publizissimus - Fachschaftsrat Publizistik
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publizissimus - Fachschaftsrat Publizistik
Ausgabe Sommersemester 2014 publizissimus IfP und Journalistisches Seminar: Getrennte Wege? MASTER-REFORM: Was sich für IfP-Studierende ändert MAINZELBAHN: Zum jähen Aus einer Legende REGENBOGENPRESSE: „topfvollgold“ im Interview PUBLI-KICK: Joachim Löw und Mainzer Weltfußball Man munkelt, das Georg-Forster-Gebäude mache überhaupt keinen Sinn. +++ Denn, so munkelt man, in manchen Büros werde es plötzlich Editorial 3 Bild: Neuhaus Ein Mainzer Fußballmärchen Von Elisabeth Neuhaus Liebe Leserinnen und Leser, dieser Sommer steht im Zeichen des Fußballs – und der Publizissimus steht mitten drin. Als einziges deutsches Medium ist es uns gelungen, einen Reporter in die heiligen Spielstätten eines Großturniers von internationaler Bedeutung zu schleusen. Gemeint ist selbstverständlich die diesjährige Ausgabe des Publi-Kicks, bei dem einmal mehr Mannschaften von Weltrang gegeneinander antraten. Selbst ein von der WM genervter, sandiger Joachim Löw hat es sich nicht nehmen lassen, dem Publizissimus ein Interview zu geben und die vor Neugier brennende Öffentlichkeit über die hervorragende Qualität und den Erfolg seines „Random Sample“Teams zu unterrichten. Auch exklu- sives Bildmaterial des Turniers liegt der Redaktion vor. Die dynamischsten Schnappschüsse drahtig-durchtrainierter Spieler finden Sie auf Seite 37. Nicht nur beim Sport ist die Publizissimus-Redaktion in den vergangenen sechs Monaten am Ball geblieben. Anfang dieses Jahres kündigte das Journalistische Seminar an, die Nabelschnur durchtrennen und sich vom IfP abspalten zu wollen. Was aus den Plänen der Professoren Wolff und Renner geworden ist und wie es um das Verhältnis zwischen Georg-Forster-Gebäude und Domus Universitatis heute steht, haben Lorenz und Giuseppe nachrecherchiert. munikationswissenschaft, Unternehmenskommunikation und Medienmanagement greifen und 2015/2016 in Kraft treten. Johannes hat bei Ilka Jakobs vom Studienbüro nachgehakt und zusammengefasst, was sich für wen ändert. Zum Heulen: Schon jetzt trauert Pascal der 69 hinterher, deren Leben die Mainzelbahn ein jähes Ende setzen wird. Melancholisch blickt er zurück auf wundervolle Jahre mit dem Hausund Hofchauffeur der Universität und ist entsetzt, dass ein „langweiliger, blecherner Wurm“ die geliebte Linie ersetzen soll. ruf auf das TV-Urgestein verfasst und einen Blick auf die Geschichte der Dino-Show geworfen. Außerdem: Ein Interview mit dem „topfvollgold“-Blogger Moritz Tschermak, zwei Praktikumsberichte aus Fernsehen und Radio, Buzzfeed, Google, Wein im Internet und ein bisschen NSA. Vorab schon mal ein Blick auf die Ergebnisse der Publi-Kick-Spiele 2014. Mit einem glorreichen 7:1-Sieg kann sich keine teilnehmende Mannschaft brüsten. Aber klar, schließlich gibt es in Mainz auch keine südamerikanischen Spaß-Mannschaften Gewerkelt wird auch an den Masterstudiengängen des IfP: Umfassende Reformen sollen in den Fächern Kom- Es ist nicht der einzige Abschied in diesem Heft. Auch „Wetten, dass..?“ soll noch in diesem Jahr vom samstäglichen Fernsehbildschirm verschwinden. Caroline hat einen Nach- Publi-Kick 2014: Ergebnisse ger (P), Weidenfeller Tore: Brown (2), Kamin, Schneider Abschlusstabelle PU Bachelor – PU Master 1:1 Tore: Treuer – Strasser PU Bachelor – PU Magister 0:1 Tore: Brown (P) Bachelor – Random Sample 4:0 Tore: Fang, Treuer, Buchwald, Makowski Platz – Verein – Tore – Punkte PU Magister – Random Sample 5:0 Tore: Johnen, Kamin (2), Leidin- PU Master – Random Sample 0:1 Tore: Blankenagel Magister – PU Master 4:0 Viel Spaß bei der Lektüre! 1 – PU Magister – 10:0 – 9 2 – PU Bachelor – 5:2 – 4 3 – Random Sample – 1:9 – 3 4 – PU Master – 1:6– 1 dunkel. +++ Man munkelt, der Geruch im Hörsaal 10 erinnere an Mottenkugeln aus Großmutters und Großvaters Zeiten. +++ Man munkelt, Inhalt / 4 Impressum Publizissimus Ausgabe 01/2014 Chefredaktion (Babos): Lorenz Harst, Elisabeth Neuhaus, Giuseppe Rondinella (V.i.S.d.P.) Logo: Richard Lemke Layout: Elisabeth Neuhaus, Tobias Lentz Titelbild: Elisabeth Neuhaus Herausgeber: Fachschaftsrat Publizistik Auflage: 700 Druck: Zentraldruckerei (Universität Mainz) mit freundlicher Unterstützung des ZeFaR Redaktionsadresse: Publizissimus-Redaktion c/o Fachschaftsrat Publizistik Universität Mainz / Georg-Forster-Gebäude Jakob-Welder-Weg 12 55099 Mainz Leserbriefe, Anmerkungen und Kritik bitte an: [email protected] impressum Inhaltsverzeichnis 3 4 Editorial: Impressum | Inhaltsverzeichnis 5 Im Publizissmus vor 30 Jahren: Dalli Dalli, Bla Bla und Di Dudel Dum 6 8 10 12 IfP vs. Journalistisches Seminar: Wenn sich Professoren streiten Neu am Institut: Christian Schemer Master Reform: Master Desaster? Mainzelbahn: Endhaltestelle Hindemithstraße oder: Der Tag der toten 69 14 Medien in den Medien: Zerfledderte Goldblätter. Ein Interview mit den Machern vom „topfvollgold“-Blog 18 Buzzfeed: „Waking up was the second hardest thing in the morning“ 20 Publizissimus-Preis: Richard Lemke 22 23 Abgehört: Privatsphäre - Do it yourself! Abgehört – Gastbeitrag: „Prism“ statt Privacy? 25 Praktikumsbericht I: Hessischer Rundfunk 27 Fußball-TV: Irgendwas mit Fernsehen 28 29 Praktikumsbericht II: Ein echtes Journalistenpraktikum bei Klassikradio Kommentar: Generation Praktikum Autoren: Matthias Baumarth, Johannes Beckert, Natalie Eichinger, Lorenz Harst, Elisabeth Neuhaus, Franziska Pröll, Giuseppe Rondinella, Robin Schäfer, Pascal Schneiders, Caroline Wiemann 30 Journaille: Wein-Tageszeitung Captain Cork 32 Nachruf „Wetten, dass..?“: Streber Lanz und der Untergang eines deutschen TV-Urgesteins Gastautoren: Prof. Dr. Leonard Reinecke Markus Schäfer 34 36 37 Publi-Kick 2014: Triumphzug der verlorenen Generation Phantomtor-Plädoyer: Ein Phantomtor und die Macht sozialer Kontrolle Publi-Kick 2014: Impressionen 38 39 Online-Uni: MOOCs – große Blase oder große Zukunft? Alumni berichten: „Jede Woche eine neue Welt“ 40 Die Autoren: ...und ihr Lieblingsmedium 42: Glosse: Wir brauchen Google Environment! Erich Lamps Buch „Die Macht öffentlicher Meinung“ (Wie heißt nochmal der Verlag? Ach ja, Olzog) lese sich ganz gut. +++ Man munkelt, die Vor 30 5 jahren Bild: Archiv Dalli Dalli, Bla Bla und Di Dudel Dum Von Elisabeth Neuhaus Wir schreiben das Jahr 1984. Gerade hat das erste Kabelfernsehprojekt der Bundesrepublik seinen Pilotbetrieb aufgenommen und die Ministerpräsidenten der Bundesländer haben sich darauf geeinigt, am Satellitenfernsehen auch private Programmanbieter zu beteiligen. Für die Publizistikwissenschaft ist es ein durchaus geschichtsträchtiges Jahr, denn es markiert den Beginn einer Koexistenz von öffentlichem und privatem Rundfunk. Es ist das Geburtsjahr des dualen Rundfunksystems. Nicht alle aber sind begeistert von der medialen Niederkunft auf den Fernsehbildschirmen der Nation. Private Bedrohung aus dem Wohnzimmer Kein Grund zum Feiern, urteilt etwa das Mainzer Institut für Publizistik. Ein skeptischer Hans Mathias Kepplinger vergleicht die Einführung von Privatsendern, den „Neuen Medien“, mit der Einführung des ersten Personenkraftwagens. Im Rahmen eines Kurzreferats, so der Publizissimus-Autor, habe Kepplinger deutlich machen wollen, dass die „neuen Karren“ der Bevölkerung nichts als Ärger eingebracht hätten. Dass die aktuelle Bedrohung nicht mehr auf der Straße, sondern im Wohnzimmer lauert, findet auch der Autor des Textes: „Was […] Kommerzfunk, […] Dalli-Dalli, Bla Bla und Di Dudel Dum mit offener Gesellschaft zu tun haben soll[en] ist mir schleierhaft“. Ja, Kepplinger scheint in jener Ausgabe im Zentrum der Berichterstattung zu stehen. So erlaubt sich ein Redakteur, die Antrittsvorlesung des Professors auseinanderzunehmen. Der Autor kritisiert die Einfachheit der von Kepplinger propagierten Ansätze („…des Herrn Professors Theorien ließen sich grafisch mittels zweier Bezugsobjekte und einem einzigen dazwischen befindlichen Pfeil darstellen.“). Auch der Spiegel sei in ein unerhört schlechtes Licht gerückt und als „sogenanntes Prestige-Medium“ verunglimpft worden. Ob da wohl die politischen Einschläge von konservativem Professor und links-liberalem Studenten aufeinander geprallt waren? Enthüllungsjournalismus und der Untergang des Abendlandes Überhaupt zeichne sich Kepplinger durch einen Hang zur Eindimensionalität aus und verkaufe wissenschaftlich kaum nachweisbare Theorien als Tatsachen. So habe er den investigativen Journalismus zur Staatsbedrohung hochstilisiert, weil die Menschen den Organen des Gemeinwesens zunehmend weniger vertrauten. An diesem Vertrauensverlust, so Kepplinger, seien nicht etwa diejenigen Schuld, denen man nach Skandalen und Affären nicht mehr glauben könnte, sondern diejenigen, die sich diesen Geschichten annähmen und die Öffentlichkeit darüber informierten. Investigative Reporter litten am „NestbeschmutzerSyndrom“. „Enthüllungsjournalismus schädigt Staat“, so formuliert es der Autor des Artikels in einer handgezeichneten Infografik am Ende des Beitrags mit einem Augenzwinkern. Die beiden Bezugsobjekte verbindet ein Pfeil. Das war’s. Wer wird denn da gleich nöllen? Wir schreiben noch immer das Jahr 1984. Vor kurzem ist bekannt geworden, dass der stellvertretende NATO-Oberbefehlshaber General Günter Kießling vom Bundesverteidigungsministerium in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden ist. Wegen seiner Homosexualität sei der General zu einem Sicherheitsrisiko geworden. Dabei beruft sich das Ministerium auf einen Bericht des Militärischen Abwehrdienstes (MAD), in dem General Kießling Kontakte zur Homosexuellen-Szene nachgesagt werden. Den Fall nehmen sich die Publizissimus-Redakteure zum Anlass, auf die Diskriminierung von Homosexuellen hinzuweisen. Bundeskanzler Helmut Kohl hatte sich zuvor gegen die Abschaffung der schwulenfeindlichen Passage im Strafgesetzbuch ausgesprochen – und ließ sich wie folgt zitieren: „Ich bin der Kanzler aller Deutschen, nicht aller Homosexuellen.“ Erfreulicherweise gibt sich der Publizissimus homophil und ein gewisser Armin Hein fordert: „Weg mit dem Paragraph 175!“ Auf der letzten Seite schlüsselt ein kleines Wörterbuch die wichtigsten Begriffe auf, die ein Mainzer Publizistik-Student wissen muss: „Donsen“ bedeutet, aus dünnen Zahlen viel zu machen. „Keppen“ ist immer dann richtig, wenn jemand aus noch dünneren Zahlen noch mehr macht. Derweil schustern „Nöllende“ aus dünnen Studien Wahlprogramme zusammen. Und einer, der „rickt“, interpretiert neue Mediengesetze. Zum Abschluss der Ausgabe wird gemunkelt, was das Zeug hält. Allein der Begriff „Munkler“ hat sich noch nicht durchsetzen können. Und so ist sich der Publizissimus in jenem fernsehgeschichtlichen Jahr sicher, „in Kepplingers Rubrik ‚Prestige-Medien‘ eingeordnet zu werden“. Medienbranche sei ein einziger Sklaventreiber-Verein. +++ Man munkelt, auch in festen Liebesbeziehungen konsumierten die Männer noch 6 Ifp vs. journalistisches seminar Wenn sich Professoren streiten Von Lorenz Harst und Giuseppe Rondinella Das Journalistische Seminar wollte aus dem IfP austreten. Warum? Die Verantwortlichen beider Seiten tragen nicht viel zur Aufklärung bei. Stattdessen herrscht Informationssperre. Die Leittragenden sind die Studierenden. Abspaltung – Ja oder Nein? Bild: Neuhaus In Berlin gehört es für einen gestandenen Politiker längst zum guten Ton, sich sogenannte Freundeskreise zu unterhalten. Wem der Begriff nicht geläufig ist, dem sei gesagt: Es geht um den erlauchten Kreis von Journalisten, der sich ständig im näheren Umfeld eines führenden Politikers bewegen darf und außerdem noch Exklusivinformationen erhält. Im Januar dieses Jahres haben wir ähnliche Erfahrungen gemacht. Zwischen Aufzugtür und Angel plauderte Prof. Daschmann gegenüber seinem ganz persönlichen Freundeskreis ein bisschen aus dem Nähkästchen. Mit einem Stapel frisch gedruckter Wintersemester-Publizissimus-Exemplare unter dem Arm erfuhren wir von einem schwerwiegenden Richtungsstreit zwischen IfP und Journalistischem Seminar und waren plötzlich ganz traurig, so früh in Druck gegangen zu sein. Hätten wir die Infos ein paar Tage früher erhalten, hätten wir die Story längst veröffentlicht. Es wäre allerdings fahrlässig nun zu behaupten, wir könnten alle offenen Fragen ein für alle Mal klären, denn dazu fehlen uns leider selbst nach langer Recherche immer noch wichtige Informationen. Das Problem ist, dass Prof. Daschmanns anfängliche Redseligkeit in Schweigen umgeschlagen ist. Und so verhält es sich bei nahezu allen Verantwortlichen. Nochmal von vorne Worum geht es eigentlich? Eines gleich vorneweg: Wir würden diese Geschichte nicht erzählen, wenn Sie nicht die Studierenden beider Institute beträfe. Ungefähr zur selben Zeit als wir diese wertvollen Insiderinformationen zu Ohren bekamen, lagen IfP und Journalistisches Seminar offensichtlich schon längere Zeit in heftigem Clinch und streiten möglicherweise noch heute. Damals allerdings war der Ton so scharf, dass sich die beiden Journalistik-Professoren Renner und Wolff genötigt sahen, in einer Presseerklärung den Austritt des Seminars aus der Zusammenarbeit mit dem IfP anzukündigen. Warum? Offenbar hegte man unter den Journalisten im Domus Universitatis schon länger die Hoffnung, das Nebenfach „Audiovisuelles Publizieren“ in ein eigenständiges Kernfach umwandeln zu können, denn mit einem Schattendasein als Beifach unter dem Dach der Publizistik war man scheinbar nicht mehr zufrie- den. Laut Prof. Daschmann ein Ding der Unmöglichkeit: Auf persönliche Nachfrage des Publizissimus ließ er zumindest anklingen, dass dazu die finanziellen und strukturellen Möglichkeiten fehlen würden. Weiterer Streitpunkt war die Besetzung des in Kürze vakant werdenden Stuhls von Prof. Wolff am Journalistischen Seminar. Während man sich von Seiten der Journalisten einen Dozenten mit umfangreicher Praxiserfahrung, möglichst auch in leitender Position eines Medienunternehmens, wünschte, lag der Fokus der Auswahl seitens des Instituts eher auf einer forschenden Professur. Nach Aussage der Professoren Renner und Wolff in der oben angesprochenen Presseerklärung „ein massiver Eingriff in die innere Belange der Mainzer Journalistik.“ Pressestelle feuert mit leeren PR-Hülsen So weit, so unklar. Die beteiligten Verantwortlichen üben sich in Schweigen. Ob das nun eigener Antrieb ist, oder, was fast schon plausibler erscheint, von weiter oben kommt, ist an dieser Stelle reine Spekulatuon. Eines zumindest ist sicher: Anstatt auf unsere Anfragen direkt zu antworten, verwiesen uns Daschmann, Renner und Co. auf die Pressestelle der Universität Mainz. Von deren Chefin Petra Giegerich stammen folgende „Informationen“: „Ich bitte um Verständnis, dass wir interne Diskussionen, die im Rahmen allfälliger Meinungsbildungsprozesse innerhalb der Universität stattfinden, nicht kommentieren. Davon abgesehen, die Johannes Gutenberg-Universität Mainz unterzieht all ihre Studiengänge im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Akkreditierung in regelmäßigen Abständen einer Qualitätsprüfung, um sie bei Bedarf zu modifizieren […]. In diese Prozesse sind die Studierenden selbstverständlich auf allen Ebenen einbezogen. Entsprechende Beratungen im Hinblick auf die Studiengänge des Instituts für Publizistik haben in jüngster Vergangenheit nicht stattgefunden.“ Danke für nichts! Gott sei Dank hat zu unseren Studienzeiten die Zusammenarbeit beider Lehrstühle noch funktioniert, sodass wir bei Prof. Wolff lernen konnten, wie man eine bloße PR-Meldung als solche erkennt. Wenn man versucht, die leeren Hülsen mit Leben zu füllen, schmutzige Filmchen. +++ Man munkelt, Thommy sei der Boss. +++ Man munkelt, Prof. Quiring übe regelmäßig Gitarre in seinem Büro. +++ Ifp vs. journalistisches seminar macht die Meldung zumindest eines deutlich: Für die Universitätsleitung hat der Streit so nie stattgefunden. Das wiederum steht allerdings in krassem Widerspruch zu dem Gestus der ursprünglichen Meldung vom 29. Januar, wonach die Leitung des Journalistischen Seminars tatsächlich den Austritt aus der Kooperation mit dem IfP geprüft hatte und sogar bereits auf der Suche nach einem neuen Dachinstitut war. Damals schon klang allerdings an, dass ein solcher Austritt nicht so ohne Weiteres möglich ist: „Im Zuge der inneruniversitären Demokratie erfolgt die Zuordnung von Professuren zu einem Institut aufgrund der Organisationsregelung des jeweiligen Instituts, die auf Antrag des Fachbereichs vom Senat verabschiedet wird und somit auch nur von diesen Gremien wieder geändert werden kann“, erklärte Giegerich damals unseren Kollegen von Campus Mainz. Auf Campus Mainz müssen wir uns an dieser Stelle verlassen, was nicht nur an der mangelnden Auskunftsfreudigkeit der Entscheidungsträger liegt, sondern auch daran, dass die ursprüngliche Pres- Auf Granit gebissen Ein Kommentar von Lorenz Harst und Giuseppe Rondinella Vielleicht dachte ja jemand, wir würden es vergessen. Dieses kurze Gespräch im Treppenhaus des GeorgForster-Gebäudes, so beiläufig steckte man uns die Informationen zu. Oder vielleicht nahm an auch an, ein halbes Jahr später hätten wir andere Themen auf unserer Agenda. Nun ja, wir konnten uns noch erinnern. Und wir sind auch heute, ein halbes Jahr semitteilung mittlerweile im Internet nicht mehr zu finden ist. Sowohl auf der Homepage des Instituts als auch auf der des Seminars wurde sie offensichtlich gelöscht. Dünne Informationslage Um von ihr nähere Informationen zu bekommen, übermittelten wir schriftlich Fragen nach dem Ausgangspunkt der Meinungsverschiedenheiten, den verschiedenen Positionen und vor allem nach den Folgen für die Studierenden an beiden Lehrstühlen. Nicht nur Giegerich versteift sich allerdings auf PR-Floskeln. Auf Anfrage des Publizissimus halten sich auch die einzelnen Kontrahenten von IfP und Seminar auffallend bedeckt. So schrieb beispielsweise Prof. Renner, er sei „der Universität gegenüber im Wort, dass in dieser Angelegenheit allein die Pressestelle der Universität Auskünfte erteilt.“ Viel mehr bekamen wir auch aus Prof. Daschmann nicht heraus. „Derzeitiger Sachstand ist, dass Journalitik und Publizistik – nach einer Phase durchaus fruchtbarer Meinungsverschiedenheiten – wieder vollständige Einigkeit über die Ziele und Strategien des IfP im Zusammenhang mit der Zukunft des Journalistischen Seminars hergestellt haben“, heißt es in einer Mail von ihm, der außerdem ein Verweis auf Frau Giegerich von der Pressestelle beiliegt. Denn die Aussage Frau Giegerichs, „In diese Prozesse sind die Studierenden selbstverständlich auf allen Ebenen einbezogen“, können wir so leider nicht stützen. Wie uns ein Studierender des Beifachs Audiovisuelles Publizieren auf Nachfrage mitteilt, war die Umwandlung zu einem Kernfach in Studierendenkreisen vorher nicht bekannt, kam vielmehr „sehr überraschend“. Stattdessen wurden laut unserer Quelle die Studierenden vor vollendete Tatsachen gestellt, indem man ihnen den Austritt aus dem IfP verkündete, um ihn wenig später zu revidieren. Immerhin bekannt war allerdings schon zuvor auch den Studierenden, dass sich das Journalistische Seminar „bei den Planungen des Instituts für Publizistik nicht ausreichend berücksichtigt fühlte“. später, noch der Meinung, dass Ihr als Studierende und somit Betroffene das Recht habt, die Wahrheit über den Streit zwischen IfP und Journalistischem Seminar zu erfahren. Leider sehen die Entscheidungsträger das anders. Mit unseren Anfragen haben wir, wie es so schön heißt, auf Granit gebissen. derzusetzen (siehe PublizissimusAusgabe Sommer 2013), kommen wir offensichtlich, so lässt die positive Resonanz vermuten, gerade recht. Wenn wir Wohlfühljournalismus für die Studierenden betreiben und sexy facts zu den Baumaßnahmen am Georg-Forster-Gebäude liefern, dann lädt man uns gerne zu Sprechstunden ein. Packen wir jedoch, wie es zur journalistischen Ethik gehört, ein kontroverses Thema an, werden die Schotten plötzlich dicht gemacht. Das wirft die Frage auf, welchen Stellenwert der Publizissimus als Sprachrohr der Studierenden nun eigentlich hat. Denn eines scheint sicher: Wenn es darum geht, wie in Sachen Noelle, die Kohlen aus dem Feuer zu holen und sich mit den zweifelhaften Aussagen Jörg Beckers so unvoreingenommen wie möglich auseinan- Dabei wollen wir genau das sein: Ein Sprachrohr, das einerseits die Belange der Studierenden aufgreift und sie der Führungsetage kommuniziert, andererseits aber deren Entschei- 7 Dass Studierende zu Belangen ihrer Studienordnung allerdings sowohl eine Meinung haben, belegt unsere Anfrage auch. So äußerte sich derselbe Studierende, er „persönlich fände es in Ordnung, dass es bei dem ursprünglichen Beifach AVP bleibt“. Dieses bringe zwar in Kombination mit den beiden Hauptfächern Publizistik und Filmwissenschaft „einen vergleichsweise hohen Aufwand“ mit sich, sei seiner Ansicht nach aber auch weiterhin die richtige Lösung. Abschließend nur so viel: Es scheint zwar richtig, dass der gesamte Vorgang die Studierenden in ihrem Studienalltag nicht beeinträchtigt hat. Dennoch kamen sie im Entscheidungsprozess kaum zu Wort. Genauso wenig können wir an dieser Stelle sagen, worin die von Prof. Daschmann vermeldete „vollständige Einigkeit über die Ziele und Strategien des IfP im Zusammenhang mit der Zukunft des Journalistischen Seminars“ bestehen soll. dungen transparenter macht. So sieht es die Scharnierfunktion der Medien schließlich vor. Dazu aber benötigen wir echte Informationen, wie wir sie in diesem Falle leider nur von Seiten der Studierenden, nicht aber von den Entscheidungsträgern bekommen haben. Und so sind wir gezwungen, aus dem Wenigen, was wir haben, so viele Informationen wie möglich zu ziehen. Das ist für jeden angehenden Journalisten natürlich eine schöne Übung. Gleichzeitig sind wir aber auch um eine Erfahrung reicher, die uns sicher in Zukunft helfen wird: Manchmal beißt man einfach auf Granit. Man munkelt weiter, er feile an seinem Comeback als Rockstar. +++ Man munkelt außerdem, er würde dieses – angespornt von der letztjähri- 8 Neu am institut Bild: Pröll „Die Medienwirkungsforschung war schon immer mein Leib- und Magenthema“ Von Franziska Pröll Beworben, berufen, bereit für neue Aufgaben am IfP: Christian Schemer ist der Nachfolger von Jürgen Wilke und besetzt seit Februar die Professur für Allgemeine Kommunikationswissenschaft. Publizissimus-Autorin Franziska Pröll hat ihn zum Interview getroffen. Publizissimus: Als Professor stehen Sie nun „auf der anderen Seite“. Denken Sie noch gern an Ihre Studentenzeit hier am IfP zurück? Gab es ein Highlight? Schemer: An meine Studentenzeit denke ich sicherlich zurück. Das war eine sehr bewegende Zeit. Ich erinnere mich, dass sie mit einem großen Studierendenstreik anfing. Er fand im Wintersemester 96/97 statt, in dem ich hier begonnen habe. Es ging um die Erhöhung von Semesterbeiträgen, Größe von Räumen – Themen, wie wir sie auch heute haben. Damals haben viele gestreikt, heute macht das irgendwie niemand mehr so richtig. Ich fand das beeindruckend. Bevor man sich an der Uni auskannte und wusste, um was es eigentlich ging, ist man in diesen Streik-Strudel hineingezogen worden. Das war wohl das prägendste Ereignis aus der Anfangszeit. Haben Sie Jürgen Wilke, dem sie nun folgen, selbst erlebt? Ich habe ihn in einer Vorlesung zur Mediengeschichte erlebt. Aber ich muss sagen, mein Leib- und Magenthema war eigentlich immer schon die Medienwirkungsforschung. Damals – zu Magisterzeiten – kam man doch um manche Veranstaltungen herum, so dass ich eigentlich eher bei Vorlesungen und in Kursen anderer Personen gelandet bin. Wann ist Ihnen denn klar geworden, dass Sie wissenschaftlich arbeiten möchten? Gab es eine Art „Schlüsselerlebnis“? Ich glaube, so richtig ist dieser Wunsch mit der Magisterarbeit entstanden, bei der man sich vertieft und allein mit einem wissenschaftlichen Gegenstand auseinandersetzt. Trotz aller Isolation und Verlorenheitsgefühle empfand ich es als bereichernd, einem Thema auf den Grund zu gehen. Das war das Schlüsselerlebnis bzw. der Prozess, bei dem ich gemerkt habe: Das macht mir Spaß und das kann ich mir sehr gut vorstellen. Direkt nach dem Studium habe ich ein Jahr bei „PRIMEresearch“ in Mainz gearbeitet. Dort habe ich gen Performance seiner Kollegen – bei der Riverboat Shuffle geben. +++ Man munkelt, Prof. Daschmann verstünde nicht, warum Frauen so auf Neu 9 am institut gemerkt, dass ich die wissenschaftliche Forschung, so wie ich sie mir wünsche, nicht ausleben kann. Denn die Kunden determinieren, was man untersucht. Ich finde es jedoch interessanter, selbstbestimmt zu forschen. In Ihrer Magisterarbeit haben Sie sich mit der Wirkung von weiblicher Attraktivität in den Medien auf das Körperbild von Frauen befasst. Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen? Mit diesem Thema habe ich mich näher auseinandergesetzt, als ich ein halbes Jahr lang im Auslandssemester in Bordeaux war. Zu dieser Zeit hat das Thema geboomt und der Fokus der Forschung lag stark auf weiblichen Körperbildern und den Schönheitsidealen, die Frauen medial vermittelt werden. Die Quintessenz dieser Forschung war, dass medial vermittelte Schönheitsideale eher einen Effekt bei der weiblichen als bei der männlichen Zuschauerschaft hinterlassen. Deshalb habe ich mich auf dieses Thema fokussiert – auch aus pragmatischen Gründen, denn es wäre wissenschaftlich wesentlich aufwändiger gewesen, auch die Männer einzubeziehen. In Ihrer Doktorarbeit widmeten Sie sich dem Einfluss der Massenmedien auf politische Einstellungen und damit wieder einem Thema aus der Medienwirkungsforschung. Was fasziniert Sie so sehr an diesem Gebiet? Ich glaube, mich fasziniert am meisten das Spannungsverhältnis zwischen Fremd- und Selbstbestimmung. Wie werden wir in unseren Ideen, unserem Denken und bei der Einstellungsbildung gelenkt und gesteuert? Wie bestimmen wir andererseits selbst, welche Informationen wir nutzen, um uns ein Urteil zu bilden? Wir bewegen uns eigentlich ständig in diesem Spannungsverhältnis. Es gibt viele Mediennutzungssituationen, in denen wir mehr fremd- als selbstbestimmt sind. Es gibt aber auch Situationen, in denen wir Informationen selbst auswählen, um uns ein bestimmtes Urteil zu bilden. In politischen Kampagnen wechseln diese Situationen oft ab. Beispielsweise hat man mit zunehmender Informationsflut sehr große Mühe, selbst steuern zu können, welche Informationen für die Urteilsbildung hilfreich erscheinen. In solchen Situationen wird man oft eher fremdgesteuert. Diese Zusammenhänge haben mich immer schon fasziniert, nicht nur bezüglich der politischen Kommunikation. Promoviert haben Sie am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung an der Universität Zürich. Wie sind Sie dort gelandet? Gute Frage. Als ich wusste, dass ich in die Wissenschaft möchte und mich beworben habe, gab es noch nicht so viele Ausschreibungen. In Zürich gab es einen neuen Lehrstuhl, der mich durch seine Ausrichtung auf Methoden und Rezeptions- und Wirkungsforschung gereizt hat. Mit Glück – oder was auch immer – ist es dann auch Zürich geworden. Sie haben einige Zeit in Zürich verbracht, waren aber auch ein Jahr als Visiting Scholar an der Annenberg School for Communication an der University of Pennsylvania tätig. Was macht man da? Es kommt wahrscheinlich für jeden einmal die Zeit, um ein bisschen über den Tellerrand hinauszuschauen. Ich war damals schon acht Jahre lang in Zürich und habe mich für andere Forschende, Forschungseinrichtungen und Lehrkonzepte interessiert. In der Wissenschaft sind die USA immer noch das große Vorbild. Es gibt eine Reihe von renommierten Instituten im Bereich Kommunikation. Eines davon ist die Annenberg School. Dort wollte ich hin, um mit den Forschenden in Kontakt zu kommen. Gerade was den Bereich Politische Kommunikation angeht, sind dort einige führende Persönlichkeiten tätig. In den USA ist man offen für Leute, die von außerhalb kommen und Meinungsaustausch wollen. Die einzige Voraussetzung: Man muss sein eigenes Geld mitbringen. Es war sehr interessant zu sehen, wie eine so renommierte Schule forschungsmäßig vorgeht, wie sie Lehre macht und mit Studierenden umgeht. Außerdem relativiert es den Blick für das Eigene, das man kennt. Ich konnte viele Anregungen mitnehmen und Kontakte knüpfen. Es war eine bereichernde Erfahrung. sammenhängen. Dafür wünsche ich mir einen Austausch mit Studierenden. Es ist mir wichtig, Feedback zu bekommen, ob ich dies schon erreicht habe oder was es noch braucht, um es zu erreichen. Auch mit den Kolleginnen und Kollegen hier am Institut wünsche ich mir einen regen Informations- und Forschungsaustausch, der sich zum Beispiel in gemeinsamen Forschungsprojekten niederschlagen kann. Denn gemeinsam macht Forschung einfach mehr Spaß und man kommt meist weiter als allein. Christian Schemer, danke für das Gespräch. Neu am Institut sind außerdem: Christine Hueß Christina Köhler Philipp Müller Was macht Christian Schemer, wenn er gerade nicht forscht oder lehrt? Ich verbringe sehr viel und sehr gern Zeit mit meiner Familie – meiner Frau und meinen zwei Kindern. Sie sind zwei und fünf Jahre alt und nehmen ihren Papi gern in Beschlag. Das sind genau die richtigen Situationen, um den Alltag komplett hinter sich zu lassen und sich in Playmobil-, Legooder Duplo-Welten zu flüchten. Zu guter Letzt: Was wünschen Sie sich für Ihre Zeit am IfP und was möchten Sie den Studierenden vermitteln? Fangen wir mit Letzterem an: Wichtig ist mir, Spaß an der Forschung und am wissenschaftlichen Arbeiten zu vermitteln. Ich möchte zeigen, was mir am Ende des Studiums aufgegangen ist: Dass es eine sehr befriedigende Tätigkeit sein kann, sich auf die Suche nach mehr zu begeben und wissen zu wollen, wie die Dinge zu- Ziegenkäse abfahren. +++ Man munkelt weiter, er koche lieber mit Fleisch. +++ Man munkelt außerdem, sein Gulaschrezept sei ganz vorzüg- Master-reform 10 Master Desaster? Von Johannes Beckert Bauarbeiten am Master. Bild: Neuhaus Die Master-Studiengänge am IfP werden reformiert. Für das Wintersemester 2015/16 können sich BachelorAbsolventen erstmals für die neuen Studiengänge bewerben. Doch gibt es überhaupt gravierende Veränderungen? Man kennt das: Das Ende des Bachelor-Studiums rückt näher und man macht sich permanent Gedanken, wie es danach weitergehen soll. Arbeiten? Weltreise? Oder gar ein Masterstudium? Wenn ja, wo? Und was überhaupt? Im Gegensatz zu beispielsweise den naturwissenschaftlichen Fächern hat es ein PublizistikAbsolvent nicht leicht, was die Wahl des Master-Studiengangs betrifft. Denn: Weder liegt es auf der Hand, in welche fachliche Richtung es mit dem Master weitergeht, noch gibt es einen sicheren Studienplatz für jeden Interessenten. Zwar zeichnet sich das IfP damit aus, vier Masterstudiengänge anzubieten, doch für Bewerber wird das oft zum Nachteil. Hohe Bewerberzahlen und entsprechend hohe NC-Werte machen es für „Durchschnittsabsolventen“ oft unmöglich, ihren Wunsch-Master ohne einen Standortwechsel zu studieren. Aus studentischer Perspektive gibt es somit mehr als genug Reformbe- darf, doch sollte man sich bei dem Begriff Master-Reform nicht zu viele Hoffnungen auf Besserung machen. Denn die Reform, so Ilka Jakobs vom Studienbüro Publizistik, ist eher eine Umstrukturierung, die auf die bisherige Struktur der Masterstudiengänge zurückzuführen ist. Vor allem die Bereiche Unternehmenskommunikation und Medienmanagement seien stark von einer einzelnen Professur abhängig, deren Ausfall wegen ihrer inhaltlichen Spezialisierung nur schwer durch das Institut kompensiert werden könne. Und da an beiden Lehrstühlen ein personeller Wechsel bevorsteht – Prof. Einwiller wechselt zum WiSe 2014/15 nach Wien, Prof. Nienstedt wechselt 2015 in den Ruhestand – ist der Zeitpunkt für eine Umstrukturierung günstig. Ein weiterer wichtiger Grund für die Reform ist der Wunsch, eine bessere inhaltliche wie auch persönliche Vernetzung zwischen den drei Studiengängen – der Master Journalismus ist von der Reform ausgenommen – zu schaffen. Die Studierenden, die sich für einen Master am IfP entscheiden, sollen „Expertise aus allen drei Bereichen“ erlangen, so Jakobs. Der klassische Blick über den Tellerrand also, der auch für den Bachelorstudiengang stets gepredigt wird. heißt, man wird sich auch nach wie vor auf einzelne Master mit eigenen Zulassungskriterien und eigenen Auswahlverfahren bewerben. Die Zusammenlegung der Kurse im ersten Semester bedeutet also keine Zusammenlegung der Studiengänge als Ganzes. Schmelztiegel im 1. Semester Erfreulich für alle Mainzer Absolventen: Für alle drei Masterstudiengänge wird künftig der Anteil der Methodenkenntnisse als Zulassungsvoraussetzung erhöht. Diese Änderung geht auf den Prüfungsordnungswechsel im Bachelor von 2011 zurück, mit dem verstärkt Methodenkenntnisse gelehrt werden. Das wird nun bei der Masterbewerbung berücksichtigt und sichert den Mainzer Publizisten einen kleinen Heimvorteil. So gestaltet sich dann auch der Aufbau der reformierten Masterstudiengänge. Inhaltlich wird es kaum Veränderungen geben. Lediglich die Struktur ändert sich dahingehend, dass im ersten Semester zukünftig die Studierenden aller drei Bereiche – Kommunikationswissenschaft, Medienmanagement und Unternehmenskommunikation – zusammen studieren. Wichtig für alle Bewerber: auch am Bewerbungs- und Zulassungsverfahren wird sich so gut wie nichts ändern. Denn, so Jakobs, „die drei Studiengänge sollen als Namen und ‚Marken‘ erhalten bleiben“. Das Darüber hinaus gibt es in allen drei Studiengängen kleinere Änderungen, die sich aber nicht auf die Inhalte auswirken. So wird der Masterstudiengang Kommunikationswissen- lich. +++ Man munkelt, Prof. Schemer gehöre zum harten Kern. +++ Man munkelt weiter, sein Weizenbierkonsum könne dabei ganz gut mit Master-reform schaft ab dem nächsten Jahr „Kommunikations- und Medienforschung“ heißen. Ilka Jakobs erklärt die Namensänderungen mit einer stärkeren Hervorhebung des Praxisbezugs, womit dem Wunsch vieler Studierender entsprochen wird. tion zu bewerben. Das soll die Studienstruktur vereinfachen – bisher sind viele Veranstaltungen in den Fachbereich 03 ausgelagert – und verbessert zudem die Chance für Mainzer Publizistik-Absolventen, einen Studienplatz zu erhalten. Keine Wirtschaftswissenschaftler in Unternehmenskommunikation, weniger Publizisten in Medienmanagement Anders dagegen im Master Medienmanagement. Hier wird ab 2015/16 nur noch zugelassen, wer mindestens 60 Credits im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich vorweisen kann. Ein kommunikationswissenschaftliches Studium allein, ohne Wirtschaftswissenschaften als Beifach reicht dann nicht mehr aus. Diesen Schritt recht- Absolventen der Wirtschaftswissenschaften werden in Zukunft keine Möglichkeit mehr haben, sich für den Master Unternehmenskommunika- 11 fertigt Jakobs durch das Konkurrieren der Medienmanagement-Absolventen mit den Wirtschaftswissenschaftern in der Praxis. Durch das hohe Maß der vorausgesetzten Kenntnisse in Wirtschaftswissenschaften soll die Wettbewerbsfähigkeit der Mainzer Medienmanager auf dem Arbeitsmarkt künftig verbessert werden. Ein Nachteil besteht hier fürwahr für Bachelor-Studierende, die ihr Studium bereits vor der Reform begonnen haben. Interessieren sie sich für Medienmanagement und haben sich nicht für Wirtschaftswissenschaften als Beifach entschieden, ist ihnen ab nächstem Jahr fast jegliche Chance auf einen Masterplatz in Mainz verwehrt. Eine praktikable Lösung hierfür konnte weder von Seiten des Instituts, noch von studentischer Seite gefunden werden. Das kann man als unfair oder einfach nur als Pech bezeichnen. Es steht allerdings auch nirgendwo geschrieben, dass Reformen ausschließlich Vorteile für alle Beteiligten bringen müssen. Ablauf der Studiengang-Reform Diskutiert und besprochen wird die Studiengangreform im Leitungsgremium des Instituts. Dieses setzt daraufhin eine Kommission, bestehend aus Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern, ein, die einen ersten Entwurf erarbeitet. Grundlage dafür ist eine Gegenüberstellung und das Herausarbeiten von Unterschieden und Stärken der Studiengänge. In diesem Fall sieht der Entwurf vor, Inhalte, die bisher in allen drei Studiengängen gleich gelehrt wurden, für alle gemeinsam im ersten Semester anzubieten. Der fertige Entwurf wird vor der Verabschiedung mit studentischen Vertretern aus dem Fachschaftsrat und aus den betroffenen Studiengängen besprochen und deren Feedback nach Möglichkeit in der Umsetzung berücksichtigt. Somit haben auch die Studierenden einen Einfluss auf die Reform von Studiengängen – wenn auch in diesem Fall nur beschränkt, da die meisten Veränderungen struktureller und nicht inhaltlicher Natur sind. Bilder: Neuhaus dem der Fachschaft Schritt halten. +++ Man munkelt, er mache damit Prof. Quiring den Titel des Weizenbierkönigs strittig. +++ Man munkelt Mainzelbahn 12 Nach der 69 kommt der Straßenbahn-Spießer. Bild: Schneiders Endstelle Hindemithstraße oder: Der Tag der toten 69 Von Pascal Schneiders Die MVG mistet aus und stellt die 69 aufs Abstellgleis. Nachfolger der berühmt-berüchtigten Linie: Ein prähistorisches Fortbewegungsmittel auf Schienen. 69 ist eine besondere Zahl. 69 v. Chr. wurde Kleopatra, die legendäre letzte Pharaonin des alten Ägyptens, geboren. 69 n. Chr. war das erste Vierkaiserjahr in der Geschichte Roms. Die 69 ist der Inbegriff der Punktspiegelung, in welcher Form auch immer. Vor allem aber beschreibt der Paragraph 69 Strafgesetzbuch, meine Damen und Herren, die Entziehung der Fahrerlaubnis. Bald wird auch die Buslinie 69 davon betroffen sein. Dabei fuhr sie noch nicht mal unter Alkoholeinfluss. Sie ist zwar meistens ziemlich voll, aber aus anderen Gründen. Man tut ihr also Unrecht. Sie ist die wohl einzige Verbindung, die es in den Sprachkanon der Mainzer Studierenden geschafft hat, die einzige, zu der ein personalisiertes Verhältnis besteht. Dankessprüche wie „Geil, da kommt die 69! Lass die nehmen!“ oder „Fortuna hat unsere Stirn geküsst, die 69 öffnet ihre Tür für uns!“ hat man schon so manches Mal am Hauptbahnhof gehört. Die 69, sie ist nicht nur eine Glücks-, sondern auch eine schnelle Nummer: Niemand sonst chauffiert uns so hurtig so zielgenau – und so gelenkig – an den Ort unseres Begehrens. Früher, als wir das SBII noch unsere Heimat nannten, chauffierte sie uns sogar direkt vor die Tür – Mami hätte es zu Grundschulzeiten nicht besser machen können. Die 69 bildet nicht nur den mobilen Rahmen eines Studientages, sie bringt auch Bewegung in unser Liebesleben. Signifikant mehr engelsgleiche Wesen als in allen anderen Linien zusammen schweben in ihr wie auf einer Wolke. Das belegt das (mittlerweile eingeschlafene) Portal für magische Momente aller Art „Spotted: University of Mainz“. Kein Wunder: Von 2007 bis 2013 buckelte sie 60 Prozent mehr Fahrten. Ein Viertel ihrer Insassen in diesem Zeitraum waren Studierende. Doch das machte ihr bisher nichts aus. Trotz allem erfreute sie unsere Herzen zu Weihnachten mit einem digitalen Tannenbaum. Ab und zu galt denn auch ihr ein Liebesgeständnis auf besagtem Portal: „Jedes mal, wenn du stehen bleibst, bist du umringt von Menschen und es scheint mir, als wäre ich nicht der einzige, der so für dich empfindet.“, schreibt ein Unbekannter. 687 Leuten gefällt das. Nun fragt man sich gewiss, warum die 69 ausrangiert wird. Warum man diese Liebesbeziehung, diese tägliche 5-Minuten-Affäre beendet. Warum die grünen Punkte sich nie wieder zu einer Paarung aus einer 6 und einer 9 zusammenfinden werden. Warum diese Zahl nie wieder das Haupt der Busse krönen und aus der Datenbank gelöscht wird. Die einfache Antwort: Weil sie ersetzt wird. Durch das „antiquierteste, vorsintflutlichste, armseligste, betagtste, archaischste, primitivste, störendste, lästigste, unlogischste, dümmste Stadtverkehrsmittel“. So will der Schriftsteller und Luxemburger Marcel Noppeney die Straßenbahn bereits 1939 beschrieben haben. Die MVG will jetzt mit dem verniedlichenden Namen „Mainzelbahn“ zurück in die Vergangenheit. Bisher nutzen 80 Prozent der MVGFahrgäste den Bus. Diese Last will die MVG nun umverteilen. Im Klartext heißt das: Die Busflotte wird reduziert, Busfahrerpersonal abgebaut. Dafür soll bis Winter 2016 ein knapp neun Kilometer langer Streckenast zwischen Hauptbahnhof West und Lerchenberg Hindemithstraße entstehen. 16 neue Haltestellen schaffen eine Schienenanbindung an den Campus, das neue Stadion, Bretzenheim, Marieborn und den Lerchenberg. Das lässt sich der Verkehrsdienstleister knapp 84 Millionen Euro kosten. Davon trägt der Mutterkonzern Stadtwerke Mainz AG fast 31 Millionen aus eigenen Mitteln, ohne Kreditaufnahme. Eventuelle Defizite sollen betriebsintern ausgeglichen werden. Auf die Stadt Mainz werden keine Kosten zukommen, versichert der Konzern. Doch die Kommune ist die alleinige Aktionärin der Stadtwerke und trägt damit auch ein Investitionsrisiko. Mit einer Million zusätzlichen Fahrgästen pro Jahr rechnet der Verkehrsdienstleister. Davon werden sicherlich viele Studierende sein – das drückt den Mehrerlös. Und die restlichen Fahrgäste, wohin wollen die? Zum Shoppen nach Bretzenheim? Oder muss der ZDF Fernsehgarten jetzt ausgebaut werden? allerdings, den Titel des Munklerkönigs werde Prof. Quiring nie mehr verlieren. +++ Man munkelt, Prof. Quiring schwärme für die schöne Lage Mainzelbahn Die Straßenbahn, sie ist der Spießer unter den Verkehrsmitteln. Immer auf Linie, kann sie nicht einfach mal spontan links abbiegen. Ein langweiliger, blecherner Wurm, der nicht raucht, sondern mit Ökostrom betrieben wird und geräuscharm am Georg Forster-Gebäude vorbeikriecht. Dazu ein lichtdurchfluteter, großzügiger, steriler Innenraum. Endstelle: Hindemithstraße, vorbei an den bausparvertragfinanzierten Reihenhäusern, deren Vorgärten nun den Doppelgleisen weichen müssen. Wahrscheinlich wird sie noch weitere 13 Spießer anziehen. Denn die künftigen Linien 51 und 53 werden, so die MVG, Lebensqualität aufwerten. „Auf dem Immobilienmarkt ist die gute Erreichbarkeit eines zuverlässigen Schienenverkehrsmittels ein gutes Argument bei der Festlegung von Verkaufspreis oder Miete.“, heißt es auf der Website zum Bau der Bahn. Und der wird uns noch andere Scherereien bescheren: So müssen etwa ab September dieses Jahres der Abschnitt Ecke Saarstraße - AlbertSchweitzer-Straße vor dem Uni-Ein- gang für Baumaßnahmen zeitweise gesperrt und die Busse umgeleitet werden. Die Bushaltestelle am Hauptfriedhof wird dann mit der neuen Haltestelle der Straßenbahn am Vorplatz des Campus zusammengeführt. Die 69 kann gleich beim Friedhof bleiben. muss das Unternehmen nicht zur Finanzierung der Energiewende beitragen. Dafür muss eine Institution weichen. Noch bleibt uns etwas Zeit für gemeinsame Ausflüge. Danke, 69. Worum es vermutlich doch eigentlich geht: Die MVG will es der Bremer Straßenbahn AG gleichtun und eine EEGUmlage-Befreiung erreichen. Kann sie zehn Gigawattstunden Stromverbrauch im Fahrbetrieb nachweisen, QR-Code: Link zu einer virtuellen Fahrt vom Hauptbahnhof zur Uni mit der 69. Bild: Schneiders des Fachschaftsraums. +++ Man munkelt weiter, er spiele mit dem Gedanken ihn zu vermieten. +++ Man munkelt, zumindest könne man ihn Medien 14 in den medien Bild: Tschermak Moritz Tschermak (links) und Mats Schönauer (rechts): Im Dickicht der Regenbogenhefte den Überblick behalten Zerfledderte Goldblätter Von Elisabeth Neuhaus Im „topfvollgold“ nehmen zwei Blogger Omas Lieblingszeitschriften auseinander. Einen von beiden hat der Publizissimus in Berlin-Neukölln getroffen. Ein Gespräch über Helene Fischer, Sensationsinterviews und Darmleiden. Psycho-Skandal: Unglaubliche Enthüllungen erschüttern Deutschland Leichtsinnig setzen zwei Journalisten das Glück unzähliger Seniorinnen aufs Spiel. Für die Leserinnen von Titeln wie „Freizeit Revue“ oder „Die neue Frau“ muss es wie ein Schlag ins Gesicht sein, wenn Moritz Tschermak und Mats Schönauer mit Skandalberichten die heile Welt der Frauen zerstören. Gerüchten zufolge sollen die jungen Männer sogar Gefallen am skrupellosen Geschäft mit der Wahrheit gefunden haben. In der deutschen Presselandschaft ist es ein Enthüllungs-Skandal, der seinesgleichen sucht. So könnte es klingen, wenn die Regenbogenpresse über ihre ärgsten Gegenspieler berichten würde. Moritz Tschermak und Mats Schönauer sind Schlagzeilenjäger, ihr Revier ist das Zeitschriftenregal. 2013 starteten Tschermak und Schönauer, damals noch Journalistik-Studenten in Dortmund, den Watchblog „topfvollgold“. Darin nehmen sie die bunten Titel der Regenbogenwelt ins Visier, sezieren ihre Beute und präsentieren sie der Öffentlichkeit. Was ihnen vor die Flinte kommt ist manchmal amüsant, manchmal erschreckend oder makaber. Warum es die Autorinnen und Autoren der Regenbogengeschichten mit der Wahrheit nicht so genau nehmen, erklärt Moritz Tschermak im Publizissimus-Interview. Publizissimus: In dieser Woche sind Thomas Gottschalk und seine Frau auf dem Titel von „Das neue Blatt“. Es soll kriseln zwischen den beiden, seine Frau Thea immer wieder mit einem anderen anbandeln. Tschermak: In „Die Aktuelle“ von heute steht auch, dass Thomas Gottschalk etwas mit Helene Fischer anfängt. Also „anfängt“ im beruflichen Sinne, aber das wird natürlich erst im Heft aufgelöst. Bei den Gottschalks geht es also anscheinend drunter und drüber. Vor kurzem waren Mats und Du in Günther Jauchs Talkshow. In der Sendung ging es um die Berichterstattung über Michael Schumacher – unter anderem in den Regenbogenblättern. Als Beispiel für die Substanzlosigkeit der Artikel wurde ein Foto von Schlaglöchern in unmittelbarer Nähe von Jauchs Wohnhaus gezeigt, das eine Geschichte über ihn zierte. Schlagzeile: „So wild lebt er!“ Ja, solche Beispiele gibt es leider zuhauf. Die Macher der Hefte haben ein für Partys am Wochenende benutzen. +++ Man munkelt, Gregors Steak ist fertig. +++ Man munkelt, das Megaphon diene nur dazu, den Dekan Medien 15 in den medien Problem: Günther Jauch ist in der Zielgruppe extrem beliebt. Die Redakteure haben also das Gefühl, über Jauch schreiben zu müssen. Aber da gibt es einfach nichts Empörendes, nichts worüber irgendein anderes Medium berichten würde. Dann schauen sie sich permanent seine Sendungen an und suchen nach Futter. Bei „Wer wird Millionär?“ soll einmal ein Zuschauer im Publikum gehustet haben. Daraus wurde dann kurzerhand ein Betrugsskandal. Zusammen mit Thomas Gottschalk macht Jauch „Die 2“. In einer Sendung legte Jauch vor laufender Kamera seinen Ehering ab, weil er sich an etwas festhalten musste und der Ring dabei störte. Das wurde zu einem Ehedrama aufgebauscht. Aus solchen Nichtigkeiten stricken die Macher ihre Geschichten. Das hört sich so an, als würden sich die Recherchen der Redaktionen ausschließlich auf ein paar Stunden Fernsehen beschränken. Es gibt mitunter auch reale, das heißt von den entsprechenden Redaktionen geführte Gespräche. Immerhin profitieren viele Prominente von den Regenbogenheften. Die gesamte Schlagerszene zum Beispiel, die außerhalb von dieser Parallelwelt medial gar nicht existiert. Natürlich ist es für jemanden wie Andreas Gabalier oder Semino Rossi sehr interessant, Leute zu erreichen, wenn deren neue CD erscheint. Produktionsfirmen geben außerdem gerne Pressemappen heraus, die Interviews mit Darstellern enthalten, etwa wenn ein neuer Film herauskommt. Diese Gespräche schreiben die Redakteure ab – erlaubt ist es ja – und verkaufen die Zeilen in ihren Heften als Exklusiv-Interviews. Die Auflagenzahlen einiger Hefte bewegen sich im sechsstelligen Bereich. Manche Titel verkaufen sich wöchentlich zwischen 700.000 und 800.000 Mal. Wer – außer euch – liest die Regenbogenpresse? Wir sind auf jeden Fall sehr gute Kunden, das stimmt. Die Zielgruppe ist sehr klar abgesteckt. Wenn man sich die sogenannten Objektprofile anguckt, die die Verlage herausgeben, um Anzeigenakquise zu betreiben, dann sieht man, dass über 80 Prozent der Leser weiblich sind. Der größte Teil ist 60 bis 70 Jahre und älter, der Bildungsgrad vergleichsweise gering. Generell kann man sagen: Die Regenbogenpresse wird von älteren Damen gelesen. Das Klischee trifft also zu. Manchmal greifen aber auch Männer zu. Und glauben die alle Geschichten, die in den Blättern erzählt werden? Diese Frage stellen wir den Lesern, etwa wenn wir am Zeitschriftenregal stehen oder beim Friseur neben einer Dame sitzen, die gerade in einem Heft blättert. Die Leute scheinen schon zu wissen, dass nicht alles darin stimmt. Häufig hören wir Sätze wie „60 Prozent glaube ich“. Das heißt zwar im Umkehrschluss, dass sie 40 Prozent nicht glauben, einen Teil aber durchaus für bare Münze nehmen. Dabei ist jedes Prozent, das man glaubt, zu viel. Wir würden sagen, dass 80 bis 90 Prozent dieser Geschichten einfach falsch, erlogen oder völlig übertrieben sind. Und dazu kommt noch: Einige Lügen sind nicht so schnell zu durchschauen. Wir stoßen immer wieder auf Geschichten, die auf den ersten Blick gar nicht falsch scheinen. Zum Beispiel? Eine Titelgeschichte über die Stiftung von Lady Diana. Da war die Rede von einem großen Skandal: William und Harry seien in großer Aufruhr, weil Gelder des „Princess of Wales Me- morial Funds“ für politische Zwecke missbraucht würden. Ursprünglich wollten wir anhand dieses Artikels aufzeigen, wie reaktionär und konservativ die Redakteure dieser Hefte sind, denn tatsächlich sind die vermeintlich veruntreuten Gelder in Förderprojekte für die Integration von Flüchtlingen in Großbritannien geflossen. Unser erster Vorwurf war also: Welche verquere politische Position nehmt ihr ein? So könnte das jede Oma erstmal lesen. Vielleicht fände sie den politischen Einschlag des Heftes ja sogar richtig. Eine zweiminütige Wikipedia-Recherche hat dann gezeigt, dass der Diana Fond seine Arbeit im Dezember 2012 eingestellt hat, der Artikel erschien im Juni 2013. Das bedeutet, dass es diesen Fond schon seit einem halben Jahr nicht mehr gab. Oder anders gesagt: Die Geschichte war von vorne bis hinten erlogen. Das ist eine Lüge, die ohne diese Hintergrundinformationen kaum zu durchschauen ist. Deswegen sollte man sich nicht dazu verleiten lassen zu sagen „Denen muss doch klar sein, dass das alles erlogen ist!“, denn das kann ihnen leider nicht klar sein. Im Grunde ist das ein Zusammenspiel aus geschickter Trickserei der Hefte und mangelnder medialer Kompetenz der Zielgruppe. Wissen die Mitglieder der europäischen Königshäuser denn überhaupt, was die Hefte in Deutschland über sie schreiben? Gibt es ähnliche Magazine auch im Ausland? Die gibt es. Aber der deutsche Markt ist so groß, dass wir uns davor hüten, uns auf dem europäischen Markt umzuschauen. Manche Königshäuser gehen gegen die Berichterstattung über sie vor. Natürlich ist es das Kalkül dieser Hefte zu sagen: Charlene von Monaco kriegt nicht mit, was wir hier schreiben. Die geografische Entfernung verleitet die Redaktionen dazu, noch eine Schippe draufzulegen. Man merkt, dass Prominente, die sich wehren, in den Beiträgen sanfter angepackt werden. Berichte über Günther Jauch sind sehr glattgebügelt. Von ihm gibt es immer wieder Gegendarstellungen in den Heften. Über jemanden wie Boris Becker kann man dagegen behaupten, was man will. Der wehrt sich nicht. Welche Mechanismen wenden die Blattmacher an, um Leser zu gewinnen und zu halten? Dazu muss man wissen, wie sich die Hefte verkaufen. Wenn man sich die IVW-Zahlen anschaut wird klar, dass selbst große Titel wie die „Neue Post“ bis zu 80 Prozent ihrer Auflage am Kiosk verkaufen und nicht über Abos. Man könnte ja meinen, dass sich die älteren Damen die Hefte gemütlich nach Hause schicken lassen. Das machen sie aber nicht, als Ritual scheinen sie den wöchentlichen Gang zum Kiosk zu genießen. Dort ist es dann ähnlich wie bei der Bild-Zeitung: Man muss sich über starke Schlagzeilen gegen die Konkurrenz durchsetzen. Kioskregale sind eng ineinander gestaffelt, oft sieht man nur die linke Seite eines Hefts. Das ist auch der Grund für den Aufbau der Regenbogenhefte – die Ködergeschichten stehen am linken Rand. Das treibt die Redaktionen dann dazu, irrsinnige Schlagzeilen zu erfinden. Übertreibungen und Überspitzungen auf der Titelseite, die im Heftinneren völlig in sich zusammenfallen, das sind die grundlegenden Mechanismen dieser Hefte. Das ist ab und an ganz amüsant. Oft schießen sie aber auch ganz skrupellos übers Ziel hinaus. Bettina Wulff wurde etwa einmal als Rabenmutter bezeichnet, weil sie gut Englisch spricht. Ihre guten Englischkenntnisse hatten das Blatt mutmaßen lassen, dass sie in die USA auswandern könnte, wobei sie ihren Sohn höchstwahrscheinlich in Deutschland auszurufen. +++ Man munkelt, Dekan Daschmann darf das. +++ Man munkelt, Prof. Stark fände den Publi-Party-Cocktail gar nicht so stark. Medien 16 lassen müsste. Das war’s. Da ist es dann völlig egal, ob man die Gattin des ehemaligen Bundespräsidenten war, adelig oder prominent ist – das muss sich niemand gefallen lassen. Juristisch mag man Wulff vielleicht als Rabenmutter bezeichnen dürfen, ethisch und moralisch ist es aber einfach nicht in Ordnung. Wer arbeitet für die Regenbogenpresse? Wenn wir an einem Punkt noch stark arbeiten müssen, dann ist das der Blick in die Redaktionen. Was wir machen können ist, uns das Impressum vorzunehmen. In der Regel zeigt sich bei jedem Heft, dass dort eine große Anzahl Frauen beschäftigt ist. Ab und an melden sich auch Mitarbeiterinnen, meist jüngere Redakteurinnen. Es gibt immer wieder inhaltliche Fehler, die wir auf das Alter der Autoren zurückführen. In einem Artikel ging es um das Flugzeugunglück von Ramstein, das schon Jahre zurückliegt. Darin war von „Rammstein“ die Rede. Wir sind uns relativ sicher, dass eine ältere Frau, die die Band Rammstein nicht kennt, sondern nur den Ort, diesen Fehler nicht gemacht hätte. In eurem Blog kritisiert ihr einen Artikel über Harald Glööckler. Die Redakteurin rührt hier ganz offensichtlich die Werbetrommel für Glööcklers neuen Laden. Was ist der Unterschied zur klassischen Frauenzeitschrift, in der das Angebot eines hippen Jeans-Labels angepriesen und ausführlich über die Eröffnung einer Chanel-Boutique in München berichtet wird? Nun lese ich, abgesehen von der Regenbogenpresse, nur selten Frauenzeitschriften. Wenn es sich in der Frauenzeitschrift aber um eine Art Stylingberatung handelt und ein paar Labels genannt werden, dann hat das irgendwie noch einen Servicewert für die Leserin. So kann sie sich selbst für ein Produkt entscheiden. In den Regenbogenheften gibt es auch immer wieder solche „Tests“, zum Beispiel für Spülmittel. Das ist ja auch völlig in Ordnung und auch im Sinne des Lesers. Die Glööckler-Geschichte dagegen ist wirklich an jeder Stelle eine Lobhudelei auf diesen Laden und den Mann – inklusive Ortsangabe und Öffnungszeiten – und damit eine unterschwellige, indirekte Aufforderung, in genau diesem Geschäft etwas zu kaufen. Einzelne Produkte sind mit Preisen versehen. Es würde perfekt passen, wenn über der Doppelseite „Anzeige“ stehen würde. Beim Klambt-Verlag gibt es noch ein paar deutlichere Fälle. In allen Heften des Verlags wird im redaktionellen Teil parallel für bestimmte Mittel geworben. Einige Wochen später sind zu den in den Texten beschriebenen Produkten dann Anzeigen geschaltet. Das riecht ganz stark nach Kopplungsgeschäften, die auch für den Presserat interessant wären. Gesicht dieser Kopplungsgeschäfte könnte Angelika K. sein. Frau K. ist in vielen Heften im Ressort „Gesundheit“ zu sehen, heißt immer anders und auch ihre Beschwerden sind verschieden – die Person aber ist dieselbe. In einem Heft hat eine Hautcreme ihre Fältchen gestraft, im anderen ist sie dank eines Wundermittelchens ihre Verstopfung los. Genau. Die Frau, die da immer wieder abgebildet ist, haben wir tatsächlich mal gefunden. Seitdem sie bei einem dieser Hefte ein Fotoshooting gewonnen hat, ist sie in einer Kartei. Ob sie weiß was da mit ihr gemacht wird, keine Ahnung. In diesen Artikeln werden die Leser jedenfalls regelrecht dazu aufgefordert, die angepriesenen Produkte zu kaufen, indem der in den medien Preis, die Internetadresse des Händlers oder etwa die Arzneikennmittelnummer angegeben sind. Dabei interessieren sich wahrscheinlich gerade ältere Damen für Gesundheit und Medizin und kaufen den Heften buchstäblich alles ab. Ja. Dazu muss man aber sagen: Wenn wir für diese Hefte mal eine Lanze brechen können, dann im Serviceund Ratgeberteil. Abgesehen von der Schleichwerbung arbeiten die Redaktionen da noch am journalistischsten. Hier werden Informationen aufbereitet, zusammengetragen, Tests durchgeführt oder wenigstens eingekauft. Hier gibt es Parallelen zu einem Journalismus wie wir ihn verstehen. Ganz im Gegenteil zu den Geschichten über Prominente und Adelige. Apropos Prominente: Seit seinem Unfall ist Michael Schumacher regelmäßig Kern der Regenbogenberichterstattung. Die Schlagzeilen sind widersprüchlich. Mal gibt es Zeichen der Hoffnung, ein andermal „Tränen-Tragödien“. Immer wieder stellen Ärzte völlig gegenstandslose Diagnosen. Wieso geben sich Fachleute für die Klatschpresse her? Es gibt eine Reihe von Leuten, die uns in den Heften immer wieder begegnen. Ein Arzt aus München zum Beispiel scheint sich auf diese Art von Gutachten spezialisiert zu haben. Grundsätzlich gibt es Juristen, Steuerberater oder eben Ärzte, die im Serviceteil etwa bei Telefonaktionen mitmachen. Die sehen das wahrscheinlich als Plattform, um für sich zu werben. Es geht aber auch anders: Vorgestern haben wir von einem Arzt aus Berlin eine Mail bekommen. „Ein Regenbogenheft habe eine Geschichte über Michael Schumacher mit Aus- sagen von ihm gefüllt. Der zitierte Arzt schreibt, dass er nie mit dem Blatt gesprochen und sich auch nicht zum Thema Schumacher geäußert habe. Aussagen und Bilder hat sich die „Freizeit Revue“ ohne Rücksprache von der Website heruntergezogen. Der Arzt lässt gerade rechtliche Schritte prüfen. Auch das findet also statt. Wenn man ein Mediziner mit einer gutlaufenden Praxis ist, der in der Szene erstgenommen werden will, spricht man aber wahrscheinlich nicht unbedingt mit der „Das goldene Blatt“ Die „Super Illu“ steht nicht mehr auf eurer Heftliste. Warum? Am ersten oder zweiten Tag, an dem das Blog online ging, gab es direkt einen bösen Facebook-Kommentar. Ein „Super Illu“-Fan wunderte sich doch sehr, dass zwei Journalistik-Studenten die „Super Illu“ zum Regenbogenheft herabsetzen. Dann haben wir uns das Blatt genauer angesehen und entschieden, es herauszunehmen. Obwohl „Super Illu“, „Bunte“ oder „Gala“ manchmal ähnlich fragwürdige Geschichten abdrucken, arbeiten diese Hefte prinzipiell anders. Bei der „Closer“ machen wir allerdings Abstriche. Das ist ein Kandidat, der sich sehr bemüht, in das Segment hereinzukommen, weil er sehr krawallig ist. Aber auch die Closer redet immerhin ab und zu mit Leuten, bevor sie ihnen etwas vorwirft. Dieser journalistische Grundsatz, die Gegenseite zu Wort kommen zu lassen, wird in der Regenbogenpresse völlig missachtet. Da wird ja auch nicht recherchiert, sondern vom Schreibtisch aus geschrieben. Deshalb sagen wir auch immer, dass der einzig positive Aspekt an der Berichterstattung über Michael Schumacher ist, dass die Regenbogenredakteure den Ärzten in Grenoble nicht im Weg stehen. +++ Man munkelt weiter, wenn sie wüsste... +++ Man munkelt außerdem, Prof. Stark habe diese Aussage spätestens in der Besprechung Tags Medien 17 in den medien Habt ihr so etwas wie eine Lieblingsschlagzeile? Eine unserer Lieblingsheadlines ist schon ganz alt. Es ging um Olli Geissen, der mit seiner Lebensgefährtin ein Kind hat. Titel der Geschichte: „Psycho-Drama! Eine unheilbare Krankheit bedroht ihren gemeinsamen Sohn!“. Hintergrund war, dass Geissen Heuschnupfen hat. Jetzt könnte es sein, dass auch sein Sohn an Heuschnupfen leidet. Das PsychoDrama rührt daher, dass man ja immer sehr gereizt ist, wenn die Pollen fliegen. Das ist etwas, worüber wir lachen können. Weniger witzig finden wir, dass Kinder von Prominenten in die Berichterstattung eingebunden werden. Was darf in keinem Regenbogenheft fehlen? In 80 bis 90 Prozent der Hefte geht es aktuell um Helene Fischer. Früher hießen die Blätter Soraya-Presse, weil die Hefte vermehrt über Soraya und den Schar von Persien berichteten. Heute könnte man sie ohne Probleme Helene-Fischer-Presse nennen. Aktuell ist auch Michael Schumacher ein wichtiger Protagonist. Von der Wortwahl her ist immer alles eine „Sensation“ oder „exklusiv“. „Drama“, „Schock“ und „Skandal“ sind andere simple Reizworte, die in keinem Heft fehlen dürfen. Ein weiteres zentrales Element ist das Fragezeichen. Damit versuchen sich die Blattmacher auch rechtlich abzusichern. Dabei müssen Aussagen, die in Fragen verpackt sind, juristisch wie Aussagen behandelt werden. Als medienrechtlicher Schutzschild reichen Fragezeichen allein also nicht aus. Die Leserinnen scheinen alle einen ausgeprägten Mutterinstinkt zu haben. In den Heften finden sich Anzeigen für Puppen und „Affenmädchen“, über die Schwangerschaften und NichtSchwangerschaften von Adeligen und Prominenten wird mit Vorliebe berichtet. Warum ist das so? Zum einen möchten sich die älteren Damen in eine ferne Welt hineinträumen. Für die Leserinnen gehört es zum heilen Weltbild dazu, dass Frauen Kinder bekommen. Wenn da eine Charlene von Monaco noch immer kinderlos ist, ist das bedenklich*. Auf der anderen Seite freut es die Leute, die Risse in dieser heilen Welt zu erkennen. Wenn ich erfahre, dass Prinzessin Beatrix vielleicht an Alzheimer leidet, empfinde ich mein eigenes Darmleiden als weniger schlimm. Man richtet sich an der schlechten Situation dieser eigentlich so unnahbaren Leute auf. Die Regenbogenpresse ist für die Leser auf der einen Seite Wunschort, auf der anderen Seite Trostspender. Im stillen Kämmerlein dachte sich der Redakteur eines Regenbogenhefts einmal ein Interview mit Prinzessin Caroline von Monaco aus. So beginnt die Lieblingsgeschichte unseres Professors für Medienrecht. Gibt es noch andere Beispiele für Gespräche, die nie stattgefunden haben oder Zitate, die der Fantasie der Regenbogenredaktionen entsprungen sind? In der Regenbogenpresse findet das Fälschen von kompletten Interviews heute in der Regel nicht statt. Die Hefte ziehen sich allerdings gern und regelmäßig aus zich Jahre alten Interviews einzelne Zitate heraus und stellen sie in völlig neue Zusammenhänge. Dazu denken sie sich ab und an auch selbst Zitate aus, die diese oder jene Prinzessin sicher gesagt haben könnte – und packen sie dann auflagensteigernd auf ihre Titelseiten. Fälle wie die legendären Fantasie-Interviews von Tom Kummer im SZ-Magazin oder das gefälschte Beyoncé-Interview in der Neon sind uns aus der Regenbogenpresse nicht bekannt. Dass zum Beispiel gerade die ausgedachten KummerInterviews als so sensationell galten, als sie noch nicht als Fälschungen enttarnt waren, sagt viel über die Interviewkultur im deutschen Journalismus aus. Es ist schwer geworden, besondere Interviews zu führen, weil irgendwie schon alles gesagt wurde und vor allem Prominente ihre Worte heute mit Bedacht wählen. Sie kennen die medialen Mechanismen. Um einen richtigen Interview-Knaller zu landen, ist man als Journalist also fast schon gezwungen, sich etwas Spannendes auszudenken. Ich hätte mir also die Arbeit sparen und euch Skandalöses in den Mund legen können? Ja, genau. Ich weiß gar nicht, ob wir da etwas gegen gehabt hätten. Du hättest damit durchkommen können! Wie reagieren die Blattmacher auf euren Blog? Von manchen Mitarbeitern hören wir, dass sie es ganz lustig finden, wenn wir ihnen einen auf den Deckel geben. Sie scheinen eine leicht masochistische Ader zu haben. Gerade aus der Ebene der Chefredaktionen erreichen uns ab und an etwas bösere Mails. Auch das hält sich aber in Grenzen. Wir hätten gedacht, dass wir öfter angefeindet werden. Die meinen wohl, dass jede Minute Aufmerksamkeit, die sie unserem Blog schenken, eine Minute zu viel ist. *Anm. d. Red.: Zum Zeitpunkt des Gesprächs war die Schwangerschaft von Charléne von Monaco noch nicht bekannt. Moritz, vielen Dank. Bilder: Screenshots Hubert Burda Medien, Das Goldene Blatt, Mediengruppe Klambt darauf revidiert. +++ Man munkelt, Oldinho1969 sei ein Künstlername und stehe für Zauberfußball. +++ Man munkelt, dieser sei beim Publi- Buzzfeed 18 Buzzin. Bild: Open Content „Waking up was the second hardest thing in the morning” Buzzfeed schafft Klickzahlen, von denen andere Medien nur träumen können. Die Seite steht für seichten Content mit unkritischem Spin. Oder etwa nicht? Von Elisabeth Neuhaus 140 Millionen Nutzer im Monat, darunter eine Millionen Deutsche: Mit Tierbildern und einer Prise echter Nachrichten punktet Buzzfeed beim Publikum im Netz. In Zukunft wollen die Betreiber der Webseite vermehrt auf investigative Berichterstattung setzen – und noch in diesem Jahr einen deutschen Ableger starten. „Die 100 wichtigsten Katzen-Fotos aller Zeiten“, „10 Beweise, dass Sauron eigentlich ein ziemlich netter Kerl ist“ oder „19 Leute, deren Leidenschaft für Ketchup einfach zu weit geht“: Die Liste bedeutungsschwerer Listen auf Buzzfeed ist lang. Unzählige Male haben die Leser der Nachrichten- und Unterhaltungsplattform diese sogenannten „Listicles“ in sozialen Netzwerken geteilt und Buzzfeed damit zum Erfolg verholfen. Nach eigenen Angaben der Betreiber sind inzwischen rund 140 Millionen Unique User im Monat auf Buzzfeed unterwegs, rund eine Millionen davon in Deutschland. Damit generiert die Seite deutlich mehr Klicks als andere Medien im Netz. Zum Vergleich: Fast 31 Millionen User zählt die OnlineAusgabe der New York Times jeden Monat, Spiegel Online bringt es im selben Zeitraum gerade einmal auf rund elf Millionen Leser. Im Frühjahr gaben die BuzzfeedBetreiber bekannt, noch in diesem Jahr eine deutsche Seite launchen zu wollen. Die Position des Chefredakteurs ist bereits vergeben: Die ehemalige Zeit-Online-Journalistin Juliane Leopold wird an der Spitze eines vier- oder fünfköpfigen Teams mit Sitz in Berlin stehen. Neben der englischsprachigen Version gibt es bislang Ausgaben auf Französisch, Portugiesisch und Spanisch. „…eigentlich nichts, wovor sich seriöse Medien fürchten müssten“ Als gemeinsames Projekt von Huffington-Post-Mitgründer Jonah Peretti und seinem Kollegen John Johnson startete Buzzfeed im Jahr 2006. Heute, acht Jahre nach dem BuzzfeedDebüt, belegt die Seite Rang 119 der am meisten besuchten Webseiten im Internet* und beschäftigt weltweit 400 Mitarbeiter, 180 davon sind Redakteure. Inzwischen hat die Seite auch Korrespondenten auf dem ganzen Globus platziert und berichtete zuletzt etwa live aus der Ukraine. Glaubt man der FAZ, so hat Buzzfeed „eigentlich nichts, wovor sich seriöse Medien fürchten müssten.“ Allein diese absurd hohen Klick- und Shareraten könnten eine Bedrohung darstellen für die selbsternannten Altmeister des Online-Journalismus. Doch Buzzfeed bringt längst auch seriöse Nachrichten – und liefert schon jetzt investigative Stücke. Im Gegensatz zu vielen anderen Medienhäusern leistet sich Buzzfeed eine Investigativabteilung, die bei Bedarf mehrere Monate Arbeit in die Recherche investieren darf. Journalistisch wollen die Buzzfeed-Macher aufschließen und holen sich dazu immer wieder renommierte Reporter an Bord. Buzzfeed will besser werden als sein Ruf. Als positive Beispiele für einen Aufwärtstrend sind Exklusiv-Berichte über die US-amerikanische Immigrationspolitik ebenso wie ein Artikel über unmenschliche Zustände in einem afghanischen Militärkrankenhaus zu nennen. Beiträge wie „Is Your Blood Pressure Higher Than President Obama’s?“ oder „Tennessee Democratic Congressman Is Looking Everywhere for Hillary Clinton“ könnten Kick altersbedingt nicht zu bewundern gewesen. +++ Man munkelt, dies habe zur Niederlage der Dozenten geführt. +++ Man munkelt, Alter Buzzfeed 19 Bilder: PR in Zukunft seltener im Politik-Ressort landen, sollte es mit der politischen Berichterstattung auf Buzzfeed weiter bergauf gehen. Der Werbungswolf im Schafspelz Derweil werden immer wieder Plagiatsvorwürfe laut, mehrere Klagen haben die Buzzfeed-Macher bislang erreicht. Das Problem: Viele der gezeigten Inhalte liest die Seite in sozialen Medien auf. In Sachen Urheberrecht spielt sich damit vieles in rechtlichen Grauzonen ab. Dazu kommt, dass Werbung nicht klar von redaktionellen Inhalten getrennt ist. Rein äußerlich sind die Posts im Content-Marketing-Stil kaum von den selbst verantworteten Teilen der Sei- te zu unterscheiden. Dass es sich um bezahlte Beiträge für Katzenfutter, Limonade oder einen Bio-Supermarkt handelt, zeigt sich meist erst auf den zweiten Blick. Anders als Bannerwerbung soll der Durchschnittsleser Texte und Videos mit dem versteckten „Sponsored“-Hinweis so verarbeiten wie redaktionelle Posts – und sie in gleicher Manier in sozialen Netzwerken verbreiten. Egal ob Sponsored Post oder redaktioneller Beitrag: Die Social-Media-Leiste ist über jedem Artikel entsprechend prominent platziert. Dreiviertel aller Nutzer gelangen über Facebook, Twitter und Co. auf die Seite. Die Mischung macht’s Am Ende eines jeden Artikels erwartet den Leser ein Bewertungsboard, auf dem er seine Reaktion auf das Gelesene festhalten kann: OMG, LOL, CUTE oder doch ein FAIL? „10 Scientific Reasons To Eat More Pizza“ etwa belohnten die Leser mit 250 Herzen. Fazit Zugegeben, nicht alle Buzzfeed-Artikel basieren auf knallharten Recherchen. Wenn der Absolvent einer USamerikanischen High School in das Jahrbuch seiner Schule schreibt, dass der morgendliche Kampf aus dem Bett nur sein zweithärtestes Problem gewesen sei und damit die Liste der „14 Most Genius Yearbook Quotes“ anführt, dann ist das durchaus unterhaltsam. Ernsthaften Journalismus aber sollte im Entertainment-Ressort kein Leser erwarten. Indes zeigt der Blick auf die News-Seite, dass Buzz- feed mehr kann als nur schnelle Unterhaltung. Es sollte auf der Hand liegen, dass sich die meisten Internetnutzer mit Katzenbabys eher ködern lassen als mit Fotos aus Krisengebieten. Solange sich aber ab und an eine Handvoll politikverdrossener Jugendlicher zu ein paar mehr Klicks verleiten lässt und nach einem StarWars-Listicle eine Reportage über die Situation im Irak liest, ist der Buzzfeed’schen Mischung aus Witz und Ernsthaftigkeit nichts entgegenzusetzen. Das Wort Krise jedenfalls dürfte den Machern vielleicht gerade wegen dieser Verbindung unbekannt sein. *Quelle: Alexa.com/topsites schießt keine Tore. +++ Man munkelt, die Magister seien jedoch Junggebliebene. +++ Man munkelt, in Mainz gebe es zu wenige Biergärten. Publizissimus-preis 20 „Man ist nicht hier, um hinterher etwas zu können“ Von Lorenz Harst Unser Autor traf den aktuellen PublizissimusPreisträger Richard Lemke beim Mittagessen und sprach mit ihm über das WissenschaftlerLeben und Forschungen auf dem Gebiet der Intersexualität. Bild: Harst Publizissimus: Herr Lemke, herzlichen Glückwunsch zum Publizissimus-Preis! Wegen Ihres großen Engagements für Erstsemester haben wir uns für Sie als Preisträger entschieden. Woher rührt dieser besondere Einsatz? Lemke: Zunächst einmal glaube ich ehrlich gesagt gar nicht, dass ich einen großen Unterschied zwischen Studierenden des ersten Semesters und anderen mache. Es ist vielmehr eine grundlegende Motivation, die mich bei dem, was Sie „besonderen Einsatz“ nennen, antreibt: Das Studium ist mit sechs Semestern sehr knapp kalkuliert. Ich selbst habe noch sieben Jahre studiert! Deshalb bin ich der Meinung, man sollte so früh wie möglich anfangen, möglichst viel zu lernen – auch und vor allem die Grundlagen des Wissenschaftlichen Arbeitens. Welche Angebote erscheinen Ihnen für Erstsemester wichtig? Neben ganz praktischen Angeboten wie der Zusatzveranstaltung zu Citavi, die ich jetzt als Abendveranstaltung angeboten habe, geht es mir vor allem darum, in all meinen Veranstaltungen früh deutlich zu machen, dass die Publizistik eine Wissenschaft ist. Das heißt, man ist nicht hier, um hinterher etwas zu können – zum Beispiel Journalismus – sondern, um etwas zu wissen. Das Ziel ist der Erwerb von Wissen, um hinterher begründete Entscheidungen treffen zu können, im medienpolitischen Bereich oder wo auch immer. Das ist die Idee eines Universitätsabschlusses. Um das möglichst früh zu lehren, unterrichte ich auch sehr viel Wissenschaftstheorie. Dann kann sich jeder Studierende möglichst im ersten Semester schon überlegen: Ist dies das Richtige für mich? Die Antwort darauf kann frustrierend sein, daher gilt für mich: Je früher, desto besser. Viele, die jetzt ihr Studium aufnehmen, kommen direkt von der Schule an die Uni. Sehen Sie daher bei den Erstsemestern besondere Anpassungsschwierigkeiten? Nein, eher im Gegenteil. Mittlerweile sind Schule und Universität doch soweit angeglichen, dass es keine Eingliederungsschwierigkeiten mehr gibt – man muss sich ja kaum noch umgewöhnen. Ich finde, man kann das sehr gut an den Serviceerwartungen sehen, die von Studierenden heute an Universitätslehrende gestellt werden. Das hat sich stark verändert gegenüber meiner Studienzeit, wo die Betreuung noch nicht so umfassend war wie heute und große Teile des Lehrstoffes im Selbststudium bewältigt wurden. Heute werden auch an die Dozenten große didaktische Anforderungen gestellt, die gute Leistungen der Studierenden sicherstellen sollen. Das hat sich in wenigen Jahren ganz massiv geändert. Als ich in meiner ersten „Mathematik für Physiker“Vorlesung gesessen und absolut nichts verstanden habe, da musste ich mir eben Bücher über Bücher anschaffen und mir das erarbeiten. Dieser enorme Anteil des Selbststudiums ist in vielen Fächern heute völlig verschwunden. Daher gibt es auch kaum noch diese Angst, mit dem Studium überfordert zu sein. Trotzdem finde ich, dass man vor dem Studium auch einmal etwas anderes gesehen und gemacht haben sollte, zum Beispiel eine Tätigkeit im sozialen Bereich. Da erlebt man zwar vielleicht die erste Lebenskrise, aber man lernt eben auch den Blick über den Tellerrand hinaus. Vom Einstieg ins Studium zum Einstieg in den Job. Sie selbst haben sich für die Universitätslaufbahn entschieden. Können Sie uns erzählen, wie es dazu gekommen ist? Ausgangspunkt war mein ursprünglicher Berufswunsch: Ich wollte Wissenschaftsjournalismus machen. Dabei habe ich aber schnell gemerkt, dass es mir nicht gefällt, komplexe wissenschaftliche Themen immer so weit herunterbrechen zu müssen, dass sie journalistischen Stilmitteln entsprechen. Das war mir einfach zu reduktiv. In Hannover und Mainz habe ich zudem eben eine gute empirische Ausbildung genossen und gemerkt, dass mir dieses empirische Arbeiten +++ Man munkelt weiter, dies schränke die Möglichkeit eines gemütlichen Feierabendbieres (oder zwei) mit Kollegen erheblich ein. +++ Man Publizissimus-preis gefällt, gerade wenn man die Chance bekommt, eigene Studien durchzuführen. Natürlich gehört zur Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter auch die Lehre, die mir auch recht viel Spaß macht. Ich halte also, frei nach Humboldt, Forschung und Lehre für gleichermaßen wichtig. Was muss man mitbringen, um die wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen? Ganz ehrlich? Einen einkommensstarken Partner oder ein einkommensstarkes Elternhaus (lacht). Nein, im Ernst: Man braucht ein hohes Maß an Toleranz und Vorurteilsfreiheit, vor allem gegenüber den Ergebnissen der empirischen Forschung. Ich kann Ihnen gerne mal ein Beispiel geben: Nach einem Vortrag auf einem Kongress in Wien wurde mir mal von einer anderen Teilnehmerin vorgeworfen, ich würde Pornographie bagatellisieren denn das sei schließlich nie „normaler“ Sex, der da dargestellt wird. Natürlich brauchen wir für quantitative empirische Forschung immer Kategorien, aber wir müssen eben jenseits dessen denken, was wir persönlich möglicherweise für das Normale halten – was auch immer das ist. Außerdem muss man lernen, abzuschalten. Wissenschaft beruflich zu betreiben, heißt eben auch, das Hobby zum Beruf zu machen, daher benötigt man eine gewisse Selbstdisziplin, um sagen zu können: „Für heute reicht’s!“ und das Wochenende auch mal Wochenende sein lassen zu können. Das wird natürlich dadurch erschwert, dass es immer neue, interessante Themen gibt. Sie haben es selbst angesprochen: Zu ihren Forschungsfeldern gehört auch das Thema „Sexualität im Internet“. Können Sie all denen, die noch nie eine Veranstaltung dazu besucht haben, erklären, wie das Internet das Sexualverhalten verändert? Lassen Sie mich bitte erst kurz erklären, warum diese Frage überhaupt in die Kommunikationswissenschaft gehört. Es ist ganz einfach so, dass das Internet eine Kommunikation über Sex ermöglicht, die so bisher nicht denkbar war. Am besten lässt sich das bei den Digital Natives beobachten, unter denen einige immer mal wieder Aspekte der eigenen Sexualität in Chatforen thematisieren. Und das auf andere Art und Weise als es vor der Ära des Internets der Fall war. Dazu haben wir klare empirische Befunde. Allgemein lässt sich zudem feststellen, dass es durch das Internet zu einer Ausdifferenzierung der Sexualität gekommen ist. Für jede noch so flüchtige Phantasie gibt es im Internet eine Möglichkeit zur Befriedigung, oft in der ganz konkreten Form der Pornographie. Substitutionsprozesse so wie früher, wo man eben nur die Bilder in irgendwelchen Zeitschriften zur Verfügung hatte, werden also obsolet. Man kann viel wählerischer sein. Lässt sich das auch auf Beziehungen übertragen? Beziehungsweise: Verändert das Internet überhaupt die Art, wie Beziehungen geführt werden? Natürlich! Vor allem, was das Eingehen einer Partnerschaft angeht, ist das Internet immens wichtig, nicht umsonst belegt es Platz vier auf der Liste der Orte, an denen wir uns einen Partner suchen. Und auch bei der Partnerselektion kann man viel wählerischer sein, da man auf Dating-Sites zielgerichtet nach Eigenschaften eines potentiellen Partners suchen kann, die man so z.B. in einer Bar auf den ersten, zweiten oder sogar dritten Blick nicht sehen könnte. Trotzdem bleibt eine Pauschalisierung solcher Befunde unzulässig, denn ob jemand sich auf Online-Dating einlässt oder nicht bleibt eine Typenfrage. Userbefragungen haben ein ganz klares Muster ergeben. Es zeigt das Bild eines Menschenschlags, der durch die schriftliche Verbalisierung seiner Interessen im Internet oft zum ersten Mal die Möglichkeit bekam, aus der Ich-Perspektive darüber zu 21 sprechen. Das kann eine echte Inpowerment-Funktion haben, Menschen also eine Kontrolle über ihre eigenen Wünsche und deren Erfüllung geben. Besonders wichtig ist das Internet übrigens da, wo bestimmte sexuelle Neigungen geächtet sind. In Ländern zum Beispiel, wo Homosexualität einer rigiden, oft staatlichen Kontrolle unterworfen ist, stellt das Internet eine Möglichkeit dar, diese zum umgehen. Und welche Rolle spielt das Internet in Partnerschaften? Na ja, es liefert weiter den heimlichen Nachschub mit Pornografie, denn auch in bestehenden Liebespartnerschaften konsumieren Männer weiterhin Pornoclips – wenn auch im Durchschnitt etwas seltener. Vor allem aber haben Studien mit Paaren, die sich online kennengelernt haben, gezeigt, dass auch innerhalb der Beziehung heikle Themen weiterhin online diskutiert werden. Das macht es zum Beispiel leichter, bestimmte Wünsche anzusprechen und eliminiert die Nachteile von Face-to-Face-Gesprächen – den schockierten, anklagenden Gesichtsausdruck zum Beispiel. Das Internet kann in Partnerschaften aber auch negative Auswirkungen haben, schließlich erleichtert es Seitensprünge. Gerade Online-Dating-Sites verlangen ein hohes Maß an Selbstoffenbarung. Nach NSA-Skandal, Heartbleed und Co.: Welche Veränderungen erwarten Sie? Ganz ehrlich? Gar keine. Ich glaube nicht, dass die Nutzer solcher Angebote vorsichtiger werden, als sie es ohnehin schon sind. Zum Beispiel mussten schwule Männer in kleinen Ortschaften schon immer diskret sein bei der Auswahl der Bilder, die sie hochladen. Trotzdem ließ sich feststellen, dass beim Betreten eines Chatrooms, in dem man einen Nickname verwendet, mit dem Klarnamen auch gleichzeitig alle Schamgrenzen abgelegt wurden – und immer noch werden. Bisher lässt sich noch nicht feststellen, dass das Ausspionieren der IP-Adressen zu einer Rationalisierung des Nutzerverhaltens in diesem Bereich des Internets führen würde. Wenn man Frau Merkel sagen hört, das Internet sei Neulanund die vielen Klagen über die undurchschaubaren Geschäftspraktiken von Google hört, hat man oftmals den Eindruck, wir hätten noch immer nicht so richtig kapiert, wie das Internet eigentlich funktioniert. Muss nicht die Kommunikationswissenschaft etwas zur Aufklärung beitragen? Lemke: Eine sehr gute Frage. Ja, klar muss sie das. Das muss unser Anspruch sein, ebenso wie es der Anspruch des Wissenschafts- und Technikjournalismus sein muss. Wenn sich allerdings die Wissenschaft damit auseinandersetzt, dann muss sie dabei einen interdisziplinären Ansatz verfolgen. Auch die Rechtswissenschaften müssen ihren Teil dazu beitragen, das Internet verständlicher zu machen. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass im Gesetz noch immer die Rede von „kinderpornografischen Schriften“ ist. Ein Schritt in die richtige Richtung ist daher die Forschung im Bereich der Medienkonvergenz. Richard Lemke, danke für Ihre Zeit. In jeder Ausgabe verleiht die Publizissimus-Redaktion die wohl renommierteste Auszeichnung, die es am Institut für Publizistik zu haben gibt. Den heißbegehrten Publizissimus-Preis bekommen Personen, die sich in besonderem Maße um die IfP-Studierenden kümmern und dabei durch Freundlichkeit, Engagement, Hilfsbereitschaft, Expertise, Sympathie und/oder ähnlich lobenswerten Eigenschaften auffallen. munkelt, dies sei aber nichts für die Munkler. +++ Man munkelt, Frau Meltzer werde von Herrn Lemke Mäuschen genannt. +++ Man munkelt, Abgehört 22 Privatsphäre - Do it yourself! Von Lorenz Harst Die Rufe nach politischem Eingreifen in die NSA-Affäre und einem besseren Schutz der Privatsphäre werden immer lauter. Internetpioniere aber rufen auf zur Eigeninitiative. Vom 6. bis zum 8. Mai fand in Berlin die re:publica statt, die nach eigenen Angaben „größte Social-MediaKonferenz Europas“ – so steht es zumindest auf der Homepage zur diesjährigen fünften Ausgabe der Veranstaltung unter dem Motto „Into The Wild“. Das Motto ist, wie könnte es anders sein, eine Reaktion auf die nicht enden wollenden Enthüllungen von NSA-Whistleblower Edward Snowden, dessen ehemaliger Arbeitgeber längst nicht mehr die einzige Gefährdung für unsere Privatsphäre im Internet darstellt. Zum „omniobservierten Netz“ tragen, so die Veranstalter der re:publica, auch die Google-Algorithmen bei, die uns alle, die wir das Internet regelmäßig nutzen, schon lange vor der NSA und anderen Geheimdiensten gläsern und somit berechenbar gemacht haben. Während aber der #Aufschrei nach den Enthüllungen Snowdens sofort mit Highspeed durch alle sozialen Netzwerke dröhnte, hat es länger gedauert, bis er im Zusammenhang mit Google Latitude und genauen Standortangaben im mobilen Facebook-Messenger eine ähnliche Lautstärke erreicht hat. Öffnet die Peng!-Guerillataktik ein paar Augen? Das schienen auch die Aktivisten des Peng! Collectives so zu sehen, die nach eigenen Angaben „Kampagnenarbeit mit Spezialisierung auf subversive Strategien, Kommunikationsguerilla, zivilen Ungehorsam und Adbusting“ überall da betreiben, wo sie es für nötig halten. Die negativen Seiten des Adbustings, die gezielte Unterminierung von zweifelhaften Werbestrategien, bekam auch Google auf der re:publica zu spüren: Zwei angebliche Mitarbeiter des Konzerns – in Wahrheit Peng!Aktivisten – traten auf und stellten absurde neue Produkte wie Google Hug, Google Bee oder Google Bye vor. Hug erkennt, wenn der jeweilige Nutzer mal wieder dringend eine Umarmung braucht und sucht dann einen anderen, der sie ihm verpasst. Bee ist eine kamerabewährte Drohne, die in Abwesenheit der Eltern die Kinder betreut und am Ende des Tages ein kleines Video schneidet. Mit Bye wird es dann völlig abstrus: Das Produkt erstellt nach dem Tod des Nutzers ein Best-of seines Lebens für die trauernden Hinterbliebenen. Eingeweihte Politiker reagierten mit empörten Angriffen auf Google, Schauspieler Jan-Josef Liefers ließ sich im Publikum von einem Wild- Bild: Open Content fremden umarmen, die Zuschauer lachten. Doch scheinbar ist die „Kommunikationsguerilla“ von Peng! als Augenöffner dringend nötig. Nicht nur die Politik ist in der Pflicht Denn wie sicher wir uns auf unseren Lieblingsportalen und MailDiensten, Shopping-Portalen und Dating-Plattformen eigentlich fühlen dürfen, scheint viele Menschen auch in Deutschland erst zu interessieren, seit die Sicherheitslücke „Heartbleed“ publik wurde. Doch selbst dann richtete sich der #Aufschrei lautstark an die Politik, sogar in einem Tagesthemen-Kommentar forderte die Journalistin die Verbraucherschutzpolitiker dazu auf, das Internet durch entsprechende Gesetze endlich sicherer zu machen. Auf der re:publica geht der SpiegelKolumnist Sascha Lobo einen ganz anderen Weg: Er nimmt die Nutzer in die Pflicht. Wie wenig der Otto-NormalNutzer scheinbar daran interessiert ist, das Netz zu einem sichereren Ort zu machen, zeigt Lobo exemplarisch an der Menge an Spenden, die etwa Netzgesellschaft und Netzpolitik e.V. im letzten Jahr erhalten haben. Sie lägen dramatisch unter der finan- ziellen Unterstützung, die „unsere Eltern“, wie Lobo es überspitzt ausdrückt, einem Naturschutzbund in Bayern hätten zukommen lassen. Er fasst den Gedanken unter die griffige Formel: „Ihr habt versagt, was die finanzielle Unterstützung der Institutionen angeht, die versuchen, das Internet so zu halten, dass man es gerade noch frei, offen und sicher nennen kann.“ Wie steht es eigentlich um unser Verständnis von Privatsphäre im Internet? Wie müssen sich unsere Nutzergewohnheiten ändern, damit nicht unsere privatesten Daten in den Händen von Datenhändlern landen? Und sind wir dazu überhaupt bereit? Leonard Reinecke, Professor und Experte für die Rezipientensicht auf das Thema „Privatsphäre“ äußert sich im nachfolgenden Gastbeitrag zu diesen Fragen. Prof. Daschmann sammele Nummern von Erstis. +++ Man munkelt, für Herrn Lemke bleibt Frau Meltzer immer die Nr. 1 an seiner Seite. +++ Abgehört - 23 gastbeitrag „Prism“ statt Privacy? Edward Snowden und das Ende des Internets, wie wir es kannten Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Leonard Reinecke Fast genau ein Jahr ist es her, dass der Whistleblower Edward Snowden mit seinen Enthüllungen die Überwachungsaktivitäten der NSA und des britischen GCHQ weltweit publik machte. Vokabeln wie „Prism“, „Tempora“ und „„XKeystore“ beherrschen seither die Debatte über Privatheit im Netz, die Gefahren von „Big Data“ und den Informationshunger der Geheimdienste. Der NSA-Skandal hat unseren Blick auf das Internet vermutlich für immer geändert. Doch welche Konsequenzen hat das für unseren Umgang mit privaten Daten und mit Online-Kommunikation? setzung mit dem Schutz der Privatsphäre Konjunktur hat. Schon lange vor Snowden ist das Thema in den Feuilletons, den Abendnachrichten, den Schulen und Kinderzimmern der Republik angekommen. Spätestens mit dem Aufkommen des Social Web, das öffentliche Nabelschau, Selbstpräsentation und Selbstoffenbarung zu einem festen Baustein der OnlineKommunikation hat werden lassen, stellt sich immer drängender die Frage nach dem richtigen Umgang mit Privatsphäre im Netz. „Die Auseinandersetzung mit dem Schutz der Privatsphäre hat Hochkonjunktur“ Den Apologeten der Post-Privacy Perspektive, allen voran FacebookGründer Marc Zuckerberg, die die Vorteile des Endes der Privatsphäre und der daraus resultierenden „offenen“ Gesellschaft propagieren, steht die Sorge um die negativen Konsequenzen gegenüber, die sich aus einem solchen Szenario für jeden einzelnen Nutzer, aber auch für die Gesellschaft als Ganzes ergeben können. Und dies Privatsphäre ist ein schillernder Begriff. Irgendwie wichtig, klar, aber auch schwer greifbar. Wo fängt sie an, wo hört Sie auf und wieviel davon braucht es im Alltag? Die Enthüllungen von Edward Snowden fallen in eine Zeit, in der die Auseinander- Privatsphäre als Schutzschild Bild: Open Content zu Recht. Aus psychologischer Perspektive ist Privatsphäre eine Ressource von unschätzbarem Wert. Sie ermöglicht geschützte Kommunikation und Intimität, ist ein Schutzschild gegen ungewollte äußere Einflüsse, ein Rückzugsraum, der angstfreie Authentizität ermöglicht und eine Auszeit von Rollen und Erwartungen des öffentlichen Lebens bietet. Diese wichtige Ressource zu erhalten, war angesichts des steigenden Stellenwerts der Online-Kommunikation für unser soziales Miteinander schon in der Prä-Snowden Ära eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Die Enthüllungen Snowdens aber sind Man munkelt, er würde sich das auf ein T-Shirt drucken lassen. +++ Man munkelt, Prof. Daschmann habe die Nummer des Präsidenten auf Abgehört - 24 In einer Realität aber, in der wie etwa im Rahmen des britischen Abhörprogramms „Tempora“ ein Großteil des gesamten Datenstroms zwischen Europa und den USA verdachtsunabhängig abgefangen und Telefonate, E-Mails und Facebook-Kommunikation milliardenfach durchsucht und gespeichert werden, ist das Bild des für den Schutz seiner Privatsphäre selbstverantwortlichen Bürgers schlicht Makulatur. Snowdens Enthüllungen machen die Hilflosigkeit des Einzelnen deutlich Welche psychologischen Implikationen erwachsen aus diesem neuen, dystopischen Blick auf die OnlineKommunikation? Denkbar wäre zum einen eine weiter steigende Sensi- bilisierung für die Wichtigkeit des Schutzes der Privatsphäre. Dass der Diskurs um die Enthüllungen Snowdens die Sichtbarkeit des Themas erhöht und die öffentliche Debatte um Privatsphäre befeuert hat, darf als unstrittig gelten. Äußerst fraglich ist hingegen, ob sich das durch den NSA-Skandal gesteigerte Bedürfnis nach Privatsphäre für die Mehrheit der Nutzerinnen und Nutzer in sinnvolle und effektive Schutzmaßnahmen kanalisieren lässt. Wie sollten diese auch aussehen? Vielmehr führen die Enthüllungen Snowdens der versammelten Internetgemeinde ihre dass erst die Meldung über das angezapfte Kanzlerinnen-Handy die Drähte zwischen Berlin und Washington zum Glühen brachte – wohingegen sich die politischen Gemüter über das millionenfache Aushorchen der Online-Kommunikation deutscher Bürger zunächst nicht so recht zu erregen vermochten. eigene Hilflosigkeit schmerzhaft vor Augen. Was kann der einzelne User schon tun, wenn die Geheimdienste dieser Welt selbst die Giganten des Internets, sprich Google, Facebook und Co., in die Knie zwingen? Diese Hilflosigkeit spiegelt sich auch im Umgang der politischen Akteure mit dem NSA-Skandal wieder. Zwar erfahren wir aus Regierungskreisen, dass „Abhören unter Freunden“ gar nicht gehe, müssen aber gleichzeitig feststellen, dass selbiges politisch offenbar folgenlos bleibt. Irritierend mag es auf viele Betrachter auch gewirkt haben, ten um den Schutz der Privatsphäre war eine „was soll‘s“-Haltung vielerorts verbreitet, häufig verbunden mit dem Argument: „Ich habe doch nichts zu verbergen!“ Diese Perspektive ist jedoch fatal, verschiebt sie doch die Beweislast zu Ungunsten der Bürger und öffnet verdachtsunabhängiger Überwachung Tür und Tor. Sie verkennt darüber hinaus die psychologischen Realitäten: Wir alle haben etwas zu verbergen! Nicht im strafrechtlich relevanten Sinne, sondern zum Wohle unseres psychologischen Wohlbefindens und des ge- „Wir alle haben etwas zu verbergen!“ Was also tun? Eine leider verlockende – weil bequeme – Alternative wäre Fatalismus. Schon in früheren Debat- Bild: Reinecke ein echter „Game Changer“ im Ringen um den Schutz der Privatsphäre. Sie verändern unseren Blick auf das Internet und auf unsere eigene Rolle beim Umgang mit Informationen fundamental. So orientierte sich der Diskurs vor Snowden stets am Bild des mehr oder minder mündigen und für das Schicksal seiner Daten selbstverantwortlichen Users. Die medienpsychologische Forschung zeichnete das Bild eines relativ rational agierenden Nutzers, der zwischen den Chancen und Risiken im Umgang mit privaten Daten im Internet abwägt und dabei den für sich besten „Deal“ zu machen versucht. Medienkompetenz, der behutsame und vorausschauende Umgang mit Selbstoffenbarung im Netz, die Nutzung von Privacy Settings, die Wahl eines vertrauenswürdigen Plattform-Betreibers – all dies schienen vielversprechende Ansätze zum Schutz der Privatsphäre zu sein. Bei verantwortungsvollem und kompetentem Umgang mit Online-Kommunikation – so die Message – ließe sich auch im Internet Privatsphäre herstellen und aufrechterhalten. gastbeitrag sellschaftlichen Zusammenhalts. Nur im Bewusstsein geschützter Kommunikation kann zwischenmenschliches Vertrauen gelingen und Intimität entstehen. „Was soll‘s“-Haltung ablegen Aufgeben ist also keine Option. Da das Spektrum möglicher Gegenmaßnahmen aus Sicht des einzelnen Users angesichts der technischen Übermacht von NSA und Co. offensichtlich beschränkt, das Internet aber längst zu einem unverzichtbaren Teil unseres Lebens geworden ist, bleibt der Weg der politischen Initiativen und der gesetzlichen Regulierung die einzig aussichtsreiche Option. Getragen und befeuert werden muss dieser Weg durch eine öffentliche Debatte, die sich nicht der gefühlten Ohnmacht hingibt, sondern die zuweilen unangenehme diplomatische Konfrontation mit transatlantischen Verbündeten einfordert. Und aktuelle Entwicklungen in diesem Bereich machen durchaus Hoffnung. Der offene Diskurs um das umstrittene ACTAAbkommen innerhalb der EU oder das unlängst durch den EuGH gegenüber Google durchgesetzte „Recht auf Vergessen“ sind nur zwei Beispiele. Sicher ist: Das Ringen mit den Geheimdiensten dieser Welt um klare Regeln bei der Überwachung von Online-Kommunikation wird dabei ungleich schwerer als die juristische Auseinandersetzung um den Datenschutz mit IT-Konzernen wie Google oder Facebook. Sicher ist aber auch: Der Schutz unserer informationellen Selbstbestimmung ist jede Anstrengung wert. seinem Handy. +++ Man munkelt, Herr Geiss und Frau Magin wollten, dass ihr Sohn etwas gescheites studiert. +++ Man munkelt, das schließe Praktikumsbericht 25 i Von Tieren in Not und einem Flug auf den Mars Von Natalie Eichinger Im Lokalfernsehen beißen den Letzten manchmal die Hunde – so ähnlich hat es unsere Autorin während eines Praktikums beim Hessischen Rundfunk erlebt. Eines vorweg: Ein Zuckerschlecken war dieses Praktikum bestimmt nicht. Im Gegenteil: Ein katastrophaler Start, lange Arbeitszeiten und Momente, die einerseits großartig waren und mich andererseits an den Rand der Verzweiflung trieben, bleiben mir von diesem Praktikum im Gedächtnis. Mit anderen Worten: Beim Hessischen Rundfunk hatte ich die Möglichkeit, waschechte Fernseherfahrung zu sammeln. Doch eines nach dem andern: Dass die Zusage für ein Praktikum überhaupt kommen würde, hatte ich eigentlich schon aufgegeben, nachdem ich über vier Monate auf eine Rückmeldung gewartet hatte. Im vergangenen Oktober kam dann aber doch die Zusage. Beim Fernsehen dauert eben alles länger. mein Praktikum in der Redaktion „Maintower“ Ende März dieses Jahres. Die Sendung kannte ich zunächst nicht, doch mir wurde schnell klar, dass es sich hier nicht um eine Nachrichtensendung à la Hessenschau handelte. Stattdessen standen hier ungewöhnliche und besonders haarsträubende Verkehrsunfälle („Transporter mit 4.500 Enten an Bord auf A7 verunglückt“), lustige und tragische Tiergeschichten („Ente brütet Eier in Blumenkasten auf Balkon aus“) oder Menschen mit (Verzeihung) bescheuerten Ideen (Martin Höres entwirft Wohlfühlmobiliar für Meerschweinchen und Co.) im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Programm. Ich war wohl beim Klatschmagazin des Hessischen Rundfunks gelandet. Nach einer super organisierten Einführungswoche im Februar dieses Jahres (die sogar bezahlt wurde und während der die Teilnehmer mit allen Medien des Hessischen Rundfunks vertraut gemacht wurden), startete Warum Boulevard nicht automatisch schlecht ist Ganz falsch lag ich mit dieser ersten Einschätzung wohl nicht – schließlich bezeichnet sich Maintower selbst als Bild: Open Content Boulevardmagazin. Eine Verurteilung soll das natürlich nicht sein – ganz im Gegenteil: Später stellte sich heraus, dass ich es genau diesem Format verdankte, eigene Beiträge produzieren zu dürfen. So kam ich, nachdem ich mich auf dem Gelände des Hessischen Rundfunks erstmal ordentlich verlaufen hatte, am ersten Praktikumstag gegen 9 Uhr in die Redaktion. Dass niemand wusste, dass ich für die nächsten acht Wochen als Praktikantin hier arbeiten würde, überraschte mich wenig. Von früheren Praktika ist man das ja bereits gewohnt und es hätte mich wohl eher gewundert, wenn es anders gewesen wäre. Trotzdem fand der nette Redaktionschef sofort einen Arbeitsplatz für mich und versprach mir, dass ich noch heute mit auf einen Dreh fahren dürfte. Was erstmal fantastisch klang stellte sich nach der Redaktionssitzung jedoch als problematisch heraus: Viele Kamerateams waren nicht frei, weshalb an diesem Tag kaum neue Beiträge produziert wurden. Trotzdem wandte ich mich an eine Redakteurin, die am Vormittag nach Wiesbaden fuhr, um ein Baby-Eichhörnchen zu filmen, dass aus einem Kobel gefallen war. Einen wirklichen Nachrichtenwert das für mich nicht gerade, aber besser als gar nichts war es allemal und gegen Eichhörnchen habe ich nichts einzuwenden. Besonders begeistert schien die Redakteurin nicht zu sein, dass ich sie begleiten wollte, trotzdem willigte sie ein. Zehn Minuten später wurde diese Zusage jedoch revidiert. Kein Platz im Auto – das Kamerateam hatte wohl schon einen eigenen Praktikanten dabei. Na wunderbar. „Wo kommen eigentlich andauernd dieser nervigen Praktikanten her?“ So ganz wasserdicht war diese Ausrede dann aber doch nicht, denn nach einem kurzen Telefonanruf des CvDs stellte sich überraschenderweise he- Publizistik aus. +++ Man munkelt, Prof. Daschmann meint, „alt werden ist so ne Scheiße, Leute“. +++ Man munkelt, Prof. Daschmann werde Praktikumsbericht 26 raus, dass sehr wohl noch ein Platz im Auto frei war, weshalb ich wohl oder übel doch auf den Dreh mitgenommen werden musste. Im Auto saßen wir dann zwar eingequetscht und dicht aneinandergedrängt auf der Rückbank, doch war ich einfach nur froh, mit zu dem verunglückten Eichhörnchen fahren zu können. Kurzum: Der erste Tag war ein einziges Fiasko. Völlig am Ende kam ich an diesem Abend nach Hause und fragte mich, wie ich das die nächsten acht Wochen aushalten sollte. Auch der zweite Tag lief nicht viel besser. Wieder wollte mich niemand auf den Dreh mitnehmen und wieder schaffte ich es, ihnen meine Anwesenheit trotzdem aufzuzwingen. Hart für beide Seiten, aber ich sah es nicht ein, acht Wochen untätig hinterm Schreibtisch zu klemmen. Ein Haufen Welpen und ein Mathematikprofessor, der dem Analogrechnen verfallen ist So banal diese Themen auf den ersten Blick auch waren – sie in einem Fernsehbeitrag entsprechend in Szene zu setzen, war eine echte Herausforderung. Den Zuschauern zu erklären, warum es Spaß macht, mit zwei Autoreifen im Schlepptau durch den Wald zu joggen, um sich auf einen 700 Kilometer-Marsch durch Alaska vorzubereiten, war da noch ein vergleichsweise kleines Problem. Als Praktikantin einem ausgebildeten Kameramann und Ton-assistenten Anweisungen zu geben und sie zwingen, in ihren Augen abstruse Bildideen umzusetzen, ein sehr viel kommen. größeres. Doch damit nicht genug: Die eigene Idee für den Beitrag dann auch noch dem Cutter zu erklären, der mit den Bildern eigentlich lieber etwas völlig anderes zusammengeschnippelt hätte, und das produzierte Resultat zum krönenden Abschluss noch vor den nörgelnden CvDs zu verteidigen, brachte mich manchmal fast um den Verstand und nicht nur einmal um den Schlaf. Bild: Open Content Die absolute Hiobsbotschaft kam dann kurz vor Wiesbaden. Während es draußen fröhlich vor sich hinhagelte, erhielten wir die Info, dass wir noch eine Person einsammeln mussten. Platz war im Auto definitiv keiner mehr, weshalb einer der Praktikanten in Wiesbaden „ausgesetzt“ wurde. Ganz gentleman-like verkündete der Praktikant des Kamerateams, dass er das selbstverständlich übernehmen würde. Ich bin mir sicher, dass er, nachdem wir ihn im Hagel draußen stehen ließen, diese Entscheidung bitter bereute. Ich selbst bereute ebenfalls, nicht selbst ausgestiegen zu sein, da Redakteurin, Kamera- und Tonmann anfingen ausgiebig über diese „andauernden, nervigen Praktikanten“ zu lästern. Wo die nur alle herkämen. Tja, ich weiß auch nicht, warum ihr mir eine Zusage geschickt hattet. Der Wendepunkt kam, als ich in der dritten Woche meinen ersten Beitrag selbst produzieren durfte: Eine Schäferhündin, die zehn Junge bekommen hatte. Klingt erstmal nach einem dankbaren Thema, nicht jedoch für jemanden, der eigentlich ziemliche Angst vor größeren Hunden hat – wie mich. Und ein Schäferhund fiel für mich zweifellos in die Kategorie „größere Hunde“. Sei’s drum, da musste ich irgendwie durch und schaffte es tatsächlich, ganz alleine einen Beitrag über den Riesenhund und seine, das musste ich zugeben, doch sehr süßen Welpen auf die Reihe zu be- Die übrigen Redaktionsmitglieder schienen mit dem Resultat ebenfalls zufrieden, denn seit der Ausstrahlung des Beitrags waren die Aufträge nur so hereingeflattert, so dass ich während meines Praktikums keine ruhige Minute mehr hatte und sieben eigene Beiträge produzieren konnte. Mit weltbewegenden Themen befasste ich mich natürlich nicht. Die Inhalte meiner Beiträge: Ein paar weitere (kleinere) Tiere, ein Verrückter, der zum Mars fliegen will und ein Mathematikprofessor, der Analogrechnen mehr als alles andere auf der Welt liebt. die inhaltliche Verantwortung trug (obwohl mir auch das häufig Bauchschmerzen bereitete und ich mich gedanklich schon wegen Verleumdung und unwahrer Tatsachenbehauptung vor Gericht stehen sah). Trotzdem war es das beste und vor allem lehrreichste journalistische Praktikum, das ich hatte. Nicht, weil alles immer Spaß gemacht hat und alles glatt ging, sondern weil es mir gezeigt hat, was beim Fernsehen hinter den Kulissen wirklich abgeht und wie stressig der Beruf des Fernsehredakteurs tatsächlich ist. Wer den Fernsehalltag mit all seinen Höhen und Tiefen hautnah miterleben und wissen will, was es heißt, einen Beitrag innerhalb eines winzigen Zeitfensters fertigstellen zu müssen, der ist beim Hessischen Rundfunk gut aufgehoben. Und auch wenn ich ein positives Fazit aus meinen acht Wochen dort ziehen kann, muss ich zugeben: Beim Fernsehen zu arbeiten, hatte ich mir leichter vorgestellt. Was hinter den Kulissen wirklich abgeht Auf der anderen Seite erstaunte es mich, dass mir nach meinen doch eher schweren Start so viel Vertrauen entgegen gebracht wurde und ich für meine Beiträge tatsächlich als Einzige per Megafon auf sein fertiges Steak aufmerksam gemacht. +++ Man munkelt, die Würstchen beim Publi-Kick sollen etwas fad gewesen sein. i Fussball-tv 27 Spiel“ zufrieden geben müssen? Kann man das Material der Vereinssender eigentlich „Journalismus“ nennen? Ist das objektiv, distanziert und kritisch oder PR-verseucht? Denn immerhin übernehmen Leitmedien das Material. Bild: Screenshot fcb.tv Irgendwas mit Fernsehen Von Giuseppe Rondinella Alle Bundesligisten haben mittlerweile einen eigenen TV-Sender. Diese Art der Hofberichterstattung beeinflusst den unabhängigen Journalismus. Oft übernehmen seriöse Medienhäuser das PR-verseuchte Material – weil sie keine andere Wahl haben. Alle Journalisten, die nach dem Abpfiff in der Mixed-Zone warteten, hätten gerne mit ihm gesprochen – Mario Götze. Er war an diesem Bundesliga-Spieltag im November vergangenen Jahres der Mann der Partie. Ausgerechnet gegen seinen alten Verein Borussia Dortmund erzielte der Neu-Münchener den Führungstreffer. Die BVB-Fans buhten ihn aus, einen Torjubel ersparte sich der 20-Jährige. Stoff für eine Menge Fragen seitens der Journalisten – doch der Protagonist marschierte nach dem Spiel einfach schnurstracks an ihnen vorbei in die Kabine. Die Medienvertreter wurden eiskalt abserviert. Erst am nächsten Tag brach Götze sein Schweigen und gab ein exklusives Interview. Aber nicht für Spiegel Online, nicht für die BILD, auch nicht für den Kicker, sondern für den clubeigenen Sender FCB.TV. Dem Haussender des FC Bayern war ein echter Scoop gelungen. Die Bilder waren danach bei ARD und ZDF zu sehen, Print-Magazine nannten FCB.TV als Quelle. Und das war nicht der erste Erfolg dieser Art: Bereits Jürgen Klinsmann sprach nach seiner Vorstellung als Bayern-Trainer 2008 zuerst mit einem Redakteur von FCB.TV. Auch beim Rekord-Transfer von Javi Martinez hatte der Sender exklusives Bild-Material, war sogar bei der medizinischen Untersuchung dabei. Vereinseigene TV-Sender sind längst keine Seltenheit mehr, und der FC Bayern ist nicht der einzige Club mit einem solchen Angebot. In der ersten Fußball-Bundesliga ist das nahezu Standard – jeder Verein hat einen TV-Kanal, und der wird in der Regel hochprofessionell betrieben. Selbst in der zweiten Liga finden sich Vereine mit TV-Hofberichterstattung und sogar Drittligisten wie Holstein Kiel oder Preußen Münster leisten sich einen eigenen Sender. In der Regel belassen es Drittliga-Clubs aber bei einem regulären Youtube-Kanal, dessen Abonnentenzahlen relativ überschaubar sind. Eigene TV-Sender auch in der dritten Liga Doch bleiben wir beim Beispiel FC Bayern: Wer die Berichterstattung des Rekordmeisters im Internet konsumieren möchte, muss grundsätzlich zahlen. Zwölf Monate kosten beispielsweise 36 Euro – damit ist der Bayern-Sender relativ günstig zu haben. Bei der Borussia aus Mönchengladbach kostet ein Jahresabo rund 50 Euro. Spitzenreiter ist die TSG 1899 Hoffenheim. Hier kostet der Onlinezugang zum clubeigenen TVSender etwa 60 Euro im Jahr. Als Gegenleistung gibt es dann Interviews, Pressekonferenzen oder Statistiken. Was bedeutet es nun, wenn sich Vereine einfach selbst interviewen und mit ihrer Berichterstattung auch noch Relevanz erzeugen? Steht die Sportberichterstattung vor einer Umwälzung? Gibt es exklusive O-Töne zukünftig nur noch für die hauseigenen Kanäle, während sich die Mainstream-Medien mit dem gängigen Fußball-Blabla à la „Wir konzentrieren uns aufs nächste Ein Verein, der seit vergangener Saison von einem Paid-Content-Angebot auf freie Nutzung umgestellt hat, ist der FSV Mainz 05. Noch bis Sommer 2013 hatten die Rheinhessen das Onlineportal in Kooperation mit der Telekom betrieben, nach Ablauf des Vertrages dann aber die Bezahlschranke gekippt. Jetzt sponsert die AOK das Portal, für das ein freier Journalist und ein Halbjahrespraktikant arbeiten. Alle paar Tage gibt es dann Exklusiv-Interviews mit Spielern oder Trainern sowie die Pressekonferenzen zu sehen. Staubtrockene Fußball-Phrasen statt Kritik Inhaltlich betrachtet sind die Berichte der Vereine natürlich in der Regel Eigen-PR und keineswegs objektiv, kritisch und distanziert – sollen sie wahrscheinlich auch gar nicht sein, immerhin sind es die Vereins-Fans, die solche Inhalte konsumieren und schließlich keinen kühlen und neutralen Spielbericht erwarten. Da werden die Treffer der Gegner heruntergespielt, die eigenen Tore frenetisch bejubelt, die eignen Spieler vergöttert – die guten Sitten dabei aber häufig über Bord geworfen. So wie bei BVBStadionsprecher Norbert Dickel, der beim Dortmund-Sender Borussen-TV den Schiri einst als „Blinden“ bezeichnete und prompt eine Geldstrafe kassierte. Seriöser Journalismus ist das nicht. Dass sich Vereins-PR als Journalismus tarnt, ist EIN Problem. Ein ganz anderes ist, dass dieses Material häufig das einzige ist, dass den Journalisten der gängigen Zeitungen und TV-Sender zur Verfügung steht. Gerade dann, wenn es sich um ExklusivMaterial handelt. So gibt Mario Götze sein erstes Interview nach dem Spiel gegen seinen Ex-Club dem FCB.TV. Kritische Nachfragen: Fehlanzeige. Stattdessen staubtrockene Fußballer-Phrasen. Das Problem: Journalisten geben sich mit diesem Material häufig zufrieden – und tappen so in die PR-Falle. Der Pseudo-Journalismus der Vereine birgt Gefahren. Seriöse Sport-Redakteure werden übergangen. Und das verhindert die Arbeit von Medienschaffenden. +++ Man munkelt, das lag an den Elektro-Grills. +++ Man munkelt weiterhin, das Grillverbot auf dem Campus sei absoluter Schwachsinn. Praktikumsbericht 28 ii Bild: PR Ein echtes Journalistenpraktikum in der Hansestadt Von Robin Schäfer SWR, ZDF und Co. kennt jeder, Klassikradio in Hamburg die wenigsten. Unser Autor schon. Für den Publizissimus berichtet er exklusiv über sein Praktikum dort. Die Stadt war klar. Das Medium auch. Aber bei welchem Radio in Hamburg bekommt man vier Monate vor erhofftem Beginn noch einen Praktikumsplatz? Eigentlich hatte ich keine Lust, bei einem lokalen Popradio für Straßenumfragen und Merchandising eingesetzt zu werden – das bringt mich schließlich nicht weiter. Klassikradio schien für mich mit seiner nationalen Empfangbarkeit und seinem selbstformulierten Anspruch anders und anspruchsvoll. In der Praktikumsausschreibung war von Interviews mit „Klassikstars“, Recherche, Verfassen von Kinokritiken und Sendungsbegleitung die Rede. Perfekt. Neun Wochen nach meiner Bewerbung im Oktober kam die Mail mit der Bitte um ein telefonisches Bewerbungsgespräch. Das Telefonat: Chaotisch aber sympathisch. Anscheinend viel los in der Redaktion. Kurz danach kam die Zusage. Tagesaktuelle Interviews statt Gesprächen mit „Klassikstars“ – gut so! Durch meine Radioerfahrung viel mir der Einstieg nicht schwer. Noch dazu fand ich in Hamburg ein ganzes Heer von Praktikanten vor: Wir waren zu viert. Bald durfte ich selbstständig eigene Interviews führen, konnte mich in Redaktionssitzungen einbringen und Themenvorschläge machen. Die Interviews erfolgten zwar nur in einem einzigen Fall mit einem „Klassikstar“ – einem jungen Pianisten – waren aber dafür häufig zu tagesaktuellen Themen, was mich insgeheim viel mehr begeisterte. Häufig mussten diese Gespräche dann von mir unter Zeitdruck geschnitten werden. Außerdem sollte in Rücksprache mit dem Chefmoderator eine Moderation verfasst und eine Endversion abgenommen werden. Genauso hatte ich mir das vorgestellt. Am spannendsten war es, wenn ein potenzieller Interviewpartner das Gespräch sofort führen wollte. Schließlich war man vor dem Anruf nur kurz im Thema und durfte im Gespräch nichts Wichtiges vergessen. Letztlich hatte man dadurch etwas, das Praktikanten häufig verzweifelt suchen: Verantwortung. Im März besuchte ich mit einer Musikpraktikantin ein Ludovico-EinaudiKonzert. In der Pause und nach der Vorstellung fingen wir Stimmen und Meinungen zum Konzert ein. Am folgenden Morgen mussten wir diese in aller Frühe zu einer Toncollage zusammenfassen und noch dazu eine Konzertkritik verfassen. Eine Nacht mit wenig Schlaf, aber es hat sich gelohnt. Der Höhepunkt: Möhrings Tatort-Premiere Ein besonderer Höhepunkt des Praktikums war ohne Frage der Besuch der Tatort-Premiere von Wotan Wilke Möhring im Passage Kino in der Mönckebergstraße. „Feuerteufel“ hieß der erste Möhring-Streifen und ich hatte die Gelegenheit, ihn und andere Darsteller sowie den Regisseur zu interviewen. Möhring verschwand dann während der Vorführung in einen anderen Kino-Saal um das CL-Halbfinale seines Vereins Borussia Dortmund gegen Real Madrid zu schauen. Kann man so machen. Selbstverständlich gab es auch bei Klassikradio langweilige Praktikantenaufgaben, aber ein guter Umgang und viele anspruchsvolle Aufgaben haben das wieder wett gemacht. Zwei Mal durfte ich tatsächlich eine Filmkritik verfassen. Darüber hinaus konnte man jederzeit früher gehen, wenn es nichts mehr zu tun gab. Da- für wurde aber auch erwartet, dass man länger blieb, wenn nötig. Ein Tag allerdings wird mir in Erinnerung bleiben. Der Tag an dem die Zahlen der MA Radio veröffentlicht wurden. Hektisches Treiben im Büro. Katerstimmung. Redaktionssitzung ohne Praktikanten. Klassikradio hatte im ersten Quartal 2013 zehn Prozent seiner Hörer verloren. Dies entscheidet über die Höhe der Werbeeinahmen und ist damit für ein Privatradio elementar. Im Gegensatz dazu stand wenig später die Bekanntmachung des Stationschefs, dass eine Mitpraktikantin als Onlinevolontärin übernommen werden würde. Manchmal ist der Weg in die Medien eben doch gar nicht so weit... Ich kann ein Praktikum bei Klassikradio im Sendezentrum Hamburg sehr empfehlen. Allerdings gibt es keine Vergütung. Im Vergleich mit einer Hörfunkhospitanz beim SWR konnte ich wesentlich mehr mitnehmen. Zudem hatte ich das Gefühl, besser in die Redaktion integriert und in meinem journalistischen Tun erntgenommen worden zu sein. +++ Man munkelt, Prof. Stark vertraue ihren Studenten, wenn sie zwei Bier getrunken hat. +++ Man munkelt, Sarah habe beim Publi-Kick we- Kommentar 29 Bild: Open Content Bulimieleben in der Überfliegergesellschaft Ein Kommentar zur Generation Praktikum Von Caroline Wiemann „Wir sind die Generation Krise: keine Kohle, keine Hoffnung, keine Perspektive!“ Das beklagt sie, unsere Generation, die „Generation Y“. Jammern auf hohem Niveau. Und zwar völlig zu Unrecht, wie die Generation X findet, Perspektiven gab es schließlich nie so viele wie heute für die jungen Leute. Serviert auf dem Silbertablett - nur durchbeißen könne und wolle sich heute keiner mehr richtig. Im Mai 2013 titelte das TIMEMagazin, die Me-Me-Me-Generation sei „faul, narzisstisch und lebe immer noch bei den Eltern“. - Kann man die mal kennenlernen? In der Medienbranche wohl kaum. Sicher, unsere Sorgen sind mit denen von Nachkriegsgeneration und DDRJugend nicht zu vergleichen. Heute wächst der Großteil der Kinder behütet und in Wohlstand auf. Die Digital Natives spielen an der Konsole und nicht im Wald, bekommen von Mama das Essen vor die Glotze getragen und haben keinen Schimmer, wie man einen Staubsauger oder die Waschmaschine bedient. Und auch die Zukunft wird serviert – dank Inventionen wie Bologna-Reform und „Abi für alle“ sogar so mundgerecht wie möglich, inklusive Coaching-Werkstatt und Beratung en masse. Das Internet denkt für uns und merken müssen wir uns dank dem Web sowieso nichts mehr. Wir sind bis zum Anschlag verwöhnt, das Einzige was im Gegenzug erwartet wird ist lediglich so effizient wie möglich zu sein. Friede, Freude, Eierkuchen. So mag es scheinen. Würde das Einheitsmenü nicht so sauer aufstoßen. Denn mit der erhöhten Effizienz steigen auch die Anforderungen. Der Kampf um Ausbildungen und Festanstellungen war nie so hart. Bis zu 2000 Bewerbungen auf 20 Plätze sind Alltag an deutschen Journalistenschulen und großen Medienunternehmen. Heute muss man ins Ausland gehen, vier Sprachen sprechen, in den Ferien unbezahlte Praktika sammeln und nebenbei noch einen Nebenjob haben, der sich gut auf dem Lebenslauf macht. Chancengleichheit für alle – die in der Medienwelt obligatorischen X unbezahlten Praktika kann sich aber nur erlauben, wer von Mama und Papa ordentlich unterstützt wird. Der Rest muss halt zusehen. Vermutlich auch zukünftig, denn Praktikanten sind auch weiterhin vom Mindestlohn ausgenommen. Geradezu überrascht skizzierte der Erfurter Tatort, dass die „Pflichterfüller-Generation“ nicht mehr Partypillen, sondern Ritalin als „Vernunftdroge“ suchtet – um irgendwie mithalten zu können auf dem Arbeitsmarkt der Überfliegergesellschaft, auf dem wir uns dann von einem befristeten Vertrag zum nächsten hangeln, während wir darauf warten, dass die Festangestellten endlich in Rente gehen! Bis zu 1-Monatsverträge stellt das ZDF gerade an die sogenannten frei- en Freien Mitarbeiter aus, zu denen alle zählen, die nach 2007 eingestellt wurden. Glänzende Aussichten auf die Zeit, in der man es „dann endlich geschafft“ hat. Von anderen Branchen ganz zu Schweigen. Was dabei entsteht, ist ein paradoxer Lebensstil. Ein permanentes Hin- und Hergerissensein zwischen krankhaften Bibliotheksmarathons und zügellosen Partyexzessen – Bulimieleben wie im Barock zwischen Memento mori und Carpe diem. Bis wir die Standards so hochgeschraubt haben, dass uns vor lauter Burnout das ganze System um die Ohren fliegt! Aber am fehlenden Willen sich durchzubeißen wird das dann sicher nicht gelegen haben. nigstens einen Erguss erzeugen wollen. +++ Man munkelt, Rike hätte beim Publi-Kick ein transparentes Top getragen. +++ Man munkelt, Prof. Journaille 30 Bild: Open Content Der Captain mag Katzenpipi Von Elisabeth Neuhaus Piratenjournalismus mit Promille: Manchmal sind die Redakteure von Captain Cork nicht mehr ganz nüchtern. Zum Glück, denn das Online-Magazin berichtet über Wein ohne seinen Lesern haltloses Expertengeschwätz antun zu wollen. Einer der Seiten-Gründer hat sich den Fragen des Publizissimus gestellt und erklärt, wie Seeräuber und Wein-Berichte zusammenpassen. Mainz könnte genauso gut Australien sein. Zumindest, wenn man einem Piratenkapitän glaubt und sich den Wein eines hiesigen Weinguts die Kehle hinunterrinnen lässt. Der Wein ist nicht einfach nur ein Wein, sondern ein 2011er Merlot trocken, ein Rotwein also, und er schmeckt australisch. Kraftvoll und üppig schmeckt er, der Australier aus Rheinhessen, und er „duftet nach Cassis, Kirsche und Brombeere mit etwas roter Paprika, unterlegt von karamelligen Röstnoten, Buchenholz-Rauch und einem Hauch von Toffee“. Achso. „Das führende Onlinemedium zum Thema Wein im gesamten deutschen Sprachraum“ Es ist ein regelrechtes Loblied, das der Piratenkapitän dem Mainzer Rotwein da trällert – und es ist nicht das einzige. Seit 2009 berichtet das Online-Magazin „Captain Cork“ täglich über den Rebensaft und versteht sich selbst als „Wein-Tageszeitung im Netz“. Die Leser der Seite werden Matrosen genannt, der „Captain“ und dessen Crew sind die schreibenden Experten und berichten von Bord. Dass Captain Cork auf eine Verbindung aus Wein-Berichterstattung und Piratenmetaphorik setzt, mag absurd klingen. Aber: „Wer Aufmerksamkeit will, muss unterhalten. Erst recht, wenn es um eine Materie wie Wein geht, die viel zu oft unangemessen ernst genommen wird. Hier muss man ein weiches, ernstbefreites Umfeld haben, um locker zu bleiben“, erklärt Magazin-Mitgründer Marcus Johst dem Publizissimus. Immerhin sei Captain Cork „mit Sicherheit“ das führende Onlinemedium zum Thema Wein im gesamten deutschen Sprachraum. In Sachen Leserzahlen hält sich Johst bedeckt, verrät aber, dass man „ganz sicher“ unter den Top 3 aller Print- und Onlinemedien sei, die sich ausschließlich dem Wein widmen. Eine kurze Recherche ergibt, dass die Zeitschrift „Vinum“ mit einer Gesamtauflage von über 84.000 gedruckten Exemplaren das nach eigenen Angaben größte Weinmagazin Europas ist. Eine andere größere Zeitschrift aus Österreich heißt „Falstaff“. Die ebenfalls österreichische „Wine Times“ dürfte Captain Cork im Onlinebereich Konkurrenz machen. Stark trage Flip Flops auf der Publi Party. +++ Man munkelt, Prof. Stark übernehme auf der nächsten Publi Party die Kassenschicht. +++ Man Journaille Dabei scheinen nicht nur Special-Interest-Blätter den Wein für sich entdeckt zu haben. Weinkolumnen gibt es in der Zeit, der Welt, der Bild – und sogar das Handelsblatt lässt einen Kolumnisten über den Rebensaft schreiben („Allein unter Flaschen“). Das Thema Wein mag viele Medien beschäftigen. Die merkwürdigsten Überschriften aber bastelt Captain Cork. 31 Schluss mit kryptischen Weinbeschreibungen! Die Webseite startete als gemeinsames Projekt von Marcus Johst und dem österreichischen Fotografen und Weinkenner Manfred Klimek im Sommer 2009. Auf die Idee kam Johst nach eigenen Angaben selbst: „Erstens hatte ich es satt in Loka- Ja, die Liebe zum Wein sickert durch beim Lesen der Artikel. Mit höchster Präzision schlüsseln die Autoren auf, wonach der verkostete Wein schmeckt, welche Fruchtaromen sich darin verbergen und welchen Eindruck er im Abgang macht: „Im ganz großen Glas entfaltet er bald eine sensationell reintönige Frucht, die umrahmt wird von maskulinen Katzenpipi und Wein-Terrorismus Nicht immer aber schwelgen die WeinReporter in bordeaux-farbenem oder zitronengelbem Glück, denn auch in der Berichterstattung von Traubenliebhabern muss Platz für Kritik sein. Wenn etwa ein Grüner Veltiner aus Österreich, ein Weißwein, vom Winzer als ebensolcher angepriesen wird, sich aber im Mund als Sauvignon enttarnt, dann wird scharf getadelt. Ein Verbrechen sei das! Da müsse der Autor dem Wein-Taliban Eckhard Supp, einem deutschen Weinkritiker, Recht geben. Diese „verfickten Sauvignon-Veltiner“ seien die reine Pest. Indes gibt ein Jahrgangsführer auf der Webseite Auskunft darüber, was trinkbar ist und was nicht. Qualität und Reifegrade aller Anbaugebiete sind hier aufgeführt. Der Totenkopf signalisiert Ungenießbarkeit, die Schatztruhe Exzellenz. Bild: Captain Cork Aktuell auf der Captain-Cork-Startseite: „We love Katzenpipi!“. Ein Autor schwärmt von einem Sauvignon Blanc aus der Südsteiermark, der nach Stachelbeere, Grapefruit und – gar nicht mal so übel – Katzenpisse schmecken soll. Der erste Schluck sei geprägt vom Aroma reifer Birnen, dazu kämen dezent grasige Noten, ein wenig Holunder und eine straffe, zitronige Säure. In diesem Fall ist der Autor begeistert. len und Weinhandlungen zu viel Geld für Weine zu bezahlen, die mir nicht geschmeckt haben. Ich suchte nach einem Medium, das mir vor dem Kauf mitteilen konnte wie ein Wein schmeckt.“ Entweder seien die Weinbeschreibungen werblich und austauschbar, oder in einer Geheimsprache verfasst, die kein normaler Trinker verstünde. Captain Cork habe diese Lücke von Beginn an füllen können. Marcus Johst frohlockt: „Wenn ich unsere Artikel lese, weiß ich sofort, ob mir dieser Wein schmecken wird“. Noch in diesem Sommer wolle man einen Relaunch der Seite vornehmen. Noten der Sorte Alexis Sorbas: Anis, Sattelleder, dunkle Beeren. Polierte Gerbstoffe, ein Mundgefühl, das ich in dieser Preisklasse selten erlebt habe. Erdverbundene Wucht wurde hier kultiviert in die Flasche gedrückt“, heißt es da in einem Beitrag. Na schön, für den blutigen Anfänger hat das noch immer etwas Kryptisches. Dass aber ein Hauch von Katzenurin durchaus gut sein kann für einen Wein – darauf wäre ohne Captain Cork sicher niemand gekommen. Wer aber schreibt für Captain Cork? „Das sind alle rettungslos dem Wein verfallene Liebhaber, die sich mit sagenhafter Akribie Weinen widmen“, beschreibt Johst die Autoren. „Gottseidank gibt es diese Menschen. Ohne sie würde ich noch immer Mist trinken und bezahlen.“ munkelt, Herr Weichselbaum sei doch noch zur Publi Party gekommen. +++ Man munkelt weiter, Prof. Stark sei deshalb sehr erleichert gewesen. 32 Nachruf „Wetten, dass..?“ Bild: Screenshot wettendass.zdf.de Streber Lanz und der Untergang eines deutschen TV-Urgesteins Von Caroline Wiemann Markus Lanz aus Bruneck wettet, dass er die Kultshow „Wetten, dass..?“ nach weniger als 15 Sendungen zur Einstellung bringen kann. Tatatataaa – Wette gewonnen! Der Moderator selbst durfte es in der Sendung vom 5. April verkünden, eine große Überraschung war es allerdings nicht. Lanz‘ Beliebtheit auf einer Skala von 0 bis 10 war zuletzt auf ungefähr -7 gerutscht: Über 230.000 Leute haben eine OnlinePetition unterzeichnet, um ihn aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu verbannen. Und über das Ende des deutschen Fernsehdinos „Wetten, dass...?“ wurde in den Medien schon seit geraumer Zeit spekuliert. Im November 2013 fragte der Tagesspiegel provokativ, wie lange Intendant Tho- mas Bellut sich diesen „Endlosloop“ eigentlich noch anschauen wolle. Kein halbes Jahr später muss das ZDF zugeben, dass es sich ausgeguckt hat: Drei Sendungen werden noch folgen, zum Ende des Jahres wird das Format dann eingestellt. Zeit für einen Nachruf für die wohl unerschöpflichste Liveshow des deutschen Unterhaltungsfernsehens. Schlaflose Nächte für Frank Elstner – und später die ganze Familie 33 Jahre lang hat „Wetten, dass..?“ Familien an Samstagabenden vor den Fernsehern vereint, in Hochzeiten 15 Millionen Zuschauer generiert. Zuletzt erreichte die Show nur noch ein Drittel davon. Nun sind die Tage gezählt, „Wetten, dass..?“ bald Geschichte, doch das einzigartige Konzept dieses Formats wird in den Köpfen bleiben, Lanz-Kritik hin oder her. Es war ein Erfolgskonzept, das sich durch seinen Abwechslungsreichtum über drei Jahrzehnte durchsetzte. In einer schlaflosen Nacht soll Frank Elstner die Idee dazu gekommen sein. Eine Idee so simpel, dass sie jedes Kind versteht und doch so raffiniert, dass sie Vertreter aller Generationen anspricht. Am Valentinstag des Jahres 1981 hatte die Sendung im Zweiten Deutschen Fernsehen Premiere. Sechs Jahre moderierte Elstner seines Geistes Kind selbst, bis Thomas Gottschalk 1987 übernahm und mit kurzer Unterbrechung bis Ende 2011 blieb. Die Ära Gottschalk war die längste und wohl auch die bedeutendste der Dauersendung im doppelten Sinne (bis zu vier Stunden konnte sie sich hinziehen), denn Gottschalk hat sie sich zu Eigen +++ Man munkelt, Johannes Beckert gelte unter jüngeren Semestern als Legende am Institut. +++ Man munkelt, er habe den Fachschaftsraum Nachruf „Wetten, gemacht. Ob Sympathie oder Antipathie für den langen Blonden mit den lustigen Anzügen – Gottschalk gehörte zu „Wetten, dass...?“ wie seine Goldbären in die Werbung vor dem Heute-Journal. Samuel Kochs Sprung als Zäsur Und das zog. Die Quote boomte, die Stars ließen sich gerne bitten. Kaum einer mit Rang und/oder Namen, der nicht wenigstens ein Mal die Zeit auf dem riesigen Sofa abgesessen hat, während Gottschalk standardmäßig überzog. Gottschalk hatte sie alle, von Madonna bis Michael Jackson. So auch die Wettpaten, beliebte Größen am deutschen Starhimmel wie Udo Jürgens, Veronica Ferres, Schumi und Iris Berben (gleich zehn Mal). Je exklusiver die Gäste, desto kommerzieller die Show. Auch die Wetten überboten sich gegenseitig, mussten immer ausgefallener, immer spektakulärer und gefährlicher sein. Bis Samuel Koch im Dezember 2010 bei seinem Sprungstelzen-Salto über ein fahrendes Auto live verunglückte und seitdem im Rollstuhl sitzt. Ein herber Schlag für „Wetten, dass..?“ und auch für Gottschalk, der sich vier Sendungen später verabschiedete. Der Moderator hat den Braten wohl gerochen, denn seitdem ging‘s immer weiter bergab für die legendäre Wettshow. Auch der schon zuvor gehegte Plan, Gottschalk in Person der reizenden Michelle Hunziger einen Sidekick mit gewissen Schauwerten zur Seite zur stellen, zog nicht so richtig. Dennoch, das Konzept hat die Fernsehlandschaft geprägt. In zehn Ländern fand das deutsche Format bisher ein Pendant – und das mit Recht, denn „Wetten, dass..?“ hatte Vorreitercharakter. Das Konzept war einzigartig, genial die Kombination aus Wettkandidaten, mit denen sich das dass..?“ Publikum solidarisiert und prominenten Wettpaten, die das Publikum aus der Reserve gelockt sehen will. Dazu die kleinen Pannen und Skandale am Rande, die am nächsten Tag für Gesprächsstoff sorgten, und natürlich das kollektive Mitfiebern vor dem Fernseher. Die Idee, so clever wie einfach, zog besonders das männliche Geschlecht an, gab sie doch die Möglichkeit zu beweisen, dass man in irgendetwas der Beste ist. Egal wie überflüssig das „Talent“, bei „Wetten, dass..?“ wird es auf den Thron gehievt. Und das geradezu plebiszitär, denn der Wettkönig wird vom Publikum vor den Fernsehern gewählt. Ein Meilenstein in die Entwicklung der Zuschauerpartizipation, die bis heute Kassenschlager von Big Brother bis zum Dschungelcamp ausmacht. Eigentlicher Reiz dabei ist natürlich der Live-Charakter. Ja, beinah melancholisch blicken wir zurück auf Nackte-Haut-Skandale von Promis à la Cher, Nena, Sarah Connor, auf ungeladene Donauauen-Demonstranten und den legendären Buntstiftlutscher, einen Fake-Wettkandidat vom Satiremagazin Titanic und nach wie vor einziger Schummelkandidat der Show. Sensationscharakter stets auf jugendfreiem Niveau. Nicht zuletzt dadurch erlang „Wetten, dass..?“ seinen Kultstatus als Generationensendung mit gesellschaftlichem Stellenwert. Das und Lieblingsmaskottchen Thomas Gottschalk ließen die Show auch mit der Zeit nicht an Popularität einbüßen. Musterschwiegersohn Lanz kann es nicht richten Für Gottschalk nach über 20 Jahren einen angemessenen Nachfolger zu finden bereitete dem ZDF entsprechende Schwierigkeiten. Erste Favoriten aus dem Kader einstiger Promigäste wie Hape Kerkeling und Jörg Pilawa lehnten ab, bis Markus Lanz schließlich ins sinkende Boot stieg. Und so mancher Petitionsunterzeichner möchte behaupten, dass das Übel damit allein seinen Lauf nahm. Reine Schikane natürlich! Wobei, eine erotische Horst-SchlemmerModeration, ein bisschen „Joko und Wetten, Klaas“ oder ein frauenverachtender Olaf Schubert in Strickpullunder an der neuen Spitze hätten den Zuschauer zu Hause sicher weniger eingeschläfert als das Vorzeigeschwiedersöhnchen aka Streber-Lanz. Doch der Südtiroler allein kann es nicht gewesen sein, die Quote begann schließlich schon vorher zu bröckeln. Nein, es hat sich wohl vielmehr ausgewettet! 33 bedeutendste Lieblingsplatte nicht mehr hören. Nichtsdestotrotz: „Wetten, dass..?“ hat Fernsehgeschichte geschrieben und ein bisschen wird das Urgestein fehlen im deutschen Unterhaltungsfernsehen. Bleibt zu hoffen, dass letzteres die Kultshow mit Würde in Erinnerung trägt und sich nicht vollkommen vom niveaulosen Sensations-TV unterspülen lässt. Die U30-Zuschauer haben sich längst verabschiedet (wenn es sie überhaupt jemals gab) und selbst die Jüngsten finden in Formaten wie „Schlag den Raab“ und „Circus Halli Galli“ weit mehr der gesuchten Action und Spannung. „Wetten, dass..?“ wurde überholt und hat an Beliebtheit verloren, denn mit der Trumpfkarte der Generationenbindung kann schon länger nicht mehr gepunktet werden. Heute soll das Format auf den einzelnen Zuschauer so passend wie möglich zugeschnitten sein, weil es in Zeiten von mobilen Endgeräten, personalisierten Programmen, Onlinemediatheken und Livestreams DEN Familienabend vorm Fernseher sowieso nicht mehr gibt. Das Angebot hat sich vervielfacht, die Konsumgewohnheiten gewandelt und ja, die Sendung ist eingeschlafen. Die Wetteinsätze sind immer weichgespülter, die Wetten immer weiter hergeholt – kurz: „Wetten, dass?“ stagniert. Da hätte vermutlich auch ein flotterer Moderator die Sendung nicht retten können. Das Format hatte einfach ausgedient, so traurig es ist, irgendwann kann man auch die kurzerhand als sein Büro umfunktioniert. +++ Man munkelt, Herr Müller wolle beim nächsten Publi-Kick nicht auf die Ersatzbank. +++ Man Publi-kick 2014 34 Triumphzug der verlorenen Generation Von Markus Schäfer Beim Publi-Kick 2014 sind die Magister wieder einmal nicht zu schlagen. Doch die Mannschaft blickt in eine ungewisse Zukunft. Philip Leidinger darf sich „PubliKick-Sieger 2014“ nennen, doch wer an diesem Abend in die Augen des Magister-Routiniers schaut, entdeckt vor allem Wehmut. Ein letzter verwandelter Elfmeter gegen die Dozenten, ein letzter Gruß. Dann humpelt der verletzte Kapitän mit gesenktem Blick sichtlich gezeichnet vom Feld. Die Magister-Mannschaft ist in die Jahre gekommen. An diesem Mittwoch aber zeigen Leidingers Teamkollegen noch einmal, woran sie während ihres Studiums über Jahre hart und intensiv gearbeitet haben: Aggressive Zweikämpfe, schnelles Umschaltspiel, flüssig vorgetragene Kombinationen und eine Reihe sehenswert herausgespielter Tore. Mark Weidenfeller ist einer der Helden dieser verlorenen Generation, aus einer Zeit, als ein Mobiltelefon ein Smartphone war, wenn es Snake beherrschte und „Selfie“ noch ein selten dämliches Wort für Eigentor war. Doch trotz des nie gefährdeten Erfolgs der Magister – noch dazu ohne ein einziges Gegentor – will auch bei ihm an diesem Abend keinerlei Feierlaune aufkommen. „Was hilft ein herausragender Hochschulabschluss, wenn der Torabschluss zu kurz kommt?“, fragt Weidenfeller und kann seine Verbitterung nur schwer verbergen. Die Unsicherheit über das, was kommen wird, ist allen Beteiligten anzumerken. Schon auf dem Platz herrscht bei den Spielern größtenteils gedrückte Stimmung. Treffer werden mit vorsichtigem Abklatschen zur Kenntnis genommen, den sonst obligatorischen Torjubel spart das Team bewusst aus. Auf der internen Meisterfeier im Seniorenheim „Letzte Ausfahrt“ in Finthen wird nach Aussage von Anwesenden überwiegend geschwiegen und leise geweint. Alkohol trinkt hier niemand, einzig als Entertainer Gildo Horn seinen 90er Jahre Klassiker „Gildo hat Euch lieb“ zum Besten gibt, brandet so etwas wie verhaltener Beifall auf. Die Magister stehen vor schwierigen Wochen. Die Lizenz für die kommende Spielzeit ist akut gefährdet. Noch mag sich keiner der Verantwortlichen äußern, doch für eine Mannschaft, die wie kaum einer andere die Geschichte des Publi-Kicks geprägt hat, scheint der universitäre Erfolg ihrer Spieler immer mehr zur Existenzfrage zu werden. Bereits im vergangenen Jahr waren die Zweifel mit Händen zu greifen. Der zweite Platz beim Publi-Kick 2013, als Gregor Daschmann den entscheidenden Elfmeter zum Sieg von Random Sample verwandelt hatte, nagte sichtlich am Selbstvertrauen der erfolgsverwöhnten Mannschaft. Tränen flossen, verdiente Akteure wurden in den Ruhestand verabschiedet. In diesem Jahr durften sowohl Kapitän Leidinger als auch Torwart Jungblut nur aufgrund von Sondergenehmigungen auflaufen. Jungblut selbst kokettiert schon seit Wochen mit einem Wechsel zu Random Sample. Er wäre ablösefrei. Hinzu kommen auffällige Koordinationsprobleme, die man von den Magistern bislang nicht kannte. So ist es wohl nur mit einer altersbedingten Farbsehschwäche zu erklären, dass sich Magister und Master nach langwierigen Verhandlungen im Vorfeld darauf einigten, das Turnier jeweils in roten Trikots zu bestreiten. Das Schicksal der Magister beschäftigt auch die Lehrenden am IfP. Random Sample-Teamkapitän Himmelreich, auf dem Rasen stets ein Verfechter des aggressiven Miteinanders, lassen die jüngsten Vorkommnisse nicht kalt: „Ich bin jetzt knapp 30 Jahre dabei, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt. Mir als Magister der ersten Stunde tut das ganz besonders weh, das muss ich schon sagen.“ Bei aller Bedrückung, so Himmelreich, dürfe man aber auch die starke Entwicklung der Bachelor nicht übersehen, die in diesem Jahr selbst mit den Magistern lange Zeit mithalten konnten, sich jedoch letztlich durch ein Elfmetertor mit 0:1 geschlagen geben mussten. Tatsächlich scheint die Formkurve der Bachelor in dieser Saison steil nach oben zu gehen. Überlegungen, das Team aufgrund der positiven Erfahrungen in kommenden Jahren als reine Frauenmannschaft antreten zu lassen, kommentiert Fachschafts-Sprecherin Franziska Pröll durchaus wohlwollend: „Die Qualität der Spielerinnen im Bachelorstudiengang ist herausragend. Ich denke, die Zeit ist reif für einen Gender-Wechsel“. Das wiederholt schwache Abschneiden der Master bereitet den Verantwortlichen am Institut indes Kopfzerbrechen. „Wir werden bei der Master-Bewerbung in Zukunft noch stärker darauf achten müssen, die fußballerischen Fähigkeiten der Bewerber angemessen zu berücksichtigen“, sagt Ilka Jakobs vom Stu- dienbüro. Wissenschaftliche Brillanz alleine reiche im Zweikampf eben oftmals nicht aus: „Wir werden uns da zusammensetzen und eine zeitnahe Lösung präsentieren.“ Denkbar seien etwa vorgezogene E-Klausuren zu spieltaktischen Fragen sowie ein verpflichtendes Probe-Trainingslager zu Beginn jedes Semesters. Eine weitere Option bestehe darin, herausragende Akteure anderer Institute abzuwerben: „Die Verpflichtung von Dr. Jens Vogelgesang bei Random Sample hat ja gezeigt, was mit Geld alles möglich ist. Die Verlängerung des Hochschulpakts eröffnet uns da völlig neue Möglichkeiten.“ Langfristig wolle man am Institut „mindestens zwei bis drei“ strategische Partner gewinnen, die gezielt in die fußballerische Ausbildung der Publis investieren. Angestrebt wird zudem eine Kooperationsvereinbarung zwischen DFL und DFG zur nachhaltigen Förderung des Fußballs in den Sozialwissenschaften. „Wir sind da in konstruktiven Gesprächen“, verrät Gregor Daschmann, Dekan des Fachbereichs 02. Der Fachbereich stehe „voll hinter den Plänen“ einer neuen Fußball-Exzellenzinitiative, auch der Präsident habe schon Zustimmung signalisiert. Gehe der Entwurf durch den Senat, könnten spätestens vom Wintersemester 2015 an die Planungen für neue Nachwuchsleistungszentren beginnen. Großes Vorbild sei dabei die Physik, wo seit Jahren eingeworbene Mittel für Teilchenbeschleuniger in „Steine und Beine“ umgewidmet würden. Trotz des verspäteten Umstiegs der Sozialwissenschaftler zeigt sich Daschmann für die Zukunft zuversichtlich: „Wir müssen unsere gesamte Nachwuchsarbeit kritisch hinterfragen. Aber ich denke, wir sind auf einem guten Weg.“ Die Ergebnisse gibt‘s auf Seite 3. munkelt, Prof. Quiring alias Olidinho und Prof. Daschmann hätten beim Publi-Kick schön zusammen eine gepöft (siehe Bild Seite 37). +++ Man Publi-Kick 2014 35 Löw: „Daschmann ist schon auch ein ganz wichtiger Spieler“ Von Markus Schäfer Im exklusiven Interview mit dem Publizissimus spricht „Random Sample“-Trainer Jogi Löw über spielerische Variabilität, taktische Fehler und seine Pläne für die Zukunft. Herr Löw, wie sind Sie auf die Idee gekommen, „Random Sample“ zu coachen? Publi-Kick, das ist schon auch hohes Niveau. Das ist eine Herausforderung, die, ich sag mal, auch von einem Trainer höchste Konzentration erfordert, klar. Sicher ist Mainz von Brasilien schon auch irgendwie weit weg. Da fliegt man ein paar Stunden. Insofern war es schon auch irgendwie gut, dass das Turnier an einem spielfreien Tag stattgefunden hat. Einige Beobachter waren überrascht, dass Sie GFG-Hausmeister Sauerland anstelle von Yasin Gülsahin nominiert haben. Der Yasin war schon auch irgendwie angeschlagen (Leistenzerrung, Anm. d. Red.). Bei so einem intensiven Turnier und diesen Temperaturen braucht man schon auch Spieler, die ein Ziegele. Aber klar: Dass sich der Gregor beim Aufwärmen verletzt (Adduktorenzerrung, Anm. d. Red.), das hat uns natürlich schon auch sehr wehgetan, keine Frage. Nur ein Tor in drei Spielen – fehlt Ihrer Mannschaft in der Offensive die Durchschlagskraft? Bild: Alla Kopytova Gleich zwei hohe Niederlagen gegen Bachelor und Magister – warum ist Ihr taktisches Konzept nicht aufgegangen? Ich sag mal, das Problem war schon auch, dass wir nicht genügend Innenverteidiger hatten, um auf diesem Niveau über zehn, fünfzehn Minuten irgendwie auch mithalten zu können. Ich kann mir ja keine Innenverteidiger schnitzen. Da müssen dann eben Außenverteidiger auf Außen verteidigen und Mittelfeldspieler im Mittelfeld spielen. Das ist schon auch irgendwie nicht optimal. Klar. Was sagen Sie zur Leistung der Magister? Ich sag mal, den Magistern wird ja schon auch häufig eine gewisse „Abschlussschwäche“ unterstellt. Davon war auf dem Platz nichts zu sehen. Das ist schon auch irgendwie eine gute Mannschaft. Eine abschließende Frage: Wie sieht Ihre Zukunft aus? Haben Sie an Rücktritt gedacht? Wie überrascht waren Sie von der Qualität Ihres Kaders? Klar war ich schon auch überrascht, wer da zur Verfügung steht. Von einem Spieler wie dem Philipp Müller hätte ich mir schon auch irgendwie mehr versprochen. Klar. Ich kenne ja den Philipp und auch den Müller aus der Nationalmannschaft. Da macht man sich schon auch Hoffnungen. Anlaufen hätte hinfallen lassen. Das hätten wir schon auch besser machen können. zu einhundert Prozent fit sind. Da gibt es bei mir keine Ausnahmen. Höchstens Gregor Daschmann. Apropos Daschmann. Da hatten ja viele Kritiker im Vorfeld gewarnt: zu alt. Zu verletzungsanfällig. Ist das Experiment mit nur einem echten Stürmer gescheitert? „Gescheitert“ kann man jetzt denke ich so nicht sagen. Ich sag mal, der Gregor ist schon auch ein ganz wichtiger Spieler für uns und hat in den vergangenen Jahren immer wichtige Tore erzielt. Aber wir haben schon auch genügend Spieler im Kader, die in der Lage sind, Tore zu schießen wie ein Geiß, wie ein Schemer, wie Wir haben schon auch einen guten Kader, in dem schon auch irgendwie mindestens ein bis zwei Spieler auf einem, ich sag mal, ordentlichen Niveau spielen. Natürlich hatten wir schon auch größere Erwartungen, klar. An der einen oder anderen Stelle hat vielleicht auch einfach mal das letzte Quäntchen Glück gefehlt. Und in der einen oder anderen Situation müssen wir schon auch irgendwie cleverer sein. Sie meinen die Standardsituationen? Also ich sag mal, der dritte Platz hier beim Publi-Kick ist ja schon auch irgendwie der größte Erfolg in meiner Karriere. Und diese WM in Brasilien geht mir, ich sag mal, schon auch irgendwie auf den Zeiger. Da ist zu viel Sand. Das ist höchst unangenehm. In meinen Schuhen ist Sand! In meinen Haaren klebt Sand! Selbst in meinem Bett ist alles voller Sand! Und seit der Kevin Großkreutz die Lobby im Campo Bahia entdeckt hat, steht die, ich sag mal, schon auch häufig unter Wasser. Ich setze mich jetzt jedenfalls erst einmal für die nächsten Wochen hier in Bretzenheim in die Eistonne. Die hat der Philipp vorhin für mich ausnahmsweise mit Milcheis gefüllt. Alles andere lasse ich dann schon auch erst einmal auf mich zukommen. Klar, wir hatten schon auch viele Freistöße, keine Frage. Da wäre es schon auch irgendwie gut gewesen, wenn sich der ein oder andere Spieler beim munkelt, Open Content hätte eine wichtige Rolle bei der Produktion dieser Ausgabe gespielt. +++ Man munkelt, der Publi-Kick habe im Schatten Phantomtor-Plädoyer 36 Das Phantomtor und die Macht sozialer Kontrolle Ein Plädoyer für Stefan Kießling Von Marcus Schäfer Stefan Kießling, hauptberuflich Stürmer beim Fußball-Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen, wollte seinen Augen nicht trauen. Er hatte den Ball gerade nach einem Eckball von der linken Seite aus aussichtsreicher Position einige Zentimeter am Tor vorbei geköpft. An normalen Tagen hätte er sich darüber kurz geärgert, womöglich die blonden Haare gerauft und wäre dann wieder in Position gelaufen, um auf den fälligen Abstoß zu warten. Denn Kießling ist Profi und seine Mannschaft führte ohnehin mit 0:1 - es würde sich im Laufe der verbleibenden 20 Minuten Spielzeit also mit Sicherheit noch die ein oder andere Kontergelegenheit ergeben. Aber nun lag der Ball im Tor, seine Mitspieler feierten ihn als Torschützen, Schiedsrichter Felix Brych deutete klar erkennbar in Richtung Mittellinie und auch die gegnerischen Spieler der TSG 1899 Hoffenheim trabten, teils sichtlich betrübt, dem unvermeidlichen Anstoß entgegen. Also nahm Kießling die Glückwünsche und Liebkosungen der Kollegen an, streckte pflichtbewusst die Arme in die Höhe – freilich etwas unbeholfener und kraftloser als sonst, denn schließlich konnte er sich das Ganze noch immer nicht so recht erklären – und folgte dem Spielertross zum Mittelkreis. Warum auch sollte ausgerechnet er sich zum Dummen machen, wo es doch offenbar das ganze Stadion anders gesehen hatte? Im kurzen Wortwechsel mit Schiedsrichter Brych gab er an, dass ihn die Flugbahn des Balles etwas überrascht habe - nicht aber, dass der Ball aus seiner Sicht am Außennetz und eben nicht im Tor gelandet war. Sekundenbruchteile nach dem Fehlversuch hatte er die Hände noch über dem Kopf zusammengeschlagen. Er war sich sicher: Dieser Kopfball ging daneben – er hatte den Ball ja schließlich mit eigenen Augen am linken Torpfosten vorbei ins Aus fliegen sehen. Wer das für Außenstehende seltsam anmutende Verhalten des ansonsten aufrichtigen Sportsmanns Stefan Kießling nach dem sogenannten „Phantomtor“ von Hoffenheim verstehen will, muss sich mit den frühen Arbeiten des amerikanischen Sozialpsychologen Solomon Asch aus den Fünfzigerjahren auseinandersetzen. In einer seiner bekanntesten Studien zeigte Asch den Teilnehmern eines Experiments drei schwarze Linien auf weißem Hintergrund, die sich in ihrer Länge deutlich unterschieden und stellt ihnen eine denkbar einfache Aufgabe: Die Teilnehmer sollten einschätzen, welche der drei Linien in ihrer Länge am ehesten der Länge einer Vergleichslinie entsprach, die er unmittelbar neben den übrigen Linien platziert hatte. Die richtige Antwort war augenfällig. Asch konnte davon ausgehen, dass die Lösung absolut eindeutig war. Der Versuchsleiter rief nun alle Teilnehmer der Reihe nach dazu auf, ihm die gesuchte Linie zu nennen. Und tatsächlich: Jede der Personen konnte die korrekte Linie problemlos identifizieren. Allerdings war nur einer der Teilnehmer auch tatsächlich ein echter Proband. Die übrigen Versuchspersonen waren Helfer des Versuchsleiters und als solche vorab in dessen Pläne eingeweiht und entsprechend instruiert worden. Asch interessierte sich nämlich in seiner Studie nicht, wie er glaubhaft vorgaukelte, für Fragen der menschlichen Wahrnehmung. Er interessierte sich für das menschliche Verhalten in sozialen Gruppen. Das Prozedere wiederholte sich in der Folge mehrfach: Wieder und wieder sprach der Versuchsleiter die Teilnehmer der Reihe nach an und forderte sie auf, laut anzugeben, welche der drei angezeigten Linien mit der Standardlinie übereinstimmte. Doch während die eingeweihten Helfer in den ersten Durchgängen noch die richtige Lösung genannt hatten, änderte sich ihr Verhalten nun schlagartig: Als der eigentliche Proband am Ende des Durchgangs an der Reihe war, hatten sich bereits alle anderen Versuchsteilnehmer unisono auf eine andere, offensichtlich falsche Linie festgelegt. Wie würde sich nun der einzige echte Proband entscheiden? Die Antwort war auch für Solomon Asch verblüffend: Dreiviertel aller echten Probanden schlossen sich in mindestens einem Durchgang der augenscheinlich falschen Einschätzung ihrer eingeweihten Gruppenmitglieder an. Menschen sind von Natur aus soziale Wesen. Von anderen akzeptiert zu werden, ist ein zentrales menschliches Bedürfnis. Isolation empfinden wir als extrem unangenehm, mitunter als regelrecht schmerzhaft. Das führt dazu, dass wir uns in sozialen Situationen oftmals anders verhalten, als wir es im Privaten tun würden – nicht notwendigerweise, weil wir der Überzeugung sind, dass wir falsch liegen, sondern weil wir keine Aufmerksamkeit erregen, von ande- ren nicht verlacht oder gar abgelehnt werden möchten. Der Druck der sozialen Kontrolle führt dazu, dass wir uns in der Öffentlichkeit konform verhalten, um uns nicht zu isolieren. Und so erfüllen wir die Annahmen und Verhaltensweisen einer Gruppe unter Umständen auch dann, wenn wir selbst anderer Überzeugung sind. Stefan Kießling muss sich in den Minuten nach seinem Fehlschuss vorgekommen sein, wie der isolierte Proband in Aschs Experiment. Sicher: Der Ball war nicht im Tor, das hatte er erkannt und seinen Ärger darüber sichtbar zum Ausdruck gebracht. Aber offenbar war die allgemeine Stimmung auf dem Platz und im Stadion eine andere – also warum sich dagegen wehren und sich vollends öffentlich der Lächerlichkeit preisgeben? Die übrigen Teilnehmer der Gruppe – seine Mit- und Gegenspieler – hatten sich ja bislang in solchen Situationen auch immer vernünftig verhalten. Und der Schiedsrichter hatte ihre Einschätzung inzwischen ja sogar höchstoffiziell bestätigt. Also ging auch Kießling öffentlich konform und freute sich demonstrativ über sein sechstes Saisontor. Die Macht der sozialen Kontrolle war in diesem Moment stärker als das Vertrauen in seine eigene Wahrnehmung. Nach dem Spiel musste Stefan Kießling dann viele Fragen beantworten. Ob er Schiedsrichter Brych nicht auf das offensichtliche Nicht-Tor hätte hinweisen müssen, wurde er gefragt. Das war ihm sichtlich unangenehm. Er druckste herum und gab schließlich zu Protokoll, er sei sich nicht sicher gewesen. Er habe die Situation ja auch gar nicht richtig gesehen. der Weltmeisterschaft kaum Beachtung gefunden. +++ Man munkelt, die B.A.-Mannschaft spiele fast so gut wie die iranische Nationalmann- Publi-kick: Die Vorwürfe und Anfeindungen, die ihm daraufhin in den folgenden Tagen entgegenschlugen, führten ihm zwei Dinge mehr als deutlich vor Augen: Zum einen, dass die öffentliche Meinung sich gedreht hatte – und zum anderen, wie schmerzhaft es sein kann, gegen den Strom zu schwimmen. Tatsächlich gehört Kießling offenbar nicht zu jener kleinen Gruppe von Menschen, die sich im Sinne ihrer Überzeugungen den Urteilen ihrer Mitmenschen konsequent widerset- Munkler-Bild (Schneiders) 37 impressionen zen, unabhängig davon, welchen Widerständen sie ausgesetzt sind, und die Solomon Asch in seiner Studie daher als die „Independents“, die Unabhängigen charakterisiert. Aber ist ihm das tatsächlich vorzuwerfen? Und wie würden sich diejenigen, die es ihm heute zum Vorwurf machen, in einer solchen Situation verhalten? Das eindrucksvolle Experiment von Asch wurde inzwischen von verschiedenen Wissenschaftlern in verschiedenen Ländern und in verschiedenen Variationen repliziert – unter anderem mit Bildern und Tönen statt Lini- en und Kindern anstelle erwachsener Versuchspersonen. Die Ergebnisse waren immer die gleichen. Hätte Stefan Kießling also gegenüber Schiedsrichtern, Trainern und Kollegen ein offenbar allgemein akzeptiertes, möglicherweise spielentscheidendes Tor seiner Mannschaft öffentlich anzweifeln müssen, wenn es den meisten Menschen nicht einmal gelingt, vor Fremden offen zu bekunden, dass eine völlig unbedeutende Linie nicht die ist, für die sie alle halten? Kießlings Verhalten sollte als das beurteilt werden, was es ganz offen- sichtlich war: menschlich. Literaturempfehlungen: Asch, Solomon (1963): Effects of Group Pressure upon the Modification and Distortion of Judgement. In: Harald Gutzkow (Hrsg.): Groups, Leadership and Men. Research in Human Relations. New York: Russel & Russel, S. 177-190. Lamp, Erich (2009): Die Macht öffentlicher Meinung – und warum wir uns ihr beugen. München: Olzog Verlag. Bilder: Alla Kopytova schaft. +++ Man munkelt, „Schlaaaaaaand!“ +++ Man munkelt, Publis seien kaum auf Twitter unterwegs. +++ Man munkelt, IfP-Profs Online-uni 38 MOOCs – große Blase oder große Zukunft? Von Matthias Baumarth Studieren während der Professor hunderte oder gar tausende Kilometer entfernt ist – das ist eigentlich nichts Neues. Die Fern-Uni Hagen existiert beispielsweise schon seit 1974. Dennoch wird dieses Thema in letzter Zeit ebenso intensiv wie kontrovers diskutiert. Grund dafür sind die Massive Open Online Courses, kurz MOOCs, die sich in den letzten Jahren rapide verbreitet haben. Im Gegensatz zu klassischen FernUnis und eLearning-Angeboten, die es vielerorts schon lange gibt, sind MOOCs rein online-basiert und somit weltweit verfügbar. Um studieren zu können braucht es lediglich einen Computer mit Internetzugang – Vorkenntnisse sind nicht nötig, die Anmeldung ist kostenlos. Grundsätzlich bieten MOOCs daher ein enormes Potenzial, Wissen und Bildung global leichter zugänglich zu machen. Die Idee wirkt derzeit wie ein großes Versprechen, bei dem aber unklar ist, ob es jemals eingelöst werden wird. Umstritten ist nämlich, ob sich das Phänomen langfristig durchsetzen wird und welche Folgen die Entwicklung für die Bildungssysteme in den verschiedenen Ländern haben wird. Doch der Reihe nach. Als einer der Wegbereiter des MOOC-Trends gilt Sebastian Thrun. Der Deutsche ist Professor für Informatik an der USamerikanischen Elite-Uni Stanford. Ende 2011 war Thrun einer der ersten renommierten Professoren, der einen Kurs komplett online anbot. Damals meldeten sich über 160.000 Studierende aus 190 Ländern für einen Einführungskurs an, 23.000 Bild: Open Content absolvierten anschließend erfolgreich die Prüfung. Vom großen Erfolg überrascht verfolgte Thrun das Thema weiter und gründete schon kurze Zeit später mit einem Kollegen das Unternehmen Udacity, heute einer der führenden Anbieter für MOOCs. Im Dunstkreis der Ivy League folgten schnell weitere Neugründungen, sodass es heute eine Vielzahl ähnlicher Online-Lehrplattformen gibt. Die Teilnehmerzahlen der Kurse auf den MOOC-Plattformen sprechen auch in Deutschland für deren Erfolg. Vor allem für die kommerziellen Anbieter stellt sich die Frage, wie die angebotenen MOOCs langfristig finanziert werden können. Eine Tendenz geht zum sogenannten Freemium-Modell. Hier sind Anmeldung und Kurse grundsätzlich kostenlos, bestimmte Zusatzinhalte und eventuelle individuelle Betreuung müssen dann aber von den Teilnehmern bezahlt werden. Zudem kostet das Ablegen von Prüfungen auf vielen Plattformen, auch den nicht-kommerziellen, eine zusätzliche Gebühr. Professor Oliver Vornberger an der Uni Osnabrück, ebenfalls Informatiker, gilt als einer der populärsten MOOC-Dozenten in Deutschland. Er hat für seine Onlinekurse sogar schon Preise erhalten. Die Frage ist nur: Können Anbieter von MOOCs langfristig überleben? Finanziert werden sie recht unterschiedlich. Während die beiden US-amerikanischen Pioniere Udacity und Coursera kommerzielle Unternehmen sind, verfolgen viele andere Anbieter einen Non-Profit-Ansatz. Zu diesen zählt zum Beispiel auch Iversity, eine der größten deutschen Plattformen, die mit der Uni Hamburg kooperiert. Sobald die Kosten aber zunehmend an den Kursteilnehmern hängen bleiben, ist die Vision von einfacherem Zugang zu Bildung für Menschen in aller Welt – besonders in Schwellenund Entwicklungsländern – natürlich ein Stück weit hinfällig. Potenzielle andere Einnahmequellen für die Betreiber von MOOC-Plattformen hingegen sind nicht unproblematisch. Die Anbieter generieren angesichts ihrer hohen Teilnehmerzahlen große Mengen an Daten über ihre Studierenden: Wer hat ein einen Kurs wie schnell und mit welcher Note abgeschlossen? All das könnte potenzielle Arbeitgeber brennend interessieren, ist aber im Hinblick auf den Datenschutz mindestens fragwürdig. Am Ende bleibt die Frage, ob der MOOC-Trend nur eine weitere Blase der digitalen Welt ist, die recht bald wieder platzen wird oder ob er zu einer nachhaltigen Veränderung der Hochschulbildung weltweit taugt. Ob es eine Veränderung zum Guten oder zum Schlechten sein wird, ist indes ebenfalls umstritten. Stellvertretend für viele Lehrende drückte beispielsweise die philosophische Fakultät der San Jose State University ihre Sorge in einem offenen Brief aus. Man befürchte, dass durch die MOOCs langfristig ein Zwei-Klassen-System der Universitäten entstehen könnte: Auf der einen Seite stehen privilegierte, gut finanzierte Hochschulen, in denen die Studierenden in den Genuss eines echten Professors und persönlicher Betreuung kommen. Auf der anderen Seite jedoch finden sich Universitäten unter hohem Kostendruck, deren Studierende ihre Lehrenden nur in Videoaufzeichnungen und Live-Streams zu Gesicht bekommen und ansonsten weitgehend auf sich allein gestellt sind. würden sich den Gewinn des Publizissimus-Preises als Referenz in den Lebenslauf schreiben. +++ Man munkelt, Reinhard Ricker erwarte sehn- Alumni 39 berichten Christina Simon, Marcus Ewald und Jörg Franke Simon, Schneiders, Ewald, Franke. Bilder: Schneiders „Jede Woche eine neue Welt“ Von Pascal Schneiders Zum vierten Mal luden der Fachschaftsrat Publizistik und die Alumni-Stiftung zur Berufsinfoveranstaltung „Alumni berichten – Vom Studium in den Beruf“. Thema diesmal: Öffentlichkeitsarbeit – differenziert nach Agentur und Pressestelle. In einer offenen Gesprächsrunde mit Christina Simon, Jörg Franke und Marcus Ewald erhielten die Teilnehmer einen ehrlichen Einblick in den Arbeitsalltag und die Anforderungen der Branche. Orientierung boten auch die Werdegänge der Referenten. „Jede Woche eine neue Welt“, fasste Marcus Ewald die Arbeit in einer Agentur in Anlehnung an den Werbeslogan eines bekannten Konsumgüter- und Einzelhandelsunternehmens zusammen. Der Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Media Advice war der diesmalige Moderator der Veranstaltung und profitierte dabei von seinen rhetorischen Fähigkeiten als ehemaliger Präsident des Europäschen Rates des Debattierens. Stets mit einem lockeren Spruch auf den Lippen führte er an die 30 Zuhörende durch die Veranstaltung. Wobei Zuhörende nicht ganz zutrifft: Gleich zu Beginn waren sie aufgefordert, selbst zu reden, von ihrer Motivation und ihren Zielen. Nicht ganz so motivierend klingt der Härtefall in einer Agentur: Wird der Börsengang oder Verkauf eines Un- ternehmens begleitet, heißt es schon mal: Arbeiten von halb sieben bis 23 Uhr, Essen am Schreibtisch – dazwischen gilt es, jede Menge journalistischer Anfragen zu beantworten und die Kernbotschaften der Transaktion zu vermitteln. Christina Simon absolvierte den Master Unternehmenskommunikation am IfP. Seit zwei Jahren arbeitet sie als Kommunikationsberaterin bei Hering Schuppener, eine der wenigen strategischen Consulting-Agenturen in Deutschland. Sie betreibt Krisenmanagement für Unternehmen, betreut diese aber auch auf kontinuierlicher Basis, um die Reputation und Führung der Marke zu stärken. Ein harter Job, bei dem Überstunden, Vorbereiten von Präsentationen am Wochenende und ständige Rezeption der Nachrichten nicht unüblich sind. Die Frage „Warum tust Du Dir das an?“ kann Simon dennoch sofort beantworten: Weil es ihr Spaß macht, sie ihre Arbeitszeit in der Regel flexibel gestalten kann, und sie mit unterschiedlichsten Kunden in Kontakt kommt – vom Lebensmittelhersteller bis zur Bank. Übt man seine Tätigkeit mit Spaß aus, wird man Erfolg damit haben, davon ist auch Ewald überzeugt – daher sollte man seine Studienfächer nicht nach dem Bedarf auf dem Arbeitsmarkt richten. Jörg Franke pflichtet bei, nur dem nachzugehen, was Spaß macht. Das gelte für Studium und Beruf. Diese Erkenntnis traf ihn nicht immer sofort, wie sein weniger geradliniger Lebenslauf zeigt. Sein Studium der Chemie brach er ab und wechselte zu Biologie und Publizistik. Danach war er ebenfalls in einer Agentur tätig, sieht die Work Life Balance trotz starker Gemeinschaft mit den Kollegen aber als nicht gegeben. Deshalb entschied er sich, Öffentlichkeitsarbeit direkt im Unternehmen zu betreiben, statt sie von einer Agentur aus zuzuliefern. Seit sieben Jahren ist er nun beim mittelständischen Kunststoffverarbeiter Ensinger GmbH als Pressesprecher tätig. Die Vielfalt seiner Aufgaben ist typisch für ein Familienunternehmen: Neben der Vertretung des Unternehmens nach außen kümmert er sich auch um Sponsoring und die interne Kommunikation. „Was könnt Ihr von Eurem Studium für den Beruf mitnehmen?“, fragte Ewald in die Runde. Zunächst Stille, hier und da ein Schmunzeln. „Statistik?“. Selbst bei dieser Spezifizierung schießen keine Hände in die Höhe. Endlich eine erste Meldung: „Analytisches und strukturiertes Denken“. Zustimmung bei den Referenten. „Nehmt jede Hausarbeit als Chance mit, es verbessert sich mit jedem Mal.“, so Simon. Daneben sind im oder neben dem Studium ein Auslandsaufenthalt mittlerweile zwingend, die Perfektion der Englischkenntnisse dringend zu empfehlen und ein Masterabschluss teilweise gar vorausgesetzt. Neben Praxiserfahrung wird auch eine gute Schreibe in der Branche vorausgesetzt – bedeutet, die Kernaussagen verständlich zusammenfassen zu können. Franke macht Mut: Kommunikation ist ein wachsendes Feld. Eine Job-Zusage will sorgfältig durchdacht sein. „Verkauft Euch nicht unter Wert – denn der Arbeitnehmer bietet stets einen größeren Mehrwert, als er verdient.“ Jede Woche. süchtig den Deutschland-Start von Netflix. +++ Man munkelt, die IfP-Frischlinge seien schreibfaul. +++ Man munkelt, vor 30 Jahren hätten die Die 40 autoren Dieser Sommer lässt Fußballherzen höher schlagen: Unzählige Menschen haben das nervenaufreibende Aufeinandertreffen der besten Mannschaften der Welt beim Publi-Kick 2014 verfolgt. Nur die wenigsten wissen, dass eine mafiöse Organisation auch in Südamerika ein Fußball-Turnier veranstaltete. Dem Publizissimus ist das von den hiesigen Medien kaum beachtete Event natürlich dennoch nicht entgangen. Wie die Redaktion dem Pokal-Wahn fröhnte. Matthias Baumarth … hat als Volontär in Berlin den Sprung ins Berufsleben schon hinter sich, das IfP und vor allem den Publizissimus so schnell aber nicht vergessen. Deshalb schreibt er in dieser Ausgabe über MOOCs. Ansonsten ist er glühender Fußballfan, heimlicher Anhänger der schottischen Elf (so ein Pech) und verfolgt Fußballspiele am liebsten mit Freunden in einer Kneipe. Lorenz Harst . . . ist der klassische Vereinsfußballfan während eines internationalen Großturniers. Top informiert aber nur latent interessiert, denn a) sind vom VfB Stuttgart viel zu wenige Spieler dabei und b) wird ihm beim kollektiven Nationalhymne schmettern immer leicht mulmig. Nichtsdestotrotz guckt er mit Freunden fast alles, was nicht bei drei auf‘m Baum ist. Für dieses Heft hat er unter anderem Publizissimus-Preisträger Richard Lemke interviewt, sich mit NSA-Skandal und Heartbleed beschäftigt – und mit den Verwerfungen zwischen IfP und Journalistischem Seminar. JohannesBeckert . . . der C.v.D. a.D. kennt das IfP wie seine Westentasche. Weil er quasi sein eigenes Büro eingerichtet hat, in dem er bei einer Tasse schwarzem Kaffee Hilfesuchenden gerne (Tippspiel-) Ratschläge gibt, immer alemannisch-gewissenhaft und überall dabei ist, soll er bereits als Legende am Institut gelten. So verwundert es nicht, dass er sich neben allen früheren WM-Kadern auch mit der Masterreform bestens auskennt. In seiner Bachelor-Arbeit beschäftigt er sich hingegen mit Scheiße. Pardon, der öffentlichen Meinung in Facebook am Beispiel von Shitstorms. Elisabeth Neuhaus . . . verbringt das aktuelle Semester in Berlin – bislang ohne FanmeilenStippvisite. Meistens zu kalt, immer zu viele Menschen. Die Freude auf die Rückkehr ins beschauliche Rheinhessen mit seinem mediterranen RheinKlima ist dafür umso größer. In dieser Ausgabe hat sie mit einem der beiden „topfvollgold“-Blogger über die bunte Welt der Regenbogenhefte gesprochen, sich mit Buzzfeed und einer antiken Publizissimus-Ausgabe beschäftigt und während den Recherchen für die Journaille das ein oder andere Gläschen Wein getrunken. Publizissimus-Redakteure noch ein Honorare erhalten. +++ Man munkelt, Tooooor! +++ Man munkelt, Deutschland ist Weltmeister! +++ Die 41 autoren Natalie Eichinger . . . ist eine WM-Schauerin wie sie im Buche steht: Nur wenn es um den Meister-Titel geht im Fußballfieber und selbst dann mehr an Trikot-Farben als am Spielverlauf interessiert. Wenn sie nicht gerade mit Spiele-Tippen beschäftigt ist (denn das gehört selbstverständlich auch zur Weltmeisterschaft dazu), schreibt sie an ihrer Bachelor-Arbeit oder sucht verzweifelt nach einem passenden Masterstudienplatz. Mit ihrem Erfahrungsbericht über ihr Praktikum beim Hessischen Rundfunk schreibt sie sich in dieser Ausgabe den Fust von der Seele. Franziska Pröll … studiert Publizistik und Soziologie im sechsten Semester. Dem Publizissimus hält sie seit dem ersten Semester die Treue. Ebenso treu ist sie der deutschen Nationalelf, die sie mal zu Hause, mal beim Public Viewig im obligatorischen Schlaaaaand-Trikot anfeuert. Ihr Favorit: Mats Hummels. Giuseppe Rondinella . . . hat gerade seinen Bachelor in Publizistik gemacht. Seit über 2 Jahren recherchiert er bereits für den Publizissimus Geschichten rund um den Mainzer Campus und analysiert die deutsche Medienlandschaft. Während der Weltmeisterschaft war der Halb-Italiener weniger gut gelaunt. Groß waren anfangs seine Hoffnungen nach dem Sieg gegen England. Dennoch schied Italien noch in der Vorrunde aus. Das Trikot der „Squadra Azzurra“ landete deshalb früher als geplant wieder zurück im Schrank. Für ihn war es eine WM zum Vergessen! Pascal Schneiders . . . gehört als langjähriger Autor und Chefredakteur a.D. quasi schon zum Inventar des Publizissimus. In dieser Ausgabe geht der leidenschaftliche Stromberg-Imitator und Weinkenner von der Mosel auf humoristische Weise dem Bau der Mainzelbahn nach. Deutlich weniger Interesse zeigt der Inhaber des Börsen-Führerscheins an Sport, besonders nach dem Ausscheiden Belgiens: Statt WM-Begeisterung gibt es bei Pascal detaillierte Recherchen und ein wohlverdientes Nickerchen. Umso fiebriger geht er dann der Bachelor-Arbeit und der Frage, ob Facebook eine Wissensillusion erzeugt, nach. Robin Schäfer . . . hat den Abschluss im Beifach Publizistik seit diesem Semester in der Tasche und studierte noch nach alter Studienordnung. Hat den Publizissimus dennoch bis zu dieser Ausgabe verschont. Die WM schaut er am liebsten mit Kommilitonen vom heimischen Sofa auf fettem LCD-TV. Seit einem Auslandssemester in Belgien hält er den „roten Teufeln“ die Treue – trotz durchwachsener Vorrunde. Caroline Wiemann . . . schaut grundsätzlich gerne Fußball – egal ob im Rudel oder daheim in Grüppchen. Warum die WM aber selbst bei den Leitmedien das permanente Thema Nummer 1 sein muss, ist ihr ein Rätsel. Ihr WM-Statement: Berichterstattung gerne, aber doch bitte verhältnismäßig. Caroline studiert Publizistik im Beifach. Hauptberuflich ist sie Theaterwissenschaftlerin im 6. Semester. Man munkelt, die FIFA habe versucht, die Publizissimus-Redaktion zu bestechen. +++ Man munkelt, hohe FIFA-Tiere hätten WM-Sonderseiten Glosse 42 Wir brauchen Google Environment! Von Lorenz Harst Diese App schließt die Lücke zwischen Smartphone und Real Life! Kennt ihr das? Ihr schlendert ganz lässig durch die Fußgängerzone und dann pfeift WhatsApp. Der Rest ist Automatismus: Griff in die Hosentasche (oder, wenn ihr drauf steht, die Känguru-Tasche am Hosenbund), Smartphone raus und schnell das Video geöffnet, das einen dicken Jungen zeigt, der beim Slacklinen auf seine Eier fällt. Das ist in der Tat von so großer Relevanz, dass die Umwelt im Real Life kurz mal warten muss. Mit der Folge, dass ihr in die siebzigjährige Rentnerin vor euch reinlauft, die in der einen Hand eine Krücke und in der anderen eine riesige Einkaufstüte trägt. Auch dann greift wieder ein Automatismus: Blankes Erstaunen, dass man nicht gerade irgendwo in Iowa neben einem dicken Kind steht, das beim Slacklinen auf seine Eier fällt, dabei aber noch das Schmunzeln auf den Lippen, ob dieses herrlichen Fails. Und dann eine gemurmelte Entschuldigung zu der alten Frau, die mittlerweile mit gekrümmtem Rücken nach ihrer Krücke tastet. Und dann schnell ein :-D tippen. Kennt ihr, oder? Ok, dann kommt hier jetzt ein Lösungsvorschlag, der euch das alles wesentlich leichter machen würde: Google Environment. Ist im Prinzip ganz einfach. Ihr macht, was wir alle sowieso alle zwei Tage machen: Ihr ruft euren Playstore auf und ladet euch die Google Environment App runter. Die gibt‘s kostenlos und braucht auch gar nicht viel Leistung, nur eure Google-Kontaktdaten – macht nix, die hat eh schon jeder, inklusive NSA. Und diese App ist es definitiv wert, denn immer, wenn ihr gerade euren Kopf über euer neues Samsung Galaxy S 5 beugt und all das Elend um euch herum ausblendet, schaltet sie sich im Hintergrund ein und scannt eure Umgebung. Wann immer ihr dann Gefahr lauft, mit Menschen in eurer Umgebung zu kollidieren, stößt sie ein schrilles Piepsen aus, das euch aus euren Träumen reißt. Wer mag, der kann auch den Ton ändern und bekommt dann Bru- ce Willis‘ Synchronstimme, die sowas von sich gibt wie: „Augen auf, Schweinebacke! Oma voraus!“ Google wäre aber nicht Google, wenn es euch mit Environment nicht auch noch gleichzeitig ermöglichen würde, euch mit eurer Umwelt zu connecten. Sähe dann ungefähr so aus: Die App durchleuchtet das Smartphone jedes Passanten, den ihr potentiell anrempeln könntet und durchforstet seine WhatsApp-, Facebook- und Google+Konten nach möglichen Anknüpfungspunkten. Ok, bei der siebzigjährigen Rentnerin mit Krücken klappt das Ganze nur bedingt, aber stellt euch vor, ihr seid im Begriff in ein Mitglied des jeweils anderen Geschlechts rein- zulaufen, das auch auf Charts steht, alle Serien von Pro Sieben mag, am Wochenende gerne feiern geht und damit genau in euer Beuteschema passt. Damit ihr zudem noch die Unwägbarkeiten eines Treffens im Real Life umgehen könnt, lädt Environment auch gleich noch die Kontakte des betreffenden Idealpartners in eure Freundeslisten bei Facebook, What’s App und Co. und, schwupps, „Programmiert es!“ Bild: PR habt ihr zudem noch ein Date mit der Liebe eures Lebens. Und auch auf politischer Ebene kann Google Environment ein ganz neues Territorium erschließen. Es ist schließlich klar, dass man von einem Bundestagsabgeordneten der GroKo nicht erwarten kann, dass er jedem Redner unserer auf Bedeutungslosigkeit zurechtgestutzten Opposition zuhört – da sind die neuesten Pushnachrichten auf dem Smartphone im Zweifelsfall natürlich interessanter. Nicht auszudenken allerdings, dass sich einer dieser erlauchten Herren so sehr in einen Artikel vertieft, dass er während der Rede eines Parteigenossen vergisst, immer mal wieder bestätigend zu nicken. Auch da bietet Environment die perfekte Lösung: Man speichert einfach vorher Audio-Samples der Parteifreunde ein. Environment lässt dann jedes Mal das Smartphone oder Tablet vibrieren, wenn einer davon gerade spricht. Man könnte an dieser Stelle noch unzählige andere Vorzüge von Google Environment aufzählen (da wäre zum Beispiel noch ein Lautstärkepegelmesser, der sanfte Elektroschocks verteilt, wenn man im Zug oder Bus mal wieder zu laut telefoniert) aber kein Promo-Artikel kommt aus ohne einen Nebensatz zu den Risiken einer neuen Entwicklung zu verlieren. Da wäre zum Beispiel die Tatsache, dass uns ein solches Produkt (noch stärker als Google+, Latitude oder Facebook…) zu gläsernen Bürgern und letzten Endes zu Sklaven der Maschine macht. Daher hier mein Vorschlag: Stellt euch diesen Artikel einfach als Promo-Video vor und im Hintergrund singt Icona Pop „I don’t care – I love it!“. In diesem Sinne: yolo! gefordert. +++ Man munkelt, Sepp Blatter habe den Redakteuren einen siebenstelligen Betrag geboten. +++ Man munkelt aber, die Redaktion habe sich gegen ein WM-Extra und für ein Publi-Kick-Spezial entschieden. +++ Man munkelt, und das ist auch gut so.