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Freie und Hansestadt Hamburg
Behörde für Schule und Berufsbildung
Schriftliche Abiturprüfung
Schuljahr 2009/2010
Leistungskurs Deutsch
Montag, 1. Februar 2010
Unterlagen für die Lehrerinnen und Lehrer
Diese Unterlagen sind nicht für die Prüflinge bestimmt.
Diese Unterlagen enthalten Hinweise für:
1.
2.
3.
4.
5.
Allgemeines
Rückmeldebogen für die Zweitkorrektur
die Auswahl der Aufgaben
den Erwartungshorizont und die Bewertung für jede Aufgabe
das Korrekturverfahren
1 Allgemeines
Weisen Sie bitte die Schülerinnen und Schüler auf die allgemeinen Arbeitshinweise am Anfang
der Schülermaterialien hin.
Die Schülerinnen und Schüler dürfen ihre Unterlagen nicht mit ihrem Namen kennzeichnen,
sondern nur mit der Kursnummer und ihrer Schülernummer.
Die Arbeitszeit beträgt 300 Minuten. Eine Vorbereitungs-, Lese- und Auswahlzeit von maximal
30 Minuten kann der Arbeitszeit vorgeschaltet werden. In dieser Zeit darf noch nicht mit der
Lösung der Aufgaben begonnen werden.
Erlaubte Hilfsmittel: Ausgabe der Pflichtlektüren (ohne Schülerkommentare bzw. –notizen), ein
Rechtschreiblexikon und ein Fremdwörterlexikon.
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2 Rückmeldebogen für die Zweitkorrektur
Bitte umgehend ausfüllen und an BM 3 faxen!
Schulchiffre:
An die Behörde für Schule und Berufsbildung
BM 3
Fax 42 79 67-006
Aufgabenstatistik und Information für die Zweitkorrekturen
in Fächern mit zentraler Aufgabenstellung:
Fach: Deutsch
GK / LK
Kurs-Nummer:
Bearbeitet wurden die folgenden Aufgaben:
Aufgaben-Nr.
Anzahl
I
von
Prüflingen
II
von
Prüflingen
III
von
Prüflingen
IV
von
Prüflingen
Keine Unterschrift!
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3 Aufgabenauswahl
Sie erhalten vier Aufgaben (I, II, III und IV) zu unterschiedlichen Schwerpunkten und reichen diese
an die Schülerinnen und Schüler weiter.
Die Schülerinnen und Schüler erhalten alle Aufgaben (I, II, III und IV).
Die Schülerinnen und Schüler überprüfen anhand der Seitenzahlen, ob sie alle Unterlagen
vollständig erhalten haben.
Sie wählen eine Aufgabe aus und bearbeiten diese.
Sie vermerken auf der Reinschrift, welche Aufgabe sie bearbeitet haben (I, II, III oder IV).
4 Erwartungshorizonte und Bewertungen
Aufgabe I
(Lenz: Die Soldaten)
Die im Erwartungshorizont aufgeführten Aspekte der Interpretation schließen andere begründete und
schlüssige Darstellungen nicht aus.
Teilaufgabe I.1
Die Schülerinnen und Schüler erläutern z. B. folgende Aspekte
in Bezug auf Marie:
Marie verhält sich am Beginn der Szene gegenüber der Jungfer Zipfersaat überheblich, lässt sich
sogar zunächst verleugnen.
Nach der Mitteilung der Flucht Desportes‘ ist sie „[g]anz außer sich“, sie schluchzt und ruft nach
ihrem Vater. Hier zeigt sich ein deutlicher Verhaltensumschwung.
In der Kommunikation mit ihrer Schwester zeigt Marie sich „beschämt“, schmeichelnd, „halb
weinend“. Sie zerreißt schließlich den fast fertigen Brief, weil sie Stolzius nicht anlügen möchte.
Als Wesener zurückkehrt, fragt Marie ihn „zitternd“ nach den Ergebnissen seiner Bemühungen.
Fazit: Marie zeigt sich in ihrem Verhalten als nicht gefestigt, sondern schwankend. Ihre
Handlungen sind widersprüchlich.
Die Schülerinnen und Schüler erläutern z. B. die folgenden Aspekte in ihrer Interpretation des
Verhaltens von Marie:
Maries Absichten sind widersprüchlich. Einerseits zeigt sie deutlich ihr Interesse an Desportes.
Andererseits erinnert sie sich an Stolzius, ihren bürgerlichen Verehrer, genau nach der Mitteilung
der Flucht des Barons.
Widersprüchlich sind auch Maries Pläne hinsichtlich eines möglichen sozialen Aufstiegs.
Einerseits kann sie als aktiv aufstrebende Figur gedeutet werden, die eine Verbindung mit
Desportes gerade deshalb anstrebt. Andererseits kann sie auch als verführte Figur gedeutet
werden, der ihre verlorenen Hoffnungen durch Desportes’ Flucht bewusst werden.
Marie ist in ihrem Verhalten und in ihren Absichten stark von ihrem Vater geprägt. Er gestattet ihr
wider besseres Wissen den Umgang mit Desportes und bestärkt sie in ihren Hoffnungen: „Kannst
noch einmal gnädige Frau werden, närrisches Kind.“ (I, 6) Er rät ihr darüber hinaus, nicht gänzlich
mit Stolzius zu brechen (I, 6). Ihr Verhalten in dieser Szene ist demnach konform den Vorgaben
des Vaters und wenig selbstbestimmt.
Auch Desportes’ Einfluss auf ihre Pläne lässt sich aufweisen, denn er verführt sie mit Hoffnungen
auf einen sozialen Aufstieg: „Und kurz und gut, Sie sind für keinen Bürger gemacht.“ (II, 3)
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Die Schülerinnen und Schüler erläutern z. B. folgende Aspekte in Bezug auf Wesener:
Wesener tritt zunächst begütigend auf, er beruhigt Marie und leugnet die Möglichkeit der Flucht
Desportes’. Er will für die Schulden Desportes’ bürgen. Vor seinem Abgang wird seine Sprache
gewalttätig, was auf seine Erregung hinweist.
Bei seinem erneuten Auftritt zeigt er sich wiederum beruhigend. Er weist alle Zweifel Maries
zurück und argumentiert mit seiner Erfahrung und Vertrautheit mit dem Hause Desportes’.
Dennoch will er das Hochzeitsversprechen als Kopie an die Eltern des Barons schicken.
Die Schülerinnen und Schüler erläutern z. B. folgende Aspekte in ihrer Interpretation des Verhaltens
von Wesener:
Wesener lässt sich nach anfänglichem Zögern auf den Umgang Maries mit Desportes ein, weil er
sich wider besseres Wissen eine soziale Aufstiegschance für seine Tochter und damit auch für sich
verspricht. Zuvor beschreibt er allerdings sehr genau die Folgen einer Verbindung eines
bürgerlichen Mädchens mit einem adligen Offizier (vgl. I, 3). Er lässt sich durch Desportes’
Gedicht täuschen, das er als Hochzeitsversprechen missversteht. Er ist in seinen Absichten ebenso
wie Marie widersprüchlich.
Um eine Rufschädigung seines Hauses zu verhindern, bindet er sich noch enger an Desportes und
bürgt für ihn. Obwohl er Maries Zweifel zurückweist, will er doch die Eltern Desportes’ von
dessen Versprechen informieren.
Wesener zeigt sich in seinen Absichten und Plänen als verführter Bürger, der sich einen
ökonomischen Aufstieg erhofft. Er setzt auf Vertrauen und Ehre gegenüber der adligen Welt und
verkennt damit den Standesunterschied.
(Anforderungsbereiche I und II)
Teilaufgabe I.2
Folgende Aspekte können in der Erörterung berücksichtigt werden:
In dem Drama geht es um die Darstellung von sozialen Fragen, die im Stück z. B. mit dem
Konflikt zwischen Adel und Bürgertum, der Hoffnung auf Aufstieg, der Verführung von
(bürgerlichen) Mädchen und dem Umgang der Gesellschaft mit sog. gefallenen Mädchen und
Frauen sichtbar gemacht werden.
Wenn Lenz von einem „Gemälde der menschlichen Gesellschaft“ spricht, ist damit auch die
Aufgabe einer realitätsnahen Darstellung der zeitgenössischen Gesellschaft angesprochen, die sich
darin äußert, dass Lenz Gegenwartsstücke schreibt und zeitgenössische Probleme in seinen
Stücken behandelt. Hier kann ggf. auf Lenz’ Denkschrift über die Soldatenehen eingegangen
werden.
Mit dem Begriff „Gemälde“ ist eine ästhetische Komponente benannt, deren Wirksamkeit
überprüft werden kann. So lässt sich fragen, ob Lenz’ Stücke diesem Anspruch entsprechen.
Lenz’ spezifischer Komödienbegriff kann von den Schülerinnen und Schülern z. B. so erörtert
werden, dass sie auf einer vordergründigen Ebene feststellen, dass dieses Stück den Zuschauer
weniger zum Lachen anregt. Dennoch lassen sich komische Elemente finden, die jedoch häufig
ins Tragische kippen, z. B. in der Darstellung von Stolzius und den Soldaten. Ein Verweis auf die
Tragikomödie ist möglich, geht aber über den Erwartungshorizont hinaus.
Eine über eine gute Leistung hinausgehende Erörterung von Lenz’ Komödienverständnis kann z.
B. auf den Unterschied der „Soldaten“ zu anderen zeitgenössischen dramatischen Konzeptionen
eingehen. Dabei kann darauf verwiesen werden, dass in Lenz’ Komödie eine Sache den
Hauptgedanken bildet: „In der Komödie aber gehe ich von den Handlungen aus und lasse die
Personen teil dran nehmen [...].“ (Lenz, Anmerkungen übers Theater) In den „Soldaten“ stehen
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nicht die Figuren im Mittelpunkt, sondern eine Sache, z. B. der Konflikt zwischen Offizieren und
(bürgerlichen) Mädchen, die Ehelosigkeit des Militärs. Hierzu kann auf den Titel verwiesen
werden.
(Anforderungsbereich III)
Bewertungskriterien für die Noten „gut“ und „ausreichend“
Eine gute Leistung ist erbracht, wenn die Schülerinnen und Schüler
die Reaktionsweisen Maries und Weseners inhaltlich präzise und sprachlich differenziert erläutern
bzw. herausarbeiten,
die Absichten und Pläne Maries und Weseners detailliert und schlüssig deuten,
ihre Deutungen sorgfältig mit aussagekräftigen Textbelegen und Verweisen auf das Verhalten von
Desportes und ggf. anderer Figuren plausibilisieren,
Lenz’ Aussage ausführlich, begrifflich überzeugend und in sich schlüssig unter deutlicher
Bezugnahme auf die erste Teilaufgabe erörtern,
eine Vielfalt selbstständiger Bezüge und eigenständiger Ansätze, z. B. Interpretations- und
Analysehypothesen formulieren,
komplexe Gedankengänge entfalten, eigenständige Positionen / Urteile sowie eine Skizzierung des
Lösungsweges darstellen oder eine begründete Auswahl von Untersuchungsaspekten, ggf. auch
abweichend vom Erwartungshorizont, leisten,
differenziert argumentieren und
den eigenen Text sprachlich-stilistisch überzeugend gestalten.
Eine ausreichende Leistung ist erbracht, wenn die Schülerinnen und Schüler
die Reaktionsweisen Maries und Weseners inhaltlich weitgehend angemessen und sprachlich
zielführend erläutern bzw. herausarbeiten,
die Absichten und Pläne Maries und Weseners hinreichend schlüssig deuten,
ihre Deutungen mit Textbelegen und Verweisen auf das Verhalten von Desportes und ggf. anderer
Figuren plausibilisieren,
Lenz’ Aussage weitgehend plausibel und mit erkennbarer Struktur unter Bezugnahme auf die erste
Teilaufgabe erörtern,
nachvollziehbar argumentieren und
den eigenen Text sprachlich-stilistisch weitgehend korrekt und verständlich gestalten.
Bei erheblichen Verstößen gegen die normsprachliche Korrektheit (Grammatik, Zeichensetzung und
Rechtschreibung) werden je nach Schwere und Häufigkeit der Verstöße bis zu drei Notenpunkte
abgezogen.
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Aufgabe II (Lyrik der Jahrhundertwende)
Die im Erwartungshorizont aufgeführten spezifischen Leistungsanforderungen schließen andere
begründete und schlüssige Einschätzungen nicht aus.
Teilaufgabe II.1
Die Schülerinnen und Schüler verdeutlichen in eigenen Worten Bahrs Verständnis der symbolistischen
Technik:
Das Prinzip des Symbolismus bedeutet, dass das Thema des Gedichts (ein Gefühl, eine
Stimmung) vermittels eines Umwegs über ein „entlegenes“ Bild dargestellt wird.
Das Eigentliche wird nicht ausgesprochen, sondern im Symbol gezeigt.
Die Technik der Symbolisten wird zum Einen abgegrenzt von der rhetorischen Technik: genaue
Darstellung eines inneren Zustands / eines Gefühls; der Dichter beschreibt in sachlicher Sprache
Empfindungen und Stimmungen.
Sie wird darüber hinaus abgegrenzt von der realistischen Darstellungsweise: Beschreibung der
äußeren Situation, auf die ein innerer Zustand / ein Gefühlserlebnis bezogen ist.
(Anforderungsbereiche I und II)
Teilaufgabe II.2
Für die Bearbeitung der zweiten Aufgabe müssen die Schülerinnen und Schüler Bahrs Definition von
Symbolismus auf das zu untersuchende Gedicht beziehen.
Dies setzt voraus, dass sie sich ein eigenes Verständnis des Gedichts erarbeiten und innerhalb ihrer
Interpretation das in Bahrs Definition enthaltene zentrale Kriterium für symbolistische Dichtung in
herausgehobener Weise berücksichtigen. Damit erfordert die Aufgabe keine vollständige Analyse des
Gedichts. Vielmehr sind die Schülerinnen und Schüler frei in ihren Entscheidungen hinsichtlich
Vorgehen und Akzentsetzung. Sie können beispielsweise mit einer Deutungshypothese zur
Fragestellung der Aufgabe beginnen; sie können aber auch zunächst ihr Verständnis des Gedichts
darlegen und in einem zweiten Schritt seinen symbolischen Gehalt überprüfen.
Mögliche Ansätze sind:
Die Flamingos können gesehen werden als Symbol für narzisstische Selbstbespiegelung /
Selbstbezogenheit / Selbstverliebtheit.
Für eine solche Deutung spricht die Wahl des Gegenstandes: Die Flamingos gelten als äußerst
ästhetische, anmutige, fragile Vögel, deren Schönheit der Dichter assoziiert mit Gemälden
(Fragonard) und einer die absolute Schönheit repräsentierenden Gestalt der griechischen Antike
(Phryne). In der Darstellung des Dichters werden die Flamingos zum Bild der Verführung
schlechthin.
Ihre äußere Schönheit („blühend wie in einem Beet“) wird kontrastiert mit ihrem gekünstelten
Verhalten („stehn, auf rosa Stielen leicht gedreht“).
Ihre völlige Selbstbezogenheit kommt zum Ausdruck darin, dass sie „sich selber“ verführen; mit
ihren Augen nehmen sie keinen Kontakt zu den anderen Vögeln auf, vielmehr „bergen“ sie sie „in
der eigenen Weiche“. Den Neid der anderen nehmen sie gar nicht wahr: „erstaunt“ strecken sie
sich und schreiten davon, jeder für sich.
Mit ihrer Selbstbezogenheit verbunden ist die in „ihres Auges Bleiche“ zum Ausdruck kommende
Unlebendigkeit. Auch ihr weißes Gefieder, in dem sich „Schwarz und Fruchtrot“ verstecken,
symbolisiert diese an Schlaf erinnernde Unlebendigkeit, auf die bereits der sechste Vers hinweist.
Für eine symbolische Deutung spricht auf der Ebene der sprachlichen Gestaltung auch die
personifizierende Darstellung der Flamingos (sie „verführen“ sich selber, sie strecken sich
„erstaunt“) wie auch der anderen Vögel („Auf einmal kreischt ein Neid durch die Volière“).
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Der Titel weist bereits auf den Gegenstand hin und lenkt die Erwartungshaltung des Lesers auf die
Vögel und damit auf die symbolische Ebene.
Auch wenn die Deutung der „Flamingos“ als symbolistisches Gedicht besonders nahe liegend
erscheint, ist durchaus denkbar, dass Schülerinnen und Schüler eine von diesem Ansatz abweichende
Argumentation entwickeln.
Gerade die überdeutlichen Hinweise auf das menschenähnliche Verhalten der Flamingos und auch
der anderen Vögel können als Argument gegen die Anwendung der symbolistischen Technik im
Sinne Bahrs angeführt werden.
Der Dichter hat zwar mit den Flamingos einen „entlegenen Gegenstand“ eingesetzt, aber doch
auch wieder vermittels einer personifizierenden Darstellungsweise die Entlegenheit partiell
aufgehoben.
Insofern als die Flamingos im Gedicht wie ein „Ding“ präsentiert werden, ungefärbt durch die
Betrachtungsweise eines lyrischen Ichs und damit scheinbar objektiv, lässt sich das Gedicht den
Dinggedichten Rilkes zurechnen. Dieser Ansatz kann mit einer symbolistischen Deutung
verbunden werden, denn das Dinggedicht verweist in der Regel auf menschliche Erfahrungen und
enthält somit grundsätzlich eine symbolische Dimension.
(Anforderungsbereiche II und III)
Bewertungskriterien für die Noten „gut“ und „ausreichend“
Eine gute Leistung ist erbracht, wenn
die Schülerinnen und Schüler Bahrs Verständnis des Symbolismus inhaltlich zutreffend und
sprachlich prägnant darstellen,
sie mit Hilfe sinnvoller Textbezüge eine überzeugende und differenzierte Argumentation
entwickeln
und zu einer schlüssigen Deutung des Gedichts im Hinblick auf seinen symbolischen Gehalt
gelangen,
eine Vielfalt selbstständiger Bezüge und eigenständiger Ansätze, z. B. Interpretations- und
Analysehypothesen formulieren,
komplexe Gedankengänge entfalten, eigenständige Positionen / Urteile sowie eine Skizzierung des
Lösungsweges darstellen oder eine begründete Auswahl von Untersuchungsaspekten, ggf. auch
abweichend vom Erwartungshorizont, leisten,
sie ihre Ausführungen sinnvoll gliedern,
und die sprachlich-stilistische Gestaltung flüssig und korrekt ist.
Eine ausreichende Leistung ist erbracht, wenn
die Schülerinnen und Schüler Bahrs Verständnis des Symbolismus inhaltlich zutreffend
verdeutlichen,
sie im Ansatz eine eigene Argumentation entwickeln und in ihrer Interpretation des Gedichts
begründet Stellung nehmen zur Frage nach dem symbolischen Gehalt des Gedichts,
sie einen gedanklich zusammenhängenden Text verfassen,
sie die standardsprachlichen Voraussetzungen insgesamt erfüllen.
Bei erheblichen Verstößen gegen die normsprachliche Korrektheit (Grammatik, Zeichensetzung und
Rechtschreibung) werden je nach Schwere und Häufigkeit der Verstöße bis zu drei Notenpunkte
abgezogen.
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Aufgabe III
(Familienverhältnisse)
Die im Erwartungshorizont aufgeführten Aspekte der Interpretation schließen andere begründete und
schlüssige Darstellungen nicht aus.
Teilaufgabe III.1
Die Schülerinnen und Schüler entnehmen dem vorgelegten Text die These, dass Norbert Gstrein im
Zuge seiner Beschäftigung mit einer „natürlichen Sprache für Computer“ ein literarisches Verfahren
für seine Arbeit als Schriftsteller (an der Erzählung Einer) gewonnen hat.
Dieses Verfahren nennt der Autor des Artikels, Andrej Klahn, „eine Sprache der Mutmaßungen“.
Die Schülerinnen und Schüler vollziehen diese Sicht nach und erläutern die These aufgrund ihrer
Kenntnis der Erzählung. Sie können in ihrer Arbeit auf folgende Aspekte eingehen:
Die „Sprache der Mutmaßungen“ lässt sich auf Gstreins Zitat „Es könnte so gewesen sein oder
anders“ aus dem Text beziehen.
In der Erzählung Einer finden sich zahlreiche Stellen, die diesen Satz als programmatischen
erscheinen lassen. – Beispiele:
o
o
o
o
o
„Was wußte Mutter schon? Sie kannte das Ende, aber nicht, was sich dahinter verbarg“
(S. 21). [Dann folgt die Erzählung aus Jakobs Schulzeit] „Davon wußten sie nichts, weil
Jakob nie etwas erzählt hatte […] und wissen immer noch nichts an diesem Morgen in der
Küche, wo wir schon zwei Stunden warten und Mutter zum wiederholten Male bitten, sie
möge sich setzen“ (ebd.).
Neben solchen Passagen, die Nichtwissen mit (auktorialen) Geschichten kontrastieren, gibt es
immer wieder Erzählteile, in denen die Außensicht des einen Bruders kippt in eine Innensicht
in Jakob.
Häufige Perspektivwechsel mitten im Satz („Dachtest du damals schon daran, oder wann war
es, als ihm zum ersten Mal der Gedanke kam? fragen wir uns“ […] (S. 23).
Widersprüche, Varianten im Text: „Du sahst an dir herunter, und er wußte nicht, ob er
dazugehörte, oder überhaupt dazugehören wollte […]“ (S. 63). – „Du blickst an dir herunter,
und in diesen Augenblicken wußte er, daß er nicht dazugehörte, und es wäre einerlei, ob aus
freiem Entschluß oder weil sie ihn nicht ließen“ (S. 68-69).
Häufige Fragen (möglicherweise der Instanz des „Inspektors“) strukturieren den Text und
provozieren Antworten, die aber oft nicht weiterhelfen: „Wie lange sie blieben? ‚Ich weiß
nicht.’“ (S. 89).
(Zitate nach der Ausgabe der Suhrkamp BasisBibliothek)
(Anforderungsbereiche I/II)
Teilaufgabe III.2
In dieser Aufgabe geht es darum, eine Verbindung herzustellen zwischen dem in der Teilaufgabe III.1
erläuterten literarischen Verfahren und dem inhaltlichen Aspekt der Charakterisierung des
Protagonisten Jakob aus „Einer“.
Mögliche Ansätze für eine Beurteilung dafür, was die „Sprache der Mutmaßungen“ in der Erzählung
leistet:
Niemand – nicht einmal die engsten Familienangehörigen – weiß genau über „einen“ Bescheid.
Die Figur Jakob wird daher aus unterschiedlichen Perspektiven und nur fragmentarisch
charakterisiert.
Die eine Wahrheit (der auktorialen Erzählung) ist eine Fiktion. Deshalb wechselt die
Erzählperspektive ständig.
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Jakobs Wesen verbietet eine sprachliche Festschreibung: Er selbst ist – im konventionellen Sinne
– sprachlos. Er spricht kaum oder nur „Unsinn“. Zugleich verkörpert er eine tiefer gehende
Sprachskepsis (vgl. den Abschnitt über „Liebe“ (37-39).
Die Form der Erzählung wird der Figur Jakob gerecht.
Die Erzählung unterläuft die Lesererwartung einer Aufklärung über ein Verbrechen. Auch über
den „realen Hintergrund“ von Jakobs Verhaftung wird nichts Eindeutiges gesagt.
(Weitere Aspekte sind möglich.)
(Anforderungsbereich III)
Bewertungskriterien für die Noten „gut“ und „ausreichend“
Eine gute Leistung ist erbracht, wenn
die Schülerinnen und Schüler das von Klahn angeführte literarische Verfahren erfassen und
erläutern,
sie in ihrer Erläuterung auf mindestens vier Textstellen unterschiedlicher Art eingehen,
sie diese Textstellen plausibel im Sinne einer „Sprache der Mutmaßungen“ (o.ä.) erläutern,
sie die Charakterisierung der Figur Jakob plausibel mit der Erzählweise des Textes in Verbindung
bringen,
sie mindestens drei Aspekte nennen, an denen sie die Funktion der Erzählweise für die Charakterisierung Jakobs untersuchen,
sie zu einem plausiblen Ergebnis ihrer Beurteilung gelangen,
sie eine Vielfalt selbstständiger Bezüge und eigenständiger Ansätze, z. B. Interpretations- und
Analysehypothesen formulieren,
sie komplexe Gedankengänge entfalten, eigenständige Positionen / Urteile sowie eine Skizzierung
des Lösungsweges darstellen oder eine begründete Auswahl von Untersuchungsaspekten, ggf.
auch abweichend vom Erwartungshorizont, leisten,
die sprachlich-stilistische Gestaltung sicher und korrekt ist.
Eine ausreichende Leistung ist erbracht, wenn
die Schülerinnen und Schüler das von Klahn angeführte literarische Verfahren ansatzweise
erfassen und erläutern,
sie in ihrer Erläuterung auf mindestens zwei Textstellen eingehen,
sie die Charakterisierung der Figur Jakob mit der Erzählweise des Textes in Verbindung zu
bringen versuchen,
sie mindestens zwei Aspekte nennen, an denen sie die Funktion der Erzählweise für die Charakterisierung Jakobs zu zeigen versuchen,
sie ihre Beurteilung mit einem Fazit abschließen,
sie die standardsprachlichen Anforderungen insgesamt erfüllen.
Bei erheblichen Verstößen gegen die normsprachliche Korrektheit (Grammatik, Zeichensetzung und
Rechtschreibung) werden je nach Schwere und Häufigkeit der Verstöße bis zu drei Notenpunkte
abgezogen.
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Aufgabe IV (Bildung)
Teilaufgabe IV.1
Stern bekennt sich zur Frühförderung von Kindern („Plädoyer für eine anspruchsvolle Erziehung
im Kindergarten“), das Training des abstrakten / komplexen Denkens in der Frühförderung werde
in seiner Bedeutung jedoch überbewertet.
Das kindliche Gehirn sei kein Schwamm (wie vielfach angenommen), sondern filtere die
Informationen und ermögliche so Konzentration.
Erst die Verknüpfung mit Inhalten (Wissen) führe zu Leistung und Spitzenleistung, eine rein
„formale Bildung“ gebe es nicht.
Wissen gelte zu Unrecht als kleingeistig („hat einen negativen Beigeschmack“), da es zuweilen
mit isoliertem Faktenwissen verwechselt werde.
Intelligenz müsse in Wissen umgesetzt werden (auch intelligente Kinder müssen lernen):
Vernetzter Wissenserwerb sei das eigentliche Ziel.
Intelligenzdefizite ließen sich durch besondere Anstrengung / Übung z.T. ausgleichen,
Wissenserwerb sei bis zu einem gewissen Grade möglich.
Vorwissen ermögliche, fehlendes Wissen erschwere das Dazulernen.
Mangelndes Wissen sei bei der Suche nach Problemlösungen nicht „kompensierbar“.
Wissensdefizite würden daher zur Beeinträchtigung beruflicher Chancen führen.
(Anforderungsbereiche I und II)
Teilaufgabe IV.2
Hier sind Rückbezüge zur ersten Aufgabe sinnvoll, folgende Ansätze, aber ebenso andere können bei
der Erörterung eine Rolle spielen:
Bedeutung des Inhalts für das Lernen - Inhalte sind nicht beliebig, sie stimulieren;
Prägung durch spezielles wertgeschätztes Wissen (Einbeziehung eigener Erfahrungen möglich);
eigene Beispiele für Lernerfolg (denkbar wären z. B.: Interesse, Motivation, Ausdauer, Fleiß,
Zuwendung des Pädagogen, Lob, Anerkennung, Förderung, Herausforderung).
Entscheidend sind die Reflexionsqualität und die Logik der Argumentation, nicht eine spezielle
inhaltliche Füllung.
(Anforderungsbereich III)
Bewertungskriterien für die Noten „gut“ und „ausreichend“
Eine „gute“ Leistung ist erbracht, wenn
die Schülerinnen und Schüler das Verhältnis bzw. die Abhängigkeit / die Wechselbeziehung von
Intelligenz, Wissen und Leistung präzise erfasst haben,
sie wesentliche Aspekte der kritischen Sichtweise der Autorin klar herausstellen,
sie die Bedeutung von Inhalten und vielfältige Faktoren des Lernerfolgs anschaulich und
differenziert erörtern,
eine eigenständige und aspektreiche Auseinandersetzung mit dem Thema stattfindet (ggf. auch
inhaltlich über den Erwartungshorizont hinaus),
die sprachlich-stilistische Gestaltung überzeugend gelungen und der Aufbau klar gegliedert ist.
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Eine „ausreichende“ Leistung ist erbracht, wenn
die Schülerinnen und Schüler das Verhältnis von Intelligenz, Wissen und Leistung im Ansatz
erfasst haben,
sie tendenziell die kritische Sichtweise der Autorin erkennen,
sie mindestens zwei Faktoren für Lernerfolg benennen und die Bedeutung von Inhalten
ansatzweise reflektieren,
die Arbeit sprachlich-stilistisch weitgehend korrekt und verständlich ist.
Bei erheblichen Verstößen gegen die normsprachliche Korrektheit (Grammatik, Zeichensetzung und
Rechtschreibung) werden je nach Schwere und Häufigkeit der Verstöße bis zu drei Notenpunkte
abgezogen.
5 Korrekturverfahren
Die Korrekturen werden gemäß der „Richtlinie für die Korrektur und Bewertung der
Prüfungsleistungen im schriftlichen Teil der Abiturprüfung“ vorgenommen.
Die Bewertung und Benotung der Arbeiten werden auf einem gesonderten Blatt vorgenommen,
siehe Anlagen Bewertungsbögen für die Erst- und die Zweitkorrektur.
Die Bewertungsbögen verbleiben in der Schule.
Die Originale der Schülerarbeiten werden zusammen mit dem Bewertungsbogen für die
Zweitkorrektur und einer Kursliste, die nur die Schülernummern enthalten darf, sowie einem
Exemplar der Lehrermaterialien zu einem Päckchen gepackt.
Zu den Zeitvorgaben, Warnmeldungen und dem weiteren Verlauf des Verfahrens siehe den
„Ablaufplan für die Durchführung der schriftlichen Prüfungen“.
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Abiturprüfung 2010
Fach
Bewertungsbogen Erstkorrektur
Kurstyp
für Deutsch
Aufgaben
Nummer
BeBo EKo D
Schulchiffre
LK/GK
SchülerNummer
Kurs-Nummer
Bewertungstext
Teilaufgabe
Gesamtpunktzahl
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zum rechnergestützten Ausfüllen heruntergeladen werden.
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Fach
Bewertungsbogen Zweitkorrektur
Kurstyp
für Deutsch
Aufgaben
Nummer
BeBo ZKo D
Schulchiffre
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SchülerNummer
Kurs-Nummer
Bewertungstext
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