politik orange

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politik orange
»Edelfedern«
»Bulliparade«
»Motivation«
Ingrid Kolb ausgepresst.
Seite 7
Ein Bullauge auf Reisen.
Seite 11
Leidenschaft ist besser!
Seite 12
O
rangerot sollte die Sonne über
Norwegen aufgehen, zumindest
hatte es Björn Richter, Vorsitzender der
Jugendpresse Deutschland, den 150 Teilnehmern der Youth Media Convention 2005
so versprochen. Aber als diese am nächsten
Morgen aus den Bullaugen spähen, präsentiert sich die Oslobucht in trübem Grau.
der Passagiere. Und während draußen die
Wellen vorbeiziehen, bringen im Schiff
namhafte Referenten den Jungjournalisten
den Traumberuf näher.
Stürmischer Horizont
Das Problem für Journalisten: Einen
Standard-Ausbildungsweg gibt es nicht.
Von André Feldhof
WO GEHT DIE REISE HIN?
Umso bunter sind die jungen Journalisten,
die aus ganz Deutschland zusammengekommen sind. Gefärbte Haare hat eine Teilnehmerin, eine zerrissene Hose ein anderer.
Ein dritter zupft sein Jackett zurecht und
betrachtet seine auf Hochglanz polierten
Schuhe. Die jungen Menschen mögen
unterschiedlich sein, aber ein gemeinsames
Ziel verbindet sie alle: „Fuß fassen“ wollen
sie im professionellen Journalismus. Doch
dafür müssen sie zunächst einmal den festen
Boden unter den Füßen aufgeben: Der
Jugendmedienkongress findet auf der „MS
Kronprins Harald“ statt. Der Luxusliner
bringt die Teilnehmer von Kiel quer durch
den Skaggerak bis nach Oslo.
Ein Aufbruch im doppelten Sinne: Oslo
heißt der Zielort der Fähre, eine gesicherte
Anstellung im Journalismus ist das Ziel
Während man sich auf einen Lehr- oder
Handwerkerberuf gezielt vorbereiten kann,
ist der Weg in den Journalismus – ähnlich
den Schlangenlinien, die das Schiff auf der
Reise ins Wasser zeichnet – nicht so schön
geradlinig. Ein medienbezogener Studiengang ist in Deutschland zwar möglich,
aber weder „hilfreich noch hinderlich“,
erklären Otfried Krüer-Bürgermann und
Petra Brüggmann, die beim NDR für die
Volontärsausbildung zuständig sind. Beim
NDR führt der Weg in den Journalismus
unweigerlich über das Volontariat, eine 18monatige Lernphase, nach dessen Abschluss
sich der Jungjournalist „Redakteur“ nennen
darf. Auch bei der Bild-Zeitung sei das so,
bestätigt Hans-Jörg Vehlewald, der dort
Chefreporter ist und die Politikredaktion
anführt. Seine Bedingungen: Der Berwer-
3. bis 5. Mai 2005,
Kiel / Oslo
Zeitung zur Youth Media Convention
politik orange
ber muss journalistische Vorerfahrung,
Interesse an den Medien, ein umfangreiches
Allgemeinwissen und ein abgeschlossenes
Studium mitbringen. „Sie können studieren, was Ihnen gefällt, solange es nicht
Publizistik ist“, rät Vehlewald. Stattdessen
empfiehlt er den jungen Journalisten, sich
in einem Fachgebiet zu spezialisieren. Als
Beispiele nennt er Medizin, Biologie und
Informatik. Denn diese werden in Zukunft
von den Lesern immer stärker gefragt. Als
Serviceleistung ein Muss für die Bild: „Wir
müssen den Leser da abholen, wo er steht.“
Das Aufbrausen im Saal mischt sich in das
natürliche Auf und Ab der Wellen - ein
anregendes Gesprächsthema, das auch
am nächsten Tag fortgeführt wird. Dem
schließt sich auch Ingrid Kolb, Leiterin der
Henri-Nannen-Schule, an, indem sie den
Medizinjournalisten eine große Zukunft
prophezeit. Spezialisierung ist der Trend.
Das erhöht die Chancen auf dem Arbeitsmarkt, das „Fuß fassen“ fällt leichter und
das Volontariat rückt näher. Oder man
umgeht das Volontariat gleich ganz und
bewirbt sich bei einer Journalistenschule.
Die Henri-Nannen-Schule in Hamburg ist
eine davon. Zwar setzt die die Messlatte
für Bewerber sehr hoch an, aber das ist
noch kein Grund zum Verzweifeln: „Noch
niemand hat den Einstellungstest mit 100%
bestanden“, beschreibt Leiterin Kolb das
Auswahlverfahren der Schule.
Auf in die Fluten
Egal, ob Auslandskorrespondent, PRBerater oder Lokalredakteur, alle Referenten
machten den angehenden Journalisten Mut,
selbst das Steuer in die Hand zu nehmen.
Denn gute Steuermänner, Matrosen und
Maaten brauchen die deutschen Medientanker gerade in so stürmischen Zeiten
wie diesen. Die Entscheidung, für welchen
Weg sie sich entscheiden, liegt bei ihnen
selbst. Jetzt gilt es, den eigenen Aufbruch
zu wagen.
Kurs: Journalismus. Bleibt zu hoffen, dass
ihre Zukunft nicht so grau aussieht, wie
Oslo an diesem Mittwochmorgen.
politik orange
02 haj
AUFGEWACHT
Träumst du noch oder schreibst du schon? Anne Glodschei und Nada Schroer
über journalistische Träume und vom Erwachen in der Realität.
V
iele haben denselben Traum wie
der 17-jährige Michael Schultz aus
Rostock. Aber nur wenige verfolgen ihn so
konsequent. Seit er zum ersten Mal die Vorteile des Journalismus kennen lernte, kann er
nicht mehr genug davon kriegen. Die Möglichkeiten, spannende Menschen kennen zu
lernen und neue Erfahrungen zu sammeln,
begeistern Michael am Journalismus: „Vor
einem Jahr besuchte ich ein Konzert einer
Queen-Coverband, um eine Rezension
für unsere
Tageszeitung
zu schreiben.
Den Eintritt
bezahlte die
Redaktion.
Das hat mich
überzeugt.“
Ein Schlüsselerlebnis,
das ihn dazu
bewog regelmäßig für
Schüler- und
Tageszeitung
zu schreiben.
Was er derzeit
nur als Hobby
betreibt, will
er nach dem Abitur zu seiner Profession
machen. „Eine genaue Vorstellung über von
meiner späteren Arbeit als Journalist habe
ich zwar nicht, aber der Traum irgendwann
die Henri-Nannen-Schule zu besuchen, geht
mir nicht mehr aus dem Kopf“. Doch sich
allein auf den „Mythos HNS“ zu verlassen,
reicht Michael nicht aus und so lockte ihn
das vielfältige Angebot an Informationsseminaren der YMC 2005 auf die Fähre nach
Oslo. Denn die Zukunft will geplant sein,
um nach dem Abitur in die richtige Richtung
aufzubrechen. Bis es so weit ist, arbeitet
Michael weiterhin bei der Ostseezeitung.
Etwas gelangweilt ist er, doch immer noch
mit der Hoffnung schon bald neue Facetten
des Berufes zu entdecken.
Gut zehn Jahre ist es her, da saß auch
Jochen Markett, mittlerweile 26 Jahre alt, in
der Redaktion der örtlichen Lokalzeitung
und war sich seines Berufsziels sicher. An
dieser Überzeugung hat sich bis heute
nichts geändert, nur ist er seinem Ziel ein
gutes Stück näher gekommen. Denn bald ist
sein Studium an der Universität Dortmund
abgeschlossen und die Visitenkarte mit dem
Zusatz Diplom-Journalist bedruckt. Sein
Jugendtraum ist aber einem anderen gewichen; „Als ich der Abiturfeier mein Zeugnis
abholte, wurde das Jingle des ZDF Sportstudios eingespielt. Alle kannten mein Ziel und
auch ich dachte, das und nichts anderes will
ich machen.“ Doch nicht nur dieser Traum,
auch seine Vorstellung vom Journalismus
editorial
Aufbrechen ist ja wohl das Schwierigste überhaupt. Erst freut man sich
wahnsinnig über die vielen Auswahlmöglichkeiten – und dann muss man
sie unangetastet liegen lassen, weil
diese Aufbruch-Geschichte einfach zu
kompliziert ist. Den Kopf abdrehen und
den Schwanz abreißen, den Panzer
aufknacken, mit der Gabel aufspießen
und dann: genießen. Klar, damit macht
man sich beim ersten Mal so ziemlich
zum Lollo des ganzen Tisches. Aber
beim zweiten rosa Flusskrebs werden
die Fortschritte bereits mit mildem
Lächeln der Tischgesellschaft
quittiert. Beim dritten mit Applaus. Danach fühlt man sich
schon fast einem Hummer
gewachsen. So ist das mit
dem Aufbrechen.
Aufbrechen in den Journalismus ist da durchaus mit
einem solchen Krebskampf
zu vergleichen. Es fehlen die
richtigen Methoden und die
richtige Gesellschaft. Am
Anfang. Aber wenn man
einfach mal lospult und dabei
über den eigenen Tellerrand
hinaus nach Hilfe sucht, dann
klappt das schon. Die Youth
Media Convention 2005
war dabei so was wie ein
großer Krabbenpulerverein.
150 Nachwuchsjournalisten
wollten mal schauen, wie man
richtig aufbricht.
allgemein änderte sich während des Studiums. „Anfänglich hatte ich eine sehr edle
Vorstellung von diesem Beruf. Ich dachte
unabhängig und nur meinem Gewissen
verpflichtet arbeiten zu können. Aber die
Realität zeigte mir, wie oft der Journalismus
für widrige Zwecke instrumentalisiert wird.“
Als bei seinem Volontariat in der Redaktion
bei der Rheinischen Post eine Redakteurin
ausfiel und Jochen die Verantwortung für das
Medienressort bekam, rückte der Sportjournalismus in den Hinter- und ein neues Ziel
in den Vordergrund. „Die Erfahrung zeigte
mir, dass ich nicht nur als Freier arbeiten,
sondern auch Leitung und Verantwortung
übernehmen will“. Wie gerufen kam da
das Angebot, die erste Ausgabe der politikorange mitzuplanen und zu gestalten. Bei der
Jugendpresse ist er bis heute geblieben und
so wie er begeistern sich viele Jugendliche
für den Journalismus, obwohl sie spätestens
nach der YMC wissen, dass die Realität nicht
alle Wünsche wahr werden lässt.
Grund genug eine ganze politikorange dem Thema Aufbruch zu widmen.
Da erzählt Ingrid Kolb wie man den
schwierigen Aufnahmetest zur Henri-Nannen-Schule knackt. Oder der
Auslandskorrespondent Neill Barnett
beschreibt sein ständiges Aufbrechen
in neue Räume und Kulturen. Wie wird
bei einer Recherche ein Thema aufgebrochen? Sind die Erwartungen von
erfahrenden Journalisten am Medienalltag zerbrochen? Und natürlich der
große Aufbruch zu neuen Ufern mit der
„MS Kronprins Harald“ wird von einem
Bullauge kommentiert.
Ich muss dann mal zum Krabbenbüffet.
Greta Taubert
D
Zeitung zur Youth Media Convention 2005
außenansicht 03
3. bis 5. Mai 2005, Kiel / Oslo
DER AUFBRECHER
Kriegskorrespondenten gehören zu einer besonderen Sorte Mensch: sie mögen das, was andere scheuen. Umbrüche.
Von Lea Besier und Anne Glodschei
N
eill Barnett hat diese Aura. Nichts
aufdringliches oder aufgesetztes,
eher zurückhaltend. Was er sagt, wirkt überzeugend. Mit englischem Wollpullover sitzt
er entspannt an der Fensterfront der Fähre
und hat sich ein bescheidenes Glas Wasser
bestellt. Wenn er antwortet, lässt er sich Zeit.
Nimmt sich eher zurück. Vielleicht muss
man das, wenn man als Auslandskorrespondent in Krisengebieten arbeitet.
Barnett ist Freier Journalist für das britische Magazin „The Economist“ und die
Zeitung „Daily Telegraph“. Das einzige, was
den 31-Jährigen aber noch mit England verbindet, ist die Sprache, in der er seine Artikel
schreibt. Denn die Recherche macht er in
Weißrussland, Ägypten, Mazedonien, Irak.
„Wenn ich ein paar Wochen an einem Ort
bin, nehme ich ihn als mein neues Zuhause
an“, sagt er. Seine braunen Augen werden
dunkler, die Pupillen weiten sich. Seine Antworten werden länger. Er redet davon, wie
spannend das einfache Leben sein kann. Vor
Ort zu sein und mit Taxifahrern und Spaziergängern zu sprechen, wenn es keine anderen
Quellen gibt. Er will das aufschreiben, was
andere nicht hören, sehen, erleben können.
„An einer großen Karriere als Redakteur
einer Zeitung bin ich nicht interessiert, das
ist nicht mein Ziel.“ Er möchte Geschichte
mit Geschichten schreiben.
Seine Gesten verraten wenig. Neill Barnett
tritt allen und allem freundlich gegenüber.
„Es ist wichtig wie man sich als Journalist verhält.“ Denn als Korrespondent in
Krisenregionen weiß er, wie wichtig eine
gute Beziehung zu Informanten ist. Doch
Freundlichkeit allein reicht nicht aus, um
sich im harten Korrespondentenleben
durchsetzen zu können. „Du musst zeigen,
dass du kein Verlierer bist“. Da hat er für
sich eine ganz eigene Strategie entwickelt:
er hat inLondon seinen eigenen Pub aufgemacht. „Wenn ich mich dort mit neuen
Leuten treffe, sehen sie gleich, dass ich kein
Verlierer bin“.
„I
Aber zum Gewinnen gehört immer auch
Glück. Speziell in Sachen Sicherheit ist jeder
Tag ein neues Risiko für Neill Barnett. Letztes Jahr als Korrespondent im Irak hat seine
Glückssträhne den Höhepunkt erreicht. Er
hat es sicher wieder herausgeschafft – und
noch weiter. Mittlerweile werden ihm nun
andere auch hochwertigere Angebote offeriert. Jetzt interessiert und engagiert er sich
für Osteuropa, eine Region im Umbruch. Da
zieht es Barnett hin, ein Mann der ständigen
Um- und Aufbrüche.
nicht dichter. Auch sieht man keine typische
Großstadthektik, die Leute im Schnellschritt, wild telefonierend, fehlen. Alles
geht gediegen seinen Gang.
In blauer Uniform steht die adrette Endvierzigerin vorn im Gang, stolz und fröhlich.
Bei genauem Hinsehen ist zu erkennen,
dass sie so was wie einen Orden trägt.
„Authorized City Guide Oslo“ ist darauf zu
lesen. Wir fahren an einem Alkoholgeschäft
vorbei, sie berichtet
in einer Mischung
aus schwäbischem
deutsch und leichtem norwegischenOb unruhige Jungjournalisten oder Müll im Skulpturen-Park
Akzent:
– eine Frau hat alles im Griff. Von Robert Lenk
„Eine Flasche
an den Stühlen – verlässt den Hafen und Wein gibt es ab 10 Euro, Schnaps ab 30.
fährt in Richtung Zentrum. Backstein- Aber die Norweger saufen trotzdem viel.“
häuser mit modernen Glaselementen auf Gelächter. Der Bus stoppt am „Skulpturendem ehemaligen Werftgelände. Jetzt ist es Park“, einer mehrere Fußballfelder großen
ein Nobelstadtteil. Eine Million Euro für Kunstausstellung. Fünfzig Jungjournalisten
eine Eigentumswohnung müsse man dafür mit Fünfzig Kameras stehen verstreut auf
zahlen, sagt Marit so leicht dahin. Geld dem Vorplatz. Marit ruft und alle kommen.
scheint hier kein großes Thema – bei nur Sie erzählt über den Künstler: Schwere
Kindheit gehabt, aber sehr talentiert und
vier Prozent Arbeitslosigkeit.
Wir nähern uns der Innenstadt, was fleißig, das sehe man auch in seinen Werken.
man ohne Marits Hinweis aber gar nicht Wasserläufe, Springbrunnen und Unmenmerken würde. Der Verkehr wird einfach gen menschlicher Skulpturen in Posen der
ch heiße Sie herzlich willkommen
in meinem Heimatland Norwegen,
Ich bin Marit, Ihre Reiseführerin.“ Applaus
schon bevor die Stadtrundfahrt überhaupt
losgeht. Denn dass die hellblonde Marit das
ernst meint, spürt man sofort. Der sachliche
Charme des Containerhafens verschwindet
hinter Marit mit ihrem Halstuch in den blauweiß-roten Landesfarben.
Der Reisebus – so einer mit Klapptischen
MARITS MISSIONEN
Wut, Angst, Freude, Erotik. Jemand aus der
Gruppe sagt: „Endlich mal Kunst, die man
auf Anhieb versteht.“
Auf das Offensichtliche konzentriert sich
auch Marit. Mit wachem Blick visiert Sie
kleine Verunreinigungen an, Kronkorken,
Verpackungsreste. Sie zögert nicht, sondern
liest geduldig an verschiedenen Stellen die
Sachen auf und entsorgt sie. Sie liebt ihr
Land und ihren Job.
Der Motor springt an, eine Rußwolke
breitet sich aus. Schnell rein und weiter.
Hoch zum Holmenkollen, auf die
Toilette und die Skischanze. Zweites leider
erfolglos: überall dickster trüber Nebel.
Keine Schanze, kein Oslo, noch nicht mal
mehr Marit ist klar zu sehen. Erst bei der
Rückfahrt kommt wieder Farbe ins Spiel.
Idyllische Vororte, mit Holzhäusern wie
aus dem Ikea-Prospekt. Blaue Fenster auf
weißer Fassade, knallrotes Dach auf gelbem
Häuschen und viele andere Kombinationen. Aber die bunten Häuser werden bald
wieder von den bunten Containern abgelöst.
Ankunft am Hafen. Auf dem Busparkplatz
lächelt Marit herzlich, und sagt:
„Ich hoffe es hat Ihnen gefallen, besuchen
Sie uns wieder. Wir freuen Uns auf Sie!“
Applaus für Marit und Oslo.
politik orange
04 saftig
PRAKTIKANTENSTRICH - NEIN DANKE
Praktikanten kommen - Praktikanten gehen. Aus dem Redaktionsalltag sind sie kaum noch wegzudenken. Ohne sie geht
fast nichts mehr. Für ein paar Erfahrungen verkaufen sie ihre Seele und arbeiten ohne Bezahlung. Doch was kostet der
Traum vom Volontariat? Von Konstantin Erb
W
as für ein Tag. Morgens zuerst auf
die Pressekonferenz der Stadtwerke, mittags am Lesertelefon mit aufgebrachten Rentnern gestritten und danach
musste Thomas Wagner auch noch auf den
Empfang der CDU. Thomas ist 19 Jahre alt
und arbeitet als Praktikant beim Lüneburger
Tageblatt. Für seinen sechswöchigen Einsatz
in der Niedersächsischen Pampa bekommt er
keinen Lohn. So sieht der Alltag vieler Praktikanten im Medienbereich aus - harte Arbeit,
Stress und das alles auch noch für lau. Ob
Zeitung, Magazin oder Boulevardfernsehen:
Praktikanten übernehmen
immer öfter Aufgaben von
ausgebildeten Redakteuren,
bezahlt werden sie jedoch
wie Anfänger. Bezahlte Praktika sind rar und meist nur
sehr schwer zu bekommen.
Bleibt für Thomas nur die
Wahl, ob er kostenlos arbeitet
oder auf wichtige Erfahrungen verzichtet, die für seine
Journalistenlaufbahn all zu
wichtig sind. Ohne Praktika
geht nichts. Bei der Vergabe
eines Volontariats entscheiden Personalchefs oft nach
Anzahl und Vielseitigkeit der
bisherigen Tätigkeiten.
Eine schwierige Entscheidung, die für Jungjournalisten vom Geld abhängt. Der
Traum vom Journalismus ist
heute für viele im Vorfeld
schon nicht zu finanzieren. Gibt es eine
Praktikanten-Abzocke durch die Medien
oder liegen die wahren Gründe woanders?
Das Angebot an Praktikanten ist groß.
Journalist gilt auch in Zeiten der Medienkrise
bei vielen jungen Menschen als Traumberuf.
Auch als Schülerzeitungsredakteur findet
man nicht immer so leicht einen Praktikumsplatz, selbst bei einer Lokalzeitung.
Der Markt an Praktikanten ist seit Jahren
überfüllt und macht es für die Redaktionen
einfach. Eine Entwicklung, die langfristig zu
sinkenden Praktikantengehältern geführt hat
und schon seit längerem bei Null-Gehältern
angekommen ist. „Praktikanten machen
sich untereinander die Preise kaputt“, sagt
Marc Behrenbeck. Der 23-jährige arbeitet
als bezahlter studentischer Mitarbeiter bei
der Frankfurter Allgemeine Zeitung. „Ich
arbeite nicht mehr für lau, ich habe schon
zu viel Erfahrung gesammelt und fühle mich
dafür zu schade.“ Trotzdem war der Weg bis
zur bezahlten Stelle nicht immer einfach.
„Oft habe ich unbezahlte Praktika ablehnen
müssen und anderen den Vortritt gelassen,
die sich kostenlos angeboten haben - auch
wenn ich die Stelle gerne gehabt hätte.“ Eine
Einstellung, die für viele Nachwuchsjournalisten nur sehr schwer nachzuvollziehen ist.
Vielen sind die Erfahrungen wichtiger als die
zahlt und zum großen Teil für den gemeinsamen Lebensunterhalt aufkommt.
Ein Vorzug, den nicht jeder angehende
Journalist genießt. Durch kostenlose Praktikantenarbeit gestaltet sich die Situation auf
dem angespannten Arbeitsmarkt für Praktika
nicht gerade einfacher. Finanzielle Voraussetzungen, die im Zweifelsfall über den
Start oder Nicht-Start in den Journalismus
entscheiden und für viele engagierte Köpfe
zum Problem werden. Bleibt zu fragen, in wie
weit sich der Arbeitsmarkt für Praktikanten
wieder regulieren lässt und ab wann das
„Hau ab, ich will
das Praktikum und
arbeite sogar für
umme!“
Entlohnung, um ihren Traum vom Journalismus irgendwann verwirklichen zu können.
So auch die 25-jährige Tina Groll, Studentin
für Fachjournalismus an der Fachhochschule
Bremen. „Ich habe noch nie ein Praktikum
abgelehnt, auch wenn es nicht bezahlt war.“
Mittlerweile hat sie mehrere Praktika sowohl
im Print- als auch im Rundfunkbereich hinter
sich und will auch nicht auf weitere Chancen
verzichten, ihren Lebenslauf aufzubessern.
Dass Praktikanten sich mit dieser Einstellung
gegenseitig die Preise kaputt machen, ist für
sie selbst nur sehr schwer zu verstehen: „Für
ein unbezahltes Praktikum darf man sich
nicht zu schade sein, man will ja was erreichen.“ Tina wird finanziell von ihrem Freund
unterstützt, der die gemeinsame Wohnung
bezahlte Praktikum wieder als Normalfall
gelten darf ?
Antwort können hierbei allein die Praktikanten geben. Eine Veränderung, die im
Kopf der Bewerber stattfinden muss, um
langfristig wieder den Anteil der bezahlten
Stellen zu vergrößern.
Aufbruch und mehr Selbstbewußtsein sind
darum wichtig bei jedem Bewerbungsgespräch. Nicht die Angst sollte daher im Büro
des Personalchefs im Mittelpunkt stehen,
sondern die eigene Leistungsfähigkeit. Das
hat sich auch Thomas Wagner vorgenommen
und für das nächste Praktikum das erste Mal
gehandelt. Mit Erfolg: der NDR zahlt ihm
ab Juni ein kleines Gehalt für sein erstes
Fernsehpraktikum.
Zeitung zur Youth Media Convention 2005
postille 05
3. bis 5. Mai 2005, Kiel / Oslo
NORDLICHT FÜR SCHWARZSEHER
Ausgebeutet und abgewimmelt: Wer den deutschen Praktikumsalltag satt hat, muss
nicht den Kopf hängen lassen – sondern ihn einfach in Richtung Norden drehen.
Von Mona Szyperski
„L
eider müssen wir Ihnen mitteilen,
dass unser Ausbildungskontingent
in diesem Jahr ausgeschöpft ist. Es steht Ihnen
frei, sich im kommenden Jahr erneut bei uns
zu bewerben.“ Nicht selten enden die Karriereträume von angehenden Journalisten mit diesen
oder ähnlich niederschmetternden Zeilen. Endstation Absageschreiben.
Muss nicht sein. Trotz harter Konkurrenz
in der Branche müssen sich Bewerber nicht
kampflos ihrem Schicksal ergeben. Doch wenn
Praktika und Volontariate schwer zu ergattern
und Festanstellungen fast unerreichbar sind,
hoffen viele auf ihre Chance in einer ausländi-
schen Nachrichtenredaktion.
Ein Hoffnungsträger ist Norwegen. Hier
blüht die Wirtschaft, Arbeit wird gesucht. Doch
auch hier gehört die Medienbranche zu den
Trendberufen. Und das hat Folgen: in Redaktionen gibt es fast nur noch freie Mitarbeiter, viele
Stellen fallen sogar komplett weg. Ein Beispiel
ist die renommierte norwegische Tageszeitung
Aftenposten in Oslo, die ihren Mitarbeitern
1998 die letzte Festanstellung garantierte und
seit dem nur noch befristete Verträge an Journalisten vergibt.
Doch es gibt auch Positivbeispiele bei
Aftenposten. Die jungen Redakteure Per-Ivan
Nikolaisen und Kjetil Sater, die in der Nachrichtenredaktion Zeitverträge von drei
und zwölf Monaten unterschrieben,
haben es erstmal geschafft. Der Einstieg der beiden war jedoch anders als
im deutschen Journalismus allgemein
üblich. Bereits während der Schulzeit
arbeiteten die beiden Norweger bei
Schülerzeitungen und in mehreren
Lokalredaktionen, bevor sie sich bei
Aftenposten direkt um eine Stelle
als Freelancer bewarben. Und diese
auch bekamen. Bei uns, so Gunnar
Kagge, Journalist in der Wirtschaftredaktion
der Aftenposten, gibt es weder bezahlte noch
unbezahlte Praktika. Nur engagierte Mitarbeiter.
Von Anfang an.
Was die ambitionierten Nachwuchsjournalisten mitbringen müssen? „Initiative, eine gute
Schreibe, Auslandserfahrung und Neugier“, sagt
Kagge. Richtig gelesen: kein Hochschulstudium
und kein Volontariat. Jedenfalls nicht zwingend.
Denn das norwegische Ausbildungssystem für
Journalisten beschränkt sich zurzeit auf wenige
private Akademien und so genannte University
Colleges. Praktika, Journalistenschulen und
Volontariate gibt es nicht. Um mehr Gewicht
auf die Verbindung von akademischem
Wissen und praktischer Erfahrung zu
legen, gibt es im Bereich Journalistik
seit dem vergangenen Jahr mehrere
Kooperationen zwischen den University Colleges und der Universität
von Oslo.
Der akademische Titel ist als Einstiegskriterium in Norwegen zwar
nicht notwendig, erhöht aber – egal in
welchem Fachbereich – die Chancen.
Im Rückschluss müsste der ambitionierte Jungjournalist aus Deutschland also im
norwegischen Printjournalismus beste Chancen
haben. Selbst wenn die allgemeine Arbeitsmarktsituation eher mäßig aussieht. Und tatsächlich
scheint es eine einfache Checkliste zum Erfolg
zu geben. Elisabeth Kjaer, Chefredakteurin der
Aftenposten, sieht folgende Eigenschaften eines
Bewerbers als unerlässlich an: Mut, Offenheit,
analytisches Denken, schnelle Auffassungsgabe,
Texttalent, Höflichkeit, Fremdsprachenkenntnisse, Auslandserfahrungen, Abitur. Dazu
Kenntnisse der Landessprache. Es scheint also,
als gäbe es für verzweifelte Nachwuchsschreiber
doch noch einen Grund zum Aufbruch – und
eine Chance im nordischen Ausland.
fruchtfleisch |
was war deine seltsamste
aufgabe im praktikum ?
„Angebliches
Preisausschreiben“
Anna Herbst,
17, Schülerin,
Fürstenberg
Ich sollte den
Gewinner von
zwei Konzertkarten
anrufen, hatte aber
nur seinen Vater am Telefon.
Der erklärte mir, dass er genervt
sei von den ständigen Anrufen
angeblicher Preisausschreiben
und legte auf.
„Fahrrad auf
der Autobahn“
Kathrin Walchshöfer, 22, Studentin, Roth
Während der größten Triathlon-Veranstaltung weltweit
habe ich Sportler
betreut. Einer davon kam aus
Brasilien und wollte noch ein
bisschen trainieren. Ein paar
Stunden später rief mich die
Polizei an und wollte wissen, ob
ich ihm denn nicht gesagt hätte,
dass man auf der Autobahn
nicht Fahrrad fahren darf.
„Auslandsreise
nach einer Woche“
Christina Zäpfel,
25, Studentin,
Karlsruhe
Schon nach einer
Woche freier
Mitarbeit bei einer
Tageszeitung wurde
ich auf eine Auslandsreise nach
England geschickt.
„Ritt auf
einer Giraffe“
Axel Ranisch, 21,
Student, Berlin
Das ganze
Praktikum war
merkwürdig. Ich
habe bei einem
Fernsehsender die
Bildregie gemacht und musste
für ein making of über das Team
auf eine Giraffe steigen. Das
Tier wollte leider nicht.
Orangen
Dauer
Voraussetzungen
Promi
Lästerei
Lobhudelei
2 Jahre
*****
****
- Abitur
- Aufnahmeprüfung mit
Reportagetest
Peter Klöppel
Nachrichtenchef
RTL Aktuell
- harte Aufnahmeprüfungen
- elitär
- sehr praxisnah
- renommierte Praktika
- Netzwerk der Edelfedern
Journalistenschule
5 Jahre
- gutes Abitur
- mind. 6 Wochen Praktikum
- mündliche und schriftliche Aufnahmeprüfung
Alexander Osang
USA-Korrespondent
Der Spiegel
- nur in Dortmund, Leipzig, Eichstätt
- teilweise zu pseudowissenschaftlich
- Wissenschaft und Praxis
kombiniert (Volo inklusive)
- sicheres Handwerk
- neben Journalistik auch
anderes Fach als Spezialthema
Journalistikstudium
Hans Leyendecker
Investigativreporter
Süddeutsche Zeitung
- Theorie eher nebenbei
- unterbezahlter Redakteur
- Praxis, Praxis, Praxis
- Übergang in Berufsleben einfacher
- Entlohnung
Volontariat
****
max. 4,5 Jahre
*****
2 Jahre
- mindestens 2.0
- meist abgeschlossenes
Durchschnitt in Abitur
Studium
und Studium
- journalistische Praktika
- Ehrenamt nebenher
- journalistische Praktika
- Assessment-Center
Florian Illies
Buchautor
Generation Golf
- nur von CDU-naher
Konrad-Adenauer-Stiftung angeboten
- Seminare meist in
Semesterferien
-Journalisten-ausbildung
neben Studium
- Kohle und Kontakte
- hochkarätige Praxisausbildung
Stipendium
*
lebenslänglich
- Ellenbogen wie Rasierklingen
- Talent und Glück
Ulrich Wickert
Moderator
ARD Tagesthemen
- keine Theorie- und Methodenausbildung
- riskant und unsicher
- Leben ist Ausbildung
- keine Zwänge und Strukturen
- für Durchboxer
Quereinsteiger
So lange es die St. Pauli
Nachrichten gab
- Erfahrungen bei der
Zeitschrift konkret
- Interesse an Pornokommunismus und
Borderline-Journalismus
Stefan Aust
Chefredakteur
Der Spiegel
- Geschichten unter der
Gürtellinie
- Konsum bewusstseinserweiternder Drogen im
Dienst
- angenehmes Arbeitsambiente
- praxisnahe Anatomieausbildung
- Mordspaß
Rotlichtmilieu
06 masterplan
politik orange
Zeitung zur Youth Media Convention 2005
ausgepresst 07
3. bis 5. Mai 2005, Kiel / Oslo
AUSBILDUNG MIT VERWÖHNFAKTOR
Wenn Ingrid Kolb von ihren Journalistenschülern spricht, dann wirkt sie wie eine umsorgende Mutter. Dabei hat sie es
ihren „Kindern“ nicht gerade leicht gemacht: Die Aufnahmeprüfung zur Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg ist
die härteste der Republik. Leiterin Ingrid Kolb ist dafür verantwortlich. Greta Taubert und Christian Fuchs fragten nach,
warum das so ist.
Wissen Sie was am 9.Mai 2005 ist?
Ja alles Mögliche. Zum Beispiel der Tag
der Befreiung Deutschlands. Und dann
ist doch noch irgendwas mit Einstein am
9.Mai ne?
Nicht ganz. Am 9.Mai 2005 ist Europatag
nommen zu werden. Aber natürlich ist es
unmöglich, alle Talente aus den tausenden
Bewerbern herauszufischen. Das Verfahren
garantiert nur, dass wir uns keine Nieten
einfangen. Und in den Lehrgängen gibt es
immer ein paar Spitzenschreiber, die man
später bei Reportagen-Journalistenpreisen
dass man nicht weggeht bevor man nicht
weiß, ob der Rauch weiß oder dunkel ist.
Ich finde, es ist auch ein gutes Indiz, wenn
man gern schreibt – lange Briefe oder Tagebuch führt.
Es gibt aber auch die Späteinsteiger, die
im Medizinstudium merken, dass sie Journa-
wieder findet. Aber genauso gibt es bei uns
nachrichtliche Talente und gute Rechercheure.
list werden wollen. Wissenschaftsjournalisten werden ja auch gerade stark gesucht.
– das war eine Frage aus dem Allgemeinwissenstest Ihrer Aufnahmeprüfung dieses Jahr.
Aha, na gut. Ich habe den Test ja selbst
gemacht.
Die eigentliche Frage ist ja warum der Test
so schwer ist?
Der Test ist ja gar nicht so schwer. Ich
erwarte aber von jungen Leuten, die
Journalist werden wollen, dass sie sich
eben vorbereiten. Sie müssen von sich aus
zeigen, dass sie etwas wollen. Man sollte
ein halbes Jahr vorher alle Teile der Zeitung
lesen, dann kann man auch fast alle Fragen
beantworten, der Test bildet eben viele
Wissensgebiete ab.
Gab es denn schon mal jemanden, der alle
Fragen beantworten konnte?
Nein. Aber mit dem Aufnahmegespräch
und der Reportage kann man ja auch
Wissenslücken im Allgemeinwissenstest
ausgleichen.
Reportage ist ein gutes Stichwort. Wenn man
schon in der Lage ist, innerhalb weniger Stunden eine brillante Reportage zu schreiben, was
Und wie darf man auf keinen Fall sein, um
Haben Sie denn noch Kontakt mit den
soll man da noch bei Ihnen lernen?
Absolventen?
Nein, es schreibt ja nicht jeder Bewerber
gleich gelungene Reportagen. Die drei Beispiele im Netz sind auch die absoluten Spitzen. Sie sollen nur zeigen, wie man es anpacken könnte. Und außerdem: Alle die auf die
Schule kommen, müssen und können noch
was lernen. Wer zu uns kommt, weiß was er
will und was er noch lernen will – egal was
er schon kann. Man hat es aber natürlich
leichter, wenn man talentiert ist.
Naja, nicht mit jedem jeden Tag, aber ich
weiß immer, wo alle gerade sind. Manchmal
rufe ich sie an, denn nebenberuflich bin ich
Jobvermittlerin. Die Chancen für später
ergeben sich aber vor allem im Praktikum.
Der unendliche Vorteil der Nannenschule
ist mit der Nähe zum Gruner+Jahr-Verlag
der einfachere Kontakt zum Spiegel, zur Zeit
oder dem stern.
Hmm, sie haben uns den Mund richtig
Ein erhöhtes Maß an Talent ist also wichtig.
wässrig gemacht. Was muss man denn nun
Heißt das, dass Sie nur eine Eliteschmiede für
mitbringen, um aufgenommen zu werden?
Edelfedern sind?
Man muss auf jeden Fall Nachrichtenjunkie sein. Wenn so ne Papstwahlwahl ist,
Nein, jeder hat eine faire Chance, aufge-
bei Ihnen anzukommen?
Man darf sich nicht selbst zu wichtig
nehmen. Ich glaube, dass es ein Beruf ist
wo man nicht vorrangig selber die Bühne
füllen sollte.
Aber besteht nicht gerade bei einer Eliteschule diese Gefahr?
(grübelt lange) Manchmal denke ich, dass
es unseren Schülern zu leicht gemacht wird.
Es wird ihnen alles auf einem silbernen
Tablett serviert und es macht mich wahnsinnig, wenn ich merke, wie selbstverständlich
das genommen wird, so nach dem Motto:
„Das beste ist für uns gerade gut genug“.
Der Verwöhnungsfaktor an der Schule ist
zu groß.
Jobvermittlerin:
Ingrid Kolb im
Gespräch mit
der po-Redaktion
politik orange
08 erfolgspillen
VITAMIN B - DIE „GESUNDE“ KARRIERE?
Wer braucht schon Talent und journalistischen Spürsinn? Es reicht doch, wenn man einen kennt, der einen kennt, der einen
kennt. Von Kristina Görrissen
„O
hne Vitamin B läuft in der Medienbranche gar nichts mehr!“
Den Satz hat wohl jeder von uns schon mal
gehört. Nur dem, der über viel Vitamin B
- also gute Beziehungen - verfügt,
winkt die große
Karriere oder
der heiß ersehnte
Praktikumsplatz.
Ein guter Schulabschluss, Talent
zum Schreiben
und journalistischer Spürsinn
hingegen werden
immer unwichtig er. Das ist
zumindest das,
was wir glauben.
Doch wie sieht
die Realität aus?
Fa k t i s t : S o
ungern mancher
von uns der Tatsache ins Auge
sehen will - gute
persönliche Beziehungen zu den richtigen Leuten fördern auf
jeden Fall die eigene Karriere. Das bestätigt
auch Ingrid Kolb, Leiterin der Hamburger
Henri-Nannen-Schule. „Wir empfehlen und
vermitteln durchaus Absolventen unserer
Schule weiter“, berichtet die ehemalige
Ressortleiterin des Stern. Das geschehe
allerdings nur auf gezielte Anfragen von
Seiten der Verlagsredaktionen.
Sollen wir, die Neulinge ohne nennenswerte Beziehungen, uns nun entmutigen
lassen? Die Antwort auf diese Frage lautet
ganz klar: „Nein!“ Denn Kontakte können
werk aufzubauen. Deshalb gilt nach wie vor:
Wer sowohl bei der Bewerbung als auch im
Praktikum oder Volontariat sein Bestes gibt
und über keinerlei Netzwerke verfügt, muss
vielleicht nützlich sein, bringen uns alleine
aber auch nicht weit. Diese Ansicht vertritt
jedenfalls Hans-Jörg Vehlewald, Chefreporter der Bild-Politikredaktion: „Wir bieten
jedem die Chance, sich durch eine gute
Bewerbung für einen Praktikumsplatz zu
qualifizieren und sich dann von unten nach
oben zu arbeiten.“ Auf diesem Wege sei es
möglich, sich langfristig ein eigenes Netz-
sich keine Vorwürfe machen, falls es mit
dem Traumjob doch nicht klappen sollte.
Schließlich ist der erste Versuch in den seltensten Fällen von Erfolg gekrönt.
Denn bei der Entscheidung für oder
gegen unsere Person spielen oftmals viele
Faktoren eine Rolle, auf die wir keinen
Einfluss haben. Der Gedanke gibt Hoffnung, oder?
fruchtfleisch | was war deine seltsamste aufgabe im praktikum ?
„Interview mit
einem Callboy“
Robert Lenk,
21, Student,
Mittweida
Ein Interview
führen
mit einem
Callboy. Der
währenddessen ständig
angerufen wurde. Ich
war schockiert über seine
Freizügigkeit.
„Vorlesende
Hobbydichter“
Ulrich Weiser,
23, Student,
Heidelberg
Ständig kamen
irgendwelche
Hobby-Dichter
zu mir in die
Feuilleton-Redaktion und
wollten ihre Gedichte vorlesen. Es war schwierig, die
wieder los zu werden.
„Schlauchboot fahren
auf der Förde“
Katja Gläss, 25,
Studentin, Dresden
Ich habe über
Opti-Segler auf der
Flensburger Förde
berichtet und wurde
mit einem Schlauchboot nebenher gefahren. Leider
fuhr der Fahrer so rasant, dass
ich beinahe über Bord gegangen
wäre.
„Benzinpreis
ablesen“
Michael
Ludwig,
22,
Student,
Mittweida
Ich sollte
zur Tankstelle fahren
und schauen wie hoch
der Staatsanteil am
Benzinpreis ist.
Zeitung zur Youth Media Convention 2005
grundlagenforschung 09
3. bis 5. Mai 2005, Kiel / Oslo
GEH DER SACHE AUF DEN GRUND
Wenn es jemand wissen muss, dann diese beiden: Hans-Jörg Vehlewald, Chefreporter der Bild und Peter Grabowski vom
Netzwerk Recherche geben Tipps für eine professionelle Recherche. Von Nada Schroer
J
ournalisten sind Jäger und Sammler.
Sie sammeln Informationen auf der
Jagd nach der richtigen Geschichte. Messer
und Keule können sie dabei getrost zu
Hause lassen. Ihre Werkzeuge sind weniger
archaisch, dafür umso effektiver. Alles was
sie brauchen sind offene Augen und einen
scharfen Verstand.
Einen Skandal aufspüren, Missstände an
die Öffentlichkeit bringen – für viele ist dies
der Grund Journalist zu werden. Wie das
Gerüst eines Hauses ist die Recherche die
Grundlage für einen guten Artikel. Doch
Recherchieren bedeutet mehr als ein Wort
in die Suchmaschine einzugeben. „Meine
erste Recherche ist ein typisches Beispiel für
die falsche Vorgehensweise“, gibt Hans-Jörg
Vehlewald, Chefreporter der Bild Politikredaktion zu. „Ich beschäftigte mich nur
mit einer Seite des Konflikts und vergaß,
die andere zu beleuchten“. Wer dagegen
professionell an die Recherchearbeit heran
geht, muss das Problem von mehreren
Seiten abklopfen und immer bereit sein, den
eigenen Standpunkt fallen zu lassen.
Selbstkritik ist wichtig, denn
wer zu lange einer schönen
bunten Seifenblase
hinterjagt, läuft
G e f a h r,
dass sie in seinen Händen zerplatzt.
Wer sicher gehen will, dass er Blut, nicht
Ketchup leckt, sollte möglichst viele Quellen
überprüfen. Gibt es überhaupt einen Konflikt und lohnt es sich ihm nachzugehen?
Peter Grabowski, Mitglied des Netzwerk
Recherche, formuliert den Grundsatz so: Bei
der Suche nach dem nötigen Hintergrundwissen, nähert man sich dem Thema von
außen nach innen. Wie ein Tiger umschleicht
man sein Objekt, bevor man zuschlägt. Das
kann dauern. Denn auf der Jagd nach neutralen Informationen geht es dabei oftmals
bürokratisch zu. Stück für Stück nähert man
sich dem Problem: Akten wälzen, Literatur
durchblättern, Expertengespräche führen.
Verbände, Vereine und Behörden
gehören dabei zu den wichtigsten Ansprechpartnern,
denn erst wer über
ein sicheres
Fachwis-
sen verfügt, kann zum Kern des Problems
vorstoßen. Denn Faktenwissen braucht man,
um sein Gegenüber mit den richtigen Fragen
zu überführen.
Druck und Dreistigkeit gehören laut
Herrn Vehlewald zu den Hauptwerkzeugen,
um den letzten Beweis anzutreten. „Ich habe
schon deutlich gemacht, dass 12 Millionen
auf eine Antwort warten.“ Trotz allem
Misstrauen wurde so schon der
muffeligste Pressesprecher
gesprächiger.
politik orange
10 on board
politikorange – frisch, fruchtig, selbstgepresst
[email protected]
politikorange ist ein Netzwerk
zur Demokratieoffensive. Der
Vorsatz: informieren, motivieren
und aktivieren. Etwa 20 junge
Medienmacher verwirklichten
im März 2002 die Idee einer
unabhängigen Zeitung, die seitdem mit wechselnden Schwerpunktthemen und wechselnden
Partnern erscheint und von
jungen Redakteuren aus ganz
Deutschland gestaltet wird. Von
Jugendlichen für Jugendliche.
Der Aufruf dazu erfolgt in der
Regel im Internet unter www.
jugendpresse.de und www.
politikorange.de.
> Wer ist politikorange?
Du bist politikorange! Du und
viele andere engagierte junge
Menschen, die am Medienmachen interessiert sind und mitbestimmen wollen. Bisher sind die
Jugendpresse Deutschland, die
Servicestelle Jugendbeteiligung,
das Hausaufgabenheft „Häfft“
und die BundesschülerInnenvertretung dabei. Aber schon viele
andere Initiativen und Verbände
haben Interesse bekundet, sich
in den Dienst der Idee von politikorange zu stellen. Und wenn
du mitmachen willst, egal ob als
Einzelperson oder als Initiative,
bist du herzlich willkommen.
> Was ist politikorange?
> politikorange.de - ist eine
unabhängige Plattform für
politikinteressierte, junge
Menschen, mit Datenbanken
über interessante Projekte und
Organisationen, sie gibt Hilfen
bei der Projektorganisation, und
veranstaltet Diskussionsforen zu
verschiedenen Themen.
> politikorange gibt es auch als
Magazinbeilage in der Berliner
Tageszeitung taz - mit Artikeln
aus Politik, Lifestyle, Szene,
Medien und vielen wichtigen
Infos zu Beteiligungsmöglichkeiten. Ihr seid dabei: Als Redakteure, Layouter oder Fotografen.
> politikorange - die Zeitung.
Bei Veranstaltungen entsteht
innerhalbweniger Tage eine
Zeitung, die die Veranstaltung
kommentiert und begleitet. So
zum Beispiel diese Zeitung zur
Youth Media Convention auf der
Fähre zwischen Kiel und Oslo.
> Wo ist politikorange?
Unter www.politikorange.de und
www.jugendpresse.de erfahrt
ihr, wo die nächste politikorange
gemacht wird. Dort könnt ihr
euch auch als Redakteure
bewerben.
> politikorange - events.
Veranstaltungen, die von
Jugendlichen selbst organisiert
und konzipiert sind, sollen
nicht länger nebeneinander
stattfinden, sondern in einen
Zusammenhang gestellt werden.
politikorange hat einen politischen Anspruch, will Jugendlichen die Möglichkeit geben,
sich eine Meinung zu bilden und
diese natürlich frei zu äußern.
Wenn du diese Ideen spannend
findest und Lust hast, dich einzuklinken, melde dich einfach bei
[email protected].
Alle Ideen sind willkommen.
Bis bald!
impressum
Diese Ausgabe von politikorange zur Youth Media
Convention auf der Fähre zwischen Kiel und Oslo ist ein
Projekt des bundesweiten Netzwerks „politikorange“.
Die namentlich gekennzeichneten Beiträge spiegeln
nicht zwingend die Meinung der Redaktion oder der
Veranstalter wieder.
Herausgeber und Redaktion:
politikorange - Netzwerk Demokratieoffensive
c/o Jugendpresse Deutschland e.V.
Grolmanstraße 52, 10623 Berlin
Tel. (030) 450 865 50, Fax (030) 450 865 59
www.jugendpresse.de, [email protected]
Veranstalter:
dju – Deutsche Journalistinnen und Journalistenunion in
verdi, Jugendpresse Deutschland
Chefredaktion:
Greta Taubert Vi.s.d.P. ([email protected])
Christian Fuchs ([email protected])
Redaktion: Lea Besier, Konstantin Erb, André Feldhof,
Anne Glodschei, Kristina Görrissen, Robert Lenk, Nada
Schroer, Mona Szyperski
Foto: Marc Tirl, Alexander Blum, Daniel Kummetz,
Alexander Paul
Fruchtfleisch: Johanna Schauer
Organisation: Kaddi Hühnemörder
Nummerngirl: Björn Richter
Gestaltung: Jona Hölderle ([email protected])
Druck: Colorlines s/w-Kopierer
Auflage: 150 Exemplare
Zeitung zur Youth Media Convention 2005
glossiert 11
3. bis 5. Mai 2005, Kiel / Oslo
Dienstag, 13.03 Uhr. Es ist bewölkt, die MS Kronprins Harald liegt im Kieler Hafen und wartet auf seine neuen Gäste.
Von Lea Besier und Mona Szyperski
I
ch lebe als Bullauge auf der Kronprins
Harald, einer langweiligen Pendlerfähre
zwischen Kiel und Oslo. Mein Blick schweift
über den Hafen. Draußen bewegt sich etwas:
Rudel von jungen Menschen irren mit ihren
Gepäckstücken zum Check-in der Youth
Media Convention.
Es sind Rucksackträger dabei, aber
auch Rollizieher. Während die einen zum
Imbissstand eilen, rauchen die anderen vor
der Tür Kette. Irgendeiner drückt bestimmt
wieder seine Zigarette auf meinem Fensterrahmen aus. Na, ich will mal das Beste
hoffen. Und auch meine treuen Gefährten,
die Drogenhunde haben Dienst und schnüffeln überall herum. Einige der Passagiere
mit längeren Haaren schauen auf einmal
ganz aufgeregt zu ihren Taschen und
Rucksäcken. Na, bin mal gespannt wie
die Fahrt wird. Huch, da kommen sie
ja auch schon an Bord.
Hecktisch, noch etwas orientierungslos laufen Jeansjacken, Daunenjacken und Jacketts an mir vorüber
und suchen ihre Kabinen. Ein Mann
trägt eine Tasche mit G+J Logo
drauf. Der gehört scheinbar auch zu
dieser Gruppe und der älteren Generation an. Die jungen Leute mit ihren
Kameras und großen Notizblöcken
sind vorbeigerauscht. Einer von ihnen
dreht sich um und kommt erneut den
Gang entlang, dabei muss er an mir
vorbei. Ja, der flucht und guckt verzweifelt aus der Wäsche. Er kramt in
den Taschen und murmelt etwas von
“Zimmernummer“, “Kabine zu“ und
“Schlüssel“. Aber irgendwann ist auch
er wieder verschwunden, hoffentlich
in seiner Kabine.
Hoppala, was kommt denn da? Das sind
doch nicht schon wieder die herausgeputzten Damen im Pelzmantel und mit toupiertem Haar, die sich immer in regelmäßigen
Abständen treffen und bei der richtigen
Zahlenkombination verzückt aufschreien.
Die Bingotruppe. Immer nur Kartenspieler, Anglervereine und Bowlingclubs!
Laaaaaaangweilig! Heute verspreche ich mir
Spannenderes an Bord. Die jungen Wilden
werden doch sicher Rabatz machen. Ich
bin einsatzbereit, sozusagen als BullaugenKlatschreporter. Ich möchte auch einmal
wichtig sein. Aufgepasst, da kommen auch
schon meine ersten zwei „Opfer“: Eine
Blondine und ein Dunkelhaariger, der sie
Greta nennt. Die suchen doch jemanden
und haben nicht nur Kameras sondern auch
Laptops im Gepäck. Das Logo der Politikorange erblicke ich.
Die Sonne geht, der Hunger kommt.
Fünf Kellner mit Fischgerichten laufen an
mir vorbei. Lachs in verschiedenen Zubereitungsformen schwebt vorbei. Krabben, roter
und schwarzer Kaviar, ja sogar Muscheln
werden aufgetischt. Moment, verweile doch.
Ich kann mich an diesem verlockenden saftigen Fisch nicht satt sehen. Und natürlich
strömen in Massen die Jungjournalisten
an mir vorbei. Geht ihr nur zu meinem
Fisch. Pah! Die Nebelleuchten blinken auf
und draußen ist das Boot in gespenstische
Schwaden eingehüllt. Es ist ruhiger geworden auf meinem Gang, ich werde schläfrig.
Doch, ach was? Ich könnte die Geheiminfos ja nicht mal weiter erzählen, ich habe ja
gar keinen Mund – hach, ein Bullaugenleben
ist nicht so einfach. Zwölf Füße trappeln
ganz emsig an mir vorbei. Sie wirken aufgeregt. Was ist denn da um diese Zeit schon
wieder los? Ah, sie kommen mit dicken
Jacken unterm Arm und wollen auf das
Sonnendeck. Die haben wohl noch nicht
bemerkt, dass sich der Seenebel um die
Kronprins Harald gelegt hat? Dann gehen
die Lichter aus. Es ist Nacht und ich kann
schlafen. Dunkelheit legt sich über das
Schiff. Die MS Kronprins Harald erreicht
fast unbemerkt Norwegens Fjordlandschaft.
Einige noch schlaftrunkene Gäste reißen die
Gardinen auf. Nach nicht mal drei Stunden
BULLI
PARADE
Die Bar schließt jetzt. Und genauso wie
an der Bar die Jalousien heruntergelassen
werden, könnte auch langsam bei mir mal
jemand die Vorhänge zuziehen. Nein, da
kommt noch etwas zielstrebig auf mich
zugelaufen, ein umschlungenes Knäuel.
Sie setzen sich doch tatsächlich direkt vor
mich und versperren meine Sicht. Nee,
jetzt knutschen die auch noch. So hatte ich
mir das eigentlich nicht vorgestellt mit dem
Sichtschutz. Ist ja ekelhaft. Und auch dieses
ewige an die Scheibe drücken. Uaaahh.
Düster ist es für mich geworden. Husch,
husch ins Körbchen. Geht woanders hin.
Obwohl, eigentlich fungiere ich jetzt ja als
Paparazzi. Und habe sozusagen die Chance
auf exklusive Szenen.
sind die schon wieder munter. Komisch,
wollen sie etwa so früh aufs Deck? Mit enttäuschten Gesichtern kehren sie kurz darauf
zurück und passieren mein Blickfeld. Sie
wollten wohl etwas sehen was nicht da war.
Amateure! Darum trotteln die „Damer und
Herrer“ gleich weiter zum Frühstück. Mein
Gang ist plötzlich verstopft mit Leuten,
die ihre Gepäckstücke Richtung Ausgang
schieben. Wir legen in Oslo an. Gewimmel
am Ausgang, doch noch lange kein Grund
für Einige, mit den letzten Münzen die einarmigen Banditen zu füttern. Ich freue mich,
denn gleich gehört mein Lieblingsblick über
Oslo wieder mir allein. Zumindest bis 13.03
Uhr, wenn mit dem Check-In das gleiche
Spiel von vorn beginnt.
politik orange
12 leidenschaft
WAS IST STÄRKER ALS DIE ANGST?
Der Weg in den Journalismus ist kein einfacher. Ob Anfänger oder Profis – Die Angst vorm Scheitern ist keinem fremd.
Aber die Motivation weiterzumachen, ist eine ganz persönliche Geschichte. Von Friederike Ludewig und Florian Schipperges
E
ine Menge unbezahlte Praktika,
die ständige Ungewissheit über die
Zukunft und Wissenstests, die lückenloses
Allgemeinwissen verlangen – für einen angehenden Journalisten erscheinen die Hürden
oft unüberwindbar. Um nicht auf halbem
Weg das Handtuch zu schmeißen, braucht
es eine gehörige Portion an Motivation.
Jungjournalisten haben unterschiedlichste
Beweggründe, ihr Ziel nicht aus den Augen
zu verlieren. Aber eine Garantie, dass sich
die beruflichen Vorstellungen erfüllen, gibt
es nicht. Was der eine noch träumt, hat der
andere schon realisiert.
Neil Barnett ist einer von denen, die es
geschafft haben: Er arbeitet als Auslandskorrespondent für die britischen Zeitungen
„The Economist“ und „Daily Telegraph“.
Ursprünglich sucht er im Journalismus das
pure Abenteuer. Nachdem ihn in London
keine Zeitung anstellen wollte, packte er
seine Sachen und ging ins Ausland. Zunächst
berichtete er über Weißrussland, später aus
Kriegsgebieten im Kosovo und im Irak.
Heute ist Barnett ein gut bezahlter Abenteurer. „Ich empfinde meinen Beruf als
Privileg“, sagt er zufrieden.
So stellt sich auch Journalistikstudent
Norman Stahl, 24, seinen Traumberuf vor:
„Wenn ich Orte und Dinge sehe, die anderen
verborgen bleiben“, grinst er stolz, „fühle ich
mich in einer Sonderstellung.“ Studienbegleitend absolviert er gerade ein Volontariat
bei Radio 91,2 Dortmund. An der Arbeit im
Studio reizt ihn besonders das täglich Neue,
immer wieder Überraschende.
Martin Damerow hat sein Volontariat
längst hinter sich. Inzwischen ist er im
Politikressort bei den Nürnberger Nachrichten. Seinen Beruf beschreibt er als einen
Adventskalender. „Jeden Tag öffnet man ein
neues Türchen“, freut er sich mit strahlenden
Augen. „Dahinter befindet sich jedes Mal
eine andere Herausforderung.“
Doch als der mittlerweile erfahrene Journalist vor Jahren nach vielem hin und her die
Journalistenlaufbahn im Bereich Printmedien einschlug, stand keineswegs fest, dass
er einmal das ganze Jahr über Adventszeit
haben würde. Geschrieben hat er allerdings
schon immer sehr gerne. Deshalb entschied
er sich bewusst für das Schreiben – aus
Leidenschaft.
Schülerin Jenny Wolf verdient zwar noch
kein Geld mit ihren Texten, dennoch gibt sie
sich enthusiastisch: „Für mich ist Schreiben
eine Befreiung.“ Schon als Kind hat die heute
19-jährige gerne kleine Berichte verfasst.
In der Zukunft möchte sie mit ihren
Texten vor allem ganz viele Menschen erreichen. Einen ersten Schritt hat Jenny schon
gemacht. Zwischen Hausaufgaben und Klausuren arbeitet sie als freie Mitarbeiterin für
die Hamburger Jugendzeitung „Freihafen“.
Und die hat immerhin eine Auflage von
20.000 Exemplaren pro Monat.
Da kann Hans-Jörg Vehlewald nur schmunzeln. Als Chefreporter in der Politikredaktion
bei der Bild Zeitung schreibt er täglich für
bis zu 12 Millionen Leser. Sensationen, Skandale, Informationen. Vehlewald bewegt und
provoziert. Allerdings nicht erst, seitdem er
Profijournalist ist. Als der Jüngste von drei
Brüdern musste er sich schon seit seiner
frühen Kindheit immer wieder behaupten,
wie er erzählt: „Ich habe ständig etwas
gesucht, womit ich beeindrucken kann.“
Heute ist genau das sein Beruf.
Die Hürden für den Einstieg in den
Journalismus sind hoch. Eine erfolgreiche
Journalistenlaufbahn ist nicht planbar und
erscheint oft als unerreichbares Ziel. Aber
irgendwie ist Journalismus doch auch noch
mehr als Job und Karriere. Vielleicht sind es
gerade Dinge wie Abenteuer, Leidenschaft
und Aufmerksamkeit, die manchmal stärker
sind als Selbstzweifel und Angst.