, der ein ängstliches Gesicht hat, zeigt mehr Angst als ein Mensch mit unbeweglichem Gesichtsausdruck, dem gerade die Erschießung droht. In Bezug auf Filme verändern Kinder spontan ihre Gefühlsäußerungen: Furcht, Entspannung und Freude wechseln oft in sehr kurzen Abständen. Würde man Kinder grundsätzlich von Angst auslösenden Inhalten fernhalten, fehlten ihnen wichtige Lernfelder, in denen sie proben können, Ängste zu empfinden, auszuhalten und zu überwinden. Die Simulation Angst auslösender Handlungen, die daraus entstehende Spannung und die Entspannung, wenn die Bedrohung beseitigt ist, gehört auch für Kinder zu den ausschlaggebenden Motiven, sich Filme anzuschauen. Dass Kinder lernen, Ängste, die während der Filmrezeption entstehen können, auszuhalten, kann ihnen auch den Umgang mit realen Ängsten erleichtern. Kinder lernen darüber hinaus schnell die genretypischen Strukturen von Filmen kennen und wissen daher, dass Filmhelden, aus deren Perspektive sie die Handlung erleben, Gefahren und Bedrohungen überwinden. Dies gibt ihnen die Hoffnung, dass auch sie die Ängste in der Realität überwinden können. Zu beachten ist weiterhin, dass für Kinder der Tod noch nicht als etwas Endgültiges erscheint und sie noch nicht wissen, was er tatsächlich bedeutet. Für sie hat daher der dargestellte Tod im Film nicht die Bedeutung wie für erwachsene Zuschauer. Kinder identifizieren sich stark mit anderen Kindern oder auch mit Tieren, die in Gefahr geraten. Werden beispielsweise Kinder über einen langen Zeitraum von erwachsenen Verbrechern gefangen gehalten und bedroht, ohne dass sich für das Kind bald Lösungsmöglichkeiten abzeichnen, löst dies höhere Angstreaktionen aus, als wäre ein Erwachsener in der gleichen Situation. Kinder können und müssen zwar Ängste aushalten, sie sind aber überfordert, wenn die Ängste während des gesamten Films (von durchschnittlicher Dauer) ununterbro16 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Erläuterungen zu Teil II chen anhalten. Dies gilt vor allem für Kinder unter 10 Jahren, da sie noch nicht in der Lage sind, die nachhaltige Wirkung einzelner Szenen durch das Verständnis des Gesamtkontextes zu verarbeiten, und für Kinder unter 8 Jahren, da sie Realität und Fiktion noch nicht ausreichend unterscheiden können. Sie benötigen Erholungsphasen und episodische Lösungen, weil sie daraus die Gewissheit erlangen, dass ihre Identifikationsfigur die Gefahr überwinden wird. Folgt man der Entwicklungspsychologie, so hängt die entsprechende Verarbeitungsfähigkeit von Kindern eher mit individuellen Faktoren als mit ihrem Alter zusammen. Insofern muss es zu einem Teil den Eltern überlassen bleiben, die Sensibilität ihrer Kinder einzuschätzen. Ab 12-Jährige sind bereits in der Lage, Filmkontexte zu verstehen und durch die z. B. im Happy End gegebene Überwindung der Gefahr zum Ende des Films ihre Ängste aufzulösen. Zu § 10 Umgang mit der Darstellung von Sexualität und Geschlechterbeziehungen In unserer pluralistischen Gesellschaft gehen die Vorstellungen darüber, was als anstößig gilt oder ab welchem Alter welche sexuellen Praktiken in welcher Form von Beziehung adäquat sind, weit auseinander. Es ist nicht die Aufgabe des Jugendschutzes, durch Beschränkungen bestimmter Darstellungen eine bestimmte gesellschaftliche Moral zu unterstützen. Allerdings sind nach verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der Thematisierung oder Darstellung von Sexualität die Menschenwürde, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Gleichheit der Geschlechter und der Schutz von Ehe und Familie zu berücksichtigen. Die Menschenwürde kann verletzt sein, wenn der Mensch zum Objekt herabgewürdigt wird. Die Menschenwürde (vgl. Teil III § 14 (7)) ist grundsätzlich zu beachten; Programme, die sie bezüglich der sexuellen Selbstbestimmtheit im Gesamtkontext negieren, sind daher unzulässig, es sei denn, die diesbezüglichen Botschaften werden durch den Gesamtkontext relativiert. Gerade Heranwachsenden zwischen 12 und 15 Jahren muss ein Freiraum zugestanden werden, damit sie die physische und psychische Reife entwickeln können, um selbst bestimmen zu können, ob sie sexuelle Beziehungen eingehen. Es geht nicht darum, ihnen das Recht auf Sexualität abzusprechen, sondern darum, ihnen 17 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Erläuterungen zu Teil II eine eigene, selbstbestimmte Entscheidung und Entwicklung zu ermöglichen. Die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit setzt voraus, dass sie nicht durch Medieninhalte den Zwang verspüren, sexuelle Erfahrungen zu benötigen, um mit anderen Gleichaltrigen mithalten zu können. Gerade in dieser Altersphase haben wir es mit großen Entwicklungsunterschieden zu tun und die Heranwachsenden sollten eher ermutigt werden, sich nicht zu sexuellen Handlungen drängen zu lassen, wenn sie es selbst nicht wollen, als dass sie durch mediale Darstellungen dazu veranlasst werden, sexuelle Beziehungen nur einzugehen, um vermeintlich den eigenen Selbstwert zu steigern. Für die Präsentation bestimmter Sexualpraktiken oder Beziehungskonzepte gilt: Solange Menschen selbstbestimmt und in gegenseitiger Übereinkunft handeln, kann bei der Bewertung größere Toleranz gewährt werden. Wird aber eine sexuelle Praktik oder ein Beziehungskonzept in einem Kontext thematisiert oder dargestellt, in dem der Eindruck entsteht, jeder müsse dies(e) erleben und alle anderen Praktiken oder Beziehungskonzepte seien weniger wert, so könnte dies für die bis 16-Jährigen beeinträchtigend bei der Entwicklung einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit sein, da ihnen mangels eigener Erfahrung in der Regel die Einschätzungsmöglichkeiten fehlen. Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der Verfassung. Das heißt nicht, dass andere Formen des Zusammenlebens oder andere Lebenskonzepte abzulehnen sind, sie können also thematisiert und dargestellt werden. Das Konzept von Ehe und Familie sollte aber nicht generell abgelehnt, verunglimpft oder lächerlich gemacht werden. In Programmen vermittelte Rollenklischees, die beispielsweise die Unterordnung des einen Geschlechts unter das andere zum Ausdruck bringen, müssen vor allem bezüglich der Altersgruppe der bis 16-Jährigen daraufhin überprüft werden, ob sie angesichts der Unerfahrenheit und Orientierungssuche in dieser Altersphase eine entsprechende negative Wirkung erzeugen können. Bei der Prüfung kommt es weniger darauf an, dass die hier skizzierten Schutzzwecke durch die Handlung oder die Darstellung tangiert werden; es ist vielmehr zu prüfen, ob ein Programm geeignet ist, Einstellungen oder Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen der entsprechenden Altersgruppen nachhaltig zu beeinflussen. 18 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Erläuterungen zu Teil II Zu § 11 Sendungen im Tagesprogramm Die Verarbeitungsfähigkeit setzt z. B. bestimmte historische Kenntnisse voraus, die bei den Jüngeren kaum zu erwarten sind. Filme wie Schindlers Liste, die bereits für die Freigabe im Hauptabendprogramm kontrovers diskutiert wurden, sind daher für das Tagesprogramm nicht geeignet, da jüngeren Kindern die Fähigkeit fehlt, sich von der Handlung durch die Kenntnis des historischen Kontextes zu distanzieren. Aufgrund ihrer mit 12 Jahren gut entwickelten Fähigkeit, dramaturgische Zusammenhänge nachzuvollziehen und Ängste emotional zu steuern, sind Filme verantwortbar, die Gewalthandlungen in einer Weise thematisieren, die zwar belastend ist, sich in ihrer Gesamtaussage jedoch gegen die Gewaltereignisse wenden. Ob eine Freigabe dieser Filme für das Tagesprogramm in Betracht kommt, muss im Einzelfall unter Berücksichtigung der hier aufgestellten Grundsätze erörtert werden. Es ist davon auszugehen, dass Filme mit einer Freigabe ab 12 Jahren auch im Tagesprogramm ausgestrahlt werden können, sofern sie nicht für jüngere Kinder unter 12 Jahren ein erhebliches Angstrisiko enthalten oder andere Wirkungsrisiken, die aufgrund geringerer Verarbeitungsfähigkeit dieser Altersgruppen angenommen werden können. Der Gesetzgeber legt also eine Freigabe ohne Altersbeschränkung oder ab 6 Jahren nicht als grundsätzliche Voraussetzung für die Ausstrahlung im Tagesprogramm fest. Er geht davon aus, dass die Rezeption von Fernsehprogrammen und die Verantwortung für einen adäquaten Fernsehkonsum nicht ausschließlich beim Programmveranstalter, sondern auch in der Familie liegt. Hier sieht der Gesetzgeber einen Unterschied zu Kino- oder Videofilmen, die im öffentlichen Raum zugänglich gemacht werden. In diesem Fall sieht das Gesetz eine stärkere Differenzierung nach Altersstufen vor. Im Bereich des Fernsehens kam der Veranstalter vor 1994 seiner Verantwortung ausreichend nach, wenn er in der Zeit zwischen 06.00 Uhr und 22.00 Uhr Sendungen ausstrahlte, die für eine Freigabe ab 12 Jahren geeignet sind. Filme mit einer Freigabe ab 12 Jahren waren im Tagesprogramm ohne Einschränkungen einsetzbar. Dies wurde geändert, weil einige Sender damals die 12er-Filme des Hauptabendprogramms regelmäßig am Vormittag im direkten zeitlichen Umfeld der regelmäßigen Kindersendungen wiederholten. Darunter befanden sich beispielsweise auch Kriegsfilme, deren Dramaturgie und Kontext zwar von 12-Jährigen ohne Beeinträchtigung verarbeitet werden konnten, die aufgrund der Massierung von Gewaltdarstellungen ohne kindgerechte Pausen zur Verarbeitung für jüngere Kinder 19 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Erläuterungen zu Teil II jedoch zu belastend erschienen. Dies veranlasste den Gesetzgeber, die Zulassung von 12er-Filmen im Tagesprogramm einzuschränken. Es wurde eine Formulierung in das Gesetz aufgenommen, die den Sender verpflichtet, bei der Ausstrahlung von 12er-Filmen durch die Wahl der Sendezeit dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung zu tragen. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass beispielsweise nur Filme, die eine Freigabe ab 6 Jahren erhalten haben, im Tagesprogramm ausgestrahlt werden dürfen, so hätte er dies ohne weiteres im Gesetz festschreiben können. Es geht also wohl nicht um eine klare Altersdifferenzierung für das Tagesprogramm, sondern eher darum, die grundsätzliche Sendeerlaubnis für 12er-Filme im Tagesprogramm für solche Filme einzuschränken, bei denen das Wirkungsrisiko aufgrund ihres Themas, ihrer Art der Darstellung und des Kontextes bei Kindern vor Vollendung des 12. Lebensjahres nicht vertretbar ist. Dabei kann sich die Wahl der Sendezeit nicht nur auf eine bestimmte Tageszeit beziehen, sondern beispielsweise auch auf das Programmumfeld. So sollten entsprechende Filme beispielsweise nicht zu einer Zeit ausgestrahlt werden, zu denen Eltern und Kinder spezielle Kinderprogramme erwarten. Die Landesmedienanstalten haben in ihren Richtlinien aus dem Jahre 2000 festgeschrieben, dass dem Wohl jüngerer Kinder auf jeden Fall dann Rechnung getragen wird, wenn ein 12er-Film, der diese Kennzeichnung aufgrund seiner Gewalthaltigkeit erhalten hat, im Hauptabendprogramm ausgestrahlt wird. Abgesehen von den erwähnten Ausnahmen will es der Gesetzgeber in die Entscheidungskompetenz der Eltern legen, welche Programme ihre unter 12-jährigen Kinder verkraften können. Dies korrespondiert auch damit, dass nach § 14 JuSchG auch 6Jährigen dann der Besuch von Filmen gestattet wird, die ab 12 Jahren freigegeben sind, wenn sie in Begleitung ihrer Eltern ins Kino gehen. Diese Parental-GuidanceRegelung entspricht im Übrigen den Annahmen der Entwicklungspsychologie, die davon ausgeht, dass die unterschiedlichen Sensibilitäten und Verstehensfähigkeiten bei Kindern eher von individuellen Dispositionen und Erfahrungen abhängig sind als von ihrem Alter. Eine entsprechende Einschätzung können also am besten die Eltern vornehmen. Bei der Freigabe von Sendungen im Tagesprogramm geht es also um eine Risikoabwägung. Grundsätzlich ist die Beeinträchtigung der ab 12-Jährigen zu prüfen, die jüngeren Altersgruppen sind aber dadurch zu berücksichtigen, dass Programme, die – gemessen an übrigen ab 12 Jahren freigegebenen Sendungen – ein höheres Wir20 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Erläuterungen zu Teil II kungsrisiko aufweisen, für das Tagesprogramm nicht freigegeben werden dürfen. Geht beispielsweise aus einem Jugendentscheid zu einem Film, der in der Kino- oder Videofassung von der FSK geprüft wurde, hervor, dass eine überstimmte Minderheit für eine Freigabe ab 16 Jahren gestimmt hat, so ist dies auf jeden Fall ein Hinweis darauf, dass der Film bei einer Ausstrahlung im Tagesprogramm das Wohl jüngerer Kinder tangieren könnte. Zu § 12 Beurteilung von nicht-fiktionalen Programmen Entscheidende Faktoren für die Wirkung nicht-fiktionaler Programme sind vor allem darin zu sehen, dass der Zuschauer davon ausgeht, dass die Darstellungen und Handlungen nicht gespielt sind und nicht auf erfundenen Geschichten basieren. Im Gegensatz zu den fiktionalen Programmen ist der Zuschauer in solche Formate weniger emotional involviert, da die vor allem in Spielfilmen eingesetzten Identifikationen, Emotionalisierungen und Dramaturgien weitgehend fehlen. Er kann sich gegenüber solchen Formaten weniger distanzieren, sie besitzen eine höhere Wirklichkeitsrelevanz. Dies trifft vor allem auf Nachrichten oder auf Berichterstattung zu. Unterhaltende Formate wie Talk-Shows, Gerichtsshows oder so genannten Reality-Soaps (Big Brother etc.) sind Mischformen, die fiktionale und nonfiktionale Elemente enthalten. Medienkompetente, erfahrene und ältere minderjährige Zuschauer wissen aber auch durch die Kommentierung solcher Formate in anderen Medien, dass solche Formate weitgehend inszeniert sind und daher nicht unmittelbar die Realität abbilden. Dennoch dienen sie, wie vergleichbare Personen im Leben der Zuschauer, durch Aneignung oder Ablehnung der eigenen Orientierung. 21 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 TEIL III: § 4 JMSTV: UNZULÄSSIGE SENDUNGEN Auszug: Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (vom 27.09.2002, gültig ab 01.04.2003) § 4 JMStV: Unzulässige Angebote (1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn sie 1. Propagandamittel im Sinne des § 86 des Strafgesetzbuches darstellen, deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist, 2. Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sinne des § 86a des Strafgesetzbuches verwenden, 3. zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, dass Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden, 4. eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 und § 7 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, leugnen oder verharmlosen, 5. grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen, 6. als Anleitung zu einer in § 126 Abs. 1 des Strafgesetzbuches genannten rechtswidrigen Tat dienen, 7. den Krieg verherrlichen, 8. gegen die Menschenwürde verstoßen, insbesondere durch die Darstellung von Menschen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren, wobei ein tatsächliches Geschehen wiedergegeben wird, ohne dass ein berechtigtes Interesse gerade für diese Form der Darstellung oder Berichterstattung vorliegt; eine Einwilligung ist unbeachtlich, 9. Kinder oder Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen, 10. pornografisch sind und Gewalttätigkeiten, den sexuellen Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand haben; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen, oder 11. in den Teilen B und D der Liste nach § 18 des Jugendschutzgesetzes aufgenommen sind oder mit einem in dieser Liste aufgenommen Werk ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind. In den Fällen der Nummern 1 bis 4 und 6 gilt § 86 Abs. 3 des Strafgesetzbuches, im Falle der Nummer 5 § 131 Abs. 3 des Strafgesetzbuches entsprechend. (2) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote ferner unzulässig, wenn sie 1. in sonstiger Weise pornografisch sind, 2. in den Teilen A und C der Liste nach § 18 des Jugendschutzgesetzes aufgenommen sind oder mit einem in dieser Liste aufgenommenen Werk ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind, oder 3. offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit unter Berücksichtigung der besonderen Wirkungsform des Verbreitungsmediums schwer zu gefährden. In Telemedien sind Angebote abweichend von Satz 1 zulässig, wenn von Seiten des Anbieters sichergestellt ist, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden (geschlossene Benutzergruppe). (3) Nach Aufnahme eines Angebotes in die Liste nach § 18 des Jugendschutzgesetzes wirken die Verbote nach Absatz 1 und 2 auch nach wesentlichen inhaltlichen Veränderungen bis zu einer Entscheidung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. 22 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen § 13 Allgemeines Welche Programme unzulässig sind, ergibt sich aus § 4 JMStV und §§ 29, 30 PrO-FSF. Gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 11, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JMStV und § 15 Abs. 1 PrO-FSF sind drei Arten unzulässiger Programme zu unterscheiden. Programme, die mit einem von der Bundesprüfstelle indizierten Medium inhaltsgleich sind oder vor der Vornahme von Schnitten inhaltsgleich waren, werden vor ihrer Freigabe durch die Bundesprüfstelle nicht geprüft. Bei Programmen, bei denen in Betracht kommt, dass sie gem. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 6, 8 oder 9 JMStV, § 29 Abs. 1 bis 6, 8 oder 9 PrO-FSF unzulässig sind, wird darüber von einem juristischen Sachverständigen entschieden. Über die Unzulässigkeit von Programmen gem. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 und 10, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 3, § 29 Abs. 7, § 10 und § 30 PrO-FSF entscheiden die Prüfausschüsse oder Einzelprüfer. Gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 JMStV ist in den Fällen des S. 1 Nr. 1 bis 4 und 6 die Sozialadäquanzklausel des § 86 Abs. 3 StGB entsprechend, d. h. so, wie sie in § 29 Abs. 12 S. 1 PrO-FSF formuliert ist, anzuwenden. Von praktischer Bedeutung ist sie jedoch nur in den Fällen des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 29 Abs. 2 PrO-FSF (Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen). In den anderen im Gesetz und § 29 Abs. 12 S. 1 PrO-FSF genannten Fällen (Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen, Volksverhetzung, „Auschwitzlüge“, Anleitung zu Straftaten) kommt das Eingreifen der Sozialadäquanzklausel nicht in Betracht. 23 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen § 14 Nicht zu prüfende („indexbetroffene“) Programme (§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 11, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JMStV, § 29 Abs. 11 PrO-FSF): § 4 JMStV (1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn sie 11. in den Teilen B und D der Liste nach § 18 des Jugendschutzgesetzes aufgenommen sind oder mit einem in dieser Liste aufgenommen Werk ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind (2) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote ferner unzulässig, wenn sie 2. in den Teilen A und C der Liste nach § 18 des Jugendschutzgesetzes aufgenommen sind oder mit einem in dieser Liste aufgenommenen Werk ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind Erläuterung: Nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 11, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JMStV sind Programme unzulässig, die mit einem in einen der vier Teile der Liste der jugendgefährdenden Medien aufgenommenen Medium ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind. Gem. § 4 Abs. 3 JMStV gilt das Sendeverbot aber nicht nur im Fall der Inhaltsgleichheit, sondern besteht auch nach wesentlichen inhaltlichen Änderungen fort. Es endet erst mit einer Freigabeentscheidung der Bundesprüfstelle. Programme, die mit einem in einen der vier Teile der Liste aufgenommenen Medium inhaltsgleich sind oder waren, werden daher vor einer Freigabe durch die Bundesprüfstelle von der FSF nicht inhaltlich geprüft. Obwohl der JMStV nur Programme nennt, die in einen der durch das JuSchG eingeführten vier Teile der Liste jugendgefährdender Medien aufgenommen sind, gilt dies – der Intention des Gesetzes entsprechend – auch für Programme, die mit einem in die frühere, einheitliche Liste jugendgefährdender Schriften aufgenommenen Medium inhaltsgleich sind oder waren. 24 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen § 15 Programme, über deren Unzulässigkeit, der juristische Sachverständige entscheidet (§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 6, 8, 9 JMStV, § 29 Abs. 1 bis 6, 8, 9 PrO-FSF i. V. m. § 15 PrO-FSF): (1) § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 JMStV, § 29 Abs. 1 PrO-FSF (Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen): § 4 JMStV (1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn sie 1. Propagandamittel im Sinne des § 86 des Strafgesetzbuches darstellen, deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist Erläuterung: Unzulässig sind nach diesen Bestimmungen Sendungen, die Propagandamittel i. S. d. § 86 StGB „darstellen“. Dabei ist unter „darstellen“ nicht das Zeigen oder Abbilden solcher Propagandamittel (z. B. von Plakaten oder Flugblättern) zu verstehen. Das Sendeverbot gilt vielmehr nur, wenn eine Sendung ein Propagandamittel ist. Das setzt u. a. voraus, dass sie sich ihrem Inhalt nach gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Anlass, eine Sendung von einem juristischen Sachverständigen prüfen zu lassen, besteht daher, wenn sie - gegen die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung oder das demokratische Wahlrecht Stellung nimmt, z. B. den „Volkskampf gegen Demokratie und Ausbeutung“ propagiert, - sich gegen die Bindung der Gesetzgebung an die Verfassung und die der Exekutive und der Rechtsprechung an Recht und Gesetz wendet, - sie die Abschaffung des Rechts auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition fordert, z. B. für die Schaffung einer Einheitspartei oder eines „volksdemokratischen“ Regimes eintritt, 25 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen - sich gegen den Grundsatz der Ablösbarkeit der Regierung und deren parlamentarische Verantwortlichkeit richtet oder - gegen den Ausschluss von Gewalt- und Willkürherrschaft Stellung nimmt. Eine juristische Prüfung ist ferner angezeigt, wenn eine Sendung sich gegen das friedliche Zusammenleben der Völker auf der Grundlage gewaltloser Einigung wendet. (2) § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 JMStV, § 29 Abs. 2 PrO-FSF (Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen): § 4 JMStV (1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn sie 2. Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sinne des § 86a des Strafgesetzbuches verwenden Erläuterung: Kennzeichen sind nach der in § 29 Abs. 2 PrO-FSF wiedergegebenen Bestimmung des § 86a Abs. 2 StGB insbesondere Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Diese Aufzählung ist jedoch nicht abschließend, so dass nach allgemeiner Meinung auch Lieder in Betracht kommen. Als NS-Kennzeichen werden von der Rechtsprechung daher auch das „Horst Wessel-Lied“ sowie das Lied „Es zittern die morschen Knochen“ angesehen, wobei bereits die Melodien ausreichen sollen, so dass ein verfremdeter Text den Kennzeichencharakter nicht ausschließt. NS-Kennzeichen ist nach einer Entscheidung des BGH auch das Porträt Hitlers. Das Verwendungsverbot gilt nur für Kennzeichen der in § 29 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 4 PrO-FSF genannten Parteien oder Vereinigungen. Eine vollständige Liste aller verbotenen Parteien und Vereinigungen, ihrer Ersatzorganisationen sowie ihrer Kennzeichen ist jedoch, soweit ersichtlich, nicht erhältlich. Eine Liste der wegen Rechtsextremismus verbotenen Organisationen findet sich jedoch in der im Internet angebotenen Information des Landeskriminalamts Niedersachsen. Dort sind auch die ebenfalls von dem Verwendungsverbot erfassten NS-Kennzeichen aufgeführt (z. B. Hakenkreuz, SS-Runen, der Hitlergruß, die Grußformen „Heil Hitler!“, „Sieg Heil!“, „Mit deutschem Gruß!“ usw.). Hinzuweisen ist ferner darauf, dass die FDJ seit 1954 in der 26 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen Bundesrepublik verboten ist, so dass auch die Verwendung ihres Abzeichens unzulässig ist. Zu beachten ist, dass neben den Originalkennzeichen auch solche unter das Verbot fallen, die den Originalen zum Verwechseln ähnlich sind. Dies ist von der Rechtsprechung z. B. bei Hakenkreuzen mit zu kurzen Querbalken und bei der leicht veränderten Sigrune des „Deutschen Jungvolks“ angenommen worden. Weitere Beispiele finden sich in der erwähnten Information des Landeskriminalamts Niedersachsen. Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 JMStV ist eine Sendung schon dann unzulässig, wenn sie eines der hier fraglichen Kennzeichen „verwendet“, d. h. optisch oder akustisch wahrnehmbar macht. In aller Regel werden Sendungen, in denen diese Kennzeichen zu sehen oder zu hören sind, jedoch zulässig sein. Denn gem. § 4 Abs. 1 S. 2 JMStV ist die sog. Sozialadäquanzklausel des § 86 Abs. 3 StGB im Fall des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 JMStV entsprechend, d. h. so, wie sie in § 29 Abs. 12 S. 1 PrO-FSF formuliert ist, anzuwenden. Bei Spielfilmen, TV-Movies usw., die z. B. in der NS-Zeit spielen, ist die Verwendung entsprechender Kennzeichen daher durch die Kunstfreiheit gedeckt. Dasselbe gilt für Spielfilme aus der NS-Zeit. Aufgrund der Kunstfreiheit ist ferner auch die satirische Verwendung der hier fraglichen Kennzeichen erlaubt. Dokumentationen und sonstige Informationssendungen, die sich z. B. mit der NS-Zeit oder mit heutigen rechtsradikalen Organisationen befassen, dürfen entsprechende Kennzeichen verwenden, weil sie der Berichterstattung über Vorgänge der Geschichte oder des Zeitgeschehens dienen. Im Übrigen ist es nach der Rechtsprechung auch erlaubt, die hier fraglichen Kennzeichen ironisch oder zur kritischen Kennzeichnung von Personen oder Zuständen zu verwenden. So wäre es nicht zu beanstanden, wenn ein Moderator einen Bericht über eine ausländerfeindliche Aktion mit „Sieg Heil!“ kommentieren würde, um die Aktion als nazistisch zu brandmarken. Einer Prüfung durch einen juristischen Sachverständigen bedarf es daher nur, wenn in einer Sendung Kennzeichen i. S. d. § 86a StGB verwendet werden und zweifelhaft ist, ob dies durch die Sozialadäquanzklausel des § 29 Abs. 12 S. 1 PrO-FSF gedeckt ist oder ironisch oder kritisch zu verstehen ist. 27 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen (3) § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 JMStV, § 29 Abs. 3 PrO-FSF (Volksverhetzung): § 4 JMStV (1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn sie 3. zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffor-dern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, dass Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden Erläuterung: Teile der Bevölkerung sind Gruppen der inländischen Bevölkerung, die sich durch irgendein gemeinsames Merkmal von der anderen inländischen Bevölkerung unterscheiden (z. B. die Arbeiter, Soldaten, Beamten, Richter, Ausländer, Asylbewerber, „dunkelhäutigen Menschen“, Juden, Katholiken, Protestanten, Schwaben, Bayern usw.). Außer Gruppen der innerdeutschen Bevölkerung schützt die Bestimmung aber auch im Ausland lebende Gruppen von Menschen, die durch ihre Nationalität, ihre Rasse, Religion oder ihr Volkstum gekennzeichnet sind. Geschützt sind also z. B. auch die Aborigines in Australien und die Amish People in den U.S.A. Aufstacheln zum Hass ist das Anreizen zu einer nicht nur ablehnenden, sondern gesteigert feindseligen Haltung gegen die Angehörigen der betroffenen Gruppe. Darunter fällt z. B. die Behauptung, die Juden betrieben als Urheber einer Vernichtungslegende die politische Unterdrückung und finanzielle Ausbeutung des deutschen Volkes, die Parole „Juda verrecke!“ und die Darstellung von Asylbewerbern als betrügerische Schmarotzer, die auf Kosten der schwer arbeitenden Deutschen ein faules Leben führen und sich über die dummen Deutschen auch noch lustig machen. Zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen wird aufgefordert, wenn zu körperlicher Gewalt, gewaltsamer Vertreibung, Eingriffen in die Freiheit oder zu sonstigem diskriminierenden Verhalten (z. B. Boykott) aufgerufen wird. Beim Beschimpfen, Verächtlichmachen oder Verleumden einer geschützten Gruppe muss hinzukommen, dass damit die Menschenwürde der Angehörigen der Gruppe angegriffen wird. Da der Begriff der Menschenwürde hier ebenso zu verstehen ist wie in Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG (dazu Näheres unten (7)), ist dies der Fall, wenn Gruppenangehörigen als „Unpersonen“, als minderwertige Wesen dargestellt werden, denen entweder das Recht auf ihr biologisches Leben (z. B. durch die Äußerung, dass man Ausländer „vergasen“ solle oder 28 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen die Darstellung von Kapitalisten als „Pappscheiben“, auf die man schießen könne) oder das Recht auf ein Leben als gleichwertige Persönlichkeiten bestritten wird (z. B. durch einen Bericht über schwarz/weiße Ehen, in dem von „gierigen schwarzen Pranken auf der weißen Haut“ die Rede ist, oder durch die Bezeichnung der Gruppenangehörigen als unwürdig, bestimmte Ämter zu bekleiden). Die Begehungsmodalitäten der Volksverhetzung werfen vielfache Abgrenzungs- und Streitfragen auf. Die juristische Prüfung einer Sendung ist daher stets angezeigt, wenn aufgrund der vorgenannten Kriterien und Beispiele Zweifel an ihrer Zulässigkeit bestehen. Unzulässigkeit gem. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 JMStV, § 29 Abs. 3 PrO-FSF setzt allerdings voraus, dass die fragliche Sendung selbst eine volksverhetzende Tendenz verfolgt. Sendungen, die über volksverhetzende Äußerungen, Schriften, Filme usw. informieren und sie dabei ganz oder teilweise wiedergeben, sind nicht unzulässig, ebenso wenig z. B. Spielfilme, in denen eine Figur volksverhetzende Äußerungen macht. Bestehen jedoch Anzeichen dafür, dass eine solche Sendung sich die fraglichen Äußerungen, die in ihr vorkommen – sei es auch „zwischen den Zeilen“ – zu Eigen macht, so ist sie rechtlich zu prüfen. (4) § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 JMStV, § 29 Abs. 4 PrO-FSF („Auschwitz-Lüge“): § 4 JMStV (1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn sie 4. eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 und § 7 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, leugnen oder verharmlosen Erläuterung: Das Verbot des Verharmlosens und Leugnens gilt bezüglich solcher unter dem NSRegime begangener Taten, die die Voraussetzungen der §§ 6 Abs. 1 oder 7 VStGB erfüllen. § 6 Abs. 1 VStGB erfasst Taten, die zu dem Zweck begangen werden, eine nationale, rassische, religiöse oder ethnische Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören. Die29 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen sem Zweck diente die nationalsozialistische Verfolgung von Juden, Sinti und Roma, nicht jedoch das NS-„Euthanasieprogramm“ gegen Geisteskranke oder die Verfolgung politischer Gegner. Obwohl § 6 VStGB die Überschrift „Völkermord“ trägt, erfasst die Bestimmung nicht nur (massenweise) Tötungen. Vielmehr genügt, sofern damit der vorgenannte Zweck verfolgt wird, schon die Tötung oder schwere körperliche oder seelische Schädigung eines einzelnen Mitglieds der Gruppe (z. B. durch medizinische Experimente), ferner das Schaffen zerstörerischer Lebensbedingungen für Gruppenmitglieder (z. B. in Konzentrationslagern oder Ghettos) sowie Maßnahmen zur Verhinderung von Geburten in der Gruppe und das Trennen von Kindern von ihrer Gruppe. § 7 VStGB betrifft Verbrechen gegen die Menschlichkeit und erfasst Taten im Rahmen völkerrechtswidriger ausgedehnter oder systematischer Angriffe gegen eine Zivilbevölkerung. Bei den meisten der in § 7 VStGB genannten Taten handelt es sich um Gewaltakte (Tötung, schwere körperliche oder seelische Schädigung, Freiheitsberaubung, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Vertreibung, zwangsweise Umsiedlung), bei denen es genügt, dass ein Einzelner betroffen ist. Daneben nennt die Bestimmung aber auch zwei Taten, die sich gegen Gruppen von Menschen richten. Die eine besteht darin, dass eine Bevölkerung oder Teile einer Bevölkerung in der Absicht der Zerstörung unter entsprechende Lebensbedingungen gestellt werden, die andere darin, dass eine Gruppe oder Gemeinschaft aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen, aus Gründen des Geschlechts oder sonstigen den allgemeinen Regeln des Völkerrechts widersprechenden Gründen verfolgt wird, indem ihr grundlegende Menschenrechte entzogen oder wesentlich eingeschränkt werden. Das Leugnen von NS-Taten des Völkermords oder des Verbrechens gegen die Menschlichkeit muss nicht ausdrücklich und konkret erfolgen, sondern kann auch „zwischen den Zeilen“ und pauschal geschehen, indem z. B. Vernichtungslager als Erfindung bezeichnet werden oder Begriffe wie „Auschwitzlüge“ oder „Auschwitzmythos“ verwendet werden. Das Verharmlosen kann sowohl in einem teilweisen Leugnen (z. B. durch Herunterspielen der Zahl der Opfer) als auch in der Beurteilung der 30 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen NS-Taten als „nicht so schlimm“ (z. B. bei Vergleich mit der Gesamtzahl der Opfer des 2. Weltkriegs oder späterer Kriege oder Bürgerkriege) bestehen. Vorbild des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 JMStV ist § 130 Abs. 3 StGB, der nicht nur das Leugnen und das Verharmlosen der hier fraglichen NS-Taten unter Strafe stellt, sondern auch das Billigen. Offenbar haben Verfasser und Gesetzgeber des JMStV dies übersehen und diese Tatmodalität nicht in § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 JMStV aufgenommen. Folge ist, dass nach dem Gesetzeswortlaut eine Sendung, die z. B. den Massenmord an den Juden weder leugnen, noch verharmlosen, aber z. B. als „bittere Notwendigkeit“ darstellen würde, zulässig wäre. Schon wegen der Strafbarkeit einer solchen öffentlichen Billigung, wäre jedoch auch eine derartige Sendung von der FSF als unzulässig zu behandeln. Zu beachten ist, dass eine Sendung – wie sich aus dem zu § 6 Abs. 1 und § 7 VStGB Gesagten ergibt – nicht erst dann unzulässig ist, wenn sie z. B. den Massenmord an den Juden in Abrede stellt, sondern auch dann, wenn sie eine Tat leugnet, verharmlost oder billigt, die gegen eine einzelne Person begangen worden ist. Zu beachten ist andererseits aber auch, dass das Sendeverbot nur dann eingreift, wenn das Leugnen, Verharmlosen oder Billigen Aussage der Sendung ist. Sendungen, die über solche Aussagen nur berichten, oder Diskussionssendungen, in denen „Unbelehrbare“ ihre Auffassung vertreten, sind zulässig. Freilich ist darauf zu achten, ob eine solche Sendung sich derartige Äußerungen nicht „zwischen den Zeilen“ zu Eigen macht. Eine juristische Prüfung ist hiernach angezeigt, wenn eine Sendung sich mit NSTaten, die als historische Tatsachen nicht mehr ernstlich umstritten sind und die möglicherweise die Voraussetzungen des Völkermords oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit i. S. d. VStGB erfüllen, beschäftigt und eine Tendenz erkennen lässt, die diese Taten in Frage stellt, herunterspielt oder rechtfertigt. 31 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen (5) § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 JMStV, § 29 Abs. 5 PrO-FSF (Gewaltdarstellung): § 4 JMStV (1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn sie 5. grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen Erläuterung: Das Sendeverbot setzt hier zunächst voraus, dass ein Programm grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen schildert.6 Gewalttätigkeiten sind Handlungen, mit denen physische Kraft gegen einen anderen eingesetzt wird, durch die er körperlich verletzt oder gefährdet wird. Das Unterlassen, jemanden aus einer Gefahr für Leib oder Leben zu retten, ist daher keine Gewalttätigkeit, ebenso wenig psychische Gewalt. Da Gewalttätigkeit ein Handeln voraussetzt, kommen ferner auch Tierangriffe und das Wirken von Naturgewalten (Erdbeben, Hurrikane usw.) nicht in Betracht. Jedoch ist nicht erforderlich, dass ein Mensch als Täter dargestellt wird. Gewalttätigkeiten i. S. d. Bestimmung sollen nach Ansicht der Rechtsprechung auch menschenähnliche Wesen (z. B. ein Roboter) begehen können, denen in einem Film die Fähigkeit planmäßigen Vorgehens zugeschrieben wird. Auch ist es ohne Bedeutung, ob die dargestellte Gewalt in der Realität möglich oder ein reines Phantasieprodukt ist. Nach überwiegender Ansicht steht es dem Sendeverbot auch nicht entgegen, dass das Opfer der dargestellten Gewalttätigkeit mit dieser einverstanden ist. Die Gewalttätigkeiten müssen nach den geltenden Fassungen des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 JMStV, § 29 Abs. 5 PrO-FSF gegen lebende Menschen begangen werden. Am 1.4.2004 ist eine Änderung des § 131 StGB, auf dem diese Bestimmungen beruhen, in Kraft getreten, durch die dieser Straftatbestand jetzt auch Gewalttätigkeiten gegen menschenähnliche Wesen erfasst. Im Vorgriff auf eine Änderung von § 4 Abs. 1 S. 1 6 Der in § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 JMStV enthaltene und in § 29 Abs. 5 PrO-FSF übernommenen Zusatz, wonach das Verbot auch für virtuelle Darstellungen, also für solche gilt, die durch elektronische Simulation den Eindruck eines realen Geschehens vermitteln, ist überflüssig. § 131 Abs. 1 StGB a. F., dessen Text Nr. 5 im Übrigen wiedergibt, erfasst nicht nur die Darstellungen realer Gewalt, sondern auch 32 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen Nr. 5 JMStV und einer Anpassung von § 29 Abs. 5 PrO-FSF wird die FSF diese Bestimmungen in der erweiterten Fassung des § 131 StGB anwenden. Als Beispiele für menschenähnliche Wesen werden Androide, künstliche Menschen, Außerirdische, Untote, die Verkörperung übersinnlicher Wesen und ähnliche Wesen genannt.7 Grausam sind Gewalttätigkeiten, die dem Opfer besondere körperliche oder seelische Schmerzen oder Qualen zufügen und die aus brutaler unbarmherziger Gesinnung begangen werden. „Sonst unmenschlich“ ist eine Gewalttätigkeit, die Ausdruck einer menschenverachtenden, rücksichtslosen Einstellung ist (z. B. Töten eines anderen „aus Spaß“ oder bedenkenloses, kaltblütiges und sinnloses Niederschießen von Menschen). Eine Sendung schildert Gewalttätigkeiten, wenn sie sie bildlich oder akustisch wiedergibt oder sie verbal darstellt. Nicht ausreichend ist es, wenn lediglich die Folgen von Gewalt (z. B. das verletzte Opfer) gezeigt oder lediglich der Eindruck einer Gewalttätigkeit erweckt wird (z. B. durch Schreie aus einem im Film als Folterkeller vorgestellten Raum). Geschildert werden muss gerade auch das Grausame oder sonst Unmenschliche der Gewalttätigkeiten, so dass auch die dafür erforderliche Gesinnung und Einstellung des Täters zum Ausdruck kommen muss. Das Sendeverbot setzt ferner voraus, dass die Gewalttätigkeiten durch die Art der Schilderung entweder verherrlicht oder verharmlost werden oder ihre Grausamkeit oder Unmenschlichkeit in einer die Menschenwürde verletzenden Weise dargestellt werden. Als verherrlichend ist eine Schilderung anzusehen, die die dargestellten Gewalttätigkeiten positiv (z. B. als erstrebens- oder nachahmenswert oder als heldenhaft) erscheinen lässt. Verharmlost werden Gewalttätigkeiten, wenn sie bagatellisiert oder als übliche, akzeptable oder jedenfalls nicht zu missbilligende Art des Verhaltens dargestellt werden. Das ist jedoch nicht schon dann der Fall8 wenn dem Täter ein solche fiktiver Vorgänge, u. zw. unabhängig davon, wie schwierig oder leicht das Dargestellte als fiktiv (z. B. als in der Realität unmöglich, dazu sogleich) zu erkennen ist. 7 Allerdings sind erhebliche Interpretationsprobleme zu erwarten. So ist offen, welche Merkmale mindestens erfüllt sein müssen, damit ein Wesen als dem Menschen ähnlich angesehen werden kann. Auch menschenähnliche Tierwesen (z. B. Fix und Foxi), die über Sprechfähigkeit, Denkvermögen und die Fähigkeit, Gefühle zu empfinden und auszudrücken, verfügen und daher wesentliche Eigenschaften des Menschen aufweisen, wären von der Neufassung der Bestimmung als Gewaltopfer erfasst. 8 a. A.: OLG Koblenz, Neue Zeitschrift für Strafrecht 1998, 40. 33 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen Motiv für sie (z. B. ein psychischer Konflikt) zugeschrieben wird, das sein Verhalten lediglich erklärt, jedoch weder rechtfertigt noch entschuldigt. In der Alternative der die Menschenwürde verletzenden Darstellungsweise der Grausamkeit oder Unmenschlichkeit der Gewalttätigkeiten ist der Begriff der Menschenwürde ebenso wie in Art.1 Abs. 1 S. 1 GG zu verstehen (dazu Näheres unter (7)). Darstellungen fiktionaler Gewalt können sie nur als ein Grundprinzip der Verfassung, als „abstrakten Rechtswert“ verletzen, Darstellungen realer Gewalt können dagegen (auch) gegen die Würde der tatsächlichen Gewaltopfer verstoßen. Dementsprechend sind die Voraussetzungen, unter denen die „Menschenwürde-Alternative“ des Verbotstatbestands erfüllt ist, für Darstellungen fiktionaler und realer Gewalt unterschiedlich zu bestimmen. Eine die Menschenwürde verletzende Darstellungsweise bei der Schilderung fiktionaler Gewalt liegt vor, wenn die Schilderung des Grausamen oder Unmenschlichen der Gewalttätigkeiten darauf angelegt ist, beim Rezipienten eine Einstellung zu erzeugen oder zu verstärken, die den fundamentalen Wert- und Achtungsanspruch leugnet, der jedem Menschen zukommt. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn sie sadistisches Vergnügen an dem dargestellten Geschehen erzeugen soll oder die Opfer der Gewalttätigkeiten als menschenunwert, als verfügbare Objekte, mit denen nach Belieben verfahren werden kann, erscheinen lässt und dabei den Rezipienten zu bejahender Anteilnahme an der gegen sie verübten Gewalt, also zur Identifikation mit den Tätern anregt. Dagegen liegt eine Menschenwürde verletzende Darstellung fiktionaler Gewalt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes noch nicht vor, wenn Gewalttätigkeiten in aufdringlicher Weise anreißerisch und ohne jegliche sozial sinnhafte Motivation oder zum Zweck der Unterhaltung gezeigt werden. Bei Darstellungen realer Gewalt ist die „Menschenwürde-Alternative“ erfüllt, wenn durch das Darstellen von Gewalttätigkeiten in allen Einzelheiten und unter Ausklammerung aller sonstigen menschlichen Bezüge die geschundene menschliche Kreatur in den Vordergrund gerückt wird und dies ausschließlich zu dem Zweck geschieht, dem Rezipienten Nervenkitzel oder genüsslichen Horror zu bieten (Übersteigerung von Schilderungen realer Gewalt zu physischen Erregungszwecken und reiner Unterhaltung, ohne dass ein berechtigtes Dokumentations- und Berichtsinteresse im Sinne der Aufklärung, Abschreckung und/oder Gewaltkritik besteht). Im Fall der 34 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen Schilderung grausamer oder unmenschlicher realer Gewalttätigkeiten reicht es schon aus, wenn das Opfer zum bloßen Objekt gemacht wird, das vorrangig der Befriedigung voyeuristischer Neigungen der Zuschauer dient. Bei der Entscheidung darüber, ob dies der Fall ist, sind neben den einzelnen gezeigten Bildern und gegebenenfalls ihrer redaktionellen Einbettung und Kommentierung der Gesamtcharakter der Sendung und deren dramaturgische Gestaltung zu berücksichtigen. Zu beachten ist schließlich, dass das Sendeverbot nicht schon dann eingreift, wenn einzelne Gewaltszenen eines Programms (z. B. eines Kriegsfilms) die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 JMStV erfüllen, sondern nur dann, wenn die Verherrlichung oder Verharmlosung der geschilderten Gewalttätigkeiten oder die Missachtung der Menschenwürde, die in der Art der Darstellung zum Ausdruck kommt, die Gesamttendenz des Programms ausmachen. Daher sind z. B. auch Programme zulässig, die sich kritisch mit unter § 131 StGB fallenden Horrorvideos auseinander setzen und Ausschnitte daraus zeigen. Gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 JMStV i. V. m. § 131 Abs. 3 StGB gilt das Sendeverbot nicht, wenn die Ausstrahlung des Programms der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte dient. Dieses Berichterstatterprivileg betrifft nicht nur Programme, die tatsächliche Ereignisse aus dem Zeitgeschehen oder der Geschichte wiedergeben, sondern auch Dokumentationen und historische Spielfilme, die solche Vorgänge in nachgestellten Szenen rekonstruieren. Da Berichterstattung aber nach allgemeiner Ansicht nicht vorliegt, wenn eine Sendung eine Gewalt verherrlichende, verharmlosende oder gegen die Menschenwürde gerichtete Gesamttendenz aufweist, ist das Berichterstatterprivileg ohne praktische Bedeutung. Angesichts der Vielzahl unbestimmter Begriffe, die das Verbot von Gewaltdarstellungen schon bisher aufwies und die durch die Einbeziehung der menschenähnlichen Wesen noch erhöht worden ist, sollten alle Programme, bei denen aufgrund der hier gegebenen Erläuterungen Anzeichen für die Möglichkeit der Unzulässigkeit bestehen, dem juristischen Sachverständigen vorgelegt werden. 35 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen (6) § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 JMStV, § 29 Abs. 6 PrO-FSF (Anleitung zu Straftaten): § 4 JMStV (1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn sie 6. als Anleitung zu einer in § 126 Abs. 1 des Strafgesetzbuches genannten rechtswidrigen Tat dienen Erläuterung: Die Unzulässigkeit setzt voraus, dass die Sendung als Anleitung zu einer der in § 126 StGB genannten Taten dienen kann. § 126 StGB enthält einen umfangreichen Katalog von Straftatbeständen, die hier nicht im Einzelnen aufgezählt oder gar erläutert werden, sondern nur allgemein gekennzeichnet werden können. Zu ihnen gehören: 1. Erschwerte Fälle des Landfriedensbruchs. Landfriedensbruch begeht, wer sich als Täter, Anstifter oder Gehilfe an Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder an der Bedrohung von Menschen mit solchen Gewalttätigkeiten beteiligt, die aus einer Menschenmenge heraus mit vereinten Kräften begangen werden. Landfriedensbruch begeht ferner auch, wer auf eine Menschenmenge einwirkt, um sie zu solchen Gewalttätigkeiten oder Drohungen zu veranlassen. Die erschwerten Fälle, die § 126 StGB nennt, sind die, in denen jemand, der an einem Landfriedensbruch beteiligt ist, eine Schusswaffe bei sich hat, eine andere Waffe in der Absicht bei sich hat, sie bei der Tat zu verwenden, einen anderen durch eine Gewalttätigkeit in Todesgefahr oder die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder plündert oder bedeutenden Schaden anrichtet. 2. Vorsätzliche Tötungen und Körperverletzungen mit schweren Folgen. 3. Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit (dazu Näheres unter (4)) sowie Kriegsverbrechen gem. §§ 8 bis 12 VStGB. Die Tatbestände der Kriegsverbrechen nehmen in einer üblichen Textausgabe strafrechtlicher Gesetze fast drei Seiten ein und können hier daher nur sehr generell und durch einige Beispiele erläutert werden. § 8 VStGB betrifft Kriegsverbrechen gegen Personen und erfasst – z. T. zwischen Krieg und Bürgerkrieg differenzierend – Verbrechen (von der Tötung über schwere körperliche oder psychische Schädigung bis zur erniedrigenden Behandlung) gegen Zivilpersonen, Kranke, Verwundete, und Kriegsgefangene. § 9 VStGB enthält 36 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte und erfasst sowohl für den Fall des Kriegs als auch für den des Bürgerkriegs, z. B. Plünderungen, die nicht durch die Erfordernisses des Kriegs geboten sind, das völkerrechtswidrige Zerstören von Sachen der gegnerischen Partei sowie Anordnungen, mit denen Rechte oder Forderungen eines wesentlichen Teils der Angehörigen der gegnerischen Partei aufgehoben oder für nicht einklagbar erklärt werden. § 10 VStGB betrifft Kriegsverbrechen gegen humanitäre Operationen und Embleme. Unter Strafandrohung stehen hier – im Krieg wie im Bürgerkrieg – Angriffe auf Angehörige und Einrichtungen humanitärer oder friedenserhaltender Missionen, die in Einklang mit der UN-Charta stehen, ferner auch z. B. der Missbrauch der Schutzzeichen der Genfer Konvention und der Flagge, der Abzeichen und der Uniformen der UN. § 11 VStGB betrifft das Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung. Auch diese Bestimmung gilt für den Krieg wie für den Bürgerkrieg und stellt es u. a. unter Strafe, mit militärischen Mitteln die Zivilbevölkerung als solche oder zivile Objekte wie z. B. Kirchen, Krankenhäuser, Museen oder unverteidigte Städte anzugreifen oder militärische Angriffe in der sicheren Erwartung zu führen, dass die Zahl der getöteten oder verletzen Zivilpersonen außer Verhältnis zu dem erwarteten militärischen Vorteil stehen wird. § 12 enthält das Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Mittel der Kriegsführung und stellt im Krieg und im Bürgerkrieg die Verwendung von Gift, von biologischen und chemischen Waffen sowie von Dumdumgeschossen unter Strafe. 4. Schwere Straftaten gegen die persönliche Freiheit, wie z. B. erpresserischer Menschenraub und Geiselnahme. 5. Raub und räuberische Erpressung. 6. Jede Art vorsätzlicher Brandstiftung; das Herbeiführen einer Explosion oder einer Überschwemmung; das Beimischen gesundheitsschädlicher Stoffe zu Wasser in gefassten Quellen, Leitungen oder Trinkwasserspeichern, wenn das Wasser für den persönlichen Gebrauch von Menschen (z. B. zum Trinken oder Waschen) bestimmt ist; das Beimischen gesundheitsschädlicher Stoffe zu Waren oder Gegenständen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen (z. B. Bücher in öffentlichen Bibliotheken), und das Abgeben solcher infizierter Gegenstände oder Anbieten zum Verkauf. 37 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen 7. Gefährliche Eingriffe in den Straßen-, Bahn-, Schiffs- oder Luftverkehr (z. B. durch Beschädigen von Fahr- oder Flugzeugen oder von Einrichtungen, die der Verkehrssicherheit dienen). 8. Luft- und Schiffspiraterie sowie räuberische Angriffe auf Kraftfahrer oder Mitfahrer. 9. Gesetzwidriges und für Menschen oder bedeutende Sachwerte gefährliches Freisetzen radioaktiver Strahlung oder Bewirken einer Kernspaltung. 10. Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit eines Menschen durch Beschädigung wichtiger baulicher Anlagen (z. B. Dämme, Deiche, Brücken) oder von Bergwerkseinrichtungen. 11. Sabotageakte gegen öffentlichen Zwecken dienende Telekommunikationsanlagen, gegen Unternehmen oder Anlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Postdienstleistungen, mit Wasser, Licht, Wärme, Kraft oder anderen besonders wichtigen Gütern oder Dienstleistungen dienen. 12. Sabotageakte gegen Einrichtungen oder Anlagen, die der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dienen (z. B. Einsatzfahrzeuge der Polizei, der Feuerwehr oder des Bundesgrenzschutzes, Notrufsäulen, Feuermelder). Unzulässigkeit einer Sendung setzt voraus, dass sie als Anleitung zur Planung, Vorbereitung oder Durchführung einer der oben genannten Taten dienen kann, also entsprechendes Wissen vermittelt. Das ist z. B. der Fall, wenn sie über Methoden zur Herstellung von Sprengstoff oder die Dienstvorschriften der Bundeswehr zu Brückensprengungen im Verteidigungsfall informiert oder wenn in einem Krimi oder auch in einer Dokumentation Planung oder Ausführung einer der hier in Betracht kommenden Taten in einer zur Nachahmung verwendbaren Weise geschildert werden. Hinzukommen muss aber, dass die Sendung ihrem Inhalt nach dazu bestimmt ist, die Bereitschaft anderer zur Begehung einer solchen Tat zu wecken oder zu fördern. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn sie zu solchen Taten auffordert, sondern auch dann, wenn sie in irgendeiner Weise (z. B. durch Befürworten oder Billigen früherer Taten) einen Anreiz zu ihrer Begehung schafft. 38 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen (7) § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 JMStV, § 29 Abs. 8 PrO-FSF (Verstoß gegen die Menschenwürde): § 4 JMStV (1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn sie 8. gegen die Menschenwürde verstoßen, insbesondere durch die Darstellung von Menschen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren, wobei ein tatsächliches Geschehen wiedergegeben wird, ohne dass ein berechtigtes Interesse gerade für diese Form der Darstellung oder Berichterstattung vorliegt; eine Einwilligung ist unbeachtlich Erläuterung: Der Verbotstatbestand schützt nicht nur die Menschenwürde konkreter Personen, sondern auch die Menschenwürde als Grundprinzip der Verfassung, als „abstrakten Rechtswert“. Dabei ist der Begriff der Menschenwürde ebenso zu verstehen wie in Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG. Da § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 JMStV im Gegensatz zu den Unzulässigkeitstatbeständen der Volksverhetzung (oben unter (3)) und der Gewaltdarstellung (oben unter (5)) nicht nur bestimmte Angriffe gegen die Menschenwürde erfasst, sondern generalklauselartig jede Art ihrer Verletzung untersagt, bedürfen der Begriff der Menschenwürde und die daraus resultierenden Möglichkeiten ihrer Verletzung hier einer näheren Erläuterung. Die in Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG als „unantastbar“ bezeichnete Menschenwürde ist das einzige Grundrecht, das nicht durch Abwägung mit anderen Grundrechten oder Verfassungswerten eingeschränkt werden kann, sondern ihnen stets vorgeht. Daher und damit andere Grundrechte nicht unter Berufung auf die Menschenwürde in bedenklicher Weise beschnitten werden, sind der Begriff der Menschenwürde und der daraus resultierende Achtungsanspruch eng zu fassen. Nach der in der verfassungsrechtlichen Literatur gebräuchlichen und auch vom Bundesverfassungsgericht verwendeten sog. Objektformel ist eine Verletzung der Menschenwürde daher nur anzunehmen, wenn die Subjektqualität des Menschen prinzipiell missachtet, er als bloßes Objekt behandelt wird. Dies bedeutet zunächst, dass ein Programm nicht schon deshalb unzulässig ist, weil es geschmack- oder niveaulos ist oder durch polemische Ausfälle oder sprachliche Entgleisungen gekennzeichnet ist. Auch liegt eine Verletzung der Menschenwürde 39 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen nicht schon stets dann vor, wenn Menschen instrumentalisiert werden oder sich selbst entwürdigen oder ihnen Leid oder Schmerz zugefügt wird. Das Sendeverbot des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 JMStV greift vielmehr erst dann ein, wenn a) die Verletzung der Menschenwürde realer Personen gezeigt werden soll, ohne dass damit ein berechtigtes Aufklärungs-, Abschreckungs- und/oder GewaltkritikInteresse durch den Bericht selbst wahrgenommen wird bzw. ein entsprechendes allgemeines öffentliches Interesse an dem Bericht angenommen werden kann; b) wenn durch einzelne Bilder (insbesondere über extremes Leid von Gewaltopfern) und die Gesamttendenz der Darstellung eine Haltung nahe gelegt wird, die die Menschenwürde als Grundwert prinzipiell in Frage stellt. Im Fall a) liegt die Verletzung der Menschwürde primär auf der Ebene der realen dargestellten Personen, die durch den Bericht eine zusätzliche und durch kein Aufklärungsinteresse gerechtfertige Herabwürdigung ihrer Person erfahren würden. Der Fall b) betrifft Menschenwürde-Verletzungen, die im Wirkungspotenzial des Films angelegt sind. Dabei wird angenommen, dass Darstellungsform und -inhalt des Films eine die Menschenwürde negierende Einstellung fördern. Dies trifft allerdings nicht schon dann zu, wenn die dargestellten Menschen in einer Szene als unselbständige und in ihrem Willen eingeschränkte Wesen erscheinen. Vielmehr muss dies durch die Gesamttendenz zusätzlich gestützt werden. Daher reicht auch eine einfache Beleidigung oder öffentliche Herabwürdigung einer Person auf der Darstellungsebene nicht aus, um ein Sendeverbot zu rechtfertigen. Das Verächtlichmachen muss vielmehr höchst intensiv erfolgen und zudem durch kommentierende und dramaturgische Einbettungen als positives und erstrebenswertes allgemeines Verhaltensmuster bewertet werden. Da der Verbotstatbestand allein auf die Verletzung der Menschenwürde konkreter Personen oder des „abstrakten Rechtswerts“ der Menschenwürde abstellt, können auch Darstellungen realer oder fiktionaler Gewalt, die nicht von § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 JMStV erfasst sind, sowie Darstellungen sonstigen entwürdigenden, erniedrigenden oder menschenverachtenden Umgangs mit Menschen zur Unzulässigkeit eines Programms führen. Wann dies der Fall ist, richtet sich nach den oben in den Erläuterungen zu dem Merkmal der die Menschenwürde verletzenden Darstellungsweise in § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 JMStV, § 29 Abs. 5 PrO-FSF genannten Kriterien. 40 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen Nach allgemeiner Ansicht besteht der aus der Menschenwürde resultierende Achtungsanspruch auch nach dem Tod eines Menschen fort. Daher können auch das voyeuristische Zurschaustellen z. B. verstümmelter oder entstellter Leichen oder das Verunglimpfen Verstorbener, mit dem in Frage gestellt wird, dass sie zu Lebzeiten Subjektqualität besessen haben, einen Verstoß gegen die Menschenwürde darstellen. Programme, die Menschen darstellen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren, und ein tatsächliches Geschehen wiedergeben, waren früher durch die sog. „Reality-TV-Klausel“ des § 3 Abs. 1 Nr. 4 RStV untersagt. Sie stellen jetzt nur noch ein Beispiel für Programme dar, durch die die Menschenwürde verletzt sein kann. Da Voraussetzung ist, dass ein tatsächliches Geschehen wiedergegeben wird, sind fiktionale Programme nicht erfasst, ebenso wenig der Fall, dass innerhalb einer Darstellung realen Geschehens (z. B. eines Berichts über einen Verkehrsunfall) jemand schwerste Verletzungen vortäuscht. Hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen die hier fraglichen Darstellungen gegen die Menschenwürde verstoßen, gelten die oben in den Erläuterungen zum Merkmal der die Menschenwürde (konkreter Personen) verletzenden Darstellungsweise in § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 JMStV, § 29 Abs. 5 PrO-FSF genannten Kriterien entsprechend. Unzulässig sind solche Sendungen daher, wenn sie Vergnügen am Leid der Dargestellten bereiten sollen oder sie zum bloßen Objekt des Voyeurismus machen (z. B. durch Überbringen der Todesnachricht an einen nahen Angehörigen des Verstorbenen vor laufender Kamera oder durch ein Interview mit der noch unter Schock stehenden Mutter eines Ermordeten zum Thema Selbstjustiz) sowie ferner auch dann, wenn sie das gezeigte Leid nicht als das von Menschen, sondern von minderwertigen Wesen erscheinen lassen. Verletzt ein Programm die Menschenwürde, so kann es entgegen der gesetzlichen Regelung ein berechtigtes Interesse gerade an dieser – gegen die Menschenwürde verstoßenden – Form der Darstellung nicht geben. Denn die Menschenwürde ist, wie oben gesagt, durch eine Abwägung mit anderen Grundrechten nicht einschränkbar. Ebenso wie im Fall des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 JMStV, § 29 Abs. 5 PrO-FSF kommt es auch hier darauf an, ob ein Programm seiner Gesamttendenz nach den Verbotstatbestand erfüllt. Programme, die z. B. lediglich Handlungen zeigen, die gegen die Menschenwürde verstoßen (z. B. Praktiken eines diktatorischen Regimes) oder sich 41 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen mit Filmen auseinander setzen, die die Menschenwürde verletzen, und zu diesem Zweck entsprechende Ausschnitte aus ihnen bringen, sind nicht unzulässig. Sind aufgrund der vorstehenden Erläuterungen Anhaltspunkte dafür gegeben, dass ein Programm gegen die Menschenwürde verstößt, so ist es dem juristischen Sachverständigen vorzulegen. Dieser soll auch darüber befinden, ob trotz der Einwilligung einer von dem Programm betroffenen Person eine Verletzung ihrer Menschenwürde vorliegt, so dass die Einwilligung, wie in dem Verbotstatbestand vorgesehen, unbeachtlich ist. (8) § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 JMStV, § 29 Abs. 9 PrO-FSF (Kinder oder Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung): § 4 JMStV (1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn sie 9. Kinder oder Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen Erläuterung: Die Bestimmung lehnt sich an den – allerdings etwas anders gefassten § 15 Abs. 2 Nr. 4 JuSchG an („in unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhaltung“). Die amtliche Begründung des JuSchG führt dazu aus, dass nach kriminalpolizeilichen Erkenntnissen erwachsene pädophile Täter Darstellungen der hier fraglichen Art oft benutzen, um Kinder oder Jugendliche „einzustimmen“ und für den beabsichtigten Missbrauch gefügig zu machen. Derartige Darstellungen suggerierten Natürlichkeit und Harmlosigkeit, vermittelten die falsche Vorstellung der Normalität sexuellen Umgangs von Erwachsenen mit Minderjährigen und täuschten über die Grenzen des Selbstbestimmungsrechts von Kindern und Jugendlichen. Sie begründeten daher das ernst zu nehmende Risiko, dass Kinder und Jugendliche in ihren Möglichkeiten beeinträchtigt würden, sich gegen sexuelle Übergriffe von Erwachsenen zu wehren. Diesen Erwägungen entspricht es, dass die Vorschrift nicht alle Darstellungen erfasst, die auf Pädophile stimulierend wirken können (z. B. nicht solche, in denen nur durch die Bildperspektive der Blick des Betrachters auf den Genitalbereich gelenkt wird). Unzulässig sind nur Sendungen, die durch die unnatürlich geschlechtsbetonte 42 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen Körperhaltung der dargestellten Minderjährigen Kindern und Jugendlichen ein falsches Rollenbild vermitteln können. Was unter einer unnatürlich geschlechtsbetonten Körperhaltung zu verstehen ist, ist, da die Vorschrift erst seit kurzer Zeit in Kraft ist, noch nicht geklärt. Jedoch wird man als geschlechtsbetont eine Körperhaltung anzusehen haben, die die Geschlechtsmerkmale hervorhebt oder auf sonstige Weise (z. B. dadurch, dass eine Minderjährige der Kamera ihr Gesäß entgegenhält) einen sexuellen Reiz auslösen können. Nicht erforderlich ist, dass die Dargestellten unbekleidet sind. Andererseits ist zu beachten, dass es nach der Bestimmung nur auf die Körperhaltung ankommt. Übermäßige Schminke oder das Tragen von Reizwäsche allein reichen nicht aus; ebenso wenig das Herumspielen mit sexuellem „Zubehörbedarf“ (Kondome, Vibratoren o. ä.). Die Reichweite des Sendeverbots wird dadurch eingegrenzt, dass die Körperhaltung des dargestellten Minderjährigen in unnatürlicher Weise geschlechtsbetont sein muss. Da der oben erwähnte Zweck der Vorschrift dahin geht, Minderjährige vor einem falschen Rollenverständnis zu bewahren, wird man eine geschlechtsbetonte Körperhaltung dann als unnatürlich anzusehen haben, wenn sie nicht altersadäquat ist, so dass z. B. eine Sendung, in der geschlechtsbetonte Posen eines 17-jährigen Models zu sehen sind, nicht unzulässig ist. Da allerdings gesicherte Maßstäbe noch nicht vorhanden sind, ist eine juristische Prüfung stets geboten, wenn sich bei einer Sendung anhand der hier genannten Kriterien Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sie unzulässig sein könnte. Dies gilt auch für Informationssendungen, in denen z. B. über Kindesmissbrauch berichtet wird und die von einem Täter zur Einstimmung des Opfers genutzten Bilder gezeigt werden. Unklar ist bislang auch, welche Bedeutung dem in § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 JMStV enthaltenen und in § 29 Abs. 9 PrO-FSF übernommenen Zusatz zukommt, nach dem das Sendeverbot auch für virtuelle Darstellungen gilt. Es könnte so zu verstehen sein, dass nur Abbildungen der Realität und Darstellungen, die ihren Gegenstand durch elektronische Simulation als real erscheinen lassen, untersagt sind. Andererseits ist es für den Begriff des Darstellens – wie für den des Schilderns in § 131 Abs. 1 StGB (oben unter(5)) – nach herkömmlichem Verständnis gleichgültig, ob das 43 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen Dargestellte real ist, als real erscheint oder als nicht real erkennbar ist. Geht man hiervon aus, so ist die ausdrückliche Einbeziehung virtueller Darstellungen in den Unzulässigkeitstatbestand überflüssig, da er ohnehin jede Art bildlicher Darstellung erfasst. Davon ist in der Prüfpraxis der FSF – bis zu einer verbindlichen Klärung der Bedeutung der die virtuellen Darstellungen betreffenden Klausel – auszugehen. § 16 Programme, deren Unzulässigkeit von den Prüfausschüssen oder Einzelprüfern zu prüfen ist (§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 7, 10, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 3 JMStV, § 29 Abs. 7, § 10, § 30 PrO-FSF) (1) § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 JMStV, § 29 Abs. 7 PrO-FSF (Kriegsverherrlichung): § 4 JMStV (1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn sie 7. den Krieg verherrlichen Erläuterung: Als kriegsverherrlichend i. S. d. Bestimmung sind nicht nur Programme anzusehen, die den Krieg glorifizieren, als heldenhaftes Abenteuer zur Bewährung besonderen Mutes darstellen (§ 30 Nr. 3 PrO-FSF) oder in sonstiger Weise positiv bewerten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts werden vielmehr auch Programme erfasst, die den Krieg verharmlosen. Dies kann im Einzelfall auch dadurch geschehen, dass Leiden und Schrecken des Kriegs gänzlich unerwähnt bleiben und Kriegsereignisse nur aus der Sicht des Siegers dargestellt werden. Sachliche Kriegsberichterstattung wird von der Bestimmung nicht erfasst; ebenso wenig ein Programm, das sich kritisch mit kriegsverherrlichenden Medien befasst und aus ihnen zitiert. 44 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen (2) § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 10, und Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JMStV, § 29 Abs. 10 PrO-FSF (Pornographie): § 4 JMStV (1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn sie 10. pornografisch sind und Gewalttätigkeiten, den sexuellen Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand haben; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen (2) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote ferner unzulässig, wenn sie 1. in sonstiger Weise pornografisch sind Erläuterung: Wie sich aus § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 i. V. m. S. 2 JMStV ergibt, sind schon (einfach) pornographische Programme im Rundfunk unzulässig. Die Ausnahmeregelung des S. 2 gilt nur für Telemedien. Der selbständige Verbotstatbestand des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 JMStV, der Gewalt-, Kinder- und sodomitische Pornographie erfasst, ist daher für die Prüfungen der FSF ohne Bedeutung. Denn auch diese qualifizierte Pornographie muss zunächst die Merkmale einfacher Pornographie erfüllen. Die FSF hat die Definition der Pornographie (die allerdings versehentlich in § 29 Abs. 10 PrO-FSF nicht vollständig wiedergegeben ist) aus dem Bewertungsleitfaden der Landesmedienanstalten übernommen. Danach sind Sendungen pornographisch, wenn sie unter Ausklammerung sonstiger menschlicher Bezüge sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher Weise in den Vordergrund rücken, in ihrer Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf sexuelle Stimulation angelegt sind und dabei die im Einklang mit allgemeinen gesellschaftliche Wertvorstellungen gezogenen Grenzen eindeutig überschreiten. Diese Begriffsbestimmung findet sich in der Sache und teils auch in der Formulierung ebenfalls in Entscheidungen des BGH und des BVerwG. Sie ist allerdings mit zwei überflüssigen Elementen behaftet. Denn das Erfordernis der Überschreitung der durch gesellschaftliche Wertvorstellungen gezogenen (Anstands-)Grenzen weist lediglich auf die Selbstverständlichkeit hin, dass die Antwort auf die Frage, ob eine Sexualdarstellung aufdringlich oder anreißerisch ist, von sich 45 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen im Laufe der Zeit wandelnden gesellschaftlichen Anschauungen abhängt. Überflüssig ist auch das Element der Stimulierungstendenz, das auch in der Rechtsprechung keine eigenständige Rolle spielt, sondern ohne weiteres bejaht wird, wenn die anderen Merkmale der Pornographie gegeben sind. Die wesentlichen Elemente einer pornographischen Sendung sind demnach die folgenden: Sie isoliert physische Sexualität von personalen Beziehungen, verabsolutiert sexuellen Lustgewinn, degradiert Menschen zu auswechselbaren Objekten der Triebbefriedigung und lässt sie als bloße Reiz-Reaktionswesen erscheinen. Diese Einstellung zu Sexualität transportiert sie durch eine aufdringliche und anreißerische Darstellung sexueller Vorgänge. Erforderlich ist schließlich, dass nicht nur einzelne Szenen der Sendung diese Merkmale aufweisen, sondern dass das Pornographische ihre Gesamttendenz ausmacht, ihre Botschaft also darin besteht, entpersönlichte Sexualität als erstrebenswert oder normal darzustellen. Auf der Grundlage dieser Definition der Pornographie lassen sich einige Kriterien benennen, die typischerweise bei der Entscheidung darüber, ob eine Sendung einen pornographischen Gesamtcharakter hat, von Bedeutung sind. Ein Indiz für Pornographie ist es, wenn Sexszenen unverbunden nebeneinander stehen oder durch eine Geschichte verbunden sind, die sich darauf beschränkt, nicht oder nicht näher miteinander bekannte Personen zusammentreffen zu lassen und ihnen Gelegenheit zur Triebbefriedigung zu geben. Dies gilt insbesondere, wenn die an den Sexszenen Beteiligten häufig wechseln. Gegen eine Bewertung als Pornographie spricht dagegen, wenn die Sendung für die Sexszenen auch andere Motive als physischen Lustgewinn (z. B. Liebe, Verliebtheit, Freundschaft oder auch Enttäuschung über einen anderen Partner oder Rache an ihm) glaubhaft macht. Ein Indiz für Pornographie ist es ferner, wenn der Anteil der Sexszenen an der Gesamtlänge des Films überwiegt. Ebenso, wenn sexuelle Vorgänge detailliert und überdeutlich, in Slow Motion oder in realer zeitlicher Dauer gezeigt werden oder im Wesentlichen der Unterleib der Akteure ins Bild gesetzt wird. Die Fokussierung auf Genitalien (z. B. durch Detailaufnahmen oder Zooms) ist allerdings allein noch nicht hinreichend, um das Urteil „pornographisch“ zu begründen. Andererseits wird dieses Urteil auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass keine Genitalien gezeigt werden. 46 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen Ein Kriterium kann schließlich die verwendete Sprache sein. So kann der Gebrauch grob anreißerischer oder derb zotiger Wörter oder das Dominieren parasprachlicher Laute (z. B. Stöhnen) in Sexszenen dazu führen, dass eine Sendung, die sonstige Indizien für Pornographie aufweist, die Schwelle zur Unzulässigkeit überschreitet. (3) § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 JMStV, § 30 PrO-FSF (Offensichtlich schwere Jugendgefährdung): § 4 JMStV (2) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote ferner unzulässig, wenn sie 3. offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit unter Berücksichtigung der besonderen Wirkungsform des Verbreitungsmediums schwer zu gefährden. Erläuterung: Da die Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV nur für Telemedien gilt, sind offensichtlich schwer jugendgefährdende Programme im Rundfunk generell unzulässig. Der Begriff der „schweren“ Gefährdung i. S. d. Bestimmung bezeichnet nicht etwa ein erhöhtes Risiko schädlicher Folgen, gemeint ist vielmehr die Möglichkeit, dass es zu schwerwiegenden Entwicklungsschäden kommt. Ob diese Möglichkeit besteht, ist wie bei sonstigen Programmprüfungen unter Berücksichtigung der „besonderen Wirkungsform“ des Fernsehens zu beurteilen. Auf der Basis einer Entscheidung des BVerwG zum früheren § 6 GjS sind als schwer gefährdend zunächst Sendungen anzusehen, die – ebenso wie die in § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 8, 10, 11 JMStV genannten – eine der Wertordnung des Grundgesetzes krass widersprechende Tendenz haben, sich also z. B. gegen die Achtung der Menschenwürde, die verfassungsmäßige Ordnung, die Völkerverständigung usw. richten, und Minderjährige daher zu einer entsprechenden Einstellung verleiten können. Beispiele für solche Sendungen sind in § 30 PrO-FSF aufgeführt. Hinzuzufügen ist allerdings, dass Sendungen die in § 30 Abs. 1 und 2 PrO-FSF genannten oder ähnliche Tendenzen (Verherrlichung von Gewalt, Befürwortung von Gewalt zu Durchsetzung 47 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen sexueller Interessen usw.) nicht nur dann aufweisen können, wenn sie Gewaltdarstellungen und sexuelle Darstellungen enthalten, sondern sie auch rein verbal, z. B. durch die Äußerungen eines Moderators, verfolgen können. Schwer gefährdend können aber nicht nur sozialethisch desorientierende Sendungen sein, sondern auch solche, die dazu führen können, dass Minderjährige sich selbst schädigen oder – wie im Fall des § 4 Abs. 1 Nr. 9 JMStV – Schädigungen durch andere dulden oder in der Entwicklung ihrer Eigenverantwortlichkeit gravierend geschädigt werden. Unzulässig sind daher auch Sendungen, die z. B. Selbstmord verherrlichen oder verharmlosen, selbstgefährdende Verhaltensweisen zeigen und eine erhebliche Gefahr der Nachahmung begründen, zum Drogenkonsum anreizen, aber auch solche, die Minderjährige dazu veranlassen können, sich als minder berechtigt als Erwachsene anzusehen und deren rechtswidrige Handlungen zu dulden oder auch solche, die z. B. für eine Sekte werben, deren Mitglieder dazu gebracht werden, die Verantwortung für sich aufzugeben und unbedingten Gehorsam gegenüber der Sektenleitung zu üben. Sendungen, die lediglich dazu führen können, dass Minderjährige einem in der Gesellschaft umstrittenen – teils akzeptierten, teils abgelehnten – Trend (z. B. zu kosmetischen Operationen) folgen, fallen dagegen nicht unter das Verbot. Eine schwere Gefährdung der Entwicklung zur Eigenverantwortlichkeit wäre bei einer solchen Sendung erst dann anzunehmen, wenn sie Kinder oder Jugendliche unter psychischen Druck setzten würde, dem propagierten Trend zu folgen. Unzulässig ist eine Sendung gem. § 4 Abs. 2 Nr. 3 JMStV aber nicht bereits dann, wenn sie in dem o. g. Sinne schwer jugendgefährdend ist. Hinzukommen muss vielmehr, dass dies offensichtlich ist. Nach einer Entscheidung des BVerfG zu § 6 GjS. deren Aussagen auch für § 4 Abs. 2 Nr. 3 JMStV gelten, bedeutet dies, dass der schwer jugendgefährdende Charakter einer Sendung sich für jeden unbefangenen Betrachter aus ihrem Gesamteindruck oder aus besonders ins Auge springenden Einzelheiten ergeben muss. An der Offensichtlichkeit fehlt es dagegen, wenn die Feststellung der Eignung zur schweren Gefahrdung eine detaillierte Inhaltskontrolle der Sendung erfordert. 48 FSF-Richtlinien zur PrO-FSF 01.03.2005 Anhang VII: FSF-Prüfkriterien für Sendungen über Schönheitsoperationen (Entwurf vom 6. August 2004) FSF-Prüfkriterien für Sendungen über Schönheitsoperationen Entwurf vom 6. August 2004 Überlegungen zu Kriterien für Sendungen über Schönheitsoperationen 1. Vorbemerkung Das Aussehen sowie das Körperbewusstsein sind seit jeher Themen, die für Menschen zur Identitätsbildung gehören. Spätestens seit der Verbreitung von Printmedien dient die Darstellung vor allem von Frauen, die in der jeweiligen Kultur als „schön“ angesehen werden, als Vorbild für das eigene Schönheitsideal. Rubens bildete zeitgemäß eher rundliche Modelle ab, Twiggy dagegen hat in den 60er Jahren mit der Vorwegnahme der Thematisierung eines androgynen Geschlechts, einen Schlankheitswahn ausgelöst. Die Beatles galten mit ihren Langhaarfrisuren als Vorbilder bei männlichen Jugendlichen. Männer mit langen Haaren gab es in der Geschichte allerdings vorher auch schon. Jugendzeitschriften wie BRAVO lieferten ebenso optische Vorbilder wie GALA oder die BUNTE, in denen Fotomodelle sowie die Reichen und Schönen abgebildet werden. Sie setzen damit für die Betrachter einen Standard, dem sie selbst meist nicht genügen können. Die gesamte Mode- und Kosmetikindustrie lebt davon, dass sie Menschen verspricht, durch Konsumartikel ihre optischen Grundvoraussetzungen zu verbessern, ganz zu schweigen von Fitness-Studios, Diäten und Pillen, die angeblich eine Gewichtsreduktion zur Folge haben. Wir leben in einer Konkurrenzgesellschaft, in der sich Erfolg im Beruflichen wie Privaten stark mit der optischen Wirkung einer Person verbindet. Vor dem Hintergrund einer Gesellschaft, die das Altwerden ausblendet und das Jungsein zum Idealbild erkoren hat, werden die Diskussionen über aufgespritzte Lippen bei Schauspielern, Botox-Spritzen gegen Gesichtsfalten und die Übernahme von Symbolen aus einer Jugend- und Protestbewegung wie Tattoos und Piercings erst erklärlich. Die Grenzen sind dabei fließend geworden. Tattoos und Piercings sind bei Jugendlichen wie bei deren Eltern oft schon eine Selbstverständlichkeit. Gesichtsoperationen bei Silvio Berlusconi oder Kylie Minogue werden auf den Klatschseiten verhandelt. Videoclips und Jugendzeitschriften sprechen dieselbe Sprache: Wenn Britney Spears ein paar Pfunde zugenommen hat ist sie unglücklich, alkoholabhängig und lässt sich gehen. So ist es fast folgerichtig, dass sich Mädchen zur Konfirmation Geld für eine Schönheitsoperation wünschen, um den strengen Regeln eines perfekten Aussehens genügen zu können. Die Beschäftigung mit dem eigenen Aussehen gehört bei Kindern in der Vorpubertät und für Jugendliche in der Pubertät zu ihren Entwicklungsaufgaben. Sie befinden sich in einem Zwischenstadium, sind nicht mehr Kind, aber auch noch nicht erwachsen. Hinzu kommt, dass sie mit den typischen pubertären Begleiterscheinungen (Pickel, fettige Haare etc.) zu kämpfen haben. Zur Identitätsentwicklung gehört es unter anderem, zwischen einer realistischen Selbsteinschätzung und dem Streben nach dem optischen Idealtypus eine Balance herzustellen, zu einem Selbstbild zu finden und dies für sich zu akzeptieren. Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen und der Wunsch, dem Vorbild näher zu kommen, ist ein typisches Phänomen dieser Altersphase. Die ersten Begegnungen mit dem jeweils anderen Geschlecht, aber auch die Anerkennung durch das soziale Umfeld werden stark mit der eigenen optischen Wirkung verbunden. Der Wunsch nach Veränderung oder Verwandlung ist deshalb so lange ein Thema dieser Altersgruppe, bis man gelernt hat, sich selbst im Einklang mit der Wahrnehmung durch das soziale Umfeld zu akzeptieren. Vieles spricht dafür, dass die gegenwärtige Generation von Kindern und Jugendlichen besonders daran interessiert ist, ihr Äußeres zu optimieren. Das mag an dem zunehmenden Konkurrenzdruck im Bereich des späteren beruflichen Erfolgs liegen, 1 FSF-Prüfkriterien für Sendungen über Schönheitsoperationen Entwurf vom 6. August 2004 bei dem ein optimales Äußeres als nützlich angesehen wird. Der Hamburger Trendforscher Peter Wippermann sieht darin einen Abgrenzungsversuch zu einer immer älter werdenden Gesellschaft: Jugendliche stellen der Macht, dem Geld und dem Einfluss der Alten die optimierte Schönheit eines Jugendlichkeitskults entgegen, den die Alten selbst propagieren. Der Druck auf Jugendliche, das eigene Aussehen zu optimieren, wird vor allem für diejenigen zum Problem, bei denen die Diskrepanz zwischen dem eigenen Aussehen und dem kulturellen Trend des jeweils Idealem besonders groß ist. Die Vorstellung, beispielsweise durch Kleidung, Kosmetik oder einem chirurgischen Eingriff das eigene Aussehen zu verbessern, könnte daher für Jugendliche durchaus reizvoll sein. Allerdings gibt es zu den Trends, sich an bestimmten Schönheitsidealen zu orientieren, auch immer wieder den Trend zur Individualisierung. Schöne, aber nichtssagende Gesichter führen mittelfristig zu einem ästhetischen Abnutzungsprozess. Stereotypen Schönheitsidealen werden daher immer häufiger individuelle Typen entgegengesetzt, die nicht nur äußerlich, sondern auch inhaltlich etwas zu sagen haben. Außerdem ist der Trend zum Schönheitschirurgen eher ein Phänomen des Alters, also von Menschen, die sich z. B. durchs Liften ihre altersspezifischen Falten entfernen lassen, um wieder jung auszusehen. Dies wird in der Regel bei Jugendlichen belächelt: Die wollen jung aussehen, wir sind es! 2. Kriterien Es bleibt festzuhalten: Der Druck auf Jugendliche, ihr Äußeres zu optimieren, ist enorm hoch. Gelingt es nicht, die eigene optische Wahrnehmung mit den vermeintlichen Anforderungen des sozialen Umfeldes in ein als akzeptabel empfundenes Selbstbild zu bringen, kann dies zu schweren psychischen und gesundheitlichen Krisen führen. Die Befürchtung, dieser Druck könne durch die Darstellung von Schönheitsoperationen im Fernsehen in entwicklungsbeeinträchtigender Weise verstärkt werden, ist daher grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen Daraus folgt: Sendungen, die zu Unterhaltungszwecken Schönheitschirurgie thematisieren, sollen je nach Schwere der folgenden Kriterien nicht vor 22.00 Uhr bzw. 23.00 Uhr platziert werden, wenn sie 1. den Eindruck vermitteln, das Erreichen eines bestimmten Ideals sei eine notwendige Voraussetzung für soziale Akzeptanz; 2. Abweichungen von optischen Schönheitsidealen, unter denen Jugendliche leiden könnten, als normalen und legitimen Grund für soziale Diskriminierung darstellen; 3. Schönheitsoperationen als unproblematischen Weg zur Optimierung des eigenen Aussehens bzw. als einfachen Ausweg aus der Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen bewerten. 4. die besondere Situation der Fernsehproduktion dafür ausnutzen, die Probanden, insbesondere Kinder und Jugendliche, allein durch die Aussicht auf Übernahme aller Kosten einer Schönheitsoperation dazu zu bringen, in einen Eingriff einzuwilligen. Bei der Tagesprogrammierung ist grundsätzlich zu beachten, dass Verletzungen während der Operation, die Schnitte in die Haut, das Bluten der Wunden und der 2 FSF-Prüfkriterien für Sendungen über Schönheitsoperationen Entwurf vom 6. August 2004 verquollene Körper danach zwar nicht verschwiegen werden sollten, da sie eine aufklärende Wirkung entfalten. Sie sollten gleichwohl nicht in den Vordergrund geschoben oder durch selbstzweckhafte Effekte (Zeitlupe, ständiges Wiederholen besonders schockierender Einstellungen) verstärkt werden. Jüngere Kinder könnten dadurch übermäßige Angst vor ärztlichen Eingriffen entwickeln, denen sie sich aus gesundheitlichen Gründen möglicherweise einmal unterziehen müssen. Bei der Platzierung im Tages- oder Hauptabendprogramm ist zu beachten, dass die psychischen, sozialen und medizinischen Risiken solcher Eingriffe erkennbar dargestellt werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Sendungen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. deutlich machen, dass die Akzeptanz durch das soziale Umfeld nicht ausschließlich durch das perfekte Aussehen erfolgt; darauf hinweisen, dass Änderungen des Aussehens auch zur negativen Veränderung der Wahrnehmung durch das soziale Umfeld führen können; aufzeigen, dass mit solchen Operationen erhebliche gesundheitliche Risiken verbunden sind; darauf hinweisen, dass Operationen misslingen können und dann das Gegenteil des erhofften Effekts eintritt; darstellen, dass manche Eingriffe auch mit einer Umstellung der Essgewohnheiten und der Notwendigkeit abzunehmen oder mit Einschränkungen der Lebensgewohnheiten verbunden sein können; deutlich machen, dass nicht bekannt ist, wie lange der gewünschte positive Effekt anhält und ob er überhaupt eintritt; einen realistischen Einblick darüber vermitteln, was ein solcher Eingriff für den Körper bedeutet, welche Schmerzen und Nachbehandlungen als Folge der Operation auszuhalten sind, wie lange es dauert, bis die Narben geheilt sind, und welche Kosten damit verbunden sein können. 3. Fazit Da das Thema bereits durch die Medien weitgehend bekannt ist, besteht ein berechtigtes Interesse, darüber zu informieren oder informiert zu werden. Dass auch Unterhaltungsformate Informationen beinhalten können, steht dabei außer Frage. Es geht also nicht um eine Tabuisierung des Themas, sondern um eine differenzierte Begutachtung nach den aufgeführten Kriterien. Wichtig ist dabei zusammengefasst, dass kein Druck hinsichtlich des Nacheiferns von Schönheitsidealen erzeugt wird, dass über Risiken informiert wird und dass der Eingriff realistisch und nicht als Spaziergang dargestellt wird. 3