6 Juni 2014
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6 Juni 2014
NR. 33, 6. JUNI 2014 DEUTSCHE AUSGABE Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904 Bosnien-Herzegowina an der WM DIE ERSTEN GEWINNER IRAN DANIEL DAVARIS NEUE IDENTITÄT WM-SCHIEDSRICHTER PERSÖNLICHE GEDANKEN BLATTER BRASILIEN IST BEREIT W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY I N H A LT 6 18 ”Neymar ist der Schüssel zum Erfolg” Júnior war Teil der grossen Seleção der 1980er-Jahre. Im Interview spricht der heute 60-Jährige über seine Liebe zum Klub Flamengo und die Titelchancen des brasilianischen Nationalteams. 25 S epp Blatter: Brasilien ist bereit Der FIFA-Präsident sagt, weshalb die WM 2014 vielleicht das beste Turnier der Geschichte wird: “Wir werden ein grossartiges Fussballfest erleben – dank Brasilien, mit Brasilien, für Brasilien.” 37 Nord- und Mittelamerika 35 Mitglieder www.concacaf.com Bosnien-Herzegowina: Unmöglich ist nichts Noch sechs Tage bis zur Eröffnungsfeier: Zum ersten Mal in seiner jungen Geschichte nimmt auch Bosnien-Herzegowina an einer Fussball-Weltmeisterschaft teil. Das Land ist vom Bürgerkrieg in den 90er-Jahren noch immer gezeichnet. Doris Ladstaetter hat sich in Sarajevo ein Bild gemacht und erzählt die Geschichte der bosnischen Hoffnungsträger. Südamerika 10 Mitglieder www.conmebol.com 14 Portugal Cristiano Ronaldo will trotz Schmerzen im Oberschenkel für den WM-Auftakt gegen Deutschland (16. Juni) bereit sein. F ussballfan Fatboy Slim Der britische Musikstar lässt sich die WM nicht entgehen. Für das Fussballfest nahm Fatboy Slim sogar ein Doppelalbum auf und reist für neun Live-Shows nach Brasilien. 22 Anpfiff Anekdoten und persönliche Gedanken vor dem Turnier: Zehn WM-Schiedsrichter erzählen. Die ersten Gewinner Die Fotomontage auf unserem Titelbild zeigt die Bosnier Asmir Begovic, Edin Dzeko und Zvjezdan Misimovic (v. l.). Alle Aufnahmen sind in einem Hotel in Sarajevo entstanden. Salvatore Vinci / 13 Photo WM-Gruppen A–C Gruppe A The-FIFA-Weekly-App The FIFA Weekly, das Magazin der FIFA, erscheint jeden Freitag neu und in fünf Sprachen – und ist auch auf Ihrem Tablet verfügbar. 2 T H E F I FA W E E K LY Gruppe B Gruppe C Brasilien Spanien Kolumbien Kroatien Niederlande Griechenland Mexiko Chile Elfenbeinküste Kamerun Australien Japan D I E WO C H E I M W E LT F U S S B A L L Europa 54 Mitglieder www.uefa.com Afrika 54 Mitglieder www.cafonline.com Asien 46 Mitglieder www.the-afc.com Ozeanien 11 Mitglieder www.oceaniafootball.com 26 Daniel Davari Bewegende Zeit für den iranischen Nationaltorhüter: Mit seinem Klub Braunschweig ist er abgestiegen, nun folgt das grosse WM-Abenteuer. 35 Ghana Samuel Opoku Nti erzählt im Turning Point, wie ein Tor im Finale der afrikanischen Champions League sein Leben veränderte. WM-Gruppen D–H imago (3), Adrian Bretscher Gruppe D Gruppe E Gruppe F Gruppe G Gruppe H Uruguay Schweiz Argentinien Deutschland Belgien Costa Rica Ecuador Bosnien-Herzegowina Por tugal Algerien England Frankreich Iran Ghana Russland Italien Honduras Nigeria USA Korea T H E F I FA W E E K LY 3 EVERY GASP EVERY SCREAM EVERY ROAR EVERY DIVE EVERY BALL E V E RY PAS S EVERY CHANCE EVERY STRIKE E V E R Y B E AU T I F U L D E TA I L SHALL BE SEEN SHALL BE HEARD S H A L L B E FE LT Feel the Beauty BE MOVED THE NEW 4K LED TV “SONY” and “make.believe” are trademarks of Sony Corporation. UNCOVERED Gelb-grüne Alltagskultur Ein Autofahrer in São Paulo. “A Copa das Copas” D Nacho Doce / Reuters ie WM beginnt vor Wochenfrist, der neue Weltmeister wird am 13. Juli den Pokal stemmen. Und doch steht ein Gewinner bereits fest: das Nationalteam Bos n ienHerzegowinas. Die Mannschaft des vergleichsweise kleinen Verbands hat es fertiggebracht, sich für die Endrunde zu qualifizieren und damit die Ethnien des Staates gemeinsam am WM-Fieber teilhaben zu lassen. Unsere Mitarbeiterin Doris Ladstaetter hat Edin Dzeko, Asmir Begovic, Zvjezdan Misimovic und das Team in Sarajevo getroffen. D aniel Davari, in Deutschland geboren, aufgewachsen und zum Bundesligatorwart gereift, steht im WM-Kader Irans. Wie kam es dazu? Und was rechnet sich der 25-Jährige und das iranische Nationalteam für die WM aus? Roland Zorn hat Davari aufgesucht. D ie WM-Teilnahme ist der grosse Traum – nicht nur eines jeden Fussballspielers. Für die 25 nominierten Schiedsrichtertrios hat sich dieser Traum erfüllt. Vor ihrer Abreise nach Brasilien entlockten wir den Referees persönliche Gedanken dazu. D er Sport soll in den kommenden Wochen in Brasilien im Vordergrund stehen, wünscht sich FIFA-Präsident Blatter in seiner wöchentlichen Kolumne. Denn nirgendwo sei der Fussball so sehr Teil der Alltagskultur wie im Gastgeberland. “Wenn diese Kraft freigesetzt wird, erleben wir die beste WM der Geschichte, A Copa das Copas.” Å Perikles Monioudis T H E F I FA W E E K LY 5 BOSNIEN-HERZEGOWINA Asmir Begovic Torwart, 26 Jahre. Unmöglich ist nichts Warum das Team von Bosnien-Herzegowina bereits gewonnen hat. 6 T H E F I FA W E E K LY BOSNIEN-HERZEGOWINA Miralem Pjanic Mittelfeldspieler, 24 Jahre. Senad Lulic Mittelfeldspieler, 28 Jahre. T H E F I FA W E E K LY 7 BOSNIEN-HERZEGOWINA A Edin Dzeko Stürmer, 28 Jahre. Doris Ladstaetter (Text) und Salvatore Vinci (Fotos), Sarajevo smir Begovic ist bereit. Wenn am 16. Juni im Estadio de Maracanã in Rio de Janeiro mit Lionel Messi der erste Superstar vor seinem Tor aufläuft, wird Asmir es mit jedem seiner 198 Körperzentimeter verteidigen. Für Bosnien-Herzegowina, für sein noch immer verwundetes Land. Asmir Begovic hat gute Chancen, das Duell für sich zu entscheiden: Der 26-Jährige spielt seit fünf Jahren für Stoke City, er gilt als einer der besten Torhüter der Premier League. Wann er bei einem Spitzenklub spielen wird, ist nur noch eine Frage der Zeit. Bosnien-Herzegowina war noch nie an einer Weltmeisterschaft. 22 Jahre alt ist das Land. Die Erinnerung an den Bürgerkrieg, der 1992 auf die Unabhängigkeitserklärung von Bosnien und Herzegowina folgte, quält die Menschen bis heute. Die ethnischen und religiösen Grenzen, die nach Kriegsende 1996 gezogen wurden, hindern viele am Neuanfang. Dazu kommen die wirtschaftlichen Probleme. Im Mai überschwemmten auch noch heftige Regenfälle einen grossen Teil des Landes und raubten einem Viertel der Bevölkerung die Ernte und Einnahmen dieses Jahres. Seit einem Jahr haben die Menschen in Bosnien-Herzegowina wenigstens einen Traum: die Fussballweltmeisterschaft. Sie träumen zu Recht. Nie zuvor hatte Bosnien ein solches Weltklasseteam. Asmir Begovic hütet das Tor. Miralem Pjanic, seit drei Jahren eine der Stützen bei der AS Roma, dirigiert das Mittelfeld und gestaltet das bosnische Spiel. Senad Lulic, der bei Lazio Rom spielt, sorgt für Tempo im Spiel. Zvjezdan Misimovic, der nach Lehrjahren bei Bayern München und Galatasaray heute bei Guizhou Renhe spielt, bringt seine Spielerfahrung ein. Und dann ist da noch Edin Dzeko, Stürmer bei Manchester City, der fast im Alleingang zuerst das bosnische Team zur WM und danach seinen Klub zum englischen Meistertitel gekickt hat. Vom Flüchtlingskind zum Fussballstar Asmir Begovic hat nie in Bosnien gelebt. Doch er hat sein Leben lang mit seinen Eltern Bosnisch gesprochen. Er war immer Bosnier – und gleichzeitig Kanadier und Deutscher. 1987 w urde Asmir Begovic in Trebinje geboren, einer 30 000-Einwohner-Stadt im südwestlichsten Zipfel des heutigen Bosniens, nahe der Grenze zu Montenegro. Eine Stadt von vielen im Vielvölkerstaat Jugoslawien. In der Stadt lebten 8 T H E F I FA W E E K LY BOSNIEN-HERZEGOWINA Xinhua / imago, Infografik: Mirijam Ziegler weitgehend orthodoxe Serben, aber auch muslimische Bosniaken und katholische Kroaten. Asmir Begovics Vater war Torhüter bei FK Leotar Trebinje. Plötzlich geriet diese Ordnung aus ihren Fugen: Jugoslawien zerfiel, Kroatien wurde ein eigenständiger Staat, Bosnien versank im Chaos. Vier Jahre grausamer Krieg zogen ins Land. Aus Trebinje, Asmirs Stadt, wurden die Bosniaken, die muslimischen Bosnier, vertrieben. Dafür siedelten sich dort orthodoxe Serben an, die wiederum aus anderen Landesteilen geflüchtet waren. Was als “ethnische Säuberung” in die Geschichtsbücher einging, veränderte das Leben des kleinen Asmir für immer: Seine Eltern entschieden sich, dieser wahnwitzig gewordenen Welt zu entfliehen. Den Sprung in ein fremdes Land zu wagen, dessen Sprache sie nicht mächtig waren, dessen Sitten sie nicht kannten. Asmir Begovic war vier, als er zum ersten Mal zum Flüchtling wurde. Fünf Jahre lang lebte er in Deutschland. Als er zehn wurde, begann sein Leben zum dritten Mal von vorne: Umzug nach Kanada, neue Sprache, neue Schule, neue Freunde. Was denkt ein Kind angesichts so viel Ungewissheit im Leben? “Es hat mir geholfen, auf der Flucht ein Kind gewesen zu sein”, sagt Asmir Begovic, “da verdrängst du die Gedanken an die zu kleinen Notunterkünfte, die Sorgen um die Existenz. Als Kind gehst du einfach raus und kickst den Ball, wenn es dir zu viel wird. Auf dem Fussballfeld schliesst du Freundschaften und lernst dabei eine neue Sprache. Das war mein Anker. Für meine Eltern war das alles ungleich schwieriger.” Asmir Begovic sitzt im Kurhotel Austria in Sarajevo. Das Team absolviert hier seine Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft. Doch eigentlich kann von Rückzug nicht die Rede sein: Es N CROATIA BRCKO Banja Luka REPUBLIC SRPSKA Tuzla SERBIA Zenica Srebrenica FEDERATION OF BOSNIA AND HERZEGOVINA Mostar Sarajevo Gorazde MONTENEGRO Trebinje Das Daytoner Friedensabkommen hat 1995 zwar den Krieg beendet, gleichzeitig aber die ethnische Teilung des Landes festgeschrieben. Noch heute besteht das bosnische Staatsgebiet aus einer Republik der bosnischen Serben und einer muslimisch-kroatischen Föderation. Der bosnischherzegowinische Fussballverband NFSBIH wurde 1992 gegründet und ist seit 1996 Mitglied der FIFA. Das Nationalteam trägt seine Heimspiele im 18 000 Zuschauer fassenden Bilino-PoljeStadion in Zenica aus. Es wurde 2013 renoviert und ist bei den bosnischen Fans beliebter als das Asim-Ferhatovic-HaseStadion (37 500 Zuschauer) in Sarajevo, das bereits bei der Winterolympiade 1984 als Stadion diente. Letzteres besitzt eine Laufbahn, die nach der Auffassung vieler Fans eine weniger packende Stimmung für Fussballspiele bietet. 27. Mai 2014 Auf dem Weg zur WM: Das bosnische Team am Flughafen von Sarajevo. herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Vor der Absperrung warten Fans, Familienangehörige und die Polizei. Sie alle hoffen auf neue Siege. Jetzt sind sie daran gewöhnt. Mindestens das Erreichen des Achtelfinales heisst das Ziel bei der WM – bosnische Fans sind nicht nur euphorisch, sie sind auch anspruchsvoll. Und die Spieler spüren diesen Druck, sie haben die Latte eigenhändig so hoch gelegt: Die Qualifikation war ein fast makelloser Hürdenlauf, nach dem letzten Spiel gegen Litauen wurden die Spieler bei der A nkunft in Sarajevo nach Mitternacht von jubelnden Massen empfangen. “Bosnische Fans sind etwas ganz besonderes”, sagt Miralem Pjanic, “sie haben uns in einigen Spielen, als wir auf dem Spielfeld nicht mehr daran glaubten, zum Sieg getragen. Da habe ich realisiert, was wir den Fans bedeuten – und sie uns.” Miralem Pjanic zurrt am Reissverschluss der dunkelblauen Shorts vom deutschen Modehaus-Sponsor, für das die Spieler stolz seit Wochen von den wenigen bestückten Plakatwänden in Sarajevo lächeln – Lichtblicke aus Papier für das Volk, während unter den grossen Anschlagtafeln Menschen mit nur einem Bein oder nur einem Arm vorbeikommen. Sie waren die, die wenig Glück im grossen Unglück hatten. Versöhnung im Fussballverband Miralem Pjanic zählt zu den anderen. Er hatte Glück, denn er hatte einen Profifussballer zum Vater, dem gleich nach Kriegsbeginn in Luxemburg ein Job beim FC Monnerich angeboten w urde. So wurde Miralem Pjanic zu einem Luxemburger und spielte im kleinen Land schon als 13-Jähriger in Auswahlmannschaften für 16-Jährige. Als Fan reiste er im Bus von Luxemburg nach Bosnien, um die Länderspiele zu sehen. Mit 17 war Miralem Profi in Frankreich. Dort wollte man den Spielmacher mit dem genialen Ballkontakt unbedingt in der Nationalmannschaft haben – Miralem Pjanic entschied sich für das bosnisch-herzegowinische Team. “In den ersten Jahren gab es immer wieder Probleme, einmal stand der Verband nicht hinter den Spielern, dann war es wieder etwas anderes. Jetzt sind diese Probleme grossteils endlich vorbei”, sagt Miralem Pjanic, “und das ist vor allem Ivica Osim zu verdanken. Er hat unglaublich viel für dieses Team getan.” Ivica Osim ist das Gewissen des bosnischen Fussballs. Trotz seiner 73 Jahre ist der ehemalige Trainer der jugoslawischen Nationalmannschaft – mit der er 1992 von der EM wegen des Kriegsbeginns kurzfristig ausgeschlossen wurde – bis heute nicht müde, die Bosnier zur Einheit zu mahnen. Als es 2008 zu einer Krise zwischen Spielern und dem bosnischen Verband kam und die FIFA und UEFA im April 2011 den bosnischen Verband vorübergehend suspendierten, weil dessen T H E F I FA W E E K LY 9 BOSNIEN-HERZEGOWINA eneralversammlung keine Mehrheit für eine G Statutenänderung – wie sie von der FIFA und UEFA gefordert wurde –, fand, war Ivica Osim der Mann der Stunde. Er brachte Kroaten, Serben und Bosniaken an einen Tisch, man einigte sich auf einen von allen Bevölkerungsgruppen gewählten Präsidenten, der das dreiköpfige Verbandspräsidium ersetzte. Die FIFA und UEFA hoben die Suspendierung wieder auf. “Der Fussball kann ein Land wie Bosnien wieder einen”, sagt Ivica Osim, “unser Nationalteam hat uns sehr geholfen, die ethnischen und religiösen Grenzen ein Stück weit zu überwinden. Diese Spieler wurden im Ausland erzogen, sie haben andere Ideen hinsichtlich des Fussballs und des Lebens. Das ist gut. Sie sind einfach professioneller als alle Spieler, die wir vorher hatten.” Glück zurückgeben Miralem Pjanic hat endlich seine neue Hose im Griff und grinst. In Rom, wo er seit drei Jahren lebt, hat er sich längst in die Herzen der Fans gespielt, wird geliebt wie Lokal-Held Francesco Totti. Wenige Tage vor unserem Besuch im Team-Hotel in Sarajevo wurde er fotografiert, als er eine Apotheke für die Opfer der Flut leerkaufte. Mehr als zwei Millionen Euro verdient Miralem Pjanic “Der Fussball kann ein Land wie Bosnien wieder einen.” Ivica Osim Zvjezdan Misimovic Mittelfeldspieler, 32 Jahre. 10 T H E F I FA W E E K LY bei der AS Roma, wo er gerade für drei weitere Jahre unterschrieben hat. Damit ist er nicht einmal der Grossverdiener unter den bosnischen Spielern – Edin Dzeko bringt es auf über acht Millionen Euro im Jahr. Viel Geld für bosnische Verhältnisse – zurückgeben, lautet daher die Devise. “Ich warte noch ein wenig, bis sich besser abschätzen lässt, wo wirklich Hilfe in den überfluteten Gebieten gebraucht wird”, sagt Miralem Pjanic, “noch ist überall Wasser, es gibt Hilfslieferungen, aber in einem halben Jahr werden diese Menschen wieder vergessen sein. Dann brauchen sie meine Unterstützung.” Auch die anderen Spieler sind in humanitärer Mission unterwegs. Torhüter Asmir Begovic hat vor wenigen Monaten seine eigene Hilfsorganisation gegründet. Sie soll für Kinder in Bosnien und BOSNIEN-HERZEGOWINA Salvatore Vinci (2) England gute Trainingsmöglichkeiten schaffen. “Ich will, dass Kinder, die Ablenkung brauchen, diese im Sport finden. Mir hat das auch unheimlich geholfen”, sagt er. Mannschaftskapitän Emir Spahic, Verteidiger bei Bayer Leverkusen mit kroatischen Wurzeln, Stürmerstar Edin Dzeko, ein muslimischer Bosnier, und Mittelfeldspieler Zvjezdan Misimovic, ein bosnischer Serbe, wurden vom Verband nach Maglaj entsandt. Die Kleinstadt nahe der Grenze zur serbischen Republik war von den Fluten hart getroffen worden. “Der Besitzer unseres Hotels kam auf mich zu und meinte scherzend: ‘Dich kenn, ich doch.’ Dzeko ignorierte er. Dabei kennt den nun wirklich jeder.” Misimovic lacht. Scherze über die ethnische Zugehörigkeit werden auch im Team gemacht. “Ich lache darüber, klar”, sagt Zvjezdan Misimovic, “weil ich denke, dass wir Bosnier ohnehin Kapital aus dem Umstand schlagen sollten, dass in Bosnien drei verschiedene Religionen zusammenleben. Dass die Menschen das nicht endlich anpacken, kann ich nicht verstehen.” Zvjezdan Misimovic wurde in München geboren, ein Teil seiner Familie lebt bis heute in der Gegend von Banja Luka in der serbischen Republik. “Die Fans in den serbischen Gebieten stehen zu normalen Zeiten eher hinter der Mannschaft von Serbien und nicht hinter uns”, sagt Zvjezdan Misimovic, “aber jetzt sind eben nicht normale Zeiten, und das ist gut.” Edin Dzeko will nicht über den Krieg sprechen. Er ist der Star der Mannschaft, der Mann, der die meisten Tore schiesst und sämtliche Torschützenrekorde hält. Ein grossartiger Fussballer. Edin Dzeko war nie ein Flüchtlingskind. Er hat den Krieg an dem Ort miterlebt, an dem damals niemand bleiben wollte: Jeden der 1425 langen Tage, die die bosnisch-serbische Armee seine Heimatstadt Sarajevo belagerte, hat er dort verbracht. Was er an Kriegserinnerungen angesammelt haben mag, erzählte seine Mutter Belma einmal so: “Jedes Mal, wenn Edin raus auf den Fussballplatz ging, hatte ich Angst. Aber ich konnte ihm nicht verbieten zu spielen, er war doch nur ein Kind. Einmal bettelte er darum, rausgehen zu dürfen, aber ich sagte Nein. Wenige Minuten später schlug eine Bombe auf dem Spielplatz ein, viele Kinder starben an diesem Tag.” Hilfe aus dem Ausland Die WM-Qualifikation und die Flut – es waren in der Tat ausgerechnet zwei Ausnahmezustände, die in Bosnien dazu führten, dass Kroaten, Serben und Bosniaken einander wieder ein wenig näher rückten und ethnische Grenzen überwanden. Nachbarn halfen Nachbarn nach 25 Jahren endlich wieder, als die heftigen Regenfälle Mitte Mai die Häuser und Ernten von einem Viertel der Bevölkerung unter Was- Bu ba m a r a – D ie (F u s s ba l l -) Sc hu l e f ü r s L eb en Er hätte gehen können, als alle weg wollten aus Sarajevo. Doch Predrag Pasic blieb. Selbst ein grosses Fussballtalent seiner Zeit, spielte Pasic in der Bundesliga und fast 20 Jahre beim FK Sarajevo. Dort war Kriegsverbrecher und Serbenführer Radovan Karadzic 1991 psychologischer Coach seines Teams: “Ausgerechnet er predigte uns immer Einheit. Was nachher in seinem Kopf passiert ist, kann ich nur ahnen”, sagt Pasic. Während des Krieges wollte der VfB Stuttgart Pasic zurück nach Deutschland holen. Der aber eröffnete mitten im belagerten Sarajevo eine Fussballschule für Jungen aus allen Stadtteilen, verschiedener Religionen und ethnischer Zugehörigkeit. “Ich wollte den Kindern, die im Krieg aufwachsen mussten, zeigen, was für eine bunte Stadt Sarajevo vor dem Krieg gewesen war. Ich wollte ihnen zeigen, was möglich ist im Leben”, sagt Predrag Pasic. Dafür riskierte er fast vier Jahre lang jeden Tag sein Leben. Für viele Jungen wurde die Bubamara-Fussballschule in den Kriegsjah- ren von 1992 bis 1995 eine Schule fürs Leben: Ausserhalb der Schule hassten sich ihre Väter plötzlich, es schossen Scharfschützen auf Menschen, die eine Brücke oder eine Strasse überqueren wollten. Drinnen wurde gekickt, das Miteinander geübt und die Unwichtigkeit ethnischer Grenzen gepredigt. “Wir konnten im Training erkennen, welches Kind stark traumatisiert war. Du läufst anders, wenn du einen lieben Menschen verloren hast”, sagt Predrag Pasic. “Fussball kann einem Kind helfen, einen Schock zu überwinden. Tägliches Training ist eine wunderbare Art der Rehabilitation. Das hätte ich nicht herausgefunden ohne diesen Krieg.” Heute führt Pasic fünf Schulen in allen Teilen des Landes. Der italienische Spitzenklub Inter Mailand hat Pasics Projekte lange Zeit finanziell mitgetragen. Seit dem Besitzerwechsel bei Inter sind die Mitgliedsbeiträge die einzige Einnahmequelle von Pasics Schulen geblieben. Eltern- und mittellose Kinder dürfen die Schule trotzdem kostenlos besuchen. Å Trainieren für morgen Noch träumen sie, bald könnte unter ihnen der Dzeko von morgen sein. Bangen um die Zukunft Predrag Pasic beim täglichen Training in Sarajevo. ser setzten. Mit jedem Spiel, bei dem bosnische Fans in einem Fussballstadion dieser Welt aufeinandertreffen, wird es weniger wichtig, ob der andere ein Kroate, ein Serbe oder ein Bosniake ist. “Es ist traurig, aber es hat einen Krieg gebraucht und die Hilfe von Ländern wie Deutschland, Schweiz, Luxemburg, der USA und Kanada, die unsere Flüchtlinge aufgenommen und zu besseren Menschen gemacht haben”, sagt Ivica Osim nachdenklich, “ohne diese Hilfe hätten wir es nie geschafft, uns für diese Weltmeisterschaft zu qualifizieren.” Senad Lulic war schon zwölf Jahre alt, als er mit seinen Eltern und Schwestern aus einem k leinen Ort bei Mostar in die Schweiz kam. Ein Jahr lang lebte die Familie in einem Flüchtlingsheim in den Schweizer Bergen. “Wir mussten erst Deutsch lernen”, sagt Senad Lulic. Nach einer Lehre als Automonteur begann er erst mit 19 Jahren, Profifussball zu spielen. Seit zwei Jahren spielt er bei Lazio Rom, noch im Sommer soll ein Wechsel zu Juventus folgen. Eine steile Karriere. “Ich war ein Spätzünder im Fussball”, sagt Senad, “aber ich würde alles noch einmal so machen.” T H E F I FA W E E K LY 11 BOSNIEN-HERZEGOWINA Icon SMI / imago, Dado Ruvic / Reuters Im letzten Jahr schoss Senad Lazio Rom zum Pokalgewinn – ausgerechnet gegen den Erzfeind, die AS Roma, bei dem Teamkollege Miralem Pjanic spielt. Es war eine Art Superderby, das die römischen Fans auf beiden Seiten der Fangruppen wochenlang beschäftigte. Senad Lulic wurde zum Kaiser der Lazio Fans. “Sie küssten mir den Fuss, mitten auf der Strasse, das war peinlich”, erzählt er lachend. Gefühlsstürme dieser Art hat er in den Klubs der Schweiz nicht erlebt. Auch sonst ist Senad Lulic ganz der Schweizer. “Ich hatte grössere Schwierigkeiten, mich an die italienischen Sitten zu gewöhnen, als ich vor zwei Jahren aus der Schweiz kam, als damals, als ich von Bosnien in die Schweiz kam,” sagt er, “wenn die hier sagen, wir trainieren um acht Uhr morgens, dann kommen sie um zehn Uhr an.” Senad Lulic scheint noch immer verwundert über so viel Zeitverschwendung. Zuhause, das ist für Senad Lulic die Schweiz. Der Krieg in Bosnien ist längst weit weg: “Klar habe ich Erinnerungen. Krieg ist nie schön, für niemanden. Schon gar nicht für ein Kind. Viele Dinge habe ich vergessen können, die kommen mir nur noch manchmal in den Sinn. Dann versuche ich, nicht daran zu denken”, sagt er. Spielen wollte Senad Lulic trotzdem nur für die bosnische Elf. “Ich habe irgendwann kapiert, dass unser Spiel für die Menschen in Bosnien viel mehr als Fussball ist”, sagt er, “ich habe kapiert, dass wir diese Menschen glücklich machen können in ihrem nicht immer einfachen Leben.” Verantwortung für die Heimat Asmir Begovic erkannte seine bosnische Identität, als er vor drei Jahren zur Beerdigung seines Grossvaters, den er nie kennengelernt hatte, nach Bosnien reiste. “Ich traf meine Verwandten in Bosnien, ich konnte ihre Wunden spüren, die Jahre, die ich nicht erlebt hatte. Danach wusste ich, dass ich für Bosnien spielen wollte.” Dann steht er auf. In wenigen Stunden wird das Team den Flug über den grossen Teich antreten und bei dieser Weltmeisterschaft die Würde eines Volkes vertreten, das den verheerendsten Krieg in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg überlebt hat. Doch zuvor sagt Asmir Begovic in kanadisch gefärbtem Englisch noch einen wichtigen Satz: “Wir spielen nicht für Geld. Wir tun das, weil, wann immer wir hier durch die Strassen laufen, wir unsere Verantwortung spüren. Hier kommen wildfremde Menschen auf mich zu und sagen: ‘Tu es für die Menschen.’ Das ist eine grossartige Motivation.” Es ist nicht wichtig, wie weit die bosnische Mannschaft bei der Weltmeisterschaft in Brasilien kommen wird. Was zählt, ist, dass sie trotz aller Widerstände in Brasilien dabei ist. Dass diese Spieler die neuen Vorbilder der jungen Bosnier sind. Das ist schon ein Sieg. Å 30. Mai 2014 Und noch ein Tor: Dzeko trifft auch im Freundschaftsspiel gegen die Elfenbeinküste in St. Louis, Missouri. 15. Oktober 2013 Bosnien hat sich für die WM qualifiziert. Endlich dürfen die bosnischen Fans in Sarajevo jubeln. Alle 64 Spielberichte in der Gebärdensprache Sololäufe, Tore, Emotionen: Auf FIFA.com verpassen Sie während der WM nichts. Neben den aktuellen Berichterstattungen sind alle 64 Spiele in einer zweiminütigen TV-Zusammenfassung online abrufbar. Die Website bietet zudem den Service an, dass sämtliche Spielberichte in der Gebärdensprache zu sehen sind – dies jeweils sechs Stunden nach Schlusspfiff. Produziert wird im hauseigenen Fernsehstudio in Zürich. → http://www.fifa.com T H E F I FA W E E K LY 13 WM-CAMP Por tugal Bento beruhigt häppchenweise Mexiko und Irland geschont werden, dann aber beim WM-Auftakt gegen Deutschland am 16. Juni spielen. Er selbst beteuerte: “Ich glaube, dass ich dann in bester Verfassung sein werde.” In Portugal wird seither jeden Abend im Fernsehen debattiert. Alan Schweingruber ist Paulo Bento ist ein ruhiger Mensch. Ihn bringt so schnell nichts aus der Fassung. Trotzdem ist es beachtlich, wie geduldig und bedacht Portugals Nationalcoach in diesen Tagen agiert. Vor allem, wenn es um Superstar Cristiano Ronaldo geht – nicht gerade die einfachste Personalie –, findet er immer wieder neue Ansätze bei Stellungnahmen. “Ich muss alles in Betracht ziehen”, sagte der 44-Jährige. “Eine WM mit und eine WM ohne Ronaldo.” Als er einen Tag später – nach dem müden 0:0-Test gegen Griechenland – nochmals in die Ecke gedrängt wurde, meinte er nur: “Wir haben keinen Stichtag festgelegt, wann Ronaldo wieder trainiert. Er muss sich fit fühlen und ist auch nur ein Mensch.” Es ist sein schmerzender Muskel im Oberschenkel, auch das Knie tut dem Weltfussballer seit dem Champions-League-Finale mit Real Madrid weh. Als sich das portugiesische Team letzten Montag in Lissabon in den Flieger begab – es bestreitet bis zum 11. Juni ein Trainingscamp in den USA –, waren dann die Prognosen doch einigermassen akzeptabel: Ronaldo soll bei den Testspielen gegen Das erinnert ein wenig an die WM-Vorbereitung aus dem Jahr 2002. Damals reiste Portugal mit einem ausgelaugten Madrider Spielmacher und Champions-League-Sieger Luís Figo ans Turnier nach Korea /Japan. Die Hoffnung im Land mit zehn Millionen Einwohnern war gross – doch mit einem halb fitten Chef im Mittelfeld schied Portugal bereits in der Vorrunde aus. Gut bleiben den Portugiesen bei dieser Turnierausgabe wenigstens die Diskussionen um die Aufstellung erspart. Denn an Bentos konservativen Stil hat sich das Land längst gewöhnen müssen. Seit er im Amt ist, also seit dreieinhalb Jahren, hat sich die Stammelf kaum verändert. Bentos grösster Erfolg ist die Europameisterschaft vor zwei Jahren. Da schaffte es sein Team ins Halbfinale, das Spanien erst im Elfmeterschiessen gewann. In der ehemaligen Kolonie Brasilien, wo heute noch schätzungsweise sechs Millionen Portugiesen leben, will Bento nun an den Sommer 2012 anknüpfen. Verbal hat er schon mal ein nächstes Häppchen parat: “Portugal ist auch in der Vergangenheit mit dem besten Spieler der Welt zu einem WM-Turnier gefahren – und hat den Titel nicht gewonnen. Weshalb sollten wir nun mit Ronaldo Favorit sein?” Å Der Superstar und sein Chef Cristiano Ronaldo will bald fit sein, Coach Paulo Bento beschwichtigt derweil die Nation. Hoffnungsträger Costa Ricas Stürmer Bryan Ruiz. Costa Rica Hiobsbotschaft am Verdauen Sven Goldmann ist Fussball experte beim “Tagesspiegel” in Berlin. Es war der Mannschaftsarzt, der dem Cheftrainer die unangenehme Mitteilung machte. Costa Ricas Nationalmannschaft widmete sich gerade den letzten Vorbereitungen für den Abflug ins Trainingslager in Florida, da suchte Dr. Alejandro Ramírez das klärende Gespräch mit Jorge Luis Pinto. Am Ende der Unterredung stand die Erkenntnis: Álvaro Saborío wird für die Weltmeisterschaft in Brasilien ausfallen. Der stechende Schmerz, den der Stürmer nach einem Zweikampf im Training beim Auftreten verspürt hatte, stellte sich bei einer näheren Untersuchung als ein Bruch des fünften Knochens im Mittelfuss heraus. “Álvaro muss nicht operiert werden, aber es dauert vier Wochen, bis die Verletzung verheilt ist”, sagte Mannschaftsarzt Ramirez. “Er wird nicht mehr rechtzeitig fit für die WM.” Álvaro Saborío ist nicht irgendein Spieler, er ist der mit Abstand torgefährlichste Stürmer Costa Ricas. Der 32-Jährige von Real Salt Lake aus der Major League Soccer hatte in der Qualifikation für Brasilien 8 von 27 Toren seiner Mannschaft erzielt – so viele wie kein anderer. “Das ist schon ein schwerer Schlag für die Mannschaft”, sagte Trainer Pinto. 14 T H E F I FA W E E K LY imago Redakteur bei The FIFA Weekly. WM-CAMP “Álvaro ist nicht nur ein hervorragender Stürmer. Er ist auch eine unserer Führungspersönlichkeiten. Es wird nicht einfach sein, ihn zu ersetzen.” Das Problem ist, dass Costa Rica nicht unbedingt gesegnet ist mit Angreifern, die verlässlich das Tor treffen. Die Defensive mit dem grossartigen Torwart Keylor Navas von UD Levante steht hervorragend, aber in der Offensive hakt es zuweilen. Die Last im Angriff liegt jetzt vor allem auf Bryan Ruiz. Der rechte Flügelstürmer hatte sich in der Premier League beim FC Fulham nicht richtig durchsetzen können, war zuletzt an den PSV Eindhoven ausgeliehen und dort in der Rückrunde in 14 Spielen immerhin zu 5 Torerfolgen gekommen. Ausserdem hofft Trainer Pinto auf Joel Campbell. Auch er hat einen Vertrag in der Premier League, verdingte sich zuletzt aber als Leihspieler bei Olympiakos Piräus, wo er im Achtelfinale der Champions League als Torschütze gegen Manchester United glänzte. Beim vorletzten Testspiel in Tampa Bay gegen Japan spielten die Costa Ricaner eine Halbzeit lang sehr gut auf und lagen durch ein Tor von Bryan Ruiz auch 1:0 in Führung. Danach aber passierte nicht mehr viel, und das Spiel ging noch 1:3 verloren. Nach einem abschliessenden Test in Florida gegen Irland reist die Mannschaft dann weiter in ihr brasilianisches Camp nach Santos, wo sie sich auf das erste WM-Spiel in Fortaleza gegen Uruguay vorbereitet. Die weiteren Gegner in der wohl schwersten Vorrundengruppe heissen Italien und England. Interessanterweise hält Italiens Trainer Cesare Prandelli die Costa Ricaner für den schwersten Gegner. Warum? “Weil wir so wenig über sie wissen”, sagt Prandelli. Å Kleinhacken und weichkochen Der Schweizer WM-Koch Emil Bolli weiss, dass Erfolg durch den Magen geht. Schweiz Das WM-Rezept Kevin C. Cox / Getty Images, Marco Zanoni Thomas Renggli ist Autor bei Die Defensive von Costa Rica steht hervorragend, aber in der Offensive hakt es. The FIFA Weekly. “When in Rome, do as the Romans do”, lautet ein gängiges Rezept, um in einem fremdem Land so schnell wie möglich mit den lokalen Gepflogenheiten in Kontakt zu kommen und interkulturelle Brücken zu bauen. Kulinarisch könnte dies bei den WM-Mannschaften in Brasilien allerdings zu diversen Unpässlichkeiten führen. Feijoada, das brasilianische Nationalgericht mit Würstchen, Zunge, Schweineohren und (sehr vielen) Bohnen, findet sich in keinem Ratgeber für Sportlernnahrung. So verzichtet Emil Bolli, der Koch der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft, in seinem WM-Schlachtplan auf brasilianische Experi- mente. “Es geht darum, die Verdauung der Spieler stabil zu halten”, sagt er zu seiner kulinarischen Strategie. Bolli serviert fett armes, kohlenhydratreiches, vitamin- und mineralsalzhaltiges Essen. Dabei hält er sich an simple Vorgaben: “Kein Fleisch kurz vor dem Spiel. Keine schwer verdaulichen Fette, und auch beim Zucker gilt es, Mass zu halten.” Wie auf dem Spielfeld ist auch am Esstisch das Timing von grösster Wichtigkeit. Die Schweizer Spieler müssen exakt vier Stunden vor dem Kickoff essen. Dabei variiert das Menü je nach Anspielzeit. Findet die Partie am Nachmittag statt, wird zur Hauptspeise meistens Pasta mit Tomaten- oder Fleischsauce serviert – davor eine Gemüsesuppe, danach Apfelkuchen. Für Abendspiele kommt als Vorspeise zum Beispiel auch Trockenfleisch in Frage. Wird später a ngespielt, holt Bolli zuweilen auch K alb- oder Hühnerfleisch aus der Vorratskammer. T H E F I FA W E E K LY 15 emirates.com Tomorrow brings us all closer To new people, new ideas and new states of mind. Here’s to reaching all the places we’ve never been. Fly Emirates to 6 continents. WM-CAMP Für die Fussball-Köche ist die WM im fünftgrössten Land der Erde eine logistische und organisatorische Herausforderung. In Manaus beispielsweise erfordert das Dschungelklima besondere Vorkehrungen. Bei den erwarteten Temperaturen von über 30 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von rund 80 Prozent ist die Haltbarkeit von Esswaren besonders schwierig. Um allen Eventualitäten vorzubeugen, bringt Bolli aus der Schweiz Schokolade, Milchgetränke, Gewürze, Birchermüesli und Gerste sowie eigene Pfannen mit. Als zweite Köchin begleitet ihn seine Tochter Andrea – vor Ort unterstützen ihn zwei brasilianische Küchenhilfen. Schon seit 18 Jahren steht Emil Bolli bei der Schweizer Nationalmannschaft am Herd. Dabei begann seine Karriere mit schwer verdaulicher Kost – Ende August 1996 mit der epochalen 0:1-Niederlage in Aserbaidschan. Sportlich hatte dies eine ähnliche Wirkung wie der Konsum einer grosser Portion Feijoada 30 Minuten vor dem Kickoff zum ersten WM-Spiel. Eine nachhaltige sportliche Magenverstimmung handelte sich damals allerdings nur der Schweizer Trainer Rolf Fringer ein. Å “Wir werden alles tun, damit Neymar und Co. erst in ihrem zweiten Match ihre Stärken ausspielen können.” Ivan Rakitic Bayern München überragend. Nur im Finale gegen Atlético war der schmächtige Spielmacher unauffällig. Oder Ivan Rakitic. Als Kapitän Europa-League-Sieger mit dem FC Sevilla. Was gerüchteweise auch schon Begehrlichkeiten bei beiden Madrider Grossklubs geweckt hat. Ivica Olic und Ivan Perisic liessen in Deutschland VfL Wolfsburg bis zum Schluss von einem Champions-League-Platz träumen. Oldie Olic erlebt aktuell seinen dritten Frühling, fühlt sich “so gut wie zu meiner Bayern- Zeit”. Auch Perisic explodierte 2014, nachdem er das gesamte Vorjahr die 8-Millionen-Euro-Ablöse an Borussia Dortmund nie gerechtfertigt hatte. Erstmals traf er in drei aufeinanderfolgenden Ligapartien. Im letzten Spiel machte er als Kunstschütze von sich reden: Mit einem einzigen Schuss dreimal ans Aluminium geklopft – Stange, Latte, Stange. Kroatien Üben für den perfekten Tag Andreas Jaros ist freier Autor und lebt in Wien. imago Nicht daheim und doch zu Hause: Die kroatische Nationalelf hatte für die Vorbereitung auf ein Grossereignis einmal mehr im Kurort Bad Tatzmannsdorf eingecheckt, 75 Minuten von Wien entfernt. Die Österreicher wussten, was sie ihrem Ruf als inoffizieller Weltmeister im Camp-Organisieren schuldig sind, und fuhren das volle Programm auf: Der Landeshauptmann des Burgenlandes reiste an, Kinder standen Fähnchen schwingend Spalier, die Musik dröhnte, die Torte war mit dem süssesten Zuckerguss dekoriert: “Good Luck for Brasil”. Jeder nur erdenkliche Wunsch wurde dem WM-Dritten von 1998 eine Woche lang erfüllt: In einer Saunakammer der Therme konnten sogar die klimatischen Verhältnisse von Brasilien simuliert werden. Die Kroaten können das Eröffnungsspiel gegen Brasilien am 12. Juni in São Paulo gar nicht erwarten. “Klar ist, dass wir einen perfekten Tag brauchen”, ahnt Rakitic. Über die Taktik wollte der gebürtige Schweizer – funkelnder Ohrstecker, blonde Mähne, Sonnyboy-Aura – nicht reden: “Ich werde einen Teufel tun und unsere Marschroute verraten”, grinste er. “Aber eines kann ich versprechen: Wir werden alles tun, damit Neymar und Co. erst in ihrem zweiten Match ihre Stärken ausspielen können.” So etwas wie Nervosität kam in Bad Tatzmannsdorf nur auf, als wegen eines angeblichen Spions bei den Trainingseinheiten die Polizei handeln musste. Der fortgejagte deutsche Kiebitz hätte im Auftrag des deutschen Teamchefs des zweiten Gruppengegners Kamerun, Volker Finke, aufgetaucht sein können, vermuteten die K roaten. Die Aufregung um den Spion schaffte es in Österreichs grösstem Kleinformat sogar auf Seite 1. Å Ambitioniert Das kroatische Team – hier im Camp in Österreich – will es Brasilien am 12. Juni schwer machen. Für das Feelgood-Ambiente sorgten aber auch die Spieler selbst. Einige der Offensivkünstler haben eine grossartige Klubsaison hinter sich. Real Madrids Luka Modric war im Halbfinale der Champions League auswärts beim 4:0 gegen T H E F I FA W E E K LY 17 Name Leovegildo Lins da Gama Júnior Geburtsdatum, Geburtsort 29. Juni 1954, João Pessoa (Brasilien) Stationen als Spieler Stationen als Trainer CR Flamengo, Corinthians Brasilianisches Nationalteam 88 Einsätze, 8 Tore 18 T H E F I FA W E E K LY IPA Photo / Imago CR Flamengo, Torino, Pescara DAS INTERVIEW “Ich wurde geboren, um für Flamengo zu spielen” Leovegildo Lins da Gama Júnior – kurz Júnior – war Teil des Dream-Teams der brasilianischen Nationalmannschaft der 1980er-Jahre. Der heute 60-Jährige spricht über die Liebe seines Lebens, die Aussichten der aktuellen Seleção und seine Karriere als Sänger. Das Wichtigste zuerst: Wer stemmt am 13. Juli den WM-Pokal in die Höhe? Júnior: Da gibt es nur eine Antwort: Brasilien! Wer könnte das Ziel gefährden? Nach der Leistung am Konföderationen- Pokal ist die Seleção ganz klar der erste Anwärter auf den Titel – gefolgt von Argen tinien, Deutschland und Spanien. Ein Erfolg der Seleção würde die Stimmung sicher positiv beeinflussen ... … definitiv – und worauf wir alle hoffen, ist das Erreichen der Hexa, der Gewinn des sechsten Titels. Das ist eine nationale Herzensa ngelegenheit. Wer etwas mit Fussball zu tun hat, ist sozusagen dazu verpflichtet, der Seleção nur das Beste zu wünschen. Sie spielten zweimal an einer WM-Endrunde: 1982 und 1986. Die Mannschaft von 1982 galt mit Zico, Sócrates und Falcão als Dream-Team. Weshalb reichte es trotzdem nicht für den Titel? Das Schlüsselereignis war das 2:3 gegen Italien in der Zwischenrunde. Es war eine jener Episoden, die zeigen, wie unberechenbar Fussball sein kann. Diese Niederlage ist für uns noch heute schwer fassbar. Wir waren im Abschluss nicht effizient, besassen aber ausgezeichnete Chancen – vor allem die Kopfballmöglichkeit von Oscar in der 89. Minute. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Italien bot gegen uns die beste Leistung des Turniers. Und dann haben wir auch individuelle Fehler begangen. Der Fehlpass von Cerezo vor dem zweiten Gegentreffer – oder als ich auf der Torlinie stehen blieb und damit das Abseits beim dritten Gegentreffer aufhob. Ihre damalige Taktik wirkt rückblickend ein wenig unbedacht. Brasilien stürmte beim Stand von 2:2 bedingungslos, obwohl ein Unentschieden fürs Weiterkommen gereicht hätte. Mit dem heutigen taktischen Wissen würden wir zwar offensiv spielen, die Italiener würden aber kaum schon in ihrer Hälfte auf Manndeckung setzen. Das Pech schien Ihnen an WM-Turnieren an den Füssen zu kleben. 1986 unterlagen Sie im Viertelfinale Frankreich im Penaltyschiessen … Pech ist das richtige Wort für diese Niederlage. Wir spielten gut, besassen grosse Möglichkeiten. Doch wieder stand uns die fehlende Effizienz im Weg. Zico verschoss in der 75. Minute gar einen Elfmeter. Was unterscheidet die damalige Generation von den späteren Weltmeisterteams (1994, 2002)? Für mich war die entscheidende Differenz die individuelle Klasse in den Schlüsselphasen. 1994 hatten wir Romário und Bebeto, die über sich hinauswuchsen und die Mannschaft bis ins Finale führten. 2002 übernahmen Rivaldo und vor allem Ronaldo – mit zwei Toren im Endspiel – diese Rolle. Wer könnte Brasilien in diesem Jahr zum Titel führen? Neymar! Er ist der Schlüssel zum Erfolg – obwohl er erst 21 Jahre alt ist. Aber Pelé war bei seinem ersten Triumph sogar vier Jahre jünger. Sie waren Verteidiger – mit ausgeprägtem Offensivdrang. Muss man einen jungen Brasilianer dazu zwingen, in der Abwehr zu spielen? (Lacht) Der Offensivdrang scheint den meisten Brasilianern tatsächlich angeboren. Aber ich erinnere mich, dass wir auch Epochen mit guten Verteidigern oder Torhütern hatten. Heutzutage setzen die Trainer den taktischen Freiräumen Grenzen. Brasilien spielt nicht mehr so “brasilianisch” wie früher. Pelé wählte Sie unter die besten 125 noch lebenden Fussballer. Was bedeutet Ihnen das? Für mich ist das die höchste Ehre, die ein professioneller Fussballspieler erhalten kann. In Europa spielten Sie für Torino und Pescara, Ihr Name ist aber vor allem mit Flamengo verbunden. Was bedeutet Ihnen der Klub? Flamengo bedeutet mir alles. Fast zwanzig Jahre meines Lebens habe ich dort verbracht. Als Spieler, Trainer und Technischer Direktor. Dort wurde ich sowohl als Mensch wie auch als Spieler erwachsen. Mit meinen 874 Partien bin ich Rekordspieler. Bei den grössten Erfolgen war ich dabei: Vier brasilianische Meistertitel, sechs Staatsmeisterschaften von Rio und ein Copa-Libertadores-Sieg. Und dann der grösste Titel überhaupt: der Weltpokal 1981 gegen Liverpool. Hätten Sie ein Angebot von Fluminense angenommen? Nein – nie. Ich wurde geboren, um in Brasilien nur für Flamengo zu spielen. Weltmeister wurden Sie im Beachsoccer – gleich viermal. Ausserdem gewannen Sie jedes Mal den Titel des Torschützenkönigs. Sind Sie ohne Fussballschuhe also noch besser? Die Phase des Beachsoccer war wohl eine der besten in meinem Leben. Am Strand habe ich die Grundlagen des Spiels gelernt – mit neun Jahren habe ich an der Copacabana begonnen. Als sich der Beachsoccer zu etablieren begann, sah ich die Möglichkeit, bei der Weiterentwicklung mitzuhelfen. Ich spielte mit grosser Freude – und genoss vor allem auch das Reisen durch die ganze Welt. Und dann war da noch ihr Abstecher ins Showgeschäft – als Sänger. Ihre Single “Voa Canarinho” verkaufte sich vor der WM 1982 über 800 000-mal. Dürfen sich Ihre Fans auf weitere Songs freuen? “Voa Canarinho” war für mich eine schöne Möglichkeit zum Einstieg in die Musik. Es war eine eingängige Melodie mit einfachem Text, der von der Seleção handelte. Der Erfolg des Songs wurde durch die Auftritte der Nationalmannschaft gefördert. Bis heute ist die Musik eine meiner Leidenschaften. Ich singe immer noch, jetzt in einem sozialen Projekt, das ich in Rio de Janeiro organisiere. Die Zuschauer bezahlen Eintritt für unsere Konzerte. Mit diesem Geld finanzieren wir Nahrungsmittel, die wir an fünf Hilfsorganisationen verteilen. Das Projekt heisst “Samba da Sopa”. Å Mit Júnior sprachen Thomas Renggli und Manuel Rieder T H E F I FA W E E K LY 19 First Love 20 T H E F I FA W E E K LY Obie Oberholzer/laif O r t: P rov i n z Te te, Mosa mbi k Datum: 8. September 2013 Z e it : 9. 4 3 U h r T H E F I FA W E E K LY 21 C O U N T D O W N B R A S I L I E N 2 0 14 : N O C H 6 T A G E Anpfiff Sie agieren meist im Hintergrund, doch sind sie ein unverzichtbarer Teil einer erfolgreichen Weltmeisterschaft: die Schiedsrichter. Hinter den Männern mit der Pfeife steckt aber mehr als nur ein strenger Referee. Sarah Steiner und Giovanni Marti A lle Augen sind während der WM auf die 32 Nationalteams gerichtet, die während vier Wochen versuchen werden, den begehrten Titel zu gewinnen. Der Weg dahin führt über maximal sieben Spiele. Während des gesamten Turniers werden insgesamt 64 Partien ausgetragen. Diese gilt es zu leiten, und genau hier kommen die Akteure ins Spiel, von denen meistens nur dann gesprochen wird, wenn sie Fehlentscheide gefällt haben: die Referees. Eine WM ist ohne sie nicht vorstellbar. Sie sind es, die für Recht und Ordnung auf dem Platz sorgen, die das Fair Play überwachen und den Spielfluss massgeblich mitprägen. Unter dem Motto “Die besten Referees für den grössten und wichtigsten Sportanlass der Welt” hat die FIFA in einem dreijährigen Auswahlverfahren 25 Schiedsrichtertrios auserkoren. In Seminaren wurden diese vorbereitet und in wichtigen Punkten wie dem Schutz der Spieler und des Spiels, Kohärenz und Einheitlichkeit, dem Lesen des Spiels und dem Verstehen von Spielern- und Team- Mentalitäten geschult. Ein besonderes Augenmerk wurde auf die Positionierung gelegt, denn nur ein gut positionierter Schiedsrichter kann Situationen antizipieren und beurteilen – vor allem in den sogenannten Grauzonen wie dem Strafraum. Massimo Busacca, Chef der FIFA-Schiedsrichterabteilung, ist sich sicher: “Wir haben die besten ausgewählt und sind überzeugt, dass sie die Qualität abliefern werden, die wir anstreben.” In Brasilien wird den Offiziellen zudem zum ersten Mal die Torlinien-Technologie und der Markierungsspray als Hilfsmittel zur Verfügung stehen. Å “Die Menschen nennen uns ‘Kiwis’, aber wissen Sie eigentlich, warum? Zu Hause essen wir natürlich die Kiwifrucht, aber der Kiwi ist auch unser Nationalvogel. Viele Leute ausserhalb Neuseelands kennen nur die Frucht. Ich bin sehr stolz darauf, die ‘Kiwis’ während der WM zu repräsentieren und werde mein Bestes geben.” Yuichi Nishimura Japan *17. April 1972, Schiedsrichter “Meine Sportschüler geben mir Feedbacks zu meiner Leistung auf dem Platz. Sie diskutieren mit mir die Entscheide und fragen mich, warum ich in einer bestimmten Situation auf Elfmeter entschieden habe – oder eben nicht. Sie sind sehr stolz, dass einer ihrer Lehrer als Schiedsrichter an die WM fährt.” Benjamin Williams Australien *14. April 1977, Sportlehrer 22 T H E F I FA W E E K LY “Vor jedem Spiel nehme ich meinen Ring ab und küsse ihn viermal zu Ehren der vier Frauen in meinem Leben: meiner Mutter, meiner Frau und meiner zwei Töchter.” Sandro Ricci Brasilien *19. November 1974, Beamter foto-net Peter O’Leary Neuseeland *3. März 1972, Lehrer “Viele Leute haben mich während meiner Vorbereitung auf die WM unterstützt. Während jedem Spiel, das ich leite, werde ich ihnen den Anpfiff widmen und mich so für ihre Hilfe bedanken.” C O U N T D O W N B R A S I L I E N 2 0 14 : N O C H 6 T A G E → http://www.fifa.com/worldcup “Meine jüngeren Schiedsrichterkollegen vergleichen mich gerne mit einem HollywoodStar — doch leider nicht mit einem gut aus sehenden! Sie sagen, ich sehe aus wie Shrek. Das erklärt auch, warum ich ein Bild von ihm als Bildschirmschoner auf meinem Mobil telefon habe.” “Ich liebe den Fussball in all seinen Facetten. Ein gutes Fussballspiel zu schauen, ist genau so gut wie ein gutes argentinisches Barbecue mit Freunden und mit ihnen fantastisches argentinisches Fleisch zu teilen.” Néstor Pitana Argentinien *17. Juni 1975, Sportlehrer Howard Webb England *14. Juli 1971, Polizist “Ich bin so stolz, weil ich der erste Schieds richter bin, der Serbien nach einer langen Durststrecke an einer Weltmeisterschaft repräsentieren darf. Ich möchte alles für mein Land geben.” “Ich versuche, vieles vom Ingenieurwesen ins Schiedsrichteramt zu übertragen – und umgekehrt. So ist meine Mentalität, so ist meine Art zu arbeiten.” Carlos Velasco Carballo Spanien, *16. März 1971, Ingenieur Milorad Mazic Serbien *23. März 1973, Direktor in der Fleischindustrie “Ich habe das Glück, dass ich mich seit dem letzten Jahr ausschliesslich dem Schiedsrichteramt widmen kann. Die andere Seite meines Lebens war die Mathematik. Ich war 17 Jahre lang Mathematiklehrer an einer High School.” Mark Geiger USA *25. August 1974, Schiedsrichter “In meinem Land gibt es einen lokalen Sport, der unter dem Namen Buri bekannt ist. Es ist mehr oder weniger wie Wrestling. Ich bin darin nicht wirklich gut, aber ich liebe es, diesen Sport als Hobby auszuführen.” Bakary Gassama Gambia *10. Februar 1979, Geschäftsmann Der Weg nach Brasilien Der Auswahlprozess der WM-Schieds richter begann 2011 mit der Auswahl der 52 besten Referee-Teams nach der KlubWM in Japan. In insgesamt 19 Seminaren wurden sie intensiv auf ihre Aufgabe vorbereitet und mussten Prüfungen in Fitness, Theorie und Matchanalyse absolvieren. Am 14. Januar 2014 hat sich die FIFA für die 25 Schiedsrichtertrios und 8 Supportduos entschieden, welche die Spiele der Weltmeisterschaft in Brasilien leiten sollen. Während des Turniers erfahren die Schiedsrichtertrios 48 Stunden vor Anpfiff, welches Spiel sie leiten werden. Der Entscheid wird von der Schieds richterabteilung und Mitgliedern der Schiedsrichterkommission gefällt. Informationen zu allen Schiedsrichtern: Fifa.to/1wxZ1HA T H E F I FA W E E K LY 23 DEBAT T E Von der 0:0-Gefahr Wehende Fahnen Die Eröffnungszeremonie an der WM 2010 in Johannesburg. Der Kickoff in São Paulo löst das globale Fussballfieber aus. Doch an einem WM-Turnier kommt das Beste nur selten zuerst. G rösser als die Vorfreude auf eine WM ist in der Regel der Druck, der auf dem Heimteam lastet. Dies erfuhr die süd afrikanische Mannschaft vor vier Jahren in Johannesburg am eigenen Leib. Das 1:1 zum Turnierstart gegen Mexiko liess sich nur durch viel Fantasie mit a frikanischer Leichtigkeit und Lebenslust in Verbindung bringen. “Am Anfang war meine Mannschaft sehr beeindruckt von dem Ambiente”, sagte Nationaltrainer Carlos Alberto Parreira entschuldigend. Der Chronist der “Süddeutschen” relativierte diese Aussage: “Die Südafrikaner waren nicht beeindruckt. Sie waren wie gelähmt, als würden alle Spieler mit starkem Gegenwind kämpfen.” Eine verlässliche Windprognose für São Paulo am 12. Juni ist noch nicht zu erhalten, doch der Jahreszeit entsprechend darf mit einer leichten Brise gerechnet werden. Damit sind zumindest die klimatischen Voraus 24 T H E F I FA W E E K LY setzungen für einen idealen WM-Start des Heimteams gegeben. Sportlich präsentiert sich die Grosswetterlage nicht ganz so störungsfrei. Als erster Gegner von Brasilien reist Kroatien mit berechtigten Ambitionen nach Südamerika. Das kroatische Team besitzt mit seiner M ischung aus erfahrenen und jungen Spielern das Potenzial für eine Überraschung. Im Hinblick auf die weiteren Gruppenspiele gegen Mexiko und Kamerun darf sich die Seleção keinen Ausrutscher leisten. Wer zum WM-Kickoff mit Spektakel und Ballzauber im Übermass rechnet, könnte ohnehin eine Enttäuschung erleben – diesen Eindruck vermittelt zumindest der Blick in die Statistiken. Seit 1966 wird ein offizielles (zeitlich exklusives) Eröffnungsspiel durchgeführt. Die ersten vier Austragungen endeten torlos – das erste Tor anlässlich einer WM-Ouvertüre gelang den Belgiern 1982 beim 1:0 gegen Argentinien. Mehr als ein Treffer fiel im Eröffnungsspiel erst viermal – 1986 (Bulgarien - Italien 1:1), 1998 (Brasilien - Schottland 2:1), 2006 (Deutsch- land - Costa Rica 4:2) und 2010 (Südafrika - Mexiko 1:1). Bis 2002 eröffnete jeweils der Titelverteidiger das Turnier. Seit der Weltmeister nicht mehr direkt qualifiziert ist, kommt diese Ehre dem Veranstalter zu. Die Brasilianer standen zum Turnierstart bisher zweimal im Scheinwerferlicht: 1974 gegen J ugoslawien (0:0) und eben 1998 gegen Schottland. Sollten sie auch diesmal nicht mehr Tore schiessen, muss es noch nicht das Ende aller Tage bedeuten: Noch nie wurde der Sieger des Eröffnungsspiels auch Weltmeister. Å Die Weekly-Debatte. Was brennt Ihnen unter den Nägeln? Über welche Themen wollen Sie diskutieren? Ihre Vorschläge an: [email protected] Jamie Squire / Getty Images Thomas Renggli DEBAT T E PRESIDENTIAL NOTE The FIFA Weekly fragte auf FIFA.com: Auf welches Gruppenspiel freuen Sie sich am meisten? Brasilien - Kroatien! Es ist das Eröffnungsspiel der Weltmeisterschaft, findet in der Nähe meines Wohnorts statt, und ich werde dabei sein! Ich werde als freiwilliger Helfer im Stadion sein, denn ich will dieses Spiel auf keinen Fall verpassen. rp. robson, Brasilien Deutschland - Portugal. Für Portugal ist es DIE Chance, perfekt in die Weltmeisterschaft zu starten. moutigol, Portugal Iran - Nigeria, weil es ein mitunter entscheidendes Spiel für den weiteren Verlauf des Turniers für uns ist. Dann Iran - Argentinien, weil es unglaublich ist, gegen so einen Gegner zu spielen. Und – leider auch zu erwähnen – unter normalen Umständen ein Ding der Unmöglichkeit; es sei denn, der Verband könnte Millionen aufbringen für ein Freundschaftsspiel. Als letztes Iran - BosnienHerzegowina, weil es mit Bezug auf die Spiele zuvor, ein gruppenentscheidendes Endspiel wird. Hoffentlich gewinnt Iran zwei von drei Spielen. p.edram, Iran “Jedes Spiel ist hoch interessant.” Ich freue mich auf alle Spiele. Denn die Mannschaften werden immer konkurrenz fähiger und so muss jedes Team von Beginn an alles geben, um seine Position für die nächste Runde zu stärken und zu bestätigen. usmansherazi, Pakistan Alle Spiele versprechen Spannung. Aber manche Spiele werden spannender sein als andere. Ich freue mich am meisten auf Spanien - Niederlande, England - Italien und Deutschland - Portugal. Schalkefan13, Deutschland Es ist eine WM, da freue ich mich auf alle Spiele und auf alle Teams. Jedes Spiel ist hochinteressant. Ich kann es kaum noch erwarten. Neymar87_87, Deutschland Das Eröffnungsspiel! Es lastet ein grosser Druck auf Brasilien, aber Scolari sollte die Jungs zu führen und jede Peinlichkeit gegen Kroatien zu vermeiden wissen. Ein weiteres Spiel von grosser Erwartung wird das erste Spiel in der B-Gruppe zwischen Spanien und den Niederlanden sein: die Revanche für das WM-Finale von 2010. Gruppe D mit den drei Weltmeistern ist ebenfalls super. Für Costa Rica bedeutet diese Gruppe eine ideale Gelegenheit, um Erfahrungen zu sammeln. victorinoban, Brasilien Ich freue mich sehr auf Spanien - Niederlande. Und auch auf den ersten Auftritt der Schweizer gegen Ecuador. guarana02, Schweiz Argentinien - Bosnien-Herzegowina. Definitiv ein Kracher. Das erste Spiel von Bosnien an einer Weltmeisterschaftsendrunde. Volles Haus im Marancanã-Stadion. Das wird ein tolles Spiel. Goalgetter10, Bosnien “Die Revanche für das WM-Finale von 2010.” Der Sport im Vordergrund D as WM-Eröffnungsspiel ist auch ein Schlusspunkt – hinter jahrelange Vorbereitungsarbeiten, während derer alle Beteiligten grosse Energien aufwendeten und unter höchstem Einsatz die entstandenen Probleme lösten. Heute dürfen wir stolz feststellen: Brasilien ist bereit! Ich wünsche mir, dass in den nächsten Tagen und Wochen der Sport in den Vordergrund rückt. Nirgendwo ist der Fussball so sehr Teil der Alltagskultur wie in Brasilien, nirgends identifizieren sich die Menschen so stark mit ihren Spielern wie hier. Wenn diese positive Kraft freigesetzt wird, erleben wir die beste WM der Geschichte, “A Copa das Copas”. Dazu gehört für mich auch, dass das ganze brasilianische Volk eingebunden ist – dass sich alle Menschen am Fussball erfreuen können. Mit dem “Handshake for Peace” wollen wir ein Zeichen setzen und dazu beitragen, Brücken zu bauen und den Frieden zu fördern. Auch wenn es sich bei dieser Geste nur um ein S ymbol handelt, soll sie für die völkerverbindende und pazifistische Botschaft des Fussballs stehen. In diesem Sinne sind auch die weissen Tauben zu verstehen, drei an der Zahl, die beim Eröffnungsspiel in den Himmel steigen werden. Die Kraft der Symbolik, so lehrt die Geschichte, ist nicht hoch genug einzuschätzen. Im Zentrum der WM aber steht Brasilien. Wir verschliessen die Augen nicht vor den Sorgen der Bevölkerung. Die FIFA dafür verantwortlich zu machen, ist aber falsch. Wir haben für die operativen Kosten keinen Cent an Steuergeldern verwendet, sondern zwei Milliarden US-Dollar investiert. Ich bin überzeugt, dass wir in den nächsten vier Wochen ein grossartiges Fussballfest erleben werden – dank Brasilien, mit Brasilien, für Brasilien. Ihr Sepp Blatter T H E F I FA W E E K LY 25 IRAN “Ich wurde mit offenen Armen empfangen” Der Torhüter Daniel Davari, in Deutschland geboren, reist mit Iran an die WM. Wie kam es zu seiner Berufung, und was erhofft sich das iranische Team in Brasilien? Daniel Davari: Es ist viel passiert in dieser Saison, und ich habe dabei reichlich Erfahrungen sammeln können, die mir sehr zugute kommen. Für Iran zu spielen und eine WM erleben zu dürfen, war ja wirklich nicht abzusehen. Insofern sind diese Zeiten für mich wirklich wunderbar. Aber natürlich bin ich enttäuscht, dass ich mich nicht mit dem Klassenverbleib aus Braunschweig verabschieden kann. Wie ist denn Irans portugiesischer Nationaltrainer Carlos Queiroz auf Sie aufmerksam geworden? Die Bundesliga wird auch in dem Land, aus dem mein Vater stammt, genau verfolgt – im Fernsehen, im Internet und in zehn täglich erscheinenden Sportzeitungen. Den ersten Kontakt hat Dan Gaspar, Queiroz’ amerikanischer Assistent und Torwarttrainer, vor über einem Jahr geknüpft. Danach war auch der iranische Cheftrainer mal hier. Ich bin über einen längeren Zeitraum beobachtet worden, ehe ich am 15. November 2013 bei einem Qualifikationsspiel für die Asienmeisterschaft 2015 mein Debüt geben durfte. Umso schöner, dass wir das Spiel in Thailand 3:0 gewonnen haben und ich ohne Gegentor blieb. Rechnen Sie damit, dass Sie bei der WM im Tor der “Melli”, wie das Nationalteam in Iran genannt wird, stehen? Das ist völlig offen. Die Torhüter, die für die WM benannt worden sind, sind auf einem vergleichbaren Niveau und verfügen nicht über allzu grosse internationale 26 T H E F I FA W E E K LY Erfahrung. Egal aber, ob ich am Ende spiele oder nicht. Ich möchte bei dieser Weltmeisterschaft das Land, dessen Staatsbürgerschaft ich wie die deutsche besitze, würdig repräsentieren. Überhaupt dabei zu sein, ist für mich eine grosse Ehre. Sind Sie vor Ihrer Nominierung für die Nationalmannschaft schon einmal in Iran gewesen? Ich war als Kind einmal dort. Wenn ich jetzt dorthin komme, dann mit sehr offenen Augen und grosser Sensibilität für das, was in Iran ganz anders ist als in Deutschland, wo ich, in Giessen, geboren bin. Ich habe nicht lange gebraucht, um mich an viele für mich neue Dinge und Gebräuche zu gewöhnen. Was hat Sie denn bei Ihrer ersten Visite als iranischer Nationalspieler besonders beeindruckt? Die unglaubliche Freundlichkeit und Gastfreundschaft der Menschen. Ich wurde mit offenen Armen empfangen und bin auf den Strassen oft erkannt worden. Kaufleute in Teheran haben mich in ihre Geschäfte gebeten und mir, was in Deutschland undenkbar wäre, herzlich angeboten, ein Souvenir nach Wunsch mitzunehmen. Diese Wärme im Umgang miteinander und auch die Begeisterung für den Fussball in einem grossen Land, das schon dreimal die Asienmeisterschaft gewonnen hat, haben mich beeindruckt. Waren Sie darauf vorbereitet? Ein bisschen schon durch meinen Vater, der sehr stolz auf mich ist und meine in Iran lebende Verwandtschaft. Hallbauer + Fioretti Fotografie Erstes Länderspiel für Iran, der Abstieg mit Eintracht Braunschweig aus der Bundesliga, die Nominierung für den iranischen WM-Kader. Wie haben Sie dieses aufregende Fussballjahr erlebt? IRAN Name Daniel Davari Geburtsdatum, Geburtsort 6. Januar 1988, Giessen, Deutschland Spielposition Torhüter Körpergrösse 192 cm Stationen 2007 – 09 1. FSV Mainz 05 II 2009 – 14 Eintracht Braunschweig 2014 Grasshopper Club Zürich Nationalmannschaft Iran 4 Einsätze WM-Vorrunden-Programm Gruppe F: Nigeria (16.6.), Argentinien (21.6.), Bosnien-Herzegowina (25.6.) T H E F I FA W E E K LY 27 IRAN Angekommen Daniel Davari mit iranischen Teamkollegen. Mit 26 Jahren bin ich jetzt auch in einem Alter, in dem ich all die Erfahrungen, die ich mache, aufsaugen und geniessen kann. Es ist für mich eine sehr bereichernde und aufregende Zeit. Wie viel bekommen Sie denn vom gesellschaftlichen Leben in Iran und der politischen Situation dort mit? Für mich, einen Katholiken, geht es beim Blick auf die bevorstehende WM um den Sport, und politische Fragen bekomme ich nicht gestellt. Welcher Religion man angehört und wie man zur Politik des Landes steht, ist ein anderes Thema. “Ich habe meinen Weg gefunden.” Was Ihnen noch fehlt, ist der problemlose Umgang mit der persischen Sprache Farsi. Wie nehmen Sie die iranische Fussballbegeisterung wahr? Die Nationalmannschaft, in Brasilien zum vierten Mal bei einem WM-Turnier dabei, steht sicher ganz oben, was die Popularitätswerte angeht. Dass der Fussball 28 T H E F I FA W E E K LY auch hier die Massen bewegt, zeigt sich jedes Jahr beim grossen Teheraner Derby zwischen Esteghlal und Persepolis, wenn 120 000 Zuschauer ins grösste Stadion des Landes strömen. Schildern Sie bitte Ihre Gefühle, als Sie vor Ihrem ersten Länderspiel in Thailand die iranische Nationalhymne hörten und dabei zu spüren bekamen, dass nun Ihr Traum wahr würde? Es war einer der aussergewöhnlichsten Momente in meinem Leben, weil er unglaublich persönlich und sehr bewegend war. Mochten auch die Rahmenbedingungen vor vielleicht 15 000 Zuschauern überschaubar sein, waren diese Augenblicke doch unvergesslich und ungemein intensiv. Ähnlich aufregend, wenn auch auf schockierende Weise, ging es mit meiner Länderspielkarriere vier Amin Jamali / Getty Images Ich bin dabei, persisch zu lernen und meine Kenntnisse, die ich mir während der Bundesligasaison angeeignet habe, deutlich zu verbessern. Und ich hoffe, am Ende des WM-Turniers entschieden besser Persisch zu sprechen als jetzt. Der tägliche Umgang mit meinen Nationalmannschaftskollegen, von denen viele gut Englisch sprechen, wird mir da sicher weiterhelfen. Jedenfalls fühle ich mich ob meiner Sprachbarriere nicht als Aussenseiter und komme mir auch sonst nicht wie ein Fremder in der Nationalelf eines Landes vor, das ich in Brasilien sehr gern repräsentieren möchte. IRAN Keine Angst vor grossen Namen Davari bringt sich im Bundesligaspiel gegen den FC Bayern München und Arjen Robben in Position. Tage später weiter. Im Libanon war am Tag unseres Asia-Cup-Qualifikationsspiels ein Anschlag mit Toten und Verletzten auf die iranische Botschaft verübt worden. Das Spiel fand zwar statt, aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wir gewannen 4:1, konnten dabei aber kaum an Fussball denken. Jetzt aber stehen Sie vor sportlich überaus anspruchsvollen Bewährungsproben. Sie bekommen es mit Argentinien und Lionel Messi zu tun, aber auch mit Bosnien-Herzegowina, in der Abteilung Attacke angeführt von Edin Dzeko. Dazu wartet der Afrikameister Nigeria auf Sie. Wird einem dabei manchmal angst und bange? MIS / imago Gar nicht. Ich bin von Natur aus ein eher ruhiger und sachlicher Typ und mache mir im vornherein nicht zu viele Gedanken nach dem Motto: “Was wäre wenn ...” Auch ein Lionel Messi bringt mich nicht um den Schlaf, besonders nach einem aufreibenden Bundesligajahr. Durch die Erfahrungen, die ich auf meiner Strecke aus den Amateurligen bis hoch in die Bundesliga gemacht habe, habe ich meinen Weg gefunden. Ich kann mich dazu auf eine starke Abwehr verlassen, die die Grundlage unseres gut organisierten Spiels ist. Wir haben ausserdem einen international renommierten, überaus professionellen Trainer, der uns auch gegen grosse Mannschaften wie Argentinien mit der richtigen Strategie ausrüsten wird. Ich bin sehr froh, bei diesem Trainer weiter dazulernen zu können. Seine antizipative Spielweise, durch die er gefährliche Situationen auf dem Platz lösen konnte, hat mir imponiert. Auch seine Körpersprache und sein selbstbewusstes und intelligentes Auftreten jenseits des Platzes haben sich mir eingeprägt. Die Chancen für Iran, das Achtelfinale zu erreichen, scheinen in dieser anspruchsvollen Gruppe auf den ersten Blick nicht berauschend. Wie schätzen Sie die Ausgangslage für Ihre Nationalmannschaft ein? Es ist unser Anspruch, für Überraschungen an der WM gut zu sein. Das ist unser Ziel. Wir wollen unangenehm sein und werden es keinem Gegner leicht machen. Jedes Spiel bietet die Chance, etwas mitzunehmen. Wenn wir im ersten Spiel gegen Nigeria etwas Zählbares rausholen, stehen uns die Türen offen. Wir müssen alles dafür tun, die Menschen in Iran stolz zu machen. Å Mit Daniel Davari sprach Roland Zorn Sie haben einmal den früheren deutschen Nationaltorwart Jens L ehmann als Ihr Vorbild bezeichnet. Warum? T H E F I FA W E E K LY 29 WELCOME TO ©2014 THE COCA-COLA COMPANY. COCA-COLA® AND THE CONTOUR BOTTLE ARE REGISTERED TRADEMARKS OF THE COCA-COLA COMPANY. OFFICIAL SPONSOR F I F A ’ S 11 FREE KICK WM-Newcomer 1 WM 1934 Italien: 10 Newcomer Teams: Ägypten, Deutschland, Italien, Niederlande, Österreich, Schweden, Schweiz, Spanien, Tschechoslowakei, Ungarn Beste Platzierung: Italien (1.) 2 WM 2006 Deutschland: 6 Teams: Angola, Elfenbeinküste, Ghana, Togo, Trinidad und Tobago, Ukraine Beste Platzierung: Ukraine (Viertelfinale) Schwimmgurt, 3 Auster, Brotkasten 4 Perikles Monioudis W ann beginnt eine Fussball-Welt meisterschaft? Formell mit der Eröffnungsfeier, genauer mit der Eröffnungsformel. Und doch beginnt eine WM viel, viel früher, Jahre und Jahre zuvor – für die FIFA, für den Ausrichter, für die Verbände, die Spieler und eben alle, die an der Planung und Umsetzung beteiligt sind. Noch bevor die Qualifikation ausgespielt ist, suchen die Verbände, die – realistischerweise oder auch nicht – mit ihrer Teilnahme an der WM rechnen, nach einem geeigneten Quartier, einem Camp, von wo aus die eigentliche WM-Kampagne, die Turnierphase, in Angriff genommen werden kann. Für viele Fans beginnt die WM mit der Lancierung der Panini-Sammelalben bzw. dem Tauschen und Sammeln der bunten Abziehbilder; andere Fans geraten schon zuvor, bei der Vorstellung der WM-Team-Kits, in WM-Stimmung, oder dann bei der Nominierung der WM-Kader. Für mich war stets der Moment, da ich die WM-Stadien in einer Übersicht bewundern konnte, der alles eröffnende. Schon als Kind hatten es mir die Stadien angetan, die roten, orangefarbenen, blauen, weissen usf. Sitzreihen, die Architektur der Gebäude – freilich noch ohne, dass ich die Architektur als solche begriff; ich verglich die Stadien oder vielmehr ihre Anmutung mit dem, was mir als Vergleichsmöglichkeiten eben zur Verfügung stand: Schwimmgurt, Auster, Brotkasten usf. Die Aufstellung der Stadien, mitsamt der Angaben zu Standort, Kapazität und Baujahr, liess mich nicht mehr los. Ich entnahm sie der Zeitung oder einem Fussballmagazin, faltete sie und steckte sie in meine hintere Hosenta- sche. Ich schaute mir die Bilder bei jeder sich bietenden Gelegenheit an, liess meinen Blick über die Anlagen schweifen, ganz so, als wäre ich vor Ort, als wäre ich selbst in der Nähe der Stadien, in denen doch in Kürze das Fest der Feste, das Turnier der Turniere, die Fussball-Weltmeisterschaft steigen würde. Die WM hatte so für mich begonnen – noch bevor sie formell eröffnet wurde. Nicht, dass ich mich später für ein Studium der Architektur entschieden hätte. Nein, die Geistes- und Sozialwissenschaften vermochten mich an sich zu binden. Die Menschen interessierten mich dann doch mehr als die Materie, der Stein. Und doch verspüre ich noch immer diesen öffnenden Moment, wenn ich zum ersten Mal die Übersicht der WM-Stadien in Händen halte, auch wenn ich den bunten Bogen nicht mehr falte und bei mir führe; eine unbekannte Sehnsucht nach dem fabelhaften Ereignis, dessen grandiosen Augenblicken, den Stars, die dabei entdeckt werden, die Spiele, die Geschichte schreiben, fast schon bevor sie gespielt sind: in Brasilien nun etwa der “Rumble in The Jungle”, England gegen Italien im Amazonas-Dschungel. Und wann endet nun eine WM? In unseren Erinnerungen nie. Å Die wöchentliche Kolumne aus der The-FIFA-Weekly-Redaktion WM 1982 Spanien: 5 Teams: Algerien, Honduras, Kamerun, Kuwait, Neuseeland Beste Platzierung: Algerien, Kamerun (3. nach Gruppenspielen) WM 2002 Japan / Korea: 4 Teams: China, Ecuador, Senegal, Slowenien Beste Platzierung: Senegal (Viertelfinale) KO kKK -44 M 1998 Frankreich: 4 W Teams: Jamaika, Kroatien, Japan, Südafrika Beste Platzierung: Kroatien (3.) M 1974 BR Deutschland: 4 W Teams: Australien, DDR, Haiti, Zaire Beste Platzierung: DDR (2. Runde) M 1938 Frankreich: 4 W Teams: Kuba, Niederländisch-Indien, Norwegen, Polen Beste Platzierung: Kuba (Viertelfinale) 8 kKK- kKK – kKK- 4 WM 1994 USA: 3 Teams: Griechenland, Nigeria, Saudi Arabien Beste Platzierung: Nigeria, Saudi Arabien (Achtelfinale) kKK M 1990 Italien: 3 W Teams: Costa Rica, Irland, Vereinigte Arabische Emirate Beste Platzierung: Irland (Viertelfinale) M 1986 Mexiko: 3 W Teams: Dänemark, Irak, Kanada Beste Platzierung: Dänemark (Achtel finale) M 1970 Mexiko: 3 W Teams: El Salvador, Israel, Marokko Beste Platzierung: Alle (4. nach den Gruppenspielen) kKK kKK kKK Quelle: FIFA (Milestones and Superlatives, Statistical Kit, 12.5.2014) T H E F I FA W E E K LY 31 ZEITSPIEGEL T H E N Deutsches EM-Camp, Saint-Germain-en-Laye, Frankreich 1984 teutopress / imago Coach Jupp Derwall ordnet im Training der deutschen Nationalmannschaft während der EM in Frankreich ein Freistosstraining an. 32 T H E F I FA W E E K LY ZEITSPIEGEL N O W BVB-Trainingsgelände, Dortmund, Deutschland 2011 Christoph Reichwein / imago Längst haben Plastikmännchen den Pappkameraden den Rang auf dem Trainingsgelände streitig gemacht. Dortmund-Coach Jürgen Klopp achtet auf ihre richtige Positionierung. T H E F I FA W E E K LY 33 © 2014 adidas AG. adidas, the 3-Bars logo and the 3-Stripes mark are registered trademarks of the adidas Group. get ready for the battle #allin or nothing Make a choice at adidas.com/allin TURNING POINT “Ghana ist wie Brasilien” Afrikas Fussballer des Jahres, Champions-League-Sieger mit Asante Kotoko – und Samuel Schweizer. Der Ghanaer Opoku Nti kennt das Fussballgeschäft von vielen Seiten. Adrian Bretscher M anchmal kann ein einziges Tor das ganze Leben verändern. In meinem Fall geschah es am 11. Dezember 1983, im Rückspiel des Finales der afrika nischen Champions League zwischen meinem Stammverein Asante Kotoko und dem ägyptischen Meister Al-Ahly. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen: Im Baba-Yara-Stadion von Kumasi lief die 16. Minute. Al-Ahly griff an, blieb aber in unse rer Defensive hängen. Unser rechter Verteidi ger Ernest Apau lancierte den Konterangriff mit einem präzisen Zuspiel auf Yahaya Kassum im Mittelfeld. Der schickte John Smith Banner man in die Tiefe. Bannerman liess den gegneri schen Verteidiger stehen und flankte zur Mitte. Dort hob ich den Ball über den verunsicherten Torhüter der Ägypter, traf zum 1:0 und löste unter den über 40 000 Zuschauern eine kaum vorstellbare Euphorie aus. Es war der Treffer, der das Finale entschied und für mich die Tür zu einem neuen Leben öffnete. Ich wurde zum afrikanischen Fussbal ler des Jahres gewählt und von den Medien mit dem Spitznamen “Zico” sozusagen in den Adel stand der Fussballer gehoben. Vor allem wurde ein Transfer ins Ausland spruchreif. Das erste Angebot kam von der E lfenbeinküste. Mit meinem Agenten reiste ich für Verhandlungen nach Abidjan. Dort erfuhren wir vom Interesse aus Frankreich. Wie für die meisten afrikanischen Spieler war Europa mein grosses Ziel. Ich packte meine Sachen und reiste ab. Doch der Transfer kam nicht zustande. Statt dessen öffnete sich eine Türe in der Schweiz – beim Genfer Klub Servette. Der Wechsel war eine eher zufällige Begebenheit, aber er mar kierte ein weiteres einschneidendes Ereignis in meinem Leben. Die Schweiz wurde zu meiner zweiten Heimat. Heute besitzt meine ganze Familie die Schweizer Staatsbürgerschaft. Mein fussballerischer Lebensmittelpunkt ist aber Ghana, wo ich bei Asante Kotoko als CEO engagiert bin. Immer wieder wird die Frage aufgeworfen, wann endlich eine afrika nische Mannschaft Weltmeister werden kann. Vom Talent her könnte das schon jetzt der Fall sein. Ich sage immer: “Ghana ist wie Brasilien – von Gott mit Talent im Überfluss gesegnet.” Noch fehlt es im afrikanischen Fussball aber an Struktur und Ausbildungsmöglichkeiten. Dass wir der Zeit hinterherhinken, ist auch situationsbedingt. Bis 1978 hatte Afrika nur ei nen Platz im Teilnehmerfeld. Heute sind es im merhin deren fünf. Dafür sind wir Sepp B latter sehr dankbar. Å Aufgezeichnet von Thomas Renggli Name Samuel Opoku Nti Geburtsdatum, Geburtsort 23. Januar 1961, Kumasi (Ghana) Vereine als Spieler 1983 – 1985 Asante Kotoko 1985 – 1986 Servette FC 1986 – 1989 FC Aarau 1989 – 1990 FC Baden Nationalmannschaft 7 Einsätze für Ghana Persönlichkeiten des Fussballs erzählen von einem wegweisenden Moment in ihrem Leben. T H E F I FA W E E K LY 35 DAS FIFA-R ANKING Rang Team 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 23 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 52 54 55 56 57 57 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 36 → http://de.fifa.com/worldranking/index.html Rangveränderung Punkte Spanien Deutschland Brasilien Portugal Argentinien Schweiz Uruguay Kolumbien Italien England 0 0 1 -1 2 2 -1 -3 0 1 1485 1300 1242 1189 1175 1149 1147 1137 1104 1090 Belgien Griechenland USA Chile Niederlande Ukraine Frankreich Kroatien Russland Mexiko Bosnien und Herzegowina Algerien Dänemark Elfenbeinküste Slowenien Ecuador Schottland Costa Rica Rumänien Serbien Panama Schweden Honduras Tschechische Republik Türkei Ägypten Ghana Armenien Kap Verde Venezuela Wales Österreich Iran Nigeria Peru Japan Ungarn Tunesien Slowakei Paraguay Montenegro Island Guinea Sierra Leona Norwegen Kamerun Mali Republik Korea Usbekistan Burkina Faso Finnland Australien Jordanien Libyen Südafrika Albanien Bolivien El Salvador Polen Republik Irland Trinidad und Tobago Vereinigte Arabische Emirate Haiti Senegal Israel Sambia Marokko 1 -2 1 -1 0 1 -1 2 -1 -1 4 3 0 -2 4 2 -5 6 3 0 4 -7 -3 2 4 -12 1 -5 3 1 6 -2 -6 0 -3 1 -2 1 -3 5 3 6 -1 17 0 -6 2 -2 -6 1 -9 -3 1 -2 0 4 1 1 3 -4 3 -5 4 -11 3 3 -1 1074 1064 1035 1026 981 915 913 903 893 882 873 858 809 809 800 791 786 762 761 745 743 741 731 724 722 715 704 682 674 672 644 643 641 640 627 626 624 612 591 575 574 566 566 565 562 558 547 547 539 538 532 526 510 498 496 495 483 481 474 473 470 460 452 451 444 441 439 T H E F I FA W E E K LY Rang 01 / 2014 02 / 2014 03 / 2014 04 / 2014 05 / 2014 06 / 2014 1 -41 -83 -125 -167 -209 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 90 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 110 112 113 114 115 116 116 118 119 120 120 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 134 136 137 137 139 140 140 142 143 144 Platz 1 Aufsteiger des Monats Bulgarien Oman EJR Mazedonien Jamaika Belarus Aserbaidschan DR Kongo Kongo Uganda Benin Togo Gabun Nordirland Saudiarabien Botsuana Angola Palästina Kuba Georgien Neuseeland Estland Simbabwe Katar Moldawien Äquatorial-Guinea VR China Irak Zentralafrikanische Republik Litauen Äthiopien Kenia Lettland Bahrain Kanada Niger Tansania Namibia Kuwait Liberia Ruanda Mosambik Luxemburg Sudan Aruba Malawi Vietnam Kasachstan Libanon Tadschikistan Guatemala Burundi Philippinen Afghanistan Dominikanische Republik Malta St. Vincent und die Grenadinen Guinea-Bissau Tschad Suriname Mauretanien St. Lucia Lesotho Neukaledonien Syrien Zypern Turkmenistan Grenada -5 3 0 0 1 2 4 7 0 10 1 -2 -6 -15 -1 1 71 -5 7 14 -5 -1 -5 -2 11 -7 -4 1 -2 -6 -2 0 -5 0 -10 9 6 -7 3 15 -4 -7 -3 35 0 -7 -6 -11 -5 -3 -3 11 -2 -5 -4 -7 50 31 -5 2 -4 2 -2 -6 -12 13 -8 Absteiger des Monats 425 420 419 411 397 396 395 393 390 386 383 382 381 381 375 364 358 354 349 347 343 340 339 334 333 331 329 321 319 317 296 293 289 289 284 283 277 276 271 271 269 267 254 254 247 242 241 233 229 226 221 217 215 212 204 203 201 201 197 196 196 194 190 190 189 183 182 144 146 147 148 149 149 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 164 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 176 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 190 192 192 192 195 196 196 198 198 200 201 202 202 204 205 206 207 207 207 Madagaskar DVR Korea Malediven Gambia Kirgisistan Thailand Antigua und Barbuda Belize Malaysia Indien Singapur Guyana Indonesien Puerto Rico Myanmar St. Kitts und Nevis Tahiti Liechtenstein Hongkong Pakistan Nepal Montserrat Bangladesch Laos Dominica Barbados Färöer São Tomé und Príncipe Swasiland Komoren Bermudas Nicaragua Chinese Taipei Guam Sri Lanka Salomon-Inseln Seychellen Curaçao Jemen Mauritius Südsudan Bahamas Mongolei Fidschi Samoa Kambodscha Vanuatu Brunei Darussalam Osttimor Tonga Amerikanische Jungferninseln Cayman-Inseln Papua-Neuguinea Britische Jungferninseln Amerikanisch-Samoa Andorra Eritrea Somalia Macau Dschibuti Cook-Inseln Anguilla Bhutan San Marino Turks- und Caicos-Inseln 45 -9 6 -14 -3 -6 -9 -8 -8 -7 -8 -5 -5 -9 14 -7 -4 -12 -5 -5 -5 22 -5 5 -6 -9 -7 -5 5 10 -6 -8 -6 -7 -6 -8 -5 -5 -4 -4 16 0 0 -6 -6 0 -10 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 0 0 0 0 0 0 0 0 182 175 171 166 163 163 158 152 149 144 141 137 135 134 133 124 122 118 112 102 102 99 98 97 93 92 89 86 85 84 83 78 78 77 73 70 66 65 61 57 47 40 35 34 32 28 28 26 26 26 23 21 21 18 18 16 11 8 8 6 5 3 0 0 0 THE SOUND OF FOOTBALL DAS OBJEK T Perikles Monioudis S Fatboy verwöhnt Brasilien Hanspeter Kuenzler Musiker Fatboy Slim lässt sich auch die WM 2014 nicht entgehen. Im Gastgeberland sind neun Shows gebucht. Mit dabei: sein Doppelalbum mit Remixes von brasilianischen Hits. Sion Ap Tomos D ie Fussballliebe von Fatboy Slim geht tief. Die Liebe zur Musik ebenfalls. Beides geht für ihn Hand in Hand, seit er noch Norman Cook hiess und “Back Home” hörte, das Lied, mit dem die englische Nationalmannschaft 1970 zur WM nach Mexiko flog. “Ich war sieben Jahre alt”, schmunzelt Norman. “Die letzte WM hatten wir gewonnen. Ich sang aus voller Kehle mit – ganz in der Erwartung, dass wir nun immer gewinnen würden.” Die südamerikanischen Zauberer im gelben Trikot zerstörten den Traum der Unbesiegbar- keit allerdings: “Es war eine Lektion fürs Leben!” Auch später, als Norman mit den Housemartins die Hitparaden stürmte, dachte er oft an Fussball. So trug das Debütalbum den ziemlich fussballerischen Titel “London 0 Hull 4”. Auf die Housemartins folgten Beats International und Freak Power – und dann mutierte Norman zum DJ Fatboy Slim und erfand Big Beat, eine Studio-Melange aus Techno, House, Rock und Samples aus aller Welt. Big Beat landete auch in Brasilien. Als Fatboy Slim im Februar 2007 seine Platten an der Copacabana auflegte, erschienen 370 000 Fans. Inzwischen lebt Fatboy Slim am Ärmelkanal und ist ein leidenschaftlicher Unterstützer vom Lokalklub Brighton & Hove Albion. Ja, um dem Verein aus der finanziellen Patsche zu elfen, erwarb er gar ein dickes h Paket Anteilscheine, derweil sein Plattenlabel Skint jahrelang als Hauptsponsor auftrat. An der WM in Südafrika trat Fatboy Slim im Rahmenprogramm auf. In Brasilien wird er nicht fehlen: Neun Shows sind gebucht, dazwischen will Norman fünf WM-Spiele besuchen. Im G epäck wird er sein brand neues Doppelalbum dabeihaben: “Fatboy Slim Presents Bem Brasil”. Es besteht aus Remixes von allerhand Hits aus B rasilien, aber auch eine Neufassung von seinem Stück “Weapon of Choice” ist darauf zu finden, neu aufgenommen unter M ithilfe der legendären Perkussionsg ruppe Olodum aus Salvador. Æ ilberne Löffel haben es in sich. Sie treten in der Regel zu sechst oder zu zwölft auf – manchmal allein. Mit einem silbernen Löffel im Mund geboren worden zu sein, bedeutet, aus einer reichen Familie zu stammen. “She came in through the bathroom window, protected by a silver spoon”, sangen die Beatles; Van Morrison fügte hinzu: “Then sometimes it feels so easy, like I was born with a silver spoon.” The Who persiflierten das g eflügelte Wort vom silbernen Löffel und bildeten damit auch gleich die Zeitenwende in der Materialwirtschaft ab: “I was born with a plastic spoon in my mouth.” In der FIFA-Sammlung findet sich eine kleine, mit grauem Kunstleder bezogene Schatulle, die vier silberne Teelöffel birgt. Die Löffel sind griffseitig mit einem Fussballornament ver sehen, das mit “Sverige” beschriftet ist. Der goldene Aufdruck im Kunstleder lautet: “Skottland - Sverige 1953”. Das Freundschaftsspiel vom 6. Mai 1953 – ein Testspiel hinsichtlich der dann doch verpassten schwedischen WM-Qualifikation – endete mit einem 2:1-Auswärtssieg des Svenska Fotbollförbundet. Der Schmerz über diese Niederlage wurde für die Schotten mit einem kleinen Gastgeschenk abgemildert. Vier silberne Löffel – sie alle müssen dem am Tag des Spiels geborenen Graeme Souness in die Wiege gelegt worden sein. Der Schotte gewann in der Folge als zuweilen ruppiger Mittelfeldspieler des Liverpool FC fünf englische Meisterschaften und dreimal den Europapokal der Landesmeister. Und 1991 kehrte er als Coach für drei Jahre zu den Liverpoolern zurück. Was für eine Karriere – den Schweden sei Dank! Å T H E F I FA W E E K LY 37 © 2014 Visa. All rights reserved. Shrek © 2014 DreamWorks Animation L.L.C. All rights reserved. Die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ ist, wo jeder von uns sein will. The FIFA Weekly Eine Wochenpublikation der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) Internet: www.fifa.com/theweekly Herausgeberin: FIFA, FIFA-Strasse 20, Postfach, CH-8044 Zürich Tel. +41-(0)43-222 7777 Fax +41-(0)43-222 7878 FIFA - R ÄT SEL - CUP Drei Models, ein doppelter Gegner, eine Beach-Uhr und kein Wappen – raten Sie mit! 1 Präsident: Joseph S. Blatter Wie viele von diesen Paare zierten die Titelblätter der Zeitschrift “Vogue” in den Jahren 2013 und 2014? Generalsekretär: Jérôme Valcke F 0 H 1 Direktor Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit: Walter De Gregorio M 2 W 3 Chefredakteur: Perikles Monioudis Redaktion: Thomas Renggli (Autor), Alan Schweingruber, Sarah Steiner Art Direction: Catharina Clajus 2 Bildredaktion: Peggy Knotz H Rio: Ipanema O Rio: Copacabana Produktion: Hans-Peter Frei Layout: Richie Krönert (Leitung), Marianne Bolliger-Crittin, Susanne Egli, Mirijam Ziegler 3 Korrektorat: Nena Morf, Kristina Rotach Ständige Mitarbeitende: Sérgio Xavier Filho, Luigi Garlando, Sven Goldmann, Hanspeter Kuenzler, Jordi Punti, David Winner, Roland Zorn Mitarbeit an dieser Ausgabe: Lucia Clement (Bild), Andreas Jaros, Doris Ladstaetter, Giovanni Marti, Markus Nowak, Manuel Rieder, Alissa Rosskopf, Andreas Wilhelm (Bild) Redaktionssekretariat: Honey Thaljieh Countdown zum WM-Start. Wo? Manchmal müssen zwei Mannschaften während einer einzigen WM zweimal gegeneinander antreten. Wer spielte an derselben WM nicht zweimal gegeneinander? R 2002: Brasilien - Türkei L 1954: Türkei - Deutschland 4 R Zürich: Goldküste Y Kapstadt: Soccer Beach N 1954: Deutschland - Ungarn O 1938: Ungarn - Italien Ein ungewöhnliches Trikot für die WM 2014 in Brasilien: Es zeigt kein richtiges Wappen und keine Aufschrift. Zu welchem Team gehört das Trikot? Projektmanagement: Bernd Fisa, Christian Schaub Übersetzung: Sportstranslations Limited www.sportstranslations.com P Ghana L Kamerun G Italien D Niederlande Druck: Zofinger Tagblatt AG www.ztonline.ch Getty Images (2), zvg (2) Kontakt: [email protected] Der Nachdruck von Fotos und Artikeln aus The FIFA Weekly, auch auszugsweise, ist nur mit Genehmigung der Redaktion und unter Quellenangabe (The FIFA Weekly, © FIFA 2014) erlaubt. Die Redaktion ist nicht verpflichtet, unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos zu publizieren. Die FIFA und das FIFA-Logo sind eingetragene Warenzeichen. In der Schweiz hergestellt und gedruckt. Ansichten, die in The FIFA Weekly zum Ausdruck gebracht werden, entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der FIFA. Das Lösungswort des Rätsel-Cups aus der Vorwoche lautet: GOAL (ausführliche Erklärungen auf www.fifa.com/theweekly). Inspiration und Umsetzung: cus Bitte senden Sie Ihre Lösung bis zum 11. Juni 2014 an die E-Mail-Adresse [email protected]. Die korrekten Lösungen für alle seit dem Ballon d’Or 2013 erschienenen Rätsel nehmen am 11. Juni 2014 an der Verlosung von zwei Eintrittskarten für das WM-Finale am 13. Juli 2014 teil. Vor der Einsendung ihrer Antworten müssen die Teilnehmenden die Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels sowie die Regeln zur Kenntnis nehmen und akzeptieren, die unter folgendem Link zu finden sind: http://de.fifa.com/mm/document/af-magazine/fifaweekly/02/20/51/99/de_rules_20140417_german.pdf T H E F I FA W E E K LY 39 F R A G E N S I E T H E W E E K LY UMFR AGE DER WOCHE Wie endet das WM-Eröffnungsspiel? Startet Favorit Brasilien am 12. Juni mit einem Sieg ins Turnier? Geht das WM-Eröffnungsspiel – wie schon oft in der Vergangenheit – unentschieden aus? Oder überrascht gar Kroatien mit einem Sieg in São Paulo? Ihren Tipp bitte an: [email protected] Stimmt es, dass Deutschland an der WM im Penaltyschiessen immer gewinnt? Steve Young, Sheffield (England) ERGEBNIS DER LETZTEN WOCHE Welchem Team trauen Sie an der WM eine Überraschung zu? 4 44.74% ....................................................... Belgien 19.14% . . ................................................................................................................................................................................ Andere 12.94% ..................................................................................................................................................................................................................... Chile 9.43% ................................................................................................................................................................................................. Bosnien-Herzegowina 6.74% ................................................................................................................................................................................................................................................ Nigeria 4.85% . . ......................................................................................................................................................................................................................................................... Japan 2.16% .................................................................................................................................................................................................................................................................... Schweiz 100 12 Z AHLEN DER WOCHE Länderspiele hat Didier Drogba für die Elfenbeinküste absolviert. Der 36-jährige Spiele ohne Niederlage hatte Stürmer feierte sein Jubiläum Real Salt Lake in der MLS bei der 1:2-Niederlage gegen zuletzt absolviert und damit Tore gegen Norwegen ohne Gegentreffer bedeuteten Bosnien-Herzegowina mit den Ligarekord eingestellt. Doch für Frankreich den höchsten Sieg im Stade de einem späten Freistosst reffer. dann ging die Serie auf spekta- France seit neun Jahren. Den letzten 4:0-Sieg im Nach dem Spiel sagte er: “Es kuläre Weise zu Ende. Das 0:4 Heimatstadion der Bleus hatte es 2005 gegen Zypern ist eine grosse Ehre, dass ich bei den Seattle Sounders war für gegeben. Für Frankreich war es der sechste Sieg in 100-mal dieses Trikot tragen das Team die erste Niederlage in den letzten sieben Spielen, nachdem das Team zuvor und mein Land vertreten der regulären Saison seit dem in 18 Spielen nur sechs Siege eingefahren hatte. durfte.” vergangenen September. imago (3), Getty Images (2) Dass diese Frage aus England kommt, erstaunt nicht. Und ich muss Ihnen sagen: Ja – Deutschland gewinnt immer! An der WM kam es seit 1982 zu 22 Elfmeterschiessen. Viermal war Deutschland involviert, viermal gewann Deutschland. Mit drei Siegen in der Kurzentscheidung belegt Argentinien Platz 2. Die englische Mannschaft verlor alle drei Elfmeterschiessen, die sie bestreiten musste. Die schwächste Equipe im Elfmeterschiessen ist aber die Schweiz: Sie musste 2006 im Achtelfinale gegen die Ukraine antreten – und brachte keinen Ball ins Tor. (thr)