Film 2012/2 - HAW Hamburg

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Film 2012/2 - HAW Hamburg
Mein Auslandssemester an der
California State University, Long Beach (CA)
2012/2013
Kathrin Enghusen
[email protected]
Vorbereitung
Wer ein Semester im Ausland verbringen möchte, hat an der HAW dank der
Partnerhochschulen sehr leicht die Möglichkeit dazu. Natürlich muss man sich erst
einmal überwinden und die Bewerbung angehen – meistens das größte Hindernis!
Aber im Vergleich zu einem selbstorganisierten Auslandssemester macht uns die
Hochschule das ganze ziemlich leicht und vor allem bezahlbar. Mir hat zum Beispiel
das Motivationsschreiben auch selbst geholfen, da man sich wirklich klar werden
muss, warum man das eigentlich machen möchte. Da zudem in den letzten Jahren
das Bewerber-Plätze-Verhältnis ziemlich günstig war, stehen die Chancen
genommen zu werden echt gut.
Wenn man also den ganzen Bewerbungsmarathon erfolgreich absolviert hat, geht’s
an die Reisevorbereitung. Da sollte man rechtzeitig mit beginnen, sonst wird’s am
Ende – wie bei mir – stressig und chaotisch. Also sobald die Unterlagen aus Long
Beach da sind, Visum beantragen! Das ganze macht man online und das ist nicht
wirklich übersichtlich, da muss man sich einen Nachmittag in Ruhe hinsetzten. Man
zahlt eine Anmeldungsgebühr, eine Visa-Gebühr und eine sogenannte Sevis-Gebühr
(dabei wird man auf eine externe Seite geleitet). Ich habe den Fehler gemacht, die
Sevis-Gebühr irgendwie zu übersehen und musste mir einen neuen Termin beim
Konsulat holen (auch noch in Frankfurt, da in Berlin schon alle Termine weg waren).
Selbstorganisation hilft. Um Flug und Unterkunft solltet ihr euch am besten auch
frühestmöglich kümmern. Dabei am besten erst einmal nur den Hinflug buchen oder
darauf achten, dass man eine Umbuchoption hat! Wer weiß, was sich alles so ergibt,
und da man sich nach Ende des Semesters noch 30 Tage in den USA aufhalten darf,
ist das eine super Möglichkeit zu reisen.
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CSULB
Die California State University Long Beach – oder kurz: The Beach – hat den
zweitgrößten Campus in Kalifornien und etwa 36 000 Studierende und bietet so
ziemlich jeden erdenklichen Studiengang an. Um eine Vorstellung der Campusgröße
zu bekommen: Man braucht zu Fuß mindestens 20 Minuten vom einen Ende des
Campus zum anderen zu gelangen, deswegen verkehren auch Campus Shuttles auf
dem Gelände. Der Campus ist schön grün, hat viele Rasenflächen und es gibt Kaffee
an jeder Ecke; gerade in den warmen Monaten ist es kein Problem hier auch mal ein,
zwei Freistunden zu verbringen. Die Campuskultur ist in den USA definitiv eine
andere als in Deutschland. Man identifiziert sich sehr stark mit seiner Uni (die Hälfte
der Studenten läuft in CSULB-Pullis und -Shirts herum) und man verbringt oft ganze
Tage auf dem Campus, auch wenn man keine Vorlesung hat, es gibt auch zahlreiche
Computer-Arbeitsplätze in der Bibliothek. Der Campus ist fast wie eine kleine Stadt.
Es gibt zum Beispiel auch ein Fitnesscenter mit allem was man sich so vorstellen
kann - Geräte, Kurse, Spielfelder - und ist für Studenten umsonst. Zu Anfang des
Semesters ist besonders viel los, da sich Studentengemeinschaften und Clubs
präsentieren. Im Zentrum gibt es den sogenannten food court, eine Ansammlungen
von Fast Food Restaurants, wo die meisten der Studenten Mittag essen. Für
Vegetarier eine ziemlich maue Auswahl, aber im „Nugget Grill and Pub“ (eine Art
Campus-Kneipe) gibt es relativ gutes Essen, sogar einen ziemlich guten Veggie
Burger! Außerdem kann man hier abends auch gut ein Bierchen trinken. Ansonsten
gibt es noch die dining halls, die schon eher einer Mensa entsprechen. Dort essen
die Studenten, die auf dem Campus wohnen, aber auch wenn man off Campus
wohnt kann man dort essen gehen. Da die meisten Fimvorlesungen auf dem auf dem
Südcampus stattfinden und die dining halls im Norden liegen, hat man oft allerdings
gar nicht die Zeit dort hinzugehen. Im Zweifel macht aber auch ein Frappucino erst
einmal satt und ist in den Sommermonaten unschlagbar.
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Betreuung
Sobald man seinen Platz an der CSULB sicher hat, bekommt man Emails vom
International Office mit Informationen und Tipps (sowohl für die Uni als auch Anreise,
Wohnen, etc.). Man hat also schon vorher
einen Ansprechpartner bei allen
erdenklichen Fragen. Aber die meisten Dinge klären sich sowieso von selbst, wenn
man erstmal da ist. In der Woche vor Semesterbeginn findet dann die Orientierung
für die International Students statt. 2012, als ich mein Studium an der Cal State
begonnen habe, hat das Team im International Office gerade gewechselt, das ist
vermutlich der Grund dafür dass eigentlich gar keine weiteren Veranstaltungen außer
der Einführung am Montag in der Orientierungswoche angeboten wurden, das fand
ich etwas enttäuschend. Aber da es viele Internationals gibt, organisiert eigentlich
immer irgendjemand irgendetwas, so dass man trotzdem leicht Kontakt zu anderen
Studenten findet (z.B. über die facebook-Gruppe). Außerdem hält die International
Student Association (ISA) regelmäßig Treffen ab und organisiert Aktivitäten. Bei
Problemen und Fragen ist außerdem immer jemand im Internation Office, der einem
weiterhelfen kann.
Es lohnt sich auf jeden Fall in der Woche vor Semesterbeginn schon einmal den
Campus
kennenzulernen
und
die
Möglichkeiten
von
Freizeitaktivitäten
auszuchecken. Ein guter Anlaufpunkt ist die Student Union (und außerdem eine
Orientierungshilfe, da man sich auf dem Campus durchaus verlaufen kann!).
Bei vorlesungsbedingten Fragen kann man in die Sprechstunden der Dozenten
gehen. Es ist in den USA absolut üblich diese nutzen (oder den Prof außerhalb der
Sprechstunden abzufangen) um Fragen zum Stoff oder seinen Noten zu stellen, eine
Dozentin im Theaterdepartment bot sogar an auch „einfach mal zum Teetrinken“
vorbeizukommen. Persönlicher Kontakt zwischen Studenten und Dozenten ist also
durchaus üblich und erwünscht und die meisten Professoren reden gerne und viel.
Dabei wird man als internationaler Student in den Vorlesungen genauso behandelt
wie alle anderen, und auch genauso bewertet. Das empfand ich als sehr angenehm
und die Integration war absolut problemlos. Falls man dennoch einmal Hilfe braucht
gibt es genügend Anlaufstellen.
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Film-Department
Das Film-Department an der Cal State ist eher klein, aber dafür herrscht eine sehr
entspannte, familiäre Atmosphäre. Man kennt sich untereinander, viele Professoren
kennen einen mit Namen und lassen sich selbst auch mit Vornamen ansprechen. Die
Vorlesungsräume befinden sich meist in den Liberal Arts Gebäuden auf dem
Südcampus. Die Vorlesungsräume sind relativ klein, aber die Kurse haben auch
meist Schulklassengröße, deshalb reicht das vollkommen. Allerdings gibt es
meistens keine Tische, sondern nur Stühle mit Klapptischen, das ist schon recht
nervig, da dort gerade mal ein Block hinpasst und die Stifte herunterrollen. Einige
Räume haben außerdem gar keine Fenster, dafür ist die Klimaanlage voll aufgedreht.
Während man es draußen also bei 40° also kaum aushält, friert man drinnen in
Shorts und T-Shirt und muss sich immer was zum Drüberziehen mitbringen. Die
spinnen, die Amis.
Es gibt zwei kleine Produktionsstudios, sowie die Möglichkeit, Equipment
auszuleihen, eigentlich ähnlich wie an der HAW. Von den beiden Studios habe ich
eins relativ gut kennengelernt. Das Studio ist für Multiple-Camera-Shoots eingerichtet
und verfügt über einen kleinen Regieraum mit Bildmischer. Es lässt sich dort ganz
gut arbeiten, allerdings mangelt es an einigen Stellen an Ordnung und Organisation.
Die Studenten arbeiten anscheinend meistens nach dem Trial and Error Prinzip und
lernen durch Ausprobieren. Das ist in vielen Belangen angenehm aber erzeugt eben
auch manchmal Chaos. Dafür freuen sie sich umso mehr über organisierte, technisch
versierte deutsche Austauschstudenten!
Kurse
Das Filmdepartment bietet viele verschiedene Kurse an, sowohl eher praktische, in
denen man Projekte absolviert, als auch rein theoretische. Die amerikanischen
Studenten haben zwei verschiedene Abschlussmöglichkeiten (Theory and Practice of
Cinema oder Narrative Production), aber theoretisch kann jeder jeden Kurs belegen,
auch departmentübergreifend. Ich habe z.B. einen Kurs im Theaterdepartment
besucht (dann aber abgebrochen). Es lohnt sich auf jeden Fall sich auch in anderen
Departments umzusehen.
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Im Filmdepartment werden die meisten Kurse jedes Semester angeboten, allerdings
nicht alle. So gab es zum Beispiel zwei Kurse, die ich in meiner Bewerbung
angegeben hatte, nicht und die drei anderen waren parallel oder überschneidend, so
dass ich letztlich nur einen Kurs hatte den ich ursprünglich gewählt hatte. Aber dank
der großen Auswahl ist es eigentlich überhaupt kein Problem neue Kurse zu finden.
Da die Kursbeschreibung online sehr knapp ausfällt, weiß man vorher sowieso kaum
was einen erwartet. In der ersten Vorlesungswoche ist es sinnvoll möglichst viele
Kurse zu besuchen und sich gegebenenfalls erst dann zu entscheiden oder noch
einmal umzuentscheiden. In jeder Vorlesung wird zu Beginn ein so genannter
Syllabus ausgeteilt, das ist so was wie ein Fahrplan fürs Semester. Darauf steht dann
genau, welche Leistungen wann erbracht werden müssen und oft sogar schon die
Themen für die einzelnen Vorlesungen. Das gibt einen guten Überblick und man
kann einschätzen was einen erwartet. Wenn man doch noch einmal den Kurs
wechseln möchte ist das meistens kein Problem, sogar wenn dieser schon voll ist
oder man die nötigen Vorraussetzungen nicht erfüllt. Man geht dann einfach zum
jeweiligen Professor und erklärt ihm warum man den Kurs gerne machen möchte. Ich
habe das in zwei Fällen so gemacht und es hat wunderbar geklappt, auch wenn die
Mitarbeiterin im International Office mir vorher gesagt hat, dass das eigentlich nicht
geht. Die Professoren freuen sich eher über Austauschstudenten und bieten einem
gerne einen Platz in ihrem Kurs an. Dann wird der Kurs im Onlinesystem myCSULB
freigegeben und man kann sich einschreiben. Dort kann sich auch in den ersten
Wochen wieder abmelden. Also sollte man sich zu Beginn lieber ein paar mehr Kurse
raussuchen; ich war zu Beginn in sechs Kursen eingeschrieben, habe dann aber
zwei gedroppt und hatte das Minimum von vier Kursen (=12 CP).
Dadurch, dass es keinen vorgeschriebenen Studienplan gibt, muss man seinen
Stundenplan komplett selbst planen und aufpassen dass es keine Überschneidungen
gibt, etc. Außerdem sieht man in jeder Vorlesung andere Gesichter. Das ist eigentlich
sehr nett, da man mit unterschiedlichen Leuten in Kontakt kommt. Außerdem werden
viele Projekte auch kursübergreifend durchgeführt (der Editing-Kurs schneidet das
Material vom Production-Kurs, etc.).
Ich habe letztlich vier Kurse im Filmdepartment belegt. Zeitlich hätte ich sicher auch
ein, zwei mehr geschafft, aber da man auch neben der Vorlesung Zeit für jeden Kurs
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einplanen muss und ich oft am Wochenende Trips unternommen habe, war ich auch
mit meinen vier Kursen schon recht gut ausgelastet.
Vorlesungen laufen hier etwas anders als in Deutschland ab, insgesamt sind sie
sehr viel schulischer; die Dozenten kennen ihre Studenten mit Namen und halten
seminaristischen Unterricht ab; Mitarbeit erwünscht. Für viele Vorlesungen muss
man sich Bücher kaufen oder ausleihen. Die Note setzt sich meistens zusammen
aus:
-
Anwesenheit und Beteiligung: In fast allen Veranstaltungen gibt es eine
Anwesenheitspflicht die auch kontrolliert wird, so dass man z.B. wenn man
öfter als zweimal fehlt einen Notenabzug bekommt. Außerdem ist es
erwünscht, dass man sich aktiv an der Vorlesung beteiligt. Gerade als
internationaler Student kann man da auch immer Fragen stellen, wenn man
etwas nicht versteht. Insgesamt kann man den Vorlesungen aber sehr gut
folgen, auch wenn man mal ein, zwei Worte nicht versteht.
-
Prüfungen: Meistens gibt es zwei Prüfungen im Semester, einmal zur Halbzeit
(Midterm) und eine abschließende (Final). Oft sind das Multiple Choice Tests.
-
Quiz: Es gibt in einigen Vorlesungen angekündigte sowie unangekündigte
Tests, die Stoff aus der vorigen Woche oder aus dem Kursbuch abfragen. In
einigen Kursen muss man Tests online bearbeiten. Als Plattform dient das
Beachboard, ein Forum in dem Professoren Unterlagen hochladen und man
auch Kontakt zu anderen Kursteilnehmern herstellen kann.
-
Hausaufgaben: Neben dem Lesen gibt es in vielen Kursen Essays oder
Projekte einzureichen.
Die Elemente können natürlich variieren, je nach Kursart und Professor.
Die Vorlesungszeiten sind über den ganzen Tag verteilt, so kann es schon mal
vorkommen das man bis 10 Uhr abends in der Uni sitzt. Außerdem sind die
Vorlesungen oft länger, als wir es gewohnt sind. Davon sollte man sich aber nicht
abschrecken lassen, da es während der Vorlesung meist entspannter zugeht und
Filme
gesehen
werden,
so
dass
auch
eine
6-Stunden-Vorlesung
locker
durchzustehen ist.
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Meine Kurse
FEA 380 Documentary History & Theory (Jerry Mosher)
Diesen Kurs hatte ich mir vorher nicht ausgesucht, sondern bin einfach mal
hingegangen weil er gut in meinen Stundenplan passte. Letztlich war es aber sogar
einer meiner liebsten Kurse und ich habe viel über Dokumentationen gelernt; die
verschiedene Formen, kulturellen und technologischen Einflüsse, Stilmittel und
Methoden im Laufe der Filmgeschichte. Es werden die Probleme der Darstellung von
Wahrheit, Objektivität, persönlichem Stil und Moral besprochen und analysiert. Mir
war vorher nicht so sehr bewusst dass auch eine Dokumentation eine Kunstform
ist/sein kann, und welche Rolle der Filmemacher spielt.
Jerry Mosher ist ein sehr netter Dozent, und im Gegensatz zu vielen anderen
amerikanischen Professoren (die eben keine gelernten Lehrer sind, sondern aus
dem Business kommen) hält er die Vorlesungen sehr systematisch ab. Jede Woche
wird eine Dokumentation gesehen und analysiert.
Prüfungsleistung sind Midterm und Final (gut zu schaffen, wenn man in der
Vorlesung mitarbeitet und die vorgegeben Texte liest), sowie drei Essays. Für die
Essays kriegt man jeweils eine Auswahl von Dokumentationen, aus denen man sich
eine zum Bearbeiten heraussuchen kann. Das ist sehr angenehm, da man relativ frei
arbeiten kann und eigene Meinung und Denkansätze gefragt sind.
FEA 314 Theatrical Film Symposium (Gary Prebula)
Dieser Kurs fand abends im campuseigenen Kino statt. In dem Kurs ging es vor
allem um das Filmbusiness; wie läuft das da eigentlich alles? Was macht welcher
Producer, woher kommt das Geld, wo geht es hin, etc. Die wichtigen Informationen
verpackt Gary Prebula gerne in Anekdoten und Geschichten, da muss man schon
aufpassen, dass man alles mitbekommt, dafür wird es nicht langweilig und man
bekommt einen guten Überblick. Die tatsächliche Vorlesung ging meistens nur eine
bis eineinhalb Stunden, dann wurde ein Film gesehen und danach mit jemandem,
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der an diesem Film mitgearbeitet hat, diskutiert. Es wird vorher nicht verraten welcher
Film gezeigt wird, manchmal sind das neue Hollywoodfilme, die noch nicht im Kino
laufen, aber manchmal auch Filme von Absolventen mit sehr unterschiedlicher
Qualität. Das textbook für diese Veranstaltung ist das Magazin „Hollywoodreporter“
(ja das ist ungefähr genau so ein Klatschblatt nach dem es klingt!), das jeder Student
abonnieren muss. Als Prüfungsleistung gibt es zwei Essays über gesehene Filme zu
schreiben und diese auf verschiedene Punkte hin zu analysieren. Im Prinzip hat man
dabei völlige Freiheit, Prebula geht es nicht um Form, sondern um eigene Meinung
und Kreativität. Am Ende des Semesters gibt es einen Multiple Choice Test, der es
bei uns ganz schön in sich hatte – aber wenn man immer anwesend war und gute
Essays geschrieben hat, muss man sich da keine Sorgen über seine Note machen.
Insgesamt ein sehr unterhaltsamer und entspannter Kurs!
FEA 415 Media Editing (Jack Tucker, ACE)
Eigentlich wollte ich den Advanced Editing Kurs belegen (Quasi die Fortsetzung von
FEA 415), da dieser in meinem Semester aber nicht angeboten wurde, habe ich mich
für Media Editing entschieden und bin darüber im Nachhinein auch zufrieden. In
diesem Kurs wird ganz von vorne angefangen und somit lernt man über das gesamte
Semester viel theoretisches, organisatorisches und historisches Wissen, was ich als
sehr hilfreich in der Analyse von Filmen sowie auch in der praktischen Anwendung
empfinde.
Der zeitliche Aufwand von diesem Kurs – 6 Stunden Vorlesung am Stück, und dann
auch noch bis 22 Uhr – wirkt vielleicht abschreckend, aber durch die Aufteilung in
jeweils 2 Stunden Vorlesung, 2 Stunden praktische Arbeit im Videolabor und 2
Stunden Film gucken ist das gut durchzustehen. Jack Tucker ist ein ziemlich
schräger Kauz, aber wenn man sich erst einmal an seine rauen Sprüche gewöhnt
hat, ist er eigentlich sehr nett und hilfsbereit, ich bin jedenfalls wunderbar mit ihm
ausgekommen. Interessant war auch die Exkursion in die Deluxe Laboratories in
Hollywood.
In der Vorlesung gibt es oft angekündigte oder unangekündigte Minitests, aber nach
meiner Einschätzung dienen diese eher zur Selbsteinschätzung als zur Bewertung.
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Ansonsten gibt es das übliche Exam, zwei Szenen die man in Zweierteams mit Avid
schneiden muss, sowie ein Essay über einen Editor. Die praktischen Übungen
dienen dabei eher dazu mit Avid vertraut zu werden, aber auch wenn man schon
Erfahrungen im Schnitt hat, ist dieser Kurs lohnenswert. Die Pflichtlektüre In the blink
of an eye (Walter Murch) ist übrigens auch unabhängig davon empfehlenswert für
jeden, der sich fürs Schneiden interessiert.
FEA 337 Digital Arts Production (Christopher Cain)
FEA 337 befasst sich mit Konzepten und Techniken von visuellen Effekten und
Animationen in der Produktion digitaler Medien. Eigentlich ist dieser Kurs theoretisch
ausgelegt, Professor Chris Cain ist aber bemüht alles möglichst anschaulich und
praktisch zu gestalten. Dadurch ist die Vorlesung oftmals etwas chaotisch, aber auf
jeden Fall nicht langweilig. Je nach Vorwissen muss man dann zu Hause die Theorie
nach- und vorarbeiten und die Aufgaben bearbeiten (das technische Wissen hat man
als HAW-Student größtenteils sowieso schon aus VTP1 drauf).
Die praktischen
Aufgaben werden hauptsächlich mit Photoshop und Adobe After Effects bearbeitet,
da hängt der Aufwand natürlich von eigenen Vorkenntnissen ab. Insgesamt
können/dürfen/sollen die Studenten in diesem Kurs sehr selbstverantwortlich
arbeiten. Chris Cain ist sehr entspannt und kommunikativ und hält sich wenig an
seinen eigenen Vorlesungsplan. Eigentlich sind zum Beispiel drei Tests über das
Semester verteilt vorgesehen, bei uns war es dann letztlich nur einer, da Exkursionen
und ein spontaner Green Screen Shot dazwischen gekommen sind. Man kommt
vermutlich auch ohne großen Aufwand durch diesen Kurs, aber wenn man motiviert
ist und eigene Ideen umsetzen möchte, kann man hier viel mitnehmen! Neben den
kleinern Projekten und Gruppenarbeiten, steht am Ende ein Projekt, bei dem den
Studenten eigentlich völlige Freiheit gelassen wird.
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Wohnen in Long Beach
Eine Frage die man sich nicht zu spät stellen sollte: Wo und wie will ich wohnen?
Zum einen gibt es die Möglichkeit direkt auf dem Campus in den Dorms zu wohnen.
Das ist zwar mit dem geringsten Aufwand verbunden, allerdings ist das sehr teuer,
man teilt sich das Zimmer mit mindestens einer Person und bekommt sein Essen in
den dining halls. Da ich auf jeden Fall mein eigenes Zimmer und die Möglichkeit
selbst zu kochen wollte, kam das für mich nicht in Frage.
Ich habe also versucht vor der Anreise ein Zimmer zu finden, dabei bietet sich die
offizielle Off-Campus-Housing-Seite der CSULB (csulb.och101.com) an oder
natürlich craigslist. Auf facebook gibt es außerdem eine Gruppe für die international
students, da werden auch oft Zimmer, Möbel, Fahrräder, etc angeboten. Bei craigslist
ist das Problem, dass jeder alles reinstellen kann, aber man erkennt relativ schnell,
was fake ist und was nicht. Ich habe also fleißig Bewerbungen geschrieben und
endlich ein Zimmer gefunden, das mir allerdings einen Tag vor der Anreise wieder
abgesagt wurde. Das ist natürlich das Risiko bei selbstorganisierter Zimmersuche,
aber sicher nicht die Regel. Ich habe also die erste Woche in Long Beach zuerst im
Motel und dann mit Couchsurfing verbracht. Ich muss aber sagen, dass das gar nicht
so schlecht war, da vor Ort suchen ja immer leichter ist, und ich durch die
Wohnungsbesichtigungen auch gleich Stadt und Menschen kennengelernt habe.
Zumal man sich so ein eigenes Bild von den „guten“ und „schlechten“ Gegenden
machen kann. Allgemein kann man sagen, dass man östlich der Cherry Avenue auf
der sicheren Seite ist, aber das ist nur ein grober Anhaltspunkt, man kann irgendwo
in einer ruhigen Wohnstraße sein, einen Block weitergehen und sich im Ghetto
befinden. Die schönste Gegend zum Wohnen ist vermutlich Belmont Shore oder
Downtown. Das merkt man aber am Preis. Ich habe letztlich in der Circle area
gewohnt, das war auch ok, aber die Grenze von $500 die ich mir zuerst für die Miete
gesetzt hatte, konnte ich letztlich nicht einhalten, es sind sogar $700 geworden, dafür
aber möbliert, mit Internet, etc. Außerdem konnte ich die Uni super mit dem Fahrrad
erreichen. Wer viel Bus fährt, sollte auf jeden Fall darauf achten eine vernünftige
Anbindung zur Uni zu haben, das kostet sonst extrem viel Nerven und Zeit.
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Leben in Long Beach
Long Beach ist die zweitgrößte Stadt nach LA im Großraum Los Angeles und hat
eine halbe Million Einwohner. Außer in Downtown hat sie aber eher Kleinstadtflair, da
sie sehr weitläufig ist und in den Wohngebieten ruhige Straßen und niedrige Häuser
hat. Die größte Attraktion in Long Beach ist der zweitgrößte Hafen der USA und die
Queen Mary, das Schwesterschiff der Titanic. Ein großer Pluspunkt ist natürlich die
Lage direkt am Pazifik, da Long Beach aber als der dreckigste Strand Kaliforniens
gilt, sollte man hier nicht unbedingt ins Wasser hüpfen. Aber am Strand liegen oder
Joggen ist auch schon schön. Zum Schwimmen empfiehlt es sich ein paar Meilen
nach Seal Beach oder Huntington Beach rauszufahren. Wo wir schon beim größten
Problem
wären:
Ohne
Auto
kommt
man
nicht
weit.
Das
öffentliche
Nahverkehrssystem hat ja größtenteils keinen besonders guten Ruf in den Staaten
und das zu Recht! Das ist sehr schade, wenn man erzählt dass man zu Fuß läuft
oder Rad fährt, wird man von den meisten Amis entgeistert angeguckt. Dafür ist das
Benzin spottbillig, Umweltschutz was ist das? Nach LA kann man immerhin mit der
Metro fahren, in Long Beach gibt es allerdings nur Busse, und die verkehren ziemlich
unzuverlässig. Immerhin kann man sie mit dem Studentenausweis kostenlos nutzen.
Ich hatte das Glück ein Fahrrad von meiner Mitbewohnerin nutzen zu können,
ansonsten würde ich aber auch empfehlen eins zu kaufen, da es die Fortbewegung
in Long Beach wesentlich entspannter macht als ewiges Warten auf den Bus.
Außerdem kann das richtige Aussteigen zum Glückspiel werden, da die Haltestellen
nicht angesagt werden und die Straßen typisch amerikanisch schachbrettartig
angeordnet sind, so dass der Bus oft ewig geradeaus fährt - und da soll man dann
die richtige Querstraße abpassen. Natürlich kann man sich auch ein Auto kaufen,
was tatsächlich viele Austauschstudenten tun, aber ich würde empfehlen darauf zu
verzichten, da man für Wochenendtrips sehr günstig Autos mieten kann – oder
einfach Freunde mit Auto hat – und der Stress des Kaufens und Wieder-verkaufenmüssens wegfällt.
Die Menschen in California sind meistens sehr freundlich und aufgeschlossen. Klar
kann man das auch als amerikanische Oberflächlichkeit bezeichnen, aber small talk
auf der Straße und ungefragte Zubereitungstips vom Supermarktkassierer gehören
absolut zum amerikanischen Lebensgefühl, und ich war für jedes freundliche Gesicht
dankbar, wenn ich mich mal wieder irgendwo verlaufen habe.
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Das Nachtleben in Long Beach hat sein Zentrum in Downtown und in der Second
Street. Das Konzept der meisten Bars habe ich nicht so recht durchschaut, da die
Musik zu laut für Unterhaltungen ist, aber auch niemand tanzt. Was mir aber sehr
gefallen hat war, dass er viel Livemusik gibt, meistens ohne Eintritt. Allerdings sind
Drinks meistens recht teuer und dann ist da natürlich auch noch die Sperrstunde..
Die wird strikt eingehalten, um viertel vor 2 geht überall das Licht an und die Musik
aus (durchaus überraschend, wenn man um die Zeit normalerweise erst auf dem
Kiez ankommt). Natürlich fahren dann auch keine Busse mehr, also bleibt nur Taxi
oder Fußweg. Generell wird einem abgeraten, nachts allein durch die Gegend zu
laufen, aber wenn man sich nicht gerade in einer „bad area“ befindet, halte ich das
für kein Problem. Ich bin jedenfalls auch nachts zu Fuß gelaufen und habe mich nie
unsicher gefühlt, dafür aber die Bekanntschaft von Opossums und Stinktieren
gemacht!
Fußläufig konnte ich zwar nicht Downtown erreichen aber wenn man sich ein
bisschen umsieht findet man auch vereinzelte Bars in anderen Gegenden, wie bei
mir das Iguana Kelley’s (dienstags Bier für $1!) und Alex’s Bar, meine Lieblingsbar,
die ein wenig an den Hamburger Berg erinnert (und wer True Blood guckt, fühlt sich
eh wie zu Hause).
Man muss sich also an den Wochenenden in Long Beach nicht langweilen, allerdings
gibt es in der Umgebung so viele Möglichkeiten für Trips, dass man als
Austauschstudent sowieso kaum ein Wochenende in der Stadt verbringt: LA, San
Diego, Las Vegas, San Francisco, die Nationalparks, der Grand Canyon, und vieles
mehr. Ich muss sagen ich war wirklich froh darüber, dass ich nur drei Tage die
Woche (Montag bis Mittwoch) Uni hatte, die waren zwar sehr vollgepackt, aber dafür
hatte ich vier Tage frei und wenn man zum Beispiel den Highway 1 an der Küste
nach San Francisco hoch fährt – was man unbedingt tun sollte – ist schonmal ein
Tag für die Fahrt weg.
Zwar hätte ich gerne einen Segelkurs an der Uni gemacht, der wäre aber freitags
gewesen und aufgrund der Anwesenheitspflicht hätte ich dann viele Ausflüge einfach
nicht machen können. Eine andere Möglichkeit ist natürlich auch, die vollen 30 Tage
Aufenthaltsrecht vor und/oder nach dem Semester zum Reisen zu nutzen. Wenn
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denn das Geld reicht! Abgesehen von den Zusatzausgaben für Ausflüge ist das
Leben in CA nämlich auch nicht ganz billig.
Kosten
Wie schon erwähnt sollte man für die Miete eher etwas mehr einplanen, außerdem
für Lebensmittel, wenn man sich nicht nur von Fast Food ernähren möchte, das es
spottbillig und an jeder Ecke zu finden gibt. Ich habe meistens selbst gekocht, und
frische Lebensmittel im Supermarkt stellen einen schon manchmal vor Fragen wie:
Brauche ich jetzt wirklich eine Gurke oder ist das nicht ein bisschen dekadent für
$2,50? Günstigeres (und meistens frischeres) Obst und Gemüse kann man auf den
farmers’ markets kaufen, so etwas wie Wochenmärkte.
Klamotten und viele elektronische Geräte sind dafür billig, plant also lieber einen
zweiten Koffer für den Rückflug ein!
Da ich mit meiner deutschen Kreditkarte kostenlos Geld im Ausland abheben kann,
habe ich kein amerikanisches Konto eingerichtet, ansonsten ist das empfehlenswert,
da sonst unnötig Gebühren anfallen. Ohne Kreditkarte kommt man sowieso nicht
weit, in den USA ist das bargeldlose Bezahlen vollkommen etabliert, da zahlt man
auch seinen Kaffee mit Kreditkarte. Das ist schön einfach – zumal man mit den
amerikanischen Münzen immer ziemlich herumrechnen muss – allerdings muss man
ein bisschen aufpassen, dass man seine Ausgaben im Überblick behält.
Wer ein Auslandssemester in Amerika plant, kann also davon ausgehen mit weniger
Geld zurückzukommen, aber gerade die Trips die man in und um California machen
kann, sind es allemal wert.
Das Stipendium, das ich von der HAW erhielt, betrug insgesamt 1200E, das deckt in
etwa Flug und Visumskosten ab. Zusätzlich kann man auch Auslands-BAföG
beantragen (dort gelten andere Bestimmungen als für das normale BAföG), da muss
man sich allerdings sehr rechtzeitig drum kümmern!
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Fazit
Für mich war es wichtig, ein anderes Land und seine Kultur kennenzulernen, sowohl
die guten als auch die schlechten Seiten. Das ist mir rundum gelungen, außerdem
habe ich viele Dinge in der Heimat erst jetzt so richtig zu schätzen gelernt.
Einfach die Gewissheit zu haben, man kommt auch woanders gut zurecht lässt einen
irgendwie entspannter in die Zukunft blicken.
Ich habe viele Erfahrungen sowohl an der Uni als auch in meiner Freizeit gesammelt,
und einige großartige Erlebnisse gehabt, wie zum Beispielt das Hardly Strictly
Bluegrass Festival im Golden Gate Park in San Francisco.
Insgesamt war mein Auslandssemester an der CSULB eine interessante und
lehrreiche Zeit und ich bin glücklich, dass mir die HAW diese Erfahrung möglich
gemacht hat!
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CSULB
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Long Beach
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