Die Aufwertung des Schweizer Franken

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Die Aufwertung des Schweizer Franken
1. QUARTAL 2015
Die Aufwertung des Schweizer
Franken - Gewinner und Verlierer
Der Paukenschlag kam unerwartet.
Am 15. Januar 2015 hob die Schweizer
Notenbank (SNB) völlig überraschend
den Mindestkurs von 1,20 Franken je
Euro auf und wirbelte mit der Entscheidung, sich vom Euro abzukoppeln, die
Finanzmärkte gehörig durcheinander.
Jahrelang hat sie den Franken mit EuroKäufen künstlich billig gehalten, um damit
die eigene Exportwirtschaft zu schützen.
Unmittelbar nach der Entscheidung erlebte
der Kurs des Franken einen Höhenflug,
Devisenanleger, die noch zum Zeitpunkt
des Mindestkurses in den Franken investiert hatten, konnten hohe Gewinne verbuchen. Während gut einen Monat nach
der Entscheidung in der Schweiz die Angst
vor einer Rezession wächst, hoffen Teile
der deutschen Industrie auf einen zusätzlichen Konjunkturschub. Wer wird nun
von der Franken-Aufwertung profitieren
und wer verlieren?
Zu den Gewinnern zählen auch deutsche
Arbeitnehmer, die in die Schweiz zur Arbeit pendeln. Sie haben quasi über Nacht
eine stattliche Gehaltserhöhung bekommen –
sofern sie in Schweizer Franken bezahlt
werden. Dagegen dürften die bei deutschen Verbrauchern beliebten Schweizer
Produkte wie Schokolade, Käse, Uhren
künftig erheblich teurer werden. Auch
der Urlaub in der – ohnehin schon teuren –
Alpenrepublik könnte für viele bald unerschwinglich werden. Um Kunden zu ködern,
lassen sich Schweizer Hoteliers einiges
einfallen, etwa Sonderkurse beim Frankentausch und Rabatte bei Übernachtungen
und Skikursen. Es ist aber sehr fraglich,
ob sich derartige Sonderangebote auf
Dauer aufrechterhalten lassen.
… lesen Sie weiter auf Seite 3 >
EDITORIAL
BRANCHEN FRANKEN-AUFWERTUNG
„Im Schwerpunkt des „Navigator“
gehen wir der Frage nach, wer nun von
der Franken-Aufwertung profitieren
und wer verlieren wird.“
WP ∕ STB MICHAEL HÄGER
SENIOR PARTNER
E [email protected]
INHALT
Liebe Leserin, lieber Leser,
1 BRANCHEN
FRANKEN-AUFWERTUNG
5 RECHT
GESETZGEBUNG: STOLPERSTEINE
BEIM MINDESTLOHN
6 STEUERN
FAMILIENUNTERNEHMEN:
DAS NEUE ERBSCHAFTSTEUER GESETZ 2015/16 KOMMT
INFO
Gerne übersenden wir Ihnen den „Navigator“ anstelle der gedruckten Version auch als PDF-Dokument. Sollten Sie dies wünschen, ist die Angabe
Ihrer E-Mail-Adresse erforderlich. Schicken Sie
diese bitte an [email protected]. Pünktlich zu
den Erscheinungsterminen des „Navigators“ am
Ende jedes Quartals erhalten Sie von uns eine
E-Mail mit der aktuellen Ausgabe im PDF-Format.
mit der Entscheidung, sich vom Euro
abzukoppeln, wirbelte die Schweizer Nationalbank im Januar die Finanzmärkte
gehörig durcheinander. Jahrelang hat sie
den Franken mit Euro-Käufen künstlich
billig gehalten, um damit die eigene Exportwirtschaft zu schützen. Während gut
einen Monat nach der Entscheidung in der
Schweiz die Angst vor einer Rezession
wächst, hoffen Teile der deutschen Industrie auf einen zusätzlichen Konjunkturschub. Im Schwerpunkt des aktuellen
„Navigator“ gehen wir der Frage nach, wer
nun von der Franken-Aufwertung profitieren und wer verlieren wird.
Weitere Themen
dieser aktuellen Ausgabe
Seit dem 01. Januar 2015 gilt ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von
8,50 Euro brutto je Zeitstunde für das ganze
Bundesgebiet. Das ist die Kernaussage des
Mindestlohngesetzes. Arbeitgeber sind
gefordert, sich mit ihren neuen Pflichten
vertraut zu machen, da das Gesetz zahlreiche Ausnahmen und Tücken enthält.
Schließlich wagen wir einen Ausblick,
wie das neue Erbschaftsteuergesetz aussehen könnte.
Es grüßt Sie
< … Fortsetzung Titelgeschichte
Keine Folgen für deutsche Anleger
Ein böses Erwachen gab es auch für Verbraucher, die Kredite in Schweizer Franken
aufgenommen und dieses Risiko nicht abgesichert haben. Infolge der FrankenAufwertung erhöhten sich die Kreditraten
quasi über Nacht um 20 Prozent. Nach
Angaben der Bundesbank sind Privatpersonen in Deutschland mit Verbindlichkeiten in Franken von über sieben
Milliarden Euro betroffen. Den FrankenKrediten haftete schon vor Jahren der Ruf
eines riskanten Investments an, durch
ihre niedrigen Zinsen waren sie für viele
Verbraucher dennoch attraktiv. Auch in
Polen und Ungarn haben zahlreiche Privatpersonen Immobilienfinanzierungen in
Schweizer Franken abgeschlossen. Die
Betroffenen müssen die gestiegenen
Raten für Zins und Tilgung jetzt zum
höheren Franken-Kurs zurückzahlen.
Weiterhin gelten rund 25 Kommunen in
Deutschland, die Fremdwährungskredite
aufgenommen haben, als Verlierer der
jüngsten Euro-Kursverluste.
Dagegen hatte die Franken-Aufwertung
bislang keine negativen Auswirkungen auf
deutsche Anleger, die Aktien in der Schweiz
halten. Im Gegenteil: Bei den drei größten
Titeln Nestle, Novartis und Roche
waren die Währungsgewinne deutlich größer als die Kursverluste. Auch bei künftigen
Dividendenzahlungen würden deutsche
Aktionäre vom starken Schweizer Franken
profitieren. International aufgestellte Unternehmen sind für Anleger daher auch
weiterhin ein attraktives Investment. Ein
Grund dafür: Unternehmen, die Produktionsstätten rund um den Globus haben,
sind in der Regel nicht so stark von Wechselkursturbulenzen betroffen. Das Erfolgsrezept lautet „Natural Hedge“, zu Deutsch
„natürliche Absicherung“. Damit ist gemeint: Globale Player wie Nestle verkaufen
ihre Waren nicht nur in aller Welt, sondern
produzieren im Idealfall auch vor Ort.
Auf diese Weise sind sie vor Währungsverlusten weitgehend geschützt. Denn wenn
etwa Geld in US-Dollar eingenommen
wird, kann das in den USA auch direkt
wieder für Löhne und Material verwendet
werden. Dagegen dürften exportorientierte
Schweizer Firmen, die ausschließlich in
der Alpenrepublik produzieren, wie etwa
der Uhrenhersteller Swatch, wegen der
Frankenaufwertung in Bedrängnis geraten.
Denn Exportgüter werden nun auf einen
Schlag erheblich teurer, und zwar nicht
nur in der Eurozone. Auch im Verhältnis
zu anderen wichtigen Währungen, wie
Dollar, Yen oder Pfund verteuerte sich der
Franken um rund ein Fünftel.
„Der Kreditschuldner muss
den höheren Franken-Kurs
wohl oder übel akzeptieren
- und in Euro oder lokaler
Währung entsprechend
mehr leisten. Allerdings
muss in Deutschland eine
Bank unter Umständen für
eine Fehlberatung haften,
wenn die Risikobelehrung
des Darlehensnehmers
unzureichend war.“
DR. GUIDO HARDTMANN
ASSOCIATE PARTNER
E [email protected]
Extra-Konjunkturprogramm
für deutsche Unternehmen?
Unmittelbar nach der Entscheidung der
SNB frohlockte die deutsche Wirtschaft.
So sprach der Chefvolkswirt des Deutschen
Industrie- und Handelskammertages,
Alexander Schumann, bereits von einem
Extra-Konjunkturprogramm – etwa für
die deutsche Tourismuswirtschaft in der
laufenden Wintersaison sowie Automobilund Maschinenbauer.
Zumindest kurzfristig dürfte die Tourismusbranche zum Hauptgewinner des
Franken-Bebens werden. Da der Urlaub
in der Schweiz für viele Winterurlauber
unerschwinglich werden dürfte, werden
viele Touristen auf die grenznahen Gebiete
in Deutschland oder Österreich ausweichen. Auch deutsche Einzelhändler in
Grenznähe dürfen sich auf noch mehr Kunden aus der Schweiz freuen. Es ist allerdings
davon auszugehen, dass sich nach einiger
Zeit der Einkaufstourismus wieder
beruhigen wird, wenn die Preise sich dort
auch erhöhen werden.
Profitieren könnten auch deutsche Autound Maschinenbauer. Wer seine Waren in
der Schweiz anbietet, kann auf einmal fast
20 Prozent billiger verkaufen. Ein warmer Frühling also für die Maschinen- und
Autobauer? Zumindest für die Automobilindustrie rechnet Klaus Schaldt, Branchenexperte Automotive bei Warth & Klein
Grant Thornton, mit einem Auftragsplus.
… lesen Sie weiter auf Seite 4 >
„Der aufgewertete Franken
und der aktuell starke USDollar sind zusätzliche
Konjunkturspritzen für die
deutschen Hersteller. Ich
rechne damit, dass sich Käufer
aus der Schweiz in den
nächsten Wochen verstärkt
für deutsche Fahrzeuge
entscheiden werden.“
WP ⁄ STB KLAUS SCHALDT
ASSOCIATE PARTNER
E [email protected]
2 Navigator 01/2015
01/2015 Navigator 3
BRANCHEN FRANKEN-AUFWERTUNG
RECHT GESETZGEBUNG
„Insbesondere exportorientierte Unternehmen sollten
jetzt unbedingt Mechanismen zur Kurssicherung in ihre
Vertragsbeziehungen einbauen.“
Stolpersteine beim Mindestlohn
WP ⁄ STB KLAUS SCHALDT
ASSOCIATE PARTNER
E [email protected]
DR. GUIDO HARDTMANN
Für den Maschinenbau warnt Nicole Steinbach, Branchenexpertin an unserem Standort
Stuttgart vor zu großer Euphorie: „Entscheidend ist, wie die Schweizerische Wirtschaft den Schock verkraftet und ob jetzt
auch tatsächlich gekauft wird. Denn die
Aufwertung des Franken trifft nicht nur die
Schweizer Exporteure, sondern alle dort ansässigen Produzenten, da sie sich auch im
eigenen Land dem Preiswettbewerb aus dem
Euro-Raum stellen müssen. Die weitere
Entwicklung bleibt hier abzuwarten. Zudem ist zu bedenken, dass sich Maschinenbauer – und andere Branchen wie etwa
Chemie & Pharma – gleichzeitig auf Margendruck einstellen müssen.“
ASSOCIATE PARTNER
E [email protected]
ÜBERSICHT
INSTRUMENTE ZUR
WÄHRUNGSSICHERUNG
DEVISENTERMINGESCHÄFTE
WP ⁄ STB NICOLE STEINBACH
SENIOR MANAGER
E [email protected]
Ein gängiges Instrument sind Devisentermingeschäfte. Dabei vereinbart eine Firma den
Tausch bestimmter Währungen zu einem bestimmten Zeitpunkt und einem bestimmten
Kurs. Ist die Währung dann weniger wert als
in dem Geschäft angenommen, hat sich das
Unternehmen gegen Verluste abgesichert. Ist
sie mehr wert, geht ihr zwar ein zusätzlicher
Ertrag verloren, aber das ist dann die Konsequenz der Absicherung.
Der Grund:
Die Importe aus der Schweiz werden nun
teurer. Im Jahr 2013 importierte Deutschland Waren im Wert von 38 Milliarden Euro
aus dem Nachbarland, fast ein Drittel davon
sind Maschinen und Pharmazeutika.
Herausforderung Kursrisiko
Werden Währungsrisiken jetzt unkalkulierbar? Diese Frage haben aktuelle Entwicklungen wie das „Franken-Beben“ und
auch der Rubel-Verfall in Russland international agierenden Unternehmen drastisch
vor Augen geführt. Einige Instrumente
haben wir nachfolgend Sie zusammengestellt. Für alle Fragen rund um ein geschäftliches Engagement in der Schweiz
stehen wir als Ansprechpartner gerne zur
Verfügung.
SWAPS
Beim Währungsswap einigen sich zwei Unternehmen für einen bestimmten Zeitraum und
nach einem vorher festgelegten Ablaufplan zur
gegenseitigen Übernahme von Kapital und
Zinsen, die auf unterschiedliche Währungen
lauten. Bei Abschluss des Swaps werden die
Kapitalbeträge zu einem Wechselkurs getauscht, der auch für die Rückzahlung bei Fälligkeit
des Swaps maßgeblich ist. Währungsswaps ermöglichen durch ihre Laufzeit von bis zu zehn
Jahren eine langfristige Kurssicherung über
die an den Devisenterminmärkten üblichen
Fristen hinaus.
VERSICHERUNGEN
FORFAITIERUNG
Bei der Forfaitierung werden die Forderungen
gegenüber ausländischen Kunden aus dem Exportgeschäft an Banken und Forfaitierungsgesellschaften verkauft. Dadurch kann das Währungsrisiko eingeschränkt werden, da das
Kreditinstitut oder die Forfaitierungsgesellschaft das Wechselkursrisiko übernimmt. Diese
Variante ist jedoch recht teuer.
4 Navigator 01/2015
Unternehmen können sich Währungsrisiken
auch über spezielle Versicherungen absichern.
Staatliche Versicherungen sind meist Bürgschaften und Garantien des Bundes, die exportorientierten Unternehmen bei Auslandsgeschäften gewährt werden können. Zudem haben
sich einige private Versicherer auf die Absicherung des Währungsrisikos spezialisiert, beispielsweise die Euler Hermes-Versicherung.
Der Mindestlohn gilt seit Beginn dieses
Jahres bis auf wenige Ausnahmen, wie etwa
Zeitungszusteller, flächendeckend.
genannte Scheinselbstständigkeit vor, die
bei Entdeckung in eine Arbeitnehmertätigkeit umqualifiziert wird und für den
Arbeitgeber auch finanzielle Konsequenzen hat.
Der Mindestlohn gilt nicht, wenn ein
Auftrag komplett vom Ausland aus erledigt
wird. Das hat der Europäische Gerichtshof
im Vorjahr entschieden (Aktenzeichen
C-549/13). Demnach darf bei der Vergabe
öffentlicher Aufträge der in Deutschland
geltende Mindestlohn nicht auf Unternehmen in anderen EU-Ländern erweitert
werden. Wenn beispielsweise ein Auftrag
in Ungarn ausgeführt wird und die dortigen Lebenshaltungskosten nicht einbezogen werden, ist die deutsche Vorgabe
eines Mindestentgelts unverhältnismäßig.
Wichtig:
Die Konsequenz:
Das MiLoG gilt auch dann, wenn der Ehegatte und/oder die Kinder im (Familien
Betrieb mitarbeiten. Unternehmer, die Ehegattenverhältnisse nutzen, sollten die Vorgaben des Gesetzes also unbedingt beachten.
Der Mindestlohn muss allen Arbeitnehmern über 18 Jahren gezahlt werden. Vorsicht ist bei Praktikanten geboten: Hier gilt
die Faustregel: Pflichtpraktika von Schülern,
Studenten oder Personen in der Berufsausbildung, die maximal drei Monate dauern,
sind vom Mindestlohn ausgenommen. In
allen anderen Fällen muss auch der Praktikant mindestens 8,50 Euro pro Stunde
als Lohn erhalten. Konkret also bei Praktika, die länger dauern und wenn diese freiwillig sind. Arbeitgeber sollten bestehende
Praktikantenverträge also umgehend überprüfen.
Bietet das Unternehmen den Beschäftigten an, in die „Selbstständigkeit“ zu
wechseln, um den Mindestlohn zu umgehen, kann dies zum Stolperstein werden.
Wird der Arbeitnehmer ausschließlich
für ein Unternehmen tätig, liegt eine so
Der Mindestlohn ist bei einer Auftragsdurchführung durch das ungarische Subunternehmen nicht anzuwenden.
Seit dem 1. Januar 2015 gilt ein
flächendeckender gesetzlicher
Mindestlohn von 8,50 Euro brutto je
Zeitstunde für das ganze Bundesgebiet.
Das ist die Kernaussage des Mindestlohngesetzes (MiLoG). Arbeitgeber
sind gefordert, sich mit ihren neuen
Pflichten vertraut zu machen, da bei
deren Verletzung in vielen Fällen ein
Bußgeld droht.
Doch Vorsicht: Es gilt, zahlreiche
Ausnahmen und Tücken zu beachten,
um nicht in die Mindestlohnfalle zu
tappen.
Das bedeutet:
Der bei einem Subunternehmer beschäftigte Mitarbeiter kann sich bei Insolvenz
des Subunternehmers direkt an den Auftraggeber wenden, ohne vorher „seinen“
Arbeitgeber in Anspruch nehmen zu müssen.
Unternehmer, die sich bei der Erfüllung
ihrer Aufträge Subunternehmer bedienen,
müssen also sicherstellen, dass diese das
MiLoG einhalten.
… lesen Sie weiter auf Seite 6 >
„Auch wenn
Familienmitglieder im
Betrieb mitarbeiten,
gilt der Mindestlohn.“
RA ELKE FALLINER
E [email protected]
Wichtig:
Der Mindestlohn von 8,50 Euro gilt als geschuldeter Arbeitslohn pro Zeitstunde.
Findet die Zollverwaltung eine geringere
Lohnzahlung vor, setzt sie den Mindestlohn für die Ermittlung der Arbeitnehmeranteile in allen Zweigen der Sozialversicherung an. Dieser zu schuldende Lohn
ist für die Abgabepflicht maßgeblich, nicht
der tatsächlich gezahlte.
Große Vorsicht ist bei der Einschaltung
von Subunternehmern geboten, da das
MiLoG eine Subsidiärhaftung enthält.
Wird bei Fremdvergabe von Aufträgen
der Subunternehmer insolvent, so haftet
der Auftraggeber für Subunternehmer des
Auftragnehmers wie ein Bürge, der auf die
Einrede der Vorausklage verzichtet hat,
sollten diese gegen das Mindestlohngesetz
verstoßen.
01/2015 Navigator 5
RECHT GESETZGEBUNG
STEUERN FAMILIENUNTERNEHMEN
< … Fortsetzung Seite 5
Neue Aufzeichnungspflichten
„Bei Verstößen drohen
neben Nachzahlungen
der Beiträge zur
Sozialversicherung auch
Geldbußen bis zu 500.000
Euro.“
Der Gesetzgeber hat neue Aufzeichnungspflichten geschaffen. Für folgende Personengruppen müssen seit Beginn dieses Jahres
Beginn, Ende und Dauer der täglichen
Arbeitszeit aufgezeichnet und mindestens
zwei Jahre aufbewahrt werden:
•Minijobber
(Ausnahme: Privathaushalte),
• kurzfristig Beschäftigte gemäß § 8 Absatz 1 SGB IV,
• Arbeitnehmer in den in § 2a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannten Wirtschaftszweigen. Dies sind unter
anderem das Bau-, Gaststätten-, Personenbeförderungs- und Logistikgewerbe.
Diese Aufzeichnungen müssen spätestens
bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der
Arbeitsleistung folgenden Kalendertags
vorliegen. Unklar ist, in welcher Form die
Aufzeichnungen erfolgen müssen, da das
Gesetz hierzu keine klaren Vorgaben macht.
Unseres Erachtens ist davon auszugehen,
dass technische Dokumentationen nicht
erforderlich sind, sondern handschriftliche
Aufzeichnungen ausreichen.
Beschäftigt das Unternehmen so genannte Mini-Jobber, ist darauf zu achten,
dass diese auch weiterhin als geringfügig
Beschäftigte gelten können. Denn wurde
diesen bisher ein niedrigerer Stundenlohn
als 8,50 Euro brutto gezahlt, besteht die
Gefahr, dass nun mit dem zu zahlenden
Mindestlohn die Schwelle von 450 Euro
brutto im Monat überschritten wird. Die
Vorteile eines Minijobs fallen dann weg.
Wenn dies vom Arbeitgeber nicht berücksichtigt wird, drohen bei der nächsten
Prüfung der Sozialversicherungsträger
Nachzahlungen. Die Sozialversicherungsträger gehen vom gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn aus („fiktiver Lohn“
oder „Phantomlohn“). 2015 darf ein Minijobber monatlich höchstens 53 Stunden
arbeiten, um die Verdienstgrenze nicht zu
überschreiten.
6 Navigator 01/2015
Das neue Erbschaftsteuergesetz
2015/16 kommt …
… aber wie es genau aussieht,
weiß derzeit niemand.
RA ELKE FALLINER
E [email protected]
Dies ist auch nicht überraschend, da die
Erbschaftsteuer eine hochgradig politische
Steuer ist. Die Privilegierung des Betriebsvermögens im Vergleich zum so genannten
Privatvermögen bei der Erbschaftsteuer ist
nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 17. Dezember 2014 verfassungswidrig. Die bisherigen Vorschriften
sind zunächst weiter anwendbar. Der Gesetzgeber ist aufgerufen, bis spätestens zum
30. Juni 2016 eine Neuregelung zu schaffen.
Das höchste deutsche Gericht hat ausdrücklich betont, dass ab dem 17. Dezember 2014
kein Vertrauenstatbestand auf den Fortbestand des derzeitigen Rechts mehr besteht.
Jedoch geht niemand von einer vollumfänglichen Rückwirkung aus. Die fast 50 Seiten
lange Begründung des Gerichts ist zugleich
mögliches Korsett der Neuregelung.
Bei Verstößen drohen folgende
Sanktionen:
• Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge mit der beschränkten
Möglichkeit des Arbeitgebers, Regress
gegen den Arbeitnehmer zu nehmen)
sowie
• Geldbußen bis zu 500.000 Euro wegen
ordnungswidrigem Verhalten,
• bei Verstößen gegen Meldepflichten
oder fehlender Mitwirkung bei Prüfungen können Geldbußen bis zu 30.000
Euro verhängt werden,
• insbesondere in der Baubranche ist zu
beachten, dass ein Verstoß gegen das
MiLoG zum Ausschluss von öffentlichen Aufträgen führen kann.
• Schließlich kann der Arbeitnehmer in
aller Regel einen Lohnzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber bezüglich der Differenz gerichtlich einklagen.
RA ⁄ WP ⁄ STB ⁄ FASTR THOMAS R. JORDE
PARTNER
E [email protected]
PRAXISHINWEIS
Unternehmen müssen - um das mögliche
künftige Liquiditätsrisiko besser einpreisen zu
können - jetzt zeitnah eine Status-Feststellung
machen. Hierzu sollten zwei Fragen geprüft
werden: Erstens: Was ist mein Unternehmen
wert und zweitens: Welche Steuern würden
anfallen, wenn heute ein Übertragungsfall
eintritt. Man wird einige Grundparameter
als sicher annehmen können. Vor dem
Hintergrund einer möglichen Verschärfung
sollten Unternehmer ihre Struktur prüfen und
in Abstimmung mit einem Berater überlegen,
ob man handeln soll oder noch warten kann.
Letztere Alternative dürfte allerdings die
Ausnahme sein.
Die möglichen Änderungen:
Die Privilegierung betrieblichen Vermögens ist insbesondere unverhältnismäßig,
soweit sie über den Bereich kleiner und
mittlerer Unternehmen bzw. inhabergeführter Unternehmen hinausgreift. Bei allen
anderen soll eine so genannte Bedürfnisprüfung eingeführt werden. Das Problem: Was
ist ein „kleines“ und was ist ein „großes“
Unternehmen? Und wie soll eine Bedürftigkeit geprüft werden? Bei der ersten Frage
sprechen einige Anzeichen dafür, dass der
Gesetzgeber eine Freigrenze einführen wird.
Das BVerfG hat die Grenze bei 100 Millionen Euro gesetzt. Die Politik spricht jetzt
aber teilweise schon von „nur“ 20 Millionen Euro. Innerhalb dieser Bandbreite
wird wohl eine Lösung gefunden, ab dem
Grenzbetrag ist künftig eine Bedürfnisprüfung vorzunehmen, die darüber entscheidet, ob Steuern anfallen.
Ebenfalls unverhältnismäßig ist die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Einhaltung einer Mindestlohnsumme. Hier wird entweder die
Grenze auf rund zehn Mitarbeiter gemindert oder – hier zeigt sich, wie schnell
man das Kinde mit dem sprichwörtlichen
Bade ausschütten kann – alle Betriebe
erfasst werden, die mehr als eine Million
Euro wert sind.
Auch Gestaltungen im Bereich des Verwaltungsvermögens sind verfassungswidrig. Vereinfacht ausgedrückt: Nach Auffassung des BVerfG kann es nicht sein,
dass „über“ einen Betrieb 49 Prozent Privatvermögen („böses“ Verwaltungsvermögen)
transferiert werden und so begünstigtes
Vermögen entsteht, etwa in Form einer
„Cash GmbH“, mit der Konsequenz, dass
dieses Vermögen auf diese Weise nicht besteuert wird. Hier wird es zu einer neuen
Abgrenzung zwischen Betriebs- und Privatvermögen kommen, die äußerst schwierig zu finden ist.
Was tun?
Nach den bei Redaktionsschluss vorliegenden Informationen könnten die Pläne
von Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble (CDU) für eine Reform wesentlich schärfer ausfallen als bisher erwartet.
Die Bedürftigkeitsgrenze von „Großunternehmen“ soll wie oben gesagt bei 20
Millionen Euro je Erwerb liegen. Zudem
soll es sich um eine Freigrenze handeln.
Das würde bedeuten: Die Steuer würde in
voller Höhe fällig, wenn es keinen Grund
für eine Verschonung gibt – selbst wenn
der Betrieb weitergeführt und die Arbeitsplätze erhalten werden. Auch soll künftig
das Privatvermögen der Erben in die
Bedürfnisprüfung einfließen.
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