Testbericht lesen

Transcription

Testbericht lesen
Vergleichstest
Audi S7 und Mercedes CLS 500 4matic
Bin
schön da
Ganze Staaten durchqueren Mercedes
CLS 500 4matic und Audi S7 an
einem Vormittag – allradgetrieben,
biturbogeladen, V8-strotzend,
elegant. Alles gleich bei den viertürigen Coupés? Oh nein. ▷
52 / 18.2012
LED it be S7 mit
optionalem VollLED-Licht, CLS mit
Tagfahrlicht-LED
18.2012 / 53
Ohne Makel
Hervorragend
verarbeitetes
Interieur, sperriger Wählhebel,
großer Laderaum
Ohne Not Auf
zwei Einzelsitzen
bleibt Erwachsenen genug
Platz. Ausfahrender Heckflügel
Audi S7: Der Biturbo setzt den V8 unter Druck – und dich
W
ir könnten versuchen, das Wesen
des Audi S7 in seiner Technik zu
ergründen. Könnten über die zwei
Twinscroll-Turbolader im V der Zylinderbänke referieren, über 420 PS und 550 Nm.
Wir könnten erklären, wie clever die Kraft
über das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe und den Allradantrieb an Vorder- und
Hinterachse gelangt. Aber schneller gelingt
es, die Wirkung der Technik zu beschreiben:
Wenn du das Gaspedal des Audi S7 Sportback in den Boden klatschst, patscht der
Horizont gegen die Frontscheibe.
Der Null-Hundert-Sprint erfordert dabei
vom Fahrer etwa dieselbe fahrerische Klasse
wie zum Bedienen eines Aufzugs. LaunchControl. Linker Fuß auf die Bremse, rechter
aufs Gas. Der Achtzylinder wubbert bei 5000/
min. Fuß von der Bremse, und der Zweitonner stemmt sich in 4,5 Sekunden auf Tempo
100. Dabei verbläst er Helden wie Ferrari 360
Modena (4,6 Sekunden), Lamborghini Diablo
SV (4,7) oder Porsche 911 (996) Turbo (ebenfalls 4,7). Es geht dem S7 um Tempo, aber er
verkleidet das elegant in der Form des viertürigen – tja, nennen wir es mal Fastback,
weil die Bezeichnung Coupé nicht so recht
zum Sportback passen mag.
Beim Benz dagegen hat das Marketing so
lange herumgenölt, dass der Begriff des vier-
türigen Coupés heute nicht mehr als Widerspruch, sondern als Karosserievariante verstanden wird. Prinzipiell mag es der CLS
komfortabel – Sportambitionen und jedes
Klischee dazu lebt er nur als 63 AMG aus.
Jetzt tritt er als 500 an, was seit Zeiten des
W 126 als besonders gelungene Kennziffer
im Mercedes-Programm gilt.
Seit Herbst 2010 bescheidet sich der 500
mit 4,7 Liter Hubraum, setzt seine acht Zylinder aber wie der S7 mit zwei Turboladern
unter Druck. Sie plustern den Direkteinspritzer auf 408 PS auf – vor 20 Jahren war solche
Leistung noch dem V12 im 600 SEL vorbehalten. Heute vollbringt sie im CLS eine erhabene Beschleunigung und Zwischenspurts, die
zwar ein paar Zehntel hinter denen des Audi
Sebastian
Renz über
die zwei
Charaktere
„Der CLS
kann auch
mal loslassen,
sich gelassen
fortbewegen.
Dagegen
will der S7
weiter, immer
schneller“
zurückbleiben mögen, was aber nichts an
ihrer schieren subjektiven Vehemenz ändert.
Während der Vierliter im S7 immer etwas
überpotent wummert, belässt es der 500 bei
einem sachten Grundbollern.
Womöglich liegt die gewöhnungsbedürftigste Eigenheit des Audi darin, dass er sich
zuallererst für einen Sportwagen hält. Das
konzentriert seinen Charakter. Er bietet
nicht dasselbe breite Spektrum – vom eiligen
Kontinentenquerer über die gelassene Pendellounge bis zum sportiven Landstraßencarver – wie der CLS. Für 400 PS starke Zweitonner geben sich beide erstaunlich sparsam.
Dabei drängen gerade im Audi Motor, Getriebe und Fahrwerk zur Eile. Die bissig verzögernde, aber giftig ansprechende und schwer
dosierbare Keramikbremse (8250 Euro)
bringt weitere Unruhe in den Fahrfluss.
Der S7 doppelverkuppelt seinen Motor
mit der S-Tronic. Auf schnelle Gangwechsel
getrimmt, schaltet sie zackig, mitunter etwas ruckig durch ihre sieben Gänge. Auf
Schnipser an den Lenkradpaddeln reagiert
die Box sofort, die Elektronik sorgt dabei für
einen kurzen Tupfer Zwischengas. Dagegen
versteht die Siebenstufen-Automatik im CLS
manuelle Eingriffe über Lenkradpaddel nur
als unverbindliche Empfehlungen, lässt sich
davon selten beeindrucken, wandlert lieber
Mercedes CLS: Souverän heißt Kraft nicht immer nutzen
Mit Liebe zum
Detail ist auch
der CLS möbliert.
Unbequemer
Einstieg wegen
flacher Dachlinie
54 / 18.2012
Mit Hilfe der
umklappbaren
Lehnen erweiterter Laderaum. Serie:
Luftfederung
Technische Daten
Fahrzeugtyp
Ein Tapser aufs
Gas, und die
Alleen-Bäume
verschwimmen
förmlich am
Straßenrand
Audi
S7
Sportback
Mercedes
CLS 500
4matic
V/8
V/8
Motorbauart/Zyl.-Zahl
3993
4663
Hubraum
cm3
309 (420)
300 (408)
Leistung
kW (PS)
5500
5000
bei 1/min
600 bei 1600
max. Drehm. Nm bei 1/min 550 bei 1400
Euro 5
Euro 5
Schadstoffeinstufung
225
224
g/km
CO2-Ausstoß
2018/537
1979/446
Leergewicht/Zul.
kg
Länge × Breite mm 4980 × 1911 4940 × 1881
× 1408
× 1416
× Höhe
2914
2874
Radstand
mm
12,2/12,3
11,3/11,2
Wendekreis li./re.
m
535/1390
520/k.A.
Gepäckraum
L/VDA
75
80
Tankinhalt
L
1505/1500
Innenbreite v./h.
mm 1540/1490
1005/930
1000/920
Innenhöhe v./h.
mm
770
710
Normsitzraum
mm
Testwagenbereifungvorn 255/40 R 19 Y 255/35 R 19 Y
hinten 255/40 R 19 Y 285/30 R 19 Y
Bridgestone
Pirelli
Potenza S001
P Zero
Allradantrieb
Allradantrieb
Kraftübertragung
SiebengangSiebengangDoppelkuppautomatik
lungsgetriebe
Beschleunigung
s
1,2
1,7
0 –   40 km/h
3,2
3,8
0 –   80 km/h
4,5
5,1
0 – 100 km/h
6,1
6,9
0 – 120 km/h
6,9
7,9
0 – 130 km/h
10,3
11,4
0 – 160 km/h
12,9
14,3
0 – 180 km/h
16,2
17,8
0 – 200 km/h
12,6
13,3
0 – 400 m
250
250
Höchstgeschw. km/h
Bremsweg
m
34,4
35,7
aus 100 km/h kalt leer
35,4
36,1
aus 100 km/h kalt bel.
34,4
36,4
aus 100 km/h warm bel.
126,0
130,0
aus 190 km/h kalt leer
40
41
aus 100 km/h nass
103
104
µ-split-Bremsweg
12,8
12,7
Testverbrauch L/100 km
8,5
8,4
min. (ams-Verbrauchsrde.)
15,8
15,8
maximal
585
629
Reichweite
km
Superbenzin
NEFZ-Verbrauch L/100 km Superbenzin
13,4
13,4
Stadt
7,5
7,4
über Land
9,6
9,6
gesamt
dB(A)
Innengeräusch
63
63
bei   80 km/h
66
66
bei 100 km/h
67
69
bei 130 km/h
71
72
bei 160 km/h
72
74
bei 180 km/h
Fahrversuche leer/bel.km/h
60,4/60,0
62,4/62,1
Slalom 18 m
137,5/133,3
132,0/128,6
ISO-Wedeltest
VDA-Ausweichgasse
72
72
Einfahrgeschwindigkeit
51
54
Ausfahrgeschwindigkeit
Festkosten
Euro
310,– 322,–
Steuer
350,– 350,–
Haftpflicht
1)
493,–
311,–
Teilkasko
2)
841,–
1025,–
Vollkasko
3)
Unterhaltskst. im Monat
434,– 439 ,–
bei 15 000 km/Jahr Euro 795,–
772,–
bei 30 000 km/Jahr 85 704,–5)
88 150,–4)
Grundpreis
Euro
adapt. Abstandsregelradar 1460,– 2678,–6)
Einparkhilfe vorn und hinten 780,– 869,–
Metallic-Lackierung
950,– 1083,–
Festplatten-Navigationssyst. 2420,– 3118,–
LED-Scheinwerfer
1800,– 1607,–
1)
ohne SB; 2) mit 150 Euro SB; 3) ohne Wertverlust; 4) inkl. Kera5)
6)
mikbremse, inkl. 19-Zoll-Radsatz und Multikontursitze, inkl.
Spurhalte- und -wechselassistent
18.2012 / 55
Biturbos: Drehmomentplateaus jenseits von 500 Nm
nach eigenen Vorstellungen weich und mit
perfektem Timing durch die Stufen. SportModus? Lass mal gut sein.
Weniger Hektik auch bei der elektrohydraulischen Lenkung. Sie reagiert zahmer, bietet aber mehr Rückmeldung als die
sehr direkte, etwas zappelig ansprechende
und leicht synthetisch wirkende elektromechanische Lenkung des S7. Doch auch
die passt zum Charakter des Autos. Ansatzlos wirft sich der Audi in Kurven, vermeidet
Untersteuern mit der heckbetonten Kraftverteilung seines Allradantriebs, bleibt neutral, bis ihn das ESP spät und etwas herb
einbremst. Hervorragende Traktion drischt
ihn dann aus der Kurve heraus. Doch wegen
des hohen Gewichts fühlt sich das meist nur
sehr schnell, selten wirklich dynamisch an.
Mehr als es die geringen Differenzen bei
den Fahrdynamik-Werten erwarten lassen,
unterscheidet sich der CLS vom S7. Auch
der Mercedes umrundet Kurven sehr sicher,
sein Grenzbereich liegt etwas niedriger, und
er wird vom ESP früher und sachter eingebremst. Alle Herausforderungen zum Thema Traktion meistert die 4matic.
Mit seiner serienmäßigen Luftfederung
erlaubt sich der CLS bis auf kleine Unsensi-
Mittendrin Die beiden Turbolader
sitzen im V des Vierliter-Achters
Nebendran Die Turbos sitzen seitlich an den Zylinderköpfen
ergebnisse
Fahrzeugtyp
(Maximalpunktzahl)
Karosserie
Innenmaße
Raumgefühl Kofferraum Zuladung
Funktionalität Instrumente Rundumsicht Zusatzausstattung Qualitätsanmutung Summe
Audi
S7
Mercedes
CLS
(10)
(10)
(15)
(10)
(10)
(10)
(15)
(5)
(15)
(100)
8
7
11
6
8
8
9
5
14
76
7
7
9
3
7
9
8
5
14
69
Sicherheit
Passive Sicherheitsausstatt.
(15)
Aktive Sicherheit (15)
Licht
(10)
Bedienbarkeit (10)
Bremsweg kalt leer (100 km/h) (10)
Bremsw. nass leer (100 km/h) (5)
Bremsw. kalt beladen (100 km/h) (5)
Bremsw. warm bel. (100 km/h) (10)
Verzögerung aus 190 km/h (5)
Pedalgefühl
(5)
µ-split-Stabilität (5)
µ-split-Bremsweg (5)
Summe (100)
13
9
10
8
8
5
3
8
5
3
4
4
80
12
11
10
8
7
5
3
6
4
5
4
4
79
Fahrkomfort
Federung leer (25)
Federung beladen (15)
(20)
Sitze vorn (10)
Sitze hinten
(10)
Klimatisierung Innengeräusch-Messwerte* (10)
(10)
Geräuscheindruck (100)
Summe 20
11
19
7
10
10
8
85
23
13
18
6
9
9
9
87
* Bester erhält volle Punktzahl
56 / 18.2012
Fahrzeugtyp
Audi
S7
Antrieb
Laufkultur (15)
Durchzugskraft (10)
Leistungsentfaltung (5)
Schaltung/Getriebeabstufung (25)
Beschl./Höchstgeschwindigkeit (20)
Testverbrauch (20)
Reichweite (5)
Summe (100)
Mercedes
CLS
14
10
5
22
20
4
3
78
15
10
5
23
17
4
3
77
Fahreigenschaften
Handling (15)
Lenkung (10)
Traktion/Wintertauglichkeit (10)
Geradeauslauf/Windempfindl. (5)
Wendekreis
(10)
Fahrsicherheit leer (25)
Fahrsicherheit beladen (15)
(10)
Fahrdynamik Summe
(100)
Eigenschaftswertung (500)
13
8
10
5
0
24
14
9
83
402
12
9
10
5
2
24
14
8
84
396
(20)
(15)
(10)
(5)
(50)
6
6
3
5
20
6
6
3
4
19
Kosten
Grundpreis* (25)
Ausstattung* (10)
(5)
Aufpreisgestaltung (10)
Wiederverkaufschancen (10)
Festkosten für 5 Jahre* (15)
Wart./Rep. 100 000 km* Kraftstoffkosten 100 000 km* (15)
Garantie (10)
(100)
Summe Gesamtwertung (650)
24
10
4
7
10
15
15
5
90
512
25
10
4
7
10
14
15
5
90
505
1
2
(Maximalpunktzahl)
Umwelt
Minimalverbrauch Emissionsverhalten Leergewicht Stand- und Fahrgeräusch* Summe bilitäten auf kurzen Unebenheiten keine
Schwächen beim bef lissenen Komfort. Der
Sportmodus für die Federung zählt zu den
entbehrlichen Funktionen, weil es damit
deutlich herber und nur unerheblich dynamischer wird. Die vier Modi des ebenfalls
serienmäßig luftgefederten S7 (Normal, Dynamic, Auto und Efficiency) bieten eine
breitere Spreizung, ändern aber wenig an
der grundsätzlich strafferen Abstimmung.
Auf fein gepolsterten, zu hoch positionierten Sitzen vorn und der kurzen Zweierbank hinten beherbergt der CLS Passagiere
bequem, jedoch weniger geräumig als im
S7. Der hat dem Mercedes zudem funktionale Vorteile wie leichteren Einstieg und die
große Heckklappe voraus. Maximal steckt
der Sportback 1390 Liter Gepäck weg – fast
so viel wie ein A4 Avant. Dagegen lässt sich
die tiefe Ladehöhle des CLS schlechter nutzen – schon wegen der kleinen Klappe.
Die praktische Seite des S7 zeigt sich zudem in der besseren Funktionalität und
Rundumsicht sowie der höheren Zuladung
– so verschafft er sich den größten Vorsprung in der Karosseriewertung. In allen
anderen Kapiteln liegen die Kontrahenten
sehr eng beieinander – was nicht heißt, dass
sie sich so ähneln. Es zeigt viel mehr den
hohen Grad ihrer technischen Perfektion
– trotz ihrer verschiedenen Charaktere.
Wobei sich der Hauptunterschied darauf
reduziert: Der CLS kann auch schnell, der
S7 kann nicht langsam.
Text: Sebastian Renz
Fotos: Hans-Dieter Seufert
fazit
1
Audi
Ganz auf Dynamik eingestellt, punktet
der S7 mit agilem Handling und vehementen Fahrleistungen. Zum Sieg verhilft ihm auch sein gutes Platzangebot.
Störend: der große Wendekreis.
2
Mercedes
Im enger geschnittenen CLS drängt
sich der kultiviertere Biturbo mit seiner
enormen Kraft nicht in den Vordergrund. Auch beim Fahrwerk geht es
mehr um Komfort als um Dynamik.