models nach mass - streetcasting.ch

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models nach mass - streetcasting.ch
Im Fokus
werbewoche 20 | 09.11.2012
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Models nach Mass
Jung, alt, dick, dünn, klein, gross, mit Locken oder Glatze. In Werbung und Kommunikation sind die unterschiedlichsten Charaktere gefragt. Gefunden werden sie von Agenturen wie Streetcasting.ch.
B
egonnen hat alles damit, dass Andrea Sponring
für befreundete Fotografen nach passenden Models gesucht hat. Auf der Strasse, im Tram oder Zug
hielt sie nach jenen Menschen Ausschau, die nicht
in den herkömmlichen Agenturkarteien zu finden
waren. Ein Weitspringer zum Beispiel oder eine chinesische Geschäftsfrau. Immer häufiger engagierten
Fotografen – und alsbald auch Agenturen – die Mikrobiologin als Streetcasterin, sodass sie sich
schliesslich dafür entschied, ihr Angebot auszubauen. 2005 gründete die gebürtige Österreicherin in
Basel ihre Modelagentur Streetcasting.ch.
Es war ein Start im Kleinformat. «Die erste Website habe ich selber programmiert», erzählt Sponring, die nebenbei als Stylistin arbeitet. Mittlerweile verfügt Streetcasting.ch, heute in Zürich beheimatet, über einen Pool von etwa 1000 Laienmodels:
Kinder, Teenager, Frauen und Männer unterschiedlichen Alters, Aussehens und Herkunft. Sogar ganze
Familien – inklusive Haustiere – können über die
Modelagentur gebucht werden.
Begehrt: Business-Typ zwischen 35 und 50
In bestimmten Bereichen ist die Kartei so gross,
dass Sponring und ihre beiden Back-Office-Assistentinnen bei einer Anfrage die passenden Personen
gleich herausziehen können. Ein grosses Angebot
besteht bei jungen Frauen und Männern, die häufig
gar nicht erst gesucht werden müssen, sondern sich
in Eigeninitiative bei Streetcasting.ch bewerben.
Insbesondere Studentinnen wollen sich mit Modelaufträgen einen Zusatzverdienst sichern.
In anderen Segmenten muss Sponring selber aktiv werden und die einem Profil entsprechenden
Modeltypen über Streecasting, via Onlineportale
oder über ihr Beziehungsnetzwerk ausfindig machen. Senioren zum Beispiel sind schwierig für Modelaufträge zu begeistern. Nicht Senioren per se,
sondern solche, die dem Bild entsprechen, das die
Werbung von ihnen vermitteln möchte. «Rüstig»
sollen sie sein, «trotzdem wie Senioren aussehen.»
Immer auf der Suche ist Sponring auch nach Business-Männern mittleren Alters. Ein Typ, der gerade
momentan stark nachgefragt wird. Überhaupt gebe
es Trends. Manchmal erhält Sponring viele Anfra-
gen für Teenies, dann sind wiederum eher ältere
gefragt. Im Moment seien es vor allem die 35- bis
50-Jährigen.
Auf der Suche nach diesen gefragten Typen erlebt
die Stylistin immer wieder Überraschungen. «Fragen Sie doch Jüngere», bekommt Sponring oftmals
zu hören, wenn sie einen Senior als Model rekrutieren will. «Viele Leute haben Mühe, sich im Alter
noch als attraktiv zu sehen.» Bei jüngeren Männern
passiert es ihr dagegen nicht selten, dass ihre Anfrage missverstanden wird. «Einige meinen, das sei
eine Flirt-Masche.»
Manchmal erhält Sponring besonders knifflige
oder exotische Aufträge. So war vor einiger Zeit zum
Beispiel ein südindischer Ruderer gefragt. Den sollte die Stylistin in der Schweiz finden. Gar nicht
leicht. Der Pool passender Anwärter (südindische
Abstammung und dann auch noch rudertauglich!)
ist erstens überschaubar und zweitens müssen die
Kandidaten, so sie denn gefunden sind, den Modelauftrag auch noch annehmen. Die Stylistin kapitulierte. «Ich sagte, es sei wohl einfacher, das Fotoshooting direkt in Südindien aufzunehmen.»
Während Streetcasting.ch früher vor allem
von Fotografen oder deren Repräsentanten angefragt wurde, wollen heute Agenturen die Models
vermehrt selber buchen. Einige suchen die Kandidaten direkt über einen Filter auf der Website. Männlich oder weiblich? Haare: blond, dunkel, rot, grau
oder Glatze? Statur: schlaksig, normal, muskulös
oder gross? Andere Kunden überlassen es der Agentur, Vorschläge zu unterbreiten.
Der Alleskönner versus der Spezielle
Für einige Projekte vermittelt Sponring nur die Models, bei anderen wird sie darüber hinaus als Stylistin dazu gebucht. Ein Vorteil, denn sie kennt die
Models persönlich und kann abschätzen, welche
Kleidung passen könnte, für welche Szenerie sich
ein Typ eignet. Da gibt es die Allrounder, die verschiedene Rollen besetzen können, «vom Grillmeister über den Businesstyp zum Snowboarder zum
Vater». Andere wiederum scheinen für eine besondere Rolle bestimmt. Einem Mann aus der Kartei
gelingt es zum Beispiel perfekt, den Papst zu verkör-
pern, wie die Stylistin erzählt. Dafür wird er immer
wieder gebucht.
Ihre Funktion bei Streetcasting.ch beschreibt
Sponring als Dolmetscherin, die zwischen Fotografen beziehungsweise Agenturen und den Models
vermittelt. Die meisten der Laienmodels wissen
nicht, was auf sie zukommt, wenn sie zu einem Auftrag gehen. Die Stylistin bereitet sie auf ihren Einsatz vor, erklärt ihnen, worauf sie achten müssen,
aber auch, wofür ihre Fotos verwendet werden,
wann und wo sie erscheinen. «Die Models wissen
immer, was mit ihren Fotos passiert», betont sie.
Nicht zuletzt muss die Stylistin das Vertrauen
der Laien gewinnen und Unsicherheiten beseitigen.
Zwar wüssten viele dank TV-Casting-Shows heute
etwas besser Bescheid. «Was ein Casting ist, weiss
mittlerweile jeder. Und niemand bezahlt wohl mehr
5000 Franken für ein Casting in der Annahme, danach als Model durchzustarten», scherzt sie. Dass
einige Menschen allerdings nach wie vor bereit sind,
für zweifelhafte Angebote Geld zu bezahlen, zeigen
Zertifikate bedeutungsloser Modelkurse, die Sponring hin und wieder von Bewerbern zugeschickt bekommt. Bei Streetcasting.ch müssen die Kandidaten
für die Aufnahme in die Kartei und die Castings
nichts bezahlen. Geld erhalten sie, wenn sie für ein
Projekt gebucht werden.
Die Begegnung mit den Laienmodels ist denn
auch das, was für Sponring die Faszination des Berufs ausmacht. In einer Agentur mit professionellen
Models zu arbeiten, reizte sie nicht. «Ich arbeite mit
den unterschiedlichsten Leuten zusammen. Mal
vermittle ich einen Lokführer aus Biel, dann wiederum einen Szenen-DJ aus Basel. Das ist das SpezielIsabel Imper
le am Beruf.» 1. Eigenwerbung
2. Euro 08, Railposter (JvM/
Limmat)
3. Zoo Basel (cr Basel)
4. Expo Rotair, Renault
5. Migros Restaurant (Wirz)
6. Schaffhauser Kantonal-
bank
7. Local.ch
In Kürze
Andrea Sponring ist seit über 20 Jahren als Stylistin tätig. In Österreich
verlieh sie Theaterproduktionen ein schönes Gewand und machte Exkursionen
zu Filmakademien nach Deutschland, um Diplom- und Kurzfilme auszustatten. Seit ihrem Umzug in die Schweiz ist sie als Stylistin in vielen Einsatzgebieten tätig. 2005 gründete sie die Agentur Streetcasting.ch, die heute in
Zürich beheimatet ist. Zu den Agenturkunden gehören unter anderen Advico,
Wirz, Lowe, Publicis, KSB, Nose, Valencia , SFLB, Scholz & Friends.