ink(ink - Zeitung der 50k) - Die Deutsche Journalistenschule
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Operations continue An entrepreneur resigned – and became the saviour „Print stands for authority“ An interview with Jakob Augstein Memory loss How harddisks threaten our legacy Sensuous pages Das Magazin der Drupa · Ein Projekt der Deutschen Journalistenschule A book designer on the eroticism of paper Es geht weiter. Wie ein Unternehmer abtrat – und damit zum Retter wurde Sinnliche Seiten Ein Buchdesigner über die Erotik von Papier „Print ist Autorität“ Ein Gespräch mit Jakob Augstein Gedächtnisverlust Wie die Festplatte unser Erbe bedroht Seite 2 · INK AUF ICH BIN DAS EINZIGE WAS SIE JETZT GERADE ANSCHAUEN I am the power of print. Wenn Verbraucher eine Zeitung, eine Zeitschrift oder einen Katalog in die Hand nehmen, investieren sie tatsächlich ihre Zeit und Aufmerksamkeit in die Suche nach Informationen. Entdecken Sie mehr unter www.print-power.info Fotografieren Sie den Code mit Ihrem Mobiltelefon, um die Broschüre online zu bestellen. Den Code-Reader können Sie kostenlos unter www.upcode.fi herunterladen. INK · Seite 3 EDI TOR I A impressum INK. ist ein Projekt der Lehrredaktion 50K der Deutschen Journalistenschule München im Rahmen der Kooperation mit dem Verband Deutscher Papierfabriken e.V. Mit freundlicher Unterstützung von UPM, des Verbandes Druck + Medien Nordwest e.V. und der Rheinisch-Bergischen-Druckerei GmbH & Co. KG Gedruckt auf UPM Brite 55 g/m2 D ie wichtigste Botschaft, die die Printbranche in letzter Zeit bekommen hat, begann mit einem Erdbeben. Eine Handvoll Wissenschaftler löste es im vergangenen Herbst auf der Frankfurter Buchmesse aus. Hirnforscher der Uni Mainz stellten eine Studie vor, in der sie nachwiesen, dass sich Text auf Papier, anders als lange vermutet, keineswegs besser liest als auf dem Bildschirm. Probanden hatten im Labor auf dem iPad gelesen, auf dem Kindle, und auf bedrucktem Papier. Das Ergebnis erschütterte die Buchmesse: Auf dem Bildschirm lasen die Testpersonen nicht nur gleich schnell und gleich gründlich wie auf Papier – sie behielten auch ebenso viel im Gedächtnis. Das Lesen am Bildschirm, so die Forscher, habe gegenüber dem Lesen vom Papier keinen Nachteil. Damit fiel eine der vermeintlich letzten Bastionen gegen den Vormarsch der digitalen Lesegeräte: Die Überzeugung, dass man lange, anspruchsvolle Texte immer und ausschließlich in gedruckter Form lesen würde. Chefredakteur Jan Stremmel Chef vom Dienst Felix Brumm Textchefin Katrin Kuntz In der Schreckensmeldung steckte aber auch eine gute Nachricht. So gut wie alle Probanden sagten nämlich, dass sie am liebsten den gedruckten Text gelesen hätten. Aus Sicht der Hirnforscher funktionieren E-Reader und Buch gleich gut – doch subjektiv bevorzugen die Leser den Komfort des Papiers. Gestaltung Tom Valk, Akademie Druck + Medien Nord-West e.V. Redaktion Theresa Breuer, Florian Haamann, Kaspar Heinrich, Michaela Kakuk, Christiane Lutz, Katharina Mutz, Gösta Neumann, Ann-Kathrin Nezik, Eva Röder, Vera Vester, Johannes Wendt, Veronika Widmann V.i.S.d.P. responsible according to the press law Gregor Andreas Geiger Bereichsleiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Director Press and Public Relations Verband Deutscher Papierfabriken e.V. German Pulp and Paper Association Adenauerallee 55 D-53113 Bonn www.vdp-online.de Wer über die Zukunft von Print redet, hört Vokabeln, die eine Apokalypse beschreiben könnten. Untergang, Aussterben, Tod. Dabei ist auch ohne Hirnforschung klar: Neue Trends rotten das Alte in der Regel nicht aus, sondern ergänzen es. Die meisten von uns editorial Wer die neue Rolle von Print erkannt hat, muss den Trend zum Digitalen nicht fürchten. Er kann von ihm profitieren – wie der Verleger Jakob Augstein, der seit drei Jahren das Internet als Meinungsmaschine nutzt, um seine gedruckte Zeitung zu bereichern. Er hat uns seine Vision erklärt. (Seite 9) Wenn sich aber Papier immer mehr vom Kommunikationsmittel zum Luxusgut wandelt – wie lässt sich seine Anziehungskraft verstärken? Niemand kann diese Frage besser beantworten als Lukas Kircher. Der renommierte Zeitungsdesigner sagt: mit herausragender Optik. So steigert er in ganz Deutschland trotz Anzeigenflaute die Auflagen. Wir haben ihn besucht. (Seite 12) bleibt unsere wichtigste Kulturtechnik “ Papier inspiriert und verführt. Und: Es bleibt. Seit Jahrtausenden bewährt es sich als Träger von Informationen. Die Bücher und Zeitschriften in unseren Regalen werden noch existieren, wenn selbst das iPad 9 längst Elektroschrott ist. Ein Text, den wir vor 15 Jahren auf eine Diskette gespeichert haben, ist schon heute verloren. Floppy Disks hielten selten länger als fünf Jahre, und um sie zu lesen, müssten wir heute ein Technikmuseum besuchen. Was, wenn das Schicksal der Floppy Disk eines Tages die Server ereilt, auf denen unsere E-Mails, unsere Steuererklärungen, Kontoauszüge, Fotos und Liebesbriefe lagern? Zukunftsforscher warnen, dass die Archäologen der Zukunft eines Tages ratlos vor verstaubten Metallkästen stehen könnten, die man einst als „Festplatten“ bezeichnete. Sie würden unser Zeitalter mangels Überlieferungen als „Dark Age“ einstufen. Was wird der Nachwelt von uns bleiben? Wir haben uns auf die Suche gemacht. (Seite 6) Übersetzung Uta Schieck Neue Trends drängen das Alte ein Stück weit beiseite. Und öffnen dadurch einen objektiven Blick auf das, was lange selbstverständlich war. Über Jahrhunderte war kaum jemandem bewusst, welchen Komfort es bedeutet, einen gedruckten Text zu lesen – es gab ja keine Konkurrenz. Erst heute, da wir täglich von Bildschirmen lesen, beginnen wir, Papier zu lieben. Die Mainzer Probanden haben das bewiesen. „lesen Ungelesene Bücher seien „zugleich mahnender Finger und süße Verlockung“, schrieb Josef Joffe, Mitherausgeber der „Zeit“, kürzlich – während hunderte von E-Books auf der Festplatte seines Kindles praktisch nicht existierten. Beratung Christian Bleher nutzen Fernseher, Stereoanlagen, Autos – und doch gehen wir ins Theater, auf Konzerte, fahren Rad. Im April 2011 verkaufte Amazon zum ersten Mal mehr E-Books als gedruckte Bücher. Das liegt zwar vor allem daran, dass digitale Bücher in den USA deutlich billiger sind als solche aus Papier – doch auch der deutsche Buchhandel muss sich die Frage stellen: Wie bringt man heute noch Menschen dazu, für ein Buch aus Papier Geld zu zahlen? Zum Beispiel, in dem man es als erotisch-sinnliches Erlebnis gestaltet. Wir haben Deutschlands bekanntesten Buchdesigner in eine Buchhandlung geführt und das Rendezvous dokumentiert. (Seite 20) Eines verbindet die Menschen in diesem Heft: Sie haben erkannt, dass sich das Koordinatensystem rund um das gedruckte Wort verschiebt – und sie richten sich danach aus. Der Strukturwandel fordert Opfer und die Bereitschaft zum Umdenken, wie das Beispiel des Traditionsunternehmers Ulrich Scheufelen zeigt, der seine Firma in der Krise neu erfunden hat. (Seite 16) Eines aber wird sich mit Sicherheit nicht ändern: Lesen bleibt unsere wichtigste Kulturtechnik. Und wie die Mainzer Studie nahe legt, ist unsere spezielle Liebe gerade zum gedruckten Wort nicht immer rational zu erklären. Diese Liebe weiter zu entfachen – das ist heute die Aufgabe von Print. Viel Vergnügen beim Lesen! Jan Stremmel As Josef Joffe, co-editor of ZEIT, put it recently: unread books are that new trends normally complement an old system rather than In April 2011, amazon for the first time sold more E-books than „simultaneously a reminder and a sweet temptation „. By compa- extinguishing it. Most of us use TV, stereo systems, cars – but printed issues. This is primarily due to the fact that, in the USA, rison, he feels the hundreds of E-books stored on his Kindle are we also attend theatre performances and concerts and we ride a the price of digital books is substantially cheaper than that of pa- practically non-existent. bike. New trends oust the old ones to some extent – thus opening per books. However, German booksellers, too, have to ask them- up an objective view of what long used to be considered a mat- selves nowadays how to motivate people to buy paper books. The Paper inspires and seduces. And it is permanent. Over millennia, ter of course. Over many centuries, hardly anybody realized the answer might be, for instance, by designing it as an erotic-sensual paper has proven satisfactory as an information carrier. The books comfort aspect of reading a printed text – because there was no event. We took Germany‘s most popular book designer to a book- Brain researchers at Mainz University presented a study which and magazines now filling our shelves will still be there when iPad alternative. It is only in our time when we are accustomed to dai- shop and documented the rendezvous. (page 20) proved that, contrary to previous assumptions, texts on paper are 9 has long turned into electronic waste. A text stored on a disk 15 ly reading from screens that we begin to love paper - a fact that by no means easier to read than texts on the monitor. In the la- years ago is no longer retrievable. Since the lifetime of floppy disks has been confirmed by the volunteers in the Mainz experiment. boratory volunteers had read texts on an iPad, on a Kindle and on hardly ever exceeded five years, we would have to visit a museum printed paper. The result rocked the book fair: both reading speed of technology if we wanted to read them today. The most important message that reached the print industry recently began with an earthquake. A handful of scientists triggered it at the Frankfurt Book Fair last autumn. and reading accuracy were identical for screen and paper – and There is one thing that all people appearing in this magazine have in common: they are aware of the shifting coordinate system sur- Once we realize the new role of print media, the trend toward di- rounding the printed word – and they are organizing themselves gital technologies loses its menace. On the contrary – we may accordingly. The structural change necessitates sacrifices and a the texts were equally well remembered. According to the resear- What would happen if our modern servers suffered the same fate profit from it, such as the editor Jakob Augstein: he utilized the willingness to change views, as is illustrated on the example of chers, reading from a screen does not have any drawbacks compa- as floppy disks? Servers which contain our emails, tax declara- Internet as a digital opinion poll for the last three years, thus en- Ulrich Scheufelen: the long-established entrepreneur reinvented red to reading from paper media. This means one of the supposed tions, account statements, photos and love letters? Futurologists riching his printed newspaper. He outlined his vision in an inter- his business during the crisis. (Page 16) last bastions against the advance of digital readers has fallen: the warn about a scenario where archaeologists stand looking at du- view. (Page 9) conviction that people always and exclusively prefer reading long sty metal boxes labelled ‚harddisks‘. For lack of valid transfer me- and sophisticated texts in print. ans, they would classify our era as the ‚Dark Age‘. What of our life If, however, paper continues to change from a means of commu- nue to be our key cultural skill. And according to the Mainz study, and traditions will actually be saved for posterity? We have gone nication into a luxury – how could its attractiveness be enhanced? our special devotion to the printed word cannot always be exp- in search of it. (Page 6) No one can answer this question better than Lukas Kircher. The lained rationally. To keep this love alive - this is the role of print renowned newspaper designer says, with outstanding optical ap- media today. Have fun when reading! However, this shocking result involved good news, too: practically all volunteers agreed that they would have preferred to read a One thing will definitely remain unchanged: reading will conti- print version of the text. From the brain researchers‘ point of view, People discussing the future of print media use a vocabulary pearance. In spite of a drop in advertising revenue, he was thus E-readers and books work equally well – but subjectively, readers that resembles the description of an apocalypse: downfall, ex- able to increase circulation figures all over Germany. We paid him prefer the comfortable print on paper. tinction, death. However we don‘t need brain research to know a visit. (Page 12) Jan Stremmel Seite 4 · INK „Ich fresse Bücher“ Schriftsteller, Briefträger, Kioskfrau: Manche Menschen können sich ein Leben ohne Papier nicht vorstellen. Fünf Liebeserklärungen. protokolle: Michaela Kakuk und Eva Röder Feridun Zaimoglu, 47 Schriftsteller aus Kiel foto: Bettina Fürst-Fastré Writer from Kiel photo: Bettina Fürst-Fastré W enn ich eine Idee habe, muss sie in meinem Kopf gären. Ich mache mir dann Notizen, oft auf Briefbögen aus Hotels, in denen ich während Lesereisen übernachte. Darauf schreibe ich Dialogfetzen, eine Szene oder Eigenschaften, die meine Figur ausmachen sollen. Manche Szenen skizziere ich wie einen Comic. Wenn ich mit dem Schreiben beginne, habe ich 40 bis 50 Seiten Notizen. Mit der Hand zu schreiben bedeutet, etwas festzuhalten. Das ist für mich elementar. Ich habe eine „Füllerschwiele“ an Zeige- und Mittelfinger. Vor dem Schreiben gehe ich den Blätterhaufen durch, wieder und wieder, bis ein Destillat übrig bleibt. Ich tippe auf einer elektrischen Schreibmaschine, dann muss ich nicht auf einen Monitor glotzen. Das ist keine blöde Nostalgie – ich muss mit den Händen arbeiten, mir den Rohstoff erschaufeln, ergreifen, erschnappen. Ilona Geppert, 49 Kioskfrau aus München foto: privat Kioskwoman from Munich photo: private M orgens, wenn ich die Magazine und Zeitungen zähle, einräume und ordne, sind meine Finger schwarz von Druckerschwärze. Bevor ich etwas anderes mache, muss ich erst meine Hände waschen. Früher ging nicht so viel Schwärze ab. Keine Ahnung, wieso sich das geändert hat. Zeit zum Lesen habe ich kaum. Wenn viel los ist, komme ich nicht mal dazu, die Überschriften zu überfliegen. Ich habe aber sehr nette Kunden, die vorbeikommen und mich fragen: „Haben Sie das schon gelesen?“ Die erzählen mir dann, was in der Zeitung steht. Ansonsten blättere ich schnell ein paar Bilder in den Illustrierten durch. Wohnungseinrichtungen, Blumen, Gärten, so was interessiert mich. Stefan Niggemeier, 42 Journalist aus Berlin foto: Jan Zappner Journalist from Berlin photo: Jan Zappner I ch liebe das große, unhandliche Zeitungsformat. Die „Süddeutsche“, die „FAZ“ und den „Spiegel“ lese ich auf Papier. Bei der „SZ“ weiß ich: Ich fange mit der Medienseite an und schaue dafür im zweiten Buch auf die vorletzte Seite. Der Sportteil wandert relativ ungelesen in den Papierkorb. Fach- oder Sachbücher kann ich gut auf dem Computer oder als EBook lesen, die „Scheibenwelt“-Romane von Terry Pratchett dagegen nur auf Papier. Das kann ich mir auch nicht anders vorstellen bei Büchern, die ich zum Vergnügen lese. Ein Buch, das ich mit in die Badewanne, an den Strand oder ins Bett nehmen kann, strahlt weniger das Gefühl von Arbeit aus. Manche Kunden wollen eine ganz perfekte Zeitschrift haben, kein Knick, kein Eselsohr. Anderen ist es egal, wie sie aussieht, die sagen: „Ich häng’ sie mir ja nicht übers Bett.“ Manche möchten, dass ich ihnen die Zeitung so falte, dass die Überschrift innen ist, andere wollen es genau andersherum. Vor allem die Kunden, die die „Süddeutsche“ kaufen, haben spezielle Wünsche. Der eine will seine Zeitung gerollt oder ohne Werbebeilagen, dem nächsten muss ich sie ganz flach übergeben. Mir bricht da kein Zacken aus der Krone. Ich mag den Duft von Zeitungen. Dass sie riechen, dass man sie anfassen kann, dass sie Gebrauchsspuren haben, dass ein Buch mal dreckig geworden ist – das macht Print-Produkte einzigartig. Ich bin jemand, der gerne Notizen auf Papier kritzelt, vor allem, wenn ich telefoniere. Das hat fast was Meditatives. Leider schreibe ich manchmal Telefonnummern dazwischen. Das Problem daran ist: Entweder finde ich sie später überhaupt nicht wieder, oder ich vergesse, den Namen zur Nummer zu notieren. Es gibt trotzdem nichts Praktischeres. Ilona Geppert, 49, Kioskwoman from Munich Stefan Niggemeier, 42, Journalist from Berlin When I count the magazines and newspapers in the morning and I love the large and somewhat unwieldy format of newspapers. shelve and arrange them, my fingers are black from printing ink. I read Süddeutsche Zeitung SZ, Frankfurter Allgemeine Zeitung So first I have to wash my hands before I do anything else. The FAZ and SPIEGEL as printed issues. With SZ I start with the me- When I have an idea it must first take shape in my head. I take no- print smudges easier than it used to. No idea why this has chan- dia page and then I turn to the second last page of the second tes, often on stationery from the hotel I stay in during my reading ged. section. The sports section lands relatively unread in the waste Ich fresse Bücher, verschlinge Gedichtbände, Krimis oder Psychothriller. Einen Kindle oder ein iPad würde ich mir dafür nie kaufen. Diesen kalten Bildschirm, dieses Tastengehacke brauche ich nicht. Manchmal liege ich auf dem Rücken und lese. Dann so ein flaches Gerät in der Hand halten? Das fände ich blöd. i devour books protocols: Michaela Kakuk and Eva Röder Feridun Zaimoglu, 47, Writer from Kiel basket. tours. I put down frazzles of dialogues, a scene or attributes of the envisaged character. Some scenes I sketch like a comic. When I I have hardly any time for reading. On busy days I don‘t even find actually start writing I have 40 to 50 pages of notes. the time to skim through the headings. But I have very nice cus- It is easy for me to read textbooks or non-fiction on the computer tomers who come by and ask: „Did you read that?“ Then they tell or as E-books, but I must have „Discworld“ by Terry Pratchett in Writing something by hand means capturing it. This is elementa- me what the newspaper wrote. Otherwise I quickly leaf through front of me on paper. I can‘t imagine anything else for the books I ry to me. I have a writing callus on my index and middle fingers. a couple of pictures. Home decoration, flowers, gardens – that‘s read for pleasure. A book which I can take with in the bathtub, on Before beginning to write I go through the heap of pages again what interests me. the beach or into bed takes me a good deal away from a working atmosphere. and again until I‘m left with a distillate. I use an electric typewriter so that I don‘t have to stare at a monitor. This is far from stupid Some customers want to buy magazines which are absolutely nostalgia – I must work with my hands, dig up the material, grasp perfect, no kink, no dog-ears – nothing wrong with them. Others I like the scent of newspapers. Their smell, their touch, their tra- and snap it. don‘t care, they say: „I won‘t hang them above my bed.“ Some peo- ces of use or the traces of dirt in a book – all this is what makes ple want me to fold the newspaper with the heading inside but print products unique. I personally like to doodle with my pen on I devour books and feast on volumes of poetry, crime novels or others like it the other way round. Especially customers buying paper, especially when I am on the phone. It is almost meditative. psycho-thrillers. I would never buy a Kindle or an iPad for this the Süddeutsche Zeitung have special requests. Some expect to Unfortunately I tend to write down telephone numbers between purpose. I don‘t need the cold screen or the hacking away on the have their paper rolled up, or without the advertising inserts, the my scribblings. So the problem is either I don‘t ever find the num- keyboard. Sometimes I lie down on my back to read. Then hol- next customer wants me to hand it over flat. It‘s no problem for ber again or I forget to add a name to the number. Nevertheless ding this flat device in my hand? How silly. me to comply. – there is nothing more practical. INK · Seite 5 Ines Pohl, 39 Briefträgerin aus München foto: privat Postwoman from Munich photo: private W enn es keine Post auf Papier mehr gäbe, würde ich den Kontakt mit den Kunden vermissen. Manchmal treffe ich Leute vor ihrem Haus, dann gebe ich ihnen die Briefe direkt in die Hand. Manchmal überlege ich, welche Geschichte in einem Umschlag steckt. Einmal habe ich einen Liebesbrief in die JVA zugestellt, er war mit Herzchen bemalt. Wie die beiden sich wohl kennen gelernt haben? Über eine Zeitungsannonce? Oder kannten sie sich schon vorher? Aus manchen Briefen rieselt Sand, da denke ich: Ist das ein Urlaubsmitbringsel? Einer hat mal Palatschinken per Post verschickt. Das Papier triefte vor Fett, wir mussten den Palatschinken erst einschweißen, bevor wir ihn zustellen konnten. Wenn es in Strömen regnet, kann ich die Post manchmal nicht schützen. Papier ist saugfähig und hält Feuchtigkeit nicht lange aus. Ich schreibe Postkarten, wenn ich im Urlaub bin. Als ich letztes Jahr in Ungarn war, habe ich fünfzehn verschickt. Ein Brief ist persönlicher als eine E-Mail. Manche Menschen verzieren Briefe zu besonderen Anlässen mit Aufklebern, dann erkenne ich zum Beispiel: Da hat jemand Geburtstag! Das geht mit einer E-Mail nicht. Es ist schön, wenn man sieht, dass sich der Absender Gedanken gemacht hat. Hans-Peter Terno, 62 Blinder Blogger aus Mainz foto: privat Blind blogger from Mainz photo: private M eine eigene Zeitung machen – das war schon als Schüler mein Traum. Mit Anfang 20 machten ein Freund und ich eine Zeitschrift. Kurze Zeit später sah ich Konturen nur noch verschwommen, konnte keine Layouts mehr kleben. Schließlich erkannte ich auch keine Buchstaben mehr. Mit 46 verlor ich mein Augenlicht. Das Schreiben, musste ich aufgeben. imprint INK. is a cooperation between the German Pulp and Paper Asso- Seit ich in Rente bin, habe ich einen Weg gefunden, meinen Traum wieder zu leben. Ich habe eine Online-Zeitung gegründet, die sich mit Landespolitik beschäftigt, „Landeszeitung-RLP.de“. Die Sprachausgabe meines Computers hilft mir beim Schreiben. Ich tippe meinen Text, dann lasse ich ihn mir von der Computerstimme vorlesen. Wenn ich könnte, würde ich meine Zeitung drucken. Leser widmen sich gedruckten Texten intensiver als denen im Netz. ciation (VDP) and the German School of Journalism (Deutsche Journalistenschule). Created with the support of UPM, the Verband Druck + Medien Nordwest and the Rheinisch-Bergische-Druckerei GmbH & Co. KG. Printed on UPM Brite 55 g/m2 Editor-in-chief Jan Stremmel Manchmal nehme ich ein Buch in die Hand, obwohl ich keine Blindenschrift beherrsche. Ich erkenne genau, ob es gut gebunden ist, und lege viel Wert auf festes, griffiges Papier. Besonders schön finde ich, wenn Lettern in das Papier eingelassen sind. Manchmal nehme ich alte Klassiker aus meinem Bücherregal und fahre mit dem Finger die Buchstaben nach. Oder ich gehe auf kleine Buchmessen, um ein paar Bücher anzufassen. Managing editor Felix Brumm Executive text editor Katrin Kuntz Graphics Tom Valk / Akademie Druck + Medien NRW e.V. Editors Theresa Breuer, Florian Haamann, Kaspar Heinrich, Michaela Kakuk, Christiane Lutz, Katharina Mutz, Gösta Neumann, Ann-Kathrin Nezik, Ines Pohl, 39, Postwoman from Munich Hans-Peter Terno, 62, Blind blogger from Mainz If there were no post, I would miss the contact with my custo- To publish a newspaper of my own – that‘s what I dreamt of as a mers. Sometimes I meet people outside their house, then I hand student at school. In my early twenties I made a newspaper to- them their letters directly. I often wonder what story is hidden in gether with a friend of mine. Shortly afterwards I saw contours Consultant the envelope. Once I delivered a love letter to a prison, it was deco- somewhat blurred so that I was no longer able to paste layouts. Christian Bleher rated with little hearts. How did the two people get to know each Next I could no longer make out letters and figures. At the age other? Perhaps it was a personal ad in a paper? Or had they met of 46, I finally lost my eyesight and I had to give up writing – my Translation before? There are letters where sand comes trickling out – which passion. Uta Schieck Eva Röder, Vera Vester, Johannes Wendt, Veronika Widmann makes me think: Is this a holiday souvenir? Since I retired I have again found a way to live my dream. I have V.i.S.d.P. Once a customer mailed pancakes from Austria. The paper was established an online newspaper called landeszeitung-rlp.de responsible according to the press law dripping with fat and we had to enclose it in a sealed plastic bag which exclusively covers regional policy. When writing I rely on Gregor Andreas Geiger before we could deliver it. When it‘s pouring with rain, I someti- the voice output of my computer. I type the text with ten fingers Bereichsleiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit mes can‘t protect the mail. Paper is absorbent and does not hand- and then I have it read out to me by the computer voice. If there Director Press and Public Relations le moisture for very long. were any possibility I would print my newspaper myself, too. Rea- Verband Deutscher Papierfabriken e.V. ders concentrate on printed texts more intensively than on those German Pulp and Paper Association on the Internet. Adenauerallee 55 I‘m used to writing postcards when I‘m on holiday. When I was in D-53113 Bonn Hungary last year I mailed fifteen of them. Sometimes I pick up a book although I have no command of BrailA letter is definitely more personal than an email. Some people le. I feel precisely whether it has a good binding and I very much decorate their letters with stickers on special occasions, then I can appreciate firm paper with a good grip. I specially enjoy touching recognise for example: it’s someone’s birthday. You can‘t do the letters engraved in the pages. Sometimes I take old classics volu- same with an email. It‘s so nice to see that the sender has given a mes from the shelf and follow the text lines with my finger. Or I go lot of thought to his letter. to small book fairs just to feel a couple of books. www.vdp-online.de Seite 6 · INK Was von uns bleibt Über Jahrtausende sicherten wir unser Wissen auf Papier – heute legen wir es auf Festplatten ab. Was werden unsere Nachkommen von uns finden? Eine Spurensuche. text: Theresa Breuer und Ann-Kathrin Nezik illustrationen: Leonard Erlbruch I n Berlin ist sich Matthias Wickenhöfer zweier Dinge sicher: Tod und Datenverlust werden kommen. Er weiß nur nicht, wann. In Koblenz beschäftigt der Schriftverkehr des Wirtschaftsministeriums mit der Schuhindustrie aus dem Jahr 1952 den Azubi Gürey Terim schon den ganzen Vormittag. In einer Halle in Augsburg fährt eine grüne Leiterplatte langsam in eine schrankgroße Maschine. Und irgendwo im Schwarzwald endet ein schmaler Waldweg vor einem mannshohen Tor. w h at r e m a i n s o f u s For millenia we have saved our knowledge on paper – today we are storing it on harddisks. What will our descendants discover about us? An exploration. text: Theresa Breuer and Ann-Kathrin Nezik Illustrations: Leonard Erlbruch In Berlin Matthias Wickenhöfer is absolutely confident of two things: death and data loss will be inevitable. He just doesn‘t know when it will happen. In Koblenz the apprentice Gürey Te- Die Bibliothekarin bewahrt alte Bücher vor dem Verfall. Sie öffnet die Tür zu dem Raum, in dem die Schätze der Humboldt-Universität liegen. Sofort schlägt ihr kühle Luft entgegen. 18 Grad, zwischen 50 und 60 Prozent Luftfeuchtigkeit. „So bleiben die Bücher optimal erhalten“, sagt Peschke. In den Regalen des fensterlosen Raums stehen juristische Nachschlagewerke, Geschichtsbücher, Deutsch-Lateinische Wörterbücher, Boccaccio-Erzählungen, Dantes „Göttliche Komödie“ – Werke aus dem Grimm’schen Privatbesitz. Berlin-Mitte, Humboldt-Universität Wie Bibliothekare jahrhundertealte Bücher erhalten rim has been dealing with the correspondence between the Economics Ministry and the shoe industry dating back to 1952 all morning. In a hall in Augsburg a green circuit board slowly moves into a cabinet-sized machine. And somewhere in the Black Forest a narrow forest trail ends up at a headhigh gate. Berlin-Mitte, Humboldt University How librarians books centuries of age The atmosphere is filled with the acrid smell of old books. It penetrates the rooms on the sixth floor of Jacob-and-Wilhelm-Grimm Centre, the library of Humboldt University in Berlin. Here stu- Der herbe Geruch alter Bücher liegt in der Luft. Er dringt durch die Räume im sechsten Stock des Jacob-und-Wilhelm-GrimmZentrums, der Bibliothek der Humboldt-Universität Berlin. Hier, wo Studenten für Klausuren lernen, lagert ein wichtiger Teil deutscher Kulturgeschichte: die Privatbibliothek von Jacob und Wilhelm Grimm. dents are studying for their written tests and this is where an essential part of German cultural history is stored – the private library of Jacob and Wilhelm Grimm. The two brothers are renowned as distinguished scientists of the 19th century and as co-founders of the subject ‚German Language and Literature Studies‘. To the majority of people in Germa- Die zwei Brüder gelten als bedeutende Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts und als Mitbegründer der Germanistik. Den meisten Deutschen sind sie besser bekannt als Märchenerzähler. Im Dezember ist es 200 Jahre her, dass die erste Ausgabe ihrer „Kinder- und Hausmärchen“ erschien, sie gehören zu den bekanntesten Werken der deutschen Literatur. Dabei stammen die Märchen nicht aus ihrer eigenen Feder. Die Brüder haben Geschichten, die sich die Menschen seit Jahrhunderten erzählten, gesammelt und aufgeschrieben. So haben sie sich bis heute erhalten. ny they are better known as storytellers. In December this year it will be 200 years ago that the first edition of their Children‘s and Household Tales was published – stories which count among the most widely known works of German literature. However, the Grimm brothers did not compose them themselves. They collected and wrote down fairy tales which had been handed down through centuries. This is how they have been preserved until today. Paper is the most reliable carrier of our intellectual heritage still Bis heute ist Papier der zuverlässigste Träger unseres geistigen Erbes. Durch die Epochen, über die Kontinente, und trotz aller technologischen Entwicklungen: Papier hält fest, was wir unseren Nachkommen hinterlassen wollen. Doch nun droht die fortschreitende Digitalisierung das Papierzeitalter zu beenden. Unser Wissen wandert immer mehr auf CDs, Server und Festplatten. Können digitale Speichermedien so beständig sein wie Papier? Was werden unsere Nachkommen von uns finden, wenn unser geistiges Erbe nur noch digital existiert? Die Suche nach Antworten führt zu Archivaren, die gegen Informationsverlust kämpfen, zu Informatikern, die Daten von defekten Festplatten retten, zu Computerherstellern, die langlebige Superspeicher bauen – und zu Elke-Barbara Peschke. today. Over centuries, across continents and despite all technological advances: paper provides a medium for recording the Peschke nimmt eine schwere Bibel zur Hand. Über 500 Jahre ist sie alt und noch immer sind die gedruckten Buchstaben in lateinischer Frakturschrift gut lesbar. Auch die handschriftlichen Notizen der Grimms darin, die in vielen Werken zu sehen sind. „Die Bücher sind aus Hadernpapier“, sagt Peschke, „darum sind sie so lange haltbar.“ Hadernpapier besteht auf Stoff und enthält – im Gegensatz zu Papier aus Holz – keine Säure, die nach ein paar Jahrzehnten das Papier zersetzt. information we wish to preserve for our descendants. But digitalization is on the advance and now threatens to terminate the paper age. Our knowledge is increasingly being transferred to CDs, servers and harddisks. The question is whether digital storage media can rival the durability of paper. What will our decendants be able to learn about our lives if our intellectual heritage is only available in digital form? This consideration leads us to archivists who contend Trotz der optimalen Aufbewahrung müssen die Werke gelegentlich restauriert werden. Das kostet zwischen 100 und 2000 Euro, je nach Umfang des Buches, Grad der Schädigung und Enge der against information losses, to computer scientists trying to save data from defective harddisks, to computer manufacturers who build durable super-storages – and to Elke-Barbara Peschke. INK · Seite 7 Bindung. Mittlerweile lässt die Bibliothekarin Peschke die Bücher nicht mehr nur restaurieren, sondern davor auch digitalisieren. So können Studenten und Wissenschaftler sie online lesen. This librarian saves old books from decay. As she opens the door The task of archivists is to protect paper files from decay and to to a room where the treasures of Humboldt University are kept store ever-increasing digital data volumes in such a way as to en- she immediately feels a stream of cool air of 18 degrees and with a sure their legibility for future generations. humidity between 50 and 60 percent. Peschke: „This is an optimal atmosphere to preserve the books.“ Augsburg, Werk von Fujitsu Wie ein Technologie-Konzern Superspeicher baut Langsam fährt die grüne Platte in die schrankgroße Maschine. Zwei Automatenköpfe schießen über sie. Auf der Oberfläche platzieren sie winzige Bauteile, manche kaum größer als ein Sandkorn. Das Fließband schiebt die Platte weiter, hinein in die nächste Maschine, die die Bauteile bei 250 Grad festlötet. Nach einer Stunde kommt die Leiterplatte am Ende des Fließbands an. Nun ist es fertig – das Mainboard, Herz jedes Computers. 10.000 Mainboards pro Tag produzieren die Maschinen in den riesigen Hallen im Süden von Augsburg. Mitarbeiter in weißen Kitteln schrauben Mainboards, Kabel und Gehäuse zu fertigen Rechnern zusammen. Nicht nur Computer und Laptops baut der Technologie-Konzern hier – auch hochleistungsfähige Speichersysteme, auf denen Lufthansa, Postbank oder die Stadt Köln wichtige Daten ablegen. Die Entwickler basteln an Superspeichern, die Daten so zuverlässig festhalten, dass nur Brände oder ein Erdbeben sie zerstören könnten. Gürey Terim puts a kinked letter into the machine next to him and cuts off a dog-ear. The typewritten text has faded, the Stacked on the shelves of the windowless room are legal reference page is brittle. This is the type of paper which is most difficult books, history books, German-Latin dictionaries, tales of Boccac- to handle by archivists. Containing groundwood and artificial cio, Dante‘s Divine Comedy – all of them works belonging to the glues, it becomes acidic over time. Without the intervention of private collection of the Grimm brothers. archivists papers of this kind are bound to disintegrate sooner or later. Accordingly, the assistants take highly important files Peschke picks up a heavy bible. It is over 500 years old but the to an institution where the pages are treated in an alkaline bath printed letters in Latin gothic script are still easily legible. And for restoration. This extracts the acid from the paper and the so are the hand-written notes of the Grimms in many volumes. decay is stopped. „The books are made from rag paper,“ she explains, „and that‘s why they are so durable.“ Rag paper – contrary to wood-based pa- But it is not only the repositories of the German Federal Archive per – doesn’t contain acid which tends to destroy the paper after which are filled to capacity with documents. The Centre‘s inhouse several decades. computer centre currently already contains 10.5 million files. Since the nineties, the Archive has switched over to new storage In spite of optimal storage conditions, the books have to under- media three times: from the original magnetic tape to CDs and go restoration from time to time. The costs range from €100 to then to harddisks. To keep pace with technological progress, €2000 depending on the number of pages per book, the extent of the complete data has to be transferred about every seven years. damage and the narrowness of the binding. Meanwhile Peschke Archivists are trying to store data in an open format to alleviate has the books digitized before they go into restoration. This enab- trouble-free transmittal to the next platform. „We can‘t guarantee les students and scientists to read them online. today that the data will outlive an unlimited number of technology changes“, says Andrea Hänger, data archiving expert at the Federal Archive. Augsburg, Factory of Fujitsu Mehrere hunderttausend Euro kosten die besten Speichersysteme von Fujitsu. Die Geräte haben mehrere Petabyte Speicherplatz - auf einem Petabyte könnte man weit über 200 Millionen E-Books archivieren. Damit die Daten wirklich sicher sind, legen die Superspeicher sie doppelt ab: auf tausenden Festplatten und auf dahinter geschalteten Magnetbändern. Außerdem stellen viele Fujitsu-Kunden zwei Systeme an verschiedenen Orten auf: Gibt es an einem Standort einen Stromausfall oder eine Naturkatastrophe, bleiben die Daten erhalten. „So können wir eine Datensicherheit von nahezu hundert Prozent garantieren“, sagt Frank Reichart, Spezialist für Speichersysteme bei Fujitsu. How a technology group builds super-storages Moreover, many authorities lack a structured filing system for electronic data: „Employees store emails in their own mailbox. Slowly the green circuit board is moved into the cabinet-size ma- When they move to another department, this data is automati- chine. Two automatic heads shoot over the board and place minu- cally deleted,“ explains Hänger. And this is why historically valu- te components onto its surface – some of them hardly bigger than able information gets lost. Experts estimate that the documenta- a grain of sand. The conveyor belt moves the board onto the next tion of the years 2010 to 2020 will be less complete compared to machine where the components are soldered into place at a tem- the previous decades. perature of 250 degrees. One hour later the circuit board arrives at the end of the conveyor. Now it is a finished mainboard - the heart of every computer. Berlin-Marienfelde, Office of Data Recovery How computer scientists attempt to save our data The machines in the vast halls south of Augsburg produce 10,000 So beständig wie Papier sind die Superspeicher trotzdem nicht; ihre Lebenszeit ist begrenzt. Aber nicht, weil die Geräte nach ein paar Jahren kaputt gehen, sondern weil die meisten Firmen sie vorher gegen modernere austauschen. Das habe zwei Gründe, sagt Rohnfelder: „Erstens wachsen die Daten, die Unternehmen aufbewahren wollen, exponentiell.“ Der Speicherplatz würde also mainboards per day. Workers in white coats are busy bolting In Berlin, Matthias Wickenhöfer is absolutely confident of two mainboards, cables and housings together to complete the com- things: death and data loss will be inevitable. He just doesn‘t puters. The technology company Fujitsu builds not only compu- know when it will happen. ters and laptops, but also high-performance storage systems for Lufthansa, Postbank or the City of Cologne which use them as a For over 20 years Wickenhöfer has been general manager of Data depository for key data. Recovery. The enterprise has its seat on the third floor of a grey building located in the commercial area of Marienfelde on the Designers at the group are working on super-storages which re- outskirts of Berlin. Its staff specializes in saving data from defecti- tain data so reliably that they can only be destroyed by fire or an ve harddisks, such as company files or private photos. earthquake. Wickenhöfer sits in his office at the end of the corridor and points The premium storage systems of Fujitsu are available at a price to an open harddisk which resembles a phonograph with pickup of several hundred thousand euros. The systems provide several arm and needle: „Three things may be defective in a harddisk: petabytes of storage space - one petabyte offering an archive for the write-read head, the magnetic disc and the electronics which far over 200 million E-books. To warrant data security, super- transfer data to the PC“. If one of these highly sensitive compo- storages file data twice: on thousands of harddisks and on post- nents is found defective, one of his technicians goes to the adjoi- connected magnetic tapes. Moreover, many Fujitsu customers ning room which houses thousands of harddisks – the spare parts set up two systems at different locations. If a power failure or a inventory of Data Recovery. There he looks for a suitable compo- natural disaster occurs at one of them, the data will be left unaf- nent which he installs in the defective harddisk. Then he starts fected. Frank Reichart, storage systems specialist at Fujitsu: „This data transfer to a new carrier. enables us to guarantee a data security of virtually 100 %“. Data Recovery handles some 6000 cases every year – because a However, despite all these benefits, super-storages are inferior to rising volume of data is shifted onto digital storage media which paper in terms of durability; their lifetime is limited. This is not is highly insecure. Wickenhöfer: „A harddisk lasts for an average because the equipment fails after a few years. Instead, most com- five years but no more than 10“. panies replace it by more recent versions before the end of their life cycle. As Rohnfelder puts it: „The reason is twofold: firstly, the It is a profitable business. The average price of data saving ranges data volume companies wish to store is growing exponentially.“ from 300 to 800 euros – costs which many customers are willing So the available storage space would be fully occupied within less to pay. After all, they want to retrieve data that is important to than ten years. And secondly, technologists bring out an advanced them. There are cases, however, where saving attempts fail, for super-storage every 18 months. In other words, in 15 years‘ time example if a harddisk was exposed to water for too long or if it today‘s storages can no longer be repaired because the required was burnt. components are unavailable. But material sensitivity is not the only problem. „Some of our customers arrive with data carriers for which no drives are available“, Koblenz, German Federal Archive says Wickenhöfer. Just think of floppy disks which can no longer How the largest German archive is being armed for the digital be used with modern computers. future Another factor is the indifference of people. „Digital photos or The apprentice Gürey Terim is sitting at his desk and uses pliers music get lost quickly unless they were transferred to the latest to remove rusty staples from yellowed pages. From time to time computer model in time“, explains Wickenhöfer. „Data that is he takes a roll of adhesive tape to carefully fix some small cracks stored only digitally may disappear quite easily“, Wickenhöfer in the paper. Terim has worked all morning on the correspon- points out. And he adds that he still keeps his LP record collection dence between the German Economics Ministry and the Asso- from the 70s. ciation of the German Footwear Industry which dates back to the year 1952. Black forest, Barbara Gallery The German Federal Archive in Koblenz accommodates the si- Where our legacy is intended to survive for centuries lent witnesses of the German past: historical documents of the German Federal Government, files from Ministries and records A narrow wood trail in the Black forest ends up outside a barred of the German Federal Intelligence Service. In short - the to- gate. Three blue-white signs indicate that something important tal documentation produced by official authorities in Germany is hidden behind the gate in the former silver gallery in Oberried since 1945 and which archivists have deemed worthy of preser- near Freiburg. These protective signs of UNESCO signal the pre- vation. 75 kilometers of files are slumbering in the basement of sence of cultural assets of the highest security level. Here, 400 me- the huge concrete block behind brick walls 50 cm thick. tres below ground, Germany‘s long-term memory is stored. Seite 8 · INK kaum zehn Jahre lang reichen. Und zweitens entwickeln die Techniker alle anderthalb Jahre ihren Superspeicher weiter. Geräte, die heute gebaut werden, kann in 15 Jahren niemand mehr reparieren, weil es die Bauteile dann nicht mehr geben wird. Koblenz, Bundesarchiv Wie sich das größte deutsche Archiv für das digitale Zeitalter rüstet Der Lehrling Gürey Terim sitzt an seinem Schreibtisch und zieht mit einer Zange rostige Tackernadeln aus vergilbten Blättern. Zwischendurch greift er zu einer Rolle Klebeband und flickt vorsichtig kleine Risse in dem Papier. Der Schriftverkehr des Wirtschaftsministeriums mit dem Verband der Deutschen Schuhindustrie von 1952 beschäftigt Terim schon den ganzen Vormittag. Hier, im Bundesarchiv in Koblenz, lagern die stillen Zeugen der deutschen Geschichte: Historische Unterlagen der Bundesregierung, Akten aus den Ministerien und Aufzeichnungen des Bundesnachrichtendienstes. All das Schriftgut, das die offiziellen Stellen der Bundesrepublik seit 1945 produziert haben – und das die Archivare als erhaltenswert eingestuft haben. 75 Kilometer Akten liegen im Keller des mächtigen Betonklotzes hinter 50 Zentimeter dicken Ziegelmauern. Wickenhöfer sitzt in einem Büro am Ende des Flurs und deutet auf eine geöffnete Festplatte, die ein wenig an einen Schallplattenspieler mit Tonarm und Nadel erinnert. „Es gibt drei Dinge, die bei einer Festplatte defekt sein können: Der Schreiblesekopf, die Magnetscheibe und die Elektronik, die die Daten zum PC überträgt“, sagt er. Ist eines der hochsensiblen Teile kaputt, geht einer seiner Techniker ins Nebenzimmer, wo tausende Festplatten lagern – das Ersatzteillager von Data Recovery. Dort sucht er das passende Teil heraus und setzt es in die defekte Festplatte ein. Anschließend überspielt er die Daten auf einen neuen Träger. To gain access you need a 13-digit code. It is reserved for security Rund 6000 Fälle bearbeitet Data Recovery jedes Jahr – weil immer mehr Daten auf digitale Speichermedien wandern und die sehr unsicher sind. „Eine Festplatte hält im Schnitt fünf, maximal 10 Jahre“, sagt Wickenhöfer. It is up to archivists at the State Archives of the German länder to personnel who watch over the site, and for the German Federal Office for Civil Protection and Disaster Assistance that is in charge of the Barbara Gallery. Twice a year the gates are opened to trucks carrying 30 high-grade steel drums to be unloaded. Meanwhile nearly 1500 of these drums have been stacked inside the gallery. They contain photographs of documents, copies of key documentation – our cultural memory is here, captured on 30,000 km of microfilm, a distance which would almost reach around the equator. decide which material is worthy of storage in the Barbara Gallery. They appraise the eligibility of books and documents for inclusion in the cultural heritage of Germany. Some typical documents are, for instance, a papal deed from the Middle Ages or a letter by Es ist ein lukratives Geschäft. Zwischen 300 und 800 Euro kostet eine Datenrettung im Schnitt. Viele Kunden sind bereit, das Geld zu zahlen. Schließlich geht es um Daten, die ihnen wichtig sind. Nicht immer gelingt die Rettung. Etwa wenn eine Festplatte zu lange im Wasser lag oder verbrannt ist. Martin Luther, but also court and administrative records. Microfilms were chosen as storage media for the following reason: „They last for at least 500 years without deterioration“, says Lothar Porwich of the Federal Office for Civil Protection and Disaster Assistance. And durability is just one benefit: „You don‘t Doch die Empfindlichkeit ist nicht das einzige Problem. „Wir haben Kunden, die mit Datenträgern kommen, für die es keine Laufwerke mehr gibt“, sagt Wickenhöfer. Disketten zum Beispiel, für die neue Computer nicht ausgerichtet sind. need a special reading device to see a microfilm – the sun or a magnifying glass is sufficient.“ The documents stored in this gallery are intended to survive for centuries. No matter which epidemics, natural catastrophes Hinzu kommt die Bequemlichkeit des Menschen. „Digitalfotos oder Musik gehen schnell verloren – weil man schlichtweg irgendwann aufhört, sie auf den neuesten Computer zu übertragen“, sagt Wickenhöfer. „Was nur digital abgespeichert wird, kann leicht verschwinden.“ Seine Schallplattensammlung aus den Siebzigern hingegen, die habe er immer noch. Schwarzwald, Barbarastollen Wo unser Nachlass die Jahrhunderte überdauern soll Ein schmaler Waldweg im Schwarzwald endet vor einem vergitterten Tor. Drei blauweiße Schilder deuten darauf hin, dass sich dahinter, in dem ehemaligen Silberstollen in Oberried nahe Freiburg, etwas Wichtiges befindet. Es sind Schutzzeichen der Unesco, sie signalisieren, dass es sich um Kulturgut handelt, das unter die höchste Sicherheitsstufe fällt. Hier, 400 Meter unter der Erde, lagert Deutschlands Langzeitgedächtnis. Die Archivare müssen die Papierakten vor dem Zerfall bewahren und die wachsenden digitalen Datenmengen so speichern, dass sie für nachfolgende Generationen lesbar sind. Gürey Terim legt einen zerknickten Brief in die Maschine neben sich und schneidet ein Eselsohr ab. Die Schreibmaschinenschrift ist verblasst, das Blatt brüchig. Diese Art von Papier bereitet den Archivaren die größten Probleme. Es enthält Holzschliff und künstliche Leime, die es sauer machen. Wenn die Archivare nichts unternehmen, wird das Papier irgendwann zerfallen. Deshalb fahren die Mitarbeiter besonders wichtige Akten zu einem Unternehmen, das die Blätter in einer basischen Lösung badet. Dem Papier wird so die Säure entzogen, der Zerfall gestoppt. Wer Zutritt erhalten will, braucht den 13-stelligen Code. Den haben nur die Sicherheitsleute, die das Gelände bewachen, und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz in Bonn, das für den Barbarastollen zuständig ist. Zweimal im Jahr werden die Tore geöffnet, dann laden Lastwagen 30 Fässer aus Edelstahl ab. Inzwischen stapeln sich im Stollen fast 1500 davon. Darin lagern abfotografierte Schriftstücke, Kopien der wichtigsten Dokumente – unser kulturelles Gedächtnis beläuft sich hier auf 30.000 Kilometer Mikrofilm, fast einmal um den Äquator. Doch nicht nur die Magazine des Bundesarchivs sind prall gefüllt mit Schriftgut. Im eigenen Rechenzentrum sind schon jetzt 10,5 Millionen Dateien gespeichert. Seit den neunziger Jahren hat das Bundesarchiv drei Mal auf neue Speichermedien umgestellt: Erst haben die Mitarbeiter die Daten auf Magnetbänder archiviert, dann auf CDs, jetzt auf Festplatten. Ungefähr alle sieben Jahre müssen die Daten komplett überspielt werden, weil die Technik sich weiterentwickelt hat. Die Archivare versuchen, die Daten in einem offenen Format zu speichern, so dass sie problemlos auf die nächste Plattform übertragen werden können. „Wir können jedoch heute nicht garantieren, dass die Daten unbegrenzt viele Technologiewechsel überstehen“, sagt Andrea Hänger, Expertin für Datenarchivierung im Bundesarchiv. In vielen Behörden gebe es zudem noch kein strukturiertes System für die Ablage von elektronischen Daten: „Mitarbeiter legen EMails in ihrem eigenen Postfach ab. Wenn sie die Abteilung wechseln, werden die Daten auf ihrem Computer gelöscht,“ sagt Hänger. Historisch wertvolle Informationen gehen so verloren. Deshalb schätzen die Experten, dass die Jahre 2010 bis 2020 nicht so gut dokumentiert sein werden wie die Jahrzehnte zuvor. Was im Barbarastollen eingelagert wird, entscheiden die Archivare der Staatsarchive der Länder. Sie beurteilen, welche Bücher, welche Dokumente würdig sind, zum Deutschen Kulturerbe zu zählen. Etwa eine Papsturkunde aus dem Mittelalter oder ein Brief von Martin Luther, aber auch Gerichts- und Verwaltungsakten. Berlin-Marienfelde, Büro von Data Recovery Wie Informatiker versuchen, unsere Daten zu retten Dass Mikrofilme als Speicherform gewählt wurde, hat einen Grund: „Sie halten mindestens 500 Jahre ohne Wertverlust“, erklärt Lothar Porwich vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Und die Haltbarkeit ist nicht der einzige Vorteil: „Um sich einen Mikrofilm anzusehen, braucht es kein spezielles Ablesegerät – die Sonne oder eine Lupe reicht.“ Matthias Wickenhöfer ist sich zweier Dinge sicher: „Der Tod und der Datenverlust werden eintreffen - man weiß nur nicht, wann.“ Seit über 20 Jahren ist Wickenhöfer Geschäftsführer der Firma Data Recovery. Das Unternehmen sitzt im dritten Stockwerk eines grauen Gebäudes im Gewerbegebiet von Marienfelde am Rande Berlins. Die Mitarbeiter sind darauf spezialisiert, Daten von defekten Festplatten zu retten. Firmenakten zum Beispiel, aber auch private Fotos. Die hier eingelagerten Dokumente sollen die Jahrhunderte überstehen. Seuchen, Naturkatastrophen, Kriege – der Barbarastollen ist bombensicher. „Wer weiß, vielleicht wird irgendwann einmal eine außerirdische Spezies darauf stoßen“, sagt Porwich. Ähnlich wie im Jahr 1940, als französische Forscher in der Höhle von Lascaux auf Wandmalerein stießen, könnte dann in einem Stollen im Schwarzwald ein längst vergessenes Erbe entdeckt werden. or wars afflict humanity – the Barbara Gallery is a bomb-proof location. „Who knows – perhaps an extraterrestrial species will come across it some time“, adds Porwich. Similar to the discovery of cave paintings in Lascaux by French researchers in 1940, a long-forgotten heritage might thus be detected in a gallery in the Black Forest. INK · Seite 9 „Von Print erwartet der Leser Autorität“ Der Verleger Jakob Augstein über die Relevanz von Papier und den Zusammenhang zwischen Leserbindung und Gartenpflege. „ r e a d e r s e x p e c t au t h o r i t y from print“ Jakob Augstein, publisher, on the relevance of paper and the connection between readers‘ loyalty and garden maintenance. interview: Katrin Kuntz and Katharina Mutz interview: Katrin Kuntz und Katharina Mutz fotos: Falko Siewert H photos: Falko Siewert Mr. Augstein, some months ago you published a book on gardens. err Augstein, Sie haben vor einigen Monaten ein Buch über Gärten veröffentlicht. Wenn man sich die deutsche Zeitungslandschaft als Garten vorstellen würde, wie sähe der aus? Er blüht, zumindest zum Teil. Von einer Zeitungskrise wie in Amerika sind wir weit entfernt. In Deutschland gibt es einen Strukturwandel, aber keine Strukturkrise. Wir haben viele große Verlage, die sehr gut zurecht kommen und hohe Gewinne abwerfen. Aber wenn, um mal im Bild zu bleiben, einige Teile dieses Gartens einer Dürre zum Opfer fielen, wäre das kein Weltuntergang. Print ist ja nicht gleich Print. sich weniger auf Nachrichten und liefern dafür mehr Hintergrund. Trotzdem frage ich mich manchmal: Wie schafft man es, das alles jeden Tag zu lesen? Nein? Wenn das „Elbe Wochenblatt“ eingestellt wird oder andere Anzeigenblätter, die in den Vororten verteilt werden, dann geht ein Stück Print verloren. Meine Betroffenheit darüber hält sich in Grenzen. Wenn die „Süddeutsche Zeitung“ eingestellt werden müsste, wäre das ein echter Kulturverlust. Müssen die Verleger von Tageszeitungen mutiger werden, um ihre Produkte attraktiver zu machen? „Süddeutsche“ und „FAZ“ sind doch großartige Zeitungen. Ich finde ihre Qualität schwindelerregend hoch. Was sollen die noch besser machen? If the „Elbe Wochenblatt“ or other advertising journals were dis- 2011 sind die Auflagen der deutschen Zeitungen im Vergleich zum Vorjahr um durchschnittlich 3,7 Prozent gesunken. Ja, das ist der Strukturwandel. Die Erlöse aus den Anzeigen brechen weg. Und man kann die Copypreise der Zeitungen nur begrenzt erhöhen. Are we still in need of printed high-quality newspapers? We might If we try to see the German newspaper landscape as a garden, what would it look like? It‘s blooming, at least in part. We are far away from a newspaper crisis like that in the USA. In Germany, too, we witness a structu- Wie sieht es mit Wochenzeitungen aus? Bei Wochenzeitungen und Magazinen mache ich mir weniger Sorgen. Schauen Sie sich die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ an: Sie wurde im Internetzeitalter gegründet – und hat trotzdem Leser gefunden. Warum? Weil die Leute am Wochenende Lust haben, eine gute Zeitung zu lesen. ral change, but no structural crisis. We have a multitude of major publishers which are coping very well and earn high profits. But even if – to stay in the picture – parts of this garden would suffer a drought, this wouldn‘t be the end of the world. Print is not necessarily print. It isn‘t? Brauchen wir noch gedruckte Qualitätszeitungen? Wir können uns dieselben Inhalte doch kostenlos im Netz anschauen. Gedruckte Zeitungen wird es weiterhin geben – einfach, weil sie praktisch sind: Sie verbrauchen keinen Strom, wir können sie überallhin mitnehmen. Zeitungen sind übersichtlich, man kann sie anfassen und durchblättern. Manche Inhalte lassen sich in einer Zeitung besser oder schöner vermitteln als im Netz. Ihre Wochenzeitung „Der Freitag“ steht exemplarisch für ein Produkt, das vom Netz lebt. Wieso lassen Sie überhaupt noch eine Printausgabe drucken? Wir können nur mit der Papierausgabe Geld verdienen, das Netz wirft zu niedrige Gewinne ab. Das grundsätzliche Problem ist: Die kostenlosen Inhalte im Netz konkurrieren mit denen in der Tageszeitung. „Eine Zeitung ist wie ein guter Freund.“ Wie haben die Tageszeitungen darauf reagiert? Die Tageszeitungen sind zu täglich erscheinenden Wochenzeitungen geworden. Blätter wie die „Süddeutsche Zeitung“ haben ihr Profil in den letzten Jahren sehr verändert: Sie konzentrieren continued which are circulated in fringe areas, a piece of the print media sector breaks away. But my empathy is somewhat limited in this case. However, if Süddeutsche Zeitung had to be abandoned, this would be a real cultural loss. read the identical contents on the Internet free of charge. Printed newspapers will continue to exist – simply because they are practical: they don‘t consume electricity, we can take them everywhere. Newspapers have a clear layout, you can feel them and leaf through them. Certain contents are presented in a better Brauchen wir mehr guten Lokaljournalismus? Ich glaube nicht, dass das eine Lösung ist. Es interessiert die Leute heute weniger als früher, was bei ihnen um die Ecke passiert. Der Referenzrahmen hat sich verschoben. Jeder, der möchte, ist mit einem Klick in Berlin, Brüssel oder Peking. Der Lokaljournalismus ist vielerorts allerdings auch so schlecht, dass Sie ihn nicht lesen wollen. Um ihn besser zu machen, fehlt wiederum das Geld. and more appealing way in newspapers than on the Internet. Your weekly „der Freitag“ (The Friday) is a typical example of an Internet-based product. Why do you still have it published in print, too? Only the paper copy allows us to make money, the profits from the Internet are too small. The basic problem is that the free contents available on the Internet compete with those which appear Wie muss eine Zeitung sein, damit Sie auf sie aufmerksam werden? Zugespitzt, meinungsstark, mit Profil. Eine Zeitung muss mir Orientierung bieten, sie muss mich begleiten, wie ein guter Freund. Ich muss sie kennen und mögen. Warum sollte ich sie sonst lesen? Was los ist auf der Welt, weiß ich sowieso. Aber wir sollten nicht länger von Zeitungen reden, es muss um Marken gehen. in daily newspapers. How did the newspaper scene react? The daily newspapers have actually transformed into daily appearing weekly papers. Over the past few years, newspapers like Süddeutsche Zeitung have substantially modified their profile. Their focus has shifted from news to background information. Never- Das heißt? Um herauszustechen, muss sich eine Zeitung profilieren. Der theless I wonder sometimes how customers can possibly find the time to read all this information every day. Seite 10 · INK „Guardian“, mit dem wir kooperieren, sagt von sich selbst: Wir wollen die liberale Stimme der Welt sein. Das kann nun nicht jeder von sich behaupten. Aber man muss eine klare Vorstellung davon haben, wer man ist: Welches Instrument spielen wir in diesem Medienkonzert? Für wen sind wir da? Wie eine Marke dann vermittelt wird – ob über Print, Online oder das iPhone – ist eigentlich egal. Was zählt, ist die Identität – und der Erlös. Und zur Identität gehören auch „TAZ“-Fahrräder und die „SZ-Bibliothek“? Wenn es markenkompatibel ist – warum nicht? Die „TAZ“ baut auf dem Kreuzberger Lebensgefühl der 80er Jahre auf und verdient damit Geld. Wie gut verkaufen sich die „Freitag“-T-Shirts? Gar nicht. Aber unsere Marke ist jung. Wenn wir wirklich in diesen Markt der Nebenprodukte einsteigen wollten, müssten wir überlegen: Was passt zu uns? Gar nicht so einfach. „Das Internet macht uns nachdenklicher und demütiger.“ Sie fahren beim „Freitag“ eine innovative Internet-Strategie. Blogger aus ihrer Online-Community haben die Chance, mit ihren Beiträgen ins Blatt gehoben zu werden. Die Schranke zwischen Leser und Redakteur ist durchlässig. Braucht man überhaupt noch Journalisten? Klar, das Kerngeschäft des Journalisten ist doch gleich geblieben. Leser ersetzen keine Journalisten. Aber die Kommunikation mit den Lesern ist für uns essentiell: Es macht einen Riesenunterschied, ob Sie, wie früher, einen Artikel ins Nichts schicken und vielleicht einen Leserbrief zurückbekommen oder, wie heute bei uns, eine direkte Reaktion von Ihren Lesern erfahren. Das verändert unsere Arbeit: Wir werden nachdenklicher und demütiger. Und manchmal auch genervter? Naja. Sie finden im Netz unheimlich viele Worte mit relativ wenig Inhalt. Das ist das eine Problem. Das andere ist, dass die Stimmungsschwankungen sehr groß sind. Um zum Kern einer Debatte vorzudringen, müssen Sie sehr viel lesen, manchmal auch sehr viel Unsinn. Aber es lohnt sich. Die Arbeit mit den Lesern ist eine Mischung aus Therapie und gärtnerischer Arbeit. All das kostet sehr viel Zeit. ...weil die User oft selbstgerecht sind? Wie überall im Leben. Es gibt Leute, die wollen sich nur profilieren. Aber mein Eindruck ist, dass die meisten wegen des inhaltlichen Austauschs bei uns mitmachen und weil sie Teil unseres Projektes sein wollen. Das finde ich schön. Wir haben beim Freitag übrigens die interessante Erfahrung gemacht, dass die User ihre eigenen Blog-Beiträge gar nicht unbedingt noch einmal gedruckt lesen wollen. Von Print erwartet der Leser immer noch eine gewisse Autorität. Wenn Zeitungen ins Internet gehen, geraten Ressorts wie das Feuilleton ins Hintertreffen. Das stimmt. Das Netz reißt das Solidarmodell Zeitung auseinander. Sie meinen das Prinzip, dass Ressorts sich gegenseitig finanzieren. Genau. „Ich zahle deinen Wirtschaftsteil – du zahlst mein Feuilleton“, das funktioniert im Internet nicht länger. Zwar wird ein Medium, das relevant sein will, auch im Netz nie auf seinen Kulturteil verzichten. Dennoch werden Nischenressorts ständig mit den Klickzahlen oder dem Rotstift zu kämpfen haben. Für eine bestimmte Art von Qualitätsjournalismus ist das Internet ein gefährliches Medium. How about weekly papers? I‘m less worried about weekly papers and magazines. Just take „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“, for example. Although it was established in the Internet age, it has won a reader- Die deutschen Zeitungsverlage haben ihre Inhalte von Anfang an kostenlos ins Netz gestellt. Wie kann man diesen Fehler rückgängig machen? Ich weiß nicht, ob man das einen Fehler nennen kann, weil ich nicht glaube, dass das zu verhindern gewesen wäre. Aber im offenen Netz ist das nicht mehr rückgängig zu machen. Wir müssen auf das geschlossene Netz setzen. Wer ein Smartphone in der Hand hat, ist von Anfang an daran gewöhnt zu bezahlen. Eigentlich müssten „Spiegel“ oder „Bild“ ihre kostenpflichtigen Auftritte von den kostenlosen differenzieren. Also eine Printausgabe, eine Applikation und dann noch im Netz die Website. Alle drei Produkte müssten inhaltlich verschieden sein. Schwer vorstellbar. ship. Why? Well, people are fond of reading a good newspaper at the weekend. A newspaper is like a good friend“ Will the publishers of daily newspapers have to be more daring to increase the attractiveness of their products? „Süddeutsche“ and „FAZ“ are splendid papers. To me they are of staggering quality. How could they possibly improve on that standard? In 2011 the circulation of German newspapers decreased by an average 3.7 % compared to the previous year. In der Slowakei haben sich neun Medienunternehmen zusammengeschlossen und ihre Internetangebote über eine Bezahlplattform kostenpflichtig gemacht. Wäre so etwas nicht auch in Deutschland möglich? Möglich wäre das schon. Aber warum sollten die Marktführer „Springer“ und „Spiegel“ sich mit anderen Verlagen wie der „Süddeutschen Zeitung“, der „FAZ“ oder der „Zeit“ zusammenschließen? Damit die bessere Gewinnchancen im Netz haben? Yes, that‘s the structural change. The revenue from advertising is collapsing. And you can only raise the copy prices of newspapers to a limited extent. Do we need more excellent local journalism? I don‘t think this would resolve the problem. In contrast to earlier years, people today are less interested in what‘s happening in their vicinity just round the corner. Their reference frame has shifted. Nowadays it takes just a click for anybody to find himself in Ber- Im Streit um die kostenlose „Tagesschau“-App haben sich die Verlage hingegen zusammengeschlossen – weil sie ihre Existenz bedroht sehen. Die Hysterie, mit der der Streit um diese kostenfreie App geführt wird, erscheint mir absurd. Wenn die Verlage sagen, ihre Existenz sei gefährdet, kann ich nur sagen: Unter Existenzbedrohung stelle ich mir etwas anderes vor. lin, Brussels or Beijing. To be honest, in many places local journalism is too poorly made to attract readers. On the other hand the money required to improve this situation is lacking. What must a newspaper have to catch your attention personally? It must be provocative, opinionated, with a distinct profile. I expect a newspaper to provide orientation or guidance; it has to accompany me like a good friend. I have to be familiar with it and Für die Verleger sind die Öffentlich-Rechtlichen also keine Konkurrenz? Natürlich sind sie eine Konkurrenz. Na und? Wir brauchen ein duales System in Netz. Und darin soll jeder machen können, was er will. like it. Why else should I take to reading it? I‘m informed about what‘s going on in the world anyway. But we should stop discussing newspapers, we should rather concentrate on brands. Which means? To catch the readers‘ eye, a paper has to make its mark. The „Guar- Wirklich? Es ist doch verrückt, dass die privaten Verleger das Netz für sich reklamieren wollen. Im Grunde waren sie es, die begonnen haben, ohne Lizenz zu senden. Die Öffentlich-Rechtlichen haben ja nicht angefangen, plötzlich Zeitungen zu verteilen. Sie erfüllen nur ihren verfassungsmäßigen Auftrag. Die Grundversorgung, die früher übers Fernsehen lief, läuft heute zunehmend über das Internet. Die „Tagesschau“-App ist großartig gemacht. Neben „Spiegel Online“ ist sie die Applikation, die ich am meisten nutze. dian“, our cooperation partner, puts it this way: We want to be the liberal voice of the world. Of course, not everybody can say that. But you must have a precise concept of who you are. Which instrument are we playing in today‘s media concert? Who is our target group? How a brand is communicated – by print, online or via iPhone – is actually irrelevant. What counts is identity – and revenue. And identity includes „taz“ bikes and the SZ library? Why not – as long as it is compatible with the brand. The ‚taz‘ builds on the joie de vivre of the eighties in Kreuzberg – and ma- Und im Print? Ich lese jeden Tag die „FAZ“ und die „Bild“-Zeitung. Die „FAZ“ ist die klügste und die „Bild“ die sinnlichste Zeitung. Die „Bild“ ist die einzige deutsche Zeitung, die das Papier wirklich ernst nimmt. Überlegen Sie mal: Jeden Tag können die ihre Zeitung komplett neu erfinden! Dieses begeisterte Blattmachen, das Handwerk, was man da sieht, das finden die Leser attraktiv – und ich auch. Sie gestalten gerne – kommt da der Gärtner in Ihnen durch? Der Garten ist für mich eine Metapher für viele Bereiche. Mein Gartenbuch ist auch als Chiffre für das zu lesen, was wir beim „Freitag“ machen. Ein Garten ist ein Projekt, genau wie eine Zeitung und eine Community im Internet Projekte sind. Beides funktioniert nur, wenn man Pflege und Sorgfalt reinsteckt. Und sehr viel Geduld. kes money with it. How well are the „Friday“ T-shirts selling? Not selling at all. But our brand is still young. If we really want to enter the market of add-on products, we have to find out what exactly is right for us. Not an easy task at all. „The Internet makes us more pensive and humbler“ With „Freitag“ you are adopting an innovative Internet strategy. Bloggers of your online community have a chance of seeing their contributions included in your online newspaper. The barrier between readers and editors has become permeable. INK · Seite 11 Does this make journalists superfluous? charged and free publications. In other words, there should be a Of course not, the core business of journalists has remained un- printed version, an App and a website on the Internet. All three changed. Journalists cannot be replaced by readers. But the com- products would have to show different contents. Difficult to ima- munication with our readers is essential to us: it makes a huge gine though. difference whether you publish an article into nowhere - as it used to be – and at best receive a letter to the editor in return, or if – as In Slovakia, nine media enterprises joined forces to offer their In- it is today – you get an immediate response from your readers. ternet content via a payment platform. Do you think this would be This has changed our work and our attitude. We ourselves are be- possible in Germany, too? coming more pensive and humbler. This would certainly be possible. But why should Springer and Spiegel as market leaders associate with other publishers such as And sometimes more stressed, too? those of Süddeutsche Zeitung, FAZ or „Zeit“? To improve their Well, the Internet contains an awful lot of words with relatively chances of profit on the Internet? little meaning. This is one of the problems, the other one is heavy mood swings. If you want to come to the heart of a debate you In the dispute over the free news App („Tagesschau“), publishers are compelled to read a terrible amount of information and so- have actually joined – because they see a threat to their survival. metimes a lot of nonsense, too. But it‘s worth the while. Working I feel the hysteria which shows in this dispute about a free-of- with readers is a mix of therapy and gardening. All this costs you charge App is absurd. If the publishers maintain that their exis- a lot of time. tence is threatened I can only say: I understand something completely different concerning an existential threat. ...because the users are often self-righteous? Just like in everyday life. There are people who want to promote So the publicly owned TV stations are not competitors to the pu- themselves and nothing else. I‘m under the impression that most blishing houses? of our readers participate because they value the exchange of con- Of course they are. So what? We need a dual system on the In- tents and because they wish to be part of our project. I appreciate ternet. And within this system every participant should be free that very much. Incidentally, we have had an interesting experi- to act as he wants. ence with ‚Freitag‘, namely that our readers don‘t see it as absolutely necessary to read their blogs in print once more. Readers still Really? expect a certain authority from the print media. It‘s absolutely crazy that the private publishers claim the Internet for themselves. They were the first to broadcast without a licence. If newspapers go on the Internet, certain sections such as feature The public-law institutions never started a sudden campaign to pages tend to fall behind. distribute newspapers. They are just serving their constitutional Yes you are right. The solidarity model ‚newspaper‘ is being torn mandate. The basic services which used to be provided by TV are Jakob Augstein, geboren 1967 in Hamburg, ist Verleger der Wochenzeitung „der Freitag“. Im Jahr 2008 kaufte er die ehemalige „Ost-West-Wochenzeitung“ und entwickelte eine Strategie, die Online und Print eng miteinander verknüpft: Beiträge von Bloggern aus der Internet-Community haben die Chance, ins Blatt gehoben zu werden. Jakob Augstein ist der gesetzlich anerkannte Sohn des verstorbenen „Spiegel“Herausgebers Rudolf Augstein und leiblicher Sohn des Schriftstellers Martin Walser. Zusammen mit drei Geschwistern hält er 24 Prozent des „Spiegel“-Verlags. apart by the Internet. currently shifting increasingly to the Internet. The „Tagesschau“ Jakob Augstein, born 1967 in Hamburg, is publisher of the weekly „der Freitag“. German newspaper publishers have posted their contents onto the In 2008 he acquired the former „Ost-West-Wochenzeitung“ and developed a stra- Internet free-of-charge from the beginning. How can they correct tegy to intimately link online and print: contributions by bloggers from the Inter- this mistake? You like designing – does the gardener in you come to the fore? net community have a chance of being included in the newspaper. Jakob Augstein I‘m not sure if you could call it a mistake because I don‘t believe Gardens to me are a metaphor for many spheres. My garden book is the legally recognized son of Rudolf Augstein, the late „Spiegel“ editor, and he there was an alternative. But in the open Internet of today this is also a cipher denoting our approach to „Freitag“. A garden is a is the biological son of the writer Martin Walser. Together with three siblings he decision cannot be retracted. We have to rely on a closed Internet. project, just as a newspaper and an Internet community are pro- holds a 24 percent share in the „Spiegel“ publishing house. A Smartphone owner is used to paying right from the start. Ac- jects. Both will only work if they are given the necessary care and tually, ‚Spiegel‘ or ‚Bild‘ ought to make a difference between their diligence. And a lot of patience. news App is magnificently made. Besides „Spiegel online“ it‘s the You‘re talking about the principle of mutual financing of indivi- application I use most often. dual sectors. Exactly. „I pay for your business section – you pay for my feature And what are your preferences in print? pages“, on the Internet this no longer works. Although every I read FAZ and „Bild“ every day. To me FAZ is the most knowled- medium aspiring to relevance will by no means waive its culture geable and „Bild“ the most sensuous newspaper. By the way „Bild“ section on the Internet, niche sectors will continuously have to is the only German newspaper which takes the paper seriously. struggle with click numbers or budget cuts. The Internet is a risky Just think about it: its editors are able to invent their newspa- medium for a certain form of first-rate journalism. per completely anew each day! This enthusiasm for editing, the craftsmanship we see – that‘s what readers find attractive – and I do too. Seite 12 · INK Feldherr mit Papierhut: Der Zeitungsdesigner Lukas Kircher liebt den Wettkampf. General with a paper hat: The newspaper de-signer Lukas Kircher loves competition. Der macht das schön he embellishes Was durch seine Finger geht, wird zu Gold: Lukas Kircher lässt Zeitungen strahlen und Auflagen steigen. Ein Werkstattbesuch. Whatever he touches turns into gold: Lukas Kircher makes newspapers shine and circulations rise. A workshop visit. text: Johannes Wendt text: Johannes Wendt fotos: Steffi Loos W enn Redaktionen ihre Auflagen steigern wollen, müssen sie zuerst Stufen steigen. Mitten in Berlin, einen Steinwurf von der Museumsinsel entfernt, stapfen 15 Redakteure vier Stockwerke nach oben. Dort empfängt Lukas Kircher in seiner Agentur Chefredakteurin Bascha Mika und ihre Kollegen, um mit ihnen die Entwürfe der neuen „taz“ zu besprechen. Aus dem Augenwinkel sieht er ein Stockwerk tiefer andere Kundschaft: Auf der Dachterrasse blättern Bundeswehroffiziere in der „Y“. Auch das Magazin der Bundeswehr betreut Kircher. Er ist bei allen gleichermaßen begehrt, wie links oder staatstragend sie auch seien. Denn er steht im Ruf, Publikationen ein unverwechselbares Gesicht verleihen zu können - ein begehrenswertes. Wenn sich der 40-Jährige heute am Konferenztisch der Lobby an die Szene im Sommer 2009 erinnert, grinst er verwegen: Es war nicht zu befürchten, dass „taz“-Redakteure und Offiziere übereinander herfallen würden, und doch lenkte er die beiden Gruppen den ganzen Tag aneinander vorbei. photos: Steffi Loos Editorial staff who wish to increase circulation figures first have to der „Berliner Zeitung“ an deren Relaunch. Über Wochen feilt er zusammen mit John Lockwood, einem amerikanischen Künstler, an Weißraum, Durchschuss und Typografie. Bei der Abschlussprä- climb stairs. In the heart of Berlin, just a stone‘s throw away from Museum Island, 15 editors are trudging up four floors. Up there Lukas Kircher receives Bascha Mika, editor-in-chief, and her colleagues in his news agency in order to discuss the concepts of the new „taz“ with them. From the corner of his eye he spots other clients one floor below: on the roof terrace, officers of the German Armed Forces browse through „Y“. Kircher also attends to their magazine. He is equally popular with all parties, no matter whether they’re from the Left or state-supporting. This is at-tributable to his reputation for giving an unmistakeable profile to publications, thus making them attractive and desirable. As the 40-year old Kircher today sits at the conference table in the lobby, the remembrance of a scene in summer 2009 brings a youthful grin to his face: there was no risk of „taz“ editors and officers of the German Armed Forces attacking each other at the time, but he nevertheless managed to steer the two groups past each other all day. Es herrscht konzentrierte Stille in den lichten Büros von KircherBurkhardt. In den Regalen liegen Zeitungen übereinander gestapelt, die Wände sind mit Magazinseiten tapeziert. Kirchers Mitarbeiter sitzen an aufgeräumten Tischen, ein kleiner schwarzer Hund streift durch die leeren Gänge. In diesen Räumen tüftelt Lukas Kircher mit knapp 200 Mitarbeitern am Design der Zukunft. Am Design, das Zeitungen die Krise der Printbranche überleben lässt. Lukas Kircher ist für viele Verlage die letzte Hoffnung. Er macht sich sein Vorbild zum Rivalen. Seine Agentur hat die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“, die „Welt am Sonntag“ und den „Tagesspiegel“ neu aufgelegt. Alle drei wurden als „World‘s Best Designed Newspaper“ ausgezeichnet, den bedeutendsten Preis der Branche. Als Mann hinter dem Design ist Kircher eine Art dreifacher Oscarpreisträger. Von Beginn an suchte er den Wettstreit. Als er 2000 die Agentur gründete, zielte er auf den Messias der Branche: den amerikanischen Zeitungsdesigner Mario Garcia. Der revolutionierte in den Neunzigern den Zeitungsmarkt mit spektakulären Infografiken und innovativen Bildkonzepten. Kircher dachte sich: Das können wir auch.Bevor er die Agentur gründet, arbeitet er als Art Director There is a silent and concentrated atmosphere in the offices of KircherBurkhardt which are flooded with light. In the shelves newspapers are stacked up, magazine pages are used as wallpapers. Kircher‘s employees sit at tidy work desks, a little black dog roams the empty corridors. It is in these rooms that Lukas Kircher, as-sisted by some 200 employees, puzzles over the design of Die „Stuttgarter Zeitung“ machte Kircher 2009 zu „Europas bester Regionalzeitung“ the future – the design being the survival of the newspaper in the In 2009 Kircher made „Stuttgarter Zeitung“ to „Europe‘s best regional paper“. currently the last hope. print sector crisis. For many publishing houses Lukas Kircher is His agency has newly edited „Frankfurter Allgemeine Sonntags- sentation erklärt Kircher seinen Entwurf. Die größten Hürden sind genommen - bis der Geschäftsführer über einen stecknadelkopfgroßen Diamanten im Logo stutzt. „Welchen Zweck hat der?“ „Das ist ein Diamant“, sagt Kircher. „Warum steht er gerade dort?“ „Weil er eine gemeinsame Markenidentität schafft.“ „Das ist alles?“ Kircher kramt in der PR-Trickkiste: „Er steht da oben, weil Zeitungen bestimmte Eigenheiten brauchen, um Eigenleben und Charakter zu entwickeln. Das kann nicht funktional verortet werden.“ zeitung“, „Welt am Sonntag“ and „Tagesspiegel“. All three received a prize as „World´s Best De-signed Newspaper“- the most significant award in this sector. As the man behind the design, Kircher has been a kind of triple Oscar winner. From the very beginning he was out for contest. When he founded the agency in 2000, he targeted the Messiah of the line of business – Mario Garcia, the U.S. newspaper designer. In the early nineties, this designer revolutionized the news-paper market with spectacular info graphics and innovative picture concepts. Kircher thought to himself: we can do this, too. INK · Seite 13 Der Diamant darf bleiben. Was Kircher als Perfektionismus empfindet, erweist sich als Glücksfall. Die „Berliner Zeitung“ gewinnt den „European Newspaper Award“. Before establishing the agency, Kircher served as art director of „Berliner Zeitung“ where he was responsible for its re-launch. For weeks he cooperated with the U.S. artist John Lockwood in designing white areas, line spacing and ty-pography. At the final Mit seinem nächsten Projekt schließt Kircher zu seinem amerikanischen Rivalen auf. Nachdem Garcia den „Tagesspiegel“ 1994 umgestaltet hat, will das Blatt zehn Jahre später erneut sein Design ändern. Diesmal fällt die Wahl auf Kircher - der damit im Revier Garcias wildert. Kircher entwirft neue Erzählformen, lockert das Blatt auf und unterstreicht dessen Wert. Damit macht er alles richtig: Noch im selben Jahr wird der „Tagesspiegel“ mit dem „World´s Best Designed Newspaper Award“ ausgezeichnet. Für Lukas Kircher bringt das Prestige und neue Aufträge. Dabei wollte er seit seiner Kindheit ganz andere Preise einheimsen: Filmpreise. presentation, Kircher explained his design. The highest hurdles had been overcome – until the managing director stopped at the sight of a pinhead sized diamond in the logo. „What‘s this for?“ „This is a diamond“, replied Kircher. „Why is it placed just here?“ „Because it creates a common brand identity.“ „And that‘s all?“ Digging into the bag of PR tricks Kircher explained: „It has been placed up there because newspapers have to show specific features in order to develop a life and character of their own. You can‘t just Zuerst will er zum Film – doch der Prof macht Softpornos. position such a symbol under purely func-tional aspects.“ The diamond remained in place. What Kircher himself sees as perfectionism actu-ally turned out to be a stroke of luck: the „Ber- Nach der Schule steht er in jeder freien Minute hinter der Kamera; er will Geschichten visuell erzählen. Er schwärmt für Jean-Luc Godard und dreht düstere Autorenfilme. Franz Antel, damals künstlerischer Leiter der Filmakademie Wien, macht Kirchers Pläne unfreiwillig zunichte. Der Hochschullehrer produziert Softpornos. Von ihm will Kircher das Filmen nicht lernen, also meldet er sich an der Hochschule für Angewandte Kunst an. Die Schule ist eine Spielwiese für Medienkunst. Kircher experimentiert, er verliert die Furcht vor Fehlern. Später wird das zum Merkmal seiner Arbeit. Als das iPad erscheint, steht Kircher mit leeren Händen da. Niemand weiß zu diesem Zeitpunkt, wie man eine Zeitungs-App baut. Trotzdem nimmt er Aufträge an und probiert, bis er im Mai 2010 die App „Welt HD“ vorlegen kann. Kircher hat damit auch den App-Markt erobert. Sein Aushängeschild aber bleibt das Zeitungsdesign. Im vierten Stock brütet eine Frau über den Titellettern eines niedersächsischen Regionalblattes. Mit Kircher will die Zeitung den Sprung ins nächste Jahrzehnt schaffen. In kleinen, schwarz-gelben Buchstaben steht der Titel auf dem Original. Kircher nimmt das Blatt in die Hände, sein Blick läuft über die Seite. „Schwarz-gelb bedeutet Aggression“, sagt er. „Wissen wir aus der Farbforschung.“ Einen Augenblick später zieht seine Mitarbeiterin auf dem Bildschirm die Farbskala in Richtung Gold. liner Zeitung“ won the „European Newspaper Award“. From role model to rival. With his next project Kircher caught up with his American rival. Ten years after Garcia redesigned the „Tagesspiegel“ in 1994, its publishers decided to change its design once again. This time Kircher was chosen – thus poaching in Garcia‘s terri-tory. Kircher created new narrative forms, broke up the newspaper structure Lukas Kircher, 40, ist der erfolgreichste Zeitungsdesigner Deutschlands. Mit der „FAS“ hat er fünf Mal den „World´s Best Newspaper Design Award“ gewonnen. Kircher studierte in Wien Angewandte Kunst. Bevor er die Meisterklasse abschloss, machte ihn der Chefredakteur der „Presse“ zum Grafiker. Später folgte Kircher ihm zur „Berliner Zeitung“ und zum „Stern“. Seit 2000 ist er selbständig. and emphasized its value. In short, he did everything right. In that same year, „Tagesspiegel“ gained the „World´s Best Designed Newspaper Award“. Lukas Kircher profited in prestige and additional orders. However, his childhood dream had been to reap prizes of a different nature - namely film prizes. Initially he wanted film – but not with a softcore films professor. Lukas Kircher, 40, counts among the most successful newspaper designers in Germany. With FAS - Frankfurter Allgemeine Zeitung, he has gained the ‚World´s Having finished school, he was behind the camera every free mi- Best Newspaper Design Award‘ five times. In Vienna Kircher took up the study nute. His inten-tion was to tell stories visually. He was enthusi- of Applied Arts. Before he graduated from his master class, the editor-in-chief of astic about the work of Jean-Luc Godard and made dark auteur the Vienna „Presse“ recruited him as a graphic designer. Later on Kircher followed movies. Franz Antel, the then art director of the Vi-enna Film him to „Berliner Zeitung“ and to „Stern“ in Germany. Since 2000 he has been wor- Academy, unintentionally wrecked Kircher‘s plans: the professor king as a free-lance designer. pro-duced softcore films at the time and Kircher refrained from attending his film study course. Instead, he enrolled at the Vienna University of Applied Arts. This institution was a playground of media art. Kircher started experimenting in the media sector, he lost his fear of making mistakes – an attitude that became typical of his work. The arrival of the iPad left Kircher empty-handed. Anleitung zur Realitätserweiterung: Nehmen Sie ein Smartphone und laden Sie das App von Junaio. Wählen Sie den „vdmnrw“ Channel, jetzt sehen Sie alle Kalenderblätter. Wählen Sie nun den Jazz-Musiker aus. Mit Hilfe der App scannen Sie die linke Seite und sehen Sie selbst, was passiert. Wenn Sie jetzt auch noch Musik hören möchten – per „Screen Touch“ das Smartphone berühren, die Webseite öffnen und: Hören Sie selbst. Although at that moment nobody knew how to build a newspaper App, Kircher continued accept-ing orders. Adopting a trialand-error approach, he came up with the App „World HD“ in May 2010 - thus conquering the App market, too. Nevertheless, newspa-per design has remained his flagship domain. On the fourth floor, a woman is brooding about the title letters of a regional paper in Lower Saxony. Cooperating with Kircher, the newspaper publisher intends to successfully enter the next decade in a flying leap. The title is shown on the origi-nal page in small black and yellow letters. Kircher takes the page in his hand, his eyes scan the text. „Black-and-yellow conveys a feeling of aggression“, he points out. „We know this from colour research.“ A moment later his employee shifts the colour scale on the monitor towards gold. mehr unter: Erweiterte Realität – Augmented Reality – das Schlagwort der Medienbranche Unter erweiterter Realität versteht man die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Diese Information kann alle menschlichen Sinnesmodalitäten ansprechen. Häufig wird jedoch unter erweiterter Realität nur die visuelle Darstellung von Informationen verstanden, also die Ergänzung von Bildern oder Videos mit computergenerierten Zusatzinformationen oder virtuellen Objekten mittels Einblendung. (Quelle: wikipedia). Mit visuellen Darstellungen kennen Medienmacher sich gut aus. Warum ist das Thema – Augmented Reality – dann so ein Trendthema? Computergenerierte Zusatzinformationen (wie 3D via Web) sind durch das Smartphone eine neue Dimension. Warum eigentlich? Es ist das Zusammenspiel von Print, Web, 3D und Mobile, das ein solch immenses Interesse auslöst und zu einem echten Trend avanciert. Die Medienmacher, die sich damit auseinandersetzen, stellt es vor Herausforderungen. Denn neben dem Design muss auch die Technik verstanden werden, damit sinnvolle Anwendungen entwickelt werden können. Probieren Sie es aus: Folgen Sie der Anleitung und Sie haben die Möglichkeit, das Kalenderblatt zum Leben zu erwecken. Wenn Sie Spaß daran gefunden haben und Sie mehr dazu wissen möchten, dann kommen Sie auf uns zu. Gerne erweitern wir Ihre Geschäftswelt um eine neue Dimension. Die Akademie Druck + Medien wollte es selber ausprobieren. Sie hat ein Akademie-Projekt von jungen angehenden Mediengestaltern mit 3D Animationen und Musik angereichert. 17 Kalenderblätter, die jeweils eine Musikrichtung vertreten. Das Ergebnis: Sehen und Hören. Akademie Druck+Medien Nord-West Die Akademie für Medienmacher www.vdmnrw.de In diesem Sinne: Erweitern Sie die Printrealität. Seite 14 · INK Helmut Sieber bei der Arbeit. In seinen Händen: ein unbedruckter Bogen Karton – eine Verpackung im Urzustand. Helmut Sieber at work. In his hands an unprinted sheet of paperboard – a package in its raw condition. Der Falter the folder Ordentlich kreativ: Helmut Sieber baut Schachteln für die ganze Welt – und vereint dabei unterschiedliche Talente. Orderly creativity: Helmut Sieber builds boxes for the whole world – and combines highly different talents. text: Kaspar Heinrich photos: Fritz Beck text: Kaspar Heinrich fotos: Fritz Beck When Helmut Sieber leaves his office in the evening, he goes hunting. He strolls to the nearest supermarket and scans the shelves. W enn Helmut Sieber am Abend sein Büro verlässt, beginnt für ihn die Jagd. Dann tigert er in den nächsten Supermarkt und sucht die Regalreihen ab. Schokoladentafeln, Milchtüten, Antifaltencremes. Vor der potentiellen Beute bleibt er stehen, greift sich eine Pappschachtel, mustert und betastet sie von allen Seiten. Gut möglich, dass eine Packung Vogelfutter im Einkaufswagen landet – obwohl Sieber keinen Vogel besitzt. Wo andere hinter der Kasse den Inhalt aus der Box ziehen und die Verpackung in den Müll werfen, würde er lieber das Futter entsorgen. Ihn interessiert allein die Hülle. Helmut Sieber ist hungrig nach neuen Ideen. Er will wissen, wie eine Verpackung aussehen kann, welche Verschlüsse und Schachtelformen es noch nicht gibt. Wie viel Papier leisten kann, sieht Sieber, 51, jeden Tag. Als Chef der „Verpackungsentwicklung Premium“ bei der Carl Edelmann GmbH hat er sein Büro im dritten Stock eines Gebäudes, das aussieht wie eine große Verpackungsschachtel. In Vitrinen auf den Gängen verschwinden Packungsbeilagen in papiernen Seitentaschen und Parfumproben in runden Pappdosen. Pralinen stecken in angeschrägten Schachteln, Körperlotionen in Boxen mit sanft geschwungener Silhouette. Am Anfang wurde Sieber von vielen Kollegen belächelt. „Sie haben mir die Arbeit mit den kleinen Schächtelchen nicht zugetraut“, erinnert er sich. Er studierte Verpackungsmittelmechanik in München, als er 1986 eine Exkursion ins Heidenheimer Werk von Edelmann unternahm. Schon kurz darauf fing er dort als Assistent in der Papierverarbeitungstechnik an. Heute ist er Chef der elfköpfigen Abteilung, die Pappschachteln für Kosmetikartikel, Haarkolorationen, Süßwaren und Zigaretten entwirft. Um die 300 Aufträge bearbeiten sie jeden Monat, mehr als 2,5 Milliarden Packungen verlassen jährlich das Werk. Siebers Mission: zeigen, wozu Papier fähig ist. Eine Ikone des Verpackungsdesigns gehört nicht dazu: Die Toblerone-Schachtel. „Ein absoluter Klassiker“, schwärmt Sieber. „Extravagant, aber nicht zu schrill. Man kann sich nicht satt sehen an ihr.“ Sieber hätte die dreieckige Schachtel am liebsten selbst entwickelt, das gibt er zu. Sein eigener Stolz gilt einer Verpackung die er für die Firma Leica entwarf. Die hochwertigen Fotoapparate lagen vorher in Kunststoffetuis. „Wir haben eine Schachtel gebaut, die der alten sehr ähnelte – aber komplett aus Pappe war.“ Das ist die Mission von Sieber und seinem Team: Der Welt zeigen, dass man allein aus Papier stabile, sichere und originelle Verpackungen bauen kann. Edelmann produziert global, wirkt aber beschaulich. Das Unternehmen sitzt seit fast hundert Jahren im Osten Baden-Württembergs, im Werk wird viel geschwäbelt. Sieber selbst mag es beständig und familiär, er stammt aus einem kleinen Ort im bayerischen Schwabenland. Doch auch er muss auf den Weltmarkt reagieren: „Er wird immer umkämpfter“, sagt Sieber. „Man muss mehr auffallen und vor allem schneller sein“. Leidet darunter die Kreativität? „Das darf sie nicht“, sagt er. Sieber arbeitet an der Schnittstelle zwischen Auftraggebern, die sparen wollen, und Grafikern, die knallige Lösungen suchen. Er muss mit seinen Faltschachteln Ästhetik und Pragmatismus kombinieren. Chocolate bars, Tetra Pak milk cartons, anti-wrinkle cream tubes. He stops before a potential prey, helps himself to a cardboard box and inspects and feels it from all sides. It might be that a pack of birdseed lands in his trolley – although Sieber doesn‘t have a bird at home. Where others get rid of the package after the cashier‘s desk, he would prefer to dump the birdseed instead. He is exclusively interested in the wrapping. Helmut Sieber hungers for new ideas. He is eager to learn what a packaging might possibly look like and which types of closures and box shapes are not yet available. Sieber, 51, is in daily contact with a multitude of potential paper applications. In his capacity as leader of ‚Premium Package Development‘ at Carl Edelmann GmbH, he has his office on the third floor of a building which itself resembles a huge package box. Showcases in the corridors display package inserts stuck away in paper envelopes and perfume samples in circular paperboard cans. Chocolate sweets appear in angled boxes, body lotions in packages with a gently curved Nach Tagen des Zeichnens und Bastelns steigt Sieber in die Bahn oder das Flugzeug. Dann führt ihn sein Weg nach Hamburg, Genf oder Beverly Hills. Es stehen die schönsten Momente seiner Arbeit bevor: Die, in denen er zeigen kann, welche Möglichkeiten in einem einzelnen Bogen Karton stecken. Im besten Fall bringt er damit seinen Auftraggeber zum Staunen. Wie im vergangenen Herbst. Da flog er zu einem Kosmetikkonzern, stellte zweieinhalb Stunden seine Ideen für eine Cremeverpackung vor. Abgerundete Kanten, ein pultförmiger Deckel, ein Boden, der sich beim Öffnen zu einer Schale entfaltet. Marketingchef und Einkaufsleiterin waren beeindruckt. Unordnung ist nichts für Sieber. Er mag Regeln. Wann immer Helmut Sieber einen unbedruckten, vorgestanzten Bogen in die Hände bekommt, eine Verpackung im Urzustand, dann beginnt er zu knicken und zu falten und hört nicht auf, bevor die fertige Schachtel vor ihm steht. Auf einem Gang durchs Werk achtet er darauf, dass der Abfall in die richtigen Behälter kommt. Unordnung ist nichts für ihn, Sieber mag es lieber, wenn die Dinge um ihn herum Regeln gehorchen. Wenn er redet, dann formuliert er bedächtig, dann sind ihm Korrektheit und Präzision wichtig. silhouette. In the beginning, Sieber was met with a pitying smile by many of his colleagues. „They had never thought I would be able to work on small boxes“, he remembers. During his studies of Package Mechanics in Munich, he participated in an excursion to the Heidenheim location of Edelmann in 1986. Very soon afterwards he joined the company as assistant to the Packaging Development unit. Today he leads the team of eleven who design paperboard boxes for cosmetics, hair colorants, confectionery and cigarettes. Every month they handle some 300 orders and over 2.5 billion packages leave the production every year. Sieber‘s mission: demonstrate the capabilities of paper. One icon of packaging design is excluded, however: the Toblerone box. „An absolute classic“, Sieber raves, „extravagant, but not too flashy. You can‘t get enough of it.“ And he admits that he would have loved to develop the triangular box himself. His pride and joy is a package he designed for Leica. The premium cameras used to come in plastic cases. „We built a box INK · Seite 15 which resembled the previous one very closely but which was completely made from paperboard.“ And that‘s what Sieber and his team see as their mission: to show to the world that paper is sufficient to build stable, safe and inventive packaging. Edelmann is a global manufacturer but one with a quiet appearance. Since nearly 100 years, the seat of the enterprise has been located in the east of Baden-Württemberg, and many employees speak with a Swabian accent. Sieber himself likes consistency and familiarity, he comes from a small place in Bavarian Swabia. But nevertheless he finds himself compelled to react to international market conditions: „Today‘s market is characterised by rising competition“, Sieber emphasizes. „Our design concepts have to be more striking and we must be quicker than our rivals.“ Does this approach jeopardize creativity? „This must by no means happen“, he replies. Sieber works at the interface between ordering parties wishing to save money, and graphic designers aspiring to gaudy solutions. His folding boxes are required to combine an aesthetic appearance with pragmatism. After days of drawing and tinkering, Sieber boards a train or plane. His destinations are Hamburg, Geneva or Beverly Hills. And then the most beautiful moments of his work are about to arrive: he will be able to demonstrate the possibilities hidden in a single sheet of paperboard. At best he amazes his customers – as he did last autumn. He travelled by air to a cosmetics company where he presented his ideas of a cream package design during two-and-ahalf hours. Rounded edges, a console-shaped cover, bottom unfolding into a bowl when opened. Both the director of marketing and the female purchasing manager were impressed. Sieber dislikes clutter. He likes structure. Whenever Helmut Sieber gets his hands on an unprinted and precut sheet – a package in its raw state so to speak – he starts kinking and folding it until a box is finished. When walking through the company, he takes care that the waste goes into the appropriate bins. He dislikes things being in a mess, he prefers them to follow certain rules. Sieber speaks slowly and deliberately, he likes to be correct and precise. One of Sieber‘s favourite words is ‚value‘. It expresses the idea behind the premium segment of Edelmann: noble perfume packages that bring out the full qualities of the flacons, chocolate boxes with high-embossed imprint and gold foil. Sieber strives for high-quality niche products instead of the mass products. Edelmann obtains the paper for its products primarily from Scan- Seine Schachteln funktionieren meist ohne Klebstoff. Das spart einen Arbeitsschritt und schont die Umwelt. dinavia. If a particularly radiant white grade is needed, the com- Mostly no adhesive is needed for his boxes. This saves one production step and protects the environment. pany orders from a papermill in Lower Saxony. A recent example was a package series for which Edelmann was awarded a prize for product design. For a special face cream called „Yin Yang“, Sieber and his staff created a box which reflects the oriental idea of this contrastive relationship: screw cap and bottom are of identical construction, they form a frame, thus symbolizing balance. And this same principle applies to Helmut Sieber‘s daily work. He has to reconcile his two sides – the playfully creative one and his love of order. mehr unter: Siebers Firma bezieht ihr Papier aus Skandinavien. Wenn es ein besonders strahlendes Weiß sein soll, kommt es aus Niedersachsen. Sieber‘s company orders its paper material from Scandinavia. Highwhite grades come from Lower Saxony. Ein Lieblingswort von Helmut Sieber ist „Wertigkeit“. Es drückt das aus, wofür das Premium-Segment bei Edelmann steht: edle Parfumverpackungen, in denen die Flakons besonders gut zur Geltung kommen, Schokoladenschachteln mit hochgeprägtem Aufdruck und Goldfolie. Qualitative Nischenprodukte statt Massenware, das ist es, was Sieber will. Das Papier dafür bezieht Edelmann vor allem aus Skandinavien. Wenn es ein besonders strahlendes Weiß sein soll, kommt es aus einer Fabrik in Niedersachsen. Wie bei einer Verpackungsserie, für die Edelmann kürzlich einen Preis für Produktdesign bekam. Für eine Gesichtscreme mit dem Namen „Yin Yang“ erdachten Sieber und seine Mitarbeiter eine Schachtel, die den Gedanken des fernöstlichen Gegensatzpaares aufnimmt: Deckel und Boden sind baugleich, sie bilden einen Rahmen, symbolisieren Gleichgewicht. Das gibt es auch in Helmut Siebers täglicher Arbeit. Tag für Tag muss er seine beiden Seiten miteinander in Einklang bringen: die Spielerische, Kreative – und die Liebe zur Ordnung. Helmut Sieber, 51, leitet die Verpackungsentwicklung Premium bei der Carl Edelmann GmbH in Heidenheim. Dort entwirft er Faltschachteln für Kosmetikartikel, Haarkolorationen, Süßwaren und Zigaretten. Er studierte Verpackungsmittelmechanik in München, bevor er 1986 zu Edelmann kam. Die Firma hat Vertretungen in Großbritannien, Frankreich, China, Mexiko, Polen und Ungarn. Helmut Sieber, 51, leads the Premium Packaging Development at Carl Edelmann GmbH in Heidenheim. He designs folding boxes for cosmetics, hair colorants, confectionery and cigarettes. Sieber studied Package Mechanics in Munich before he joined Edelmann in 1986. The company is represented in Great Britain, France, China, Mexico, Poland and Hungary. Akko & Akko rounded New cozy and tender but definite Thin Thin Italic Light Light Italic Regular Italic Medium Medium Italic A new typeface by Akira Kobayashi Bold Bold Italic Black Black Italic Thin Thin Italic Light Light Italic Regular Italic Medium Medium Italic 12 weights between Thin and Black New adjustable levels of spherical abberations THE PRINCIPLE OF BLURRING THE EDGES The source of the Originals www.linotype.com Bold Bold Italic Black Black Italic Seite 16 · INK h e w e n t t o s tay He had to sell the papermill founded by his great-grandfather. Someone else does his work today. And yet Ulrich Scheufelen is more than a retired boss. text: Christiane Lutz and Veronika Widmann photos: Fritz Beck Ulrich Scheufelen has to take 148 steps to walk from his bedroom to his office. Past a fountain, into the old administration building of the Scheufelen mill, via dark wooden stairs, past calendars made of fine paper and up to the second floor. That‘s where his office is located. In the high-ceilinged room, heavy wooden cupboards are to be found with rows of files, some of them overturned. Busts of Konrad Adenauer and Theodor Heuss look over Scheufelen‘s shoulder from behind when he sits at his desk. Here the 68-year-old used to negotiate contracts and make key decisions in his capacity as executive director. Among the most consequential decisions was that of 17 July 2008 when Scheufelen resolved to file for insolvency and to sell the family business to a Finnish investor after a 153-year tradition. In 1855, Carl Scheufelen, Ulrich’s great-grandfather, acquired an old papermill in Unterlenningen at the foot of the Swabian Mountains. He built up an enterprise which repeatedly searched for market niches, such as producing papers for packages and magazines before it finally switched to fine paper manufacturing. Today Daimler prints its high-gloss promotional material on Scheufelen paper, fine art publishers use it for their books, Bosch and BMW for their business reports. Rumour has it that even Andy Warhol has occasionally drawn on Scheufelen papers. Since its very beginnings, the Scheufelen business has successfully mastered all crises – except for the last one in July 2008. Ulrich Scheufelen‘s office has since ceased to be an executive‘s office; the company is now being led by Markku Hämäläinen, a man from Finland. It takes Markku Hämäläinen a ten minutes‘ drive in his black Mercedes E-Class to reach his own office from his Kirchheim residence. The office is located on the other side of the street cutting across the firm‘s premises, and directly above the mill. The new boss has chosen functional furnishings for the room. There is a wall calendar, but no family photographs. He sits at a circular negotiating table that seats four people. The office resembles more that of a shift supervisor than that of a director. The door to the corridor stands open most of the time – it takes a few seconds and he is downstairs in the mill. Hämäläinen has rosy cheeks and a shy look in his eyes, you would not believe his 50 years. He remembers how Ulrich Scheufelen had explained Germany to him: the bureaucracy, the paper sector, the Swabian mentality. „Everybody knows Ulli Scheufelen“, he remarks in his broken German, „but nobody knows me“. In this country, hardly anybody is able to pronounce the name Hämäläinen. ‚Scheufelen‘ suggests Swabian responsibility. The man from Finland knows how important it is that the sector associates a company with a specific person. „Ulli embodies the business, his employees have never lost faith Gegangen um zu bleiben Die Papierfabrik, die sein Urgroßvater gründete, musste er verkaufen. Seine Arbeit macht heute ein anderer. Trotzdem ist Ulrich Scheufelen mehr als ein Chef außer Dienst. in him“, he adds, „not even after his insolvency“. Hämäläinen‘s unpretentious tone when speaking German makes his pathos authentic. He strides through the papermill like a captain would his ship. From his office, Scheufelen continues to advise the executive director. Last week he represented the company in Brussels and soon he is going to meet the senior partner of DuMont in Stuttgart to discuss the state of the branch of industry. Once a week he text: Christiane Lutz und Veronika Widmann fotos: Fritz Beck H undertachtundvierzig Schritte muss Ulrich Scheufelen gehen, um von seinem Schlafzimmer in sein Büro zu kommen. Vorbei an einem Springbrunnen, hinein in das alte Verwaltungsgebäude der Papierfabrik Scheufelen, über dunkle Holztreppen, vorbei an Kalendern aus feinem Papier, hinauf in den zweiten Stock. Dort liegt sein Büro. In dem hohen Raum stehen mächtige Holzschränke, in denen sich Aktenordner reihen, manche davon umgekippt. Büsten von Konrad Adenauer und Theodor Heuss schauen Scheufelen über die Schulter, wenn er an seinem Schreibtisch sitzt. Hier verhandelte der 68-Jährige als Geschäftsführer einst Verträge und traf wichtige Entscheidungen. Eine der folgenreichsten am 17. Juli 2008, als Scheufelen beschloss, Insolvenz anzumelden und den Familienbetrieb nach 153 Jahren an einen finnischen Investor zu verkaufen. 1855 kaufte Ulrich Scheufelens Urgroßvater Carl eine alte Papiermühle in Unterlenningen am Fuße der Schwäbischen Alb. Er baute ein Unternehmen auf, das sich immer wieder neue Nischen suchte, Papier für Verpackungen und Magazine herstellte und sich schließlich auf feines Papier spezialisierte. Heute druckt Daimler seine Hochglanzwerbung auf Scheufelen, Kunstverlage ihre Bücher, Bosch und BMW ihre Geschäftsberichte. Sogar Andy Warhol soll gelegentlich auf Scheufelen gezeichnet haben. Krisen überwand travels on behalf of the company bearing his name. Two to three times he walks the 148 steps to his office. His business is always on his mind. In his childhood he used to play football on the compa- Scheufelen immer, bis auf dieses eine Mal im Juli 2008. Heute ist Ulrich Scheufelens Arbeitszimmer kein Chefbüro mehr, die Firma führt jetzt ein Mann aus Finnland, er heißt Markku Hämäläinen. ny premises. Sometimes Scheufelen strolls through the mill, just like that, to make sure that everything is in order. In machines as high as a house, steel cylinders rotate, water va- Zehn Minuten muss Markku Hämäläinen mit seiner schwarzen Mercedes E-Klasse fahren, um von seinem Wohnort Kirchheim in sein Büro zu kommen. Das liegt auf der anderen Seite der Straße, die das Firmengelände teilt, direkt über der Fabrik. Den Raum hat der neue Chef zweckmäßig eingerichtet. Ein Wandkalender, keine Familienfotos. Er sitzt an einem runden Verhandlungstisch, vier Personen haben daran Platz. Das Büro sieht nicht aus wie das eines Chefs, eher wie das eines Schichtleiters. Meist steht die Tür zum Gang offen, wenige Sekunden und er ist unten in der Fabrik. Hämäläinen hat rosige Backen und einen scheuen Blick, seine 50 Jahre sieht man ihm nicht an. Ulrich Scheufelen, so sagt Hämäläinen, hat ihm Deutschland erklärt: die Bürokratie, die Branche, die schwäbische Mentalität. „Jeder kennt Ulli Scheufelen“, sagt er in gebrochenem Deutsch, „aber keiner kennt mich.“ Den Namen Hämäläinen kann hierzulande kaum jemand aussprechen. Scheufelen klingt schwäbisch, solide. Es ist wichtig, dass die Branche den Namen des Unternehmes noch mit einer Person verbindet, das weiß der Finne. „Ulli verkörpert die Firma, seine Mitarbeiter haben nie den Glauben an ihn verloren“, sagt er, auch nicht nach der pour fills the air, the atmosphere is damp and noisy. Scheufelen, a 1.92 metre man in a blue suit, with snow-white hair, moves through the machine halls like a captain through a ship‘s hold which he knows like the back of his hand. Unerringly he passes paper rolls weighing tons and big enough to wrap whole houses. Every now and again he stops to shake hands with a staff member, pat another on the back – everybody greets him. Respectful glances, friendly glances, they like him. He asks for the development of a new paper; the noise of the machines forcing him to shout. The machine operator is not satisfied with the new material – not yet. Scheufelen studied industrial engineering. He intimately knows the machines that drone and sweat around him. He is also familiar with their risks and that‘s why he does not wear a wedding ring that might get stuck in the windings of the equipment – although he is married for the second time. It was Scheufelen paper which brought him and his wife together. At a calendar show in 1992 the two were standing on the sta- INK · Seite 17 Im Labor testen Mitarbeiter neue Papiersorten. Die ersten Teststreifen sehen so aus. Laboratory personnel test new grades and hues. The first testresults look like this. ge side by side. As in previous years Scheufelen had submitted a Insolvenz. Die kühle Art, mit der Hämäläinen die deutschen Sätze ausspricht, macht sein Pathos glaubwürdig. decorative calendar – a company flagship – for the competition. In her capacity as head of the Regional Trade Office she awarded him with the first prize. They married in 1994 and two years later Von seinem Büro aus berät Scheufelen noch immer den Geschäftsführer. Vergangene Woche vertrat er die Firma in Brüssel, demnächst trifft er den Seniorchef von DuMont in Stuttgart, um über den Zustand der Branche zu sprechen. Einmal die Woche ist er unterwegs für die Firma, die seinen Namen trägt. Zwei bis drei Mal geht er die 148 Schritte in sein Büro. Mit seinem Kopf ist er immer da. Schon als Kind hat er auf dem Gelände Fußball gespielt. Manchmal noch geht Scheufelen durch die Fabrik, einfach so, um nach dem Rechten zu sehen. their son was born. The company logo now has involuntarily relevance. Ulrich Scheufelen‘s sons, 15 and 35, will only have the name in common with the company that had been handed down across four generations and which determines their father‘s life until today. „Of course this is sad „, Scheufelen comments, but he says it matter-of-factly and without sentimentality. Er durchschreitet die Fabrik wie ein Kapitän sein Schiff. Years before the insolvency, business in the paper sector became difficult. The market was changing under the impact of the In- In haushohen Maschinen rotieren Stahlzylinder, Wasserdampf hängt in der Luft, es ist schwül und laut. Scheufelen, 1,92 Meter lang, blauer Anzug, schneeweißes Haar, gleitet durch die Hallen wie ein Kapitän durch den Schiffsbauch, den er in- und auswendig kennt. Zielsicher schiebt er sich an tonnenschweren Papierrollen vorbei, mit denen man ganze Häuser einwickeln könnte. Hin und wieder bleibt er stehen, schüttelt einem Mitarbeiter die Hand, klopft einem anderen auf die Schulter, jeder grüßt ihn. Achtungsvolle Blicke, freundliche Blicke, man mag ihn. Er fragt nach der Entwicklung eines neuen Papiers, beim Lärm der Maschinen muss Scheufelen fast schreien. Der Maschinenführer ist nicht zufrieden mit dem neuen Stoff, noch nicht. Scheufelen ist Wirtschaftsingenieur. Die Maschinen, die um ihn herum dröhnen und schwitzen, kennt er genau. Er kennt auch ihre Gefahren, deshalb trägt er keinen Ehering, der sich in den Windungen der Geräte verfangen könnte – obwohl er zum zweiten Mal verheiratet ist. Es war Scheufelen-Papier, das ihn und seine Ehefrau zusammenbrachte. 1992 standen sie auf einer Kalenderschau in Stuttgart zusammen auf der Bühne. Wie jedes Jahr hatte Scheufelen einen Schmuckkalender zum Wettbewerb eingereicht, ein Aushängeschild der Firma. Sie, Leiterin des Landesgewerbeamtes BadenWürttemberg, verlieh ihm den ersten Preis. 1994 heirateten sie, zwei Jahre später kam ihr gemeinsamer Sohn auf die Welt. Das Firmenlogo hat nun unfreiwillig Bedeutung. Mit der Firma, die über vier Generationen vererbt wurde und die das Leben ihres Vaters bis heute bestimmt, werden Ulrich Scheufelens Söhne, 15 und 35, nur noch den Namen teilen. „Natürlich ist das traurig“, sagt Scheufelen, aber er sagt es sachlich und ohne Sentimentalität. ternet. Mainly in USA, newspapers underwent demise, business with key accounts crumbled. And niche products such as those of Scheufelen suffered, too: companies that used to order premium papers for their annual reports increasingly switched to digital publications. Ad-flyers drifted to the Internet. Prices of chemical pulps rose. Scheufelen had to struggle – but the family enterprise had no chance of winning the battle alone, which became obvious in 2007. Ulrich Scheufelen decided to let go at the right time – and saved his company. Before filing for insolvency in summer 2008, he had entered into negotiations with potential buyers and a few days after it became clear that Scheufelen would continue as paper manufacturer. In 2009, the Finnish concern Power Flute took over the Lenningen location, which was sold a second time in 2011. Today Scheufelen belongs to Paper Excellence, a Canadian-French Bis heute ist Familientradition wichtig: Das Büro von Ulrich Scheufelens Vater ist seit 1984 unverändert. An der Wand hängt sein Porträt. corporation seated in Vancouver, which in turn is part of the Asian Family tradition has remained important until today: the office of Ulrich Scheufelen‘s father has been left unchanged since 1984. His portrait is hanging on the wall. this arrangement an „integration concept“. Sinar-Mas group – as are a couple of chemical pulp mills supplying Scheufelen with its key raw material. - Ulrich Scheufelen calls Peter Wardhana, second executive director of Scheufelen beside Hämäläinen, has to travel 8,200 kilometres to reach the Swabian Mountains from Vancouver. He only spends a few days per year in Schon Jahre vor der Insolvenz wird das Geschäft mit dem Papier schwierig. Das Internet verändert den Markt. Vor allem in den USA sterben die Zeitungen, große Kunden fallen weg. Aber auch Nischenprodukte wie die der Firma Scheufelen leiden: Unternehmen, die zuvor Premiumpapier für ihre Jahresberichte genutzt haben, geben diese immer öfter nur noch digital heraus. Werbeflyer wandern ins Internet. Die Zellstoffpreise steigen. Scheufelen muss kämpfen – aber alleine wird das Familienunternehmen den Kampf nicht gewinnen, wie sich schon 2007 abzeichnet. Lenningen, a place where a school centre bears the name of „Karl Erhard Scheufelen“ and one of the main streets is named after Adolf Scheufelen. The papermill is by far the biggest employer of the municipality’s 8,000 inhabitants which snuggles up to the wooded hillsides of the Swabian Mountains. Prior to the insolvency, Scheufelen employed a staff of 660, of which 520 have retained their jobs. 157 years ago, Carl Scheufelen chose the phoenix as a company logo. His great-grandson Ulrich has now involuntarily given meaning to the symbol. Seite 18 · INK However, standing up again in one‘s old form is not sufficient enough to ensure survival in future years. Hämäläinen feels that Ulrich Scheufelen deserves a lot of credit for saving the existence of the company, but at the same time he is aware of its weaknesses: traditional hierarchic structures in production, staff members who work industriously as is typical of Swabians, but sometimes without the necessary efficiency. „In Finland we simply tell them: ‚go and solve the problem‘ and when they are finished they come back“, explains Hämäläinen. „In Germany, all of them want to have instructions for each and every task“. Conversely, superiors call for this very control function because they lack confidence in their employees. Hämäläinen appears to be a bit unhappy when he tells us how slowly the old structures are changing. The Finn is puzzled by the Swabian hierarchy. Scheufelen has no problem with the new structures. He deals with his successor amicably, he calls him by his first name Markku and he comforts him: it will take some time until an old-school Swabian foreman is able to change. Hämäläinen‘s impression of his predecessor: „Ulli‘s worst personal quality is that he is too friendly, he can never say no“. Scheufelen himself is a non-smoker, but he has a heavy glass ashtray in his office. He feels he should be tolerant of smokers. When going to lunch in the canteen, Scheufelen lets the ladies in the queue go first and he carries a large tray of drinks for all at the table. The warming sun shines through the windows. “Well, the motorcycle season’s starting soon?“ Scheufelen asks one of the female employees. Over crispy roast and ‚spaetzle‘ noodles they discuss the best motorcycle routes in the region and the forthcoming marriage of her colleague. The first of the 148 steps to his home take Ulrich Scheufelen through his office door. And every time the door gets stuck on the colourful patterned runner that lies directly in front on the floor. The former boss has to turn a bit in order to squeeze through the opening. „Sometimes I put it away“, Scheufelen tells us, „but my secretary is convinced that it looks better here“. Der Alte und der Neue: Scheufelen und Hämäläinen haben unterschiedliche Vorstellungen vom Chef-Sein, nennen sich aber beim Vornamen. The old and the new: Scheufelen and Hämäläinen have different perceptions of how to act as a boss, but they call each other by their first names. Ulrich Scheufelen schafft es, im richtigen Moment loszulassen – und rettet damit das Unternehmen: Schon vor der Insolvenz im Sommer 2008 führt er Gespräche mit möglichen Käufern, wenige Tage danach steht fest, dass Scheufelen weiter Papier machen wird. 2009 übernimmt der finnische Konzern Power Flute die Firma in Lenningen, 2011 wird zum zweiten Mal verkauft. Heute ist Scheufelen Teil von Paper Excellence, einem kanadisch-französischen Unternehmen mit Sitz in Vancouver, das wiederum zur asiatischen Sinar-Mas-Gruppe gehört – genau wie mehrere Zellstofffabriken, die Scheufelen mit seinem wichtigsten Rohstoff beliefern. „Integrationskonzept“ nennt Ulrich Scheufelen das. 8.200 Kilometer muss Peter Wardhana, neben Hämäläinen zweiter Geschäftsführer von Scheufelen, zurücklegen, um von Vancouver auf die Schwäbische Alb zu kommen. Nur wenige Tage im Jahr verbringt Wardhana in Lenningen, dem Ort, in dem ein Schulzentrum „Karl Erhard Scheufelen“ heißt und eine der Hauptstraßen „Adolf Scheufelen“. Die Papierfabrik ist mit Abstand der größte Arbeitgeber der 8.000-Einwohner-Gemeinde, die sich an die bewaldeten Hänge der Alb schmiegt. Vor der Insolvenz arbeiteten 660 Menschen für Scheufelen, 520 davon konnten ihren Arbeitsplatz behalten. Carl Scheufelen wählte vor 157 Jahren für die Firma das Logo des Phönix. Sein Urenkel Ulrich Scheufelen hat ihm nun unfreiwillig Bedeutung gegeben. Beim Mittagessen in der Kantine lässt Scheufelen die Frauen in der Reihe vor und bringt ein großes Tablett mit Getränken für alle an den Tisch. Die Sonne scheint warm durch die Fenster. „Na, bald wieder Motorradsaison?“, fragt er eine Mitarbeiterin. Bei Krustenbraten und Spätzle diskutieren sie die besten Motorradstrecken der Gegend und die anstehende Hochzeit der Kollegin. Die ersten von 148 Schritten nach Hause führen Ulrich Scheufelen durch die Tür seines Büros. Sie bleibt jedes Mal an dem bunt gemusterten Läufer hängen, der direkt davor auf dem Boden liegt. Der ehemalige Chef muss sich ein wenig zur Seite drehen, um sich durch den Spalt zu zwängen. „Ich lege ihn manchmal weg“, sagt Scheufelen. „Aber meine Sekretärin findet, er sieht hier besser aus.“ Der Finne ist verwirrt von der schwäbischen Hierarchie. In alter Gestalt wiederaufzuerstehen aber reicht nicht, um in Zukunft zu überleben. Hämäläinen bezeichnet es als großes Verdienst Ulrich Scheufelens, dass es die Firma noch gibt, aber er sieht auch ihre Schwächen: Traditionelle, hierarchische Strukturen in der Produktion, Mitarbeiter, die zwar in schwäbischer Manier fleißig sind, dabei aber nicht unbedingt effektiv. „In Finnland sagt man einfach ‚Löse das Problem‘ und wenn derjenige fertig ist, kommt er wieder“, sagt Hämäläinen. „Hier wollen alle Anordnungen für jeden einzelnen Arbeitsschritt.“ Umgekehrt forderten Vorgesetzte genau diese Kontrolle, weil sie nicht genügend Vertrauen hätten. Hämäläinen wirkt ein wenig unglücklich, wenn er erzählt, wie langsam sich diese Strukturen ändern. Scheufelen hat kein Problem mit den neuen Strukturen, die er wie ein Hanseat mit „s-t“ ausspricht. Den Mann, der nun seinen alten Job macht, behandelt Scheufelen freundschaftlich, er nennt ihn bei seinem Vornamen Markku und tröstet ihn: Es brauche eben Zeit, bis ein schwäbischer Meister alten Schlages sich ändere. „Ullis schlechteste Eigenschaft ist, dass er zu nett ist“, sagt Hämäläinen über seinen Vorgänger, „er kann nie nein sagen.“ Scheufelen ist Nichtraucher, trotzdem steht in seinem Büro ein wuchtiger, gläserner Aschenbecher. Er findet, man muss Rauchern gegenüber tolerant sein. Am Fuße der Schwäbischen Alb macht Scheufelen seit 157 Jahren feines Papier. At the foot of the Swabian Mountains, Scheufelen has produced fine papers for the past 157 years. INK · Seite 19 m y pa p e r b e l o n g s t o m e ! Climate change, raw materials shortage and digitalization: friends of print don‘t have it easy. Here are five arguments to checkmate every paper opponent. By Michaela Kakuk and Eva Röder illustrations: Leonard Erlbruch At a class reunion after decades, you meet a former friend. He tells you: „I read my newspaper on an iPad, I‘ve got 40,000 books in my E-book library and I order my toilet paper online. With your paperwork you are completely out of touch and you will have to do without it very soon.“ Your reply: „Oh really. Paper and print will never disappear totally. Electronic media are at best complementary to printed paper. Nothing gives us as much satisfaction as a wrinkled newspaper. It shows what we have achieved and how we have struggled through the texts. Greasy finger prints just come out better on paper than on an iPad. And if I spill my coffee I can use the paper to wipe it up. The text hidden under the cof-fee I can look up online – perhaps there is even a little film on the subject.“ Mein Papier gehört mir! Klimawandel, Rohstoffmangel, Digitalisierung: Man hat es nicht leicht als Freund von Print. Mit diesen fünf Argumenten falten Sie jeden Papiergegner zusammen. You are on the train reading a newspaper. Suddenly a young lady jumps up and cries: „How can you possibly read on dead trees? You will be responsible for rainforest dying!“ Your reply: „You must be joking! A steak of beef requires more wood than five bibles. 80% of felled trees go into sectors other than paper manufacturing. Rainforests are pri-marily cleared to cultivate feed for animals that will later be eaten by us. Also, far more wood is burnt in the furnaces of many private homes than is processed into paper. If you are vegan and you use gas or oil heating at home, you would no doubt still find a reason for grum- text: Michaela Kakuk und Eva Röder illustrationen: Leonard Erlbruch B eim Klassentreffen sehen Sie nach Jahrzehnten einen früheren Freund wieder. Er erzählt: „Ich lese meine Zeitung auf dem iPad, ich habe 40.000 Bücher in meiner E-Book-Library und mein Toilettenpapier lade ich mir auch nur noch runter. Du bist ja voll von gestern mit deinem Papierkram, bald musst auch du ganz ohne auskommen. “ Sie sagen: „Ach was! Papier und Print werden nie ganz verschwinden. Die elektronischen Medien ergänzen höchstens das bedruckte Papier. Nichts vermittelt uns eine solche Befriedigung wie eine zerknitterte Zeitung. Da sehen wir, was wir geleistet haben und wie wir uns durch die Texte gekämpft haben. Auch Fettfinger machen sich auf Papier einfach besser als auf dem iPad. Und wenn ich mal einen Kaffee verschütte, dann kann ich den mit der Zeitung auch gleich wegwischen. Was eigentlich drin stand, kann ich online nachschauen – vielleicht gibt es sogar noch ein Filmchen dazu.“ bling: you will probably allege that the wicked industry follows economic calculation only. Let me tell you this: the paper industry is far from destroying the basis of its own existence. It rather en- Sie sagen: „Selber Heuchler. Klar verbraucht die Herstellung von Papier Energie, aber wenn wir das Papier abschaffen würden, dann müssten wir eher noch ein paar Atomkraftwerke bauen, um den Strom für die ganzen heißgelaufenen Computer zu bekommen. In Deutschland verbrauchen wir pro Kopf ungefähr 200 Kilogramm Papier im Jahr – zur Herstellung dieser Menge sind etwa 560 Kilowattstunden nötig. Wenn du ein halbes Jahr lang die StandbySchaltung bei deinem Fernseher anlässt, hast du schon mehr Energie verschenkt.“ sures that for every harvested tree at least three or four new ones are planted. Otherwise paper companies could close their works immediate-ly.“ You have invited your anti-nuclear group home. One of your campaigners returns from the toilet and remarks: „You hypocrite, you want to close down nuclear power plants and you‘re still using toilet paper. What a waste of energy.“ Your reply: „You‘re a hypocrite yourself. Of course, paper manufacture consumes ener-gy, but if we were to abolish paper, we would have to build some more nuclear power plants in order to provide electricity for all the overheated computers. In Germany, the per capita consumption of paper is at approx. 200 kg annually, a production which re-quires approx. 560 kWh. If you leave your TV set in standby mode for a period of six months, you have used more energy than that.“ Sie sitzen mit Ihrer Zeitung im Zug. Plötzlich springt eine junge Dame auf und schreit: „Auf toten Bäumen lesen – wie können Sie nur? Sie sind schuld, dass der Regenwald stirbt!“ Sie sagen: „Von wegen! Ein Rindersteak kostet mehr Wald als fünf Bibeln. 80 Prozent der abgeholzten Bäume werden gar nicht zur Herstellung von Papier verwendet. Der Regenwald wird vor allem gerodet, um Futter für Tiere anzubauen, die dann von uns gefuttert werden. Auch in den Öfen vieler Eigenheime verbrennt wesentlich mehr Holz als für Papier verarbeitet wird. Wenn Sie Veganerin sind und eine Gas- oder Ölheizung zuhause haben, dann hätten sie natürlich trotzdem Grund zu meckern. Sie unterstellen der ‚bösen’ Industrie wahrscheinlich ein wirtschaftliches Kalkül. Dazu sage ich Ihnen: Die Papierindustrie macht sich bestimmt nicht ihre eigene Lebensgrundlage kaputt. Sie sorgt dafür, dass für jeden gefällten Baum mindestens drei oder vier nachwachsen. Sonst könnte sie auch gleich dicht machen.“ Sie haben Ihre Aktionsgruppe gegen Atomkraft nach Hause eingeladen. Einer Ihrer Mitstreiter kommt von der Toilette und sagt: „Du Heuchler, du willst die Atomkraftwerke dicht machen und benutzt noch Klopapier. Was für eine Energieverschwendung!“ Sie sitzen in der Sonne, trinken einen Cappuccino und blättern in einem Frauenmagazin. Eine Freundin sagt: „Ist dir eigentlich klar, was für einen Klimakiller du da liest? Papier ist ein CO2-Monster!“ You are sitting in the sun and drinking a cappuccino while „Von wegen Klimakiller! Du schreibst doch jeden Tag Dutzende Mails. Hast du schon mal drüber nachgedacht, wie viel CO² dadurch in die Welt geblasen wird? Sogar wegen E-Mails, die du nicht mal liest: Der weltweite Spam verbraucht in einem Jahr 33 Milliarden Kilowattstunden Energie, soviel wie fast zweieinhalb Millionen amerikanische Haushalte. Dabei entstehen genauso viele Treibhausgas-Emissionen wie beim Betrieb von 3,1 Millionen Autos. Die Papierindustrie hat ihren CO2-Ausstoß pro Tonne in den letzten zwei Jahrzehnten um 34 Prozent reduziert.“ „Climate killer? No way! You write dozens of emails every day. Sie bringen einen Stapel Altpapier in den Hof, um ihn in der Tonne zu entsorgen. Ihr Nachbar meckert: „Dieses ewige Recycling nützt ja doch nichts, wenn immer wieder neues Papier produziert wird.“ You are taking a stack of used papers to throw away in the bin „Holzfasern im Papier kann man bis zu sechs Mal wiederverwerten. Die Techniken zur Reinigung und Aufbereitung sind weit fortgeschritten. Endlos recyceln kann man trotzdem nicht. Denn bei jedem Recycling-Prozess brechen Fasern oder sie verlieren an Qualität. Deshalb müssen immer wieder frische Fasern in den Herstellungskreislauf aufgenommen werden. Übrigens: Deutschland ist Weltmeister im Recycling! Das Toilettenpapier, das Sie jeden Tag benutzen, die Küchentücher, mit denen Sie ihre verschüttete Milch aufwischen, die Zeitung, die Sie auf dem Weg zur Arbeit lesen – das meiste ist aus Altpapier hergestellt. Insgesamt werden davon 16 Millionen Tonnen wieder eingesammelt – das entspricht einer Müllwagenschlange von Berlin nach Peking und zurück.“ „Wood fibres in paper can be re-used up to six times. Today, the leafing through a women‘s magazine. Your friend: „Do you realize that you are reading a climate killer? Paper is a CO2 monster!“ Have you ever thought about the amount of CO2 which this releases into the atmosphere? And this also applies to emails you don‘t even read: worldwide SPAMS consume 33 billion kWh per year, which corresponds to the power consumption of nearly twoand-a-half million US households. The resulting greenhouse gas emissions are identical to those of 3.1 mil-lion cars. Over the past two decades, the paper industry has reduced its CO2 emissions per ton by as much as 34 %.“ in the yard. Your neighbour grumbles: „This never-ending recycling is of no use at all if new paper keeps on being produced.“ cleaning and treatment technologies are well advanced. However, recycling cannot be repeated unlimitedly, because during each recycle fibres tend to break or suffer quality losses. This is why fresh fibre has to be introduced from time to time into the manufacturing cycle. Inci-dentally, Germany is the world champion in the recycling arena. The toilet paper you use every day, the kitchen towels with which you wipe up spilled milk, the newspaper you read on your way to work – most of these products are based on recovered paper. Altogether, 16 million tons of consumed paper is currently reclaimed – which corre-sponds to a queue of garbage trucks extending from Berlin to Beijing and back again.“ Seite 20 · INK „ a werther could s m e l l o f s w e at “ Novels have to smell, sizzle and be sexy - if they are to entrap the reader. Rainer Groothuis is one of Germany‘s leading book designers. We accompanied him into a bookshop. By Katharina Mutz and Florian Haamann photos: Falko Siewert Wearing a striped jacket and stubble, Rainer Groothuis ambles through a small bookshop in Hamburg-Altona. He moves from one table to the next, looks at comics, coffee-table books and newly released novels. Now and then he runs his hand over a book spine. The he stops in front of a shelf and scans the coloured rows of books. Stooping he takes an English novel published by Bloomsbury, opens it – and frowns. What‘s wrong, Herr Groothuis? I don‘t like the interior design: the typeface is extremely small, the pages are cluttered and the paper hardly better than blotting paper. „Ein Werther könnte nach Schweiß riechen“ Romane müssen duften, knistern, sexy sein – wenn sie den Leser verführen sollen. Rainer Groothuis zählt zu den besten Buchgestaltern Deutschlands. Wir haben ihn in eine Buchhandlung begleitet. text: Katharina Mutz und Florian Haamann fotos: Falko Siewert R ainer Groothuis schlendert mit Kreidestreifen-Jackett und Stoppelbart durch eine kleine Buchhandlung in HamburgAltona. Er geht von Tisch zu Tisch, betrachtet Comicbücher, Bildbände und neu erschienene Romane. Ab und zu streicht er mit der Hand über einen Buchrücken. Vor einem Regal bleibt er stehen und sucht die bunten Reihen ab. Er bückt sich, zieht einen englischen Roman des Bloomsbury Verlags heraus, klappt ihn auf – und runzelt die Stirn. Was stört Sie, Herr Groothuis? Die Innengestaltung gefällt mir nicht: Die Schrift ist extrem klein, die Seite überladen und das Papier kaum besser als Löschpapier. Naja, man kann es doch trotzdem lesen. Klar, zur Not kann man das. Aber ein schönes Buch zu lesen, macht mehr Spaß. Das ist wie mit einem guten Wein: Den trinken Sie ja auch lieber aus einem Glas als aus einem Pappbecher. Wie sähe denn eine gute Innengestaltung aus? Die Qualität des Drucks muss stimmen, die Seite darf nicht zu lang und zu voll sein, um den Text herum sollte genug Platz sein. Und das reicht, damit ein schönes Buch daraus wird? Auf jeden Fall ist so ein Buch gut lesbar. Die meisten deutschen Verlage halten sich an diese handwerklichen Grundregeln, das ist Standard. Für mich ist ein schönes Buch eines, das den Gedanken des Autors bei ihrem Flug in den Kopf des Lesers hilft. Groothuis lässt seinen Blick über die Regale und Tische mit den Neuerscheinungen schweifen. Dann entdeckt er etwas: Er greift nach einem Buch mit bedrucktem Leineneinband. Eine Jubiläumsausgabe vom Deutschen Taschenbuchverlag. Und? Das ist etwas Besonderes. Bedruckte Leineneinbände sind sehr hochwertig und werden nur selten von Verlagen verwendet. Für das Publikum, das Schutzumschläge gewohnt ist, ist es vielleicht nicht so leicht, so eine Gestaltung zu akzeptieren. Yes, but you can still read it. Sure, you can read it at a pinch. But it‘s definitely more fun to read a beautiful book. It’s like a good wine – you would also prefer drinking it from a glass rather than a paper cup. What should a well-designed book look like? The print quality has to be correct, the pages must not be too long or too crowded with text and there should be enough space surrounding the text block. And that‘s enough to make a beautiful book? At any rate such a book is easily readable. The majority of German publishers keep to these fundamental rules of workmanship Was ist der Vorteil von Leinen? Leinen ist langlebig – die moderne Alternative zu einem Ledereinband. Dieser weiche Einband hier macht das Buch extrem stabil und gleichzeitig so flexibel, dass man es ohne Probleme ins Jackett stecken kann. which are in fact standard. To me a beautiful book helps to make the author‘s ideas fly into the reader‘s head. Groothuis pans the shelves and tables with new publications. Then he spots something: he reaches for a book in printed cloth binding - a jubilee edition of the German Pocketbook Publishing Er biegt den Band mit den Händen zusammen, tut so, als wolle er ihn sich in die Tasche seines Sakkos stecken. Dann fährt er mit dem Daumen über die Seiten, riecht am Papier. House (Deutscher Taschenbuchverlag - dtv). And? This is something very special. Printed cloth bindings are of pre- Viele Menschen lieben den Duft eines frisch gedruckten Buches. Welche Rolle spielt der Geruch? Ein Bestseller, von dem alle denken, sie müssten ihn haben, kann riechen wie er will – er wird trotzdem gekauft. Andersherum gilt auch: Kein Mensch kauft ein Buch wegen seines Geruchs. mium quality and hardly ever used by publishers. Maybe the public that is used to book jackets will find it somewhat difficult to accept this design concept. What‘s the benefit of cloth? Cloth is a long-lived material – a modern alternative to leather co- Der Geruch spielt keine Rolle? Doch. Er beeinflusst, wie wir das Gelesene wahrnehmen. Als Gestalter kann man den Geruch eines Buches steuern. Offsetfarbe riecht auf Naturpapier anders als auf einem matt gestrichenen Offset-Papier. Das ist so, wie wenn Sie ein und dieselbe Marmelade einmal auf Knäckebrot und einmal auf Schwarzbrot schmieren – der Geruch der Komposition ist jedes Mal verschieden. vers. This soft cloth binding makes the book extremely stable and at the same time flexible enough to be put in the jacket. He folds over the volume with his hands and pretends to put it in the pocket of his jacket. Then he runs his thumb over the pages and smells the paper. Many people love the scent of a freshly printed book. How impor- Muss ein Grass herber riechen als ein Goethe? Das kann man pauschal nicht sagen. Wichtig ist, dass der Geruch eines Buches zum Inhalt passt. Bei einer 40-bändigen Gesamtausgabe von Goethe müsste der Geruch natürlich zurückhaltend sein. Eine Einzelausgabe der „Leiden des jungen Werther“ für 16-Jährige könnte dagegen ruhig pubertär verschwitzt riechen. tant is the smell? A bestseller, which everybody thinks is a must-have, can have any kind of smell – it will still be sold anyway. Conversely, nobody would buy a book because of its smell. So the smell is irrelevant? No it isn‘t. It influences the way we perceive what we read. As a Groothuis fährt sich mit Daumen und Zeigefinger um die Mundwinkel, schaut sich suchend um. Dann geht er in Richtung Klassikerabteilung. In einem Regal ist hier all das versammelt, was Händler gern unter dem Begriff „besonderes Buch“ zusammenfassen. Die Bücher des Insel Verlags mit ihren bunt gemusterten Einbänden nehmen ein ganzes Fach für sich ein: Blümchen, Rauten, Wellen, Paisley – jeder Titel ist anders gestaltet. Darüber die schlichten book designer, I can control the smell of a book. The smell of offset ink is different on natural paper than on matt coated paper. It‘s like spreading jam on crispbread or on brown bread – the scent of the combination will be different. Should a book from Günter Grass smell harsher than a Goethe? This can‘t be generalized. What is important is that the smell INK · Seite 21 of a book matches its contents. For a 40-volume complete edition of Goethe‘s works, the scent would of course have to be somewhat subdued. On the other hand, a separate edition of the „Sorrows of Young Werther“ for 16-year olds might well have a pubertal sweaty smell. Groothuis moves his thumb and index finger around the corners of his mouth and looks around, searching. Then he proceeds in the direction of the classics section of the shop. A single shelf holds everything booksellers like to consolidate under the term „special book“. The books of “Insel” Publishing House (Insel Verlag) with their multi-coloured bindings fill a whole shelf: little flowers, rhombuses, wavy patterns, paisley – each title is designed differently. Above them, the simple white volumes of the Suhrkamp Library and the small-format books from Manesse. And below the red-bound editions of Wagenbach Publishing House, whose design was created by Groothuis himself. Apart from the cover: what is special about these books? Often not very much as far as the interior design is concerned. The typographies, too, are unspectacular. Suhrkamp, for example, uses Garamond principally. What‘s so bad about that? Nothing at all. A neutral room painted white fulfils its function – people may live in it. But if you decide to paint your room in lively colours because you like it that way, this gives the room a personal touch. As a designer you will have to familiarize yourself with the text and its atmosphere first before you can choose the right font weißen Bände der Suhrkamp-Bibliothek und die kleinformatigen von Manesse. Darunter die rot eingebundenen Bücher aus dem Wagenbach Verlag, deren Design Groothuis selbst entwickelt hat. Abgesehen vom Einband: Was ist an diesen Büchern besonders? Was die Innengestaltung angeht – oft nicht viel. Auch die Typographien sind unspektakulär. Suhrkamp zum Beispiel benutzt grundsätzlich Garamond. Was ist daran schlecht? Gar nichts. Ein weiß gestrichenes, neutrales Zimmer erfüllt seine Funktion, man kann darin wohnen. Wenn Sie ihr Zimmer aber bunt streichen, weil Sie es gern bunt haben, dann hat das mehr mit Ihnen zu tun. Dafür müssen Sie sich als Gestalter natürlich dem Text und seiner Atmosphäre angenähert haben. Wirkt derselbe Text in verschiedenen Schriftarten unterschiedlich? Natürlich. Schriften sind Charaktertiere. Denken Sie nur einmal an die Frakturschriften. Diese armen Schweine werden in Deutschland immer mit der Nazizeit assoziiert. Nehmen wir einmal an, Fischer brächte eine Sonderausgabe von Thomas Mann in Frakturschrift heraus – da stünde morgen im Spiegel, dass der Verlag Mann rechtslastig interpretiert. to ensure correct interpretation. Does a text have different effects depending on its typeface? Of course it does. Typefaces are character animals. Just think of the German types – these poor creatures are still associated with the Nazi period in Germany. Let‘s assume that Fischer brings out a special edition of Thomas Mann in German type. You would read in Spiegel the next day that the publisher has interpreted Was passiert, wenn die gewählte Schriftart nicht zum Text passt? Das gehört mit zum Schlimmsten, was der Gestalter einem Text antun kann. Auch wenn man es als Laie nicht so benennen kann, hat man dann das Gefühl, dass da etwas nicht zusammenpasst. Man fragt sich: Warum macht mich dieses Buch so müde? Thomas Mann to be right wing. What happens if the selected typeface doesn‘t match the text? This is actually the worst thing a designer can do to a text. Even if a layman doesn‘t realize the true reason, he will sense that something isn‘t right. Readers may ask: Why is this book so tiring Groothuis wendet sich einem Tisch im Zentrum der Buchhandlung zu, auf dem einige ausgewählte Bücher präsentiert werden, und nimmt Haruki Murakamis „IQ84“ in die Hand. Auf dem Einband sind in großen Lettern Autor und Titel eingeprägt. to read? Groothuis turns to a table set up in the centre of the bookshop where a few selected books are presented. Taking Haruki Murakami‘s „IQ84“ in hand, he looks at the cover with engraved Das ist Typographie pur. Der Einband wäre vor vier Jahren bei keinem Verlag so durchgegangen. large letters showing author and title. That‘s sheer typography. Four years ago this binding would not Wieso nicht? Da fehlt doch das Bild, hätte man sich beschwert. Es gab eine Zeit, da hat man auf jedes Buch ein Bild und auf das Bild den Titel geklatscht – fertig. Die Schutzumschläge, sozusagen die Visitenkarten der Bücher, sind wieder vielfältiger geworden. Die Verlage besinnen sich auf das, was Gestaltung alles kann. have passed in any publishing house. Why not? The objection would have been that a picture is missing. There was a time when publishers chucked a picture with title on each book – done! The book jackets – the so-called book’s business card – have recently become more varied in design. Publishers are re- Er zeigt auf verschiedene Umschläge: Illustrationen, Collagen, typographisch gestaltete Umschläge, Fotografien, rein farblich gestaltete Cover. Jetzt legt er zwei Titel verschiedener Verlage nebeneinander: Auf beiden ist in der oberen Hälfte ein Foto abgedruckt, abgetrennt durch eine schwarze Linie stehen darunter Autor und Titel. membering the capabilities of design. He points to various covers: illustrations, collages, typographically designed covers, photos, coloured covers without text. Now he places two titles of different publishers next to each other. Both show a printed photo in the upper half, a black line separating the author and title beneath. Diese beiden Cover ähneln sich jetzt allerdings sehr. Das ist das Problem: Im Prinzip ist es nicht möglich, einen Verlag vom anderen zu unterscheiden. Man kann keine Marken erkennen, eine Haltung noch viel weniger. These two covers are extremely similar. That‘s the problem: basically you can‘t possibly differentiate between individual publishers. Neither a brand nor an attitude is identifiable. Wieso wäre das wichtig? Verlage, die sich gegenüber dem E-Book behaupten wollen, müssen Profil zeigen. Die Titel, bei denen Inhalt, Gestaltung und Ausstattung austauschbar sind, werden als erste vom Markt verschwinden. Why do you consider this important? Publishers wishing to assert themselves against the E-book have to stand out. Titles with interchangeable contents, design and layout will be first to disappear from the market. Rainer Groothuis, geboren 1959 in Emden, ist Buchgestalter und Marketingspezialist für Bücher und Verlage. Nach einer Buchhändlerlehre war er von 1981 bis 1996 Hersteller und Geschäftsführer im Verlag Klaus Wagenbach; seit 1999 ist er Geschäftsführer seiner Agentur Groothuis, Lohfert, Consorten/Gesellschaft für Formfindung und Sinneswandel mbH in Hamburg. Für seine Buchgestaltungen hat er viele nationale und internationale Preise erhalten, darunter den Premio Felice Feliciano. Lukas Kircher, 40, counts among the most successful newspaper designers in Wird es das gedruckte Buch schon bald nicht mehr geben? Bücher wird es weiterhin geben – aber mit noch mehr Qualität und Liebe gestaltet. Wenn ein Käufer sich für sechs Euro einen Text aus dem Internet herunterladen kann, erwartet er von einem weit teureren gedruckten Buch etwas Besonderes. Dass die Verlage sich wieder mehr trauen und in besondere Ausgaben investieren, kann man schon jetzt beobachten. Schauen Sie sich dieses Prachtexemplar an! Groothuis geht zu einem Eckregal, greift nach einer großformatigen Ausgabe von Homers „Odyssee“, die ganz oben steht. Preis: 137 Euro. Er streicht über den Schuber und stellt das Buch vorsichtig wieder an seinen Platz. Applied Arts. Before he graduated from his master class, the editor-in-chief of the Vienna „Presse“ recruited him as a graphic designer. Later on Kircher followed him to „Berliner Zeitung“ and to „Stern“ in Germany. Since 2000 he has been working as a free-lance designer. Books will continue to be produced – but with a design reflecting more quality and dedication. If a buyer can download a text from the Internet for six euros, he expects far more from a costly printed book, something special. We can already see a tendency of publishers becoming more daring to invest in special editions. Just look at this fine specimen! Groothuis moves to a corner shelf and reaches for a large-format edition of Homer‘s Odyssey at the very top. Price: 137 euros. He strokes the slipcase and carefully puts the book back again. Can E-books possibly compete with books of such an elaborate Germany. With FAS - Frankfurter Allgemeine Zeitung, he has gained the ‚World´s Best Newspaper Design Award‘ five times. In Vienna Kircher took up the study of Will printed books disappear from the market in the near future? Kann ein E-Book mit so einem aufwendig gestalteten Buch konkurrieren? Natürlich nicht. Zwar sind E-Books, vor allem in ihrer Tablet-Variante, sehr interessant. Trotzdem: Bücher wie dieses sind rundum individuell, kleine Gesamtkunstwerke für alle Sinne – dem E-Book wird diese individuelle sinnliche Kraft immer fehlen. compilation? Of course they can‘t. It is true, E-books especially as tablets are highly interesting. Nevertheless: books like this one are individuals in every aspect, small complete works of art appealing to all our senses. The E-book will forever lack this personal sensuous power. Seite 22 · INK Eine Welt aus Papier the perfect paper jet text: Felix Brumm, Vera Vester Die einflussreichste Papierkugel der Welt Der perfekte Papierflieger „Das Papier stand doch im Abseits“ Spiegel „Herzschlag-Thriller mit einem tragischen Helden“ Stern „Papierkugel sei dank: Bremen sticht HSV aus“ Handelsblatt „Diese Kugel gab dem HSV den Rest“ Bild „Papierkugel hilft Bremen ins Finale“ Financial Times „Eine Papierkugel - das Ende für den HSV“ Hamburger Abendblatt Am 4. und 5. Mai segeln wieder unzählige Papierbögen durch den Hangar 7 in Salzburg. Die inoffiziellen Papierflieger-Weltmeisterschaften gehen in die dritte Runde, Bastler aus der ganzen Welt messen sich in drei Disziplinen: längste Flugzeit, längste Flugdistanz und Aerobatik. www.redbullpaperwings.com On 4 and 5 May, innumerable paper sheets will be flying through Hangar 7 in Salzburg. The unofficial paper jet world championship will go into the 3rd round. Hobbyists from all over the world will compete in three disciplines: longest flight time, longest flight 7.Mai 2009, UEFA-Cup-Halbfinale: Beim Stand von 1:2 will HSVVerteidiger Michael Gravgaard einen Ball in Ruhe klären, da verspringt dieser auf einer Papierkugel, die ein Fan aufs Spielfeld geworfen hat. Das Papier lenkt den Ball ins Aus – Ecke. Werder Bremen verwandelt zum entscheidenden 1:3. Heute liegt die Papierkugel im Vereinsmuseum von Werder. distance and aerobatics. www.redbullpaperwings.com The paper jet expert Dieter Michael Krone reveals how to build the perfect paper jet. www.papierfliegerei.de the most influential paper ball in the world Der Papierflieger-Experte Dieter Michael Krone verrät uns, wie man den perfekten Flieger baut. www.papierfliegerei.de “The paper was clearly offside” Spiegel “Heartbeat thriller with a tragic hero” Stern “Thanks for the paper ball: Bremen outdoes HSV” Handelsblatt “This ball finished HSV off ” Bild “Paper ball helps Bremen to the final” Financial Times “A paper ball – the end for HSV” Hamburger Abendblatt 7 May 2009, UEFA Cup semifinal: With the score at 1-2, HSV defender Michael Gravgaard wants to clear a ball unhurriedly, but the ball bounces off a paper ball a fan had thrown onto the field. The paper deflects the ball out – corner. Werder Bremen makes it a decisive 1-3. Today the paper ball is kept in the club’s museum. Landschaften aus Büchern Druck zum Anziehen Doppelgänger aus Karton Landscapes made from books Print for clothing Double made of paperboard Der kanadische Künstler Guy Laramée schnitzt aus alten Büchern beeindruckende Landschaften. www.guylaramee.com Der Brite Matthew Nicholson fertigt Uhren, Anzüge und funktionsfähige Lochkameras – aus Papier. www.mattmakesstuff.co.uk Wie man sich seinen eigenen Klon aus Papier basteln kann, erklärt Philipp Stollenmayer im Do-it-yourself-Portal Instructables. www.instructables.com/id/Project-Paper-clone The Canadian artist Guy Laramée carves impressive landscapes from old books. www.guylaramee.com The Brit Matthew Nicholson makes watches, suits and functional pinhole cameras – from printed paper. www.mattmakesstuff.co.uk Philipp Stollenmayer tells us how to make one’s own clone from paper in his Do-it-yourself Portal Instructables. www-instructables.com/id/project-paper-clone Zurück zum Holz Papier aufs Auge Hüllen für Kreative Back to wood Paper on the eye Cases for the creative crowd Was aussieht wie Holz, ist tatsächlich gepresstes Zeitungspapier. Aus Mieke Meijers „Newspaper Wood“ hat das niederländische Designbüro VIJ5 eine ganze Möbelkollektion entworfen. Hier ein Schrank von Breg Hanssen. www.vij5.nl Spinnen, Zebras oder Blumen – die Kunstwimpern des britischen Designer-Kollektivs Paperself sind perfekt für eine Reise ins Königreich. www.paperself.com Reißfest, wasserfest, kompostierbar – Christoph Rochna vom Wiener Start-Up Papernomad macht Laptop- und HandyHüllen, die man individuell gestalten kann. www.papernomad.com What looks like wood is actually compressed newspapers. Based on Mieke Meijer’s “Newspaper Wood”, the Dutch design office VIJ5 created a whole furniture collection. Shown: Cabinet by Breg Hanssen. www.vij5.nl Spiders, zebras or flowers – the artificial eye lashes of the British designer collective Paperself are perfect companions for a trip to the U.K. www.paperself.com Tear-resistant, waterproof, compostable - Christoph Rochna from the Vienna Start-Up Papernomad produces laptop cases and mobile pouches which buyers can design individually. www.papernomad.com INK · Seite 23 Was Sie noch nie über Papier wissen wollten – und sich trotzdem merken werden what you never wanted to know about paper - but what you will keep in mind Verborgene Schönheit A varied mix: Paper can also be made from stones or bullshit. Bunt gemischt: Papier lässt sich auch aus Steinen oder Bullenkot herstellen. Fest geklebt: In seinem berühmten Sketch hatte Loriot keine Nudel, sondern ein Papierröllchen im Gesicht. Am Ende landete es im Kaffee – eine Nudel wäre darin untergegangen. Palmenfasern, Seide, Eukalyptus – im Tageslicht sind handgemachte Papiere aus diesen Stoffen grün bis bräunlich. Erst ein spezielles Mikroskop macht ihre Strukturen sichtbar. Diese spektakulären Bilder haben Charles Kazilek und Gene Valentine von der Arizona State University aufgenommen. Mit Laserlicht, Photonendetektor und Computer-Software machen sie aus mikroskopischen Aufnahmen kleine Kunstwerke. www.paperproject.org Stuck fast: In his famous sketch, Loriot had a small paper roll in his face rather than a noodle. Finally it lands in the coffee - a noodle would have sunk immediately. Started small: Nokia used to produce paper and rubber boots before manufacturing mobile phones. Stacked high: A DINA4 sheet can only be folded six times. If there were a sheet of paper that could be folded 42 times, it would reach Klein angefangen: Bevor Nokia Handys produzierte, stellte die Firma Papier und Gummistiefel her. the moon. Zurück auf Weiß Better documented: One out of three users makes a printout of his emails to read them. Hoch gestapelt: Ein DINA4-Blatt lässt sich nur 6-mal falten. Gäbe es ein Blatt, das man 42mal falten könnte, wäre es am Ende so hoch, dass es bis zum Mond reicht. Besser aufgehoben: Jeder Dritte druckt seine E-Mails aus, um sie zu lesen. Tief eingeatmet: Papiertaschentücher wurden im Ersten Weltkrieg als Filter für Gasmasken entwickelt. Fleißig gefaltet: Nach einer japanischen Legende bekommt derjenige, der 1.000 Origami-Kraniche faltet, von den Göttern einen Wunsch erfüllt. Fest zugebissen: Auch Wespen machen Papier – sie zerkauen morsche Holzfasern und bauen daraus ihre Wespennester. Gut versteckt: Als unsichtbare Geheimtinte eignet sich nicht nur Zitronensaft, sondern auch Milch, Essig und Zwiebelsaft. Leise geblättert: Bibeldruckpapier zählt zu den dünnsten Papieren der Welt. Es wurde erfunden, damit es in der Kirche nicht so raschelt. Kaffeeflecken auf der Steuererklärung? Vergilbte Romane im Regal? So holen Sie aus Papier das raus, was wirklich drinsteckt. Breathed in deeply: In the First World War paper tissues were first designed as gasmask filters. Folded diligently: A Japanese legend says that everybody who manages to fold 1,000 origami cranes will have a wish fulfilled Flecken und Kugelschreiberstriche Lösen Sie Spiritus oder Spülmittel in Wasser, befeuchten Sie ein Tuch damit und tupfen Sie die Flecken leicht ab. Kugelschreiberstriche hellen Sie mit einem harten Radierstift auf. by the Gods. Wasserschäden Ziehen Sie die feuchten Seiten vorsichtig auseinander. Legen Sie dann Küchenkrepp dazwischen und trocknen Sie das Ganze auf der Heizung oder mit dem Fön. Dann Bügeln. Oder packen Sie das Buch in Folie und legen es ins Gefrierfach. Vorsicht: Die Seiten können Wellen schlagen. Well hidden: Not only is lemon juice suited for use as an invisible Gerüche Wickeln Sie das Buch in Frischhaltefolie und vergraben Sie es für einige Tage in Katzenstreu. Sie können das Buch auch in Küchenkrepp wickeln und in einen Behälter mit einem halben Pfund Kaffee geben. Halten Sie das ganze mindestens drei Tage verschlossen. Bitten hard: Wasps, too, produce paper – they chew rotten wood fibres for building their nests. ink, but also milk, vinegar and onion juice. Paged softly: Bible papers count among the thinnest papers in the world. They were invented to prevent noisy rustling in the Church. hidden beauty Palm fibres, silk, eucalyptus – in daylight hand-made papers consisting of these raw materials show a green to brownish colour. A special microscope makes their structures visible. These spec- mat! r o F e g i t h c i r s n i een d I e b r e W e r h I n ir br inge uperpanorama, GmbH & Co. KG W nformate, S zi a g a M t, a rm Fo iner (Halb-) e „App“ dazu? in e Rheinisches / Berl ch o n d n u . .. r, endruck, Beihefte g a il e B / tk e sp ro P tacular pictures were taken by Charles Kazilek and Gene Valentine from Arizona State University. Applying laser light, photon detector and computer software, they turn micrographs into little works of art. www.paperproject.org back to white Coffee stains on your tax return? Yellowed novels on the shelf? How to clean paper. Stains and ball pen streaks Put a splash of spirit or washing liquid in water, moisten a cloth with it and slightly dab the stains. To brighten up ball pen streaks, use a hard eraser. Water damage Carefully pull apart the moist pages. Insert kitchen towel between them and let them dry on a radiator or use a hairdryer. Then iron them. Alternatively wrap the book in foil and put it into the freezer. Careful: the pages might become wavy. Mit unserer formatvariablen Drucksowie Heft- und Schneidtechnologie und unseren Netzwerkpartnern bieten wir Ihnen ein Produktportfolio, das einzigartig in Zeitungsdruckhäusern ist. Sprechen Sie uns an! Rheinisch-Bergische Druckerei GmbH & Co. KG · Zülpicher Str. · D- Düsseldorf · Tel. - · www.rheinisch-bergische-druckerei.de Odours Wrap the book in cling film and bury it for a few days in cat litter. You could also wrap the book in kitchen towel and place it in a container together with half a pound of coffee. Keep closed for at least three days. Seite 24 · INK Die Seiten ändern sich text: Felix Brumm, Michaela Kakuk und Eva Röder Ton, Häute, Knochen – Papierlose Zeiten Das Bedürfnis, sich auszudrücken, hatten Menschen schon immer. Die ältesten bekannten Höhlenmalereien sind über 30 000 Jahre alt. In den frühen Hochkulturen Chinas und Indiens ritzten Menschen ihre Zeichen auch in Knochen, Wachs und Palmenblätter – manche sogar in Schildkrötenpanzer. 30.000 v. C. 30.000 b. C. Clay, hides, bones – The paperless ages 3.000 v. C. 3.000 b. C. Mankind always had the desire to express itself. The most ancient known cave paintings date back some 30,000 years ago. People Hanf, Lumpen, Fischernetze – Das erste Papier Als Tsai Lun um 105 seinem Chef, dem Kaiser von China, seine Erfindung vorstellte, ahnte er wohl nicht, welche Bedeutung sie noch bekommen würde. Er war einer der ersten chinesischen Papierhersteller, die Hanf, Lumpen, Fischnetz und Maulbeerbast mit Steinmörsern zerstampften. Dann mischten sie die Stoffe mit Wasser zu einem flüssigen Brei. Diesen schöpften sie durch ein Sieb, trockneten ihn in der Sonne und glätteten ihn mit Steinen. of the early high civilizations in China and India also carved their characters into bones, wax and palm leaves – and sometimes even Papyrus und Pergament – Fast schon Papier Hemp, rags, fishnets – The first papers into tortoise shells. When Cai Lun in China presented his invention to his emperor Im 3. Jahrtausend v. Chr. stellten die Ägypter erstmals Papyrus aus dem gleichnamigen Schilfgras her. Sie legten Streifen aus dem Mark der Pflanze wie ein Gitter übereinander und pressten es. Übersetzt bedeutet Papyrus „Besitz des Pharaos“. Es galt als kostbar und stand daher unter königlichem Monopol. Auch unser heutiges Wort „Papier“ leitet sich daraus ab. Im Mittelmeerraum schrieben die Menschen auch auf Pergament aus Rinder- oder Ziegenfellen. Aus Holz macht man Papier erst seit dem 19. Jahrhundert. around the year 105, he was certainly unaware of its future significance. He was one of the first Chinese papermakers who used 105 n. C. 105 a. D. stone mortars to pound hemp, rags, fishnet and mulberry fibres to mix them with water to form a liquid mash. The suspension was 700 n. C. 700 a. D. Papyrus and vellum – Close to paper Von Ost nach West – Papier erobert die Welt In the 3rd millennium BC, the Egyptians were first to produce Es waren Krieger, die das Papier in den Westen brachten. Araber und Chinesen kämpften im 8. Jahrhundert gegeneinander. Beim Angriff auf die Stadt Samarkand nahmen die Araber auch einige chinesische Papiermacher gefangen. Ihr Wissen brachte das Papier in die islamische Welt. Mit den Arabern, die ihr Reich bis nach Spanien ausdehnten, gelangte es dann nach Europa. Die erste deutsche Papiermühle nahm im späten 14. Jahrhundert bei Nürnberg den Betrieb auf. papyrus from an identically named reed. They layered strips of the plant in a lattice pattern and pressed them flat. The translation of papyrus is „pharaoh‘s possession“. The material was deemed precious and was as such subject to a royal monopoly. Our modern word „paper“ is derived from „papyrus“. People in the Mediterranean additionally wrote on parchment or vellum made from cowhide or goatskin. It was not until the 19th century that wood- scooped through a water strainer before it was dried in the sun and smoothened with stones. 748 n. C. 748 a. D. based paper was made. From East to West – Paper conquers the world Handarbeit – Die Zeit der Papiermühlen It was warriors who brought paper to the Western world. In the 8th century, Arabs and Chinese were at war. When attacking the Papier herstellen – das hieß bis zur Industrialisierung: mit den Händen arbeiten. In den weit verbreiteten Papiermühlen lieferten Lumpensammler ihre Lumpen ab. Die Papiermacher zerschnitten sie, brachten sie zum Faulen und zerstampften sie. Den Faserbrei, der dabei entstand, verdünnten sie in einem großen Holzbottich („Bütte“) mit Wasser. Daher auch das „Büttenpapier“. Die erste Papiermühle in Amerika wurde übrigens 1690 erbaut – von einem Deutschen. Endlich druckreif – Papier für das Volk city of Samarkan, the Arabs captured a number of Chinese papermakers who took their know-how into the Islamic world. With the Muslim conquest of Spain, the art of papermaking reached Europe. The first paper mill in Germany commenced operations near Nuremberg toward the end of the 14th century. Den Chinesen haben wir nicht nur die Erfindung des Drucks zu verdanken, sondern auch das Klopapier, die Spielkarten und die erste Zeitung. Sie erschien 748. Für eine Seite musste der Text komplett aus einer Holztafel geschnitzt werden. Erst Mitte des 15. Jahrhunderts erfand Johannes Gensfleisch alias Gutenberg die beweglichen Lettern. Von seinem berühmtesten Werk, der nach ihm benannten Bibel, druckte er in einer ersten Auflage 180 Exemplare. Finally ready for press – Paper for the people Handicraft – The time of paper mills We owe our thanks to the Chinese, not only for inventing print, Before the onset of industrialization, papermaking was a handicraft. Ragmen delivered their rags to the widespread paper mills. The papermakers chopped them, allowed them to rot and 1690 n. C. 1690 a. D. but also for toilet paper, playing cards and the first newspaper which appeared in the year 748. To obtain one page, the text had beat them into mash. The pulp thus obtained was diluted with to be cut out completely from a woodblock. It was not until the water in a big wooden vat. Hence the name „vat paper“. Inciden- middle of the 15th century that Johannes Gensfleisch alias Gutenberg invented movable type printing. For the first edition of tally, the first paper mill in USA was established around 1690 – by Flugblatt und Pamphlet – Papier macht Revolution a German. his most famous work – the Gutenberg Bible – he printed as many as 180 copies. 1834 n. C. 1834 a. D. Eine Revolution, die wir dem Papier verdanken, ist die Reformation. Ohne Papier hätte Luther seine Thesen niemals so schnell unter das Volk bringen können. Durch das gedruckte Wort ließen sich auch politische Botschaften schneller verbreiten: „Friede den Hütten – Krieg den Palästen“, schrieb Georg Büchner 1834 im „Hessischen Landboten“. Auch die Geschwister Scholl riefen in ihren Flugblättern zum Widerstand gegen die Regierung auf – und bezahlten dafür mit ihrem Leben. Flyers and pamphlets – Paper assists a revolution A revolution we owe to paper is the Reformation. Without paper Luther would never have been able to make his theses public in 1900 n. C. 1900 a. D. Dioden und Transponder – Papier kann auch anders such a short time. The printed word also accelerated the dissemination of political messages: “Peace to huts – war to the palaces”, Georg Büchner wrote in the Hessian Newspaper (“Hessischer Landbote”) in 1834. Similarly, the Scholl siblings printed flyers to call people to resistance against the Nazi government, which ultimately cost them their lives. Mit Papier übermittelten die Menschen jahrhundertelang vor allem Nachrichten. Mittlerweile ist Papier weit mehr als ein Informationsträger. Wir verwenden es zum Verpacken, Filtern und Bezahlen. Ob organische Leuchtdioden, QR-Codes und Transponder – längst kann man auf Papier viel mehr drucken als nur Buchstaben. Seide, Gold und Silber – Papier als Luxusgut Silk, gold and silver – Paper as a luxury article Diodes and transponders – Paper used differently Im 19. und im frühen 20. Jahrhundert widmete sich ein eigener Industriezweig ausschließlich den schönen, luxuriösen Seiten der Papierherstellung. Die Damen und Herren des europäischen Bürgertums tauschten aufwändig verzierte Grußkarten aus, mit Glimmer und Seide veredeltes Papier, Briefbögen mit Gold- und Silberdruck, Poesiealben mit ausgestanzten Bildchen. Heute sind diese Luxuspapiere begehrte Sammelobjekte. In the 19th and the early 20th centuries, a separate industrial For centuries, people primarily used paper to transmit news. Meanwhile, the role of pa- branch devoted itself exclusively to the beautiful and luxurious per has extended far beyond that of an information carrier. We employ it for packaging, aspects of papermaking. The ladies and gentlemen of the Euro- filtering and paying. Whether organic LEDs, QR codes or transponders - paper has long pean bourgeoisie exchanged lavishly decorated greeting cards since been used for more than just printing letters. and used paper adorned with mica and silk, writing papers with golden and silver imprints, autograph albums with die-cut little pictures. Today all of these luxury papers are in high demand as collector’s items. 2012 n. C. 2012 a. D.