und Judith Waldmann

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und Judith Waldmann
KULTUR
Die eine Künstlerin, die andere Kunsthistorikerin und Kunstmesse-Veranstalterin:
Isabell Kamp (32) und Judith Waldmann (27) reden über Kunst, wie manch
ein anderer über das Wetter – leicht, beschwingt, schwärmend. Ein Interview
über das, was Kunst mit jedem von uns machen kann und was es bedeutet,
in der heutigen Zeit Künstlerin zu sein.
HANSEstyle: Frau Kamp, Frau Waldmann:
Was bedeutet Kunst für Sie?
Isabell Kamp: Kunst ist für mich wie ein
weiteres Organ und nicht mehr lösbar von
mir. Sie versucht, Leben greifbar zu machen,
in Formen zu fassen, weiter zu denken und
neue Gedanken zu ermöglichen. Ich erlebe
das – zumindest bei guter Kunst – häufig, dass
Gedankenanstöße aus vollkommen neuen
Richtungen kommen und einen bereichern.
passiert, wie sie miteinander umgehen und
sich verhalten, im Guten wie im Bösen. Zwischenmenschlichkeit ist ein Riesenklumpen.
Dieses Chaos aus unterschiedlichsten Belangen löst extrem viele Kontroversen aus und die
Auseinandersetzung damit finde ich wahnsinnig spannend.
Wenn Sie von Arbeit sprechen: Ist die Kunst
ein Beruf für Sie?
Isabell Kamp: Es ist ein Dasein. Diese absolute Freiheit und Ausdruckskraft, die ich
Judith Waldmann: Kunst wirft einen ganz
im künstlerischen
besonderen Blick auf
Leben habe, gibt
die Welt. Die Fragen,
es in keinem andie sich mir stellen,
„Kunst wirft einen
deren Arbeitsfeld.
werden in der Kunst
ganz besonderen Blick
Die
andere Seite
auf eine unkonventiauf die Welt"
der
Medaille ist:
onelle Art und Weise
Judith Waldman
Judith Waldmann
n
Ich mach zwar,
behandelt. Die Auswas ich will, aber
einandersetzung mit
Naturphänomen ‚Im Auge des
ich habe Nebenjobs, die mir meine Existenz
Kunst ist etwas sehr aktives. Kunst ist eine
sichern. Ich bezahle den Preis mit einer un- Sturms herrscht Ruhe’. Also: Nein!
Projektionsfläche, an der ich mich abarbeiten
glaublichen Anstrengung, es ist immer ein
kann.
Judith Waldmann: Solche Krisen können
Kampf ums Überleben, damit ich meine Kunst
ja auch anregend sein und man beginnt mit
weiterführen kann.
Frau Kamp – Sie sind eine aufstrebende junge
neuer Arbeit, die sonst nicht entstanden wäre.
Künstlerin, hatten bereits EinzelausstellunHaben Sie aus diesem Grund bereits daran
gen in Nord- und Süddeutschland und wurden
Sie kämpfen mit Ihren Nebenjobs darum,
mehrfach ausgezeichnet: Worum geht es Ih- gedacht, die Kunst hinzuschmeißen?
Isabell Kamp: Wenn ich eine richtig beschis- Kunst machen zu können.
nen in Ihrer Kunst?
Isabell Kamp: So ist es. Und es ist ziemlich ersene Phase habe, dann ist das einzige, woran
Isabell Kamp: Mir geht es vor allem um die
nüchternd, dass etliche Künstler mit 45 oder 50
ich mich innerlich festhalte und worüber ich
Kommunikation zwischen den Menschen. Ich
Jahren, die bereits Familie haben, immer noch
Befriedigung ziehe, meine Arbeit. Getreu dem
finde es verblüffend, was zwischen Menschen
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Ein Werk (oben) der Künstlerin Isabell Kamp (rechts)
Nebenjobs haben müssen. Dass es auch bei
mir so sein könnte, blende ich total aus. Ich versuche schlichtweg in der Gegenwart zu leben.
Judith Waldmann: Oftmals ist es ein Fehlbild,
das in vielen Köpfen existiert: Die Anzahl der
Künstler, deren Werke sich für Hunderttausende von Euro verkaufen, ist verschwindend
gering. Hier kann man einen Blick auf die
Hamburger Kulturpolitik werfen. Die Stadt
hat mit der HfBK (Anm. der Red.: Hochschule
für Bildende Künste) eine ganz großartige
und renommierte Akademie, die wunderbare
Künstler hervorbringt – doch nach der Ausbildung kann die Stadt die Künstler kaum halten.
Woran liegt das?
Judith Waldmann: Künstler bleiben nur,
wenn sie von Galerien unterstützt und gefördert werden. Aber mit circa 80 Galerien
– Berlin hat 410 und Köln knapp 200 – ist die
Galerienlandschaft in Hamburg nicht sehr
groß. Auch die Atelierplätze sind oftmals viel
zu teuer. Das sind bereits zwei elementare
Punkte, die es jungen Künstlern unheimlich
schwer machen, in dieser Stadt Fuß zu fassen.
Was denken Sie, wie die Stadt Künstler gezielter unterstützen könnte?
Isabell Kamp: Man kann der Stadt nicht nur
Vorwürfe machen. Es gibt ja Atelierstipendien
und Projektgelder. Aber Fördergelder zum
Beispiel sind immer auf ein Jahr begrenzt. So
Isabell Kamp in ihrem Atelier
ist keine Kontinuität gewährleistet, die aber
notwendig wäre, um langfristig etwas aufbauen zu können. Und über die Verteilung ließe
sich natürlich – wie immer – auch diskutieren.
Judith Waldmann: Die Stadt gibt schon darauf Acht, dass einigen subversiven Kunstzentren und Nebenschauplätzen das Wasser nicht
abgegraben wird. Nach massiver Druckausübung konnte das Gängeviertel bleiben und
ebenso hat das Frappant neue Räume in der
Viktoria Kaserne gefunden. Auch abgelegenere Institutionen, wie der Kunstverein Harburger Bahnhof werden projektbezogen von der
Kulturbehörde unterstützt. Trotzdem finde
ich schade, dass die Scheinwerfer immer auf
die Musical-Stadt Hamburg gerichtet sind.
Ich habe nichts gegen Musicals, allerdings
funktionieren solche Touristenmagnete an jedem beliebigen Ort der Welt. Doch Hamburgs
Kultur hat viel mehr und individuelleres zu
bieten. Da wünsche ich mir ein bisschen mehr
Sensibilität.
Kunst ist immer auch eine Frage der Vermittlung. Wie können Menschen an Kunst herangeführt werden?
Judith Waldmann: Sie haben etwas ganz wich-
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KULTUR
Eine Zeichnung
von Isabell Kamp
tiges gesagt: Kunstvermittlung. Überall,
voll gemeintes Angebot, in eine andere
wo Kunst ausgestellt wird, muss überWelt einzutauchen, andere Sinnkonstlegt werden: Wie vermittele ich das, was
ruktionen wahrzunehmen. Die kommt
ich zeige, am besten. Alles was passiert
einem am Anfang vielleicht fremd vor,
und es schafft, Menschen an Kunst
doch wenn man sich darauf einlässt,
heranzuführen, ist sinnvoll. Dabei darf
gibt es einem auch sehr viel.
man sich für keine Strategie zu schade
Isabell Kamp
sein und zu elitär denken. Es spricht
Judith Waldmann: Wenn man einmal
doch nichts dagegen, das Feierabendeinen Zugang zur Kunst bekommen hat, ist das wie eine Spirale, die sich
Bier in einem Museum zu trinken und dabei gleichzeitig über Kunst zu
nach oben zieht. Umso mehr man sich hinein begibt, umso mehr Dialog
sprechen. Selbstverständlich muss darauf geachtet werden, dass der
sogenannte ‚Eventcharakter‘ nicht überhand nimmt und die Ausein- ist auch möglich. Nach und nach werden die Fragen komplexer, aus den
Puzzleteilen der Gedanken lassen sich Bausteine zusammen setzen, die
andersetzung mit der Kunst zum bloßen Nebenschauspiel wird. Solche
sich ergänzen – es fängt an zu funktionieren, es entsteht ein Kontext, das
Hybridveranstaltungen sind aber leider noch die Seltenheit.
ist toll!
Was macht die Kunst mit dem jeweiligen Betrachter?
Isabell Kamp: Kunst ist ein global agierendes System. Sie interessiert
Isabell Kamp: Ein Kunstwerk tritt in die Kommunikation mit dem
sich für alles, ist eine riesengroße Spielwiese – und reflektiert damit den
Betrachter. Es ist gewissermaßen eine Verführung, sich mit anderen
Gedanken auseinanderzusetzen. Kunst an sich ist erst einmal ein liebe- Menschen.
Ein Kunstwerk tritt
in die Kommunikation
mit dem Betrachter.
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KULTUR
sche Kunst und Christoph Schlingensief, der
in Wien einen Container aufgebaut hat, in
dem Big Brother mit Asylbewerbern gespielt
wurde und die österreichische Bevölkerung
auswählen durfte, welcher Asylbewerber
als nächster abgeschoben wird. Da wird
offensichtlich, wie extrem Kunst aktuelle
Diskussionen aufgreift. Auch das Gängeviertel hat mit der „Recht auf Stadt“-Bewegung
die Gentrifizierungs-Debatte erst richtig in
Schwung gebracht. Kunst – egal welcher
Sparte – setzt sich immer mit dem jeweiligen
Zeitgeist auseinander. Ich glaube, dass Kunst
die Menschen heute noch genauso erschüttern kann, wie sie das auch schon vor 300
Jahren vermochte. Man muss sich nur auf
sie einlassen und wahrnehmen, was vor dem
eigenen Auge passiert.
Judith Waldmann: Absolut. Die Auseinandersetzung mit Kunst ist sehr interdisziplinär. Je
nachdem, in welcher Epoche man sich bewegt, geht es um Religion, Geschichte, Politik,
Philosophie, Psychologie. Wer noch keinen
Zugang zu Kunst gefunden hat: Einfach reinschmeißen, sich trauen – es lohnt sich.
Es gab in der Geschichte durchaus
Epochen, in denen Kunst zu einem Umdenken oder einer Neuausrichtung von
Werten und Konventionen geführt hat.
Hat Kunst heute noch die Macht, gesellschaftlichen Wandel zu forcieren?
Judith Waldmann: Es gibt verschiedene Arten, wie Kunst auch heute noch ganz massiv
in unsere Gesellschaft eingreift. Nehmen wir
als Beispiel politische oder gesellschaftskriti-
Autorin Janina Fein (m.) mit ihren Gesprächspartnerinnen
Das Gespräch führte: Janina Fein
Fotos von I. Kamp und J. Waldmann:
Sina Preikschat
Eine etwas andere Autogr
Affordable Art Fair
Ausstellungstipps von
14. bis 17. November 2013 Hamburg Messe
Auf der Affordable Art Fair kann zeitgenössische Kunst in einem entspannten Rahmen entdeckt und genossen werden. Das Konzept: Malerei, Grafik,
Skulptur und Fotografie wird in einer inspirierenden, freundlichen Atmosphäre präsentiert. Alles unter einem Dach und alles bis zu einer Preisobergrenze von €5.000. Auf der Emerging Artist Ausstellung werden Werke
junger, aufstrebender Künstler gezeigt – unter ihnen auch Isabell Kamp.
ISABELL KAMP
A World of Wild Doubt · Kunstverein Hamburg
Läuft noch bis 14. April 2013
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JUDITH WALDMANN
Besser scheitern · Galerie der Gegenwart Hamburg
Läuft noch bis 11. August 2013
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