STUDIENARBEITEN MASTERKURS EEW.bbM.11
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>> STUDIENARBEITEN MASTERKURS EEW.bbM.11 KOMMUNALE ENERGIEKONZEPTE 2012 2 INHALT Inhalt 04 Energiepolitik in Kufstein // Martin Tschurtschenthaler 08 Gemeinde Kundl // Yvonne Lässig 13 Kurzprofil der Gemeinde Virgen // Günther Rainer 16 Nahwärmenetz in Steinbach an der Steyr // Lukas Hausmann 17 Neumarkt in Südtirol // Stefan Unteregger 20 Energiekonzept der Gemeinde Erstfeld // Kristin Wachinger 24 Entwicklung der Fernwärmeversorgung in Traunreuth (Deutschland) // Johannes Seitner 27 Energielandschaft der Gemeinde Morbach // Sinem Akdag 30 Energieeinspar-Contracting für die Straßenbeleuchtung in Dormagen // Jürgen Hürner 32 Bioenergiedorf Jühnde // Alexandros Kiesler KUFSTEIN Vorwort Die hier veröffentlichten Studienarbeiten zum Thema „Kommunale Energiekonzepte“ sind im Rahmen der Vorlesung „Projektentwicklung Energieanlagen I (T)“ des Masterstudienganges „Europäische Energiewirtschaft“ entstanden und in diesem Dokument unverändert zusammengefasst. 3 4 Überblick über die Stadtgemeinde Kufstein Die Stadtgemeinde Kufstein liegt im Nordosten Tirols an der Grenze zu Deutschland und ist mit 17.400 Einwohner und einer Fläche von 39,4 km 2 die zweitgrößte Stadt Tirols. Als Hauptstadt des gleichnamigen Bezirks befinden sich im Gemeindegebiet zentrale Versorgungseinrichtungen, wie das Bezirkskrankenhaus, mehrere höher bildende Schulen und diverse Verwaltungseinrichtungen. Als Fachhochschulstadt werden in Kufstein 11 Bachelor- sowie 6 Masterstudiengänge angeboten und verleihen Kufstein ein internationales und junges Image. Als Grenzstadt liegt Kufstein an der wichtigen Nord-Süd Transitroute von Deutschland nach Italien. Kufsteins Wahrzeichen ist die 1205 erbaute Festung, die lange als Grenzschutz gegen die Bayerischen Nachbarn fungierte und heute als Museum und Veranstaltungsgelände genutzt wird. Nicht vergessen werden darf das berühmte Kufsteinlied, welches die Stadt am grünen Inn und Perle Tirols weit über die Grenzen hinaus bekannt machte. Die Gebäudestruktur in Kufstein ist vorwiegend von Wohngebäuden geprägt, neben Kleingewerbe und Handelsgebäuden finden sich jedoch auch Industriebauten im Gemeindegebiet. Die bekanntesten sind die Firma Riedel Glas, die Firma Pirlo, welche sich auf die Erzeugung von Aluminiumdosen spezialisiert hat und die in letzter Zeit, aufgrund eines Insolvenzverfahrens negativ in den Schlagzeilen befindende Skifirma Kneissl. Der energiepolitische Weg in Kufstein Die Stadtgemeinde Kufstein versucht seit Jahren Akzente und wichtige energierelevante Maßnahmen setzen. Seit dem Jahr 1980 werden beispielsweise die Energieverbräuche der gemeindeeigenen Gebäude in einem Controlingkatalog erfasst. Ein wichtiger Schritt zur Wärmebereitstellung war die Inbetriebnahme der Fernwärme im Jahr 1979. Die beo1:g!rÄ7h€!G9Hw!Ö!2!~pT!U!!p Abbildung 1: Die Festung Kufstein ist das Wahrzeichen der Stadtgemeinde und wird heute als Museum und Veranstaltungszentrum genutzt. KUFSTEIN 5 Abbildung 2: Biomasse Heizkraftwerk in Kufstein, Quelle: Stadtwerke Kufstein Aufgaben und Ziele des e5-Programms Das e5-Programm ist neben Tirol A++ eine Aktion für energieeffiziente Gemeinden. In Österreich gibt es bis heute 80 Kommunen, welche an diesem Programm teilnehmen, betreut werden diese von den jeweiligen Energieagenturen der Bundesländer. Der Verein Energie Tirol betreut als unabhängige Beratungsstelle die 13 e5 Gemeinden in Tirol. Grundlegende Idee des Programms ist die selbständige Weiterentwicklung der Gemeinden durch Strukturierung und kontinuierliche Qualitätssicherung so genannter Audits. Als ersten Schritt bedarf es eines Gemeinderatsbeschlusses zur Festlegung einer aktiven Umsetzungsgrad 25% 37,5% 50% 62,5% 75% Abbildung 3: e5 Auszeichnungen nach Umsetzungsgrad, Quelle: Energie Tirol Erreichte "e" Politik für Klimaschutz, energieeffizient und erneuerbarer Energien. Ein e5 Team aus den Reihen der Gemeinde steht als Ansprechpartner zur Verfügung und erstellt gemeinsam mit dem Betreuer von Energie Tirol die geplanten Projekte und Vorhaben. Alle drei bis vier Jahre werden diese von einer unabhängigen Kommission in einem Audit bewertet. Ähnlich einem "Hauben Prinzip" bei Restaurants werden je nach Umsetzungsgrad den Gemeinden ein bis fünf "e" verliehen. in sechs Handlungsfeldern und 84 Maßnahmen werden insgesamt 500 Bewertungspunkte vergeben, welche die Stärken und Schwächen der jeweiligen Gemeinde aufzeigen sollen. Die Auszeichnung erfolgt nach Umsetzungsgrad und wird nachfolgend dargestellt. Dies Stadtwerke Kufstein Die Stadtwerke Kufstein wurden im Jahr 1894 als "Städtische Wasserleitungsanstalt" gegründet. Bereits wenige Jahre später kam der Aufgabenbereich als regionaler Stromversorger hinzu. Das Versorgungsgebiet reicht über die Grenzen Kufsteins hinaus und beträgt rund 160 km 2, in denen 13.600 Kunden versorgt werden. Der Stromverbrauch liegt dabei bei rund 141 GWh. Seit der Atomkatastrophe in Fukushima setzen die Stadtwerke Kufstein vermehrt auf erneuerbare Energien. Mit dem neuen Produkt Öko Plus ist es möglich, Energie aus 100% Kleinwasserkraftanlagen zu beziehen. Dazu dienen die eigenen Kraftwerke Sparchen und Weissach, sowie das Trinkwasserkraftwerk Theaterhütte. Alle anderen Kunden der Stadtwerke Kufstein können jeoch auch auf einen klimaschonenden Strommix setzen. Die Stromkennzeichnung 6 laut § 78 Abs. 2 ELWOG gibt den Anteil an verschiedenen Primärenergieträgern, auf deren Basis die gelieferte elektrische Energie erzeugt wird und sieht bei den Stadtwerken Kufstein folgendermaßen aus (Produkt FairPlus Privat): Wasserkraft Windenergie feste und flüssige Biomasse Erdgas sonstige Ökoenergie ENTSO-E 82,46 % 3,69 % 3,69 % 9,04 % 1,12 % 0,00 % Radioaktiver Abfall CO2 Emissionen 0,00 g/kWh 39,78 g/kWh Zudem sind die Stadtwerke in der zentralen Wärmeversorgung tätig, Ende der 70er Jahre wurde das Fernwärmenetz gebaut, seither wird es kontinuierlich erweitert, sodass heute rund 60% der Kufstein Haushalte an die Fernwärme angeschlossen sind. Geleistete e5-Maßnahmen in Kufstein Eine der wichtigsten Maßnahmen zur Umsetzung des e5 Programms in Kufstein, war die Umstellung der Fernwärme auf ein Biomasse Heizkraftwerk. Im Jahr 2001 wurde dazu eine Abbildung 4: Ergebnis der letzten offiziellen e5-Audits im Jahr 2009 Absichtserklärung unterzeichnet, seit 2003 wird in Kufstein aus Hackschnit KUFSTEIN Man sieht, dass die Stärken Kufsteins vor allem in der Ver- und Entsorgung, Mobilität und bei den kommunalen Gebäuden zu finden sind. Hier spiegeln sich die deutlichen Aktivitäten durch Fernwärmeversorgung, Stadtbus und Energiebuchhaltung. Optimierungspotenzial besteht in Kufstein vor allem in der Entwicklungsplanung, Raumplanung, aber auch in der internen Organisation und Kommunikation, Kooperation. Der starke Verlust in der Entwicklungsplanung wird auf das Fehlen des bis 2005 bestandenen Aktivitätenprogramm zurückgeführt. Darin gab es jährliche Programme zur Umsetzung der Energieplanung. Diese Aktivitätenprogramme sind ein großes Potenzial für weitere Audits. Zusammenfassung und Reflexion Die Stadt Kufstein ist mit ihrer Energiepolitik eine der aktivsten Gemeinden Tirols und kann sich mit mehreren Auszeichnungen und Zertifizierungen krönen. Das Paradeobjekt in Kufstein ist sicherlich das Biomasse-Heizkraftwerk. Dennoch gilt es sicherlich, diese politischen Aktivitäten kritisch zu hinterfragen. So wird das Heizkraftwerk stromgeführt, was bedeutet, dass sich die Laufzeit nicht nach dem Wärmebedarf richtet. Dies führt im Sommer oft zum Problem, dass die erzeugt Abwärme nicht genutzt werden kann und abgeleitet wird. Ein weiterer Kritikpunkt besteht in der Kontinuität der Aktivitäten. Wurden zu Beginn des e5-Programms 1999 noch jährliche Audits durchgeführt, so schlief die Bereitschaft energiepolitische Maßnahmen zu setzen ab dem Jahr 2004 ein wenig ein. Seit Umstellung der Fernwärme konnten lange Zeit keine maßgebenden Akzente mehr gesetzt werden. Hier gibt es sicherlich Potenziale zur Verbesserung. Das e5-Programm mit seinen sechs Schwerpunkten zeigt sehr deutlich die noch zu verbessernden Maßnahmen. Sollte Kufstein ein weiterhin aktives Bestreben zu einer Umweltschonenden Klimapolitik zeigen und diese auch aktiv durchführen, so ist es sicherlich möglich in geraumer Zeit das fünfte e zu erreichen und sich damit in den Kreis der besten Klimagemeinden Österreichs einzureihen. Verwendete Quellen: Stadt Kufstein www.kufstein.at Stadtwerke Kufstein www.stwk.at Bioenergie Kufstein www.bioenergie-kufstein.at/ Energie Tirol www.energie-tirol.at Autor: Martin Tschurtschenthaler, EEW.bbM.11 Abbildung 5: Luftbild der Stadt Kufstein, Quelle: Google Earth 7 8 KUNDL Gemeinde Kundl Eckdaten zur Gemeinde Die Tiroler Marktgemeinde Kundl ist im Inntal zwischen der Wildschönau und dem Kienberg auf 527m Meereshöhe gelegen. Die wirtschaftliche Relevanz der Gemeinde begann im 15. und 16. Jahrhundert durch den Abbau der Bodenschätze Silber, Kupfer und Kobalt, die anschließend im "Kundler Ofen" verarbeitet wurden. Heute ist Kundl vor allem als industrieller Standort für Pharmazie (Sandoz) und Produktion (Lindner Traktorenwerke) bekannt. Die ansässige Industrie bringt nicht nur Arbeitsplätze für die Region. Durch die Abwärmenutzung der Sandoz-Werke kann Kundl auf über 16 Jahre Fernwärmenutzung zurückblicken. Der Fokus auf alternative Energiequellen geschah hier lange bevor der Begriff "Energie-Wende" politisches Programm wurde. Fernwärmenutzung in Kundl Seit 1995 wird in Kundl Fernwärme installiert und genutzt. Als Quelle dient die Abwärme der ansässigen Firma Sandoz bei der Düngemittel Trocknung und Betriebsluft-Kühlung. Zu diesem Zweck wurde über die Gemeinde eine Fernwärmegesellschaft gegründet, die mit Investition, Ausbau und Kundenservice betraut ist. Zwischen 1995 und 2009 wurden etwa 11 Millionen Euro für die Bereitstellung der Fernwärme benötigt. Davon mussten 6 Millionen Euro durch die Gesellschaft selbst investiert werden, die in den Jahren durch Einnahmen aus der Fernwärmenutzung zurückerwirtschaftet werden. Mittlerweile sind etwa 500 Objekte an das Fernwärmenetz angeschlossen. Dies macht einen Anteil von 70% der Bevölkerung aus. Das Netz weist eine Länge von über 24 km auf und ist sternförmig gebaut. Die Einspeisung findet am Rand des Netzes statt. Dort wird die Abwärme aus der erdgasbasierten Dampferzeugung eingespeist. 85% der Abnehmer sind private Haushalte. Öffentliche Gebäude, Industrie und Tourismus wirken jeweils im einstelligen Prozentbereich. Die Abnahme ist stark saisonal: Eckdaten Fläche Einwohnerzahl Meereshöhe Gebäude Bevölkerungsdichte 2.193 ha 4.209 527 m 1.027 192 E./km² Abbildung 6: Kundler Wappen, Eckdaten Quellen: Marktgemeinde Kundl, Energie Tirol Im Sommer werden nur 2.000 MWh genutzt, während im Winter 10.000 MWh hauptsächlich für den Raumwärmebedarf benötigt werden. Ressourcenpotential Seit Beginn im jahr 1995 stehen für die Abwärmenutzung sechs Trockner im Bereich der Düngemittelproduktion zur Verfügung. Daraus ergibt sich eine Gesamtleistung von 7,2 MW. Die Trockner sind im ganzjährlichen Dauerbetrieb, sodass zu jeder Zeit die geforderte Wärmemenge für das Fernwärmenetz bereitgestellt werden kann. Trotz der saisonalen Schwankungen sollten Fernwärmeanlagen generell eine derartige Kontinuität aufweisen. Sofern dies aufgrund der technischen Bedingungn nicht möglich ist, müssen zusätzliche Aggregate zugeschaltet werden, die evtl. auf Kosten der Wirtschaftlichkeit zusätzliche Wärmemengen produzieren. In Kundl können die Trockner je nach Wärmebedarf zugeschalten werden. Die Wärmeerzeugung daraus beträgt 21.000 MWh pro Jahr. Die Wärmeabnahme liegt derzeit bei 16.000 MWh, wenn die Mengen aus Sommer und Winter addiert werden. Bei etwa 14% Netzverlusten (geschätzt) bleiben 18.060 MWh von den 21.000 MWh zum maximalen Verbrauch. Es bestehen also noch Anschlussmöglichkeiten für Verbraucher in Höhe von 2060 MWh. Bei einem Durchschnittsverbrauch von 19,5 MWh pro Jahr (130 kWh/m² im Jahr und durchschnittliche Wohnfläche von 150 m²) können noch etwa 100 Haushalte an das Netz angeschlossen werden. Zudem besteht neben den Trocknern ein Dampfwärmetauscher mit 5 MW Leistung. Die bereitgestellte Leistung und das Ressourcenpotential ist demnach ausreichend für die Fernwärmeversorgung des Dorfes. Kritische Betrachtung Abbildung 7: Verteilung der Anschlussnehmer in Kundl Quelle: Bucar, G. et al (2006) Die Nutzung industrieller Femwärme erweist sich als sinnvoll, da überschüssige Wärme für Heizzwecke genutzt werden kann. Die KUNDL Industrieprozesse können dabei als stabile Ressource angesehen werden. Außerdem substituiert die Fernwärme heimische Rohstoffe, wie Holz. Zudem kann gezielt auf importierte Primärenergieträger, wie Heizöl, verzichtet werden. In 2007 hätte die verbrauchte Menge an Fernwärme bei 80% angeschlossener Haushalte etwa 1,75 Millionen Liter Heizöl entsprochen. Komplementär erfolgt dadurch auch eine geringere Schadstoffbelastung für die Umwelt, da beispielsweise der CO2 Fußabdruck des Dorfes verringert wird. (Quelle: sandoz) Die Abnehmerdichte und der entsprechende Ausbau des Netzes kann ein Problem bei der effektiven Nutzung der Fernwärme darstellen. Sofern kein Bedarf bei der Bevölkerung besteht (bspw. hoher Anteil an Neubauten mit eigenen Heizungsanlagen) oder die Netzkosten die Wirtschaftlichkeit übersteigen, besteht die Gefahr, dass ein derartiges Projekt nicht umgesetzt werden kann. Im Fall von Kundl wurde dies vorbildlich umgesetzt, da die Anschlussquote ein hohes Interesse seitens der Bevölkerung vermuten lässt. Durch die Nähe der Industrie zu den Abnehmern können gleichsam die Netzverluste gering gehalten werden (siehe Abbildung 8). 9 Im Vergleich zu anderen österreichischen Fernwärmeprojekten liegen Arbeits- und Anschlusspreis mit 0,06 €/kWh und 4.700 € über dem Durchschnitt. Die verhältnismäßig geringe Größe der Gemeinde mit etwa 4.200 Einwohnern kann die höheren Preise rechtfertigen, um eine entsprechende Wirtschaftlichkeit der Investitionen erreichen zu können. Eine prüfende Berechnung ergibt, dass die Investitionskosten von 11 Mio. € bereits bei der Anschlussquote von 56% refinanziert wurden, wenn allein der Anschlusspreis gezahlt wurde (siehe Szenario "Zielwert"). Daher können verbleibende Gewinne optimal für Wartungsarbeiten und weitere Ausbauten aufgewandt werden. Diese positive Bilanz ist förderlich für die Fernwärmegesellschaft. Daher kann gesagt werden, dass am Beispiel Kundl eine vorbildliche Zusammenarbeit von Industrie, Gemeinde und Bürgern zu erkennen ist. Gemeindeförderung Jenseits von staatlichen Förderungen und Länderaktionen bietet die Gemeinde Kundl ihren Bürgern weitere Möglichkeiten, um im Klimaschutz tätig zu sein und Mehrwert zu schaffen. Diese kommunalen Aktivitäten unterscheiden sich von landesbezogenen Förderungen und können exakter auf die Bedürfnisse der Gemeindemitglieder angepasst werden. Zwei mögliche Beispiele werden im Folgenden vorgestellt. E-Bike Förderung Abbildung 8: Netzstruktur Kundl Quelle: Marktgemeinde Kundl, verwendet in Berger, 2010, S.19 Forum Gas Wasser Wärme Abbildung 9: Wirtschaftlichkeitsberechnung Fernwärme Quelle: Eigene Darstellung; Datenquelle: Bucar et al. In einem Beschluss des Gemeinderates am 27.05.2010 wurde die Förderung des Kaufs von Elektrofahrrädern festgelegt. Diese gilt rückwirkend für den Kauf von Neuware ab dem 01.01.2010. Für das Jahr 2010 wurde eine maximale Fördersumme von 10.000 € festgesetzt. Jede Person mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde Kundl kann bei der Anschaffung eines E-Bikes diese Förderung beantragen, sofern es für private Zwecke genutzt wird. Abbildung 10: E-Bike Förderung Quelle: Marktgemeinde Kundl 10 Die Förderhöhe beträgt 200 €. Diese wird aber nicht bar ausbezahlt, sondern in Form sogenannter KUWI-Gutscheine ausgegeben. Seit etwa zehn Jahren sind KUWI-Gutscheine als Zahlungsmittel in der Gemeinde geltend. Jeder Gutschein kann bei den Banken mit 10 € gekauft werden und behält selbigen Wert bei einem Einkauf. Der Gutschein dient somit als vollwertiger Bargeldersatz und kann innerhalb der Gemeinde bei teilnehmenden Geschäften oder Dienstleistern gegen Ware oder Dienstleistung eingelöst werden. (Quellen: Marktgemeinde Kundl, SPÖ Kundl) Kritische Betrachtung Die Idee, das E-Bike als Substitut für das Auto einzusetzen und dies mit einem wirtschaftlichen Nutzen für ansässige Betriebe zu verknüpfen erweist sich als äußerst sinnvoll. Das Elektrofahrrad vermeidet CO2-Emissionen und erhält damit einen klimaschützenden Aspekt. Zudem sind vor allem ältere Menschen und diejenigen, die sich vorrangig innerhalb der Ortschaft bewegen, angesprochen. Dies wird insofern unterstützt, indem die Fördermittel im Dorf ausgegeben werden müssen. Dieser Kreislauf ist ein positiver Nutzen für jede beteiligte Partei. Dennoch ist die Nutzung des Fahrrads kritisch zu betrachten. Saisonale und wetterbedingte Einflüsse können den dauerhaft effizienten Gebrauch des E-Bikes einschränken. Zudem steht die Frage offen, ob die Aufladung an der Steckdose über den normalen Stromtarif zu finanzieren ist. Dies kann auch als negativer Gesichtspunkt betrachtet werden, der Raum für Optimierungsbedarf enthält. Förderung für thermische Solaranlagen Sofern ein Gebäude im Gemeindegebiet nicht an das Fernwärmenetz angeschlossen ist oder dies nicht möglich ist, so besteht zudem die Möglichkeit einer Förderung neu installierter thermischer Solaranlagen. Die Voraussetzungen richten sich nach den gesetzlichen Vorgaben der Landesregierung, die wie folgt lauten: Das Land Tirol unterstützt thermische Solaranlagen mit 210 € pro Quadratmeter Kollektorfläche, bei einem Speichervolumen von mindestens 50 €/m². Für Warmwasserbereitung kann maximal 2.100 € pro Objekt geltend gemacht werden. Bei zusätzlicher Heizungsunter KUNDL Abbildung 13: Solarthermie, Reduziertes technisches Potenzial 2008 Quelle: Regio Energy abgehalten. Erst, wenn die Umsetzung dem entsprechenden Ziel entspricht, erfolgt eine Zertifizierung bzw. Auszeichnung durch die Vergabe von e5 durch Energie Tirol. Anhand dessen kann abgelesen werden, in welchem Entwicklungsstand sich die Gemeinde befindet. Die Voraussetzung seitens der Gemeinde ist die Einführung eines e5-Teams und eines verantwortlichen Teamleiters. Dies muss innerhalb des Gemeinderats beschlossen werden, um die notwendige Basisvereinbarung mit Energie Tirol treffen zu können. Die nachfolgende Abbildung stellt das aktuelle energiepolitische Profil von Kundl laut Energie Tirol dar. Die Fernwärmeversorgung und Solarförderung tragen zu den positiven 54% im Punkt Versorgung, Entsorgung bei. Die E-Bikes ermöglichen 42% im Thema Mobilität. Ein hoher Entwicklungsbedarf besteht vor allem bei Entwicklungsplanung, Raumordnung, aber auch bei Kommunikation und Kooperation. Aus dem Mittelwert der Prozente ergibt sich der zweifache e-Status mit 38%. Abbildung 14: Energiepolitisches Profil der Gemeinde Kundl Quelle: Energie Tirol 11 12 KUNDL A++ Beitritt Literatur Im 4. Quartal 2011 trat Kundl auch der Energieinitiative „A++ - Wir sind Energie Gemeinde" bei. Der Hintergrund des Tirol-weiten Projekts ist, dass 50 Gemeinden zu einem effizienten und nachhaltigen Umgang mit Energie und erneuerbaren Energieträgern verpflichtet werden. Als übergeordnetes Ziel steht die angestrebte Energieautarkie Tirols. Im Unterschied zum e5-Programm werden hier auch die Bürger direkt angesprochen. Innerhalb der Initiative finden beispielsweise Beratungen und Baubegleitungen im Falle eines Neubaus oder einer Sanierung statt. In diesem Rahmen müssen die Gemeinden bzw. ihre Mitarbeiter auch Kurse und Seminare zur Weiterbildung anbieten und daran teilnehmen. Zudem wird ein Energie-Controlling eingeführt, das einen Überblick auf Verbräuche und Entwicklungen innerhalb der Gemeinde aufzeigen soll. (Quelle: Energie Tirol) Austria Solar (2011): Förderungen. Verfügbar unter: http://www.solarwaerme.at/EFH/Foerderungen/ [29.12.2011] Zusammenfassung Energie Tirol (06.2011): Energiepartnerschaft. Innsbruck. Wie die obenstehende Abbildung zur Timeline zeigt, hat die Gemeinde in selbständigem Handeln frühzeitig Projekte initiiert, um den Bürgern eine Möglichkeit zur Teilnahme am Klimaschutz auf kommunaler Ebene zu geben. Kundl hat die genannten Projekte bereits vor dem e5 und A++ Beitritt umgesetzt. Vergleichsgemeinden mit den höchsten erreichbaren Prozenten im e5-Programm können eine jahrelange Teilnahme an demselben verzeichnen. Daher kann angenommen werden, dass für Kundl eine weitere positive Entwicklung in kürzeren Zeitintervallen möglich ist. Insbesondere die Förderungen privater Haushalte für Dämmung und Energieeffizienz bieten hohes Potential für einen Fortschritt. Bucar, G. et al. (2006): Dezentrale erneuerbare Energie für bestehende Fernwärmenetze. Wien. Dessl, M. (05.2010): Presseinformation: Kundl fördert Ankauf von Elektrofahrrädern mit KUWI-Gutscheinen. Verfügbar unter: http://www.veroonline.info/page.php?id=1566 [29.12.2011] Energie Tirol (05.2011): Programmbeschreibung. Verfügbar unter: http://www.energiegemeinde.at/index.php?id=2127 [29.12.2011] Energie Tirol (10.2011): Factsheet Kundl. Innsbruck. Europäische Kommission (2011): Austria - Österreich. Brüssel. KBTV-Kabelfernsehen (2011): KUWI-Gewinnspiel. Verfügbar unter: http://www.kbtv.at/gewinnspiel.htm [29.12.2011] Marktgemeinde Kundl (06.2010): Kundl life. Kundl Marktgemeindeamt Kundl (02.2002): Förderungsansuchen für Solaranlagen. Kundl. Sandoz (2011): Umwelterklärung 2011 der Sandoz GmbH für die Standorte Kundl, Schaftenau und die Biozym GmbH. Kundl. SPÖ Kundl (06.2010a): Die Fernwärme Kundl ist im Plus. Verfügbar unter: http://www.spoekundl.at/index.php?m=10&id=80&archiv=1 [28.12.2011] Abbildung 15: Timeline Quelle: Eigene Darstellung SPÖ Kundl (06.2010b):Kundl: Förderungen für Elektrofahrräder als aktiver Beitrag zum Umweltschutz! Verfügbar unter: http://www.spoekundl.at/index.php?m=10&id=84&archiv=1 [29.12.2011] Autorin: Yvonne Lässig, EEW.bbM.11 14 VIRGEN >> Dienstanweisung des Bürgermeisters an Baureferenten, mit Bausachverständigen stichprobenartige Kontrollen energietechnischer Belange durchzuführen >> "Stromfressern auf der Spur": Erhebung der Elektrogeräte in Privathaushalten und in Gemeindegebäuden (Schule, Vereinshaus, Gemeindeamt, BGV- Haus; Freizeitanlagen etc.); in Arbeit (Sep. 07) >> Verkehrszählungen auf der Hauptverkehrsachse über Geschwindigkeitsanzeigetafel Kraftwerk Steinkasbach Technische Daten: Ausbauwassermenge: 300 l/s Regelarbeitsvermögen: ca. 798.500 kWh Druckrohrleitung: Länge 480 Meter Nettofallhöhe: 63,5 Meter Type: 2-düsig horizontale Peltonturbine Engpassleistung: 162 kW Generator: Hitzinger (luftgekühlt) Turbinen-Marke: Geppert >> Statistik über gesteigerten Holzeinschlag (Nutzung heimischer Ressourcen, erneuerbare Energie) >> Potenzialstudien für 3 Kleinwasserkraftwerke - alle 3 Kleinwasserkraftwerke wurden umgesetzt -> Ökostrom Wasserkraftwerke (pdf) >> Ortsdurchfahrt: Fußgängervorrang, Bushaltestellenkonzept >> Nachverdichtung des Ortszentrums (Wohnanlage Göriachweg; geplant - betreutes Wohnen Duregger; Wohnanlage Duregger); verkürzt Verkehrswege >> Bau des neuen Recyclinghofes (als Vorzeige- Recyclinghof für Osttirol in Bezug auf Abwicklung, Verkehrsfluss); soll Abfallzentrum werden (Beratungsangebote etc.) Inbetriebnahme 2010 Abbildung 18: Kraftwerk Steinkasbach Quelle: Folder Ökostromkraftwerke Virgen Ökostrom Klein Wasserkraftwerke Kraftwerk Nilbach Kraftwerk Virgenerbach Technische Daten: Ausbauwassermenge: 350 l/s Regelarbeitsvermögen: ca. 1,2 Mio. kWh Druckrohrleitung: Länge 585 Meter Nettofallhöhe: 103 Meter Type: 4-düsig vertikale Peltonturbine Engpassleistung: 316 kW Generator: Hitzinger (luftgekühlt) Turbinen-Marke: Tschurtschenthaler Technische Daten: Ausbauwassermenge: 65 l/s Regelarbeitsvermögen: ca. 430.000 kWh Druckrohrleitung: Länge 1.070 Meter Nettofallhöhe: 129 Meter Type: 1-düsig horizontale Peltonturbine Engpassleistung: 71,5 kW Generator: Hitzinger (luftgekühlt) Turbinen-Marke: Geppert Abbildung 17: Kraftwerk Nilbach Quelle: Folder Ökostromkraftwerke Virgen Abbildung 19: Kraftwerk Virgenerbach Quelle: Folder Ökostromkraftwerke Virgen VIRGEN In Summe bringen es die drei modernen Virgener Kleinwasserkraftwerke auf rund 2,4 Mio kWh im Jahr. Das reicht nicht aus, um die fünftgrößte Osttiroler Gemeinde mit immerhin 2.160 Einwohnern mit sauberem Strom zu versorgen. Aber es stellt eine tragende Säule im Ökoenergie-Konzept der e5-Gemeinde dar. Alle drei Wasserkraftwerke werden als Gesellschaften (KEG u. KG) mit je drei Partnern geführt, wobei die Gemeinde bei fast allen Miteigentümerin ist. Kraftwerk Virgental Im Rahmen einer Zusammenarbeit der Gemeinden Prägraten und Virgen bzw. der Fa. INFRA Project Development GmbH, planen die Projektpartner derzeit ein weiteres Wasserkraftwerk zur Energieerzeugung an der Isel. Besonders wird im Rahmen der Planung der Umweltaspekt hervorgehoben. Kurzbeschreibung des aktuellen Projektstandes: >> Wasserfassung mit einem Tagesspeicher (ca. 250.000 m³) zwischen Ströden und Hinterbichl, >> Triebwasserführung in einem Stollen (ca. 3 m Durchmesser) in der nördlichen Talflanke (Länge ca. 11,5 km), >> Krafthaus und Schwallausgleichbecken in Mitteldorf, Unterpöllach. Technische Daten: >> Ausbaudurchfluss: 15 m³/sec >> Leistung: 47 MW >> Jahresarbeitsvermögen: 140 GWh (Strom für ca. 40.000 Haushalte) >> Kosten: 144 Mio €, spezifische Kosten: 1,03 €/kWh Projektgesellschaft: Das Kraftwerkprojekt wird von den Gemeinden Prägraten a.G. und Virgen gemeinsam mit der Fa. INFRA Project Development (www.infra.at) untersucht. Die Gemeinden und INFRA wollen eine Projektgesellschaft gründen. Erklärte Ziele der beteiligten Projektgemeinden: >> die Nutzung der eigenen Ressourcen (Sonne, Holz, Wasser, Geothermie, Sparen) - in Grundsatzerklärungen des Gemeinderates festgeschrieben >> ein weiterer Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz sowie zur Nachhaltigkeit >> die Sicherung des Lebensraumes Virgental und die Aufrechterhaltung der Lebensqualität für die Menschen >> Eigenständigkeit, Selbstbestimmtheit >> eigene Nutzung der Wasserkraft zum Nutzen der Bewohner und der Gemeinden. Ökologische Beurteilung: Eine erste Beurteilung des Kraftwerkprojektes aus Sicht des Naturschutzes und der Gewässerokologie zeigt, dass eine behutsame Planung mit Minimierung der Auswirkungen und mit Kompensationsmaßnahmen notwendig ist. Eine reine wirtschaftliche Betrachtung wäre nicht zulässig. 15 Wirtschaftliche Erwartungen an das Projekt Die Gemeinde Virgen erwartet sich bei Gesamtkosten von 144 Mio. € und einer Jahreserzeugung von 140 GWh, einen jährlichen Ertrag von nach heutigen Strompreisen gut 8 Mio €. Durch die Steigerung des Strompreises soll der Ertrag schon im ersten Betriebsjahr deutlich über 9,0 Mio € liegen und in Zukunft mit hoher Sicherheit weiter steigen. Dadurch ist die Deckung der Betriebskosten und die Kredittilgung gesichert und es bleibt von Anfang an Geld zur Ausschüttung an die Gesellschafter – insbesondere an die Gemeinden. Zusammenfassung Da es sich bei den Kleinwasserkraftwerken um Projekte mit privater Beteiligung handelt, ist es ausgesprochen schwierig Daten zum wirtschaftlichen Erfolg zu erheben. Darf man den Aussagen von projektbeteiligten Personen allerdings Glauben schenken, wurden die Erwartungen aus der Planung bereits übertroffen. Vom ökologischen Standpukt gesehen haben sich die Prokekte ausgesprochen gut ins Landschaftbild integriert und haben sich auch positiv im Bewusstsein der Anwohner verankert. Das neue Projekt, Kraftwerk Virgental befindet sich derzeit am Status der Umweltverträglichkeitsvorprüfung und soll im Herbst 2012 mit den Ergebnissen daraus weiterverfolgt werden. In der Bevölkerung hat sich laut Gemeindebürgern das Projekt noch nicht durchgesetzt. Aktuell hat sich eine Bürgerinitiative gegen das Kraftwerksprojekt formiert. Die Gemeinde will aber im Laufe der kommenden Monate vorallem durch Information, das Bewusstsein zum Nutzen des Projekts stärken. Das Potential der Isel im hinteren Iseltal zur Energetischen Nutzung basiert auf Zuflüssen aus dem Venedigergebiet, welches vorallem durch den Gletscher einen verhältnismäßig konstanten Abfluss gewährleistet. Sofern also die Entscheidung zum Bau des Kraftwerkes in den kommenden Jahren gefällt wird, kann von einer erfolgreichen Betreibung ausgegangen werden. Virgen hat bereits in den vergangenen Jahren bewiesen, dass für sie, das Thema der optimalen Energienutzung, eine entscheidende Rolle spielt und dass vorhandene Potentiale best möglich in Angriff genommen werden. Auch die aktuellen Projekte lassen darauf schließen, dass dieser Weg konsequent fortgeführt wird. Quellen und relevante Informationen: http://www.virgen.at/ http://www.e5-gemeinden.at/ http://www.infra.at/index.php http://www.virgentalerweg.at/wpcontent/uploads/Triebwasserweg.pdf http://www.virgentalerweg.at/ ttp://kraftwerk-virgental.at/ http://fluesse-voller-leben.at/ Autor: Günther Rainer EEW.bbM.11 16 STEINBACH AN DER STEYR Nahwärmenetz in Steinbach an der Steyr Gemeindeprofil Errichtung der Anlagen: Die Gemeinde Steinbach a. d. Steyr ist seit 1997 eine Klimabündnis-Gemeinde, sie liegt in Oberösterreich und hat derzeit 1967 Einwohner. Da in der Gemeinde der Kanalbau und die Verlegung von Wasserleitungen mit den Heizungsrohren koordiniert wurde, waren Kosteneinsparungen beim Bau des NNahwärmenetzes möglich. Das Projekt, das hier näher betrachtet wird, umfasst ein Nahwärmenetz, das durch fünf Hackschnitzelanlagen betrieben wird. Die erste Anlage, hat eine Leistung von 120 kW, steht im alten Pfarrhof. Sie versorgt öffentliche Gebäude, mehrere Büros, vier Wohnungen un Projektziele Das Projektziel ist, die Nutzung regionaler Potentiale für die Wärmeversorgung der Gemeinde, dazu werden Hackschitzelanlagen verwendet. Es wird angestrebt, dass 90% des Energieverbrauches für Heizungen durch nachwachsende Rohstoffe gedeckt werden. Neben diesem Hauptziel gibt es noch folgende Nebenziele: >> verstärkte Nutzung eines nachwachsenden Energieträgers (Holz) >> Beitrag zum Klimaschutz, durch Verminderung der CO2 Emissionen >> Schaffung eines Zusatzeinkommens für Landwirte >> Verringerung der Auslandsabhängigkeit Projektkosten: Die Kosten des Projekts betrugen bisher insgesamt 1.342.830,- Euro. Hierbei ist zu beachten, dass Förderungen für das Projekt lukriert werden konnten. Für das Heizwerk 1 und 2 konnte eine Landesförderung lukriert werden. Die Heizwerke 3,4 und 5 wurden mit EU Mitteln gefördert. Eine genaue Aufteilung der Kosten und Förderungen ist leider nicht möglich. Die Gemeinde gibt an, dass durch die steigenden Heizölpreise bis zu 25% der Heizkosten für die WärmeabnehmerInnen des Nahwärmenetzes gespart werden konnten und die Amortisation der Errichtungskosten für 15 Jahren ab Errichtung geplant ist. Inwieweit diese Pläne bis jetzt zutreffen war leider nicht in Erfahrung zu bringen. Projektdauer: Das Projekt wurde 1990 gestartet und bis 1999 umgesetzt, wobei auch danach noch laufend weitere Häuser angebunden wurden. NEUMARKT IN SÜDTIROL 17 Neumarkt in Südtirol Photovoltaik und vieles mehr Die Gemeinde Neumarkt im Überblick Die Gemeinde Neumarkt ist mit 5.028 Einwohnern (Stand 31.12.2011) der Hauptort des Südtiroler Unterlandes. Das Dorfzentrum liegt auf der orthographisch linken Seite der Etsch auf 214 Meter über dem Meer, 25 km südlich von Bozen und 34 km nördlich von Trient entfernt. Die Gemeinde besteht aus dem Hauptort Neumarkt (2.905 Einwohner), den Fraktionen Laag (1.284), Vill (737) und Mazon (102). Das Gemeindegebiet, das 2.367 ha umfasst, erstreckt sich von einer Mindestkote von 210 m auf eine max. Höhe von 1.720 m. Aufgrund der Geländebeschaffenheit und des hydrographischen System kann man schematisch 3 Gebiete unterscheiden: >> einen ebenen Bereich im Talboden längs der Etsch, in dem die wichtigsten Verkehrsinfrastrukturen (Brennerstraße und Autobahn) sowie fast alle Ansiedlungen lokalisiert sind, insbesondere Neumarkt und Laag >> einen Bereich der sich auf dem Schuttkegel des Trudnerbaches ersteckt, auf dem sich die Ortschaften Vill, Obervill und Mazon befinden >> einen gebirgigen Teil rund um die Königswiese (1.622 m), welcher meist aus sehr steilen Graten besteht und kaum besiedelt ist. Im ebenen und besiedelten Bereich ist das Klima relativ mild und weist eine Jahresdurchschnittstemperatur, die um die 12-13°C pendelt, auf. Die Winde, welche vorwiegend der Ausrichtung des Tales folgen, sind im Allgemeinen schwach bis mäßig. Aktivitäten und Ziele im Bereich der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz Seit knapp zwei Jahren hat die Gemeinde Neumarkt damit begonnen verstärkt an Projekten im Bereich erneuerbarer Energien zu arbeiten. Ziel ist es mittelfristig den gemeindeeigenen Stromverbrauch, d.h. den Verbrauch der öffentlichen Einrichtungen (Rathaus, Schulen, Kindergärten, Bibliotheken, Sportstätten etc.), sowie den Verbrauch für die öffentliche Beleuchtung, zu 100% aus erneuerbaren Energien zu decken. Der gesamte gemeindeeigene Stromverbrauch liegt derzeit in einer Größenordnung von etwa 2 Mio. Kilowattstunden pro Jahr, wobei die Straßenbeleuchtung sowie das Eishockeystadion die beiden größten Verbraucher darstellen. Da der Süden Südtirols statistisch gesehen mit ca. 300 Sonnentagen im Jahr aufwartet, hat sich die Gemeinde Neumarkt daher dazu entschlossen, das Potential der Sonne zu nutzen und die Photovoltaik (PV) zum Hauptpfeiler zur Erreichung des ambitionierten Zieles zu machen. Desweiteren wurden aber auch Projekte und Maßnahmen im Bereich der Wasserkraft (Trinkwasserkraftwerk) sowie der Energieeffizienz im Bereich der öffentlichen Beleuchtung vorangetrieben. Photovoltaik Ende 2010 hat die Gemeinde Neumarkt zunächst eine Potentialanalysen und Machbarkeitsstudie für 14 PV-Anlagen an verschiedenen Standorten im Gemeindegebiet (Neumarkt und Laag) in Auftrag gegeben. Bei 9 der 14 Standorte hat es sich um öffentliche Parkplätze gehandelt, welche zur Nutzung der PV überdacht werden sollten. Bei den restlichen 5 Anlagenstandorten handelte es sich um öffentliche Gebäude (deutschsprachige Mittelschule, Schwimmbad und Zivilschutzzentrum in Neumarkt, sowie Grundschule und Fußballplatz in Laag). Nachdem die Machbarkeitsstudie im Januar 2011 abgeschlossen wurde, hat sich die Gemeinde dazu entschlossen zunächst an den 5 letztgenannten Standorten PV-Anlagen zu installieren, da sich diese im Gegensatz zu den PV-Anlagen auf den öffentlichen Parkplätzen deutlich einfacher und kostengünstiger umsetzen lassen und mit höheren Fördertarifen vergütet werden. Ende 2011 wurden bereits alle 5 PV-Anlagen fertiggestellt und konnten in Betrieb genommen werden. Zusätzlich wurde bereits im Juni die leistungsstärkste gemeindeeigene PV-Anlage mit 307,8 kW auf dem Dach des neu errichteten Eisstadions in Betrieb genommen. Die Anlage soll jährlich rund 300.000 kWh Strom erzeugen und dabei 198 Tonnen CO2 einsparen. Nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über die bereits realisierten PV-Anlagen, deren installierte Leistung, der erwarteten jährlichen Stromproduktion bei angenommenen 1.000 Volllaststunden pro Jahr und die Höhe der Fördertarife. 18 Insgesamt hat die Gemeinde Neumarkt also im Zuge eines Jahres bereits eine PV-Leistung von 580 kW installiert, woraus jährlich an die 580.000 kWh Strom erzeugt und bereits an die 30% des gemeindeeigenen Verbrauches gedeckt werden können. Probleme und Schwierigkeiten im Zuge der Projektentwicklung der PV-Anlagen Im Allgemeinen, so zeigen es auch die kurzen Umsetzungszeiten der 6 PV-Anlagen, gab es laut Aussage des Gemeindereferenten für Energie der Gemeinde Neumarkt keine größeren Probleme und Schwierigkeiten im Zuge der gesamten Projektentwicklung. Anfangs galt es Berührungsängste und Vorurteile gegenüber der Photovoltaik und den damit verbundenen kostenintensiven Investitionen abzubauen. So gab es beispielsweise Besorgnis über die Gewährleistung der Vergütungszahlungen über die gesamte Vergütungsdauer von 20 Jahre. Als Sensibilisierungsprojekt und um zu zeigen wie viel die Photovoltaikanlagen zur Energieversorgung beitragen können (da sich alle 6 Anlagen auf den Dächern von höheren Gebäuden befinden, sind sie für den Bürger eigentlich nicht wirklich sichtbar) wurde an jedem Standort an gut sichtbarer Stelle eine elektronisch Tafel inatslliert, welche anzeigt wie viel Leistung die Anlage gerade abgibt, wie viel Strom seit Inbetriebnahme erzeugt und wie viel CO2 eingespart wurde. Im Schwimmbad wurde zudem ein erweitertes System installiert, welches es Interessierten ermöglicht weitere Detailinformationen über alle 6 PV-Anlagen zu erhalten. Ein ähnliches System soll auch im Dorfzentrum von Neumarkt aufgestellt werden. Auch Neumarkts Unternehmen und Privatpersonen investieren in die Photovoltaik Die PV-Anlagen welche von der Gemeinde Neumarkt installiert wurden, bilden nur rund 17 % der gesamten installierten PVKapazitäten auf dem Gemeindegebiet. Ende 2011 waren insgesamt nämlich bereits 3.676 MW installiert, da zahlreiche Unternehmen sowie auch Privatpersonen ebenfalls auf die Photovoltaik gesetzt haben. Die größte Anlage (eine Anlage mit 801 kW und eine weitere mit 147 kW) wurde dabei im Jahr 2010 auf den Dächern des Pferdereitzentrums 'Alps Coliseum' des Baron Felix von Longo installiert. Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der jährlich neu installierten und der zum Jahresende gesamt installierten PV-Kapazitäten im Gemeindegebiet seit dem Jahr 2007. Im Jahr 2011 hat die Gemeinde Neumarkt in der Kategorie der mittelgroßen Gemeinden Platz 9 beim italienweiten "campionato solare" (Solarmeisterschaft) der Legambiente belegt und war die Nummer 1 der Südtiroler Gemeinden in dieser Kategorie. Etwas größere Hindernisse gab es in der gesamten bürokratischen Abwicklung. So muss etwa für jeden Standort vorab eine Planung durchgeführt werden und auf Basis dieser kann man dann erst in die verpflichtende Ausschreibung gehen. Diese separate Planung (welche bei Privaten in der Regel vom Installateur durchgeführt wird) führt zu Verzögerungen und Mehrkosten. Weitere geplante Projekte im Bereich der Photovoltaik Derzeit sind keine weiteren größeren PV-Projekte in konkreter Planung. Die anfänglich geprüften Parkplatz-Standorte haben durch die stark reduzierten Fördertarife und die bereits angesprochenen Mehrkosten für die zu errichtenden Dachstrukturen w weiter an Attraktivität verloren. Da jedoch das Potential an diesen Standorten erheblich ist und eine Zweitnutzung einzelner Parkplätze sinnvoll erscheint, sollen diese Standortop NEUMARKT IN SÜDTIROL 19 der Trinkwasserversorgungsanlage in Laag, bei welcher die Quellfassung erneuert und die Quellzuleitung ausgetauscht wird, ein Turbine in der Quellzuleitung der Trinkwasserversorgungsanlage installiert. Die Arbeiten haben Ende 2011 begonnen und sollen bis Juni 2012 fertiggestellt sein. Bei einer Fallhöhe von 157 m und einem mittleren Rohrdurchfluss von 7,3 Litern pro Sekunde kann dieses Kleinkraftwerk 80.000 kWh Strom pro Jahr erzeugen. über die verschiedenen Aspekte der Photovoltaik. In Zusammenarbeit mit der europäischen Akademie Bozen, der Feuerwehr und der Südtiroler Energiegesellschaft wurden die physikalischen Hintergründe, der Stand der Technik, die Sicherheit und die Förderungen unter die Lupe genommen. Zwei weitere ähnliche Turbinen sind auch für die Zuleitung zum Wasserbehälter in Mazon angedacht. Hier könnten laut ersten Berechnungen jährlich rund 235.000 kWh Strom erzeugt werden. Aufgrund der hohen Investitionskosten wurde für dieses Projekt noch nicht 'grünes Licht' gegeben. Allerdings wurde bereits das nötige Geld für die Projektierung reserviert, da eine Projektierung als Grundvoraussetzung für eine Finanzierung gilt. Auch das Thema Energieberatung für die Bürger spielt in der Gemeinde Neumarkt eine wichtige Rolle. Seit dem Jahr 2007 bietet die Gemeinde Neumarkt seinen Bürgern eine kostenlose, unabhängige und individuelle Erstberatung für Energiesparmaßnahmen. Einmal monatlich informiert hierbei ein externer Energieberater über Energiesparmaßnahmen in der Projektierung, Austausch von Heizkesseln, Installation von Solar- und Photovoltaikanlagen, Fördermittel, Gebäudeisolierungen und weitere Themen. Zertifizierter Strom aus erneuerbaren Energiequellen Neben den Bemühungen den Anteil erneuerbarer Stromerzeugung auszubauen und langfristig den gemeindeeigenen Strombedarf zu 100% durch Eigenerzeugung auf Basis erneuerbarer Energien zu decken, bezieht die Gemeinde Neumarkt ausschließlich zertifizierten Strom aus Wasserkraft von der SEL AG, der Südtiroler Elektrizitätsgesellschaft. Demnach ist auch der Strom, der aus dem Netz kommt als CO2-neutral zu betrachten. Weitere Maßnahmen Neben den durchgeführten und anstehenden Projekten im Bereich der Stromerzeugung hat die Gemeinde Neumarkt in den letzten Jahren auch weitere Maßnahmen im Bereich der Energieeffizienz und Energieberatung vorangetrieben. Straßen- und Brückenbeleuchtung Auf der Brücke von St. Florian (zwischen Neumarkt und Laag), die bald durch eine neue ersetzt werden soll, wurden im Frühjahr 2011 PV-LED-Leuchten installiert. Aufgrund der Tatsache, dass keine Infrastruktur vorhanden war und es sich finanziell nicht rentiert hätte diese für kurze Zeit zu installieren, wurden in Zusammenarbeit mit der Neumarkter VIS Light GmbH PV Leuchten auf der Brücke installiert. Neben diesen PV-LED-Leuchten, werden im Gemeindegebiet Neumarkt seit 2011 bei allen neuen Straßenleuchten LED-Leuchten installiert. Bis dato wurden bereits 75 dieser Leuchten installiert. Diese hocheffizienten LEDs verbrauchen nur ca. 9 Watt im Vergleich zu den alten installierten Leuchten, welche im Durchschnitt 100 Watt verbrauchen. Pro Jahr können dadurch pro Leuchte bei einer 10-stündigen täglichen Nutzung 332 kWh, und somit 50 €, eingespart werden. Hinzu kommt der sehr niedrige Wartungsbedarf von LEDs und eine bis zu 10 mal höhere Lebensdauer. Nachteilig wirken sich derzeit die bis zu 3 mal höheren Anschaffungskostenskosten aus. Sensibilisierung Im Juni 2011 organisierte die Gemeinde zwei Informationsabende Energieberatung Energiestudien Im Zuge der Projektierung für den Umbau der Grundschule von Laag wurden die Projektanten mit einer Energiestudie beauftragt. Diese soll Schwachstellen aufzeigen und Maßnahmen vorschlagen, die im Zuge des Umbaus (voraussichtlich 2013/2014) durchgeführt werden sollen. Zwei weitere Studien sind im Investitionshaushalt für 2012 enthalten, welche das Rathaus und den deutschen Kindergarten von Laag unter die Lupe nehmen sollen. Fazit Die Gemeinde Neumarkt hat in den letzten 2 Jahren im Bereich der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz vieles unternommen und vieles erreicht und kann vor diesem Hintergrund mit Sicherheit als Vorbildgemeinde angesehen werden. Bei einer Realisierung beider Trinkwasserturbinen könnte die gemeindeeigene Erzeugung aus Erneuerbaren bereits 895 kWh pro Jahr betragen und 45% des Eigenbedarfs decken. Das Ziel, den gemeindeeigenen Stromverbrauch zu 100% aus Erneuerbaren zu decken, ist allerdings dennoch sehr ambitioniert und erfordert auch weiterhin sehr viel Engagement bei der Umsetzung weiterer Projekte. Da ein Großteil der geeigneten PV-Standorte bereits genutzt wurde und da durch die sinkenden Fördertarife die Umsetzung der PV-Anlagen auf den untersuchten Parkplatzflächen an Attraktivität verliert, wird es wichtig sein auch verstärkt andere neue Projekte voranzutreiben. Mit den Trinkwasserkraftwerken und ersten Studien für steigende Energieeffizienz in Gemeindegebäuden wurden bereits erste neue Wegen eingeschlagen. Als weiterer Weg steht zudem auch das Thema Kraft-Wärme-Kopplung im Gespräch, welches großes Potential bergen kann. Werden diese neuen Wege auch so konsequent und ambitioniert gegangen, wie beim bisherigen Ausbau der Photovoltaik, und wird bei der Photovoltaik noch weiteres Potential ausgenutzt, dann steht der Erreichung des Ziels 100% "erneuerbare Energien" zur Deckung des gemeindeeigenen Verbrauchs nichts entgegen. Autor: Stefan Unteregger EEW.bbM.11 20 ERSTFELD, SCHWEIZ Energiekonzept der Gemeinde Erstfeld - Vom Eisenbahnerdorf zur 2.000 Watt Gesellschaft - Lage, Geographie und Bevölkerung Allgemeine Daten der Gemeinde Erstfeld Erstfeld liegt in der Zentralschweiz und ist die viertgrößte Gemeinde des deutschsprachigen Kantons Uri. Verkehrstechnisch ist Erstfeld vor allem durch seine Lage an der Gotthardroute – einer der wichtigsten Nord-Südverbindungen der Alpen – bekannt, was der Gemeinde durch die Eröffnung der Gotthardbahnlinie im Jahr 1882 auch den Beinhamen Eisenbahnerdorf eingebracht hat. Das derzeitige Bild von Erstfeld prägen vor allem die beiden Großbaustellen zur Errichtung der NEAT (Neuen Eisenbahn Alpentransversalen), welche bis 2017 fertig gestellt werden soll. Nach der Fertigstellung wird die NEAT mit einer Länge von 57 km der längste Eisenbahntunnel der Welt sein und die Reisezeit zwischen Mailand und Zürich um eine Stunde verkürzen. Das Höhenprofil der Gemeinde erstreckt sich über 2.738 Höhenmeter vom niedrigsten Punkt der Gotthard Raststätte mit 460 m bis zum Grossen Spannort mit 3.198 dem höchsten Punkt der Gemeinde. Die Gemeindefläche beläuft sich auf etwa 5.900 ha, wobei über die Hälfte des Gemeindegebietes auf unproduktives Gebiete in Form von hochalpinen Gebirgen und Gletschern entfällt. In etwa 12 Prozent der Fläche werden landwirtschaftlich genutzt, dazu kommen etwa 30 Prozent Wies- und Ackerland. Nur ein kleiner Teil der Gemeindefläche von unter 5 Prozent ist Siedlungsfläche. Die Bevölkerungszahl in Erstfeld ist während der letzten 10 Jahre relative konstant geblieben und beläuft sich auf etwa 3.800. Abbildung 20: Strombilanz 2007 - 2010 Netzgebiet Erstfeld Quelle: Daten aus Geschäftberichten der Gemeindewerke Erstfeld Energieversorgung in der Gemeinde Erstfeld Die Gemeindewerke Erstfeld Für die Energieversorgung der Gemeinde Erstfeld sind die Gemeindewerke Erstfeld verantwortlich, welche zugleich als maßgeblicher Treiber für die bereits realisierten und geplanten Energieeffizienzprojekte gesehen werden können. Die Wurzeln der Gemeindewerke gehen zurück zum Jahr 1929, wo durch eine Volksabstimmung der Beschluss fiel innerhalb der Gemeinde eigenen Strom zu produzieren. Heute sind die Gemeindewerke Erstfeld eine selbständige öffentlich-rechtliche Körperschaft die 27 Mitarbeiter beschäftigt und neben der Energieversorgung auch noch in den Bereichen der Wasserversorgung, Energiedienstleistung sowie Energieberatung tätig ist. Die Gemeindewerke Erstfeld verfügen bis Dato über 3 Wasserkraftwerke - Bocki I mit 1,8 MW, Bocki II mit 7,2 MW und Spätach mit 130 kW - , 2 Photovoltaik Anlagen mit einer Leistung von 26,9 kW, sowie 2 Trinkwasserkraftwerke - Flüe mit 124 kW und Helltal mit 70 kW. Neben den betriebseigenen Kraftwerken beziehen die Gemeindewerke Erstfeld innerhalb der Gemeinde noch Strom aus anderen kleinen Ökostromanlagen. Zudem ist es so, dass die Stromversorgung in der Gemeinde in den Wintermonaten von Stromzukäufen abhängig ist. Dies liegt darin begründet, dass die gemeindeeigenen Kraftwerke vor allem während der Sommermonate Strom erzeugen. Aus diesem Grund übersteigt zwar die gemeindeeigene Stromproduktion die Stromnachfrage in der Gemeinde, dennoch zeigt sich in der Bilanz ein Zukauf aus anderen Netzgebieten, wie nachfolgender Tabelle zu entnehmen ist. ERSTFELD, SCHWEIZ Auszeichnung im Bereich Energie 21 Ausbau Erneuerbarer Energien Energiestadt und European Energy Award Gold Die Auszeichnung Energiestadt, ähnlich der e5 Auszeichnung, wird an Gemeinden oder Städte vergeben, welche sich im Bereich einer nachhaltigen kommunalen Energiepolitik engagieren. Für die Verleihung des Labels Energiestadt müssen mindestens 50 Prozent der maximal erreichbaren Punkte in 6 vordefinierten Bereichen erreicht werden: Entwicklungspanung und Raumordung, Kommunale Gebäude und Anlagen, Versorgung und Entsorgung, Mobilität, Interne Organisation sowie Kommunikation und Kooperation. Der „European Energy Award EEA“ ist das Pendant zur Energiestadt auf europäischer Ebene. Mit dem EEA werden Gemeinden in ganz Europa ausgezeichnet, die sich hinsichtlich der oben genannten 6 Punkte verdient gemacht haben. So können Gemeinden nachdem sie die Auszeichnung Energiestadt erhalten haben, um den EEA bewerben. In den Fällen in den mindestens 75 Prozent der Maßnahmen erreicht wurden, können sich Gemeinden sogar für die höchste Auszeichnung, die EEA-Gold, bewerben. 1998 wurde in Erstfeld die Energiegruppe gegründet, welche es sich zum Ziel gesetzt hat die Auszeichnung Energiestadt zu erhalten. Das zunächst sehr ambitioniert erscheindene Ziel wurde 2001 erreicht. Erstfeld erhielt die Auszeichnung vor allem aufgrund der eigenen Elektrizitätsversorgung basierend auf Wasserkraft, sowie der erfolgreich umgesetzten Verkehrberuhigungmaßnahmen. Anstatt sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen wurde 2003 die Energiestadtkommission gegründet, welche sich für einen nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen innerhalb der Gemeinde einsetzt. Das Engagement in Erstfeld ging soweit, dass der Gemeinde im Herbst 2011 der European Energy Award Gold verliehen wurde. Ökostrom-City Die Auszeichnung Ökostrom-City wurde der Gemeinde Erstfeld 2002 von der Energie Schweiz verliehen. Die Auszeichnung kennzeichnet die Gemeinde – und somit die Gemeindewerke – für den höchsten spezifischen Anteil erzeugten Ökostroms je Einwohner. Naturmade star Die Auszeichnungen „naturmade basic“ und naturmade star“ werden vom 1999 gegründeten Verein für umweltgerechte Energien VUE vergeben. Grundsätzlich zertifiziert die Auszeichnung „naturemade“ Energie die aus 100 Prozent erneuerbaren Energiequellen gewonnen wird. Zertifiziert werden kann hierbei nicht nur die Produktion sondern auch die Lieferung von Strom, Wärme und Kälte sowie Treibstoffe. Die Unterscheidung erfolgt in die Auszeichnung „naturemade basic“ für Strom, Wärme, Kälte sowie Treibstoffe aus 100 Prozent erneuerbaren Energien, sowie „naturmade star“, welche zusätzlich für die Einhaltung strenger und umfassender ökologischer Auflagen garantiert. Das Trinkwasserkraftwerk Flüe erhielt als erstes der Kraftwerke der Gemeindewerke Erstfeld im Jahr 2003 die Auszeichnung „naturmade star“ gefolgt von den beiden Wasserkraftwerken Bocki I und Bocki II im Jahr 2004. Durch die Zertifizierung der beiden Wasserkraftwerke im Jahr 2003 wurden die Gemeindewerke zum drittgrößten Ökostromproduzenten in der Schweiz. Bis Dato haben auch die beiden PV-Anlagen der Gemeindewerke Erstfeld die Auszeichnung „naturmade star“ erhalten. Abbildung 21: Trinkwasserkraftwerk Flüe und Trinkwasserkraftwerk Helltal Quelle: Gemeindewerke Erstfeld Ausbau der Wasserkraft durch Trinkwasserkraftwerke Zusätzlich zu den bereits vorhanden Wasserkraftwerken Bocki I, Bocki II und Spätach errichteten die Gemeindewerke Erstfeld 2 Trinkwasserkraftwerke, die seit 2002 bzw. 2009 ihren Beitrag zur Stromversorgung der Gemeinde leisten. Die Bauarbeiten für das Trinkwasserkraftwerk auf der Flüe haben im Rahmen der Sanierung des seit 1928 bestehenden Trinkwasserreservoirs auf der Flüe im Jahr 2001 begonnen. Seit 2002 wird das Trinkwasser nun über eine Peltonturbine turbiniert bevor es in die Reservoirs fließt. Dadurch kann die Fallhöhe von 155 m und der gemittelte Durchfluss von 95 l/s energetisch genutzt werden, und so im Schnitt 100 Haushalte pro Jahr mit Strom versorgen. Im Jahr 2009 folgte dann der Bau des Trinkwasserkraftwerkes Helltal. Durch eine Investition seitens der Gemeindewerke von etwa 500.000 Franken (~ 415.000 Euro) wurde die bisherige Trinkwasserführung der Helltalquelle über einen Druckbrecherschacht umgeleitet und treibt nun in einem Zentralgebäude eine zweidüsige Peltonturbine an. Die Fallhöhe von 156 m und der durchschnittlich nutzbare Durchfluss von 50 l/s reichen aus um etwa 30 Haushalte pro Jahr mit Strom zu versorgen. Ausbau der Photovoltaik Auf den Dächern der Gemeinde wurden von den Gemeindewerken bereits zwei kleinere PV-Anlagen mit einer installieren Leistung von 13,2 kWp verteilt auf 96 m 2 Dachfläche bzw. 13,7 kWp verteilt auf 90 m 2 Dachfläche errichtet. Die beiden Anlagen trugen in den letzen beiden Jahren wie einleitend erwähnt bereits zur Stromversorgung der Gemeinde bei. Um die Solarstromnutzung in der Gemeinde weiter auszubauen, begannen die Gemeindewerke im Oktober 2011 mit dem Bau der größten PV-Anlage im Kanton Uri. Die PV-Anlage die nach ihrer Fertigstellung mit einer installierten Leistung von 60 kWp jährlich etwa 55 MWh Strom liefern soll, wird auf dem Dach des Pflegeheims „Spannort“ in Erstfeld errichtet. Das Investitionsvolumen von 300.000 Franken (~ 250.000 Euro) für 250 Solarmodule des Herstellers Solar World sowie die Kosten für Planung und Errichtung tragen die Gemeindewerke Erstfeld. Die Pläne für den Bau der Anlage existieren seit 2008, allerdings verzögerte sich der Baubeginn um nahezu 3 Jahre durch eine fehlende Zusicherung der kostendeckenden Einspeisevergütung durch den Bund. 22 ERSTFELD, SCHWEIZ Umstellung der Wärmeversorgung Heizungs-Contracting für öffentliche Gebäude Durch die Gemeindewerke als Contractor wurden die Ölheizungen der beiden Schulen Stegmatt und Wytheid durch HolzschnitzelHeizungen ersetzt. Neben dem Ersparnis von 50.000 Litern Heizöl pro Jahr wird durch die neue Heizung auch die regionale Holzwirtschaft gefördert. Im Sommer 2011 wurde schließlich im Schulgebäude Jagdmatt die Ölheizung durch eine HolzschnitzelHeizung ersetzt. Wie in den anderen beiden Fällen auch, agierten die Gemeindewerke hier als Contractor – sprich die Investitionskosten von 230.000 Franken (~190,000 Euro) sowie der Betrieb wird von den Gemeindewerken übernommen. Im Gegenzug zahlt die Schule einen festgelegten Tarif für die Bereitstellung der Wärme. Neben dem Schulgebäude selbst versorgt die neue Heizung auch das Pfarrzentrum St. Josef sowie eine Privatliegenschaft, dadurch wird mit einer jährlichen Ersparnis von 70.000 Litern Heizöl gerechnet. Förderungen effizienter Wärmebereitstellung für private Gebäude Um die pro Kopf Stromnachfrage in der Gemeinde Erstfeld vor allem während der Wintermonate weiter zu reduzieren und somit den Selbstversorgungsgrad zu erhöhen, wurde 2006 ein Förderprogramm beschlossen, welches den Austausch von Elektroboilern fördert. So gibt seit 2006, zusätzlich zur kantonalen Förderung, einen Investitionszuschuss für den Ersatz eines Elektroboilers oder einer Ölheizung durch ein effizientes Heizungssystem. Der Investitionszuschuss ist abhängig von der Technologie und beläuft sich auf 7.000 Franken (~5.800 Euro) für Solarkollektoren, 5.000 Franken (~4.150 Euro) für Holzheizungen und 2.000 Franken (~1.650 Euro) für Wärmepumpen. Der Erfolg dieser Förderung zeigt sich, wenn man einen Blick auf die Entwicklung der Heizungssysteme seit 2005 wirft. Abbildung 22: Heizungsstruktur privater Liegenschaften in Erstfeld, 2005-2010 Quelle: Daten entnommen aus Geschäftberichten der Gemeindewerke Erstfeld Auf dem Weg zur 2.000 Watt Gesellschaft Die Gemeinde Erstfeld ist eine der Pionierstädte, die es sich zum Ziel gesetzt haben bis 2020 eine 2.000 Watt Gesellschaft zu werden. Ziel dieser Vision ist es den Energiebedarf je Einwohner auf 2.000 Watt zu senken – ein ambitioniertes Ziel wenn man bedenkt, dass derzeit auf den durchschnittlichen Mitteleuropäer etwa 5.500-6.500 Watt entfallen. Die Ziele und Maßnahmen um die Vision zu erreichen wurden bereits klar definiert – Weg von Ölund Elektroheizung hin zu einer Solargesellschaft und innovativer Wärmenutzung des Tunnelwassers. Der Austausch von Öl- und Elektroheizungen in Kombination mit einer geplanten energetischen Sanierung der Hälfte aller öffentlichen Gebäude soll für eine effiziente und nachhaltige Wärmebereitstellung sorgen. Für das Projekt Solardorf wurde von den Gemeindewerken im Jahr 2007 eine Dachflächen-Erhebung in Auftrag gegeben, die das Potential der solarthermischen und photovoltaischen Nutz u ERSTFELD, SCHWEIZ Sinkendes Wasserdargebot Eine weitere Problematik, die sich in den letzten Jahren gezeigt hat, liegt in der Verfügbarkeit des Wassers zum Betrieb der gemeindeeigenen Kraftwerke. In den letzten Jahren war bereits ein Rückgang der Quellschüttung zu beobachten, der zu einem erhöhten Stromzukauf innerhalb des Gemeindegebietes geführt hat. Laut einer in Auftrag gegebenen Studie ist in den nächsten 20 bis 30 Jahren mit einem vermehrten Rückgang der Quellschüttung, und damit auch mit einem Rückgang der für die Stromerzeugung verfügbaren Wassermenge zu rechnen. Der Rückgang ist mitunter auch auf den massiven Gletscherschwund, weniger Permafrost und Niederschlägen in Form von Starkrege, zurückzuführen. Unter diesen Umständen wird das Ziel in Richtung mehr Energieeffizienz umso dringlicher. 23 Fazit Alles in allem kann man sagen, dass Erstfeld als Gemeinde in der Umsetzung der Projekte vor allem davon profitiert, das es mit den Gemeindewerken und der gegründeten Energiegruppe ein starkes Rückgrat für das Vorantreiben und die Umsetzung der Projekte gibt. Dies ist ein wesentlicher Vorteil von Erstfeld, da das Fehlen dieses Rückgrates in manch anderen Gemeinden bereits Projekte zum Scheitern gebracht hat. Dennoch oder gerade deshalb lässt sich sagen, dass die Gemeinde Erstfeld sehr wohl als VorbildGemeinde hinsichtlich der Verwirklichung von Nachhaltigkeit und Effizienz in der Energieversorgung herangezogen werden kann. Allerdings muss auch darauf hingewiesen werden, dass eine Übertragung der getroffenen Maßnahmen auf städtische Siedlungen mit hohem Industrieaufkommen oder nicht alpin geprägte Siedlungen schwierig ist. Autorin: Kristin Wachinger EEW.bbM.11 24 TRAUNREUTH, BAYERN Entwicklung der Fernwärmeversorgung in Traunreuth (Deutschland) Die Stadt Traunreuth Im Jahre 1938 kaufte sich die Wehrmacht in den St. Georgs Forst ein und errichtete die Heeresmunitionsanstalt St. Georgen. Ein Gebiet von 242 ha, das Teile der Stadt Traunstein und weitere umliegende Siedlungen umfasste, wurde nach Außen hin abgeriegelt. Innerhalb der Zone dienten mehr als 150 Holzbaracken, Steinhäuser und Bunker als Produktionshallen für Granaten. Gegen Kriegsende 1945 rückten die Amerikaner ein, die eine Räumung der Munitionsfabrik veranlassten. Kampfstoffe wurden verbrannt oder abtransportiert und die Bunker gesprengt. Noch im selben Jahr kamen Vertriebene, die sich in Häusern und Baracken der ehemaligen Munitionsfabrik niederließen. Wenige Jahre später, 1949 siedelten sich die Industriebetriebe Siemens und Heidenhain an, die Siedlung in und um die Munitionsfabrik wuchs weiter. Im Jahre 1950 wurde die Gemeinde Traunreut mit damals 1381 Einwohnern gegründet. Nur 60 Jahre später zählt die Stadt Traunreut mehr als 21.000 Einwohner und ist somit die größte Stadt im Landkreis Traunstein. 1 Entwicklung der Fernwärme Im Sommer 1999 wurde die Energiezentrale der Bosch-Siemens Hausgeräte Fabrik durch einen Contractor erneuert. Die neue Anlage besteht aus einem 5 MW (thermisch) starken BiomasseKessel und drei weiteren gas- bzw. ölbefeuerten Spitzenlastkesseln mit insgesamt 18,8 MW (thermisch). Die Biomasseanlage wird mit Hackschnitzeln aus Altholz befeuert und deckt ca. 80% des Raumund Prozesswärmebedarfes der Produktionsstätte ab. Der Rest wird von fossilen Brennstoffen befeuerten Spitzenlast- bzw. Reservekesseln bereitgestellt. Im Herbst 1999 folgte die Anbindung der Energiezentrale mit einer 1,8 km Fernwärmeleitung an das Fernwärmenetz Nord-Ost der Stadtwerke Traunreut. 2 Die Energiezentrale auf dem Gelände der Bosch-Siemens Hausgerätefabrik ersetzte anschließend ein Heizwerk der Stadtwerke, das mit leichtem Heizöl und Erdgas befeuert wurde. 3 Um das örtliche Fernwärmeangebot erweitern und umweltfreundlichen Strom erzeugen zu können, wurde ein Biomasseheizkraftwerk gebaut. Die Anlage ist seit 2004 in Betrieb und verbraucht jährlich etwa 50.000 Tonnen Altholz. Die Erzeugungsleistung beträgt 5 MW (elektrisch) und je nach Bedarf Vgl. Vgl. 3 Vgl. 4 Vgl. 5 Vgl. 6 Vgl. 1 2 Stadt Traunreut: Aus der Stadtgeschichte. STEAG: Biomasse Heizkraftwerk Traunreut. Geilen: Contracting mit Biomasse. STEAG: Biomasse Heizkraftwerk Traunreut. Gammel Engineering: Stadtwerke Traunreut Fernwärme. STEAG: Biomasse Heizkraftwerk Traunreut. bis zu 14 MW (thermisch). Parallel zur EEG-geförderten Stromerzeugung erfolgt die Fernwärmeauskopplung für das Fernwärmenetz Süd der Stadtwerke Traunreut. 4 Zusätzlich werden von den Stadtwerken Traunreut drei weitere Heizzentralen zur Redundanz betrieben. 5 Insgesamt stehen somit acht Einzelanlagen für die Einspeisung in das Fernwärmenetz Traunreuts zur Verfügung. Um einen optimalen Betrieb zu gewährleisten sind die beiden Netze Nord-Ost und Süd miteinander verbunden. Dadurch wird die Wärmegrundlast mit Biomasse und die Reserveleistung bzw. Spitzenlast mit fossilen Energieträgern gedeckt. 6 Als nächste Ausbaustufe der Fernwärmeversorgung ist eine Geothermie-Anlage vorgesehen. In einer Bohrtiefe von etwa 5000 m wird 130 °C heißes Thermalwasser vermutet. Traunreut liegt am südlichen Ende des süddeutschen Molassebeckens, einer geologischen Formation die bereits zahlreichen GeothermieAnlagen Oberbayerns als Wärmequelle dient. In Traunreut soll das geförderte Thermalwasser für die Strom- und Wärmeproduktion eingesetzt werden. 7 Der Strom wird in das öffentliche Netz eingespeist und über einen Zeitraum von 20 Jahren (zzgl. des Jahres der Inbetriebnahme) zu einem festen Tarif nach dem EEG vergütet. Die Einspeisevergütung für Anlagen deren Inbetriebnahme in das Jahr 2012 fällt beträgt 25 ct/kWh. 8 Am 31. Januar 2012 wurde mit den Bohrarbeiten begonnen, nach 220 Tagen sollen Förder- und Injektionsbohrung fertiggestellt sein. Die erste Einspeisung in das erweiterte Fernwärmenetz ist für Herbst 2013 geplant, der Beginn der Stromerzeugung für Anfang 2014. Wenn die Geothermie-Anlage in Betrieb ist, werden 130 l/s an 130 °C heißem Thermalwasser entnommen und mit einer Rücklauftemperatur von 55 °C über die Reinjektionsbohrung zurückgeführt. Das zugehörige Kraftwerk ist mit einer Leistung von 3 bis 5 MW geplant. 9 Für die Einspeisung in das Fernwärmenetz ist eine thermische Leistung von 10 MW vorgesehen. 10 Planung und Umsetzung Wie bereits beschrieben, wächst Traunreuts Fernwärmenetz Stück für Stück. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass die Bevölkerung aktiv in den Entwicklungsprozess mit eingebunden Vgl. Stadt Traunreut: Geothermische Energie für Traunreut. Vgl. §21 Abs.2 und §28 Abs.1 EEG, BGBL 2011 Teil I Nr.42, S1639ff. Vgl. Stadt Traunreut: Geothermische Energie für Traunreut. 10 Vgl. Enerchange: Festtag in Traunreut: Meißelanschlag für Geothermiekraftwerk, 31.01.2012. 7 8 9 TRAUNREUTH, BAYERN werden kann und so das Risiko einer großen Fehlinvestition oder die Gefahr auf vehementen Widerstand von Interessensgemeinschaften zu treffen reduziert wird. Insbesondere neue Fernwärmesysteme, die von einem Verbund aus GeothermieAnlage und Spitzenlast- bzw. Reservekesseln gebaut werden, erfordern hohe Anfangsinvestitionen. 11 In Traunreut ist bereits eine Fernwärmeerzeugung vorhanden, d.h. die Investitionskosten n reduzieren sich im Wese e 25 26 TRAUNREUTH, BAYERN Verfügbares Potenzial Literaturverzeichnis Um den Güteraustausch mit benachbarten Gemeindegebieten berücksichtigen zu können, wird die Potentialermittlung auf den Landkreis Traunstein erweitert. 18 Das Gebiet um Traunreut ist stark landwirtschaftlich geprägt. 47% der Fläche des Landkreises oder 71.000 ha werden für landwirtschaftliche Zwecke genutzt. Zusätzlich ist mit über 50.000 ha Waldfläche im Landkreis Traunstein ausreichend feste Biomasse vorhanden, um das in Traunreut verfeuerte Altholz bei Bedarf vollständig zu substituieren. Insgesamt gäbe es demnach erhebliches Potential für die energetische Nutzung von Biomasse, sei es als Biogas oder Festbrennstoff. 19 Darüber hinaus ist geothermisches Potential vorhanden, das planmäßig bis Ende 2013 erschlossen sein wird. Die Verbindung von Biomasse und Geothermie für die Deckung der Wärmegrundlast ist aus Umweltschutzgesichtspunkten optimal. Zur Deckung des Spitzenlastbedarfes und als Reserveleistung gilt es zukünftig die fossilen Energieträger Heizöl und Erdgas zu substituieren. Aufgrund des hohen biogenen Potentials im Landkreis Traunstein wären mit Biogas betriebene KWK-Anlagen die richtige Alternative. Um dabei einen wirtschaftlichen Betrieb der Anlage zu gewährleisten, könnte nicht benötigtes Biogas zu Erdgas aufbereitet und in das bestehende Netz eingespeist werden. Über sog. Herkunftsnachweise wäre es anschließend möglich das eingespeiste Biogas bilanziell in den Spitzenlastkesseln zu verfeuern. 20 Dadurch wird der CO2-Ausstoß je verbrauchter Kilowattstunde Fernwärme weiter reduziert. Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Traunstein: Daten und Fakten. FAZIT Die Stadt Traunreut zeigt mit dem Ausbau des Fernwärmenetzes wie die Energiewende in Deutschland aussehen kann. Durch den konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien im Bereich der Strom- und Wärmeerzeugung, wird in Traunreut mehr Strom mit Biomasse, Wasserkraft und Photovoltaik erzeugt als verbraucht. Mit Inbetriebnahme der Geothermieanlage Ende 2013 stehen zusätzliche Strom- und Wärmemengen zur Verfügung. Wie der Stromüberschuss belegt ist Traunreut für die Nutzung erneuerbarer Energien prädestiniert. Es stehen ausreichend landwirtschaftliche Nutzflächen zur Verfügung, um die Spitzenlast in Zukunft mit Biogas, statt wie bisher mit fossilen Energieträgern zu decken. Dadurch wäre es möglich den verhältnismäßig niedrigen CO2-Ausstoß der Fernwärme (50 bis 70 g/kWh) weiter zu reduzieren. Ziel sollte es sein nicht nur die Nachfrage nach Strom, sondern auch die nach Wärme vollständig mit erneuerbaren Energien zu decken. Wird weiterhin auf die Zusammenarbeit mit Dritten (z.B.: Contractor, Investor) gesetzt und die Bevölkerung am schrittweisen Ausbau beteiligt, sollte dem Erreichen dieses Ziels – die vollständige Deckung des Energiebedarfes aus erneuerbaren Energien – nichts im Wege stehen. 18 19 20 Vgl. Stadt Traunreut: Grüß Gott in Traunreut. Vgl. Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Traunstein: Daten und Fakten. Vgl. dena Biogasregister: Funktionsweise. Verfügbar unter: http://www.alf-ts.bayern.de/daten_fakten/20610/index.php, 11.02.2012. Dena Biogasregister: Funktionsweise. Verfügbar unter: http://www.biogasregister.de/informationen/funktionsweise.html, 12.02.2012. Enerchange: Festtag in Traunreut: Meißelanschlag für Geothermiekraftwerk, 31.01.2012. Verfügbar unter: http://www.tiefegeothermie.de/index.php?id=49&tx_ttnews%5Btt_news%5D=954&tx_ ttnews%5BbackPid%5D=48&cHash=45fff5fc2d, 11.02.2012. Gammel Engineering: Stadtwerke Traunreut Fernwärme. Verfügbar unter: http://www.gammelengineering.de/de/cms/upload/referenzen/Referenz_Traunreut_Gesamtprojekt.pdf, 11.02.2012. Geilen, Ulrich: Contracting mit Biomasse, 11.04.2005. Verfügbar unter: http://www.life-needs-power.de/2005/11-042005_Montag/050411_13.30_Geilen-SEC.pdf, 11.02.2012. Georg-August-Universität Göttingen: Individuelle Emissionskennwerte der Universität Göttingen. Verfügbar unter: www.uni-goettingen.de/de/79037.html, 11.02.2012. Geothermie Unterhaching: Datenblatt. Verfügbar unter: https://www.geothermieunterhaching.de/cms/geothermie/web.nsf/gfx/Datenblatt.pdf/$file/Datenblatt.pdf, 12.02.2012. Kaltschmitt, Martin / Hartmann, Hans / Hofbauer, Hermann: Energie aus Biomasse, Springer, Heidelberg, 20092. Rödl & Partner: Erfolgreiche Projektumsetzung. Verfügbar unter: https://www.geothermieunterhaching.de/cms/geothermie/web.nsf/gfx/73F32393CB88135BC1257663003B5456/$ file/Projektdokumentation_Roedl.pdf, 12.02.2012. Stadt Traunreut: Aus der Stadtgeschichte. Verfügbar unter: http://www.traunreut.de/index.php?id=0,143, 21.01.2012. Stadt Traunreut: Geothermische Energie für Traunreut. Verfügbar unter: http://www.traunreut.de/index.php?id=2796,123, 11.02.2012. Stadt Traunreut: Grüß Gott in Traunreut. http://www.traunreut.de/index.php?id=0,1, 11.02.2012. Verfügbar unter:IV Stadtwerke Karlsruhe: Wie viele Vorteile Fernwärme hat. Verfügbar unter: http://www.stadtwerke-karlsruhe.de/swkade/inhalte/produkte/fernwaerme/ihre_vorteile.php, 11.02.2012. STEAG: Biomasse Heizkraftwerk Traunreut. Verfügbar unter: http://www.steag- newenergies.com/fileadmin/user_upload/steagnewenergies.com/info_service/medien/broschueren/pdf/STEAG_Broschuere_Biomasse _Heizkraftwerk_Traunreut_web.pdf, 11.02.2012. SWM: M-Fernwärme. Verfügbar unter: http://www.swm.de/dms/swm/dokumente/m- fernwaerme/flyer-mfernwaerme.pdf, 11.02.2012. Wochenblatt: Traunreut in der BioEnergie-Top Ten, 02.01.2012. Verfügbar unter: http://www.wochenblatt.de/nachrichten/traunstein/regionales/Traunreut- n-derBioEnergie-Top-Ten;art39,86106, 11.02.2012. Autor: Johannes Seitner EEW.bbM.11 MORBACH, RHEINLAND-PFALZ 27 Energielandschaft der Gemeinde Morbach g4q'$u"!J;%p Einleitung Viele Gemeinden haben das Ziel Energieautark zu werden, indem Technologien zum Einsatz von erneuerbaren Energien genutzt werden sollen. Dabei kommt es zu Komplikationen und Problemen, woran diese Projekte scheitern. Die Gemeinde Morbach, welches sich in Rheinland-Pfalz befindet, strebt ebenfalls dieses Ziel an. Dabei hat die Gemeinde ein aus der Kriegszeit übriggebliebenes Gelände der US- Streitkräfte genutzt, um eine „Energielandschaft“ zu erschaffen, welche in dieser Arbeit genauer betrachtet wird. Vorstellung der Gemeinde Morbach Morbach liegt in Rheinland-Pfalz / Hunsrück und ist eine verbandsfreie Gemeinde, welche über eine Gesamtfläche von 121 km 2 verfügt. Die Gemeinde umfasst 19 Dörfer mit 4.400 Haushalten in denen insgesamt 11.000 Einwohner leben. Geschichte der Gemeinde Morbach – Wenigerath war das seit 1957 das größte Munitionslager der US-Luftwaffe in Zentraleuropa. Im Jahre 1995 zogen die US-Streitkräfte ab und ließen das ehemals vollständig bewaldete Gelände von 146 ha Fläche stark veränderte zurück. Nach dem Rückzug der US-Streitkräfte bemüht sich die Gemeinde dieses Gelände für einen geeignetenn Zweck zzu n 28 MORBACH, RHEINLAND-PFALZ Abbildung 24: Energielandschaft Morbach Quelle: Energielandschaft Morbach Windkraftanlagen Im Jahr 2002/2003 wurden auf die Fläche des ehemaligen Munitionslagers der US-Streitkräfte 14 Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von 2 MW je Anlage errichtet, die insgesamt zu einer Stromerzeugung von ca. 40-45 Mio. kWh im Jahr beitragen. Die Aufstellung der Windkraftanlagen ist in Abbildung 24 deutlich zu erkennen. Ein Konzept war, dass die Bürger der Gemeinde sich als Kommanditisten an den Anlagen beteiligen konnten, wodurch auch ein Bürgerwindrad entstanden ist. Photovoltaik Eine Photovoltaikanlage mit einer Modulfläche von ca. 4.000 m 2 wurde im Jahr 2002 errichtet. Diese wurde in 2008 um weitere 6.000 m 2 erweitert. Insgesamt haben die PV-Anlagen eine installierte Leistung von 2,18 MWp. Desweiteren wurde ein Testfeld mit unterschiedlichen Modultypen und Wechselrichtern sowie einem Nachführungssystem installiert. Dadurch können polykrstalline Siliziumzellen und Dünnschichtmodule von unterschiedlichen Herstellern im Zusammenspiel mit verschiedenen Wechselrichtern und Nachführungssystemen verglichen werden, wodurch die Möglichkeit besteht, die Effektivität zu optimieren. Die PV-Analgen können insgesamt zu ca. 2 Mio. kWh an Stromerzeugung der Energielandschaft im Jahr beitragen. Abbildung 25: Wind- und Photovoltaikanlage der Energielandschaft Morbach Quelle: Energielandschaft Morbach MORBACH, RHEINLAND-PFALZ 29 Biogas Seit dem Jahr 2006 wird eine Biogasanlage mit einer Leistung von 500 kWel auf dem Gelände betrieben, wodurch etwa 3,8 Mio kWh Strom und ca. 5 Mio kWh Wärme im Jahr erzeugt werden. Dabei werden ausschließlich nachwachsende Rohstoffe genutzt, die von 15 Landwirten, wovon 3 aus der Region stammen, beliefert. Die durch die Biogaserzeugung übrig gleibenden Gärreste werden als Dünger in der Landwirtschaft eingesetzt, wodurch sich die Landwirte aus der Region ein zweites Standbein schaffen konnten. Die aus der Biogasanlage entstehende Abwärme wird vollständig zur Trocknung von Säge-Restholz aus der regionalen Sägeindustrie genutzt, dass in einer Holzpelletproduktionsanlage verarbeitet wird. Holzhackschnitzelwerk Aufgrund der nicht ausreichenden Wärmeleistung der Biogasanlage wurde im Jahr 2008 ein Holzhackschnitzelkheizkraftwerk mit einer Leistung von 740 kW in einer ehemaligen Bombenwartungshalle in Betrieb genommen. Der Strom, der für die Pelletherstellung benötigt wird, wird weitgehend von den Windkraftanlagen aus der Energielandschaft zur Verfügung gestellt. Solare Trinkwasseraufbereitung in Mali In der Energielandschaft wurde Solarenergie neben der Stromerzeugung auch zur Trinkwasseraufbereitung genutzt. Diese „Demo-Anlagen“ gaben Anstoß zu Benefizveranstaltungen zu Gunsten von Entwicklungshilfeprojekten in Mali. In Kooperation der Gemeinde Morbach mit dem Verein „Mali-Hilfe – e.V.“ wurden bislang bereits 14 dieser Anlagen nach Mali gebracht. Weitere Ziele für die Zukunft Die Gemeinde Morbach hat sich bis 2020 folgende Ziele gesetzt: >> Energie-Autarkie bis zum Jahr 2020 auf Basis der erneuerbaren Energie und umweltfreundlicher Politik >> Senkung der CO2-Emssionen der Gemeinde bis 2020 um mehr als 50% im Bezug auf das Jahr 2000 Ziel der Gemeinde ist es, das Bewusstsein seiner Bürger hinsichtlich eines Klima- und Umweltschutzes zu wecken, um ihre Handlungsweise zu überdenken und eventuell zu ändern. Durch das Programm der Energielandschaft soll ein aktiver Klima- und Umweltschutz für jeden verständlich und möglich gemacht werden. Der Schwerpunkt dieses Projektes liegt allerdings in der Stromproduktion durch den Einsatz von erneuerbaren Energien sowie die Wärmeerzeugung und Energieeinsparung. Ein weiteres Ziel der Gemeinde Morbach ist es, die Energielandschaft zu erweitern. Dies umfasst die Erhaltung des Ortskerns durch Umnutzung von leeren Gebäuden sowie Sanierung von Häusern, um Energie zu sparen und der Landschaftssiedlung entgegen zu steuern. Desweiteren stehen weitere Projekte in Planung. Eines davon ist ein Nahwärmenetz für den Ort Morbach, welches durch ein großes Holzhackschnitzelheizkraftwerk mit einer Leistung von 7 MW gespeist werden soll. Da die Gemeinde Morbach ein 3.000 ha Gemeindewald besitzt, welches kommunal eigenbeförstert wird, Abbildung 26: Biogasanage Quelle: Energielandschaft Morbach wird das hierfür notwendige Hackschnitzel zum größten Teil aus dem Gemeindewald bereit gestellt. Daneben sind für weitere Dörfer der Gemeinde Morbach Machbarkeitsstudien für Nahwärmenetzte vorgesehen. Fazit Aufgrund der Historie des Geländes auf dem die heutige „Energielandschaft“ errichtet wurde, bestanden laut Angaben der Gemeinde keine Probleme hinsichtlich der Akzeptanz der Bürger. Die ist allerding auch dadurch zu begründen, dass die Bürger als Kommanditisten direkt an den Projekten beteiligt sind. Dies gab den Bürgern der Gemeinde die Möglichkeit, auch ein Teil der „Energielandschaft zu sein“. Allgemein betrachtet kann man sagen, dass dies ein sehr gelungenes Projekt geworden ist, da eine unbrauchbare Landschaft durch unterschiedliche Technologien von erneuerbaren Energien genutzt werden konnte, um Strom, wie auch Wärme zu erzeugen, wodurch die Energieversorgung der Bürger der Gemeinde Morbach gesichert wurde. Literaturverzeichnis Unterlagen von der Gemeinde Morbach: Gemeinde Morbach (2010) Morbach – mit Energie Zukunft gestalten Energielandschaft Morbach (2011) http://www.energielandschaft.de/ Stand 10.02.2012 Juwi (2011) Steckbrief – Photovoltaik in der Morbacher Energielandschaft Juwi (2011) Steckbrief - Energielandschaft Morbach Gemeinde Morbach (2009) Klimaschutz Kommune 2006 Autorin: Sinem Akdag EEW.bbM.11 30 DORMAGEN, NORDRHEIN-WESTFALEN Energieeinspar-Contracting für die Straßenbeleuchtung in Dormagen Die Gemeinde Das Projekt Dormagen ist eine familienfreundliche Stadt und ein innovativer Hightech-Standort am Rhein. Tradition und Moderne liegen dicht beieinander. Während in den Industrien und Gewerbebetrieben Produkte mit Weltniveau hergestellt werden, bietet das traditionelle Handwerk noch Qualität „Made in Germany“. Nach der öffentlichen Ausschreibung und Prüfung verschiedener Varianten beauftragte die Stadt Dormagen das Energieleistungsunternehmen Horlemann Elektro GmbH als Contractor mit dem Austausch der veralteten Technik. Dormagen ist zwischen Köln und Düsseldorf gelegen und rund 63.000 Einwohner bewohnen diese Stadt. Die Projektvorbereitung Die Idee Im Jahr 2006 ließen die Technische Betriebe der Stadt Dormagen, das Einsparpotenzial ihrer Straßenbeleuchtung untersuchen. Die Stadt hatte zuvor von der Möglichkeit erfahren, über 30 Prozent beim Stromverbrauch durch Contracting einsparen zu können. Contracting Contracting ist die Übertragung von eigenen Aufgaben des Rechtssubjekts auf Dienstleistungsunternehmen. In seiner Hauptanwendungsform des Liefer-, Anlagen-, Energie- oder Wärme-Contractings bezieht sich der Begriff auf die Bereitstellung beziehungsweise Lieferung von Betriebsstoffen und den Betrieb zugehörigen Anlagen. Dabei bestehen etwa 15 Prozent des Marktumfanges aus sogenannten Energie-Einspar- oder Performancecontracting und ist trotz häufiger Gleichsetzung mit Contracting rechtlich, inhaltlich und verfahrenstechnisch völlig anders einzuordnen. Bei dieser Variante wird keine Energie geliefert oder bereitgestellt, der Betrieb von technischen Anlagen kann vereinbart werden. Vertragsinhalt ist hier vielmehr ausschließlich die Erfüllung vom Contractor gegebene Einspargarantie. Da ein Performancecontracting Vorhaben für die Straßenbeleuchtung einer ganzen Kommune in NordrheinWestfalen ein Pilotvorhaben darstellte, nahmen die technischen Betriebe Dormagen zu Beginn des Jahres 2007 Kontakt zur Contracting-Beratung der Energie Agentur NRW auf. Nach ersten Gesprächen stand fest, dass trotz der bestehenden Ungewissheit, ob es in der Region überhaupt einen Anbieter für solch ein im Bereich Straßenbeleuchtung neuartiges Energiedienstleistungsmodell geben würde, wurde eine entsprechende Ausschreibung durch die Technischen Betriebe in Dormagen mit Unterstützung der Energie Agentur NW erstellt und im März 2007 deutschlandweit veröffentlicht. Die Investition Insgesamt investierte der Contractor Horlemann 667.300 Euro in das Energiekonzept. 301.000 Euro wurden dabei in Lampen, Leuchten und Vorschaltgeräte investiert. Die restliche Summe wurde für das Lichtmanagementsystem aufgewendet. Einige weitere Erneuerungen, die von den Technischen Betrieben erst während der Arbeiten genannt wurden, wurden auf Kosten der Stadt außerhalb des Einspar-Garantievertrages umgesetzt. Rahmenbedingungen >> Der potentielle Energiesparpartner sollte die Einsparinvestitionen selber vorfinanzieren und für die Dauer der Vertragslaufzeit erfolgsabhängige über die erreichten Stromkosteneinsparungen bezahlt werden. >> Die Dauer des Einspargarantie-Vertrages wurde auf eine Laufzeit von maximal fünf Jahren festgelegt. >> Das bestehende Beleuchtungsniveau dürfte nicht abgesenkt werden. >> Es sollte ein Lichtmanagementsystem eingebaut werden. Abbildung 27: Quelle: http://www.energieagentur.nrw.de/_images/editor/ea/pdm_1 0_09-2.jpg DORMAGEN, NORDRHEIN-WESTFALEN 31 Der Vertrag Der Erfolg Die Vergütung des Performancecontractors passiert erfolgsabhängig und wird jährlich auf Grundlage der tatsächlich nachgewiesenen Energieeinsparungen berechnet. Einspargarantien in der Höhe von 20 Prozent der bisherigen Energiekosten können als durchschnittlich angesehen werden. Speziell im Bereich von Beleuchtungssanierungen im Innen- und Außenbereich sind wirtschaftlich erschließbare Einsparungspotentiale von bis zu 30 Prozent und mehr keine Seltenheit. Wird das Einsparziel am Jahresende nicht erreicht, so geht der Minderbetrag zu finanziellen Lasten des Contractors. Wird das Einsparziel überschritten, teilen sich Kunde und Contractor den zusätzlichen Erfolg im Regelfall nach einem vertraglich vereinbarten Verteilungsschlüssel. Bei diesem Vertrag wurde es so geregelt, dass die Energieeinsparungen nach den ersten fünf Contracting-Jahren dem städtischen Haushalt zugute kommt. Durch den Austausch veralteter Technik und die vertragliche Bindung zu einen Performancecontractor konnte die Stadt Dormagen den Stromverbrauch von jährlich etwa 3.160.000 Kilowattstunden auf ca. 1.740.000 Kilowattstunden senken. Damit kam es zu einer Energieeinsparung von 44 Prozent. Der jährliche CO2-Ausstoß wurde somit um etwa 830 Tonnen reduziert. Dormagen ist die erste Kommune in NordrheinWestfalen, die ein Performancecontracting für die Straßenbeleuchtung nach öffentlicher Ausschreibung erfolgreich realisiert hat. Die Erfolgsfaktoren Trotz kaum vorhandener Erfahrungen der Projektbeteiligten mit dem Performancecontracting-Modell kam es ins so kurzer Zeit (13 Monate zwischen Ausschreibung und technischer Umsetzung) zu einer erfolgreichen Umsetzung. Dieser Erfolg ist auf eine Reihe positiver Rahmenbedingungen zurückzuführen. Wesentliche Erfolgsfaktoren waren: >> Eine umfassende aktuelle Datengrundlage der Technischen Betriebe Dormagen (Straßenbeleuchtungskataster) >> Das Fehlen langfristiger Vertragsverhältnisse mit Externen, Eigentum und Betriebsführung der Straßenbeleuchtung liegen auch weiterhing bei den Technischen Betrieben in Dormagen >> Der vorhandene kommunalpolitische Rückhalt für das Performancecontracting-Modell sowie der pragmatische und ergebnisorientierte Umgang zwischen den Projektpartnern. Abbildung 28: Quelle: http://www.energieagentur.nrw.de/_images/editor/ea/pdm_1 0_09-3.jpg Die Umsetzung Best Practise Modell Mit seiner guten Herangehensweise an eine typische Ausgangssituation zeigt Dormagen ein vorbildliches Energieeinsparprojekt, welches von vielen anderen Kommunen ebenfalls umgesetzt werden kann. Eine gute Anwendbarkeit liegt speziell in Kommunen vor, die bislang sowohl Eigentümer als auch Betreiber der örtlichen Straßenbeleuchtung sind. Hierbei dürfte es sich schätzungsweise um rund ein Drittel aller 396 NordrheinWestfalen Kommunen handeln. In dem Zeitraum Herbst 2007 bis März 2008 erfolgte die bauliche Umsetzung der Einsparinvestitionen. Pünktlich zum Start des Eispargarantie-Vertrages am 1. April 2008 hatte die Horlemann Elektro GmbH das nachfolgende ausgeführte Maßnahmenpaket umgesetzt. >> Austausch von 4929 alten Lampen, vorwiegend Quecksilberdampf-Hochdrucklampen, gegen energieeffiziente Natriumdampfhochdrucklampen >> Austausch von 4580 Vorschaltgeräten >> Austausch von 349 veralteten flachen Ansatzleuchten gegen neue effiziente Leuchten >> Einbau von 160 Spartransformatoren zur stufenweisen Spannungsabdeckung während der Abend- und Nachstunden (Stichwort Lichtmanagement) Autor: Jürgen Hürner EEW.bbM.11 32 BIOENERGIEDORF JÜHNDE, NIEDERSACHSEN Bioenergiedorf Jühnde Ein sich immer weiter verbreitendes Phänomen in der Energielandschaft Deutschlands und Österreichs ist das der Energiegenossenschaft. Eine Gemeinde, ein Landkreis oder eine Region stellen hierbei gemeinsam unterschiedlichste Energieprojekte auf die Beine. Die drei Grundtypen solcher energiegenossenschaftlicher Organisationen verbrauchen, erzeugen oder handeln mit Strom und Wärme bzw. bilden eine Mischform aus diesen Typen. Die am weitesten verbreitete Form sind hierbei die Energiegenossenschaften, die sich der Erzeugung von Strom und Wärme aus erneuerbaren Energiequellen widmen – sogenannten Erzeugungsgenossenschaften. Angefangen von Photovoltaikanlagen auf Schuldächern bis hin zu kleinen Stadtwerken versuchen Kommunen so regionale Lösung zur dezentralen Energieerzeugung zu bieten und dabei nicht nur umweltfreundliche Projekte zu realisieren, sondern dabei auch die Bürgerinnen und Bürgern möglichst stark mit einzubinden. Ein preisgekröntes Beispiel stellt hier die kleine mit knapp 1100 Einwohnern beseelte Gemeinde Jühnde im Süden Niedersachsens dar. Mit der Umwandlung des Ortes in ein Bioenergiedorf gehört die Gemeinde zu einem der Pioniere in Deutschland. Anfang 2006 setzte die Gemeinde ihr Vorhaben um, sich selbst mit Strom und Wärme aus Biomasse zu versorgen und dabei den Bedarf an fossilen Energieträgern auf ein Minimum zu senken. Dieses Ziel hat der Ort nicht nur erreicht sondern ist derzeit über das Jahr sogar zum Nettostromexporteur geworden. Das Konzept „Bioenergiedorf“ Das Konzept des Bioenergiedorfs, das keiner einheitlichen Definition unterliegt, ist zunächst an eine Reihe von Bedingungen geknüpft, die erfüllt werden müssen, um diesen Status zu erhalten. So soll ein Bioenergiedorf: >> mindestens so viel Strom erzeugen wie es im Jahr verbraucht >> mindestens 50% seines Wärmebedarfs durch Biomasse decken >> über 50% der Erzeugungsanlagen sollten im Besitz der Wärmeabnehmer und Landwirte sein >> die genutzte Biomasse sollte unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit nicht aus Maismonokulturen oder genetisch veränderten Pflanzen stammen (Quelle: Institut für Bioenergiedörfer Göttingen) Im Zentrum des Bioenergiedorfs steht in der Regel die Nutzung der regionalen Biomasse. Dies schließt zwar grundsätzlich andere Erzeugungsformen, wie Solar- und Windenergie nicht aus, ist jedoch aufgrund der gekoppelten Produktion von Wärme und Strom und einiger weiterer Aspekte für die „Umstellung“ eines Dorfes die geeignetste. Besonders an diesem Konzept ist die Integration der Nutzer und Lieferanten in das Konzept selbst. So werden die verschiedenen Interessensvertreter an einen Tisch geholt und sind nicht nur Beteiligte sondern gleichzeitig fester Bestandteil des Projekts sowohl in der Planung als auch bei der Realisierung. Die wesentlichen Projektziele eines Bioenergiedorfs sind der Ressourcen- und Klimaschutz, der Schutz von Boden und Wasser in der Region, die Artenvielfalt durch einen diversifizierten Anbau, die regionale Wertschöpfung, die Partizipation der Gemeindebewohner selbst sowie die Schaffung eines gemeinsamen Lebensgefühls und einer Lebenskultur in Verbindung mit der anvisierten Umstellung. Entstehungsgeschichte Bioenergiedorf Initiator des Bioenergiedorfs war das IZNE der Universität Göttingen, das gemeinsam in einem Diskussionsprozess mit der Universität Kassel und dem Institut Witzenhausen, 1998 die Idee für eine nachhaltige Regionalentwicklung zur Umsetzung der Agenda 21 im Handlungsfeld Energie entwarf. Im Anschluss folgten dann Besichtigungen bei Biogas und Rapsölanlagen worauf dann das Konzept entwickelt wurde bei dem ein ganzes Dorf auf Biomasse „umgestellt“ werden sollte. Ziel war es bereits hier nicht nur eine positive Klimabilanz zu realisieren sondern auch die Bürgerinnen und Bürger ins Boot zu holen und die Bereitstellung der benötigten Biomasse so umweltschonend und nachhaltig wie möglich zu gestalten. Nach vielen Überarbeitungen und Nachbesserungen folgte dann schließlich Bewilligung des Projektantrags, so dass im Oktober 2000 der Startschuss für das Projekt fiel. Nachdem das Projekt dann stand, musste auch eine passende Gemeinde gefunden werden. So sollte im Landkreis Göttingen nach einem geeigneten Kandidaten für das ehrgeizige Projekt gesucht. Von 17 geeigneten Dörfern schafften es dann schließlich nach einer Befragung der Haushalte vier Dörfer in die engere Auswahl. Im Oktober 2001 stand dann fest, dass Jühnde das Rennen um das erste Bioenergiedorf Deutschlands macht. Im Mai 2002 folgte dann die Gründung der Bioenergie Jühnde GbR, die BIOENERGIEDORF JÜHNDE, NIEDERSACHSEN dann im Oktober mit der ersten Erfolgsmeldung aufwarten konnte. 70 % des Wärmebedarfs in Jühnde konnten zu diesem Zeitpunkt vertraglich für das noch zu errichtende Nahwärmenetz gewonnen werden. Ende 2003 wurde dann der Bauantrag für die Bioenergieanlage gestellt. Nach der Sicherstellung der Finanzierung konnte dann im Oktober 2004 die „Bioenergiedorf Jühnde eG“ als eingetragene Genossenschaft als künftige Betreibergesellschaft gegründet werden. Nachdem dann im November 2004 der erste Spatenstich in Jühnde erfolgte, musste im Sommer 2005 das Nahwärmenetz verlegt werden und die Errichtung der Biogasanlage und des Heizwerks folgten. Nach der ersten Ernte schließlich im selben Sommer nahmen die Energieanlagen im September 2005 die Wärmeversorgung des Ortes Jühnde auf. Technische Realisierung Das Bioenergiedorf Jühnde besteht aus drei primären Elementen. Dies sind die Biogasanlage, die der Strom- und Wärmeerzeugung dienen, das Holzhackschnitzelheizwerk, das Wärme bereitstellt, und das 5.500 Meter (Hauptleitung 3.500m) lange Nahwärmenetz. Im Zentrum steht die Biogasanlage mit einer installierten elektrischen Leistung von 700 kW und einer jährlichen Stromerzeugung von rund 5 Mio. kWh was etwa dem doppelten Stromverbrauch der gesamten Gemeinde entspricht. Hier werden nachwachsende Rohstoffe (Nawaro) und Gülle in einem Fermenter und einem Nachgärbehälter zu Biogas verarbeitet und im Blockheizkraftwerk (BHKW) zur Strom- und Wärmeerzeugung eingesetzt. Die Abwärme, die hierbei aus dem KWK-Prozess gewonnen werden kann und nicht dem Fermenter zugeführt werden muss, kann dann in das Nahwärmenetz eingespeist werden. Diese Abwärme deckt bereits 60 % des Wärmebedarfs der Gemeinde. Der übrige Bedarf, der dann vorwiegend im Winter anfällt, wird schließlich durch einen Heizkessel gedeckt, der mit Holzhackschnitzeln betrieben wird und eine Leistung von 550 kW aufweist. Für den Spitzenbedarf der wenigen sehr kalten Tage dient dann ein Heizölkessel, der die nötige Versorgungssicherheit gewährleistet und 1,6 MW thermische Leistung bereitstellen kann. Das Nahwärmenetz setzt im Jahr etwa 3,2 Mio. kWh an die rund 140 angeschlossenen Haushalte ab. Gespeist wird die Biogasanlage mit jährlich rund 9.000 m³ Gülle sowie 10.000 t an Biomasse (Weizen, Mais, Roggen, Sonnenblumen, etc.). Dafür müssen in der Gemeinde rund 320 ha Fläche für die Ernte bereitgestellt werden. Das Holzhackschnitzelheizwerk benötigt im Jahr dann für den Verbrennungsprozess weitere 1000 Schüttraummeter. Finanzierung Da Investitionen in Infrastruktur und vor allem solche energetischer Natur meist besonders hohe Volumina und Zeiträume umfassen, ist die Finanzierung eine besondere Herausforderung. Hierbei spielt der Umstand eine Genossenschaft zu Gründen eine sehr wichtige Rolle. Initiiert werden Genossenschaft aus finanzieller Sicht meist von Volks- und Raiffeisenbanken. Sie stützen das Projekt und bringen nicht selten Genossenschaft und potentielle Mitglieder zusammen. Besonders an dieser Form der Beteiligung ist das bürgerschaftliche 33 Engagement. So haben Investoren, Betreiber und Nutzer eine besonders ausgeprägte Bindung und das Engagement und vor allem auch die Akzeptanz bei der Realisierung sind besonders groß. Die Kosten der Bioenergiedorfgründung beliefen sich insgesamt auf rund 5,2 Mio. Euro von denen 28% durch Zuschüsse vom Land, dem Landkreis und der Gemeinde gefördert wurden. Die Energiegenossenschaft macht nach über sechs Jahren Betriebserfahrungen einen Umsatz von 800.000 €/a von denen 2/3 aus dem Erlös der Stromerzeugung u Fachhochschule Kufstein Tirol Bildungs GmbH, Andreas Hofer-Straße 7, A-6330 Kufstein / Tirol Studiengang Europäische Energiewirtschaft, Andreas Hofer-Straße 7, A-6330 Kufstein, Tel. +43 (5372) 71819 - 179