FRIEDENSDORF Report 79 - Friedensdorf International
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FRIEDENSDORF Report 79 - Friedensdorf International
40 JAHRE ® FRIEDENSDORF Report 79 25. Jahrgang – April 2007 FRIEDENSDORF Report Nr. 79 • 25. Jahrgang • April 2007 Inhalt Seite Vorwort von Ronald Gegenfurtner FRIEDENSDORF- Eckdaten der Entwicklung Alexandra Balzer: Ein Lied für den Frieden Astrid Knümann: Georische Klänge und Ringelsocken Thorsten Scharnhorst: Ngyen, das Mädchen ohne Gesicht Chizuru Azuma: Das FRIEDENSDORF hat mein Leben verändert Matthias Maruhn: Dicke Verbände auf dünnen Armen Marion Suhr-Mäurich: Solange ich atme, lebe ich Peter Stöbe: 40 Jahre FRIEDENSDORF Uli Preuss: Am Rande der Schöpfung Volker Strommenger: Gefeirt wird, wenn das FRIEDENSDORF überflüssig geworden ist Impressum: Herausgeber: Aktion Friedensdorf e. V. Postfach 14 01 62 . 46131 Oberhausen Lanterstraße 21 . 46539 Dinslaken Tel.: (02064) 4974-0 . Fax: -999 Internet: http://www.friedensdorf.de Spendenkonten: Stadtsparkasse Oberhausen, 102 400 (BLZ 365 500 00) Sparkasse Dinslaken, 111 153 (BLZ 352 510 00) Postbank Essen, 1218-434 (BLZ 360 100 43) Gestaltung: Judith Uhlemann, www.uhlemann-design.de Druck: SET POINT MEDIEN Schiff & Kamp GmbH, Moerser Str. 70, 47475 Kamp-Lintfort, chlorfrei gebleichtes, umweltfreundliches Papier, Nachdruck: nur mit Genehmigung gestattet 4 6 8 10 10 12 14 16 20 22 28 Journalisten, Fotografen und Freunde des FRIEDENSDORFES, die unsere Arbeit schon seit vielen Jahren beobachten und begleiten, haben uns für diesen Report ihre Geschichten und Fotos zur Verfügung gestellt. Ihnen gilt unser herzlichster Dank. Ein großes Dankeschön auch an Judith Uhlemann für die tolle Gestaltung dieser Broschüre. Ein Teil der Bilder stammt aus der Ausstellung „Am Rande der Schöpfung“ von Uli Preuss, die seit 2004 durch Deutschland tourt und ständig um aktuelle Fotos von den Hilfseinsätzen des FRIEDENSDORFES ergänzt wird. Die Bilder von Uli Preuss zeigen, wie wichtig und notwendig die Arbeit des FRIEDENSDORFES in Afghanistan, Angola, Kambodscha, Sri Lanka und anderen Ländern ist. Deshalb stellt er die Fotos auch gerne für weitere Ausstellungen zur Verfügung. Bei Interesse stellen wir gerne den Kontakt zu Uli Preuss her. läufig als „Drückeberger“ vor der „Schule der Nation“, der Bundeswehr. Die APO kämpfte für Veränderungen und Reformen in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und der Begriff „Bürgerinitiative“ war 1967 im Bewusstsein Vieler noch nicht existent. Der 2. Weltkrieg mit seinen Schrecken und mit seiner Schuld lag zum Glück schon fast eine ganze Generation, immerhin 22 Jahre, zurück. Ronald Gegenturthner, Leiter des FRIEDENSDORFES. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde des FRIEDENSDORFES! Wenn es sich nicht ausgerechnet um das FRIEhandelte, dann gäbe es sicher einen Grund zu feiern. Das FRIEDENSDORF hat am 6. Juli 2007 seinen 40. Geburtstag. Aber ganz bewusst und überlegt haben wir uns dazu entschieden, keine Feierlichkeiten durchzuführen. Wir meinen, dass es keinen Grund geben kann und darf, eine Organisation zu feiern und zu bejubeln, die letztendlich nur deswegen existiert, weil Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten keine ausreichende Hilfe bekommen; weil Kinder als die unschuldigsten Opfer die Last von Kriegen, Naturkatastrophen und Seuchen zu tragen haben. 40 Jahre FRIEDENDORF soll aber sehr wohl ein Grund sein, nachdenklich zu werden. DENSDORF Mit dem Bau des FRIEDENSDORFES wurde unverzüglich 1967 begonnen. Vor 40 Jahren waren die Kriegsschäden in Deutschland weitgehend beseitigt. Umfangreiche finanzielle Hilfen wie z. B. der „MarshallPlan“ hatten Deutschland nicht nur den Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg ermöglicht, sondern sogar ein „Wirtschaftswunder“ das neben der Vollbeschäftigung auch Arbeit für Menschen aus anderen Ländern bot, die damals noch ‚Gastarbeiter’ genannt wurden. Die Bundeswehr war gerade einmal 12 Jahre alt und das Grundrecht, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern geschah nicht einfach per Postkarte, sondern musste von vielen noch mühsam mit oftmals mehreren Verfahren erstritten werden. Die Zivis von damals waren noch „Ersatzdienstleistende“ und galten land- Die notwenigen Lernerfahrungen wurden jedoch leider aus diesem Krieg, der die Welt erschütterte und Millionen Unschuldiger das Leben kostete, nicht gezogen. Korea, VietNam, die Befreiungskriege in den Kolonien und selbstverständlich, was uns Deutsche auch besonders bewegen sollte, die Lage im Nahen Osten waren die Beweise dafür, dass die Menschheit immer noch glaubte (und bis heute offenbar glaubt), Konflikte könnten mit Gewalt und Gegengewalt gelöst werden. Der 6-Tage-Krieg zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn war der Anlass zur Gründung des FRIEDENSDORFES. War dieser Waffengang auch nach sechs Tagen beendet, so beschäftigte sich die Weltöffentlichkeit mit einem anderen Kriegsschauplatz: VietNam. Die Medien begleiteten den Krieg im fernen Osten und lieferten ihn Abend für Abend frei Haus in die Wohnzimmer, nicht nur in Deutschland. Bilder gingen um die Welt, die eindrücklicher die Grausamkeit des Krieges nicht darstellen konnten und vielfältige Proteste hervorriefen – und trotzdem war man nicht bereit mit dem Morden und Töten unschuldiger Zivilisten aufzuhören. Mit dem Bau des FRIEDENSDORFES wurde unverzüglich 1967 begonnen. Die ersten Gebäude waren zum Ende des Jahres fertig gestellt, als auch die ersten Kinder aus VietNam einzogen. Es war eine Bewegung in Oberhausen, der sich viele anschlossen. Einige in Funktion, andere eher still und wieder andere in unermüdlicher Arbeit. Die HOAG stellte das Gelände zur Verfügung, Babcock übernahm eine Zeit lang die Buchhaltung. Baumaterial wurde gestiftet und verbaut. Jugendliche aus aller Welt arbeiteten Hand in Hand mit der britischen Rheinarmee, der Bundeswehr und der Bereitschaftspolizei, um mit einfachsten Mitteln ein FRIEDENSDORF für Kinder entstehen zu lassen. Bis wirklich alles fertig war, dauerte es einige Jahre und das Dorf war voll. Parallel hierzu wurde in VietNam gearbeitet und auch gebaut. Das FRIEDENSDORF DaLat ging in Betrieb, doch zum Ende des Krieges in VietNam, am 30. April 1975, stand VietNam vor der Chance des Friedens und neuer Einheit und das FRIEDENSDORF vor dem Aus. 120 Kinder befanden sich in der Einrichtung und einen schnellen Weg zurück gab es nicht. Die neuen Machthaber hatten eine Vielzahl von Problemen zu bewältigen, von Drogenmissbrauch über Korruption bis hin zu schwersten ökologischen und genetischen Schäden, die auf den Krieg zurückzuführen waren. Das FRIEDENSDORF versuchte die Gratwanderung, die Kinder in Deutschland zu integrieren, ihnen aber die heimatliche Kultur zu erhalten. Heute müssen wir sehen, dass wir in vielen Fällen die Kinder zerrissen haben. Aus VietNamesen werden sicher im Laufe einiger Generationen Deutsche, aber nicht inner- halb einiger Jahre. In VietNam nicht mehr zu Hause mit einem verklärten Bild einer Heimat, die es so nicht mehr gab, von Heimweh getrieben, in einem kalten Deutschland, das haben wir „unseren“ Kindern nicht gewünscht. Trotz aller Zweifel sind einige ihren Weg gegangen und haben heute Familie und Auskommen. Auch jetzt noch stehen sie im Kontakt zum FRIEDENSDORF, auch wenn sich das FRIEDENSDORF inzwischen wesentlich verändert hat. Die Kriegsgebiete haben nicht abgenommen. Ganz im Gegenteil. Immer dann, wenn wir die Hoffnung hegen, in einem der Heimatländer unserer Kinder könne Ruhe, könne Frieden einkehren, dann treten neue Kriegsschauplätze auf die Bühne der Weltöffentlichkeit. Und am schwersten zu ertragen für uns ist, dass wir von einigen Regionen, in denen auch täglich gestorben und gelitten wird, so gut wie nichts erfahren. Der Krieg in Sri Lanka tobt. In Georgien und Armenien wird gehungert. In Afghanistan wird verhungert und erfroren. Von all dem erfahren wir so gut wie nichts. Irak ist von der Diktatur Saddam Husseins befreit, doch muss die Frage erlaubt sein, was das für eine Freiheit ist, wenn sich wegen der Bombenanschläge, der Überfälle und der Militäraktionen viele Menschen nicht einmal mehr zum Einkaufen auf die Straße trauen. Auch darf nicht in Vergessenheit geraten, dass dieser Waffengang mit einer Lüge begründet wurde. Mit dem Schicksal von Israel sind auch die Nachbarländer Jordanien, Syrien und Libanon verknüpft. Angola leidet immer noch unter dem Kolonialund darauf folgenden Bürgerkrieg. Wie es heute in Haiti und Sierra Leone aussieht, erfährt man nur dann, wenn man sich der Arbeit mühsamer Recherche unterzieht. Auch die anderen Länder der früheren Sowjet-Union haben, wenn auch in unterschiedlicher Form, enorme Bürden zu tragen. Und dann ist da auch immer noch Kambodscha. Nach der Schreckensherrschaft der Roten Khmer kommt erst jetzt langsam die nationale Aufarbeitung in Gang. Verurteilt sind die, die das Abschlachten von Zigtausenden zu verantworten haben, noch nicht. Das FRIEDENSDORF hat heute eine Geschichte. Es gibt aber keinen Grund zu feiern, denn hinter jedem Schicksal, hinter jedem Kind und hinter jedem Projekt in allen Ländern, stehen Tränen, Schmerz, Not, Verzweiflung und das auch noch in der Regel völlig unschuldig. Jederzeit würden wir uns für eine große Feier stark machen, wenn wir guten Gewissens – auch außerhalb eines Gedenktages – sagen könnten: Diese Einrichtung können wir schließen. Es gibt keine Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten mehr, die auf unsere Hilfe angewiesen sind. Das, ja das, nur das wäre ein Grund das FRIEDENSDORF zu feiern. Aber gerade deswegen hat das FRIEDENSDORF nicht nur eine Geschichte sondern auch eine Zukunft. Das FRIEDENSDORF muss eine Zukunft haben für Abdullah, Zarmina, Rosa, Yousof, Binh, Kim, Massele, und die tausend anderen pro Jahr, die mit ihren Familien darauf vertrauen, dass wir es ehrlich mit ihnen meinen. Das FRIEDENSDORF muss eine Zukunft haben für die Menschen in Kampot, in Moxito, in Ghazni, in Dalat, in den Bergen von Tadschikistan und in den Wüsten von Uzbekistan, die ihre Zukunft auch darauf bauen, dass Projekte erdacht und umgesetzt werden, damit die Basisgesundheitsversorgung gesichert wird, damit Krankenhäuser ausgerüstet werden, damit Impfungen durchgeführt, damit durch Begegnungen kulturelle Gegensätze überwunden werden können, wie bei den Projekten in Sri Lanka. Das FRIEDENSDORF muss aber auch schon deswegen eine Zukunft haben, damit nicht vergessen wird, dass Krieg der Anfang allen Übels ist und nicht der Vater aller Dinge. lichsten Bereichen. Fachwissen und Bereitschaft ist gefordert, die jeder einbringen kann, mit etwas mehr oder etwas weniger freier Zeit. Mit ein wenig Engagement kann jeder von uns in der Schule, der Uni, der Ausbildungsstelle, der Arbeit oder bei Freunden und in der Familie seinen eigenen Beitrag zur Arbeit des FRIEDENSDORFES leisten. Die Friedensläufe in vielen Ländern und im FRIEDENSDORF zum Weltfriedenstag am 1. September sind ein Beispiel. Was die Spenden angeht, so ist Ihr FRIEDENSDORF auch heute noch eine Bürgerinitiative, denn die Finanzierung basiert in erster Linie auf freiwilligen finanziellen Leistungen von Bürgen, die oft genug für ihre Zuwendung ein Opfer bringen. Dafür sind wir nicht nur dankbar, sondern davor haben wir auch den allerhöchsten Respekt und, das ist jetzt so wichtig wie bei der Gründung: Damit können wir unabhängig bleiben. Ich bitte Sie herzlich um Ihre Gabe, damit die Zukunft in Unabhängigkeit und Sicherheit für die Menschen, um die es geht, eine Perspektive bleibt. In all den Jahren haben sich viele Menschen dem FRIEDENSDORF zu und auch abgewandt. Jeder war wichtig und jeder hat etwas hinterlassen, jeder hat etwas gegeben und jeder von ihnen konnte etwas mitnehmen. Von vielen weiß ich, dass ihnen das FRIEDENSDORF für ihr ganzes Leben etwas gegeben hat. Allen sei gedankt für jede Art von Hilfe und konstruktiver Kritik, aber vor allen den Kindern in 40 Jahren FRIEDENSDORF. Sie haben die meisten Sorgen, die größten Schmerzen und den unbezwingbaren Kummer gehabt, den sie nur selten mit Worten formulieren konnten: Soldat was kostet Dein Gewehr, wie teuer ist ein Brot? Das FRIEDENSDORF wird leider eine Zukunft haben, so lange, bis wir Menschen endlich gelernt haben, dass Konflikte mit Gewalt auszutragen nur der Weg zu neuen Konflikten und Auseinandersetzungen ist, im Kleinen, wie im Großen. Ihnen und uns eine Zukunft ohne Leid! Das FRIEDENDORF wird eine Zukunft haben, wenn wir weiter unabhängig, überparteilich und überkonfessionell unsere Arbeit leisten können. Aber hierzu benötigen wir auch Geld, freiwillige Arbeit und Engagement in den unterschiedIhr Ronald Gegenfurtner Bau des FRIEDENSDORFES 1967 FRIEDENSDORF – Eckdaten der Entwicklung Juli 1967 Dezember 1967 Februar 1971 März 1974 Mai 1975 Mai 1980 Juni 1980 April 1985 Mai 1986 Juli 1988 Dezember 1988 April 1990 Juli 1990 Dezember 1991 März 1992 Juli 1992 August 1993 Januar 1994 Erster Hilfseinsatz in Afghanistan März 1994 November 1994 Oktober 1995 Dezember 1995 Das FRIEDENSDORFES heute Eintragung des neuen Vereins in das Vereinsregister. Aufbau der ersten Häuser auf dem Gelände in Oberhausen-Schmachtendorf. Ankunft der ersten Kinder aus Vietnam Der Bau des FRIEDENSDORFES ist bis auf das Reha-Zentrum abgeschlossen. Beginn der Arbeiten an der Hilfsstation in Dalat (Vietnam) Die ersten Vietnamesen kehren in ihre Heimat zurück Nach Ende des Vietnam-Krieges scheitert der Versuch, die vietnamesischen Kinder in ihre Heimat zurückzuführen. Rund 100 Kinder bleiben zur Betreuung im FRIEDENSDORF. In einem Acht-Stufen-Plan soll nach und nach eine Sanierung des FRIEDENSDORFES durchgeführt werden. Die Arbeiten ziehen sich bis 1991 hin. Der Vietnam-Krieg ist im öffentlichen Bewusstsein in Vergessenheit geraten. Die Spenden für das FRIEDENSDORF gehen um die Hälfte zurück. Der finanzielle Ruin droht. Neubeginn der Einzelfallhilfe für Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten mit der Aufnahme eines Jungen aus Äthiopien. Gründung des FRIEDENSDORF BILDUNGSWERKES, staatliche Anerkennung in 1987 1. Vietnam-Einsatz nach Kriegsende. 10 Kinder kommen zur Behandlung. 1. Afghanistan-Einsatz. 15 Kinder werden aufgenommen. Baubeginn des FRIEDENSDORFES in Kabul. Eröffnung des FRIEDENSDORFES Dalat I (Vietnam). Bis 1997 entstehen insgesamt 11 FRIEDENSDÖRFER und über 100 Basisgesundheitsstationen in Vietnam. Hinzu kommen 3 Schulen und ein Fischerei-Schulschiff. Stellvertretend für alle FRIEDENSDORF-Mitarbeiter nimmt Ronald Gegenfurtner das Bundesverdienstkreuz am Bande entgegen. Erste Einsätze in Jugoslawien, Kasachstan und der GUS. Zweiter Litauen-Einsatz. Die Absicht, 60 Kinder aus Bosnien-Herzegowina zu holen, scheitert an den andauernden Kriegshandlungen. Das FRIEDENSDORF hat seine Aktivitäten auf weitere Länder wie Sierra-Leone, Albanien, Kroatien, Israel und Sri Lanka ausgeweitet. Beginn der Angola-Einsätze. Es werden erstmals 29 Kinder aus Luanda geholt und eine Hilfsgüterlieferung zusammengestellt. Das FRIEDENSDORF in Sinnicolau Mare/Rumänien geht in Betrieb. Ronald Gegenfurtner besucht die Kriegsregion Georgien und trifft dabei Staatspräsident Eduard Schewardnadse. Beginn der Georgien-Einsätze. Einzug in die neue Zentralstelle in Dinslaken an der Lanterstraße. Insgesamt 60 Tonnen Hilfsgüter, darunter 3000 Bürgerpakete, werden in die georgische Hauptstadt Tblissi gebracht. Bürger-Paketaktion für Not leidende Menschen im Kaukasus Januar 1996 Februar 1998 August 1998 November 1998 Januar 2001 November 2001 Juli 2002 August 2002 September 2002 Juni 2003 Dezember 2004 Dezember 2004 November 2005 August 2006 Eröffnung des ersten FRIEDENSDORF INERLADENS auf der Lothringer Straße in Oberhausen. FRIEDENSDORF Kabul wird wieder in Betrieb genommen. Poliklinik und orthopädische Kinderklinik des afghanischen Roten Halbmondes ziehen in das Gebäude ein. Erster Afghanistan-Kombinationseinsatz mit Landungen in Kabul/Afghanistan, Tblissi/Georgien und Jerewan/Armenien. Inbetriebnahme des FRIEDENSDORFES Duschanbe/Tadschikistan. Die Deutschen Lions starten aus Anlass ihres 50jährigen Bestehens die nationale Großaktivity zugunsten des FRIEDENSDORFES – dies stellt die Initialzündung zur Revitalisierung des „Dorfes“ dar. Gründung der FRIEDENSDORF GEMEINSCHAFTSSTIFTUNG. Die Stiftung soll die Arbeit des FRIEDENSDORF langfristig finanziell absichern helfen. Die erste Basisgesundheitsstation des FRIEDENSDORFES in Kambodscha nimmt den Betrieb auf. Bis 2006 werden insgesamt acht dieser Stationen sowie eine Tuberkulose-Klinik errichtet. Erster Usbekistan-Einsatz, neun Kinder werden aufgenommen Mit dem Spatenstich beim Dorffest wird die Revitalisierung des FRIEDENSDORFES offiziell eingeleitet. Noch im gleichen Jahr wird mit den Bauarbeiten begonnen. Beginn des Programms zur Behandlung von Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten in Usbekistan. Das Oberhausener FRIEDENSDORF hat eine neue Adresse. Die „Rua Hiroshima“ wird offiziell ihrer Bestimmung übergeben. Start der Sri Lanka-Hilfe nach der Tsunami-Katastrophe. Über 200 Tonnen Hilfsgüter, vor allem Medikamente, werden nach Sri Lanka gebracht. Danach Beteiligung an der Wiederaufbauhilfe mit Schulprojekten und dem Ausbau des FRIEDENSDORFES Nattandiya. Der letzte Neubau im FRIEDENSDORF ist fertig gestellt und die Revitalisierung damit abgeschlossen. Im FRIEDENSDORF Sri Lanka findet das erste interkulturelle Treffen von tamilischen, muslimischen und singhalesischen Kindern statt. Verletztes Kind in Vietnam Vietnamesische Kinder im FRIEDENSDORF. Spatenstich zur Revitalisierung 7 B oris Böcker legt seine Gitarre zur Seite. „Überwunden ist, wenn du dann keinen Hunger mehr hast“, erklärt der ehrenamtliche Mitarbeiter im Oberhausener FRIEDENSDORF einer Gruppe von Kindern. Zehn Mädchen und ein Junge sitzen in einem Kreis. Sie nicken verständnisvoll, als der 25-Jährige ihnen die Bedeutung des Textes näher bringt. Dann singen sie die Strophe noch einmal: „Nur mit ganz viel Liebe (...) wird der Hunger überwunden, werden Kriege unterbunden.“ Aus tiefster Kehle rufen sie laut „Frieden jetzt!“ Die Kinder aus Afghanistan, Tadschikistan, Usbekistan und Angola wissen genau, worum es in dem Lied geht, das sie gerade lernen. In ihren noch kurzen Leben kennen viele die Bedeutung von Frieden aber nur aus Erzählungen. Umso mehr wissen sie über den Krieg, dem sie und ihre Familien in der Heimat Tag für Tag „ausgeliefert“ sind. Viele der kleinen FRIEDENSDORF-Patienten wurden durch die Zustände in Kriegs- und Krisengebieten schwer krank oder verletzt, haben beim Spielen auf vermintem Gelände Gliedmaßen verloren. Unermüdlich leisten die Mitarbeiter der Organisation mit Partnern vor Ort Hilfe, organisieren Transportflüge, sorgen für medizinische Versorgung. Sind die Schützlinge ausreichend genesen, werden sie zu ihren Familien in die Heimat zurück gebracht. Und auch dort reißen die Hilfsmaßnahmen nicht ab. „Wir haben zum Beispiel in Sri Lanka drei Projekte laufen“, erzählt Heike Bruckmann vom FRIEDENSDORF. In einem ausgebauten „Dorf“ an der Westküste können Kinder aller Bevölkerungsgruppen zusammen lernen und spielen. Sorgen bereiten den Helfern hingegen die beiden weiteren Projekte im Nordosten des südasiatischen Inselstaates. Zwar konnte im Rahmen der Wiederaufbauhilfe nach der Tsunami-Katastrophe in Mullaitivu eine Schule gebaut, aber wegen der immer wiederkehrenden Unruhen bislang nicht in Betrieb genommen werden (Anmerkung: Inzwischen konnte die Schule zwar in Betrieb genommen, nicht aber in das interkulturelle Netzwerk des FRIEDENSDORFES auf der Urlaub-KriegsInsel integriert werden). In Nilaveli kommen die Bauarbeiten für eine weitere Schule immer wieder ins Stocken. „Dort kommt es immer wieder zu Anschlägen“, beschreibt Bruckmann die Situation vor Ort. „Arbeiter und Angehörige wurden schon verletzt, so dass die Bautrupps zu Hause bleiben, wenn es zu gefährlich wird.“ Die Gewalt in Sri Lanka ist seit Beginn des Jahres 2006 eskaliert, Hunderte Menschen starben bei Anschlägen und Kämpfen. Nach zwei Jahrzehnten Bürgerkrieg hatten die verfeindeten Bevölkerungsgruppen - Singhalesen und Tamilen - 2002 einen Waffenstillstand beschlossen. „Unsere Partner vor Ort sind davon überzeugt, dass es in Kürze zu einem offenen Bürgerkrieg kommen wird“, sagt Bruckmann sichtlich betroffen. Verlierer einer blutigen Auseinandersetzung sind immer die Schwächsten: „Wir helfen natürlich auch Kindern aus Sri Lanka.“ Ein Lied für den Frieden Von Alexandra Balzer, dpa, Juli 2006 „Frieden jetzt!“ Immer lauter singen die Kinder nach der Melodie von „My Oh My“ von Slade den Refrain. „Nur mit Liebe, ohne Kriege: Frieden jetzt!“, wiederholt auch die elf Jahre alte Justina aus Angola. Und während Folorans aus Afghanistan die letzte Strophe des Liedes in einer ihr vor vier Monaten noch völlig fremden Sprache wiederholen will, fordert der Rest der Gruppe einstimmig: „Nochmal von Anfang an“, bevor es pünktlich um zwölf zum Mittagessen geht. 9 Kinder in Vietnam Von Thorsten Scharnhorst (aus seinem Buch: Mit Leib und Seele. Geschichten aus einem Reporterleben. Klartext Medienwerkstatt GmbH, Essen 2005) Georgische Klänge und Ringelsocken Nguyen, das Mädchen ohne Gesicht Von Astrid Knümann, WAZ Oberhausen Als die ersten Kinder aus Vietnam 1967 ins nach Oberhausen kamen, lernte ich gerade schreiben. Mit mehr als 40 weiteren I-Dötzen. Für uns alle war das selbstverständlich - die Schule, Bücher, ein Dach über dem Kopf, heißes Wasser aus dem Hahn, Öfen und täglich Essen auf dem Tisch. Dinge, die für die schwer verletzten oder kranken Kinder aus Vietnam mit dem Ausbruch des Krieges in ihrer Heimat in weite Ferne gerückt waren. FRIEDENSDORF Madonna aus Georgien im FRIEDENSDORF Dinge, die auch heute noch - 40 Jahre nach der Gründung der Aktion FRIEDENSDORF - für die Kinder im „Dorf” oft unerreichbar scheinen. Von all dem wusste ich 1967 noch nichts. Ich war zu jung, um die Nachrichten sehen zu dürfen. Die Welt spielte sich größtenteils rund um mein Zuhause herum ab. Das war bei den jungen Vietnamesen in ihrer Heimat sicher ganz genau so. Als sie in Frieden leben konnten. Bevor die ersten Schüsse und Bomben fielen. Mit einem Mal veränderte sich ihre Welt: sie verloren ihre Heimat, viele auch ihre Familien, ihre Freunde. Dann kamen sie nach Oberhausen. Wurden ungefragt in eine ihnen völlig fremde Kultur katapultiert. Doch genau das rettete ihnen das Leben. Von all dem wusste ich damals noch nichts. Es vergingen gute 20 Jahre, bevor ich das erste FRIEDENSDORF-Kind kennenlernte, bevor ich die Arbeit der Hilfseinrichtung für Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten kennenlernte, die sich längst nicht mehr nur auf Vietnam beschränkte. Zuviele Kriegs- und Krisengebiete gab es in der Welt. Ich lernte Madonna kennen, das 12-jährige Waisenkind aus Georgien, das mit verkümmerten Händen und verkürzten Beinen auf die Welt kam. In ihrer Heimat konnte ihr kein Arzt helfen. Madonna lernte nach mehr als eineinhalb Jahren und mehreren Operationen wieder laufen. Doch mehr als das imponierte mir ihre Musikalität. Mit ihren verkümmerten Fingern entlockte sie einem Klavier harmonische Töne – georgische Klänge. Und damit nicht genug. Die Zwölfjährige beherrschte auch das Spiel mit den Stricknadeln perfekt. Bergeweise strickte sie Strümpfe für all die kleinen Patienten, die sich über die bunten Ringelsocken freuten. Madonna gelang der Spagat zwischen ihrem langen Aufenthalt in Oberhausen und der Erinnerung an ihre Heimat. Ich lernte auch das Kleinkind aus Russland kennen, das mit einer riesigen Geschwulst im Bauch nach Oberhausen kam. Und das wenige Monate später quietschvergnügt und gesund über das Gelände an der Rua Hiroshima flitzte. Die beiden und die anderen kleinen Patienten haben mich gelehrt, worum es wirklich geht. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass ich als I-Dötzchen schreiben lernen konnte, Bücher hatte und Spielzeug, ein eigenes Zimmer und genug zu essen. Und Frieden. N […] guyen T-Van hieß sie, und sie musste sich ihr schmuddeliges Bett in dem erbärmlichen Hospital Cho Ray mit einem anderen Mädchen teilen. Eigentlich fehlte dem Kind das ganze Gesicht. Augenlider, Nase und Lippen waren einer wulstigen, bläulich-roten Narbenschicht gewichen. Hätten da nicht diese warmen, traurigen Augen des 13-jährigen Mädchens aus dem verwüsteten Gesicht geblinzelt – das Mitleid mit diesem grausam entstellten Wesen wäre kaum zu ertragen gewesen. Als ich Nguyen und die anderen unschuldigen, vom Krieg geschundenen Kinder sah, da schnürten mir Trauer und Verzweiflung die Kehle zu. Es war im Juni 1969 als ich Nguyen kennen lernte. Das Mädchen lebte – aber sein Leben war längst nicht gerettet. Doch es gab in dieser Stunde für Nguyen und ihren ein Jahr älteren Bruder Van-Thenh so etwas wie Hoffnung. Mit dem ersten Transport kriegsverwundeter Kinder aus Vietnam sollte das Mädchen nach Deutschland geflogen werden. Diesen glücklichen Umstand hatte sie einem vierschrötigen, eigensinnigen Pastor aus Oberhausens Vorort Schmachtendorf zu verdanken. Dieser friedensbesessene Fritz Berghaus konnte das Unrecht, das Kindern angetan wurde, nicht ertragen. Auf der grünen Wiese vor den Türen der Industriestadt baute er das „FRIEDENSDORF“, in dem Kinder nach einer kostenlosen Behandlung ihrer furchtbaren Verwundungen in allen möglichen deutschen Krankenhäusern wieder in ein normales Leben finden sollten. Aktion „Schöne Wolke“ nannte dieser von mir bewunderte Geistliche diese erste Etappe in ein Hilfswerk, in dem heute in jedem Jahr etwa 1.000 Kinder aus 28 Ländern medizinische Betreuung finden. Wohlgemerkt: In mindestens 28 Ländern herrscht Krieg, oder hat der Krieg Wunden hinterlassen. Die hinterlistigsten, gemeinsten und mörderischsten Nachlässe dieser Kriege sind Landminen. Die „Aktion Schöne Wolke“ brachte Nguyen und mich näher zusammen. Das zierliche Mädchen mit den schönen, schwarz glänzenden Haaren war meine Sitznachbarin in der Boeing 707, Air-France-Flug Nummer 189, auf dem Weg von Saigon nach Düsseldorf via Paris. Als die Maschine während einer Feuerpause in den Himmel über Saigon stieß, weinte Nguyen. Vielleicht dachte das Kind an seine sechs Geschwister und die Mutter, die alle in ihrer Hütte in der Nähe der Hauptstadt, die bekanntlich von den siegreichen Kommunisten zu Ehren des großen Revolutionärs in Ho-Tschih-Minh-Stadt (4,6 Millionen Einwohner) umgetauft worden ist, von US-Granaten getötet worden waren. Der Vater blieb alleine in Vietnam zurück ohne Wissen, was seinen beiden Kindern in dem fernen, fremden Land widerfahren würde. Aber er blieb zurück in dem Wissen, dass sie in seinem Land hätten sterben müssen. Und so hat er sich in Erinnerung an seine Kinder verankert, ein kleiner, schmaler Mann, in dessen Augen ich zugleich Zweifel, Zuversicht, Lebensangst, aber vor allem Liebe entdeckt zu haben glaubte. Der Flug dauerte 24 Stunden. Nguyen und die anderen kleinen Patienten hielten tapfer durch. Ich erinnere mich noch, wie das kleine Mädchen das Plastikbesteck, das zu den Bordmenüs gereicht wurde, erstaunt in die Hände nahm, ohne zu wissen, was es damit anfangen sollte. Dann steckte es das weiße Zeugs heimlich in ihre Kleidung, als gelte es einen Schatz zu bergen. Unvergessen sind mir die schockierten Gesichter jener Passagiere aus der Ersten Klasse, die unvorbereitet durch die Vorhänge traten, die unsere Verwundeten-Station von ihrem Champagner-Bereich trennten. Eine Stewardess erzählte mir, dass es Beschwerden gegeben habe, weil die First-Class-Paxe nicht über die Mitflieger im hinteren Bereich der Maschine informiert worden waren. Irgendwann schlief Nguyen an meiner Schulter ein, ihr Atem ging ruhig, und irgendwie hatten die Hautfetzen der Lider ihre schönen Augen mit der fast schwarzen Iris geschlossen. Als sie erwachte, legte ich meine linke Hand auf ihren Kopf und streichelte sie. Nguyen lächelte, und da war wieder der ungewollte Schuss Feuchtigkeit in meinen Augen und das schnürende Gefühl in der Kehle. Im Gegensatz zu der Philosophie des FRIEDENSDORFES, die kleinen Kriegsverletzten nach der Heilung wieder heim zu ihren Eltern zu bringen, blieben die Vietnamesen des ersten Transports in Deutschland. Auch Nguyen, und gute Ärzte gaben ihr mit vielen kunstvollen Operationen ein Gesicht zurück. Als ich die dramatischen Fernseh-Sequenzen von der demütigenden Flucht der letzten Amerikaner aus Saigon sah, wie sie verzweifelt versuchten, mit Hubschraubern aus der umkämpften, von „Charly“ eingenommenen Stadt zu entkommen, da hatte ich im Kopf und vor Augen das Bild Nguyen, wie sie mich ansah in Verzweiflung in ihrem verdreckten Bett im Hospital Cho Ray. 11 S eit 1999 habe ich mehrmals mit einem Fernseh-Team das FRIEDENSDORF besucht. Dadurch hat sich mein Leben sehr verändert. Durch die Begegnung mit vielen unschuldigen Opfern des Krieges, über die in den Nachrichten nicht berichtet wird, habe ich angefangen zu überlegen, was wir als japanisches Volk tun können und sollen. !"""#$%&'()*+,-./0123456789:;<1=>?@ ABCDE7F$0GHIEJKG?LMN?O/P.QRE2?:ST4QR/ UVG?4EW@ X>Y2Z[/\]3?O^W_9QR2E9,QR^`,R@ `+$%2abcdefghi&'(jk)lm2n#2opqr)>YG=W@ &'(4LMN?O4stu23^vG?&'()eCw/>?x[4yz4j{P EW@ |}~•€•/7‚ƒ„…j)†YN%G=>?@ ‡ˆ2‰Š‹2Œ•CŽ2••‘2`%’,RQ“E”•)–—YG=W@ ˜™7š?K`1=W@ › œ› •ž)Ÿ12&'RG.N4)Ÿ, &'(¡4¢£ =¤=¤Z[N¥¦UEW^2&'(¡4§¨©ª4«7¬ž/„=12-®GYG =W@ Chizuru Azuma ist in Japan ein echter Star. Sie ist Schauspielerin in Fernseh- und Kinofilmen, spielt Theater, wirkt in TV-Serien und Dokumentationen mit und moderiert Fernsehsendungen. Die vielseitige Künstlerin hat außerdem mehrere Bücher herausgerbracht, u.a. ein Kinderbuch mit eigenen Illustrationen und zwei Bücher über ihre Erfahrungen im FRIEDENSDORF. EW^2˜¯7NO“T&'(^°±0:0,QR@ GK$X4Z^:,QR)²³Y2`4LMN?O4´µ)GKN¶·>YG=W@ ¸#7¹º&'()*+?GR»¼YG=W@ ½0ST/¾PGE9,4)¿>½/>YG=W@ Jedes Jahr veranstalte ich in vielen Städten Charity-Ausstellungen für das FRIEDENSDORF. Einmal, in Hiroshima, war Wolfgang vom FRIEDENSDORF dabei. Zu diesen Ausstellungen gehören Fotos von FRIEDENSDORF-Kindern und OriginalGemälde aus meinem Bilderbuch, in dem ich über das FRIEDENSDORF erzähle. Die Ausstellung wird in Schulen, Museen, Kaufhäusern, öffentlichen Gebäuden und anderen Einrichtungen gezeigt. Dabei verfolge ich zwei Ziele. Zum einen sollen die Besucher der Veranstaltung auf die wichtige Arbeit für den Frieden aufmerksam gemacht werden. Gleichzeitig möchte ich dabei auch Spenden für das FRIEDENSDORF sammeln. In Japan bildet sich dadurch ein immer größerer Kreis von Menschen, die die Arbeit des FRIEDENSDORFES unterstützen, auch durch Spenden. Leider hat sich die wirtschaftliche Lage in Japan immer noch nicht verbessert…. Natürlich muss das große Ziel aber sein, dass das FRIEDENSDORF irgendwann überflüssig wird. Ich stelle mir das Lächeln von den Kindern vor und wünsche mir ganz fest, dass dieser Tag irgendwann kommt.. In diesem Jahr möchte ich sehr gerne wieder das FRIEDENSDORF besuchen. Auf unser Widersehen freue ich mich schon sehr. ¾À8Á/ Das FRIEDENSDORF hat mein Leben verändert Von Chizuru Azuma Ihre/Eure Chizuru Azuma › à O®, 13 Haroon beim Roten Halbmond in Kabul (Foto: Friedhelm Zingler, NRZ) Von Matthias Maruhn, NRZ Kemal lacht etwas verlegen. Nickt dann. Und geht. Ob er verstanden hat? Auch das würde ich nur zu gerne wissen. Dicke Verbände auf dünnen Armen Ich muss noch einmal nach Kabul. Irgendwann. Nein, besser bald. Ich muss einfach wissen, was aus den Kindern geworden ist. Aus Bibi, die bei einer Explosion ein Auge einbüßte, aus Achmed, dem sieben Finger fehlen, aus Omar, der beide Hände verlor. Wie leben sie, wenn sie leben? Wie geht es ihnen in ihrem Land, in dem noch immer gekämpft wird? Denken sie an Deutschland? Was denken sie dann? Als ersten würde ich Haroon suchen. Den kleinen Haroon mit der großen Klappe. Das Schicksal des Jungen habe ich für die NRZ über ein Jahr lang verfolgt. Ihn im Krankenhaus in Prüm besucht, zuletzt im FRIEDENSDORF kurz vor seinem Rückflug nach Afghanistan. Haroon müsste jetzt auch schon um die 14 sein. Da die Ärzte in der Eifel sein von einem Bombensplitter lädiertes Bein retten konnten, hat er sich inzwischen vielleicht schon seinen großen Traum erfüllt. Ein Moped. Oder hat er inzwischen ganz andere Sorgen, ganz andere Träume? Das würde ich nur zu gern wissen. An den Tag, an dem ich Haroon zum ersten Mal sah, kann ich mich sehr genau erinnern. Es ist der 14. Dezember 2001. Drei Monate zuvor, am 11. September, war die Welt in New York bis ins Mark erschüttert worden. Alle waren nervös in diesen Tagen, beunruhigt, wie es wohl weitergehen mag. Ich war viel für die NRZ unterwegs in dieser Zeit. Zunächst im Oktober im Sudan. In Khartum hatten alle Angst, dass die Amerikaner den „Schurkenstaat“ wieder bombardieren würden, wie sei es drei Jahre zuvor mit einer Fabrik in der Nähe der Hauptstadt gemacht hatten. Auf den Brücken mussten wir nachts die Scheinwerfer der Autos abdunkeln, Über fünf Jahre sind vergangen. Ich war in anderen Kriegen. In Bagdad, in Nord-Uganda und im SüdSudan. Aber die Erinnerung an diese Tage im Winter 2001 reist immer mit. Die Erinnerung an die Kinder von Bentiu, New York und Kabul. Ich hab mich in diesen Tagen verliebt, endgültig. In den Frieden. Und in die Idee vom FRIEDENSDORF. um nicht das mögliche Zielobjekt für den Feind auszuleuchten. Im Süden, in Bentiu, wo wir dann eine Woche verbringen, geht es auch um Krieg, ein anderer zwar, aber auch einer, der schon seit Jahren tötet, eben wie in Afghanistan. Hier kämpfen der Norden gegen den Süden, Moslems gegen Christen, Viehzüchter gegen Farmer. Im meiner Lehmhütte liege ich die ganze Nacht wach, weil sich zwei Rebellen-Armeen im Streit um eine Herde mit Granaten beharken. Meine Hütte wird nicht getroffen, aber andere. Am nächsten Morgen sind 30 Menschen tot. Die meisten sind Zivilisten, viele Kinder. Anfang Dezember war ich dann in New York, habe mit den Arbeitern im Trümmerfeld der Türme gesprochen, mit Polizisten, Feuerwehrmännern und Michele Buffalino, einer junge Frau voller Trauer, deren Mutter am 11. September im 90. Stock arbeitete. Ich habe an der TrauerWand gestanden, einem Ort voller Blumen, voller Kerzen, voller Briefe. Briefe von Hinterbliebenen . „Daddy, ich vermisse dich so“, steht auf einem. Und fast alle, die ihn lesen, schauen danach lange auf den Boden. Das sind die Bilder, die ich im Kopf habe, als ich sieben Tage später im Hof des Roten Halbmonds in Kabul neben der Trage stehe, auf der Haroon liegt und mit großen Augen angstvoll auf die Fremden blickt. Seine Familie kniet neben ihm. Die Mutter und die Tante tragen Burka, aber die Erleichterung ist dennoch an ihren Gesten erkennbar. Der Junge, das wissen sie inzwischen, wird nach Europa gebracht. Die letzte Hoffnung, dass er nicht an seiner Knochenentzündung sterben muss. Zuvor war in einem kleinen Raum die Entscheidung getroffen worden, welches Kind mitfliegt und welches nicht. Ein furchtbares Unterfangen, das auch Ronald Gegenfurtner noch zusetzt, wie er später sagt, obwohl der Mann das ja schon seit Jahren macht. Für die drei Journalisten im Raum aber, die wir keine Routine haben, ist die Begegnung mit dem Leid unerträglich. Nichts berührt einen Menschen mehr als der Anblick zerstörter Kinderleiber. Erst recht, wenn Bomben oder Minen dafür verantwortlich sind. Wenn Dr. Marouf die Verbände entfernt und so den Blick freigibt auf eiternde, offene Wunden, auf Stümpfe und Knochensplitter, wenn dazu die Kinder vor Schmerzen wimmern, dann geht ein Stich durch das Innere des Betrachters, den er nicht mehr vergessen, den er für immer spüren wird. Noch im selben Moment kommt die Wut. Das instinktive Ballen der Faust. Die möchte man so gerne mit aller Kraft auf den Tisch donnern, nicht hier, sondern auf alle Schreibtische, an denen Marschbefehle und Bombardements unterschrieben werden, auf alle Kasino-Tische, an denen sich Piloten und Minenleger abends ein Bier auf den erfolgreichen Einsatz schlucken. Für einen Moment bin ich ganz gerechter Zorn. Für einen Moment weiß ich, wie man die Kriege der Welt beenden könnte. Setzt sie hier für eine Stunde in den Raum, die Generäle und Gefreiten, die Attentäter in Zivil, lasst sie zusehen, wenn dicke Verbände von dünnen Armen gewickelt werden. Viele, sehr viele. Schon am Tag zuvor hatte mich Ronald ins Grübeln gebracht. Und zwar bei einem Gespräch mit den Mädchen und Jungen, die nach ihrer Behandlung in Deutschland jetzt zurückgekehrt waren und an die Familien übergeben wurden. Kemal steht da vor ihm, so ein Schlacks von zwölf Jahren, fünfmal ist sein Arm operiert worden. Die Eltern stehen hinter ihm, sichtlich gerührt und glücklich, ihr Kind geheilt in die Arme schließen zu können. Gegenfurtner nimmt Kemals Hand in seine, schüttelt sie, schaut Kemal in die Augen und sagt: „Und mit dieser Hand packst du kein Gewehr an, verstanden. Geh lieber zur Schule, lern was, sei lieb.“ Haroon im FRIEDENDSDORF 15 >> „Solange ich atme, hoffe ich.“ Von Marion Suhr-Mäurich, die seit 25 Jahren selbständig japanische Medien im deutschsprachigen Raum betreut. A ngola im August/September 1994: Keines unseres TV-Teams war bislang in einem kriegzerrütteten, ausgebeuteten, ausgehungerten Land dieses Ausmaßes gewesen. Über von Schlaglöchern durchsiebte Strassen fuhren wir an einer Kulisse von zerfallenden Hütten, von Granaten markierten Wohngebäuden und einem regen Treiben in den Straßen in Richtung Krankenhaus, welches sich bei kurzer Betrachtung von den umherstehenden, g eschändeten Gebäuden in keinster Weise unterschied. Im Krankenhaus, wo wir uns nun fast 8 Tage aufhalten sollten, verschlug es uns den Atem. Die Kinder lagen zum Teil in den Fluren auf dünnen Decken; die Betten waren überfüllt. Verletzte Kinder lagen fast reglos auf durchgelegenen, schmutzigen Matratzen. Mütter kochten ihren Fisch neben den Betten auf dem Boden. Es lag Blut und Erbrochenes auf den Gängen und Fliegen tummelten sich auf den Wunden und im ganzen Raum. Ein Mix von Eiter, Fisch und Urin lag überall in der Luft. Es gab kaum saubere Verbände oder unbeschädigtes Inventar. Gab es einen Krankenwagen? Ja, aber einen ohne Räder vor dem Haus, der sich somit nicht wegbewegen konnte. Röntgengeräte ? Ja, aber keine Filme, die man damit belichten konnte. In uns breitete sich eine Hilflosigkeit aus, die uns fast ohnmächtig werden ließ. Als der Kameramann seiner Notdurft nachging, sah ich wie er unverrichteter Dinge die Toilette wieder verließ und hinter dem Haus verschwand. Die hygienischen Verhältnisse - unvorstellbar. Es waren Eindrücke, die sich einbrannten und einen nicht mehr los ließen, auch nicht im Schlaf. Der Kameramann, der durchgehend durchs Okular sah, musste ständig würgen. Da half abends nur noch der stärkste Whisky, um im Tiefschlaf zu verbleiben. Wir bewunderten Ronald, mit welcher Routine und Ruhe er sich tagtäglich an die Arbeit machte, scheinbar unberührt von den Unzulänglichkeiten und dem Chaos ringsherum. Darin sahen wir auch für uns einen Weg – und hegten gleichzeitig die Hoffnung, dies auch in unseren Filmbeitrag rüberzuretten. Es war Zeit Angola zu verlassen, die nachhaltigen Eindrücke zu verarbeiten und sich auf die Dreharbeiten in Deutschland vorzubereiten. Dies viel uns jedoch schwer, bei dem Gedanken an die Kinder, die nicht mit uns fliegen konnten. eines Waisenhauses für ca. 200 Mischlingskinder waren. Kinder, die eigentlich keine Waisen waren, sondern aus Beziehungen amerikanischer GIs zu Prostitu ierten stammten. Die GIs verließen Japan und die Kinder waren sich so selbst überlassen. In Deutschland angekommen, wurden die Kinder, die einer sofortigen medizinischen Behandlung bedurften, mit Krankenwagen in die jeweiligen Krankenhäuser gefahren. Hier erfuhr ich im Nachhinein, dass der Kameramann, der einen kleinen Jungen nach Lahnstein im Krankenwagen begleitete, seine Not mit einem sprachlichen Missverständnis hatte. In Lahnstein angekommen, stieg der Kameramann voller Entsetzen aus dem Krankenwagen und berichtete mir, dass der Fahrer doch tatsächlich eine Mittagspause einlegen wollte, obwohl er ein schwer verletztes Kind an Bord hatte. Der Fahrer wollte wohl aus Höflichkeit eine Konversation mit dem Kameramann führen und sagte: „We are on our way to Lahnstein“. Der Kameramann verstand jedoch „Lunchtime“. Bei der Recherche nach einer Hilfsorganisation stieß ich auf FRIEDENSDORF INTERNATIONAL und wurde neugierig. Der Name hatte etwas Verbindendes, was meine Aufmerksamkeit erregte, da ich mit der Friedensbewegung sympathisierte. Nach Durchsicht der Unterlagen über die Arbeit des FRIEDENSDORFES wusste ich: Hier bist du richtig, das ist es und nichts anderes. Der Vorschlag wurde ohne Bedenken von NHK akzeptiert, und ich machte mich mit meinen Recherchen an die Arbeit. Die Arbeit ging nur schleppend voran, da wir eine Menge Fragen hatten und vor allem an einem Auslandseinsatz teilnehmen wollten – wir wussten ja zu dem Zeitpunkt noch nicht, mit wie wenig festem Personal im FRIEDENSDORF gearbeitet wurde. Wie kam Ich eigentlich dazu mich auf so ein Abenteuer einzulassen, ja es war ein solches, wenn auch mit ernstem Hintergrund. Es war 10 Uhr morgens am 8.August 1994, als das japanische TV-Team nun endlich das Gelände des FRIEDENSDORFES zum ersten Mal betrat. Dorf ? Es standen einige Leichtbauhäuser und Als wir am 1. September den Strand der Haupt- 1994 als der japanische, öffentlich-rechtliche aus einem dieser Häuser kam ein Mitarbeiter Sender NHK einen Beitrag über „Ehrenamtstadt Luanda mit unserer Kamera festhielten, heraus, der unser Team begleiten sollte. Er um auf die Plastikminen aufmerksam zu machen, ler“ produzieren wollte, kam die Anfrage auf führte uns in das Haus, aus dem er gekommen meinen Schreibtisch. Meine Richtung für die die dort angeschwemmt wurden, nahm uns die war. In dem engen Flur standen Pappkisten, angolanische Miliz fest und brachte uns für ein Recherchen waren klar: Es musste etwas sein Stühle, alle möglichen Dinge. Wir kämpften uns mit Kindern. Zum einen, weil Japaner Kinder paar Stunden hinter Gitter. Angeblich hätten mit unserer Technik in den Armen durch. Hinwir einen Soldaten mit Gewehr aufgenommen, lieben und zum zweiten waren da meine Eltern, ter einem Berg voll Akten blickte ein bärtiger, die früher in Japan lebten und Mitbegründer was verboten war. sehr freundlicher Dorfleiter uns an. Es war Kinder im Krankenhaus in der angolanischen Hauptstadt Luanda 17 >> Ronald Gegenfurtner und neben ihm, ebenfalls von Akten verdeckt, saßen Wolfgang und Beate. Wir wurden gleich sehr herzlich empfangen und wunderten uns, wie überhaupt in dem kleinen Raum noch Platz für uns war. Wir nahmen unsere Arbeit auf. Lernten die Kinder kennen und hatten sofort unser Herz an sie verloren. Journalisten nerven bekanntlich, doch Wolfgang half uns mit Charme und viel Geduld bei allen unseren Fragen und Bitten. Alles lief auf einmal reibungslos und wir hatten das gute Gefühl, der Film würde gelingen. Herr Phung, der sich mit Eifer um unsere Einreisegenehmigung nach Angola bemühte und Ronald, der auf unsere Fragen immer eine passende, förderliche Antwort parat hatte, unterstützen unser Vorhaben tatkräftig. Und nicht zuletzt waren da die Kinder. Der Anblick der Wunden ließ uns das Blut in den Adern gefrieren. Nie zuvor hatte irgendeiner von uns so etwas gesehen. Wir begleiteten die beiden angolanischen Mädchen Theresa und Palmira zusammen mit der Ehrenamtlerin Angela in die Reha. Wir beobachteten genau wie Dieu aus Vietnam unter Tränen an ihrem Fixateur die Schrauben anzog, wie Dr. Meier die vereiterten Wunden behandelte. Wir besuchten den kleinen Manuel im Krankenhaus, dem man nicht mehr helfen konnte, weil die Leukämie ihn bereits im Griff hatte. Es zerbrach uns allen das Herz. Dieses alles war die Realität, die schwer zu akzeptieren, zu begreifen war. Wer konnte so etwas Kindern antun? Und dennoch gab es in diesem Leiden auch viel Hoffnung. „Dum spiro, spero. “Solange ich atme, hoffe ich”. Wir begriffen schnell, dass mit der unendlichen Güte, Liebe und Einsatz der Ehrenamtler und der aufopfernden Hilfsbereitschaft der festen Mitarbeiter diesen Kindern geholfen werden konnte und sollte. Diese Erfahrungen, das Gesehene und der herzliche, freundschaftliche Kontakt zu den Mitarbeitern des FRIEDENSDORFES, den Kindern und Ehrenamtlern, ließen mich nicht mehr los, und es entwickelte sich eine tiefe Bindung, die bis heute anhält. und wir konnten unsere Arbeit aufnehmen. Der Chef von „TV-Man-Union“ war plötzlich begeistert. Die Einschaltquoten bestätigten das Gefühl – es war ein Riesenerfolg. Seitdem folgten weitere Sendungen und die Brücke zwischen Japan und dem FRIEDENSDORF war geschlagen. Zahlreiche Anfragen, wie und womit man helfen könne, trafen im Sender ein. Es meldeten sich auch junge Japaner, die nach Deutschland kommen wollten, um selbst tatkräftig die Arbeit des FRIEDENSDORFES zu unterstützen. Die nachfolgenden Dreharbeiten in Angola und Afghanistan zeigten aber auch ein- drücklich, das ein Frieden, ein normales Leben für die Menschen dort noch in weiter Ferne zu liegen schien. Ein Frieden ohne Entwaffnung der verfeindeten Gruppen ist undenkbar und ohne Frieden gibt es auch keinen Wiederaufbau in diesen Ländern. Das FRIEDENSDORF hat sich in all den Jahren zusehends verändert. Es gibt jetzt ein „neues Dorf“, mit mehr Raum für die Kinder und Mitarbeiter. Mit einer Infrastruktur, die es ermöglicht die anfallenden Aufgaben noch besser zu bewältigen. Das ist umso wichtiger, solange es Länder gibt, wo die Demokratie mit undemokratischen Mitteln und die Menschenrechte mit Menschen verachtenden Mitteln verletzt werden. 40 Jahre FRIEDENSDORF sind 40 verlorene Jahre ohne Frieden. Ich wünsche allen „Friedensdörflern“ von Herzen die Ausdauer und Seelenstärke, alle Hindernisse bewältigen zu können und Ihre Arbeit zum Erfolg zu führen. Ohne Euren beispiellosen Einsatz wäre diese Welt um Vieles ärmer! Ich gratuliere zum 40. Geburtstag. Vor ca. acht Jahren bot sich erneut die Gelegenheit, eine Sendung über das FRIEDENSDORF zu machen. Wolfgang, zu dem ich zwischenzeitlich eine herzliche Freundschaft entwickelt hatte, teilte mir mit, dass ein blinder Origamikünstler das Dorf besuchen wollte. Ich schlug das Thema der japanischen Produktionsfirma „TV-ManUnion“ vor, mit denen ich schon längere Zeit zusammenarbeitete. Die Idee fand keine große Resonanz, da es nicht in das Sendungskonzept hineinpasse - es wäre zu wenig „Entertainment“ im Spiel. Ich hielt aber beharrlich an der Idee fest, in der Hoffnung, doch noch überzeugen zu können. Nach zwei weiteren Jahren unermüdlichem Verhandelns konnte ich den ersten Erfolg verbuchen. Ich hatte einen Mitstreiter in der Firma gefunden, den Regisseur Tsuyoshi Kawahara. Nun waren die Weichen für eine neue Sendung über das FRIEDENSDORF gestellt Krankenhaus in Luanda Marion Suhr-Mäurich mit japanischem TV-Team vor der Dinslakener Zentrale des FRIEDENSDORFES 19 Die Zeit von 1967 - 1975 Von Peter Stöbe, Leiter des FRIEDENSDORFES von 1971-1975 40 Jahre Friedensdorf! A m Juni 1967 tobte im Nahen Osten der 6-TageKrieg. In dieser Zeit gründete sich in Oberhausen eine Bürgerinitiative mit dem Ziel, kriegsverletzte, erkrankte oder verwaiste Kinder aus Israel nach Oberhausen zu holen, medizinisch zu versorgen und zu betreuen. Diese Kinder sollten bis zu einem Frieden im Nahen Osten in Oberhausen bleiben und dafür sollte ein Kinderheim errichtet und unterhalten werden. Die Finanzierung dieses Vorhaben sollte ausschließlich über Mitgliedsbeiträge und Spenden erfolgen. Peter Stöbe Zu diesem Zweck wurde im Juli 1967 der Verein „Kinder in Not Oberhausen“ gegründet, dem die damalige Oberbürgermeisterin Luise Albertz als Vorsitzende angehörte. Damals hatte der Verein gerade mal 10 Mitglieder. Zeitgleich wurde mit dem Bau des Kinderdorfes in Oberhausen begonnen. Zunächst musste das Gelände am Brink, das von den Hüttenwerken Oberhausen zur Verfügung gestellt wurde, für den Bau des Kinderdorfes urbar gemacht und erschlossen werden. Dann wurden die Häuser in Fertigbauweise erstellt. Nachdem feststand, dass Israel die geplante Hilfe nicht benötigte, beschloss man, die angelaufene Hilfsaktion nach Südvietnam zu verlagern. Daraufhin wechselte in den ersten Dezembertagen 1967 der Vorstand. Die alten Vorstandsmitglieder schieden aus, und es wurde ein neuer Vorstand gewählt. Den Vorsitz übernahm der Gemeindepfarrer von Oberhausen-Schmachtendorf, Fritz Berghaus. Noch im Dezember 1967 kamen die ersten, zum Teil schwer verletzten, Kinder aus Südvietnam. Im Dezember 1968 wurde die Satzung völlig neu gefasst, der Verein in „Aktion Friedensdorf Oberhausen“ umbenannt sowie ein 9köpfiger Vorstand unter der Führung von Pfarrer Fritz Berghaus gewählt. Außerdem wurde ein Beirat ins Leben gerufen. Pfarrer Berghaus hoffte, damit alle Richtungen der inzwischen auf einige Hundert Mitglieder angewachsenen Bürgerinitiative im Vorstand und Beirat vertreten zu haben. Aber es gab unter den Mitgliedern zu viele Meinungen darüber, wie man am besten den Kriegsopfern helfen sollte. Auch die Führung des Vereins und des Kinderdorfes wurden öfters heftig kritisiert. Immer wieder schieden deshalb Vorstandsmitglieder oder ehren- und hauptamtliche Mitarbeiter aus. Die Mitglieder waren Menschen, die es für ihre Christenpflicht hielten, etwas für diese Kinder zu tun. Ferner engagierten sich politisch motivierte Personen und Persönlichkeiten, Jugendgruppen, Kirchengemeinden, Journalisten, Schulklassen, Künstler, Krankenhäuser, Ärzte, Architekten, Behörden, die Air France, Rettungsdienste, Banken, Geschäftsleute, Kindergärten, Soldaten, jugendliche Strafgefangene, Kriegsdienstverweigerer, und viele, viele andere die mithalfen, die Idee des „FRIEDENSDORFES“ in die Tat umzusetzen: Vor allem war wichtig, Gelder aufzutreiben. Wir brauchten damals ehrenamtliche Ärzte, die in Südvietnam die Kinder aussuchten, denen in Deutschland geholfen werden konnte. Wir mussten in Vietnam Kontakte zu den dortigen Spatenstich für ein FRIEDENSDORF in Vietnam Behörden, der Polizei und zum Militär aufbauen, damit wir zu den Kindern auch hin konnten, die dringend unsere Hilfe benötigten. Es wurden in Deutschland Freiplätze in Krankenhäusern gesucht und gefunden. Die Air France transportierte die Kinder kostengünstig nach Deutschland. Außerdem mussten wir so schnell wie möglich in Südvietnam Rehabilitationseinrichtungen schaffen, um vor Ort Hilfe leisten zu können, Vietnamesen in Deutschland in Heil- und Sozialberufen ausbilden und diese in Oberhausen und Vietnam einsetzen. Auch galt es in Vietnam die Nachversorgung der zurückgebrachten Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten. Dafür errichteten wir in Saigon und Dalat Hilfsstationen. Es galt Maschinen, die für die Herstellung von orthopädischen Hilfsmitteln benötigt wurden, Medikamente, Lebensmittel, Kleidung, Verbandsmaterial, Fahrzeuge, Baumaterial usw. entweder vor Ort zu beschaffen oder auf den Weg dort hin zu bringen. Es gab in Deutschland keine Erfahrung für die Versorgung und Betreuung südvietnamesischer Kriegsopfer im Kindesalter in Deutschland und in Vietnam, deshalb tat sich das „Friedensdorf“ recht schwer bei der Verwirklichung seiner Ziele und es wurden viele Fehler gemacht. Das Friedensdorf hat bis zum Kriegsende im April 1975 etwa 300 – 400 Kinder und Jugendliche aus Vietnam nach Deutschland geholt und ihnen zu einem menschenwürdigen Dasein verholfen, d.h. sie wurden medizinisch versorgt und rehabilitiert. Die meisten dieser jungen Menschen hätten in Vietnam nicht überlebt. In Vietnam selbst wurden in unseren Hilfsstationen und in Flüchtlingslagern und Krankenhäusern tausende von Kindern und Jugendlichen und Erwachsenen ambulant betreut und versorgt. Das zählt für mich und auch für die, die während des Vietnamkrieges in Oberhausen oder Vietnam mit dabei waren, den geschundenen Menschen in ihrer Not beizustehen und zu helfen. 1983 übernahm Ronald Gegenfurtner, der zu meiner Zeit als ehrenamtlicher Helfer und Zivilsdienstleistender im Friedensdorf gearbeitet hat, die Geschäftsführung des FRIEDENSDORFES und führte den Verein aus der Dauerkrise und neuen Aufgaben zu. Der inzwischen verstorbenen Fritz Berghaus hatte den Traum, 100 Friedensdörfer überall dort zu errichten, wo Kinder unter den Kriegsfolgen zu leiden haben. Inzwischen gibt es über 100 verschiedene Hilfseinrichtungen des FRIEDENSDORFES in aller Welt. Hilfseinsatz in Vietnam 21 Besuch bei einer traurigen Berühmtheit Das erste Kind des Bauarbeiters Ferien in Vietnam funktionieren nicht, ohne die Geschichte des Landes begreifen zu wollen Die Neunte ist im Bau. Acht Gesundheitsstationen des FRIEDENSDORFES helfen bereits in Kambodscha (Ho Chi Minh City, Vietnam, Januar 2007) (Siem Reap, Kambodscha, April 2006) 33 Grad, stickige Mittagshitze. Der Fahrer lässt uns raus am Eingang von TuDu 1, 15.000 Dong wechseln den Besitzer. 15.000 Dong (0,75 Cent) für eine zwanzig Minuten-Fahrt. Schranke hoch, wir kämpfen uns durch die Massen der Patienten. Ein Riesenhospital, Moloch der Kranken. 150 Meter rechts, gleich hinter der lauten Kantine, in denen um diese Zeit die Vietnamesen Nudelsuppen zu Hektolitern schlürfen, wird es ruhiger. 20 Kilometer können Wege zwischen Welten bedeuten in Kambodscha. Die Tempel von Angkor Wat sind Weltkulturerbe, und jeden überkommt eine Gänsehaut, nähert man sich den 1100 Jahre alten, verwunschenen Urwaldbauten. Die Provinzhauptstadt Siem Reap boomt durch sie, ausländische Investoren lassen Hotels wie Paläste entstehen, doch nehmen sie die Gewinne oft wieder mit. Das Land bleibt arm und den Kambodschanern die Billigjobs. Kaum fünf Kilometer außerhalb der Touristenmeile ist auch das weg: Biermädchen, Diskolichter, Swimmingpools, das Rauschen der Klimaanlage in den Restaurants und Edelzimmer, in denen man in einer Woche die Baukosten einer Basisgesundheitsstation verwohnen kann - alles eingetauscht gegen Staub und Land, das „eben nur fast“ minenfrei ist. Wer hier bauen will, zahlt für Trupps, die die gefährlichen, tief eingesackten Überbleibsel der 27 Jahre alten Frontlinie aus dem Boden graben. Überbleibsel aus den Kriegen der „Khmer Rouge“, kaum sauberes Wasser, kein Strom – so kennt der Tourist „sein Kambodscha“ wohl kaum. Die Treppe hoch, bescheidene Behandlungszimmer, weiße Kacheln, eine Schwester, die neue Wattestäbchen von Hand dreht, ein paar Stufen noch, Ankunft. Hier, abseits der Hektik auf drei Stockwerken in einem großen Anbau ist das FRIEDENSDORF, Lang Hoa Binh, Saigon! Am Rande der Schöpfung Von Uli Preuss, Solinger Tageblatt Es sind oft die kleinen Geschichten, die uns anrühren. Überall auf der Welt. Seitenblicke auf sechs Einsätze mit dem FRIEDENSDORF. Besuch aus Deutschland, Lächeln, Freude, willkommen - die Kinder essen gerade. Kinder, denen man das Entlaubungsmittel, das ihre Mütter wiederum als Kinder einatmen mussten , ansieht. Kinder, die deformierte Körper haben, geschickt mit den Füßen malen - mit halben Armen, halben Händen, halbem Gesicht – spielen, schreiben, essen oder gefüttert werden müssen. Einer kommt angelaufen, streckt ungelenk seine Hand aus: Hier, bitte, eine halbe Mandarine für meine Frau. Auch im Lang Hoa Binh wird gegessen und nach der Reissuppe gibt es ganze Früchte – der Kleine teilt sie. Zwei Räume weiter liegt eine kleine Berühmtheit. Ich weiß, kein gutes Wort für ein Mädchen, das keine Augen, nicht einmal Augenhöhlen hat. Nur Haut ist da zu sehen, die Stirn geht bis an den Nasenansatz. Ein Star ist sie seit Oktober trotzdem. Das US-Magazin „National Geographic“ zeigte ein seitengroßes Bild von ihr in einem ausführlichen Beitrag über Umweltgifte. Ein guter, ein wichtiger Beitrag, Rechtfertigung für die Fotografie einer Verzweifelten - vielleicht. Die Kleine leidet am Fraser Syndrome, Auswirkungen von Dioxinen wie Agent Orange – 32 Jahre nach Ende des Krieges. „Mein Gott“ wird am Abend ein Mitreisender im Hotel fragen, „immer noch?“ bar (!) entbinden, gebären ihre Babys nicht mehr auf schmutzigem Hüttenboden. Die kleine Satia Roth kam im Dezember in der neuen Basisgesundheitsstation zur Welt. Ein süßes Baby, das durch seine Geschichte so sehr verdeutlicht, wie wichtig die FRIEDENSDORF-Arbeit hier in Kambodscha ist. Satia ist das erste Ergebnis einer jungen Liebe zwischen einem Bauarbeiter und einer jungen Dorfbewohnerin. Chet On, Arbeiter, irgendwo aus dem weiten Kambodscha kam nach Krabay Riel, fand Arbeit am FRIEDENSDORF-Neubau, lernte Chou Leap, die junge Frau kennen aus dem Dorf kennen. Die junge Familie ist schnell gegründet. Man lebt nahe der Gesundheitsstation im kleinen Pfahlbau. Dort gibt es Nachbarn, Wasser und – neuerdings – medizinische Versorgung für Eltern und Kind. In Krabay Riel steht die siebte von acht Gesundheitsstation, die die Oberhausener ins arme Land gebaut haben. Drei Kilometer abseits einer Straße mit wannentiefen Schlaglöchern, der Hauptverbindung zur thailändischen Grenze. 12.000 Kambodschaner werden hier in dem neuen, freundlich frischen Bau medizinisch versorgt. Davor gab es dafür ein stickiges, altgraues kanadisches Armeezelt, davor wiederum gar nichts. Draußen neben der 10 mal 18 Meter großen Sanitätsstation steht ein neuer Brunnen. Tief gebohrt spendet er frisches Grundwasser, jeden Tag, immer sauber. Leider keine Selbstverständlichkeit, zwanzig Kilometer außerhalb einer Stadt, die gut eine Millionen Touristen jährlich durch die Tempel schleust. Hier in Krabay Riel ist man froh, seit im Sommer die Station eröffnet wurde. Bauern lassen ihre Verletzungen versorgen, Medikamente gibt es in der kleinen Apotheke, vorher war sie unerreichbar in der Provinzhauptstadt. Kinder werden geimpft, Eltern kommen zur Schwangerschaftsberatung. Mütter können jetzt hygienisch sicher und bezahl23 (Solingen, Colombo, 2005 nach der „Welle“) Von Enkeln, die keine Opas mehr haben Zwei Tage nach der „Welle“ startete das FRIEDENSDORF den ersten Hilfsflug nach Sri Lanka. Der kleine Fotograf (Kabul, Afghanistan, Dezember 2000) Von wegen, der Krieg ist aus – es war seit 22 Jahren nie mehr friedlich in Afghanistan Es war bitterkalt an diesem Morgen, wie immer um diese Jahreszeit in den afghanischen Bergen. Doch in der Mittagssonne knöpfen die Helfer die Jacken auf, bärtige Männer legen ihre Umhänge ab. Heute war für die aufgeregten, kleinen Patienten der Tag der Abreise. Am Nachmittag würden sie in diesem türkischen Airbus sitzen, der schwerfällig auf der Militärbase Bagram starten wird, weil Kabul International Airport immer noch zerschossen ist. Zwei Busladungen Kinder auf dem Wege der Besserung. Nun, gut, es könnten mehr sein, aber die Radiostationen, lange verboten unter den Taliban, funktionierten noch nicht so richtig und Eltern aus den weiter entfernten Landesteilen wussten nicht einmal, das das FRIEDENSDORF mit dem Kriegsende eine Sondermaschine geschickt hatte. Im Hof hockte ein kleiner Junge, in der Art, wie die Männer zu hocken pflegen. Ein wenig schwingend, den Körper wippend durch die angewinkelten Knie gehalten, Ellbogen auf den Oberschenkeln abgestützt. Bequem, lässig. Seine beiden Hände waren frisch verbunden. Schon am Morgen hatte ich ihn gesehen, als Marouf, der Doktor, und FRIEDENSDORF-Leiter Ronald Gegenfurtner den Kleinen untersucht hatten. Klaglos, absolut klaglos hatte er zugelassen, dass ihm die Männer den alten Verband der rechten Hand abnahmen. Darunter frisches, rohes Fleisch und – ein letzter Finger. Wie mahnend stand er aus der Handwurzel heraus, der Finger, mit dem Fotografen immer auslösen. Den Rest hatte die Mine mitgenommen. Hier auf dem Hof hatte der Junge nur noch Augen für den Fotoapparat, den ich umgelegt hatte. Irgendwann hockte ich mich neben ihn, nahm die Kamera ab und zeigte sie ihm. Vergessen waren für einen Moment die Verletzungen. Seine Augen wurden groß, so ein tolles Ding hatte er noch nie gesehen, geschweige denn berührt. Dabei war sie eine abgespeckte Version, kein Motor, kein Sucher – unauffällig. Hier in Kabul schoss man in diesen Tagen – mit der Kamera - besser aus der Hüfte, lästige Fragen vermeidend. Ich stellte die Nikon ein, zeigte dem Jungen, wo er durchschauen sollte. Nahm behutsam seinen Arm, seinen Finger, den, mit dem Fotografen immer auslösen und legte ihn sanft auf den Auslöser. „Kaalick“ machte es. Ein Lachen befreite den spannenden Augenblick, für einen Moment war die Hand wieder brauchbar gewesen. Ronja hat viele Buntstifte in der Schreibmappe, rote, blaue, gelbe – 20 Stück sind es bestimmt. Seit dieser Woche weiß die Klassensprecherin der Grundschule Westersburg, dass die Kinder auf Sri Lanka keine Buntstifte mehr haben. Die sind einfach weggeschwommen, zusammen mit den Häusern, mit Mamas und Papas und Opas auf Sri Lanka. Ronja und die Kinder der Solinger Schule haben die Reportage über den FRIEDENSDORF-Transport gelesen. „Die Kinder wollen jetzt unbedingt etwas tun“, sagt Schulleiterin Birgit Weise. Vier Tage zuvor haut der Flugkapitän seine riesige Pranke auf die Weltkarte. „Das da“, und damit meint er in 20.000 Fuß Höhe über dem Indischen Ozean ganz Asien, ganz Afrika und ganz Europa, „ist mein Arbeitsplatz. Der bärbeißige Russe fliegt die schwere Antonov des FRIEDENSDORFES. Routine für ihn, der auch Kinder hat, die er allerdings nur drei, vier Mal im Jahr zu sehen bekommt. Am Flughafen Colombo wird abgeladen. 60 Tonnen medizinische Dinge, die bald Leben retten werden – besonders in den vernachlässigten Bürgerkriegs- gebieten. Schneller als alle anderen aus der Bundesrepublik ist die FRIEDENSDORF-Hilfe vor Ort gewesen. Als alle noch diskutierten, halfen die Friedensengel aus dem Ruhrgebiet bereits. Ganz besonders mit Hilfe dreier Kommunen. Bürger aus Städten wie Solingen, Aschaffenburg und Oberhausen können sich freuen, wirklich Menschenleben gerettet zu haben. Denn als die Hilfskonvois den Norden erreichen, wird dabei eine ganze Insel entdeckt, deren schwerstverletzte Dorfbewohner schlichtweg vergessen worden waren. Im Nordosten hindern Straßensperren die Lastwagen an der Weiterfahrt. Bürgerkrieg ist Bürgerkrieg – leider auch nach der Welle. Nur langsam geht’s vorbei an den Wassermassen, vorbei an Kirchen, Schulen, Zeltstädten, die allesamt den Flüchtlingen als Unterschlupf dienen. Hier sind die untergebracht, die immer noch nicht fassen können, was am 26. Dezember um 9.20 Uhr über sie hereinbrach. Eltern, denen die Kinder fehlen, Opas, denen die Enkel fehlen, Enkel, die gar nichts mehr haben. Zurück im kleinen Hotel an der verschonten Nordwestküste genau zum Jahreswechsel. Wer weiß, wie sie es geschafft haben, einige deutsche Touristen haben doch tatsächlich Feuerswerkskörper dabei. Und die gehen mit lautem Hallo los, gleich zwei Mal, denn durch die Zeitverschiebung darf man doppelt gutgelaunt feiern. Das Leben muss weitergehen, juchzen die einen. Die anderen sind da stiller. „Nein“, sagt der Hotelmanager und lächelt. Für ihn gäbe es in diesem Jahr kein „Burning up the money“. Aber wenn die Gäste es so wünschten, würde es ihn freuen, meint er höflich. Keiner hier wird erfahren, das er gerade 12 (!) Angehörige verloren hat – irgendwo an den Traumstränden der schönen Insel. Er lächelt weiter. Sri Lanka braucht die Touristen, um bald wieder leben zu können. Zurück in Deutschland. „Wir müssen was tun“, sagt der Verleger, nachdem er die Geschichte des Reporters gelesen hat. 30 Minuten später ist Sitzung in der Top-Etage! „Solingen hilft Sri Lanka“ wird geboren. 300.000 Euro werden zusammen kommen. Bald darauf sammelt auch schon Ronja mit ihrer Spardose für neue Buntstifte in Sri Lanka. Vielleicht, vermutet sie, tröste das die Kinder, die ihre Opas und Omas nicht mehr haben. 25 (Luanda, Angola, November 2005) Wasser ringsum, doch nie aus dem Hahn (FRIEDENSDORF, Oberhausen, Januar 2005) Wasser ist nicht überall trinkbar, dafür kann es einem manchmal gefährlich werden. Zwei kleine Elefanten Dr. Merholz gibt Mekak und Nurlan den Mund zurück Nennen Sie es Blödsinn, aber wenn ich auf einem FRIEDENSDORF-Einsatz mitfliege, habe ich immer eine kleine Flasche Wasser im Rucksack. Als Notration sozusagen - wenn keines da ist. Das beruhigt. „Pah“ werden sie sagen, „Wasser gibt es nun wirklich überall.“ Recht haben Sie – nur: Was für Wasser? Meinen Sie das Wasser, das im kleinen Hotel in Luanda aus dem Schlauch kommt? Nein, das können Sie als Europäer nicht trinken. Dann liegen Sie flach. Und schon gar nicht aus dem kleinen Bach, der daneben durch die Slums fließt. Eine Kloake, wie sie schlimmer nicht sein könnte, und dennoch spielen die Kinder darin. Hier in den Millionen-Slums wird das Trinkwasser in die Hütten geschleppt, aus Brunnen, Teichen, Schläuchen und manchmal eben auch aus dem grauen, blubbernden Rinnsal. Gerade erst im Januar 2007 kamen in Angola dann die verheerenden Regenfälle dazu und füllten die Kloaken und die Lehmhütten plötzlich mit viel zu viel Wasser. Braunes, dreckiges Wasser, verseuchtes Wasser, ein Zeug, das stinkt, das krank macht, weil es Erreger mit sich bringt. Nein, In Angola trinken alle (die es sich leisten können) abgefülltes Wasser aus Plastikflaschen. Und achten dabei immer schön auf die alten Touristenweisheiten. Kein Eis in der Limo, kein abgewaschenes Gemüse essen. Ansonsten: Boil it or forget it! Damals in Sri Lanka. Übrigens auch so ein Land, wo man Wasser dabei haben sollte. Oder eine frische Kokosnuss. Also, damals in Sri Lanka. Da hatten sie plötzlich Wasser im Überfluss. Nennen Sie es zynisch. Aber es war bald noch schlimmer als die Welle. Die kam zwar zuerst und jeder weiß, dass man Salzwasser nicht trinken kann. Aber die Brunnen an den Küsten waren plötzlich versalzen und deshalb gab es kaum noch etwas zu trinken. Eine fast intakte Logistik wie an den zerstörten Touristenstränden gab es dazu an den umkämpften Stränden von Batticaloa und Trincomalee kaum. Und dann kam auch dort an der Ostküste der starke Regen, vier Tage nach dem Wasser vom Meer, das wiederum aus dem Inland noch nicht abgeflossen war. Das Regenwasser und das Meereswasser – sie mischten sich und überschwemmten neue, größere Flächen. Das Zeug war auch nicht trinkbar. Und das Wasser, das sich nach den überschwemmten Füssen in Teichen und großen Lachen ablagerte, barg eine weitere Gefahr: Mückenlarven und mit ihnen Malaria. Und immer noch weit und breit kaum trinkbares Wasser. Mit ein Grund, warum auf der ersten FRIEDENSDORF-Maschine neben Medi-Kits Trinkwassertabletten waren. Mit ein Grund, warum man Wochen später die erste Trinkwasser-Aufbereitungsanlage im Nordosten in Dienst nahm. In Kambodscha bohren die vom FRIEDENSDORF deshalb neben jeder Basisgesundheitsstation einen Brunnen. Tief muss er sein, damit sauberes Grundwasser gepumpt werden kann. Rings herum gibt es so etwas auf den Dörfern noch viel zu wenig. Dort sieht man sie noch, die Tümpel. Kinder spielen darin, Rinder trinken darin, Enten grundeln darin und Mütter schöpfen Trinkwasser darin. Und in den Hotels stehen für den Reisenden Wasserflaschen auf den Zimmern. Weil man auch in diesem Land kein Wasser aus dem Hahn trinken kann. Niemals. Übrigens – meine kleine Wasserflasche habe ich noch nie angerührt. Aber sie beruhigt. (Solingen) Mekak und Nurlan kommen sechs Tage vor Weihnachten 2004 in die Lukas Klinik. Das ist eine gute Zeit, Betten sind eher zu haben, weil kaum ein Patient das heilige Fest im Krankenhaus verbringen will. Als einen Zustand „höchster Beglückung“ empfindet es Dr. Erich Theo Merholz, wenn er helfen kann. Der Chefarzt der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie an der Solinger Klinik hat schon mehr als 500 Kindern einen neuen Mund geschenkt. Das ist sein Verständnis von „Christ sein“. Er selbst operiert auch noch in Vietnam und Peru. Ein kleines Hilfsprojekt, das er mit seiner Gemeinde selbst auf die Beine gestellt hat. Für das FRIEDENSDORF ist er immer da, genau wie die katholische Klinikleitung, die sich trotz leerer Kassen immer noch für den „Nächsten“ mitverantwortlich fühlt. Mekak und Nurlan aus Georgien und Kasachstan sind heute die „Nächsten“ Beide leiden an LippenKiefer-Gaumenspalten (LKGS). Dass so etwas weit mehr mit sich bringt als ein zerstörtes Gesicht, kann der Kieferchirurg eindrucksvoll beschreiben: Speisen, die unweigerlich wieder aus der Nase herauslaufen, Menschen, die ihrer intakten Sprache beraubt, auch des Hörens beraubt werden und Kinder, die durch Infektionen im Mund- und Rachenraum permanent unter schmerzhaften Entzündungen leiden. „Der gemeinsame Faktor heißt ARMUT“, ist sich Dr. Merholz sicher. Die beiden Kinder seien nahe der Testgebiete der ehemaligen UdSSR groß geworden und litten genau wie Kinder in Afghanistan, Kambodscha, Vietnam und Angola unter Mangel- und Unterernährung. Kein Obst, belastetes Fleisch oder Gemüse, jeden Tag nur Hirse und Reis, das bedeute nunmal schon während der Schwangerschaft der Mutter einen eklatanten Mangel, beschreibt Dr. Merholz die Situation vom Beginn der embryonalen Phase ab. Oder Dioxin, das Teufelszeug, das die Amis als Agent Orange-Entlaubungsmittel auf Vietnam sprühten, belastet den fruchtbaren Boden dort noch in den kommenden 100 Jahren. Aus Peru kennt Merholz die Quecksilbervergiftungen bei Kindern in den Bergwerksregionen der Anden. Alles zusammen erhöht das Risiko von Gesichtsentstellungen um ein Vielfaches. Mekak und Nurlan haben sich jetzt von der Operation ein bisschen erholt und dürfen durchs Haus laufen. Das sieht lustig aus! „Wir sind zwei kleine Elefanten“, erzählen sie den verwunderten Gästen in der Cafeteria, die die Weihnachtsbesuche gerade hinter sich haben. Den beiden hängt der installierte Schlauch für die künstliche Ernährung aus der Nase. Na, ja – bald können sie ja wieder richtig essen. 27 >> Text von Volker Strommenger Gefeiert wird, wenn das FRIEDENSDORF überflüssig geworden ist…. D er 30. April 1975 war ein besonderer Tag. In Vietnam schwiegen endlich die Waffen. Ende einer 30jährigen kriegerischen Auseinandersetzung, in die Franzosen und seit Mitte der 60er Jahre auch die Amerikaner verstrickt waren und die nach vorsichtigen Schätzungen mindestens 1,5 Millionen Vietnamesen das Leben gekostet hat. Frieden: Die ganze Bedeutung des Wortes kann nur ermessen, wer den Krieg kennen gelernt hat, der den Menschen Sicherheit, Würde und das Recht auf Selbstbestimmung nimmt, der sie unfrei macht und verletzlich. Das FRIEDENSDORF in der Finanzkrise Auch fürs Friedensdorf war der 30. April 1975 ein ganz besonderer Tag: Jahre lang war die Oberhausener Hilfsorganisation im vietnamesischen Dalat tätig gewesen. Der Krieg ist aus, was wird nun aus unserer Arbeit, habe sich – verunsichert – ein Teil der Ehrenamtler gefragt. Der Krieg ist aus, es wird nicht mehr geschossen. Die Vietnamesen müssen nicht mehr leiden, freuten sich die anderen. Er selbst, so Ronald Gegenfurtner rückblickend, habe in dem Moment als die Nachricht kam nur Herrn Lang gesehen, einen alten Lehrer aus dem südvietnamesischen Erziehungsministerium, der mit zwei weiteren Kollegen die Kinder unterrichtete. „Er stand ganz still da, und seine Augen glänzten.” bringen, habe Stöbe jedoch nicht erreichen können. Es gab keine diplomatischen Beziehungen und auch keine Flüge. Und es gab einen FRIEDENSDORF-Vorstand, der von Pflegeeltern dominiert war. Stöbes Nachfolger Ambaum sah sich so zum einen mit der langfristigen Betreuung der jungen Vietnamesen und zum anderen mit einer riesigen Nachforderung der Finanzbehörde konfrontiert. 1,2 Millionen Mark wollte der Fiskus vom kleinen notorisch „klammen” FRIEDENSDORF, das nun um sein Überleben kämpfte. Gemeinsam mit Ambaum stritt Heinz Peters, im Hauptberuf Oberstudiendirektor und nebenamtlich Gemeinsam mit Helfern von der ebenfalls noch Vorsitzender des Vorstands der Aktion FRIEjungen „terre des hommes” knüpften die Ober- DENSDORF. „Er hat eine klare Linie in die Hilfshausener Kontakt nach Vietnam. Es gelang ihnen, arbeit gebracht und die Weichen hin zu jenen in Dalat eine medizinische Hilfsstation aufzuzukunftsweisenden Gleisen gestellt, auf denen bauen. Unter Extrembedingungen wurden dort wir heute noch fahren.” junge Kriegsopfer behandelt – bis die heranrückende Front diese Hilfe nicht mehr zuließ. In jenen Tagen erhielt das Dorf Besuch aus Der Rückzug nach Saigon war auch für das Düsseldorf: Der Petitionsausschuss des Landtages wollte sehen, ob und in welchem Umfang FRIEDENSDORF der letzte Schritt vor dem Rückdem FRIEDENSDORF bei der Begleichung der zug aus dem vom Krieg verwüsteten Land. Hubschrauber der Marines brachten vor dem Steuerschuld geholfen werden könne. Letztlich Fall der Stadt die Kinder und Dorfleiter Peter wurde der Teil der Schuld erlassen, den das FRIEStöbe in Sicherheit. DENSDORF ohnehin nicht hätte zahlen können – verbunden mit der Verpflichtung, die in die Jah„In den ersten Jahren wurden alle Fehler gere gekommene Hilfseinrichtung zu sanieren. macht, die eine junge Bürgerinitiative machen konnte. Doch Stöbe hatte ein hohe Toleranz. Geld gab‘s nicht, weshalb gerne das Angebot Ihm gelang es, die Hilfsarbeit zu konsolidieren”, genutzt wurde, in der zum Abriss bereit stehenerinnert sich FRIEDENSDORF-Leiter Ronald Geden Meta-Stadt Wulfen, Türen, Fenster, Sanitäreinrichtungen und Heizkörper auszubauen, genfurtner an die ersten Jahre, die er ab 1971 um sie alsbald in den Dorf-Pavillons wieder als Zivildienstleistender miterlebt hat. Das einzusetzen. Die Sanierung in Eigenregie hat Ziel, die Kinder nach medizinischer Behandnahezu zwei Jahrzehnte lang gehalten. lung und Rehabilitation zurück in die Heimat zu Rückblick: Acht Jahre zuvor, im Jahre 1967, hatten engagierte Oberhausener angesichts eines wachsenden Blutvergießens im Nahen Osten eine Bürgerinitiative der besonderen Art gegründet: die Aktion FRIEDENSDORF Oberhausen. Und sie machten sich auch sogleich daran, ein Dorf für verletzte Kinder zu erbauen. Die jungen Kriegsopfer sollten in hiesigen Krankenhäusern behandelt, dann im Dorf gesund gepflegt und schließlich in die Heimat zurückgebracht werden. Der Waffengang ging als Sechs-TageKrieg in die Geschichte ein. Das FRIEDENSDORF wurde dennoch vollendet, oben, auf dem Brink. Zeit brauchte es, bis die 100 im Dorf lebenden jungen Vietnamesen „auf eigenen Beinen” stehen konnten – Lehrstellen mussten besorgt werden und Studienplätze, Wohnungen und behindertengerechte Automobile. Und das, obschon die soziale Integration nicht direkt Satzungsauftrag der Aktion FRIEDENSDORF Oberhausen war. Doch eine Alternative gab es nicht: Die Oberhausener Vietnamesen waren längst entfremdet, als die Flüge nach Saigon und Hanoi wieder aufgenommen wurden. Jahre brauchte es, bis sich das FRIEDENSDORF – seit 1983 unter der Leitung von Ronald Gegenfurtner – wieder seiner eigentlichen Aufgabe „Hilfe für Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten” zuwenden konnte. Zunächst gelang es Gegenfurtner in Verhandlungen mit dem nordvietnamesischen Gesundheitsministerium, die Friedensdorfhilfe in Vietnam und auch die Einzelfallhilfe wieder aufleben zu lassen. Es wurde eine lange, sehr erfolgreiche Kooperation, die mittlerweile auf Kambodscha ausgedehnt worden ist. Nach umfangreichen Vorverhandlungen in den Flüchtlingslagern im pakistanischen Grenzgebiet bei Peshawar startete Gegenfurtner 1988 zum ersten Hilfseinsatz nach Afghanistan, ein Land, das nicht wie Vietnam durch eine Grenze in Nord und Süd geteilt, sondern unter „Warlords” illegal aufgeteilt worden war. Das unabhängig von politischen oder religiösen Vorgaben gemachte Hilfsangebot wurde am Hindukusch gerne angenommen – unabhängig davon, wer in Kabul gerade an der Macht war. Hilfseinsatz in Afghanistan (Fotos: NRZ Oberhausen) 29 >> Viele Freiwillige packten mit an beim Bau des FRIEDENSDORFES Doch es gibt Länder, die einst Hilfe des FRIEDENSDORFS in Anspruch nehmen mussten, die sie heute ihren Kindern selbst geben können: die Baltischen Staaten, Vietnam und Rumänien. Und es war bitter nötig, denn die großen Hilfsorganisationen hatten sich längst medienträchtigeren Krisenherden zugewandt. Parallel zu den Hilfsflügen baute das FRIEDENSDORF über die Jahre in Kabul eine Vor-Ort-Hilfe auf, das Kinderkrankenhaus und „Marastoon”. Das Farm- und Beschäftigungsprojekt, in dem vom Krieg traumatisierte Menschen Aufnahme fanden, sichert seither einen Teil des Lebensmittelbedarfs der armen Bevölkerung. Um die teuren Hilfsflüge optimal zu nutzen, wurden die Kontakte zu den südlichen Randstaaten der einstigen Sowjetunion und den FRIEDENSDORF-Partnern dort koordiniert. Auch aus Kasachstan, Usbekistan und Tadschikistan werden seither viele Kinder zur medizinischen Versorgung nach Europa geflogen. Und: Auch in diesen Ländern initiierte das FRIEDENSDORF eine gut funktionierende Hilfe zur Selbsthilfe. Viele Hundert Kinder mit entstellender Lippen-Kiefer-Gaumenspalte wurden seither operiert. Heute sieht Gegenfurtner insbesondere in Tadschikistan einen stetig steigenden Hilfsbedarf: Anders als das an Öl- und Gasvorkommen reiche Kasachstan und Usbekistan steht das Land vor extremen Problemen. Das zentralistische Industriesystem muss laufen, um die wenige noch vorhandene Arbeit zu erhalten, produziert aber unvorstellbare Umweltschäden. Geld für neue Anlagen ist nicht da, denn Tadschikistan hat nichts an Rohstoffen zu bieten. Wahrscheinlich ist deshalb, dass immer mehr missgebildete oder schwer erkrankte Kinder behandelt werden müssen. Aufrecht erhalten werden muss auch die Hilfe für die Ärmsten in den Kaukasus-Ländern Ar- menien, Georgien und Karabach. Insbesondere die seit vielen Jahren laufende BürgerpaketSpendenaktion hilft in der Bergregion vielen über den eisigen Winter. Schwierig gestaltete sich seit jeher die Vor-OrtHilfe im vom Bürgerkrieg gezeichneten Angola. Aus dem Chaos wurden aber viele Hundert Kinder zur dringend notwendigen medizinischen Behandlung nach Deutschland ausgeflogen – und angesichts der Lage wird das auch noch lange so bleiben. Roten Halbmond nach Kabul bringen, sehen sich immer größeren Gefahren ausgesetzt. Tagsüber gibt‘s Enduring Freedom und nachts die Taliban. Da bleibt ihnen nur die Dämmerung. Die Erfahrung zeigt einmal mehr: Mit Waffengewalt kann keinem Land eine soziale Demokratie „gebracht” werden. Ronald Gegenfurtner: „Die Lage am Hindukusch wäre besser, wenn die Militärausgaben in soziale Vorhaben und den Ausbau der Infrastruktur investiert worden wären.” Doch es gibt Länder, die einst Hilfe des FRIEin Anspruch nehmen mussten, die sie heute ihren Kindern selbst geben können: die Baltischen Staaten, Vietnam und sicher bald Rumänien. Und es gibt Länder, die längst diese Hilfe leisten könnten – Sri Lanka zum Beispiel – doch die immer wieder aufflammenden Konflikte zwischen Singhalesen und Tamilen machen allen guten Ansätze zunichte. Trotz wachsender Gewalt und einer möglichen „Irakisierung” wird das FRIEDENSDORF seine Hilfe am Hindukusch aufrecht erhalten. Die Helfer waren zu Zeiten der russischen Besatzer und seither unter allen anderen Machthabern vor Ort. Allerdings könnten – wie früher– Sicherheitsaspekte bei Einsätze wieder stärker in den Vordergrund rücken. Ob vor diesem Hintergrund weitere Einsätze in Syrien oder Jordanien möglich sein werden, ist sicherlich eine Frage der Kapazitäten. Doch wenn es aus dem Nahen Osten eine konkrete Anfrage gebe und ein verlässlicher Hilfs-Partner vor Ort benannt werde, dann, so Gegenfurtner „werden wir nach unseren Vorgaben und Möglichkeiten helfen”. Derzeit wird von den Botschaften der beiden Länder recherchiert, ob die Grundvoraussetzungen für diese Hilfseinsätze geschaffen werden können. Dazu zählen ein sicherer Startund Landeplatz für die von FRIEDENSDORF INTER-. NATIONAL gecharterten Flugzeuge sowie eine funktionierende Behörde, die Pässe für die verletzten oder erkrankten Kinder ausstellt, die zur Behandlung ausgeflogen werden. DENSDORFS Nicht minder deprimierend die Entwicklung am Hindukusch. Der in Kabul praktizierte Brutal-Kapitalismus ist auch deshalb so gefährlich, weil mit ihm eine Ausbeutung der Armen einhergeht. Private TV-Sender wecken heute Bedürfnisse, auch nach dem, was man gar nicht braucht. Es gibt alles zu kaufen, doch die Armen wissen morgens nicht, was ihre Kinder abends essen sollen. Das schafft Unzufriedenheit und treibt die Menschen den Extremisten zu. Doch auch die Kriminalität und die Zahl der – früher völlig unbekannten – Selbstmord-Attentate werden weiter steigen. Eltern, die heute ihre kriegsverletzten Kinder aus der Provinz zur FRIEDENSDORF-Basis beim Im westafrikanischen Sierra Leone ist diese Infrastruktur nicht vorhanden. Hoffnungen, Kindern aus diesem vom Bürgerkrieg zerstörten Land zu helfen, sind gering. Mit ihren Verletzungen würden sie einen Landtransport nach Guinea-Bissao nicht überstehen. Und auch Hilfe auf dem Wasserweg ist zu risikoreich. Aus Ghana werden dagegen wieder vermehrt Kinder ins FRIEDENSDORF kommen. Darüber hinaus gibt es Hilfsanfragen aus Nordafrika, Bitten um spezielle Einzelfallhilfen aus Südamerika und auch Anfragen aus Nepal. Das mit Millionenaufwand sanierte FRIEDENSDORF ist gut gerüstet, um 150 bis 200 Kinder in den nächsten 30 Jahren ständig zu betreuen. Etliche haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter sind in diese Hilfsarbeit eingebunden – ein „Riesenapparat”, dessen Arbeit allein durch Spenden und Mitgliedsbeiträge finanziert wird. Zwar hat das FRIEDENSDORF zwischenzeitlich eine Stiftung ins Leben gerufen, um die Einnahmen zu verstetigen. Doch das bisherige Kapital reicht dafür bei weitem nicht. Wesentlich ist deshalb, auch den Teil der Arbeit von FRIEDENSDORF INTERNATIONAL im Bewusstsein der Bevölkerung zu halten, der von den Medien nicht in spektakulären Bildern gezeigt wird. Eine Jubiläumsfeier gibt es zum 40Jährigen nicht. „Gefeiert wird, wenn das FRIEDENSDORF überflüssig geworden ist”, sagt Ronald Gegenfurtner. Doch am 6. Juli, dem Tag der Vereinseintragung, wird ein Freundschafts- und Sponsorenlauf gestartet, an dem sich FRIEDENSDORF-Freunde, Mitarbeiter und Nachbarn der Oberhausener Hilfseinrichtung beteiligen. Weltweit werden Kinder am 31. August zu ihrem Friedenslauf starten. Dieser Freitag liegt am nächsten zum „Friedens- und Antikriegstag”, mit dem an den 1. September 1939 (Einmarsch der Hitler-Truppen in Polen) erinnert wird. Ronald Gegenfurtner mit Bauplänen (Fotos: NRZ Oberhausen) 30