perspektiven

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perspektiven
9-10 2015 · Jahrgang 44
PERSPEKTIVEN
Zeitschrift für Fach- und Führungskräfte
MEHR
VIELFALT
Sprecherausschusskonferenz 2015
Schwerpunkt Diversity
Von Ginger Rogers lernen
Zeitschrift für Mitglieder im Verband DIE FÜHRUNGSKRÄFTE E.V. · www.die-fuehrungskraefte.de · K 9811
WAGEN!
EDITORIAL/INHALT < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
MEHR ALS „GEDÖNS“
Diversity (oder auf deutsch „individuelle Verschie­
denheit“) ist das Schwerpunktthema dieses Heftes
der Perspektiven. Unser Alt-Kanzler Gerhard Schröder
würde jetzt womöglich fragen, „Schon wieder Frauen
und Gedöns?“. Nun, Vielfalt im Unternehmen ist alles
andere als Gedöns und bestimmt besser als Einfalt.
Eine Modeerscheinung ist Diversity deshalb gewiss
nicht, sondern eher ein notwendiger Bestandteil guter
Unternehmensführung.
Übersehen wird oft, dass Diversity auch nichts völlig
Neues ist. Der Unterschied zwischen einer unter der
Wahrnehmungsschwelle bleibenden Unter­schied­lich­­
keit und dem heutigen Verständnis von Diversity
­besteht darin, dass nun diese Unterschiedlichkeit
­gewollt und bewusst gefördert wird. Auch bisher
­waren unsere Mitarbeiter aber schon individuell so
unterschiedlich, wie Menschen nun einmal sind, auch wenn sich viele Konzerne über Jahrzehnte redlich Mühe gegeben haben, den stromlinienförmigen, auf Befehl und Gehorsam ausgerichteten und systemkonformen Arbeitnehmer heranzuziehen. Diese Menschen sind dann
aber auch im Wortsinne Arbeit-Nehmer und weniger Mit-Arbeiter und gewiss keine Intrapre­
neure, also Unternehmer im Unternehmen. Aus Arbeitnehmern Mitunternehmer zu machen
­gelingt nur, wenn wir die Menschen in ihrer Verschiedenheit annehmen. Nur so werden die ­Unter­nehmen die vielfältigen Fähigkeiten der Menschen für sich nutzbar machen.
Und um es ganz deutlich zu sagen: Wir sprechen bei Diversity auch, aber eben nicht nur, über die
gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am Erwerbsleben und an Führungspositionen. Diversity ist
wesentlich mehr. Es geht z.B. auch um das Verhältnis von älteren und jüngeren Mitarbeitern und
bei Fach- und Führungskräften gerade auch darum, wie man die Heranführung von Jüngeren an
verantwortungsvolle Funktionen optimiert, während man zugleich die Employability der Älteren
und Erfahrenen für das Unternehmen sichert. Es empfiehlt sich, beizeiten ein paar intelligente
­Ideen zu entwickeln, Ältere und Jüngere in schlagkräftigen Teams zusammenarbeiten zu lassen.
So kann ein jüngerer Mitarbeiter sukzessive mehr Verantwortung übernehmen und der ältere
­Kollege diese im gleichen Maßen abgeben. Damit zeigt man Wertschätzung gegenüber dem jüngeren Mitarbeiter und stellt sicher, dass der Ältere auch mit 63 oder 65 noch kraftvoll zubeißen kann.
Frauen und Männer, jung und alt – es lassen sich noch viele Beispiele dafür finden, die Verschiedenheiten der Menschen im Unternehmen einzusetzen. Diskriminierung kann sich heute kein
Unternehmen mehr erlauben und sei es allein aus Imagegründen. Wer Mitarbeiter wegen ihrer
politischen, religiösen oder sexuellen Orientierung ausschließt, hat bei seinen Kunden b­ ereits
verloren. Und das gilt vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingsdiskussion auch für die Herkunft der Menschen. Seien wir dankbar, dass diese Menschen zu uns kommen wollen, weil bei
uns Frieden, Sicherheit und Wohlstand herrschen. Das ist angesichts der deutschen ­Geschichte
des letzten Jahrhunderts nicht selbstverständlich und gilt für viele andere Länder bei weitem
nicht. Heute können wir etwas zurückgeben. Nehmen wir diese Menschen mit offenen Armen
auf, denn sie werden uns dabei helfen können, unseren Lebensstandard zu sichern und sie d­ aran
teilhaben zu lassen. Wir sollten nicht vergessen, dass Deutschland selbst das ­Ergebnis jahrhundertelanger Migration ist und viele von uns genau dort ihre Wurzeln finden würden. E­ igene
Geschichtsvergessenheit ist oft die Ursache für Fremdenfeindlichkeit. Sorgen wir g­emeinsam
dafür, dass wir auch diese Unterschiedlichkeit als Bereicherung empfinden können.
Ihr
Ulrich Goldschmidt
INHALT
Aktuell
Titelthema: Von Ginger Rogers lernen 4
Titelthema: Erfahrung bleibt
ungenutzt
7
Titelthema: Diversity Management
statt Diskriminierungsschutz
10
Titelthema: Altersgerechte
Arbeitsplatzgestaltung
12
Digitale Bildung: Zukunft nicht
verspielen
14
Sprecherausschusskonferenz 2015 15
Seminare 2014
16
Politik
Der politische Terminkalender
13
Titelthema: Flüchtlinge
18
Sicherheit und Wachstum sind
kein Widerspruch
22
Management
Titelthema: Junger Chef vs.
Ältere Mitarbeiter
25
Titelthema: Women Matter
26
Titelthema: Charta der Vielfalt
27
Benefits für Fach- und Führungskräfte
30
Aus dem Verbändenetzwerk
VKD-Landesgruppe
Berlin-Brandenburg
33
Young Leaders
BME-Symposium Einkauf und Logistik 35
Rückzahlung von Studiengebühren 35
VGF
Sozialversicherungspflicht
des Geschäftsführers
36
Geschäftsführerkonferenz 2016
37
Kündigung eines Dienstvertrage 38
Recht & Steuern
Spätehenklauseln
40
Beleidigende Facebook-Posts
42
Interessant & Kurios
43
Titelthema: ElterngeldPlus
44
Intern
Demenz – Chancen und Risiken
47
Kaminabend Düsseldorf
48
Gläserne Decke
49
Sommerfest RG Süd
51
Veranstaltungs- und
Seminarhinweise
54
Impressum
54
Unterschiedlichkeit mag eine Herausforde­
rung sein. Aber sie ist auch Bereicherung.
In dem Moment, wo wir über Unterschiede
hinweg die Gemeinsamkeit sehen. Und
feststellen, dass mehr zusammenpasst
als anfangs gedacht.
3
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > AKTUELL
Jan Brecke
So wollen Top-Talente arbeiten:
Handlungsempfehlungen für
eine Unternehmenskultur
der Zukunft
Frankfurter Allgemeine Buch
224 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3956010859
24,90 E
Die Veränderungen sind gravierend, aber
noch nicht überall spürbar. Die demogra­
fische Entwicklung wird nicht nur unser
Sozialsystem verändern. Weit vorher treten
andere Mechanismen in Kraft. Der klassische Arbeitergebermarkt wandelt sich (zunächst bei Fach- und Führungskräften) zu
einem Arbeitnehmermarkt, mit ähnlichen
Umwälzungen wie einst beim Wechsel vom
Verkäufer- zum Käufermarkt. Unternehmen
müssen umdenken. Klassische Systeme
von Führung werden in Frage gestellt, so
etwa auch der „Top-Down-Approach“ in
vielen großen Unternehmen. Führungskräfte werden mehr und mehr zu Coaches
und S­ upervisors, die auf Motivieren statt
Kommandieren setzen müssen. Die Digitalisierung zeigt hier zusätzliche Effekte. Entscheidungshierarchien verändern sich.
Das Buch von Brecke setzt sich mit den
Folgen und den Fragen rund um das Thema
auseinander und versteht sich dabei als
(Handlungs-)Leitfaden für Unternehmen.
Mit vielen praxisbezogenen Empfehlungen
und Fragen können die Leser sich selbst
und ihr Unternehmen kritisch prüfen. Der
Ausblick in die Zukunft ist auch die Aufforderung, sich dem „war for talents“ zu stellen
und die Chancen zu sehen.
Spannendes Buch mit vielen Informationen und Anregungen nicht nur für Perso
rk
naler.
MITMACHEN & GEWINNEN
Wir verlosen drei Exemplare des Buches
unter unseren Mitgliedern. An dieser Verlosung können Sie teilnehmen, indem Sie
eine kurze schriftliche Nachricht mit dem
Stichwort „Sonderverlosung“ an folgende
Adresse senden:
Geschäftsstelle Essen
Alfredstraße 77–79, 45130 Essen,
per Fax: (0201) 95971-29 oder als
e-Mail: [email protected]
Einsendeschluss ist der 30. 11. 2015.
4
SCHWERPUNKT DIVERSITY
FRAUENQUOTE ALLEIN REICHT NICHT –
VON GINGER ROGERS LERNEN
von Dr. Ulrich Goldschmidt
Seit dem 1. Mai haben wir in Deutschland das Gesetz zur Frauenquo­
te. In ganz Deutschland? Nein, die ab 2016 gesetzlich zwingend vor­
gegebene Quote für Aufsichtsräte erfasst nur eine sehr überschau­
bare Zahl von Unternehmen, nämlich nur börsennotierte und zugleich
paritätisch mitbestimmte Firmen.
Ansonsten gilt für Aufsichtsräte, Vorstände
und die oberen zwei Managementebenen nur
die Verpflichtung zur Festlegung von Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils auf mindestens 30 %. Aber diese Zielgrößen haben
es nach Meinung des Gesetzgebers in sich:
Zielgrößen und deren Erreichung müssen
laut Gesetz im Lagebericht des Unternehmens und dieser im Bundesanzeiger veröffentlicht werden. Nun, die Stammleserschaft
des Bundesanzeigers dürfte sich damit sicher dramatisch erhöhen. Um es in den Worten des Gesetzgebers zu sagen: „Damit wird
die Wahrnehmung der Entwicklungen durch
eine breite Öffentlichkeit gewährleistet.“
Während nun also die breite Öffentlichkeit
regelmäßig den Bundesanzeiger studiert,
werfen wir lieber einen Blick darauf, was in
den Unternehmen passiert oder vielmehr
nicht passiert.
Zweifellos ist die gesetzliche Frauenquote ein
Signal – mehr aber auch leider nicht. Wer wirklich etwas für Frauen in Führungspositionen
tun will, darf sich nicht auf die Frauenquote
in den Aufsichtsräten beschränken, sondern
muss sich um einen höheren Frauenanteil
im mittleren Management kümmern. Nach
meiner groben Berechnung sind nur rund
100 Mandate auf der Anteilseignerseite in den
Aufsichtsräten neu mit Frauen zu besetzen.
Das wird den Unternehmen nicht schwerfallen, zumal heute schon solche Mandate
häufig an Top-Managerinnen aus dem Ausland gehen. Für die zahlreichen qualifizierten
Frauen in Deutschland ist damit noch wenig
gewonnen. Für diese bleibt dringender Handlungsbedarf bestehen. Erhöht werden muss
der Frauenanteil im mittleren Management,
z. B. unter den Leitenden Angestellten. Wir
brauchen ein möglichst großes Reservoir an
hoch qualifizierten Frauen und Männern, aus
welchem Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder rekrutiert werden können. Niemand ist
Quelle: https://pixabay.com/de/ginger-rogers-schauspielerin-394436/
BUCHTIPP
Über Ginger Rogers wurde gesagt, dass sie genauso
gut wie Fred Astaire tanzen konnte – aber rückwärts
und auf Stöckelschuhen
per se für ein solches Mandat geeignet. Weder
männliche noch weibliche Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder fallen vom Himmel, nur
weil es jetzt eine gesetzliche Quote gibt oder
das Wort „Diversity“ in der Unternehmensbroschüre oder im Geschäftsbericht auftaucht.
Für Vorstands- und Aufsichtsratsaufgaben
muss man zuvor Erfahrung gesammelt und
sich in unternehmerischer Verantwortung
auf den darunter liegenden Führungsebenen
eines Unternehmens qualifiziert und bewährt
haben.
Aufgabe des Top-Managements
Dafür müssen die Unternehmen aber die
geeigneten Rahmenbedingungen und auch
das Klima schaffen, um qualifizierten Frauen den Weg in diese hochwertigen Fach- und
Führungsaufgaben zu eröffnen. Das Top-
AKTUELL < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
Management muss sich eindeutig dazu bekennen und alle Führungsverantwortlichen
darauf verpflichten. Die Unternehmen sind
gut beraten, diesen Weg schnellstens zu beschreiten, denn der Kampf um die weiblichen
Fach- und Führungskräfte wird auf dem Arbeitsmarkt künftig schärfer werden. Diese
Frauen werden sich oft den Arbeitgeber aussuchen können, der ihnen die besten Bedingungen für eine berufliche Entwicklung bietet. Der Kampf um die Talente läuft bereits.
Ich gebe zu, dass auch ich lange strikt gegen
die Quote war, weil ich der Überzeugung bin,
dass staatliche Zwangsmaßnahmen grundsätzlich abzulehnen sind und immer nur das
letzte Mittel sein dürfen, um eine Fehlentwicklung zu korrigieren. Aber nachdem sich
über Jahre hinweg so wenig beim Anteil von
Frauen in Fach- und Führungspositionen
getan hat, habe ich vollstes Verständnis
dafür, dass sich die Frauen mit dem vagen
Versprechen, es werde sich schon bessern,
nicht mehr abspeisen lassen. Verwunderlich
ist nur, dass die Frauen nicht schon viel früher die Geduld verloren haben. Jetzt, wo sich
der Arbeitsmarkt zunehmend in einen Arbeitnehmerarbeitsmarkt dreht, erhöht sich
aber zugleich die Marktmacht qualifizierter
Frauen. Diese Frauen werden nicht geduldig darauf warten, dass man sie durch den
Lieferanteneingang ins Unternehmen lässt,
sondern sie werden zu den Arbeitgebern gehen, die ihnen am Haupteingang den roten
Teppich ausrollen.
Außerdem sollten die Arbeitgeber gelernt
haben, was passiert, wenn man versucht,
das Thema auszusitzen. Die Frauenquote
für Aufsichtsräte ist nur der Warnschuss
Gläserne Decke oder Mauer in den Köpfen?
Als Begründung dafür, warum sich über
Jahre hinweg so wenig getan hat, wird oft
die „gläserne Decke“ genannt, an der aufstiegswillige Frauen immer wieder abprallen.
Tatsächlich scheint es eher die Mauer in den
Köpfen männlicher Entscheidungsträger zu
sein. Hinter vorgehaltener Hand wird dann
davon gesprochen, dass man Frauen das
rauhe Leben in der Führungsspitze nicht zumuten wolle und könne, dass Frauen nicht
„tough“ genug seien usw. Nun gibt es keinen
wirklich belastbaren wissenschaftlichen
Beweis dafür, dass Frauen die besseren
Führungskräfte wären. Aber ebenso wenig
gibt es den Beweis, dass Männer den Frauen überlegen wären. Gut, von Kugelstoßen
und Baumstammwerfen in den schottischen
Highlands einmal abgesehen. Beides keine
Qualifikationen, die in Führungspositionen
dringend gefragt wären. Erinnern wir uns
stattdessen daran, was über Ginger Rogers,
die Tanzpartnerin des legendären Fred
Astaire, gesagt wurde: Ginger Rogers konnte
genauso gut tanzen wie Fred Astaire – aber
rückwärts und auf Stöckelschuhen. Auch in
unseren Unternehmen haben wir viele Frauen, die zu Höherem berufen sind, aber nicht
so wahrgenommen werden. Mitunter mag
das auch an einem mangelnden Selbstmarketing der Frauen liegen.
Teilweise herrschen in den Unternehmen
aber immer noch recht antiquierte Vorstellungen, die gut in die Zeit von Astaire und
­Rogers passen. Kürzlich war es wieder so
weit. Als ich einem Vorstandsvorsitzenden in
einem Gespräch vorschlug, doch mehr Frauen
„AM RANDE
­VERMERKT“
von Ulrich Goldschmidt
GLÜCKSKEKSE HELFEN:
BE HAPPY!
Inzwischen haben wir ja dazu gelernt: der Vorstandsvorsitzende ist heute der CEO, der CFO
ist für die Finanzen zuständig, und aus dem
guten alten Arbeitsdirektor ist der CHRO geworden. So weit so gut – was aber ist ein CHO?
Wer jetzt auf chemische Verbindungen oder
auf die Schweizer Chemie-Olympiade getippt
hat, liegt in diesem Zusammenhang falsch.
Worauf die Welt gewartet hat, ist der Chief
Happiness Officer, der personifizierte chinesische Glückskeks des Unternehmens. Nein,
bitte – es ist kein Scherz. Es gibt ihn in den
ersten Unternehmen wirklich schon. Der CHO
hat tatsächlich die Aufgabe, dafür zu sorgen,
dass die Mitarbeiter im Betrieb glücklich sind.
Nun ist aber die Frage berechtigt, ob es notwendiger Bestandteil eines Vertragsverhältnisses ist, dass die Vertragspartner „glücklich“ sind. Da liegt es doch noch näher, wenn
ein Staat, wie Venezuela vor einiger Zeit, ein
eigenes Ministerium für Glückseligkeit einrichtet. Aber den Anspruch zu erheben, dass
ein Unternehmen seine Mitarbeiter glücklich machen müsste? Das scheint uns dann
doch eine Überforderung des Verhältnisses
von Arbeitgeber und Mitarbeiter zu sein, das
tradi­tionell auf Leistung und Gegenleistung
beruht. Wer sollte auch festlegen, was den
einzelnen Mitarbeiter glücklich macht, wenn
wir doch so sehr auf die Individualität des
Einzelnen achten und Wert legen? Nicht umsonst heißt es „Ein jeder sei seines eigenen
Glückes Schmied“. Das Streben nach Glück
ist höchstpersönlich und darf nicht delegiert
werden.
Quelle: Fotolia, © Sergey Nivens
Aber vielleicht denken die Konzernstrategen
hier schon weiter und haben bereits aus den
fernöstlichen Weisheiten in chinesischen
Glückskeksen neue personalpolitische Finessen extrahiert. In einem solchen Glückskeks
konnten wir neulich lesen: „Echte Armut ist
nicht der Mangel an Geld oder Besitz, sondern fehlende Wärme des Herzens.“ Welch’
eine Botschaft als Einstieg in das Gehalts­
gespräch!
Die Mauer in den Köpfen männlicher Entscheidungsträger muss weg
des Gesetzgebers gewesen. Wenn jetzt in
den Unternehmen nichts geschieht, kann
die nächste und dann weitergehende Quote
schneller kommen, als so mancher Unternehmenslenker heute glaubt.
in Führungspositionen zu bringen, konterte dieser mit entlarvender Offenherzigkeit:
„Wissen Sie, wir haben immer wieder viel
Geld in junge qualifizierte Frauen investiert,
um ihnen hier die Karriere zu ermöglichen.
Und wenn wieder einmal Veränderungsprozesse anstehen, würde es sich anbieten, in
der Kantine Glückskekse zu verteilen, die die
Nachricht enthalten „Wahres Glück beginnt mit
der Veränderung von Sichtweisen und Denkmustern.“
5
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > AKTUELL
Aber dann werden sie schwanger und sind
weg.“ Nun bin ich von meiner Ausbildung her
nur Jurist und kein Biologe. Aber dass sich
Frauen, wenn sie schwanger sind, auflösen
und „weg“ sind, scheint mir doch eine recht
gewagte These zu sein.
Wäre es nicht klüger, sich mal ein paar intelligente Gedanken darüber zu machen, wie man
Frauen während der Elternzeit weiter an das
Unternehmen bindet, mit ihnen Kontakt hält,
indem man sie z. B. mit internen Informationen über interessante Projekte versorgt und
bei dem einen oder anderen Thema auch ihren Rat und ihre Meinung einholt? Und dann
braucht es konkrete Pläne und Vereinbarungen, wie man die Frau nach
der Babypause schnell wieder ins Berufsleben eingliedert. Es darf nicht passieren,
dass der berufliche Wiedereinstieg mit der Ansage aus
der Personalabteilung begleitet wird, man könne jetzt
gerade leider keine passende
Beschäftigung anbieten, aber
man habe schon mal den Aufhebungsvertrag vorbereitet.
auch nicht so qualifiziert sein. Die mannigfaltigen Vorteile, die sich aus einem Aufbrechen
althergebrachter Strukturen ergeben, werden ausgeblendet.
Stattdessen investiert man Kreativität darin, sich den Frauenanteil in der Führung
schönzurechnen. Kommt man in den oberen
Hierarchieebenen nur auf einen Anteil von
sagen wir 5 %, erweitert man den Führungskräftebegriff so weit, bis man auf eine Unternehmensebene mit mehr Frauen trifft, und
schon hat man das Problem zwar nicht personalpolitisch, aber mathematisch gelöst
und kann stolz eine Frauenquote von über
20 % verkünden.
immer noch missverstanden werden. Das
wird sich dann geben, wenn „Frauen und Karriere“ nicht mehr als Sonderthema wahrgenommen werden muss. Das zu erreichen ist
Teil der unternehmerischen Verantwortung.
Denn letztlich läuft alles wieder auf ökonomische Erwägungen hinaus. Die Führungskraft
im Unternehmen wird für den unternehmerischen Erfolg bezahlt. Dafür brauchen wir
aber die Frauen mehr denn je.
Man kann es gar nicht oft genug wiederholen: In einem internationalen Wettbewerbsumfeld, das immer härter wird, kann es sich
keine Volkswirtschaft, kann es sich kein
Unternehmen erlauben, auf Frauen in Fachund Führungspositionen und
damit auf 50 % des intellektuellen Potenzials des Landes zu verzichten. Um hier zu
bestehen, brauchen wir hoch
qualifizierte Frauen und Männer in den Unternehmen gleichermaßen.
Inzwischen finden die Frauen für ihr Anliegen vermehrt
Verbündete. Erstaunlicherweise sind es einige Männer,
Hinzu kommt ein bemerdie sich besonders vehekenswertes Beharrungsver­
ment für Frauenförderung in
mögen gewachsener Organiden Unternehmen einsetzen
Quelle: Fotolia, © Pixel
sationen, oder nennen wir es
und den sogenannten Oldeinfach Bequemlichkeit. Häu- Wir brauchen hoch qualifizierte Frauen und Männer in den Unternehmen gleichermaßen Boys-Networks den Garaus
fig wird das Thema Frauen
machen wollen. Es sind Mänin Führungspositionen auch im Zusammen- Es geht nicht nur um „Kinder und Karriere“ ner, die im Unternehmen Karriere gemacht
hang mit veränderten Organisationsstrukhaben und Väter von Töchtern sind, die jetzt
turen und flexiblen Arbeits- und Arbeitszeit- Hüten sollte man sich davor, das Thema auf ihre ersten Schritte auf der Karriereleiter
systemen diskutiert. Allein auf die Frage, die Frage von „Kinder und Karriere“ zu redu- unternehmen wollen und dabei auf die alten
ob Führung auch in Teilzeit wahrgenommen zieren. Wer glaubt, mit einem Betriebskin- fest zementierten Strukturen treffen. Wünwerden kann, reagieren viele Personalver- dergarten all seine Probleme zu lösen, befin- schen wir Vätern und Töchtern den verdienantwortliche, Geschäftsführer und Vorstän- det sich auf dem Holzweg. Erforderlich ist ein ten Erfolg.
de mit heftigen allergischen Reaktionen. Die Kulturwandel, der Frauen und Männern den
Folge: Wenn man wegen einer Frau die Orga- gleichen Zugang zu Führungsfunktionen er- Dieser Artikel wurde ursprünglich vernisation verändern muss, dann ist der Mann öffnet. Deshalb kann auch die gezielte Förde- öffent­licht auf www.manager-magazin.de/
auf dieser Position zu bevorzugen, mag er rung von Frauen durch Sondermaßnahmen unternehmen/artikel/a-1037684.html.
LUST AUF...
BERUFSBEGLEITEND WEITERBILDEN:
Betriebliches Gesundheitsmanagement
(IHK-Zertifikat)
Führungskräftequalifizierung (IHK-Zertifikat)
Stress- und Mentalcoach (IST-Diplom)
DEN NÄCHSTEN
KARRIERESCHRITT
Anerkannte Abschlüsse | IST-Studieninstitut | 0211 8 66 68-0 | www.ist.de
Kommunikation & Präsentation (IST-Zertifikat)
AKTUELL < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
SCHWERPUNKT DIVERSITY
WISSEN UND ERFAHRUNG BLEIBEN UNGENUTZT
Der Norden Europas ist besonders erfolgreich, wenn es um die Beschäftigung älterer Mitarbeiter geht.
Island ist dabei führend, gefolgt von Neuseeland und Schweden, das damit Vorreiter innerhalb der Euro­
päischen Union ist. Deutschland ist bei der Integration älterer Arbeitnehmer nur Mittelmaß. Die weiteren
Plätze belegen Israel und Norwegen, wie aus dem aktuellen Golden Age Index der Wirtschaftsprüfungsund Beratungsgesellschaft PwC hervorgeht. Er misst anhand von sieben Indikatoren, wie stark einzelne
Länder das Potenzial von älteren erwerbsfähigen Menschen auf dem Arbeitsmarkt nutzen. So waren
in Schweden im Jahr 2013 rund 74 % der Menschen zwischen 55 und 64 Jahren in Lohn und Arbeit. In
Deutschland beträgt dieser Anteil aktuell 63,5 %. Zwar konnte sich das Land in den vergangenen zwölf
Jahren deutlich steigern – 2003 lag der Anteil nur bei 39,3 %. Doch unter den 34 OE CD-Staaten nimmt
Deutschland beim PwC Golden Age Index mit Rang 18 nur einen Platz im Mittelfeld ein.
Die Entwicklung geht in Deutschland damit in
die richtige Richtung. Allerdings besteht noch
großes Verbesserungspotenzial. Unternehmen könnten das Know-how und die Erfahrung
von älteren Arbeitnehmern noch besser nutzen. Dazu muss der Staat allerdings stärkere
Anreize setzen, und auch Unternehmen müssen mehr tun, um Mitarbeiter länger zu binden.
Würden Sie sich wünschen, dass man auch über die gesetzliche/tarifliche
Regelaltersgrenze hinaus im bisherigen Arbeitsverhältnis arbeiten kann?
7,7%
15,9%
Gezielte Förderung zahlt sich aus
Ein gutes Ergebnis ist kein Zufall, wie die PwCAnalyse zeigt: Besonders gut schneiden Länder ab, in denen der Staat die Beschäftigung
von älteren Arbeitnehmern gezielt fördert. Ein
gutes Beispiel dafür ist Schweden: Das Land
hat in den 1990er-Jahren die Frühverrentung
gestoppt und die Regeln für die Berufsunfähigkeit verschärft. Mit steuerlichen Anreizen
für Arbeitnehmer wie Unternehmen gelang
es, die Beschäftigten länger auf dem Arbeitsmarkt zu halten. Außerdem werden Mütter
intensiv unterstützt, nach der Babypause
wieder in den Beruf einzusteigen. Staaten, die
beim Golden Age Index erfolgreich sind, zeichnen sich zudem durch einen hohen Anteil von
Frauen im Erwerbsleben aus. Wenn ein größerer Anteil älterer Arbeitnehmer einer Beschäftigung nachgeht, hat dies positive Effekte auf
die gesamte Beschäftigung und das Bruttoinlandsprodukt. Das höhere Bruttoinlandsprodukt kann dazu beitragen, die höheren Kosten
einer alternden Gesellschaft zu finanzieren.
In Deutschland wird das Potenzial älterer
Arbeitnehmer nicht voll genutzt. Zwar hat
sich der Anteil der Erwerbstätigen im Alter
zwischen 65 und 69 Jahren von 5,5 % 2003
zehn Jahre später auf 12,6 % erhöht und
damit mehr als verdoppelt, trotzdem bleibt
noch viel Wissen und Erfahrung ungenutzt.
Viele ältere Menschen sind aktiver als frühe-
76,4%
ja
nein
weiß nicht
76,4 % der befragten Führungskräfte wünschen sich, über die gesetzliche und tarifliche Regelaltersgrenze
hinaus zu arbeiten
re Generationen, bilden sich fort und möchten gerne nach den Feststellungen von PwC
weiter einer Erwerbstätigkeit nachgehen.
Das bestätigt auch eine Umfrage von DIE
FÜHRUNGSKRÄFTE – DFK aus dem letzten
Jahr. Demnach wünschen sich 76,4 % der befragten Führungskräfte, über die gesetzliche
und tarifliche Regelaltersgrenze hinaus zu
arbeiten. „Das Bild älterer Beschäftigter und
der Umgang mit ihnen muss sich von Grund
auf ändern. Wir brauchen die Erfahrung älterer Führungskräfte und Mitarbeiter in Zukunft
mehr denn je. Erforderlich sind konkrete politische und personalpolitische Maßnahmen, die
zu einer Veränderung überholter Stereotypen
hin zu mehr Wertschätzung und mehr Flexibilität führen“, sagt denn auch Dr. Ulrich Goldschmidt, Vorstandsvorsitzender des DFK.
Für Unternehmen bietet ein höherer Anteil
älterer Mitarbeiter Chancen und bedroht kei-
neswegs die Arbeitsplätze der jüngeren Generation, wie häufig befürchtet wird. „Unternehmen, die die Fähigkeiten und Erfahrung
von älteren Menschen nutzen, können daraus einen Wettbewerbsvorteil ziehen“, betont Petra Raspels, PwC-Vorstandsmitglied.
Dazu müssen sie allerdings flexibel agieren
und Arbeitsplätze entsprechend gestalten.
Weitere wichtige Bestandteile sind maßgeschneiderte Programme für die Gesundheit
älterer Arbeitnehmer sowie die permanente
Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiter, die
nicht mit 50 enden darf. „Besonders wichtig
ist es, die häufig jüngeren Führungskräfte im
Umgang mit älteren Mitarbeitern zu schulen.
Die Integration älterer Mitarbeiter sollte ein
selbstverständlicher Bestandteil der Diversity-Konzepte von Unternehmen sein“, empfiehlt Raspels. Der Wandel kann nur gelingen,
wenn alle Beteiligten ihr Rollenverständnis
und ihr Verhalten reflektieren. go
7
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > AKTUELL
SCHWERPUNKT DIVERSITY
MEHR FRAUEN IN FÜHRUNG WÜRDE MIR GEFALLEN
von Stefanie Bilen
Elf Arbeitgeber haben am 13. Juli die Initiative „Chefsache“ für mehr Frauen in Führungspositionen vor­
gestellt. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Schirmherrin des Bündnisses, appelliert an die Unternehmen,
endlich für Chancengleichheit zu sorgen.
Foto: Saal Zwei
liege der Frauenanteil in der Bundeswehr bei
11 %, in Führungspositionen nochmals deutlich darunter.
Stefanie Bilen ist Chefredakteurin und Co-Gründerin
von SAAL ZWEI
Mit einer Frauenquote wollte Angela Merkel
lange nichts am Hut haben. Doch jetzt, so
sagte die Bundeskanzlerin am 13. Juli in der
Berliner Repräsentanz des Unternehmens
Bosch, müsse etwas passieren: „Fünf Prozent Frauenanteil in den Vorständen von
Dax-Unternehmen – da stimmt was nicht.“
Deshalb hat Merkel sich nun doch entschlossen, sich persönlich für mehr Chancengleichheit einzusetzen. Auf ihre Initiative haben
elf Arbeitgeber die Initiative Chefsache
vorgestellt: „Wandel gestalten, für Frauen
und Männer“ lautet der Untertitel. Mit von
der Partie sind Dax-Konzerne wie Allianz,
Bayer und Siemens, der Mittelständler Warema-Renkhoff, aber auch Arbeitgeber wie
das Bundesverteidigungsministerium, die
Fraunhofer-Gesellschaft sowie McKinsey.
„60.000 Bewerbungen brauchen wir jedes
Jahr, um 20.000 Kandidatinnen und Kandidaten einstellen zu können“, erläuterte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.
„Das macht deutlich: Wir können nicht auf die
Hälfte des Potenzials verzichten.“ Bislang
8
Anders als bisher will die Initiative Chefsache
nicht nur die Frauen – mit etwaigen Defiziten,
weil sie es nicht an die Spitze schaffen – ansprechen, sondern insbesondere auch Männer, die den Wandel in der Chefetage eines Unternehmens mitgestalten müssen. Sichtbar
erschöpft von den nächtlichen GriechenlandVerhandlungen, aber guter Dinge ermunterte
Angela Merkel Arbeitgeber zu einem Perspektivwechsel: Anspruchsvolle Tätigkeiten seien
sehr wohl in Teilzeit möglich, und Karriereplanung müsse nicht im Alter von 45 Jahren abgeschlossen sein. „The Proof of the Pudding
is the Eating“, brachte sie ihre Erwartungen
auf den Punkt. „Es würde mir gefallen, wenn
ich mehr Frauen in Führung sehen würde.“ Die
anwesenden Gründungsmitglieder der Initiative Chefsache dürften dies als Arbeitsauftrag verstanden haben.
SAAL ZWEI hat mit drei der Chefsache-Initiatorinnen gesprochen: Janina Kugel, Personalvorstand Siemens, Martina Koederitz,
Deutschland-Chefin IBM, und Angelique
Renkhoff-Mücke, CEO Warema. Welche Fortschritte sind von dem Bündnis zu erwarten?
„Mit dem Rückenwind der Kanzlerin“
SAAL ZWEI: Es gibt unzählige Anstrengungen
für mehr Chancengleichheit in der Wirtschaft,
etwa die freiwillige Selbstverpflichtung oder
die Charta der Vielfalt. Was bringt eine weitere Initiative für mehr Frauen in Führung?
Angelique Renkhoff-Mücke: Wir wollen die
geballte Kraft aller Partner und die Unterstützung der Bundeskanzlerin nutzen, um
die breite Öffentlichkeit zu erreichen und den
Kulturwandel vorantreiben. Es sind bundesweit Veranstaltungen geplant, um für Chancengleichheit zu werben und das Thema positiv zu besetzen. Die Partner der Initiative
haben das Thema für sich erkannt und arbeiten daran – jetzt geht es darum, es in die
Breite zu tragen. Bislang gibt es gerade unter
den Männern noch große Vorbehalte, wenn
von der Frauenquote die Rede ist. Ich bin der
Meinung, dass es eines positiven Anstoßes
bedarf, um einen Bewusstseinswandel zu
bewirken. Im Übrigen verstehe ich die Initiative Chefsache nicht als Initiative, um Frauen
zu fördern, sondern als eine Anstrengung,
um das zu erreichen, was eigentlich selbstverständlich sein müsste: Chancengleichheit und Gleichberechtigung von Frauen und
Männern im Arbeitsleben und insbesondere
in Führungspositionen. Deswegen sprechen
wir auch bewusst die Männer mit an.
Martina Koederitz: Was die Initiative für mich
so charmant macht, sind die unterschiedlichen Stakeholder – ich gehe davon aus, dass
sich jeder unserer Partner den notwendigen
Veränderungen auf seine Art und Weise nähert. So entsteht eine größtmögliche Vielfalt
beim Hervorbringen von weiteren Lösungen.
Mit dem Rückenwind der Bundeskanzlerin
beginnt dann hoffentlich auch ein Wandel in
der Gesellschaft.
Janina Kugel: Zum gesellschaftlichen Umdenken gehört, dass man den Wert unterschiedlicher Lebensentwürfe erkennt und ein
neues Verhaltensrepertoire bei Besetzungsentscheidungen nutzt. In den vergangenen
Jahren wurde bereits viel erreicht, doch noch
immer sind Rollenstereotype in unserem
Denken und Handeln nicht vollständig aufgelöst. Daran werden wir gemeinsam arbeiten.
Geht es hauptsächlich darum, die Männer
ins Boot zu holen?
Martina Koederitz: Wir stellen fundamentale
Veränderungen im Arbeitsleben fest: Viele
Dieser Artikel ist zuerst bei SAAL ZWEI
(www.saalzwei.de) erschienen, dem
Online-Magazin für Frauen im Business.
(www.saalzwei.de/exklusives/artikel/
es-wuerde-mir-gefallen-mehr-frauenin-fuehrung-zu-sehen)
AKTUELL < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
„Wichtig, dass der Mittelstand vertreten
ist“
Frau Renkhoff-Mücke, die übrigen Partner
sind Dax-Konzerne und andere große Organisationen. Wie sind Sie als Vertreterin des
Mittelstands zum Bündnis gekommen?
Angelique Renkhoff-Mücke: Als Tarifverhandlungsführerin des Verbands der Bayerischen
Metall- und Elektro-Industrie und Unternehmerin war ich zu zwei Treffen von Frauen in
Führungspositionen im Bundeskanzleramt
eingeladen worden und habe in einer sehr aktiven Gruppe mitarbeiten dürfen. Aus dieser
Gruppe ist schließlich die Initiative entstanden – und als ich gefragt wurde, ob ich mitmachen möchte, habe ich gerne zugesagt,
weil es so wichtig ist, dass der Mittelstand
vertreten ist und unser Anliegen in die Breite
getragen wird. Statistisch gesehen gibt es im
Mittelstand zwar mehr Frauen in Führungspositionen als in einem Dax-Konzern, das
heißt aber nicht, dass es leichter ist, Chancengleichheit herzustellen.
Warum nicht?
Renkhoff-Mücke: Viele Mittelständler sind
jenseits der Großstädte angesiedelt. Ländliche Regionen machen einen Kulturwandel
schwerer, weil die Rollenbilder sehr verfestigt sind. Hier einen Kulturwandel hinzubekommen, dauert sicherlich noch etliche
Jahre.
Wie wollen Sie die Initiative mit Leben füllen?
Martina Koederitz: Wir werden unsere bestehenden Programme bei IBM weiter forcieren.
Mein besonderes Anliegen ist es, Mädchen
für die Informationstechnologie zu begeistern und sie ihnen schon als Schülerinnen
als Berufsfeld schmackhaft zu machen. Intern haben wir verschiedene Personalent-
wicklungs-Programme aufgesetzt. Dazu
zählen etwa „Women in Leadership“ – hier
werden bereits junge Mitarbeiterinnen auf
das Thema Führung vorbereitet – oder „Taking the Stage“, ein Programm, in dem sie an
ihrem Auftritt und ihrer Präsenz arbeiten und
Selbstbewusstsein entwickeln können. In unseren Mentoring-Programmen ermuntern wir
junge Frauen stets, sich die Rolle zu nehmen,
die sie haben wollen. An diesem Punkt hapert
es häufig: Frauen sind sehr zurückhaltend,
wenn es darum geht, ihre beruflichen Pläne
und Vorstellungen zu artikulieren.
derungen auf den Weg zu bringen, und dafür
müssen wir an vielen Schrauben drehen.
Martina Koederitz: Wir wollen den Anteil der
weiblichen Führungskräfte erhöhen und eine
positivere gesellschaftliche Diskussion und
Akzeptanz zu dem Thema erzeugen. Ich persönlich bin keine Verfechterin der Quote. Wenn
heute in den oberen Führungsetagen kein Potenzial zu finden ist, liegt es an einer fehlenden
Qualifikation, und das löst die Quote nicht. Die
Basis an Frauen ist insgesamt und vor allem in
den technisch orientierten Berufen zu gering,
und hier müssen wir ansetzen. Eine Kulturveränderung passiert aber nicht über Nacht.
Angelique Renkhoff-Mücke: Das muss nicht
immer etwas Großes sein. Beispielsweise
habe ich im Arbeitgeberverband in Bayern
zusammen mit männlichen Kollegen eine Ini­
tiative für Frauen in Führung angeregt, woraufhin ein Netzwerk etabliert wurde. Für unser eigenes Unternehmen habe ich von den
Gründungsmitgliedern heute die eine oder
andere Anregung bekommen, die ich mit meinen Vorstandskollegen diskutieren möchte.
Ich erwarte mir von der Initiative aber vor
allem eine andere öffentliche gesellschaftliche Diskussion. Nicht: Müssen Frauen Karriere machen – sondern warum wollen eigentlich so wenige Frauen beruflich erfolgreich
sein? Warum geben sich selbst gut ausgebildete Frauen mehrheitlich mit der Rolle der
Familienbetreuerin zu Hause zufrieden? Das
ist ja mindestens genauso wichtig. Denn ein
Unternehmen kann nicht das Wollen einer
potenziellen weiblichen Führungskraft erzwingen, sondern nur unterstützen.
Haben Sie ein Beispiel?
Renkhoff-Mücke: Ein anderes Unternehmen
hat beispielsweise gute Erfahrungen mit einem Professor gemacht, der „Unconscious
Bias“-Seminare im obersten Führungszirkel
macht. Es geht darum, sich die eigenen Rollenbilder bewusst zu machen und zu hinterfragen. Und so etwas bekommt eine viel höhere Glaubwürdigkeit, wenn ein männlicher
Professor dazu referiert, als wenn ich oder
eine Kollegin es machen würde.
Ein anderes Beispiel ist der Umgang mit
Frauen, die eine Familie gründen. Oftmals
verlieren wir diese Frauen – weil sie sich
ganz ihrem Nachwuchs widmen oder nur in
geringem Umfang wiederkommen. Von anderen Unternehmen wissen wir jetzt, dass
sie in einem engen Austausch mit schwangeren Mitarbeiterinnen stehen und ihnen
deutlich machen, dass sie sie halten wollen.
Und zusammen überlegen, welche Wiedereinstiegsmodelle in Frage kommen. Von solchen Erfahrungen wollen wir lernen.
„Wir müssen an vielen Schrauben
drehen“
Welche messbaren Ziele hat die Initiative?
Janina Kugel: Die Initiative will zum Beispiel
regelmäßig den Anteil an Frauen in Führungspositionen abfragen und hier auch
Fortschritte erzielen. Wir dürfen uns hier
aber nicht in Rekordzeit den großen Wurf
erwarten. Es geht darum, nachhaltige Verän-
Quelle: © www-03.ibm.com
Menschen üben ihren Beruf inzwischen zeitund ortsunabhängig aus, hinzu kommt, dass
Nachwuchskräfte eine völlig andere Erwartung an ihr Arbeitsleben haben als bisherige
Generationen. Die Frage der sogenannten
Work Life Integration ist daher längst keine
Frage der Frauen mehr, sondern sie betrifft
Männer in gleichem Maße: Als männliche
Führungskräfte, aber auch als Männer von
erfolgreichen berufstätigen Frauen. Daher
geht es um mehr als nur eine Frauenquote,
sondern wie sich Kulturen grundsätzlich verändern, wie Unternehmen die Rahmenbedingungen anpassen werden und wie Veränderung in Deutschland zukünftig diskutiert und
angenommen wird.
Martina Koederitz, Vorsitzende der Geschäfts­
führung IBM Deutschland GmbH, General Manager
Deutschland, Österreich, Schweiz
Angelique Renkhoff-Mücke: Wenn es unser
Ziel ist, die Gesellschaft zu verändern, dann
muss unsere Initiative jedes Unternehmen
in seinem Einzugsbereich erreichen, egal ob
über Branchen-Veranstaltungen, regionales
Networking etc. Damit unsere Initiative ein
Erfolg wird, brauchen wir künftig also noch
deutlich mehr Mitstreiter, insbesondere aus
den kleinen und mittleren Firmen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Kontakt: www.saalzwei.de
Stefanie Bilen ist Chefredakteurin und
­Co-Gründerin von SAAL ZWEI.
9
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > AKTUELL
SCHWERPUNKT DIVERSITY
VON ANTI ZU PRO: DISKRIMINIERUNGSSCHUTZ WIRD ZU
GANZHEITLICHEM DIVERSITY MANAGEMENT
von René Behr
Ad-hoc-Maßnahme oder strategische Lösung? Auf ähnlichen gesetzlichen Einzelregelungen beruhen in
Deutschland Maßnahmen wie Frauenbeauftragte in öffentlichen Einrichtungen, Quoten für Beschäfti­
gung von Behinderten, Mutterschutzregelungen und Altersteilzeit.
Eine strategische Lösung, die die bisherigen
Maßnahmen inkorporiert, kann gleichzeitig
kommunikativ und bei der Akquise neuer
Mitarbeiter genutzt werden. Insofern ist
eine nachhaltig angelegte Bearbeitung der
Vielfalt im Unternehmen tatsächlich Teil der
Corporate Social Responsibility (CSR), wirkt
auf das Image des Unternehmens im Produkt- und Leistungsmarketing, aber auch im
Personalmarketing.
Auch sind die Instrumente nicht zwischen
den Dimensionen des ganzheitlichen Diversity Managements beliebig austauschbar
– können sich aber in weiten Bereichen gegenseitig beeinflussen. Wichtig ist es also,
ein abgestimmtes Konzept einzubringen,
dass von einer zentral aufgestellten Position
Bewerber wissen, wonach sie suchen
René Behr, Vorsitzender des Vorstands Völklinger Kreis
Durch die unterschiedliche Genese der Kategorien wurden und werden vielfach nur einzelne Maßnahmen für Angehörige bestimmter Mitarbeitergruppen eingesetzt. Einen
breiteren Ansatz verfolgt die Antidiskriminierungsrichtlinie der EU, in Deutschland durch
das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
AGG konkretisiert. Durch die Anti-Stressbzw. Anti-Mobbing-Richtlinien werden sich
die Anforderungen hier auch in absehbarer
Zukunft weiterentwickeln.
Die „Kunst“, zugleich aber die große Chance
bei der Umsetzung dieser Richtlinien ist
die Neuordnung bisheriger Maßnahmen zu
einem ganzheitlichen Diversity Management.
In ­einer Stabsstelle oder Zentralabteilung aufgehängt, kann das Unternehmen so Synergien
und Lerneffekte nutzen, die in den einzelnen
Bereichen entstehen. Da die Schutzkatego­
rien des AGG die erwähnten anderen Teilhabe­
dimensionen mitabdeckt, erscheint es sinnvoll, ganzheitlich neu zu denken.
10
Diversity Management ist auch als Instrument des Bewerbermarketings in den Focus
gerückt. Es kann als ein wirksames Mittel
eingesetzt werden, den Arbeitgeber attraktiv bei Bewerbern darzustellen – gerade in
der Zeit zunehmenden Fachkräftemangels
und internationalen Wettbewerbs um die
besten Talente. Dennoch wird Diversity Management nicht bei allen Unternehmen als
wirtschaftliche Entscheidung wahrgenommen. Bei einigen Führungskräften hat dieses personalstrategische Instrument noch
den Geruch einer PR- oder CSR-Maßnahme
oder eines Benefizaktes. Gelungenes und
ganzheitliches Diversity Management kann
zwar auch diese Wirkungen erzielen, ist aber
ein personalstrategisches, wirtschaftliches
Instrument.
One size fits all?
Die Methodenvielfalt im Diversity Management ist vielfältig und in jeder Organisation anders auf die Unternehmenskultur
abgestimmt. Ein „Schema F“ ist wegen
unterschiedlicher Mitarbeiterstrukturen,
regionaler Verteilung oder Unternehmensgliederung wenig hilfreich. Glücklicherweise sind die gesetzlichen Vorgaben, die
entsprechend formelhaft erfüllt werden
müssen, nur ein Bruchteil des Gestaltungsspielraums im Diversity Management.
implementiert, kontrolliert und weiterentwickelt wird.
Als Beispiel denke man sich moderne Arbeitszeitmodelle, oft unter dem Stichwort
„Work-Life-Balance“ zusammengefasst. Sie
werden oft für mehr Familienfreundlichkeit
eingeführt, um Frauen die Beteiligung am
Arbeitsleben zu erleichtern – zum überwiegenden Teil sind es nämlich Frauen, die die
Verantwortung für Kinderbetreuung in ihren
Familien übernehmen. Die Fokussierung auf
das Instrument Arbeitszeitflexibilisierung
schließt nun mehrere Kategorien mit ein:
Es wird nicht auf ein Familienmodell beschränkt, denn auch Väter profitieren von
flexiblen Arbeitszeiten. Gleichzeitig können
beispielsweise chronisch kranke und behinderte Mitarbeiter gleichermaßen dieses
Instrument nutzen, ihre Arbeit so zu erledigen und ihre Gesundheit zu pflegen. Auch
die langfristige Verteilung der Arbeitszeit
zwischen Alten und Jungen kann über dieses
Instrument genutzt werden, beispielsweise
um mit Lebensarbeitszeitkonten den Einstieg in Altersteilzeit zu erleichtern.
AKTUELL < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
Andere Instrumente sind weniger umfassend,
können aber parallel für verschiedene Mitarbeitergruppen genutzt werden. Netzwerke
oder Stammtische, vom Unternehmen ermöglicht und mit bescheidenen Budgets ausgestattet, können für Migranten, junge Mitarbeiter, Frauen, LGBTI* (lesbische, schwule,
bisexuelle sowie trans- und intergeschlechtliche Mitarbeiter/-innen) eine wertvolle Anlaufstelle sein, vermitteln Wertschätzung durch
und Identifikation mit dem Unternehmen,
transportieren die Botschaften des Arbeit­
gebers in ihre jeweiligen Umfelder und dienen
als Ort des Austausches und der Inspiration.
Diese Erfahrung bestätigt sich, wenn man die
Besucher der LGBTI-Karrieremesse STICKS &
STONES in Berlin betrachtet. Die Hälfte der Besucher, die dort den passenden Arbeitgeber
suchen, identifiziert sich als heterosexuell.
Für viele Arbeitgeber ist Sinn der Präsenz auf
der Messe gar nicht die Rekrutierung schwuler, lesbischer, bisexueller oder trans- und intergeschlechtlicher Mitarbeiter, sondern die
Signalisierung der Offenheit gegenüber der Individualität jedes Bewerbers. Unternehmen,
die LGBTI als Dimension wertschätzen, vernachlässigen nicht die anderen Dimensionen.
Diese Erfahrung deckt sich mit den Daten, die
der Völklinger Kreis in seiner zweijährlichen
Studie „Diversity Management in Deutschland“ erhebt. Auch in den Rohdaten für 2015
ist ersichtlich, dass solche Arbeitgeber, die
„LGBTI-Engagement“ zeigen, alle anderen
Dimensionen der Vielfalt mit mehr Engagement behandeln. Beispielsweise wurde unter
unseren Gesprächspartnern religiöse Vielfalt
nur von solchen Unternehmen aufgegriffen,
die auch sexuelle Orientierung im Portfolio
haben. Ein „Ausspielen“ verschiedener Mitarbeitergruppen gegeneinander scheint nicht
zu passieren. Solange es hier keine Tendenz
zur puren Symbolhandlung gibt, scheint das
wahrnehmbare Engagement für LGBTI im Diversity Management eine gute Investition für
das Employer Branding zu sein, weil es als die
Dimension verstanden wird, die für ein ganzheitliches und integriertes Konzept der Mitarbeitervielfalt seht.
Kontakt: [email protected] (dort kann
auch der ausführliche Studienbericht „Diversity Management in Deutschland 2013“
angefordert werden – die Folgestudie erscheint im Oktober 2015). Die Kurzfassung
findet sich unter https://www.vk-online.
de/berufliche-lobbyarbeit/unternehmenssicht/diversity-studien-des-vk.html.
René Behr ist seit 2011 ehrenamtliches
Mitglied im Vorstand des Berufsverbandes
Völklinger Kreis e. V. und seit 2014 Vorsitzender des Gremiums. Als Head of Human
Resources in einem internationalen Unternehmen lebt und arbeitet er in der Nähe
von Stuttgart. Neben dem Engagement im
Völklinger Kreis e. V. ist er auch im Beirat
der Stiftung PrOut@Work und engagiert
sich für weibliche Karrieren durch PANDA.
Quelle: Fotolia, © picsfive/ imagehub
Aus der Perspektive des Employer Branding
ist es wichtig, die Aktivitäten des Unternehmens im Diversity Management auch deutlich
und explizit zu formulieren. Aussagen, die sich
im Allgemeinen verlieren, sind oft kontraproduktiv: „Bei uns sind alle willkommen“ könnte auch bedeuten, dass das Unternehmen
keinen Bedarf sieht, die Vielfalt in der Belegschaft wertzuschätzen und zu fördern. Viele
Bewerber, die sich in ihrer Individualität willkommen fühlen wollen, suchen explizit nach
Arbeitgebern, deren Diversity Management
auch Dimensionen bearbeitet, die sie gar nicht
selbst „betreffen“. Bei hoch qualifizierten Bewerbern gilt dann die explizite Inklusion der
sexuellen Orientierung als Nagelprobe. Sie ist
das Feld, an das viele Unternehmen sich nicht
herantrauen. Auf einer Karrieremesse konn-
te ich beobachten, wie wiederholt asiatische
Frauen die Unternehmensbroschüre vom
LGBTI-Stand eines Unternehmens mitnahmen. Auf die Frage, ob sie denn lesbisch sei,
antwortete die Besucherin: „Nein, aber wenn
das Unternehmen versteht, wie man LGBTIMitarbeiter mitnimmt, dann kümmern die sich
auch um Frauen und können mit Migrationsgeschichten auch umgehen“.
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PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > AKTUELL
SCHWERPUNKT DIVERSITY
WISSENSMANAGEMENT UND ALTERSGERECHTE
­ARBEITSPLATZGESTALTUNG
Der demografische Wandel ist endgültig in den Unternehmen angekommen: Ein Drittel der deutschen
­Unternehmen spürt bereits heute demografiebedingte Auswirkungen. Jedes zweite (52 %) leidet unter
Arbeitskräftemangel. Immerhin 45 % der Unternehmen entwickeln demografiebezogene Maßnahmen
oder setzen sie bereits um. Das zeigt die aktuelle Demografiestudie von Towers Watson, für die nach
2011 und 2013 zum dritten Mal 170 Unternehmen in Deutschland befragt worden sind.
demografischen Wandel. „Dieses Ergebnis
kommt für uns nicht überraschend. Die Branche befindet sich in der Konsolidierung und
hat sich diesem Thema bereits vor einiger Zeit
angenommen“, erklärt Dr. Schwinger.
Auch die Größe der Unternehmen hat einen
Einfluss auf die Wahrnehmung des demografischen Wandels. Je kleiner die Unternehmen,
desto eher werden die Auswirkungen des
Quelle: Fotolia, © kamasigns
„Die Ergebnisse unterstreichen, dass das
Thema Demografie in den Unternehmen an
Relevanz gewonnen hat. Sie haben begonnen, Prozesse aufzusetzen und zu gestalten,
um den Herausforderungen des demografischen Wandels erfolgreich zu begegnen. Dennoch gibt es immer noch eine Menge zu tun,
da viele HR-Maßnahmen erst mit einer gewissen Vorlaufzeit Wirkung zeigen“, kommentiert Dr. Reiner Schwinger von Towers Watson.
Am demografischen Wandel führt kein Weg vorbei
Auswirkungen des demografischen
Wandels sind sichtbar
81 % der Unternehmen halten die strategische
Bewältigung des demografischen Wandels für
erfolgskritisch – elf Prozentpunkte mehr als
bei der Erhebung 2013. Bei drei Viertel der Unternehmen (2013: 67 %) sind demografiebedingt bereits Änderungen in der Altersstruktur der Belegschaft sichtbar. Über die Hälfte
(52 %) klagt über Fach- und Führungskräftemangel. Diese Entwicklungen sind besonders
in der Dienstleistungsbranche zu spüren.
Jedes dritte Unternehmen (32 %) nimmt den
Arbeitskräftemangel bereits jetzt wahr – 2013
waren es noch 27 %. Fast die Hälfte (45 %;
2013: 55 %) erwartet erst in den nächsten
zehn Jahren Probleme bei der Personalrekrutierung. Diese Sichtweise herrscht namentlich
bei den Finanzdienstleistern (65 %) vor. Aktuell
spüren nur 17 % der Finanzunternehmen den
12
Fachkräftemangels bereits heute wahrgenommen. Bei einer Mitarbeiterzahl bis 5.000
ist es jedes dritte Unternehmen (34 %). Bei
Unternehmen mit mehr als 20.000 Beschäftigten geben dies hingegen nur 13 % an.
Unternehmen haben demografischen
Wandel auf der Agenda
Fast die Hälfte der Unternehmen (45 %) entwickelt Maßnahmen gegen den demografischen
Wandel oder setzt diese bereits um – das sind
15 bzw. zwölf Prozentpunkte mehr als 2011
bzw. 2013. Das Demografiemanagement ist
damit in den Unternehmen angekommen.
Dieses Ergebnis ist ein deutlicher Fortschritt
in den vergangenen Jahren. Besonders bei
klassischen und bereits eingeführten HRMaßnahmen wie betrieblicher Altersvor­sorge,
Personalentwicklung, Vergütungs- und TalentManagement ist die große Mehrheit der Unternehmen (jeweils über 60 %) hinsichtlich
demografischer Herausforderungen bereits
gut aufgestellt. Als wirkungsvolle Maßnahmen gegen Arbeitskräftemangel sehen die
Unternehmen in der Zukunft die Umsetzung
des Wissensmanagements (46 %) und der altersgerechten Arbeitsplatzgestaltung (42 %).
Bei der Bewältigung des demografischen Wandels ist die Bedeutung des Employer Branding
nach wie vor hoch: Für 69 % der Unternehmen
(2013: 78 %) steht das Recruiting ganz oben
auf ihrer Demografie-Agenda. Im Vergleich zu
2013 rückt nun die bestehende Belegschaft
stärker in den Fokus. Die größten Zuwächse haben die Themen „Altersgerechte Arbeitsplätze“
(+ 11 %) und „Anpassungen der betrieblichen
Altersvorsorge“ (+ 7 %) zu verzeichnen. Nach
wie vor große Bedeutung hat das betriebliche
Gesundheitsmanagement für zwei Drittel der
Firmen – wie schon 2013 gehört es für 66 %
der Firmen zu den wichtigsten Maßnahmen
auf ihrer Demografie-Agenda. „Die Maßnahmen
zur Bekämpfung des demografischen Wandels
verschieben sich mehr auf die Entwicklung
der bestehenden Mitarbeiter und dort auf die
Felder Benefits und Arbeitsumfeld“, sagt Dr.
Thomas Jasper, Leiter der bAV-Beratung bei
Towers Watson. Denn immer mehr Arbeitnehmer erwarten von ihrem Unternehmen die Bereitstellung einer attraktiven Altersvorsorge.
„Die Ansprüche der Mitarbeiter in Bezug auf
die betriebliche Altersvorsorge werden weiter
ansteigen. Eine angemessene bAV spielt für die
Bindung und Gewinnung von Fachkräften eine
wichtige Rolle“, betont Dr. Jasper.
Die Erfahrungen des DFK in der Betreuung seiner Mitglieder und der Sprecherausschüsse
der Leitenden Angestellten bestätigen das. In
einigen Unternehmen gibt es eine regelrechte
Renaissance der betrieblichen Altersversorgung, wenn auch nicht mehr zwingend in der
klassischen Form der Direktzusage. Auf dem
Vormarsch sind aber weiter Versicherungslösungen und Modelle, bei denen Mitarbeiter
und Arbeitgeber gleichermaßen in die Altersversorgung einzahlen. go
AKTUELL < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
DER POLITISCHE TERMINKALENDER DES DFK
13.07. Der DFK ist beim EBD Briefing mit
Vorstellung des Programms der luxemburgischen
EU-Ratspräsidentschaft. „Eine Union für die
Bürger“ – unter diesem Motto will das Großherzogtum zum Abschluss der Triopräsidentschaft
(Italien, Lettland, Luxemburg) den Bogen zu mehr
Transparenz und Bürgernähe spannen, was angesichts der aktuellen wirtschaftlichen, sozialen
und politischen Herausforderungen als notwendiges und zeitgleich ambitioniertes Ziel erscheint.
Lesen Sie hierzu den Bericht auf Seite 20.
14.07.
Der DFK ist bei microsoft, Unter den
Linden in Berlin, eingeladen und informiert sich
beim Tag der Verbände und Stiftungen über
Member Relations und wirksames politisches
Agieren in Berlin.
30.07.
Auf Einladung des Bundes­
arbeitsministeriums diskutiert der DFK
in Berlin mit Vertretern der Bundesvereinigung
der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)
und des Deutschen Gewerkschaftsbundes
(DGB) über die Novellierung der Wahlverfahren
für die Aufsichtsratswahlen. Das Gesetz über
Geschlechterquote in den Aufsichtsräten
macht eine Überarbeitung der Wahlordnungen
erforderlich. Einvernehmen besteht zudem
darin, dass die Wahlverfahren im nächsten Jahr
noch einmal komplett überprüft werden sollen.
Auch hier ist der DFK eingebunden.
14.08. Gemeinsames Treffen mit dem
Bundesvorsitzenden Heinz Leymann des
Verbandes der Ingenieure für Kommunikation
(IfKom e.V.), Sebastian Müller, Sprecher der
DFK-Geschäftsführung und Präsident des
europäischen Führungskräfteverbandes eTIC
für Führungskräfte in der Telekommunikation,
IT und Kommunikation, sowie Diana Nier, DFKRessortleiterin Nationale Politik & Public in
Essen. Inhalt der Gespräche war ein Austausch
über aktuelle politische Themen aus dem
Bereich Digitalisierung sowie über engere politische Zusammenarbeit der einzelnen Verbände.
26.08.
Der DFK benennt Dipl.-Ing. Hans
Herbert Kindermann zum diesjährigen MINTBotschafter des Verbandes. Kindermann ist
Geschäftsführer von EWEX-Engineering GmbH
& Co. KG. und setzt sich z. B. durch die Zusammenarbeit mit den Hochschulen Bochum und
Zittau mittels kooperativer Ausbildungsgänge
(KIS und KIA) für die MINT-Förderung ein. Er
unterstützt das ZdI-Netzwerk Gelsenkirchen,
welches sich zum Ziel gesetzt hat, Schülern
und jungen Leuten Vorzüge einer Ausbildung im
Bereich der MINT-Fächer näherzubringen. Die
Ehrung erfolgt am 29. September 2015 bei der
MINT-Botschafterkonferenz in Stuttgart.
03.09. Der DFK nimmt Stellung zur digita-
len Bildung in Deutschland und Europa: Um weiter wettbewerbsfähig in Europa zu sein, muss
deutlich mehr Wert auf die Vermittlung digitaler
Kompetenzen gelegt werden. Lesen Sie hierzu
die Stellungnahme auf Seite 14.
04.09.
Bei der Jahrestagung der VKD-Landesgruppe Berlin/Brandenburg ist der DFK mit einem
Vortrag durch Verbandsjuristin Diana Nier zu
Gast und diskutiert mit dem Kooperationspartner
VKD über „Führungskraft im Wandel?“. Lesen Sie
hierzu den Bericht auf Seite 33.
07.09. An der Präsidiumssitzung des ZBI-
Zentralverband der Ingenieurvereine nimmt der
DFK als Gast in Berlin teil.
BUCHTIPP
Dr. Willy Marth
Energiewende und Atomausstieg
Books on Demand,
1. Auflage 2015
200 Seiten, broschiert
ISBN 978-3738660906
14,95 E
Als promovierter Physiker und diplomierter Betriebswirt verfügt der Verfasser über
­jahrelange Erfahrung mit Großprojekten in
der Energiewirtschaft mit dem Schwerpunkt
Kernenergie, d. h., er weiß, wovon er schreibt.
Marth wirft die Leser nicht ins kalte Wasser
und überfällt sie mit technischen Fachbegriffen oder komplizierten Zusammenhängen, sondern führt sie zunächst ein in die
Entstehung des deutschen Strommarktes
bis hin zu den aktuellen Herausforderungen der Energiewende wie überteuertes
EEG und erschwerter Leitungsbau.
Technische und wirtschaftliche Aspekte
werden dabei ebenso erläutert wie Entscheidungen von Politik und Unternehmen
und deren Hintergründe. Letzteres geschieht kritisch und in verständlicher, oft
bildhafter Sprache und ohne übertriebenen
Respekt vor Regierung, Ministern oder Unternehmenslenkern.
Nicht immer werden alle Hintergründe beleuchtet, so zum Beispiel bei der Kritik am
europaweiten CO2-Zertifikatehandel ETS. Es
werden lediglich die niedrigen Zertifikatspreise als Zeichen für das Scheitern des ETS
zitiert, anstatt zu erläutern, dass niedrige
Preise davon zeugen, dass der ETS funktioniert, da die schrittweise abgesenkte
Gesamtmenge an Zertifikaten eingehalten
wird und die aus unterschiedlichen Gründen zurückgehende Nachfrage unter dem
Angebot liegt, was zu den niedrigen Preisen führt. In Deutschland ist das sicherlich
auf den rasanten Ausbau der erneuerbaren
Energien zurückzuführen. Hier bedarf es
einer geeigneten Verknüpfung von ETS und
EEG und nicht eines willkürlichen Eingriffs
in den funktionierenden ETS.
Wir lernen, dass Politik nicht immer fair ist,
wenn sie z. B. beschließt, die Steuer auf
Brennelemente beizubehalten, die sie im
Zusammenhang mit der vorübergehenden
Verlängerung der Kraftwerkslaufzeiten beschlossen und vergessen hat, sie mit dem
endgültigen Ausstieg wieder zurückzu­
nehmen.
Und wir lernen, welch unterschiedlichen
Einflüssen Beschlüsse der Politik einerseits und Wirtschaft andererseits unterliegen und wie schwer es ist, daraus Investitionssicherheit abzuleiten.
Es ist ein Buch ohne Happy End. So lässt uns
Marth zurück ohne einen Vorschlag für die
erfolgreiche Umsetzung der Energiewende.
Doch das wäre auch zu viel verlangt. Dafür
verstehen wir aber die Hintergründe der
Energiewende mit ihren massiven Veränderungen für die deutsche Energiewirtschaft
und die darin tätigen Unternehmen und
Menschen. Bernhard von Rothkirch
13
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > AKTUELL
DFK, IFKOM UND ETIC WARNEN:
BEI DIGITALER BILDUNG ZUKUNFT NICHT VERSPIELEN!
In der Bildungspolitik muss nach Auffassung der deutschen Verbände DIE FÜHRUNGSKRÄFTE – DFK und
­IfKom-Ingenieure für Kommunikation sowie des europäischen Verbands eTIC schnellstens gehandelt werden.
sind jedoch für eine zukunfts- und wettbewerbsorientierte Aus-, Fort- und Weiterbildung unabdingbar.
V.l.n.r.: Sebastian Müller, Diana Nier, Heinz Leymann
Um weiter wettbewerbsfähig in Europa zu
sein, muss in Deutschland deutlich mehr
Wert auf die Vermittlung digitaler Kompetenzen gelegt werden. „Dabei geht es nicht
vorrangig um die Einführung neuer Fächer
wie etwa Programmieren oder allein um das
Aufrüsten mit Computern, sondern um die
Einbeziehung der digitalen Aspekte in den
gesamten Fächerkanon der Schul- und Hochschulausbildung“, fordert der IfKom-Bundesvorsitzende Heinz Leymann.
Der Austausch mit den Bildungseinrichtungen zeigt, dass digitales Arbeiten in Schulen
oft nur bei Fächern wie Informatik eine Rolle
spielt. Nur wenige Schulen nutzen darüber
hinaus PC, Laptop oder Tablets zum Arbeiten
im Unterricht. Digitale Lernmedien und -technologien sowie deren Anwenderkompetenz
„Oft fehlt es an profanen Dingen, wie breitbandige Internetzugänge für Schulen,
Steckdosen und WLAN in den Unterrichtsund Hörsälen, aber auch an der Möglichkeit,
Lehrpersonal in der Vermittlung der digitalen Kompetenzen zu unterstützen. Personal- und Budgetmangel lassen Initiativen
scheitern, hier wird beim Bund wie bei den
Ländern zu Lasten unserer Kinder an der
falschen Stelle gespart. Eine fortschrittliche Bildungsnation sieht anders aus. Wir
reden von Industrie 4.0 und praktizieren
Bildungspolitik 1.0“, so Diana Nier, Ressortleiterin Nationale Politik & Public Affairs
beim DFK.
Laut der „International Computer und Information Literacy Study“ (ICILS-Studie)
befindet sich Deutschland im Bereich der
computer- und informationsbezogenen
Kompetenzen von Schulabgängern nur im
Mittelfeld. Spitzenreiter in der Untersuchung
war die Tschechische Republik. Von den 21
untersuchten Ländern dieser ICILS-Studie
lagen Dänemark, Norwegen, Polen und die
Niederlande noch vor Deutschland.
Sebastian Müller, DFK-Geschäftsführer und
Präsident des europäischen Verbandes eTIC
für Führungskräfte in der Telekommunika-
tion, IT und Kommunikation, betont, dass
auch in den anderen europäischen Ländern
ein großer Verbesserungsbedarf bei der digi­
talen Bildung bestehe. Allein die Schweiz
habe bereits 2008 die Breitbandversorgung
in den Grundversorgungskatalog aufgenommen und eine klare Curriculums-Empfehlung, nach der Informatik, Medienkompetenz
und IT als zusätzliche Fächer aufzunehmen
sind. Müller: „Wir brauchen in Europa eine viel
stärkere Fokussierung der Aus- und Weiterbildung auf diejenigen Kompetenzen, die zukünftig noch stärker erforderlich sind – vor
allem Fähigkeiten zur Entwicklung, Pflege
und Betrieb digitaler Systeme. Dies muss bereits in der Schule beginnen. Hier ist europaweit noch viel zu tun.“
eTIC – European Managers’ Federation in
Technologies of Information and Communication e. V. mit Sitz in Paris ist der europäische Zusammenschluss mehrerer
Berufsverbände Europas für Fach- und
Führungskräfte aus den Branchen IT,
Kommunikation und Telekommunikation.
eTIC ist als Interessensvertretung bei der
europäischen Kommission registriert und
zugleich Mitglied in der CEC (Confédération Européenne des Cadres), so besteht
die Möglichkeit der Einflussnahme auf
europäische Politik und Gesetzgebungsverfahren.
(„ATTACKE GEGEN DEN INDUSTRIESTANDORT ­DEUTSCHLAND“ IN HEFT 05-06/2015)
WARUM NICHT KONSEQUENT?
Zunächst beschreibt Herr von Rothkirch die Konsequenzen aus dem europaweiten Zertifikatehandel zutreffend:
„Die (von Wirtschaftsminister Gabriel)
geplanten Maßnahmen ... sind sinnfrei,
da CO2 einfach jenseits der Grenze in
einem anderen Land emittiert wird.“
Danke für die klaren Worte. Aber dann
plädiert Herr von Rothkirch für Sub-
14
ventionen in die Kraft-Wärme-Kopplung, die wären volkswirtschaftlich
weniger schädlich als die (von Gabriel
geplante) Abschaltung von Braunkohlekraftwerken. Stimmt, aber sie sind
klimapolitisch genauso „sinnfrei“, weil
der Zertifikatehandel natürlich auch
hier jede entsprechende Wirkung aufhebt. Und das gilt genauso für die ge-
samte Energiewende. Die kostet noch
hundert­mal mehr, kann aber aus dem
gleichen Grund die (europaweite) CO2Freisetzung nicht reduzieren. Warum
sagen DIE FÜHRUNGSKRÄFTE nicht das?
Das würde der Volkswirtschaft noch viel
mehr nützen, und das ist das, was ich
mir von Führungskräften eigentlich erwarte. Dr. E ike Roth
AKTUELL < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
SPRECHERAUSSCHUSSKONFERENZ 2015
ES IST WIEDER SO WEIT!
Jetzt noch anmelden zur Sprecherausschusskonferenz Ende Oktober 2015
Auch in diesem Jahr laden DIE FÜHRUNGSKRÄFTE – DFK wieder zu
dem hochklassigen Meeting der Vertreter der Leitenden Angestellten mit einem erstklassigen Programm ein. Neben renommierten
Speakern und interessanten Gästen ist auch das Networking untereinander ein wichtiger Punkt, da die Erfahrung zeigt, dass der persönliche Austausch durch nichts zu ersetzen ist.
Nutzen Sie diese Gelegenheit und melden sich noch bis
­einschließlich zum 26. Oktober 2015 online oder per Fax an!
(Anmeldeformular auf unserer Website)
Termin: 29. und 30. Oktober 2015
Donnerstag, 29. Oktober 2015
19:00 Uhr bis 22:00 Uhr: „Get-Together“ und Dinner
Freitag, 30. Oktober 2015
9:00 Uhr bis 16:00 Uhr: Konferenz
Ort: ATLANTIC Congress Hotel Essen
Norbertstr. 2a, 45131 Essen
Donnerstag, 29. Oktober 2015
19:00 Uhr
Get-Together
20:00 Uhr
Dinner-Speech
Dr. Söke Dinkla, Direktorin des Lehmbruck Museums,
Duisburg
20:30 Uhr
Gemeinsames Abendessen
Freitag, 30. Oktober 2015
11:00 Uhr
Pause
11:30 Uhr
„Managerversagen und Derailment – Turning a blind
eye to disaster”
Prof. Dr. Fritz Westermann, FOM Hochschule für
Oekonomie & Management, Hamburg
12:15 Uhr
„[email protected]“
Jörg Löwenstein, Coach und Unternehmensberater
09:00 Uhr
Begrüßung
13:00 Uhr
Mittagessen
09:05 Uhr
„New Way of Working“
Christine Merkamp, NWoW Engine E xpert der RWE
Consulting GmbH, Sprecherausschussmitglied RWE
Power AG, Aufsichtsratsmitglied RWE AG
14:00 Uhr
Vorstellung der Studie „Persönlichkeit und Erfolg
von Führungskräften“
Prof. Dr. Jens Nachtwei, Institut für Psychologie,
­Humboldt-Universität zu Berlin
anschließend: Aussprache und Erfahrungsaustausch
14:45 Uhr
Pause
10:30 Uhr
„Umstrukturierungen im Unternehmen – Assessment Center und interne Bewerbungsverfahren
versus Kündigungsschutzgesetz“
15:00 Uhr
Meinungs- und Erfahrungsaustausch
Dr. Heike Kroll, DFK-Rechtsanwältin und Fachanwäl­
tin für Arbeitsrecht
16:00 Uhr
Ende der Veranstaltung
Anmeldung ist über die Website des Verbandes möglich.
Kosten: Da diese Tagung im rechtlichen Sinne eine Bildungsveranstaltung zur Unterstützung der Sprecherausschussarbeit gemäß § 14 Abs.
2 SprAuG ist, hat der Arbeitgeber die Kosten hierfür zu tragen. Sie können den Tagungsbeitrag sowie die Reise- und Übernachtungskosten
also mit Ihrem Unternehmen abrechnen.
Teilnahmegebühr: Die Kosten für das „Get-Together“ (Aperitif und Abendessen), die Konferenz mit Mittagessen, Pausengetränke und Seminar­
unterlagen betragen 364,50 E zuzüglich Umsatzsteuer von 19 %. Den entsprechenden Kostenbeitrag von 450,– E bitten wir nach Erhalt der
Rechnung auf das Konto der DFK-Servicegesellschaft zu überweisen.
15
EXKLUSIVE SEMINARE
Die BEW GmbH, als Servicegesellschaft des
Verbandes DIE FÜHRUNGSKRÄFTE – DFK,
bietet Seminare, Workshops, Vorträge etc.
auf den Gebieten der Karriereentwicklung,
des Arbeitsrechts und des Rechts der Sprecherausschüsse an den Standorten Hamburg, Berlin, Leipzig, Essen, Köln, Frankfurt
am Main, Stuttgart und München sowie als
Inhouse-Veranstaltungen zu günstigen Konditionen an. Die Durchführung an anderen
Veranstaltungsorten ist ebenfalls möglich!
Unsere Vorteile
Hoch qualifizierte und erfahrene Referentinnen und Referenten
Eigene Seminarräume in den Geschäftsstellen
Ermäßigte Seminargebühren für Mitglieder
des Verbandes DIE FÜHRUNGSKRÄFTE –
DFK und für die Kooperationspartner
Die Seminargebühren können vom Arbeitgeber übernommen werden bzw. sind
im Rahmen der Steuererklärung als Werbungskosten ansetzbar.
Im Kostenbeitrag enthalten
Umfangreiche Arbeitsunterlagen
Bei den gelisteten Veranstaltungen handelt
es sich lediglich um eine kleine Auswahl unseres umfangreichen Veranstaltungsangebots. Besuchen Sie daher bitte auch unseren
Online-Auftritt.
Rechtsseminare und -schulungen
ab 2016
Verpflegung inklusive Mittags­imbiss und
Getränke
Bitte beachten Sie, dass wir ab 2016 wieder
Vortragsveranstaltungen, Rechtsschulungen und Seminare zu juristischen Themen
aus dem Bereich des Arbeitsrechts bundesweit anbieten.
Direkte Ansprechpartner vor Ort durch
­unsere kompetente Tagungsbetreuung
Die Veranstaltungsübersicht wird in Kürze
online veröffentlicht!
Vorankündigungen exklusiver Veranstaltungen für Führungskräfte
21.10.2015 und 11.11.2015 10.00 – 18.00 Uhr
MEDIENTRAINING – GRUNDLAGEN UND KAMERATRAINING
Rechtsanwalt & TV-Journalist Thomas Becker
RTL-Journalistenschule in Köln
1.350 € für Verbandsmitglieder,
sonst 1.545 € zzgl. 19 % Mehrwertsteuer
ACHTUNG: lediglich 4 Teilnehmer je Termin!
Das exklusive Training ist explizit auf Vorstände, Geschäftsführer und Führungskräf-
te mit Repräsentationspflichten ausgerichtet.
Neben der Erlangung von „Medienkompetenz“ wird der Auftritt vor einer Profi-TVKamera intensiv in einem TV-Studio trainiert.
Der Tag kann mit einem Besuch der Live-TVSendung „stern tv“ abgerundet werden.
Thomas Becker arbeitet als Journalist,
Rechtsanwalt und Referent. Seit 2004 berichtete er regelmäßig im TV über Rechts- und
Sozialthemen sowie seit Mitte 2006 für den
WDR den „Bericht aus Brüssel“ und das „Europamagazin“. Bei seiner Tätigkeit als Referent
greift er auf über 10 Jahre Erfahrung als Seminarleiter und Seminarreferent zurück.
07.10.2015 und 22.10.2015 10.00 – 18.00 Uhr
AUFTRITTS-COACHING – TRAINING AUF DER THEATERBÜHNE
Kommunikationsberaterin und Journalistin
Dorothea Dühr
Theater im Keller
Kleingedankstr. 6, 50667 Köln
und
Haus der Führungskräfte
Alfredstr. 77/79, 45130 Essen
1.350 € für Verbandsmitglieder,
sonst 1.545 € zzgl. 19 % Mehrwertsteuer
Wer vor einer kleinen oder großen Öffentlichkeit präsentieren muss, weiß, es gilt zu
überzeugen. Man steht im Rampenlicht und
hat nur noch sich selbst dabei. Alle Augen
sind auf Sie gerichtet. Starkes Lampenfieber und Stress holen Sie ein. Gegen den
erhöhten Adrenalinausstoß helfen probate
Mittel. Und ein guter Auftritt gewinnt durch
Ausstrahlungskraft und Authentizität. Doch
was strahlen Sie aus? Und sind Sie sich
dieser Wirkung bewusst? Sind Sie authentisch?
Erleben Sie Ihren eigenen positiven Auftritt
auf einer Theaterbühne.
Dorothea Dühr kann auf mittlerweile 25
Jahre profunder Erfahrung in der Unternehmenskommunikation zurückblicken und
bietet dieses Seminar zu einem exklusiven
Preis an.
Bei den gelisteten Veranstaltungen handelt es sich lediglich um eine Auswahl unseres umfangreichen Veranstal­tungs­angebots.
­Besuchen Sie daher bitte auch unseren Online-Auftritt u­ nter www.die-fuehrungskraefte.de.
16
FÜR FÜHRUNGSKRÄFTE
WEITERE SEMINARE
REGION HAMBURG
16.10.2015 09.30 – 17.30 Uhr
REGION LEIPZIG
29.10.2015 und 30.10.2015
ZEIT- UND SELBSTMANAGEMENT – 09.00 – 17.00 Uhr
ERFOLGSFAKTOR GELASSENHEIT
WARUM ZEITHABEN KEINE ZEIT– DIE KUNST KLAR ZU DENKEN
FRAGE IST
Dörte Behrendt
Fürstenberg Institut GmbH
Gorch-Fock-Wall 3, 20354 Hamburg
450 E für Verbandsmitglieder,
sonst 645 E, jeweils zzgl. 19 % MwSt.
20.11.2015 09.30 – 17.30 Uhr
LAMPENFIEBER – VON DER
­PRODUKTIVEN ANGST, VORNE
ZU STEHEN
Melanie Brauck
Fürstenberg Institut GmbH
Gorch-Fock-Wall 3, 20354 Hamburg
450 E für Verbandsmitglieder,
sonst 645 E, jeweils zzgl. 19 % MwSt.
REGION BERLIN
14.10.2015 13.00 – 19.00 Uhr
BRENNT UNS DIE SICHERHEIT
DURCH?
TECHNOLOGIEN, SZENARIEN, OPTIONEN
FÜR CYBER-SECURITY UND CYBERORDNUNG
Diverse Referenten
BITKOM Tagungszentrum
Albrechtstr. 10c, 10117 Berlin
190 E für Verbandsmitglieder,
sonst 290 E, jeweils zzgl. 19 % MwSt.
Bettina Bühler
Leipzig (genauer Veranstaltungsort wird
zeitnah bekannt gegeben)
Für beide Tage zusammen 800 E für Verbandsmitglieder, Nichtmitglieder 1.150 E,
jeweils zzgl. 19 % MwSt.
REGION ESSEN
05.11.2015 09.00 – 17.00 Uhr
ZIELE BESSER ERREICHEN
... UND DIE IMMUNITÄT GEGENÜBER
VERÄNDERUNG ÜBERWINDEN
Dr. Thomas Altmann
Haus der Führungskräfte
Alfredstraße 77/79, 45130 Essen
450 E für Verbandsmitglieder,
sonst 645 E, jeweils zzgl. 19 % MwSt.
26.11.2015 und 27.11.2015
09.00 – 17.00 Uhr
DEM STRESS DIE STIRN BIETEN:
GESUND LEBEN UND ARBEITEN
– AUCH IN ANGESPANNTEN
­SITUATIONEN
Bettina Bühler
Haus der Führungskräfte
Alfredstraße 77/79, 45130 Essen
Für beide Tage zusammen 800 E für Verbandsmitglieder, Nichtmitglieder 1.150 E,
jeweils zzgl. 19 % MwSt.
Für beide Tage zusammen 800 E für Verbandsmitglieder, Nichtmitglieder 1.150 E,
jeweils zzgl. 19 % MwSt.
REGION STUTTGART
05.10.2015 12.00 – 17.00 Uhr
MEHR ZEIT ZUM FÜHREN
INTENSIV-TRAINING MIT MAX. 6 TEILNEHMERN
Dr. Angela Witt-Bartsch
Stuttgart (genauer Veranstaltungsort wird
rechtzeitig bekannt gegeben)
450 E für Verbandsmitglieder,
sonst 645 E, jeweils zzgl. 19 % MwSt.
REGION MÜNCHEN
16.10.2015 12.00 – 17.00 Uhr
NEUE HERAUSFORDERUNGEN
SUCHEN UND FINDEN
INTENSIV-TRAINING MIT MAX. 6 TEILNEHMERN
Dr. Angela Witt-Bartsch
München (genauer Veranstaltungsort wird
zeitnah bekannt gegeben)
450 E für Verbandsmitglieder,
sonst 645 E, jeweils zzgl. 19 % MwSt.
27.10.2015 und 07.12.2015
09.00 – 17.00 Uhr
FÜHREN M.0
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Hotel Torbräu, Tal 41, 80331 München
Für beide Tage zusammen 1.350 E für Verbandsmitglieder, Nichtmitglieder 1.545 E,
jeweils zzgl. 19 % MwSt.
REGION FRANKFURT AM MAIN 09.11.2015 12.00 – 17.00 Uhr
MEHR ZEIT ZUM FÜHREN
RAUS AUS VERFAHRENEN SITUATIO- 12.11.2015 und 13.11.2015
INTENSIV-TRAINING MIT MAX. 6 TEIL03.12.2015 10.00 – 17.00 Uhr
NEN: SICH SELBST BERATER SEIN
Dr. Eva Maria Höller-Cladders
BITKOM Tagungszentrum
Löhleinstraße 61, 14195 Berlin
450 E für Verbandsmitglieder,
sonst 645 E, jeweils zzgl. 19 % MwSt.
09.00 – 17.00 Uhr
ERFOLGSFAKTOR GELASSENHEIT
– DIE KUNST KLAR ZU DENKEN
Bettina Bühler
Frankfurt am Main (genauer Veranstaltungsort wird zeitnah bekannt gegeben)
NEHMERN
Dr. Angela Witt-Bartsch
München (genauer Veranstaltungsort wird
zeitnah bekannt gegeben)
450 E für Verbandsmitglieder,
sonst 645 E, jeweils zzgl. 19 % MwSt.
17
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > POLITIK
SCHWERPUNKT DIVERSITY
FLÜCHTLINGE: SCHAFFT DEUTSCHLAND DEN SPAGAT?
von Diana Nier, Ressortleiterin Nationale Politik & Public Affairs, Hauptstadtbüro
Kaum ein politisches Thema bewegt derzeit
deutschlandweit die Bürgerinnen und Bürger
wie die ­Bewältigung des Flüchtlingsstroms.
Die Bilder der vielen Flüchtlinge, die für ein
besseres oder einfach nur sicheres Leben in
Europa das eigene aufs Spiel setzen, sind täglich in den Medien. Die Ausschreitungen und
Übergriffe auf Asylbewerber und Flüchtlingsheime machen betroffen, und dies verurteilen
wir ­vehement! Umso beeindruckender ist die
Arbeit der vielen ehrenamtlichen Helfer bundesweit, die durch medizinische, finanzielle,
sprachliche Unterstützung Großartiges leisten.
Hauptherkunftsländer von Asylbewerbern in Deutschland im Jahr 2015*
Syrien
Kosovo
18
29.353
Serbien
11.642
Irak
10.501
Afghanist an
10.191
Mazedonien
5.514
Erit rea
Quelle: © RAMF
Deutschland muss einerseits Unterstützung und Hilfe leisten und ist Artikel 16a des
Grundgesetzes verpflichtet, wo es heißt,
dass politisch Verfolgte Asylrecht genießen.
Das Asylrecht in Deutschland ist kompliziert
und benötigt lange Bearbeitungszeiten. Der
Platz in Asylunterkünften ist knapp, und
durch eine lange Verfahrensdauer wird diese
Knappheit noch befördert. Aber: Deutschland
braucht Bevölkerungszuwachs! Deutschland ist im weltweiten Vergleich regelrecht
kinderarm. Laut einer Studie des Hamburger
Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), das die Geburtenrate auf je 1000 Einwohner überprüft
hat, sind wir sogar weltweit Schlusslicht! Die
29.997
Albanien
Deutschland steht aktuell vor großen Aufgaben und einem Spagat in der Flüchtlingsfrage.
Andererseits ist aber nicht nur Deutschland
allein gefragt, sondern alle europäischen
Staaten. Es bedarf einer angemessenen und
gerechten Flüchtlingsaufnahme europaweit!
Zudem sind langfristige und effiziente Lösungen in den Herkunftsländern zu suchen,
um ein „Ausbluten“ dieser Staaten zu vermeiden und einen sicheren und wirtschaftlichen
Aufbau vor Ort voranzutreiben. Denn wenn
wir einerseits flüchtende Menschen aufnehmen, von denen viele gut oder gar hoch qualifiziert sind, trifft uns anderseits eine Verantwortung in den Herkunftsländern, uns um die
verbleibenden Menschen zu kümmern. Hier
müssen wirkungsvolle Maßnahmen und Programme angeboten und unterstützt werden.
Dennoch: Der Zustrom wird auch in Deutschland nicht abreißen. Nicht nur politisch Verfolgte und Kriegsflüchtlinge, sondern auch
Menschen mit der Hoffnung auf ein besseres
Leben kommen zu uns.
42.100
4.871
Nigeria
3.381
Pakist an
3.379
0
5.000
10.000
15.000
20.000
25.000
30.000
35.000
40.000
45.000
Anzahl der Asylbewerber
Weitere Informationen: Deutschland
* Die Angabe für das Jahr 2015 bezieht sich auf die Monate von Januar bis Juli
aktuellen und zukünftigen Folgen des demografischen Wandels sind bekannt.
Es fehlen in vielen Sozial- wie MINT-Berufen
massiv Fachkräfte.
Gerade macht Berlin von sich reden, weil es
als einziges Bundesland Asylbewerbern und
Geduldeten den Hochschulzugang deutlich erschwert. In Berlin erhalten Asylbewerber und
Geduldete per se die Auflage, dass ein Studium
nicht gestattet ist. Nur in Einzelfällen weicht
Berlin von dieser strengen Verwaltungspraxis
ab, nämlich wenn der Flüchtling etwa nachweisen kann, seinen Lebens­unterhalt selbst
zu sichern, über ausreichende Sprachkenntnisse zu verfügen und das Ende des Asylund Duldungsverfahren nicht bestimmbar
ist. Aufgrund der Auflage fragen aber viele gar
nicht erst nach den Ausnahmeregeln.
In Hamburg, Bayern, Niedersachsen oder
Nordrhein-Westfalen gibt es demgegenüber
keine derartigen Auflagen. Nicht selten sind
aber Flüchtlinge zum Studium befähigt bzw.
qualifiziert oder haben ein Studium in ihrem
Herkunftsland begonnen, wenn nicht sogar
abgeschlossen.
Auf dieses Potenzial kann und sollte
Deutschland nicht verzichten. Viele Firmen
suchen händeringend Fachkräfte, können
Ausbildungsplätze nicht besetzen und werden durch den bestehenden Bürokratismus
abgeschreckt. Etliche investieren Zeit und
Geld in die Förderung von Asylbewerbern,
können dann aber kaum planen oder sichergehen, dass diese nicht doch, selbst nach
mehreren Jahren, abgeschoben werden.
Hier müssen Maßnahmen vom Bund, den
Ländern und den Kommunen getroffen werden, um eine qualifizierte Zuwanderung zu
gewährleisten. In diesem Zusammenhang
sollte auch diskutiert werden, ob Deutschland nicht zu einem Einwanderungsgesetz
übergehen sollte.
Aktuell sind insbesondere schnelle, zielgerichtete finanzielle Unterstützungen nötig,
um den vielen Ankömmlingen ein humanes
Asylverfahren zu ermöglichen. Ein konsolidierter nationaler Haushalt ist das eine, viele
wartende Menschen, zum Teil mit Klein- und
Kleinstkindern, für die in Deutschland kein
Dach über dem Kopf oder sanitäre Anlagen
zur Verfügung stehen, ist das andere.
POLITIK < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
SCHWERPUNKT DIVERSITY
IMPULSVERANSTALTUNG IN BERLIN
„Diversity Management stellt den Menschen in den Mittelpunkt, mit seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten, mit seinem
Können und Wissen, mit seinem Erfolg und
auch mit seinen Bedürfnissen. Es fordert
dazu auf, den Menschen in seinen Potenzialen zu erkennen und ihn individuell zu
fördern. Der gezielte Umgang mit Vielfalt
ist heute ein Schlüssel für nachhaltigen
Erfolg“, sagte Bundesarbeitsministerin
Andrea Nahles am Nachmittag auf der
zentralen Impulsveranstaltung „Sichtbar
anders//sichtbar gleich – wie viel Vielfalt
ist normal?“ im Maxim Gorki Theater in
­Berlin.
Deutschland ist vielfältig
Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft,
Politik und Gesellschaft diskutierten auf der
Impulsveranstaltung, wie sich im Alltag aus
vielfältigen Perspektiven und Kompetenzen gemeinsames Wissen und gemeinsame Werte schaffen lassen. Künstlerische
Beiträge des Maxim Gorki Theaters griffen
das Leitthema auf. „Deutschland ist vielfältig, das ist ein Fakt. Mehr als 80 Millionen
Menschen unterscheiden sich nach Alter,
Geschlecht, ethnischer Herkunft, Nationalität, Religion und Weltanschauung, Behinderung, sexueller Orientierung und Identität“, so Ana-Cristina Grohnert, Vorsitzende
der Charta der Vielfalt e. V. und Managing
Partner Talent bei Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. „Diese Vielfalt
anzuerkennen, reicht aber nicht aus. Wir
müssen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede aller Menschen, die Deutschland
ausmachen, als Ressource schätzen und
dieses Potenzial bewusst in Wirtschaft und
Gesellschaft einbinden.“
Der eigentliche Aktionstag wurde am
9. Juni gefeiert – der DFK beteiligte sich
auch in diesem Jahr. Mit seiner Umfrage
zu Frauen im Mittelmanagement und dem
Statement von Dr. Ulrich Goldschmidt im
ManagerMagazin am gleichen Tage bezogen DIE FÜHRUNGSKRÄFTE klar Stellung.
Einmal im Jahr weist der Deutsche Diver-
Quelle: © Charta der Vielfalt
Die Charta der Vielfalt e. V. hat in Berlin den 3. Deutschen Diversity-Tag eröffnet. Zusammen mit der
­Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles, sowie Vorständen von BP Europa SE, der Ernst
& Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und der Siemens AG gab die größte deutsche Wirt­
schaftsinitiative für Diversity Management ein klares Bekenntnis ab: Vielfalt ist Teil der deutschen Iden­
tität – und ein gezieltes Diversity Management der einzige Weg, die enormen Ressourcen dieser Vielfalt
zu entfalten. DIE FÜHRUNGSKRÄFTE – DFK waren mit Diana Nier und Sebastian Müller vor Ort vertreten.
„Vielfalt statt Einfalt“ forderte Bundesarbeits­minis­
te­rin Andrea Nahles in ihrer Keynote bei der Impuls­
veranstaltung zum 3. Deutschen Diversity-Tag
Quelle: © Charta der Vielfalt
sity-Tag darauf hin, dass Vielfalt und Inklusion die einzige Strategie ist, Mega-Trends
wie dem demografischen Wandel und dem
Fachkräftemangel zu begegnen. Nach einer
Berechnung des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung ließen sich durch
­Diversity Management vier Millionen zu­sätz­­
licher Fachkräfte aus der stillen R
­eserve
­holen.
Rund 400 Organisationen haben zum
3. Deutschen Diversity-Tag 2015 mehr als
800 Aktionen angemeldet. Zum Vergleich:
Am 1. Deutschen Diversity-Tag 2013 waren
es nicht einmal halb so viele. „Es ist schön,
mittlerweile so viele Unternehmen und Institutionen an unserer Seite zu wissen, die
eine simple Wahrheit leben: Wertschätzung
ist Wertschöpfung“, so Aletta Gräfin von
Hardenberg, Geschäftsführerin der Charta
der Vielfalt e. V. mü
19
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > POLITIK
EBD BRIEFING ZUR LUXEMBURGISCHEN RATSPRÄSIDENTSCHAFT
IN DER KRISE MUSS SICH ZUSAMMENHALT ZEIGEN
Zwei der kleineren Mitgliedstaaten der Europäischen Union übernehmen in diesem Jahr die verantwor­
tungsvolle Position der EU-Ratspräsidentschaft. Nach dem halbjährigen lettischen Vorsitz ist es ab Juli
an Luxemburg, Akzente auf der EU-Agenda zu setzen. „Eine Union für die Bürger“ – unter diesem Motto
will das Großherzogtum zum Abschluss der Triopräsidentschaft (Italien, Lettland, Luxemburg) den ­Bogen
zu mehr Transparenz und Bürgernähe spannen, was angesichts der aktuellen wirtschaftlichen, sozialen
und politischen Herausforderungen als notwendiges und zeitgleich ambitioniertes Ziel erscheint. Wohin
geht also die Reise in den nächsten sechs Monaten?
Quelle: wikipedia.org, © Europäische Bewegung Deutschland
„Die Dynamik des Binnenmarkts durch
Digitalisierung wiederbeleben“, heißt es
darüber hinaus auf der Agenda, da sich
Fragen nach digitaler Wettbewerbsfähigkeit Europas angesichts globaler Konkurrenzsituationen immer häufiger stellen.
Aber auch die europäische Energieunion
gehört zu diesem Bereich. Ferner will die
Ratspräsidentschaft die europäische Wettbewerbsfähigkeit an einem globalen und
transparenten Rahmen ausrichten. Dahinter verbirgt sich das Vorhaben, transparente Politik mit Beschäftigung und Wachstum
sowie sozialer Sicherheit zu verbinden. Das
Prinzip der Nachhaltigkeit fördern ist der
sechste zentrale Punkt. Hier geht es um
eine gute Harmonisierung von wirtschaftlicher Vernunft und ökologischer Verträglichkeit – in Hinblick auf die Ende des Jahres
anstehende Weltklimakonferenz in Paris
nicht zuletzt auch um verpflichtende Ziele
im Klimaschutz. Schließlich wird als siebter
Eckpfeiler genannt: die Präsenz der Europäischen Union in der Welt stärken. Also gilt es
das Bild der Europäischen Werteunion in die
Welt zu tragen und außenpolitisch mit einer
Stimme zu sprechen.
In diesen übergeordneten Zielen finden sich
überdies einige spannende Detailfragen wieder. So will der Ratsvorsitz beispielsweise
eine Debatte über die Strategie der Europäischen Union in Weltraumfragen anstoßen.
Auch die von der Kommission vorgeschlagene „Bessere Rechtsetzung“ stellt für den luxemburgischen Vorsitz einen bedeutsamen
Aspekt dar und soll möglichst weit vorangetrieben werden.
Bernd Hüttemann, Generalsekretär der Europäischen
Bewegung Deutschland seit 2003
Die neue Ratspräsidentschaft hat sich sieben Prioritäten gesetzt. Erstens will man
Investitionen für mehr Wachstum und Beschäftigung freisetzen und dafür unter anderem einen Milliardenfonds für strategische Investitionen einrichten. Ziel ist es, die
europäische Integration in wirtschaftlicher
Hinsicht weiter voranzutreiben. Zweitens
will man die soziale Dimension Europas vertiefen. Dieser Punkt zielt insbesondere auf
strukturelle und finanzielle Fragen nach
sozialer Gerechtigkeit in ganz Europa ab
und erscheint in Folge der andauernden Krisenerscheinungen essenziell. Migration bewältigen, Freiheiten, Recht und Sicherheit
miteinander verbinden nennt die neue Präsidentschaft den dritten Baustein, der sicherlich im Zeichen der derzeit dominanten Asylund Flüchtlingspolitik stehen wird.
20
Quelle: © Netzwerk EBD
Prioritäten festgesetzt
Herausforderung Europa ja, Depression nein: Das Podium versprühte Optimismus angesichts der
­Luxemburgischen EU-Ratspräsidentschaft
POLITIK < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
Vorstellung des Programms
Um die gesamte Agenda der luxemburgischen Ratspräsidentschaft zu ordnen, lud
die Europäische Bewegung Deutschland
(EBD), der der DFK angehört, im Juli zu
­einem EBD Briefing ein. S. E. Georges Santer,
­außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter des Großherzogtums Luxemburg
in Deutschland, stellte das Programm der
­luxemburgischen EU-Ratspräsidentschaft den
Interessenvertretern detailliert vor.
Zudem standen Dr. Peter Ptassek, stv. Leiter
der Europa-Abteilung und Beauftragter für
Grundsatzfragen der EU, Gemeinschaftspolitiken und strategische Koordinierung, Auswärtiges Amt, und Richard Nikolaus Kühnel,
Vertreter der Europäischen Kommission in
Deutschland, Rede und Antwort. Bernd Hüttemann, Generalsekretär der Europäischen
Bewegung Deutschland e. V., übernahm die
Moderation.
Angesichts der turbulenten Ereignisse
rund um die erfolgreichen Griechenlandverhandlungen stand EBD Briefing zur neuen
­luxemburgischen EU-Ratspräsidentschaft
ab August 2015 ganz im Zeichen aktueller
Herausforderungen der Europäischen Union.
Eines der wichtigsten Felder seien die gemeinsame Migrationspolitik, der Kampf
gegen nationalen Rechtspopulismus in den
Mitgliedstaaten, der Abbau von Jugendarbeitslosigkeit und auch die TTIP-Verhandlungen. In aller Deutlichkeit werde Luxemburg entgegen aller Unkenrufe auch die
Fiskalpolitik aktiv mitgestalten – mit der
Abschaffung des Bankengeheimnisses sei
dieser Weg bereits unterstrichen worden.
Allgemein müsse Luxemburg eine vermittelnde Rolle einnehmen: zwischen den Regierungen der Mitgliedstaaten und zwischen
Politik, Öffentlichkeit und den Bürgern der
EU-Staaten. mü
INITIATIVE GEGEN EU-JUGENDARBEITSLOSIGKEIT
AUSBILDUNG VOR ORT FÖRDERN
Jugendarbeitslosigkeit wächst sich in Europa zum ernsten Problem aus: In Spanien und Griechen­
land ist mittlerweile rund die Hälfte der Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz oder Job. Nun wollen
deutsche ­Unternehmen in betroffenen Ländern beim Berufsstart helfen. „InCharge“ heißt die Initia­
tive verschiedener deutscher Unternehmen, die in EU-Ländern mit hoher Jugendarbeitslosigkeit
Ausbildung und B
­ eschäftigung vor Ort fördern will.
Fünf Millionen junge Menschen sind in
der EU arbeitslos. Besonders betroffen
sind Länder wie Spanien, Portugal oder
Griechenland. Dagegen möchte die Initiative „InCharge“ verschiedener deutscher
Unternehmen vorgehen. Wie Opel-Chef
Karl-Thomas Neumann erklärt, sollen
arbeitslose Jugendliche in den Niederlassungen deutscher Unternehmen vor
Ort fit für einen Job gemacht werden. Die
Menschen sollten in ihrem gewohnten
Umfeld bleiben können. Andererseits,
wenn sie mobil seien, sollten sie auch im
Ausland eine Chance bekommen, so Neumann.
Coaching Day als Testlauf
Die Jugendlichen würden über das Netzwerk von „InCharge“ gefragt, wo sie
Erfahrungen sammeln wollten, erklärt
­
Neumann. Dann werde versucht, etwas
anzubieten. Das könne ein Praktikum, ein
Coaching, eine duale Ausbildung oder ein
Job sein. Derzeit beteiligen sich 25 Unternehmen an der Initiative. Bis zum Jahresende sollen es 100 sein.
Ausbildungswege, die Jugendliche für
die berufliche Praxis nicht hinreichend fit
machten.
Bei einem Pilotprojekt, dem Coaching
Day im Sommer im spanischen Zaragossa, haben 420 Bewerber an einem Tag an
Motivationsworkshops, Karrieregesprächen, Jobinterviews oder Unternehmenspräsentationen teilgenommen. Coach für
Motivation war zum Beispiel der Fußballer Christoph Metzelder. Firmen wie Sixt,
Continental, Kirchhoff oder Permira haben
sich ebenfalls beteiligt.
450.000 arbeitslose Jugendliche
weniger
Nahles wirbt für Initiative
Andrea Nahles verspricht, bei den 30 Unternehmen des Deutschen Aktien­
index
(DAX) für die Initiative zu werben. „Wir
können an den Niederlassungen der großen Unternehmen eine Ausbildung anbieten. Das wird aktiv nachgefragt.“ Andere
Länder hätten mitunter sehr verschulte
Um Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen,
stünden zwar sechs Milliarden Euro an
Fördermitteln bereit, erklärt die Ministerin.
Davon würden aber nur 950 Millionen Euro
abgerufen. Das liege zum Teil an der nicht
ausreichend ausgeprägten Landschaft für
Projektträger. Zum anderen sei das Beantragungsverfahren recht schwerfällig und
nicht als Krisen-Interventions-Mechanismus ins Leben gerufen worden. Nach der
Finanzkrise habe man mit den Geldern
nicht schnell genug agieren können. Doch
die Möglichkeiten verbesserten sich. Im
Mai 2015 seien erstmals 450.000 Jugendliche in der EU weniger arbeitslos gewesen
als im Vorjahr, so Nahles. Mehr Infos: www.
incharge.jobs. mü
21
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > POLITIK
EINSCHRÄNKUNGEN FÜR ARBEITNEHMER ALS WACHSTUMSMOTOR?
SICHERHEIT UND WACHSTUM SIND KEIN WIDERSPRUCH
von Sebastian Müller, DFK-Ressortleiter Europapolitik & Public Affairs
Auf dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 führten einige Länder, vor allem in Europa,
­gesetzliche Änderungen durch, die das Niveau der Absicherung der Arbeitnehmer absenkte. Ihr Argument
lautete, dass diese Maßnahmen vor dem Hintergrund begrenzter fiskalischer Möglichkeiten und steigender
Arbeitslosigkeit wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigungsschaffung stimulieren würde. Eine nun
von der ILO vorgelegte Studie zeigt keinen Zusammenhang zwischen Einschränkungen der sozialen Sicher­
heit für Arbeitnehmer und stärkerem Wachstum – und bestätigt damit die Auffassung und Studien des DFK.
Forschungs­ergebnisse zeigten, wie die relativen Auswirkungen der Arbeitsgesetzgebung in
einem bestimmten Land auf diesem Feld weder
positiven noch negativen Einfluss auf Beschäftigung und Arbeitslosenrate haben. Dieses
Resultat ist konsistent über verschiedene ökometrische Daten und gilt für Industrieländer,
aufstrebende Länder und Entwicklungsländer.
Verbandsanwalt Sebastian Müller
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO)
ist eine Sonderorganisation der Vereinten
­Nationen mit Hauptsitz in Genf. Sie ist zuständig für die Formulierung und Durchsetzung
internationaler Arbeits- und Sozialstandards.
Der von der ILO – International Labour Organisation nun herausgegebene „Flagship“-Bericht
„World Employment and Social Outlook 2015:
The Changing nature of jobs“, der Daten der
letzten 20 Jahre von 63 Ländern analysiert,
belegt, dass weniger Sicherheit für Arbeitnehmer kein Beschäftigungswachstum bringt. Die
Auch die OECD spricht in ihren neueren Studien nicht mehr davon, dass ein hohes Niveau bei den arbeitsrechtlichen Regelungen
zum Beschäftigungsschutz hinderlich für
Neueinstellungen sein könnte. Das gilt international wie national. Schließlich ist auch
das deutsche Kündigungsschutzgesetz kein
Kündigungsverhinderungsgesetz. Vielmehr
werden im Kündigungsschutzgesetz die
Spielregeln für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
festgelegt, nach denen die Wirksamkeit einer Kündigung zu bestimmen ist. Damit wird
willkürlichen und sozial ungerechtfertigten
Kündigungen richtigerweise ein Riegel vorgeschoben. Bei genauer Betrachtung schafft
das deutsche Kündigungsschutzrecht ein
hohes Maß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für alle Beteiligten, was letztlich den
Standort Deutschland auch für ausländische
Investoren immer attraktiv gemacht hat.
Aus Sicht der Führungskräfte hat sich auch die
Unternehmensmitbestimmung ebenso wie die
betriebliche Mitbestimmung bewährt. Im internationalen Vergleich ist es bemerkenswert, wie
lautlos und reibungslos diese großen Umstrukturierungen der letzten Jahre gelaufen sind,
was zu einem ganz wesentlichen Teil der Mitbestimmung zu verdanken ist. Dies gilt für die
Aufsichtsräte ebenso wie für die Betriebsräte
und die Sprecherausschüsse der Leitenden Angestellten. Diese mehrheitliche Einschätzung
deutscher Führungskräfte haben wir in eigenen
repräsentativen Studien bestätigt gefunden.
Der Bericht der ILO zeigt nun vielmehr: Zu laxe
Regulationen können ebenso kontraproduktiv
für Wirtschaftswachstum, die Schaffung von
Beschäftigung, Gleichheit und sozialen Zusammenhalt sein wie zu strenge Regulationen.
Ebenso ist das einwandfreie Funktionieren des
Rechtssystems wichtig für die effiziente Durchsetzung der Arbeitsgesetzgebung. Der Bericht
kommt zum Schluss, dass eine Rücknahme
von Arbeitnehmerabsicherungen die Arbeitslosigkeit nicht senkt. Er zeigt allerdings, dass
schlecht gestaltete Reformen, die die Gesetze zur Beschäftigungssicherheit schwächen,
kontraproduktiv im Hinblick auf Beschäftigung
sind, sowohl lang- als auch kurzfristig.
BUCHTIPP
Gerald Lembke, Ingo Leipner
Die Lüge der digitalen Bildung: Warum unsere Kinder das Lernen verlernen
Redline Verlag 2015
256 Seiten, gebunden
ISBN 978-3868815689
19,99 E
Man würde von einem Professor für Digi­
tale Medien an der Hochschule BadenWürttemberg wohl eine Menge Infos zum
22
Thema digitale Bildung erwarten. Aber wohl
kaum, dass er diese so deutlich und mit
Nachdruck ablehnt. In der Tradition einer
Streitschrift legen die Autoren dar, warum
sie gegen eine zu frühe Beschäftigung von
Kindern mit Smartphone und Co. sind. Der
Titel lässt ahnen, dass hier nicht behutsam
vorgegangen wird.
Das Buch zentriert sich sicherlich um die
Frage der Erziehung von Kindern. Aber man
kann es auch als Auseinandersetzung mit
dem Thema e-learning verstehen. Hier gilt
dann wie so oft, genauer hinzuschauen,
was sinnvoll ist und was nicht. So oder so
ist das Buch ein Beitrag zur Auseinandersetzung mit der digitalen Revolution. rk
POLITIK < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
MITARBEITERGESUNDHEIT IN EUROPA
BRENNENDES PROBLEM: PSYCHOSOZIALE RISIKEN
Wie steht es um die Gesundheit bei der Arbeit? Eine europaweite Befragung zeigt, welche aktuellen und
zukünftigen Gefährdungen die Unternehmen für ihre Mitarbeiter sehen. Danach sind psychosoziale Risiken
das drängendste Problem.
Viele europäische Unternehmen sehen ihre
Beschäftigten durch körperliche Belastungen, Muskel-Skeletterkrankungen und psychosoziale Risiken gefährdet. Dabei nehmen
die Betriebe die psychosozialen Risiken als
größte Herausforderung wahr. Das ist ein
Ergebnis der zweiten europäischen Unternehmensbefragung, ESENER-2 (Enterprise
Survey on new and emerging risks). An der
Befragung beteiligten sich rund 50.000 Betriebe aus 36 europäischen Ländern.
Psychosoziale Risiken stellen für die Mehrzahl der Unternehmen ein Problem dar:
Fast 80 % der Führungskräfte äußern sich
besorgt über arbeitsbedingten Stress, und
für fast ein Fünftel sind Gewalt und Belästigung ein besorgniserregendes Problem. Im
Hinblick auf organisatorisch bedingte Risiken, die sich individuell auswirken, messen
Führungskräfte dem Zeitdruck und dem Umgang mit schwierigen Kunden, Patienten und
Schülern den größten Stellenwert bei. Trotz
dieser Probleme verfügen weniger als ein
Drittel der Unternehmen über Verfahren für
den Umgang mit solchen Risiken.
Tabu-Thema oder offener Umgang?
Die wachsende Bedeutung, die dem psychosozialen Arbeitsumfeld eingeräumt
wird, und die Tatsache, dass dringend etwas gegen psychosoziale Risiken unternommen werden sollte, müssen sich in
der Umsetzung von Präventivmaßnahmen
niederschlagen, insbesondere in Ländern,
in denen nur wenige Unternehmen über ein
Konzept für den Umgang mit psychosozialen Risiken verfügen. Für den Umgang mit
psychosozialen Problemen gibt es noch zu
wenig praktische Handlungshilfen. Bereits
die Benennung des Problems scheint teilweise noch tabuisiert zu sein. So gaben 30 %
der befragten Betriebe im EU-28-Raum an,
dass es Schwierigkeiten gibt, psychosoziale Probleme überhaupt zu thematisieren.
Häufig wird dieses sensible Thema in den
Unternehmen nicht offen genug angesprochen. Immerhin durchschnittlich jeder dritte Betrieb berichtet, sich aktiv mit der psychischen Belastung auseinanderzusetzen.
Hier gibt es allerdings große Unterschiede
in Europa: Im Schnitt beschäftigen 16 % aller
Unternehmen externe Psychologen. In Finnland und Schweden dagegen nutzen bereits
60 % der Firmen interne oder externe Psychologen im Betrieb.
Gefährdungsbeurteilung als erste
Vorbeugungsmaßnahme
Als wichtigste Maßnahme, um arbeitsbedingten Erkrankungen der Psyche oder des
Muskel-Skelettsystems vorzubeugen, betrachten die Arbeitgeber die Gefährdungsbeurteilung. Drei Viertel (76 %) der befragten
Betriebe führen regelmäßige Gefährdungsbeurteilungen durch; die Rate steigt mit der
Unternehmensgröße. Aber auch hier gibt es
große europäische Unterschiede: In Italien
führen 94 % der Firmen Gefährdungsbeurteilungen durch, während die Quote in Luxemburg bei nur 37 % liegt. 85 % der Betriebe, die
solche Beurteilungen durchführen, tun dies,
weil es gesetzlich vorgeschrieben ist. Die
erst seit 2004 der EU beigetretenen Staaten
und einige Beitrittskandidatenländer führen
Gefährdungsbeurteilungen auch durch, um
das Ansehen der Unternehmen zu verbessern. Betriebe, die keine Gefährdungsbeurteilung durchführen, haben entweder bislang nichts davon gehört, oder es gibt nach
ihrer Einschätzung in ihrem Unternehmen
keine nennenswerten Gefährdungen.
Deutschland steht im europäischen
Vergleich gut da
Die Unternehmen hierzulande punkten bei
der Sicherheit des Arbeitsplatzes, die im
Rahmen der Befragung ebenfalls untersucht
wurde. Auch ist die Beteiligung der Mitarbeiter etwa bei der Gefährdungsbeurteilung
deutlich stärker als in den anderen Ländern.
Ausbaufähig in Deutschland sind Maßnahmen, um Gefährdungen durch psychische
Belastung zu verringern. Dazu gehören vertrauliche Beratungsangebote, Änderungen
von langen oder unregelmäßigen Arbeitszeiten und mehr Angebote zu Konfliktlösungsverfahren. mü
BUCHTIPP
Dr. Friedberg Rancke (Hrsg.)
Mutterschutz – Elterngeld – Elternzeit – Betreuungsgeld
Nomos Verlag, 4. Auflage 2015,
1.111 Seiten
ISBN: 978-3-8487-1998-3
98,00 E
Der vorliegende Handkommentar gibt Antworten auf alle wichtigen arbeits- und sozialrechtlichen Fragen der Elternschaft.
Der Leser erhält damit das Rüstzeug zur
Lösung von Konflikten zwischen Berufstätigkeit und Fürsorge für die Familie im weitesten Sinn.
Die seit dem 01.01.2015 geltenden
neuen Regelungen des Gesetzes zur
Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren
Elternzeit sowie des Gesetzes zur besse-
ren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und
Beruf finden bereits Berücksichtigung
und werden von den Autoren unter die
Lupe genommen.
Die juristischen Probleme der umfangreichen Änderungen, wie z. B. Teilzeit­
arbeit beider Partner, Förderung Allein­
erziehender, Pflegeauszeit im Akutfall,
werden detailgenau kommentiert. Zahlreiche Fallbeispiele und Checklisten helfen,
die komplexen Neuregelungen verständlich zu machen.
Auch in seiner vierten Auflage stellt das
Buch insbesondere aufgrund seines hand­
lichen Formats ein nützliches Nachschlage­
werk zu den „Elterngesetzen“ dar. sb
23
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > POLITIK
WIE WIRD EUROPA EIN ATTRAKTIVER STANDORT FÜR INNOVATION UND INVESTITIONEN?
„PROPELLING EUROPE FORWARD“
Vor diesem Hintergrund hatte die Nachrichtenagentur POLITICO Mitte Juni in Brüssel
zu dem „Propelling Europe Forward“ betitelten Symposium u. a. mit Wirtschafts- und
Finanzkommissar Pierre Moscovici eingeladen und als Untertitel die folgenden Fragen
platziert: Was ist nötig, um Europa wieder
auf den Wachstumspfad zu bringen? Was
brauchen europäische Unternehmen, um,
­innovativ zu sein? Wie wird Europa (wieder)
ein attraktiver Platz für Investitionen?
In der Einführung wurde anerkannt, dass
die Kommission einige Initiativen lanciert
habe – etwa den Digitalen Binnenmarkt, die
Kapitalmarkt-Union oder den Europäischen
Fond für Strategische Investitionen EFSI im
Bemühen um ein besseres Geschäftsklima
für europäische Firmen. Doch reicht dies bereits aus?
Im Interview stellte Moscovici zunächst
heraus, dass das von Kommissionspräsident Juncker geführte College von sich
selbst als der „Kommission der letzten
Chance“ spreche, um in dieser Legislatur Wachstum und Beschäftigung zu „liefern“ , da die EU-Bevölkerung seit dem
Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise
viel Vertrauen in die Politik verloren habe.
Insofern sei das für 2016 prognostizierte Wachstum von 2,0 % (EU-28) bzw. 1,9 %
(Eurozone) ermutigend. Als Dimensionen
seines Arbeitsprogramms nannte er 1. die
fiskalische Konsolidierung, 2. Strukturreformen und 3. öffentliche Investitionen. Da-
Quelle: © European Union 2015 – EC, Photo : Latinis Frédéric
In der Europäischen Union deutet sich mit dem BIP-Wachstum über 1,3 % von 2013 auf 2014 eine gewisse
Gesundung der Wirtschaft an, eine vollständige Erholung ist jedoch noch weit entfernt, und auch die
EU-weite Arbeitslosenquote bleibt hartnäckig hoch.
Pierre Moscovici
Quelle: Fotolia, © Udo Ingber
Europäisches Parlament in Brüssel
24
durch hoffe man, Rahmenbedingungen der
Zuversicht bzw. ein Investitionsklima zu
schaffen, in denen Beschäftigung und
Wirtschaftswachstum gedeihen können.
Auf die Frage, ob in Anbetracht der Wahrnehmung, dass die ökonomische Erholung
in der EU hauptsächlich durch die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank, EZB, sowie der Preis- und Mengenpolitik der OPEC
bestimmt werde, das Vertrauen in die EU
wiederhergestellt werden könne, antwortete er: Strukturreformen seien sehr wohl
hierzu geeignet, die Basis für liberale Wirtschaftsräume wie z. B. den gemeinsamen
digitalen Markt trage ebenfalls dazu bei
wie Investitionsprogramme, insbesondere
der sog. „Juncker-Plan“. Für die Eurozone
ist er zuversichtlich, dass trotz des aktuell
um 15 % gegenüber 2007 gesunkenen Investitionsniveaus die derzeitige Situation
mit dem eventuellen Austritt eines Staates
– d. h. Griechenland – gemeistert werden
könne. Zur Situation in Frankreich führte
er aus, dass der Wunsch der Beschäftigten
nach Wachstum bei gleichzeitigem Schutz
der Arbeitsverhältnisse eine große Herausforderung für die Regierung bedeute.
In dem folgenden Panel „Investing in Europe: Let’s get growing again“ stellte der
Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Dr. Holger Schmieding, fest, dass die Geldpolitik
der EU wesentlich weniger aggressiv sei
als diejenige der USA zu Beginn dieser Dekade. Er unterstrich zudem die kürzliche
Feststellung von Bundesbank-Präsident
Dr. Jens Weidmann, dass Vertrauen die
Vorbedingung für jede Investition sei. Auf
die Frage, wie er den „Juncker-Plan“ als
den Beschleuniger für nominales und konjunkturelles Wachstum in der EU einschätze, antwortete der EU-Abgeordnete (und
frühere Weltbank-Mitarbeiter) Jakob von
Weizsäcker, dass zunächst die Qualität der
Projekte hierfür entscheidend sei. Bezogen
auf Deutschland sei er überzeugt, dass die
„schwarze Null“ im Bundeshaushalt keine
reale Perspektive für die Investitionsbedarfe sei. Er zeigte sich auch skeptisch zu
den erwarteten Verbesserungen infolge
von Strukturreformen nach dem Prinzip „no
gains without pains“ (keine Erfolge ohne
schmerzhafte Prozesse). Allerdings plädiere er für die makroökonomische Unterstützung von Strukturreformen. Für die aus Indien stammende Tata-Gruppe mit weltweit
über 600.000 Mitarbeitern bekräftigte Dr.
David Landsman, dass deren Investitionspläne für Europa sehr ausgeprägt seien,
wobei er als „Treiber“ hierfür vor allem Wettbewerbsfähigkeit, Innovationspotenziale
und die Marktnähe anführte.
Auf die abschließende Frage des Moderators,
welche Anreize für höhere Investitionen nötig seien, nannte der Tata-Repräsentant deren richtige handwerkliche Ausgestaltung
durch die Politik. Hierzu zähle die Reform
des EU-Emissionshandelssystems, welches
robuster gestaltet werden müsse. Der EUParlamentarier von Weizsäcker sprach sich
dagegen für eine bessere Regulierung, insbesondere bei der Strukturreform im Bankensektor, aus. Dr. Schmieding mahnte das
enge verbleibende Zeitfenster für einen
Schulden-Deal mit Griechenland an, wobei er
einen möglichen „Grexit“ als irrelevant für die
EU-Wirtschaft im Rahmen seiner Vorschau
für 2016 einschätzt. ts
MANAGEMENT < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
SCHWERPUNKT DIVERSITY
JUNGER CHEF VERSUS ÄLTERE MITARBEITER?
von Stefan Häseli
Hierarchien in Unternehmen richten sich nicht nach dem Alter. Die demografische Entwicklung wird es
zukünftig noch öfter mit sich bringen, dass junge Vorgesetzte Mitarbeiter führen, die der Generation ihrer
Eltern angehören.
startet, dort ältere Mitarbeiter, die auf eine
langjährige Berufszeit sowie Erfahrung zurückblicken können und im Allgemeinen eine starke
Firmenbindung haben. Richtigerweise strotzt
der eine vor Optimismus und Tatendrang. Der
andere kann sich vielleicht mit dem Gedanken
noch nicht abfinden, dass er plötzlich zum „alten Eisen“ gehören soll. Nicht bei allen Betroffenen löst die Perspektive auf den Ruhestand
die gleichen, befreienden Gefühle aus. Obwohl
solche Empfindungen nicht formuliert und ausgesprochen werden, finden sie sich häufig in
den Reaktionen der Betroffenen wieder.
Vier Schritte, die Loyalität älterer
Mitarbeiter zu erhalten
Stefan Häseli
Werden ältere Mitarbeiter jüngeren Vorgesetzten unterstellt, treffen unterschiedliche Lebensauffassungen aufeinander. So mancher
Konflikt ist da vorprogrammiert. Während die
Jüngeren vernetzter denken, unkomplizierte
Umgangsformen pflegen und offensiv an ihre
Aufgaben herangehen, sehen Mitarbeiter mit
langjähriger Berufserfahrung die gleiche Situation mit anderen Augen. Neuerungen werden
als mangelnder Respekt, eine gewisse Lässigkeit eventuell als Unhöflichkeit empfunden.
Wenn sich Wertvorstellungen nicht decken,
sind Machtkämpfe vorprogrammiert. Doch darauf sollten sich junge Vorgesetzte keinesfalls
einlassen. Besser als der Kampf hilft im Generationenkonflikt – wie so oft – eine offene und
respektvolle Kommunikation. Mit gegenseitigem Verständnis lässt sich unnötiger Konkurrenzdruck vermeiden. Aufeinander zugehen
und voneinander lernen bringt letztendlich
beiden Seiten Vorteile.
Unterschiedliche Sichtweisen
Ältere Mitarbeiter, deren Ruhestand bereits
in Sichtweite rückt, fordern vor allem jüngere
Führungskräfte oft heraus. Unabhängig von
den konkreten Vorgeschichten treffen hier
zwei sehr unterschiedliche Perspektiven zur
Arbeitswelt aufeinander: hier eine junge Führungskraft, die unter Umständen ganz neu in
dieser Position ist und voller Euphorie durch-
1. Verständnis zeigen
Fallen beispielsweise in einer Besprechung
konkrete Vorwürfe Alt gegen Jung, sollten
diese mit dem nötigen Abstand und Anstand
unter vier Augen geklärt werden. Junge Vorgesetzte sollten dabei den einzelnen älteren
Mitarbeiter auf seine ganz persönliche Situation ansprechen, aufmerksam zuhören und
Verständnis zeigen.
2. Leistung anerkennen
Ganz wichtig ist, die bisher erbrachte Leistung des älteren Mitarbeiters deutlich anzuerkennen. Die Generation hat ihre Arbeit richtig gemacht, sonst würde der Betrieb heute
nicht so gut dastehen. Mit der richtigen Haltung ist diese „Würdigung“ echt, wirkt echt
und kommt echt an!
3. Kritik formulieren
Neben Verständnis und Anerkennung ist es
entscheidend, das Missfallen an einer ganz
bestimmten Situation zu deklarieren. Dazu
kommuniziert der junge Chef klar und eindeutig, dass er beispielsweise solche Aussagen
im Teamverband nicht hören möchte. Eine Aufforderung, Probleme künftig persönlich zu besprechen, sowie die Konsequenz ist unerlässlich für ein zukünftig besseres Miteinander.
4. Lösung finden
Bei der Lösungssuche sollte der ältere Mitarbeiter unbedingt eingebunden werden. Er
sollte seine Würde, die er womöglich in den
Zeiten des schnellen Wandels gefährdet sieht,
bewahrt wissen. Eine gemeinsam vereinbarte
Frist, innerhalb der das Ziel erreicht werden
soll, hilft bei der konstruktiven Umsetzung.
Warum Schema F nicht funktioniert
Lösungswege gibt es so viele, wie es Mitarbeiter gibt. Wichtig ist es hier für junge Führungskräfte herauszufinden, was zu jedem
einzelnen älteren Mitarbeiter passt.
Sechs Fragen, die sich junge Führungskräfte stellen sollten:
Verfüge ich (schon) über (ausreichend)
Personalkompetenz? Fachwissen allein
reicht nicht. Auch Vorgesetzte dürfen und
müssen dazulernen.
Gebe ich mich authentisch? Erfahrene
Mitarbeiter spüren, wenn Sie sich „aufgesetzt“ verhalten.
Sind meine Entscheidungen nachvollziehbar? Transparenz schafft Vertrauen und
fördert Ihr Ansehen.
Kann ich einen Rat annehmen? Nicht alles
muss neu erfunden werden. Nutzen Sie
das vorhandene Know-how in Ihrem Team.
Bin ich zu ehrgeizig? Lieber Schritt für
Schritt als alles auf einmal.
So unterschiedlich wie Mitarbeiter sind die
Situationen, in denen eine junge Führungs­
kraft richtig handeln und entscheiden sollte.
Neben den technischen Rahmenbedingungen
im Unternehmen kommt besonders im genera­
tionsbedingten Konflikt dem zwischenmenschlichen Aspekt eine ausschlaggebende Rolle zu.
Immer besteht ein Zusammenhang aus Umgebung, Abhängigkeit und Befindlichkeit.
Kontakt: www.atelier-ct.ch
Stefan Häseli ist ehemaliger Kabarettist
und hat den Anspruch, als Moderator und
Keynote-Speaker intelligent zu unterhalten. Er ist als Coach und Trainer für Führungs-, Verkaufs- und Kommunikationsthemen tätig.
25
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > MANAGEMENT
SCHWERPUNKT DIVERSITY
WOMEN MATTER – EIN SCHRITT ZUR ZUKUNFTS­FÄHIGKEIT
Eigentlich ist doch alles ganz einfach: Ab 2016 soll laut Bundesregierung die 30%ige Frauenquote suk­
zessive in deutschen Großunternehmen, Aufsichtsratsgremien und dem Öffentlichen Dienst eingeführt
werden. Ab 2018 soll die Quote von Frauen in Aufsichtsräten sogar auf 50 % steigen. Wenn die Unterneh­
men nun ihrer Pflicht nachkommen, dann ist doch alles geregelt.
Die Antwort ist eindeutig und hinreichend
durch Studien belegt: Diversity pays. Firmen
mit mindestens einem Viertel Frauenanteil
in ihren Leitungsgremien erzielen signifikant
bessere Ergebnisse als Firmen ohne Frauenanteil an der Spitze.
Britta Posner
Eigentlich ... Vor dem Hintergrund dessen,
dass Frauen heute 5,7 % der deutschen Vorstände und 18,9 % der deutschen Aufsichtsräte ausmachen, scheint dieses Ziel sehr
ambitioniert. Aber wie können diese Zielvorgaben realistisch und sinnvoll umgesetzt
werden? Denn es scheint, als wolle sich die
Ratio nicht so Recht vom Fleck bewegen.
Immerhin ist laut einer Langzeitstudie von
Ernst & Young aus dem Jahr 2012 der Anteil der weiblichen Vorstandsmitglieder zwischen 2005 und 2010 von 5 % auf 8 % gestiegen. Trotzdem ist das leider nur ein Tropfen
auf den heißen Stein.
Mit Blick auf unsere europäischen Nachbarn
müssen wir zudem nüchtern feststellen,
dass eine Quotenregelung kein Allheilmittel
ist. Norwegen, das Land mit dem im Jahr
2011 höchsten prozentualen Frauenanteil
in Vorständen (34 %), hat seit 2008 eine Quotenregelung. Schweden, das Land mit dem
zweitgrößten Anteil (27 %), hat keine Quotenregelung.
Diversity pays
Wenn eine Quote also nicht automatisch „alles regelt“, wie kommen wir dann ans Ziel?
Doch bevor wir uns über das „Wie“ Gedanken
machen, sollten wir uns fragen, „warum“
eine solche Entwicklung überhaupt sinnvoll
ist. Es hat doch bisher auch alles funktioniert.
26
Laut McKinsey, das 2013 die Studie „Women
Matter“ herausgebracht hat, erzielen diese
Unternehmen durchschnittlich 47 % Rendite
und eine Gewinnrate von 55 %. Die Langzeitstudie von Ernst & Young von 2012 bestätigt
diese Beobachtungen: Unternehmen mit
weiblichen Vorstandsmitgliedern erzielen
ein Umsatzwachstum von durchschnittlich
20 % und eine Gewinnsteigerung von durchschnittlich 22 %.
Aber auch „weiche“ Erfolgsfaktoren verbessern sich signifikant durch einen unternehmerischen Mixed-Leadership-Ansatz. Eine
geringere Mitarbeiterfluktuation, geringere
Fehlzeiten und ein fast 100%iger on time/on
budget Projektabschluss sind nur einige der
Beispiele.
Wenn einer verliert, verlieren beide.
Wenn die Mixed-Leadership-Vorteile so eindeutig sind, warum sehen wir dann keinen
schnelleren Wandel?
Die Verantwortung für den Status Quo liegt
nicht allein bei den Unternehmen. Im Gegenteil. Länderspezifische, kulturelle und
sozioökonomische Faktoren haben einen
starken Einfluss auf die Rolle der Frauen in
Unternehmen. Gleiches gilt für das eigene
Rollenverständnis der Frauen und ihr darauf
basierendes Verhalten.
Eine der größten Hürden in diesem Zusammenhang ist das Bewusstsein unter
Frauen wie auch Männern, dass wir nicht
in einer schwarz-weißen Welt leben. Wenn
einer gewinnt, verliert nicht unbedingt der
andere. Wenn aber einer verliert, verlieren
beide.
Jungen werden gerade im traditionsreichen
Deutschland immer noch anders sozialisiert
als Mädchen. Männer messen sich an anderen Männern. Nie an Frauen. Und so liegt ihr
Augenmerk auch in erster Linie auf ihren Mitbewerbern.
Wie können wir erwarten, dass Führungskräfte, die in einem solch konservativen
Gesellschaftsmodell aufgewachsen sind,
anerkennen bzw. erkennen, dass Frauen
es schwerer haben als sie selber, die Karriereleiter zu erklimmen?
Nach einer Studie von McKinsey betrachten
Männer „Diversity Maßnahmen“ in ihren Unternehmen in der Tat tendenziell als unfair
ihnen gegenüber. Zudem sind viele Manager
der Überzeugung, dass ihr Management die
entsprechenden „Diversity Maßnahmen“
nicht mitträgt. Warum sich also dann die
Mühe machen?
Viele männliche Manager stehen dem Thema Diversity Managagement eher skeptisch
gegenüber. Bedient wird durch dieses Verhalten der Mythos des „Glas Ceilings“. Doch
was passiert da genau und was kann man
dagegen tun?
Der Mythos des „Glas Ceilings“, zu Deutsch
die gläserne Decke, gilt als eine der Haupt­
ursachen für das Scheitern weiblicher Führungskräfte. Nach genauerer Beobachtung
scheint es sich jedoch weniger um eine Glasdecke als um eine undichte Talent-Pipeline
zu handeln, die eine stete Abnahme des
Frauenanteils von dem ursprünglichen Eingangslevel bis hin zum Topmanagement verursacht:
Männer haben doppelt so gute Chancen, vom
Mittel- ins Senior-Management zu gelangen
wie Frauen. Bei einer Beförderung aus dem
Leadership Circle zum CEO sind die Chancen
von Männern fünf Mal so hoch, wie McKinsey
2013 in seiner Studie „Woman Matter“ feststellte.
Was also tun? Ein von außen übergestülptes
Gerüst wie die Frauenquote kann nur auf Basis einer intrinsischen Systemänderung einen
positiven und nachhaltigen Effekt zeigen.
MANAGEMENT < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
Um traditionelle Rollenbilder zu überwinden, bedarf es neben der Anerkennung unbewusster Verhaltensdynamiken auch der
Einsicht, dass Frauen als Führungskräfte
Erfolgsfaktoren mit an den Tisch bringen,
die wahrscheinlich ohne sie nicht präsent
wären.
Unternehmenserfolg wird laut Bass & Stogdill durch neun Führungscharakteristika be­stärkt: partizipierende Entscheidungsfin­
dung, Vorbildfunktion, Inspiration, Zielorien­
tiertheit mit Bonussystem, Mitarbeiter-Entwicklung, intellektuelle Inspiration, effek­
tive Kommunikation, individualistische TopDown-Entscheidungsfindung, Kontrolle und
korrektives Verhalten.
Fünf der neun Charakteristika beobachtet man öfter bei Frauen als bei Männern: par­
tizipierende Entscheidungsfindung, Vorbildfunktion, Inspiration, Ziel­
orientiertheit mit Bonussystem, Mitarbeiter-Entwicklung. Männer zeigen dagegen
öfter Verhaltensweisen wie individualistische Top-Down-Entscheidungsfindung,
Kon­trol­le und korrektives Verhalten. Bei
den Charakteristika intellektuelle Inspiration und effektive Kommunikation wurde
kein Unterschied zwischen Männern und
Frauen festgestellt. Fest steht: Zusammen
sind wir stark.
Erfolg durch grundlegenden
Kulturwandel
Mixed Leadership ist keine Genderma­rotte,
sondern eine unternehmeri­­
sche Notwen­
digkeit. Gerade vor dem Hintergrund dauerhafter markt­wirtschaftlicher Herausfor­derungen
ist eine Diversifizierung des Füh­
rungsstils Grundvoraussetzung für nachhaltigen
Erfolg.
Und somit sind wir bei der noch unbeantworteten Frage nach dem „Wie“ angekommen.
Wie können wir einen solchen gesellschaft­
lichen Wandel überhaupt vollziehen?
Zwei Grundsätze sind bei der erfolgreichen
Implementierung eines Mixed-LeadershipAnsatzes essenziell wichtig:
1.Die konsequente und erfolgsorientierte
Implementierung eines Management Commitments.
2.
Ein Klima des positiven Miteinanders,
sprich eine kolloborative Arbeitskultur.
Die Einführung von Mixed-Leadership-Prinzipien in Unternehmen kommt in vielen Fällen
einem grundlegenden Kulturwandel gleich,
der aufgrund seiner systemischen Natur nur
top-down und mit der notwendigen Zeit erfolgreich eingeführt werden kann.
Er ist sowohl Evolution als auch Revolution. Cross-Gender-Mentor-Programme, die
Einführung von Sponsoren und das aktive
Involvieren von Skeptikern als Mixed-Leadership-Botschaftern zum Beispiel können eine
solche kulturelle Veränderung fördern.
Kollaborative Arbeitsweisen sind in der Regel
durch effektive Kommunikation, Zielorientiertheit, gegenseitigen Respekt und Rechenschaftspflicht gekennzeichnet. Nur in einer
Unternehmenskultur, in der sich Management
wie Mitarbeiter auf ihr Produkt fokussieren
und sich mit gegenseitigem Respekt begegnen, können Vorurteile – insbesondere Annahmen basierend auf traditionellen Rollenbildern
– überwunden werden. Nur eine Atmosphäre
des Miteinanders erzeugt nachhaltigen Erfolg.
Wenn es Unternehmen gelingt, dieses „Wie“
zu implementieren, haben sie eine realistische Chance, zukunftsfähig zu sein.
Mit ihrer Unternehmensberatung The Collaboration Practice bietet Britta Posner Consulting-, Coaching- und Trainingsprogramme an und unterstützt Unternehmen durch
eine stärkenbasierte Herangehensweise
darin, optimierte Ergebnisse zu erzielen.
Dieser Artikel ist als Ersterscheinung auf
www.berufebilder.de zu lesen.
SCHWERPUNKT DIVERSITY
CHARTA DER VIELFALT ALS SELBSTVERPFLICHTUNG
DIE FÜHRUNGSKRÄFTE – DFK haben bereits zum Jahreswechsel 2012/2013 die „Charta der Vielfalt“
­unterschrieben. Damit gehört der Verband zu dem Kreis von Unternehmen, öffentlichen E inrichtungen
und Verbänden, die für eine Kultur stehen, die auf Anerkennung und Wertschätzung von Vielfalt beruht
– und dieses als einen Schlüsselfaktor für ihre Wettbewerbsfähigkeit sehen.
Die „Charta der Vielfalt“ ist eine Selbstverpflichtung von Unternehmen und Institutionen zu Vielfalt und Toleranz, Fairness und
Wertschätzung von Menschen im Arbeitsleben. Durch die Unterzeichnung verpflichten sich Unternehmen, ein Arbeitsumfeld
zu schaffen, das frei von Vorurteilen und
Ausgrenzung ist. So soll eine offene Unternehmenskultur etabliert werden, die auf
Einbeziehung und gegenseitigem Respekt
basiert, die unterschiedliche Talente in der
Belegschaft und im Arbeitsfeld erkennt und
nutzt, um Märkte optimal zu bedienen.
Die „Charta der Vielfalt“ wurde von der Daimler AG, der Deutschen Bank, der Deutschen
BP und der Deutschen Telekom zusammen
mit Staatsministerin Maria Böhmer 2006 ini­
tiiert. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat
die Schirmherrschaft übernommen.
Der DFK begrüßt die Vielfalt in den Unternehmen in jeder Hinsicht. DFK-Mitglieder wollen in
ihrer Führungsposition dazu beitragen, dass die
Chancen von Diversity genutzt und ihre Vorteile
in den Unternehmen Realität werden. mü
www.charta-der-vielfalt.de
27
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > MANAGEMENT
GESUNDHEIT IM UNTERNEHMEN
MEHR BEWEGUNG IM BERUFSALLTAG –
AUCH FÜR FÜHRUNGSKRÄFTE
von Sabine Welz
Rein in das Auto, weiter mit dem Fahrstuhl und rauf auf den Bürostuhl, der für Meetings und Gespräche
nur gewechselt wird. Von einem Stuhl zum nächsten. Viel mehr Bewegung gibt es oft im Alltag nicht –
besonders für Führungskräfte.
Oft zeigt sich: Mehr als 5.000 Schritte schafft
man nicht. Da beginnt das Umdenken, wie
man mehr Bewegung einbauen kann: Mittags in die Innenstadt essen gehen – anstatt
direkt um die Ecke, Treppe nutzen statt den
Fahrstuhl, für Absprachen mit Kollegen zu ihnen gehen, beim Telefonieren umhergehen.
So kommt man dann zumindest auf ca. 8.000
Schritte.
Der Job steht ausreichender Bewegung oft
ohnehin schon im Weg. Kommt noch die
Karriere dazu und geht es in höhere Gehaltsklassen, dann wird der Beruf regelrecht zum
Bewegungshindernis, wie die Bewegungsstudie der TK* zeigt: „Ab einem Netto-Einkommen von 3.000 € bewegt sich fast jeder
zweite Deutsche nur noch höchstens eine
halbe Stunde am Tag aktiv draußen fort. Und
so bleibt nach einem hektischen Tag auch oft
ein schaler Nachgeschmack. Das schlechte
Gewissen nagt, wenn der Effizienzgedanke
siegt und Wege zielorientiert zurückgelegt
werden. Bewegung wird dann zum Luxus. In
den höheren Einkommensgruppen ist das
Prinzip der reinen Zielorientierung weit verbreitet. Nur ein Drittel gibt an, sich aus Lust
und Laune auch mal den längeren Fußweg zu
gönnen.“
Mitarbeiter in Schwung bringen
10.000 Schritte am Tag – das ist das Grundbedürfnis des Körpers an Bewegung (WHO).
Bewegung fördert nachweislich die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Leistungs­
fähigkeit. Deshalb haben immer mehr Unter-
Sabine Welz
nehmen ein Interesse daran, Führungskräfte
und Mitarbeiter in Schwung zu bringen. Per
Schrittzähler kann man in dem Berufsalltag
nachvollziehen, wie weit man noch bis zu
den 10.000 Schritten zu gehen hat.
Wettbewerb kann Spaß machen
Quelle: Fotolia, © tunedi
Jeder Schritt zählt
28
Wir haben bereits 1,8 Millionen Menschen in
Bewegung gebracht. Für die virtuelle ­Reise
ist neben dem Schrittzähler eine OnlinePlattform ein wichtiger Bestandteil. Der
Schrittzähler ist das Messinstrument, die
Online-Plattform mit Streckengrafik und Anzeige, wo man im Vergleich zu den anderen
Mitarbeitern steht, machen den Unterschied:
Dort kann man die persönliche Entwicklung
verfolgen, jederzeit sehen, wie man sich
dem Ziel entgegenbewegt und wo die anderen Teams stehen. Das macht Spaß und
motiviert die Teilnehmer zusammen mit dem
Wettbewerbsgedanken sehr.
Beispielsweise haben über 1.000 Mitarbeiter
aus der Zentrale und den 59 Filialen der Sparkasse Bremen die virtuelle SchrittzählerReise schon gemacht – acht Wochen lang.
Das entspricht einer Teilnahmequote von
80 %. Im Durchschnitt machen 60 bis 80 %
der Mitarbeiter mit. Angesprochen und motiviert fühlen sich durch das Programm auch
diejenigen, die sich wenig bewegen und nicht
zum Sport aufraffen können. Gehen kann
fast jeder, zu jeder Zeit, an jedem Ort, allein
oder in Gesellschaft. Und: Gehen ist bereits
ein wirksames Herz-Kreislauf-Training. Auch
sportliche Aktivitäten zahlen auf den virtuellen Reisefortschritt ein. Mehr als 100 Sportarten sind auf der Online-Plattform hinterlegt
und werden automatisch in Schritte umgerechnet.
Der Gehwettbewerb kann neben der Gesundheit auch den Teamgeist und das Betriebsklima fördern. Das Bewegungsverhalten beeinflusst er nachhaltig. 50 % der Teilnehmer
bleiben auch ein halbes Jahr nach der Maßnahme bei ihren veränderten Bewegungsgewohnheiten.
Quelle: *„Beweg Dich, Deutschland! TK-Studie zum Bewegungsverhalten der Menschen in Deutschland“, 2013
Kontakt: [email protected]
Sabine Welz ist Gesundheitsmanagerin
bei tappa.de.
MANAGEMENT < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
RISIKOBEWUSSTSEIN SCHÄRFEN
PROFESSIONALISIERUNG UND AKZEPTANZ
VON COMPLIANCE NOCH AUSBAUFÄHIG
Noch nicht in allen großen deutschen Unternehmen ist das Thema Compliance ausreichend professio­
nalisiert. Mit ihrer erstmals aufgelegten branchenübergreifenden Studie „CMS Compliance-Barometer“
hat die Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland zwar festgestellt, dass das Thema Compliance mittlerweile
immer fester in Unternehmen verankert ist; dennoch besteht weiterhin Verbesserungsbedarf.
Defizite im Organisationsgrad
Nahezu die Hälfte der großen Unternehmen hat in den vergangenen Jahren die
personellen und finanziellen ComplianceRessourcen erhöht. Dennoch fühlen sich
nur 42 % der Befragten gut ausgestattet.
Vielfach kommen die Compliance-Verantwortlichen aus verschiedenen Unternehmensbereichen: Meistens sind diese in
der Rechtsabteilung, dem Controlling, dem
Risikomanagement oder der Revision angesiedelt. In der Mehrheit der Unternehmen
sind ein bis vier Mitarbeiter mit ComplianceAufgaben betraut. Dabei ist für viele Mitarbeiter Compliance nach wie vor nicht die
Hauptaufgabe: Nicht einmal ein Drittel der
befragten Unternehmen hat eine eigenständige Compliance-Abteilung eingerichtet. In fast einem Drittel der Unternehmen
üben Mitarbeiter aus Vertrieb und Einkauf
sogar selbst Compliance-Funktionen aus.
Hier können Haftungsrisiken drohen, wenn
operatives Risikogeschäft und ComplianceVerantwortlichkeiten nicht klar getrennt
voneinander gemanagt werden. Ein Defizit
zeigen viele Unternehmen bei der Ausnutzung bereits bestehender Ressourcen: In
etwa jedem zweiten Unternehmen werden bestehende Abteilungen nicht optimal
miteinander verzahnt. Weit verbreitet ist
dagegen die Praxis, extern fachliche Unterstützung einzuholen – je nach ComplianceThema liegt die Beratungsquote bei bis zu
80 %.
Überraschende Risikoeinschätzung
Überraschend ist, dass nach Einschätzung
vieler mittelständischer Unternehmen (500
bis 999 Mitarbeiter) kartellrechtliche Fragen
und Korruption als Compliance-Themen eine
eher untergeordnete Rolle spielen, wohingegen der Datenschutz hier als größtes Compliance-Risiko gesehen wird. In Großkonzernen
werden hingegen Korruptions- und Kartellverstöße und die damit verbundenen hohen
Bußgelder als größte Risiken eingeschätzt.
Dies spiegelt die bei gerade mittelständischen Unternehmen immer noch weit verbreitete Auffassung wider, Korruption käme
dort nicht vor“, so CMS.
Zunehmende ComplianceAnforderungen
Der Druck auf die Unternehmen steigt: Als
größte künftige Herausforderungen gelten bei den Studienteilnehmern ein stetig
verschärfter Haftungsmaßstab aufgrund
der zunehmenden Regulierung der Gesetzgeber und strengeren Praxis von Behörden und Rechtsprechung. Allerdings üben
nicht nur staatliche Stellen Druck aus: Die
Hälfte der Unternehmen hält es für wichtig, gegenüber Geschäftspartnern ein eigenes Compliance-System nachweisen zu
können.
Handlungsbedarf bei Compliance-Kultur
und Risikovorsorge
In vielen Unternehmen ist mittlerweile
angekommen, dass der eigenen Compliance-Kultur entscheidende Bedeutung zukommt. Dementsprechend sehen es fast
drei Viertel der Befragten als größte interne
Quelle: Fotolia, © mindscanner
„Die Regulierungspflichten nehmen für Unternehmen ständig zu. Somit steigen auch
die Risiken – für das Unternehmen, aber auch
persönlich –, die aus einem unzureichenden
Compliance-Management entstehen können“, so Dr. Harald W. Potinecke, Partner
und Koordinator der deutschen ComplianceGruppe bei CMS. „Das Thema Compliance ist
beim großen Mittelstand und in Konzernen
bereits angekommen. Die Studienergebnisse offenbaren interessante Erkenntnisse,
wo noch Optimierungsbedarf besteht.“ Für
die Studie sind Compliance-Verantwortliche
aus 175 großen Unternehmen (mindestens
500 Mitarbeiter) anonym und repräsentativ
befragt worden.
Der DFK bietet Hilfe und Beratung in Sachen
Compliance an
Herausforderung an, bei Mitarbeitern wie
bei der Unternehmensleitung ein echtes
Bewusstsein und eine Akzeptanz für die
Thematik zu etablieren. Dem Management
bescheinigen 88 %, den Mitarbeitern dagegen nur ein Drittel der Befragten ein hohes
Compliance-Bewusstsein. Während fast
alle Unternehmen (94 %) mittlerweile über
ein Standardrepertoire an ComplianceInstrumenten verfügen, so existiert doch
nur bei der Hälfte der Befragten einer der
wichtigsten Compliance-Bausteine: Ein
Schulungsprogramm zur Vermittlung von
Verhaltensanforderungen.
Eine Erfahrung, die auch DIE FÜHRUNGSKRÄFTE-DFK immer wieder machen. Durch
enge unternehmensspezifische Compliance-Definitionen werden ganze Risikogruppen ausgeblendet und die Mitarbeiter für
diese Risiken auch nicht sensibilisiert. Darüber hinaus fehlt es oft an Schulungen für
das Verhalten im Schadensfall, speziell wenn
es zu Ermittlungsverfahren kommt. Der DFK
bietet seinen Mitgliedern dafür schriftliches
Informationsmaterial sowie Vortragsveranstaltungen und Seminare an. go
29
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > MANAGEMENT
... UND MANCHMAL SIND ES DIE NEBENLEISTUNGEN
BENEFITS – TOP-ANGEBOTE FÜR FACH- UND ­FÜHRUNGSKRÄFTE
von Dr. Ulrich Goldschmidt
Viele Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern inzwischen diverse Nebenleistungen ergänzend zum
­eigentlichen Gehalt an. Zweifellos ein guter Ansatz, aber gleichwohl liegt hier noch einiges im Argen.
Die Chancen, die sich aus solchen Benefits ergeben können, werden noch gar nicht genügend ausge­
schöpft. Das beginnt bei der Zusammenstellung der Angebote und geht über die Budgetierung bis hin
zur Überprüfung, ob die Angebote noch passend sind oder einer Aktualisierung bedürfen. Das ist ein
kontinuier­licher Prozess – Benefits brauchen ständige Begleitung, Hege und Pflege sowie eine gute
Kommunikation. Aber der Aufwand lohnt sich, und zwar schon beim Recruiting und später bei der Mit­
arbeiterbindung.
ders aussehen. Wer als Unternehmer den
größtmöglichen Gewinn aus der Gewährung von Benefits ziehen will, bietet ein
großes Portfolio solcher Nebenleistungen
an und sollte vorher die Wünsche seiner
Mitarbeiter erkundet haben.
Den Überblick behalten. Es ist auffällig,
dass es vielen Unternehmen schwerfällt,
auf Anhieb ihre Benefits vollständig zu
­benennen. In solchen Fällen ist es hilfreich, nicht nur eine Bestandsaufnahme
sondern auch eine Bereinigung vorzunehmen und möglicherweise sogar einen kompletten Neustart zu unternehmen.
Dr. Ulrich Goldschmidt
Was man unbedingt beachten sollte:
Der Ansatz „one-size-fits-all“ funktioniert
bei Benefits nicht. Mehr denn je wollen
Mitarbeiter in ihrer Individualität wahrgenommen und wertgeschätzt werden.
Wertschätzung drückt sich aber nicht darin aus, alles über einen Kamm zu scheren.
So unterschiedlich wie die Menschen sind
auch ihre Wünsche, was Benefits angeht.
Das hängt von der Lebensplanung, dem
Alter, den Lebensumständen etc. ab. Ein
Single ohne Kinder unter 40 wird vermutlich in Teilen andere Benefits bevorzugen
als Gleichaltrige, die in Partnerschaft leben und Kinder haben. Bei der Generation
50+ kann das alles noch einmal ganz an-
30
Regelmäßig prüfen, welche Angebote
tatsächlich wahrgenommen werden und
welche nicht. Dazu sollte man die Mitarbeiter danach befragen, warum bestimmte
Benefits attraktiver sind als andere und
welche Leistungen aus Sicht der Arbeitnehmer ggfs. noch fehlen.
Wer soll der bezugsberechtigte Personenkreis sein? Nur wer weiß, welche Mitarbeiter Benefits erhalten sollen, kann ein Budget dafür planen und maßgeschneiderte
Angebote unterbreiten.
Budgetierung: Für Arbeitgeber und Mitarbeiter muss von Anfang an klar sein,
welchen materiellen Wert die Nebenleistung haben soll und aus welchen Mitteln
das Budget dafür finanziert werden soll.
Neben rein arbeitgeberfinanzierten Modellen kommen Mischfinanzierungen in
Betracht, bei denen auch der Mitarbeiter
seinen Anteil beisteuert oder auf eine
ansonsten anstehende Gehaltserhöhung
verzichtet.
Wie flexibel sollen die Mitarbeiter auswählen und ihre Auswahl auch wieder
verändern dürfen? Der Arbeitgeber kann
bestimmte Benefits verbindlich vorgeben
und andere oder alle zur freien Auswahl anbieten. Zu den festzulegenden Spielregeln
gehört auch, wie lang sich der Mitarbeiter
bindet, wenn er sich für eine bestimmte
Nebenleistung entscheidet. Gerade ein
angemessenes Maß an Flexibilität, um auf
sich ändernde Lebensumstände reagieren
zu können, sorgt für die Attraktivität von
Benefit-Programmen.
Wie sind die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen einer
Nebenleistung durch den Arbeitgeber?
Hierüber müssen die Mitarbeiter informiert werden. Im Zweifel sollte über eine
Anrufungsauskunft beim zuständigen
Betriebsstättenfinanzamt zumindest für
die lohnsteuerrechtliche Seite für Klarheit
gesorgt werden.
Betriebsrat und Sprecherausschuss: Die
Einbindung der betriebsverfassungsrechtlichen Organe wird bei diesem Thema
oft schon gesetzlich vorgegeben sein. Davon unabhängig macht die Mitwirkung von
Betriebsrat und Sprecherausschuss Sinn,
weil erfahrungsgemäß damit die Akzeptanz solcher Programme bei den Mitarbeitern noch einmal erhöht wird.
Die Bestenliste
1. Betriebliche Altersversorgung
Der Klassiker ist nach wie vor die betriebliche Altersversorgung in ihren verschiedenen Ausprägungen. Nach den jüngsten DIE
MANAGEMENT < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
Unabhängig davon, ob es sich um die klassische Direktzusage oder um reine Versicherungslösungen handelt, ist die Betriebsrente
für Mitarbeiter hoch attraktiv, insbesondere
wenn es darum geht, Versorgungslücken zu
schließen. Von daher eignet sich eine Betriebsrentenzusage personalpolitisch auch
als Bindungsinstrument. Gleichwohl müssen die Arbeitgeber auch hier darauf achten,
Flexibilität zuzulassen. Ein betriebliches Altersversorgungssystem, das von den Mitarbeitern als Knebelung empfunden wird, wird
kaum Begeisterung auslösen.
2.Dienstwagen
Auch der Dienstwagen mit privater Nutzungsmöglichkeit wird gemeinhin als Standardausstattung zumindest für Führungskräfte gesehen. Und tatsächlich haben nach
DFK-Untersuchungen in der 1. Führungsebene unterhalb der Unternehmensleitung 73 %
der Führungskräfte ein solches Fahrzeug. In
der 2. Ebene sind es immerhin noch 65 % und
in der 3. Ebene 54 %.
Problematisch sind die Dienstwagen-Programme in den Unternehmen zum einen
mitunter wegen hoch komplizierter Finanzierungs- und Abrechnungvorgaben, die immer
wieder zu steuerlichen Problemen führen.
Üblich ist es, die Nutzung des Dienstwagens
als geldwerten Vorteil zu versteuern, wobei
als Besteuerungsgrundlage 1 % des Bruttolistenpreises des Fahrzeugs zugrunde
gelegt wird. Schwierig wird es dann, wenn
zu dieser an sich einfachen Regelung der
Arbeitgeber unternehmensspezifische Bestimmungen hinzuerfindet.
Auf der anderen Seite sind DienstwagenProgramme oftmals zu starr und unflexibel,
um für den Mitarbeiter attraktiv zu wirken.
Zwingende Modellvorgaben bei der Auswahl
des Dienstfahrzeugs werden immer weniger
akzeptiert. Außerdem wird von den Mitarbeitern heute stärker hinterfragt, als dies früher
der Fall war, ob der Dienstwagen tatsächlich
als Vorteil oder eher als aufgedrängte Bereicherung empfunden wird. Wer überwiegend
öffentliche Verkehrsmittel nutzt, wird die
5. Vermögenswirksame Leistungen
Frage nach dem Sinn eines Dienstwagens
wohl eher verneinen. Hier sollte der Arbeitgeber mit solchen Mitarbeitern über alternative
Angebote sprechen.
Trotz sinkender Zinsen an den Kapitalmärkten sind die vermögenswirksamen Leistungen bei den Benefits nicht aus der Mode
gekommen. Neben reinen Sparplänen und
Bausparverträgen kann die vermögenswirksame Leistung auch in Aktienfonds fließen.
Bis zu 40 € monatlich oder 480 € im Jahr
können so steuerfrei vom Arbeitgeber gewährt werden. Unbenommen bleibt es dem
Mitarbeiter, diese Beträge aus eigenen Mitteln aufzustocken.
3.Gesundheitsförderung
Hoher Beliebtheit erfreuen sich inzwischen
Maßnahmen des Arbeitgebers zur Gesundheitsförderung seiner Mitarbeiter. Dazu gehören z. B.
Gesundheits-Checks
Fitnessangebote
Individuelles Gesundheitscoaching
Bewegungsprogramme
Rückenschulen
Ernährungsberatung
Stressbewältigung und Burn-Out-Prävention
Diese Leistungen des Arbeitgebers bleiben
sogar steuerfrei, wenn sie einen Betrag von
500 € im Jahr nicht übersteigen. Die Erfahrung zeigt aber, dass diese Angebote von
Mitarbeitern als sehr attraktiv empfunden
werden und sie es gern akzeptieren, wenn
bei einem Überschreiten der 500-€-Grenze
der geldwerte Vorteil zu versteuern ist.
Echte Vorsorgeuntersuchungen bleiben sogar steuerfrei, wenn das eigenbetriebliche
Interesse des Arbeitgebers überwiegt und
er den teilnehmenden Personenkreis und
den zeitlichen Turnus der Untersuchungen
bestimmen kann.
Steuerfrei bleiben auch zum Beispiel Kurbeihilfen bis zur Höhe von 600 €.
4.Fortbildung
Vor dem Hintergrund der demografischen
Entwicklung sollten Unternehmer ebenso
wie Mitarbeiter das Stichwort „Employability“ ernst nehmen. Damit einher geht die Verpflichtung zum lebenslangen Lernen. Auch
hier kann der Arbeitgeber im eigenen Interesse unterstützen. Fortbildungsmaßnahmen,
die dazu dienen, die Einsatzfähigkeit des
Mitarbeiters im Unternehmen zu erhöhen,
bleiben steuerfrei.
Eine allgemeine Weiterbildungsmaßnahme,
die zum Beispiel als Belohnung für besondere Leistungen gewährt wird, wird zwar
als geldwerter Vorteil versteuert, ist aber
möglicherweise trotzdem für den Mitarbeiter
interessant, weil der Versteuerungseffekt
geringer ist als die Kosten der Weiterbildungsmaßnahme selbst.
Quelle: Fotolia, © Joachim Wendler
FÜHRUNGSKRÄFTE – DFK-Studien haben
fast 90 % der Fach- und Führungskräfte
eine solche Betriebsrentenzusage. Bei 49 %
wird die Betriebsrente ausschließlich vom
Arbeitgeber finanziert, bei 25 % handelt es
sich um eine Mischfinanzierung, bei der Arbeitgeber und Mitarbeiter gemeinsam einzahlen.
Benefits haben geldwerten Vorteil
6.Vermögensbeteiligungen
Leider immer noch unzureichend vom Staat
gefördert werden sogenannte Vermögensbeteiligungen. Arbeitnehmern können im
Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses unentgeltlich oder vergünstigt Kapitalbeteiligungen (zum Beispiel Belegschaftsak­
tien) gewährt werden. Dieser Vorteil bleibt
steuerfrei wenn er insgesamt 360 € im
Jahr nicht übersteigt. Insbesondere für
Führungskräfte erscheint diese Wertgrenze als nicht besonders attraktiv. Der Reiz
entsteht tatsächlich erst durch das Anwachsen über mehrere Jahre hinweg. Eine
über den Steuerfreibetrag hinausgehende Kapitalbeteiligung wird ein Mitarbeiter
dann als attraktiv einschätzen, wenn die
Zukunftsprognose für das Unternehmen so
positiv ist, dass es den Versteuerungseffekt überwiegt.
7. Zeitwertkonten, Sabbatical
Viele Arbeitgeber scheuen die Einführung
von Zeitwertkonten, weil sie den damit verbundenen bürokratischen und organisatorischen Aufwand scheuen. Da ist zweifellos
etwas dran, aber auf der anderen Seite ist
die positive personalpolitische Wirkung
immens, weil der Wunsch einer immer grö­
31
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > MANAGEMENT
ßeren Zahl von Mitarbeitern nach mehr
Zeit­
souveränität erfüllt werden kann. Im
Wesent­lichen gibt es Zeitwertkonten in zwei
Erscheinungsformen. Entweder spart der
Mitarbeiter Zeit oder Bruttoarbeitsentgelt
für die Zukunft an. Theoretisch ist es denkbar, dass auf dem Zeitwertkonto ausschließlich Zeiteinheiten geführt werden. Diese
kann der Mitarbeiter im Laufe seines Arbeitsverhältnisses dann für eine Freistellung von
seinen Dienstverpflichtungen abrufen. Das
„klassische“ Zeitwertkonto wird aber in Geld
als Wertguthaben geführt. Spart der Mitarbeiter hierfür Arbeitszeit an, wird diese Zeit
in Geld umgerechnet und auf dem Zeitwertkonto geparkt. Ergänzend oder alternativ
kann der Mitarbeiter auch Bruttoarbeitsentgelt auf das Zeitwertkonto einzahlen.
Praxis kommt es leider immer wieder vor, dass
Arbeitnehmer aus einem Sabbatical zurückkehren und für sie kein Arbeitsplatz und keine
adäquate Aufgabe mehr zur Verfügung stehen. Als Notlösung ist dann der Aufhebungsvertrag beinahe logisch der nächste Schritt.
Damit werden Sinn und Zweck dieses Benefits
aber ad absurdum geführt. Wird die Möglichkeit eines Sabbaticals geboten, muss dieses
nicht nur durch eindeutige vertragliche Regelungen, sondern auch durch eine verlässliche
Rückkehrplanung begleitet werden.
8. Arbeitszeitflexibilisierung und
Homeoffice
Quelle: Fotolia, © drubig-photo
Kinderbetreuung gewinnt an Bedeutung
Auch für außertarifliche Angestellte ohne definierte Arbeitszeit kann das Ansparen von Zeiteinheiten für das Zeitwertkonto funktionieren.
Da die Arbeitszeiten von außertariflichen Angestellten in der Regel deutlich über tariflichen
Arbeitszeiten liegen, kann der Arbeitgeber für
diese Mitarbeiter pauschal eine fiktive Mehrarbeit unterstellen und diese für den Mitarbeiter
auf das Zeitwertkonto einzahlen.
Arbeitnehmer profitieren von einem Zeitwertkonto doppelt. Das auf das Zeitwertkonto
eingezahlte Wertguthaben ist zunächst steuer- und sozialversicherungsfrei. Lohnsteuer
und Sozialversicherungsbeiträge müssen
erst abgeführt werden, wenn der Arbeitnehmer dieses Guthaben abruft. Der weitere Vorteil besteht dann in der Tat in der größeren
Zeitsouveränität. So kann ein Mitarbeiter im
Laufe seines Arbeitsverhältnisses das Wertguthaben des Zeitwertkontos zum Beispiel
für ein Sabbatical einsetzen oder damit auch
einen Vorruhestand selbst finanzieren.
Besondere Sorgfalt ist bei Durchführung und
Begleitung von Sabbaticals geboten. In der
32
Auch Fach- und Führungskräfte wünschen
immer häufiger für sich eine individuelle Flexibilisierung ihrer Arbeitszeit, soweit dies mit
betrieblichen Erfordernissen vereinbar ist.
Die Präsenzkultur in den Unternehmen findet
immer weniger Akzeptanz und wird gezielt
hinterfragt. Arbeitgeber müssen sich fragen
lassen, warum Arbeitszeitflexibilität und
Homeoffice karriereschädlich sein können
und nicht zu den selbstverständlichen Angeboten auch für Fach- und Führungskräfte
gehören. Im Vergleich zu anderen Ländern hat
Deutschland hier noch großen Nachholbedarf.
Entsprechende Möglichkeiten für seine Mitarbeiter einzuräumen, ist auch ein Ausdruck von
Wertschätzung und Vertrauen. Auch wenn
man dies nicht ohne Weiteres in einen konkreten Euro-Betrag umrechnen kann, zahlen
Mitarbeiter dieses Entgegenkommen doch in
der Regel mit Leistung und Loyalität zurück.
9.Belegschaftsrabatte
Waren oder Dienstleistungen, die der Arbeitgeber seinen Kunden anbietet, können seine
Arbeitnehmer mit einer Preisreduzierung beziehen. Ein Kostenvorteil von bis zu 1.080 €
jährlich bleibt steuerfrei. Steuerliche Bewertungsgrundlage ist dabei der um 4 % geminderte Kundenendpreis.
Bekannte Beispiele für solche Belegschaftsrabatte sind zum Beispiel die Stromdeputate
für Arbeitnehmer von Energieversorgungsunternehmen oder die verbilligte Abgabe von
Fahrzeugen an Mitarbeiter von Kfz-Herstellern.
Wichtig ist nur, dass der Arbeitgeber selbst diese Waren oder Dienstleistungen produziert und
nicht nur ein anderes Konzernunternehmen.
10.Kinderbetreuung
Für jüngere Fach- und Führungskräfte ist die
Unterstützung durch den Arbeitgeber bei der
Kinderbetreuung hoch attraktiv. Die kostenlose Betreuung der Kinder im firmeneigenen
Kindergarten ist steuerfrei. Gleiches gilt für
Arbeitgeberleistungen, die zweckgebunden
für die Kosten der Betreuung und Unterbringung von nicht schulpflichtigen Kindern in
außerbetrieblichen Einrichtungen oder bei
Tagesmüttern eingesetzt und zusätzlich
zum Gehalt ausbezahlt werden. Für Firmenangehörige ist dieser Zuschuss oft günstiger
als beispielsweise eine Gehaltserhöhung.
Firmen, die keine eigenen Einrichtungen
oder Belegplätze anbieten können, entlasten mit diesem Zuschuss ihre Beschäftigten und erreichen dadurch unter anderem,
dass diese nach der Elternzeit früh wieder an
­ihren Arbeitsplatz zurückkehren.
Seit Anfang 2015 kann der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern außerdem bis zu 600 € jährlich für die kurzfristige Betreuung der ­Kinder
steuerfrei dazugeben. Voraussetzung ist,
dass das betreute Kind jünger als 14 Jahre
ist. Diese Regelung greift aber außerdem bei
der Betreuung von behinderten Kindern unter
25 Jahren und bei pflegebedürftigen Angehörigen. Zahlt der Arbeitgeber mehr als diese
600 € pro Jahr und Mitarbeiter, wird zwar der
überschießende Betrag steuerpflichtig. Der
Wert dieser Arbeitgeberleistungen dürfte für
den Mitarbeiter aber wesentlich höher sein
als der Versteuerungseffekt.
11.Telekommunikation
Gestattet der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter die private Nutzung von betrieblichen
Computern, Laptops oder Telekommunikationseinrichtungen (Festnetz-Telefon, Handy,
Fax), bleiben diese Vorteile steuerfrei. Die
Steuerfreiheit gilt für die Gerätekosten ebenso wie für Grundgebühren und Verbindungsentgelte sowie für Gebühren des Providers.
Überlässt der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern verbilligt oder gar unentgeltlich einen
PC, Laptop, Tablet-PC oder ein Smartphone,
kann er diese Leistung pauschal mit 25 %
versteuern, wenn sie zusätzlich zum Gehalt
gewährt wird.
12.Sachprämien aus
Kundenbindungsprogrammen
Das allgemein bekannte Beispiel der Bonusmeilen von Fluggesellschaften hat in vielen
Unternehmen immer wieder für Streit zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitern geführt.
Dabei wäre es ein Leichtes für den Arbeitgeber, diesem Thema eine positive Wendung zu
MANAGEMENT/AUS DEM VERBÄNDENETZWERK < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
geben. Gestattet nämlich der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter, die auf Dienstreisen erworbenen Bonuspunkte aus Kundenbindungsprogrammen privat zu verwenden, bleibt ein
Prämienwert von 1.080 E jährlich steuerfrei.
13.Arbeitgeberdarlehen
Bei einem stark gesunkenen Zinsniveau stehen Arbeitgeberdarlehen naturgemäß nicht
mehr so sehr im Fokus. Gleichwohl können
sie für einzelne Mitarbeiter interessant sein.
Steuerfrei bleibt das Darlehen, das ein Arbeitgeber seinem Mitarbeiter gibt, wenn es
zu einem marktüblichen Zinssatz gewährt
wird. Bei Überlassung eines zinslosen oder
zinsverbilligten Arbeitgeberdarlehens ist
der geldwerte Vorteil (Zinsvorteil) zu ermitteln, der vom Arbeitnehmer als Arbeitslohn
zu versteuern ist. In diesem Fall tritt gleichwohl Steuerfreiheit ein, wenn am Ende des
Lohnzahlungszeitraums die Darlehenssumme 2.600 € nicht überschreitet.
14.Betriebliche Unfallversicherung
Der Arbeitgeber kann für seine Mitarbeiter
eine Gruppenunfallversicherung abschließen, die nicht nur die betrieblichen, sondern
auch die privaten Unfallrisiken abdeckt. Soll
der Mitarbeiter im Versicherungsfall einen
Direktanspruch gegenüber dem Versicherungsunternehmen haben, versteuert der
Arbeitgeber die Aufwendungen für die Versicherung pauschal mit 20 %. Pro versicherten
Arbeitnehmer darf die durchschnittliche Versicherungsprämie 62 € im Jahr nicht überschreiten.
15.Besondere Belohnungen, Incentives
Will der Arbeitgeber besondere, außergewöhnliche Leistungen seines Mitarbeiters
belohnen, kann er zu sogenannten Incentives greifen. Das können zum Beispiel
kostspielige Reisen, aber auch Eintrittskarten zu exklusiven kulturellen oder sportli-
chen Veranstaltungen zum Beispiel in VIPLogen sein.
Wird bei den Incentives pro Mitarbeiter ein
Betrag von 10.000 € im Jahr nicht überschritten, kann der Arbeitgeber diese Zuwendung pauschal mit 30 % besteuern.
Fazit
Es gibt viele Möglichkeiten für Unternehmen, mit attraktiven Nebenleistungen
zugleich die eigene Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern. Dieser Katalog ist bei
Weitem nicht abschließend, stellt aber die
Benefits vor, die erfahrungsgemäß im Besonderen von Fach- und Führungskräften
gewünscht und auf diese zugeschnitten
sind. Am Ende lohnt es sich für Arbeit­geber
und Mitarbeiter gleichermaßen, wenn solche Benefits-Programme sorgfältig geplant,
kommuniziert und kontinuierlich begleitet
werden.
DFK BEI DER JAHRESTAGUNG DER VKD-LANDESGRUPPE BERLIN-BRANDENBURG
DAS MOTTO: „ALLES DREHT SICH“
Mit einem sehr spannenden und vielfältigen Programm unter dem Motto „Alles dreht sich“ wartete die
VKD-Landesgruppe Berlin-Brandenburg am 3. und 4. September für ihre Jahrestagung in den Ober­
havellandkliniken Oranienburg auf. Der VKD (Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands e. V.) ist
Kooperationspartner des Verbandes DIE FÜHRUNGSKRÄFTE – DFK.
Quelle: wikipedia.org, © Wikipedia-Bundestagsprojekt 2014, Sven Teschke
Bereits am ersten Tag sprach Diana Golze,
Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit,
Frauen und Familie des Landes Brandenburg, über die Herausforderung der aktuellen Gesundheitspolitik und Krankenhausplanung in Brandenburg und Berlin.
Dr. Josef Dülling, Präsident des VKD, referierte und diskutierte über die aktuelle Gesundheitsreform.
Am frühen Nachmittag besichtigten die Tagungsteilnehmer die Produktionsstätte des
Pharmazieunternehmens „TAKEDA“ in Oranienburg.
Diana Golze
Die zweitägige Veranstaltung wurde vom
Vorsitzenden der Landesgruppe Berlin-Brandenburg, Björn Teuteberg, moderiert.
Am zweiten Tag war der DFK durch die Verbandsgeschäftsführerin und Fachanwältin
für Arbeitsrecht, Diana Nier, mit einem Gastvortrag vertreten. Sie beschäftigte sich mit
der Frage „Führungskraft im Wandel?“ und
stellte u. a. die DFK-Umfragen zu Führung
und ständiger Erreichbarkeit vor. Schon die
Vorredner hatten auf die Forderungen und
Wünsche der Nachwuchsfach- und Füh­rungs­
kräfte im medizinischen Bereich hingewie­
sen. Hierauf konnte im Vortrag Bezug genommen werden. Die sog. Generation Y ist
eher an Freizeit-, Auszeit- und Work-LifeBalance-Angeboten interessiert, als nur an
der Vergütung. Auch zukünftige Entwicklungen, wie „Arbeiten 4.0“ wurden angesprochen.
Weitere Gastreferenten gaben sehr interessante praxisnahe Einblicke zum Einsatz und
zur Einbindung ausländischer Fachkräfte. Hier
wurden sehr anschaulich die Herausforderungen und Chancen für die Kliniken dargestellt.
Mit der Verabschiedung des scheidenden
Vorsitzenden, Björn Teuteberg, fand die Jahrestagung der Landesgruppe Berlin-Brandenburg seinen Abschluss.
Der DFK hat diese gelungene Veranstaltung
sehr gern unterstützt und freut sich auf die
weitere kooperative Zusammenarbeit mit
dem VKD und seinen Landesgruppen. dn
33
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > YOUNG LEADERS
34
YOUNG LEADERS < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
SONDERAKTION FÜR MITGLIEDER BIS 30 JAHRE
BME-SYMPOSIUM EINKAUF UND LOGISTIK ZUM VORZUGSPREIS
Vom 11. bis 13. November 2015 findet in Berlin das 50. Symposium unseres neuen Kooperationspart­
ners BME (Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik) statt, auf dem auch der DFK mit
einem eigenen Stand vertreten sein wird.
gliedschaft für die Jahre 2015 und 2016 für
Studenten und Young Professionals (bis einschließlich 30 Jahre) an. Als Mitglied können
Sie dann das Symposium zum Vorzugspreis
besuchen.
Quelle: © http://www.bme.de
drei Tage 100,00 €, Absolventen können
für 295,00 € bzw. 495,– € teilnehmen. Die
Teilnahmegebühr beinhaltet die Teilnahme
an den Fachveranstaltungen und an den
Abendveranstaltungen, Mittagessen und
Pausengetränke sowie den Download für die
Veranstaltungsunterlagen.
Der BME bietet seinen Young Professionals
(Mitglieder unter 30 Jahren) eine Teilnahme zum Vorzugspreis an. Studenten zahlen
für zwei Symposiumstage 75,00 € und für
Den Mitgliedsantrag, das ausführliche Programm des Symposiums sowie das Anmeldeformular finden Sie unter: www.bme.de/
ne t z werk /young-pr ofessionals/ bmesymposium-2015/
Außerdem stehen für die Young Professionals spezielle Angebote auf der Veranstaltung zur Verfügung. So können sie beispielsweise eine kostenlose Karriereberatung
durch den BME erhalten.
Für Rückfragen steht Ihnen unsere Ansprechpartnerin beim BME gern zur Verfügung. Judith
Richard erreichen Sie unter: 069/30838-199,
[email protected]. sb
Im Rahmen einer Sonderaktion zum 50. Symposium bietet der BME eine kostenlose Mit-
DUALES STUDIUM
RÜCKZAHLUNG VON STUDIENGEBÜHREN
Ermöglicht der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer ein duales Studium, kann er die Rückzahlung der Kosten
verlangen, wenn der Arbeitnehmer anschließend sein Stellenangebot ablehnt. Eine Rückzahlungsklausel
im Arbeitsvertrag ist weder überraschend, noch übervorteilt sie den Arbeitnehmer – so das Arbeits­
gericht Gießen (Urteil vom 03.02.2015, Az.: 9 Ca 180/14).
E­ngineering im Bereich Qualitätsmanagement nach Abschluss des Studiums angeboten wurde, schlug er aus, und der Arbeitgeber
verlangte das Geld.
Völlig zu Recht, wie das Arbeitsgericht Gießen feststellte. Es sei üblich, „im Rahmen
von Vereinbarungen zur Rückzahlung von
Ausbildungskosten auch die Verpflichtung
zur Rückzahlung von gezahlter Vergütung für
Zeiten der Freistellung zur Fortbildung aufzunehmen“. Außerdem habe der Arbeitnehmer
durch das Ingenieurstudium und die erworbenen Kenntnisse einen geldwerten Vorteil
erlangt, der die Rückzahlung der getätigten
Aufwendungen im Falle der Nichtannahme
eines Jobangebots rechtfertige.
Die vereinbarte Bindung von drei Jahren
nach Abschluss der Ausbildung hat das Arbeitsgericht angesichts der Dauer der reinen
Ausbildungszeit ohne Praxisphasen an der
Universität von 22 Monaten, also von mehr
Quelle: Fotolia, © Joachim Wendler
In dem zugrunde liegenden Fall ging es um
ein praxisorientiertes duales Studium mit
­Bachelor-Abschluss. Während der Studienzeit von sechs Semestern sollten Praxisphasen in beteiligten Unternehmen stattfinden.
Ein Student der Hochschule schloss vor Beginn seines Maschinenbaustudiums einen
Vertrag mit einem der Unternehmen ab und
vereinbarte darin, dass er nach dem Studien­
abschluss mehrere Jahre bei der Firma bleiben werde, wenn ihm eine angemessene Stelle angeboten wird. Gleichzeitig verpflichtete
er sich aber auch in einer sog. Rückzahlungsklausel dazu, seinem Arbeitgeber die von
diesem verauslagten Studiengebühren in
Höhe von 9.000 € sowie 50 % der Vergütung
während des Studiums zu erstatten, wenn
er ein ihm angebotenes Anstellungsverhältnis nicht antritt oder das Anstellungsverhältnis vor Ablauf von drei Jahren beendet.
Die maximalen Rückzahlungsverpflichtungen wurden auf 26.280 € beschränkt. Als
ihm sodann eine Tätigkeit als Bachelor of
Gebühren müssen zurückgezahlt werden
als 1 ¾ Jahren, ebenfalls als angemessen
erachtet.
Vor dem Hintergrund, dass der Studierende ebenfalls zur Rückzahlung verpflichtet
gewesen wäre, wenn er sein Studium ohne
Firmenunterstützung mit Bafög finanziert
­
hätte, ist das arbeitsgerichtliche Urteil durchaus nachvollziehbar. sb
35
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > VGF
DIE SOZIALVERSICHERUNGSPFLICHT DES GESCHÄFTSFÜHRERS
AKTUELLE RECHTSPRECHUNG UND DEREN FOLGEN
Dr. Heike Kroll, Fachanwältin für Arbeitsrecht
Der sozialversicherungsrechtliche Status eines GmbH-Geschäftsführers sollte von Zeit zu Zeit kritisch
hinterfragt werden. Das gilt insbesondere für diejenigen unter den Geschäftsführern, die aktuell keine
Beiträge zur Sozialversicherung zahlen und denen damit unter Umständen hohe Nachzahlungen drohen.
Denn durch neuere höchstrichterliche Urteile kann ein scheinbar gesicherter Status wieder in Frage
­gestellt werden.
Wer ist zuständig?
Einzugsstellen für die Sozialversicherungsbeiträge sind die Krankenkassen (§ 28h
SGB IV). Daneben bietet die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung die
Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens an, um in Zweifelsfällen Rechtssicherheit zu erlangen. Ist ein Status bereits
(positiv oder negativ) festgestellt worden,
kann der Bescheid je nach Inhalt und Zeitpunkt des Erlasses ggf. zu Bestandsschutz
führen. In Zweifelsfällen ist jedoch die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens durchaus sinnvoll, um sich vor Beitragsnachzahlungen zu schützen.
Mindestvoraussetzung für eine
Befreiung
Dr. Heike Kroll
Normalfall: sozialversicherungspflichtig
Grundsätzlich ist der sogenannte Fremdgeschäftsführer, also der Geschäftsführer
ohne eigene Beteiligung – anders als zum
Beispiel ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft – sozialversicherungspflichtig. Damit zahlen wie bei einem „normalen“
Arbeitnehmer sowohl Geschäftsführer als
auch Gesellschaft zu gleichen Teilen bis zur
jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenze Beiträge in die Renten- und in die
Arbeitslosenversicherung ein. Ist man als
Geschäftsführer von der Sozialversicherungspflicht befreit, entfallen diese Beiträge. Die Beitragspflicht in der Kranken- und
Pflegeversicherung bleibt jedoch von einer
etwaigen Befreiung des Geschäftsführers
unberührt.
36
Bestimmte Voraussetzungen müssen mindestens vorliegen, wenn eine Befreiung in
Betracht kommen soll: Der Geschäftsführer
sollte zum einen alleinvertretungs­berechtigt
sein. Ebenso sollte er von § 181 BGB (Selbstkontrahierungsverbot) befreit sein. Diese
Vorschrift verbietet Vertretern, im Namen
des Vertretenden mit sich selbst Geschäfte
abzuschließen, also auf beiden Seiten des
Vertrages gleichzeitig zu stehen. Sie ist aber
abdingbar, d. h., man kann dieses Verbot
aufheben. Wer als Geschäftsführer der Beteiligungs- oder Verwaltungsgesellschaft
einer GmbH & Co. KG beschäftigt ist, wird in
aller Regel von § 181 BGB befreit sein.
Entscheidend ist stets das Gesamtbild
der Tätigkeit. Selbstständigkeit wird durch
das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete
Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Regelungen im Dienstvertrag, die hier Einschränkungen beinhalten, legen dagegen
eine abhängige Beschäftigung nahe.
Während man in der Vergangenheit als
Minderheitengesellschafter bei Vorliegen
sämtlicher Indizien durchaus berechtigte
Hoffnung auf eine Befreiung haben durfte,
hat sich durch zwei Entscheidungen des
Bundessozialgerichts (BSG) aus dem Jahr
2012 der Prüfungsmaßstab deutlich verschärft.
Entscheidungen des BSG aus 2012
Interessanterweise betrafen die beiden Entscheidungen gar nicht klassische Fälle, sondern mitarbeitende Familienangehörige, bei
denen in der Vergangenheit ohnehin Sonderregelungen galten.
In der einen Entscheidung des BSG (B 12 KR
25/10 R) hatte der alleinige GesellschafterGeschäftsführer eines Maschinenbauunternehmens seinem Sohn per Gesellschafterbeschluss eine Gewinntantieme zugesagt.
Der Sohn war weder Gesellschafter noch
Geschäftsführer der GmbH, sondern als Betriebsleiter beschäftigt. Er war vom Selbstkontrahierungsverbot befreit; auf das Weisungsrecht ihm gegenüber wurde verzichtet.
Trotz dieses Verzichts und der familiären Bindung bejahte das Gericht die Sozialversicherungspflicht des Sohnes.
In der zweiten Entscheid­ung (B 12 R 14/10
R) ging es um die Sozialversicherungspflicht des Sohnes einer minderbeteiligten
Kommanditistin an einer GmbH & Co. KG.
Dieser war zwar als Fremdgeschäftsführer
bestellt, hatte aber nach den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen keine Möglichkeit, wie ein Alleingesellschafter frei zu entscheiden.
Mit diesen Entscheidungen gab das Bundessozialgericht seine bisherige Übung auf, der
familiären Bindung ein sehr hohes Gewicht
bei der Frage der Sozialversicherungspflicht
bzw. -freiheit beizumessen. Zuvor war der
künftige „Unternehmenserbe“, der das Familienunternehmen bereits praktisch wie ein
Alleininhaber führte und der aufgrund der
familiären Verbundenheit keinen Weisungen
unterlag, im Regelfall die Selbstständigkeit
zugesprochen worden. Zukünftig reichen
tatsächliche Freiheiten und Befugnisse
nicht, wenn die vertraglichen Regelungen
das nicht widerspiegeln. Denn andernfalls
würde die sozialrechtliche Statusfeststellung von der jeweiligen „Stimmung“ in der
Familie abhängen, wenn dem „Unternehmenserbe“ jede Möglichkeit der rechtlichen
Durchsetzung fehle.
Auswirkungen der Urteile
Diese Urteile nahm der GVK-Spitzenverband
im April 2014 zum Anlass, die bisherigen
Richtlinien zum Statusfeststellungsverfahren zu überarbeiten und die Grundsätze zur
Statusbeurteilung von Erwerbstätigen in
GmbHs zu modifizieren.
Weiterhin wird bei Fremdgeschäftsführern
eine Gesamtbetrachtung des Beschäftigungsverhältnisses erfolgen. Jedoch wird
nun noch mehr Gewicht auf die Regelungen
des GmbH-Gesetzes und der gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen gelegt. Für eine
Befreiung von der Sozialversicherungspflicht muss der betreffende Geschäftsführer die erforderliche Rechtsmacht haben,
im Zweifel Entscheidungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern. Bei einem
Mehrheitsgesellschafter (d. h. einem Gesellschafter mit einem Anteil von mehr als
50 %) ist dies ohne Weiteres der Fall. Auch
bei einem Minderheitengesellschafter bleibt
eine Befreiung nach wie vor möglich, wenn
dem Gesellschafter eine umfassende Sperrminorität vertraglich eingeräumt ist. Die tatsächlichen Verhältnisse allein werden jedoch
zukünftig nicht mehr ausreichen, wenn die
Verträge die Machtverhältnisse nicht widerspiegeln.
Fazit
Geschäftsführer und Unternehmen sind
daher gut beraten, den Geschäftsführeranstellungsvertrag sowie den Gesellschaftsvertrag kritisch durchzusehen. Ist man in
tatsächlicher Hinsicht einig, welche Machtbefugnisse dem Geschäftsführer einge-
Quelle: Fotolia, © Zerbor
VGF < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
Die Richter des Bundessozialgerichts bestimmen
über die Sozialversicherungspflicht nach den
Vorschriften des Sozialrechtes
räumt werden sollen, müssen diese auch
in den vertraglichen Regelungen zum Ausdruck kommen. Ggf. ist der Gesellschaftsvertrag entsprechend anzupassen. Andernfalls ist die Sozialversicherungsfreiheit in
Gefahr.
Bei Fragen zu Ihrem sozialversicherungsrechtlichen Status und bei der Unterstützung
einer etwaigen Antragsstellung wenden Sie
sich bitte an den Verband. Wir beraten und
vertreten Sie gerne und kompetent. kr
37
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > VGF
SCHNELLE UND ERFOLGREICHE HILFE DURCH DEN VERBAND
KÜNDIGUNG EINES DIENSTVERTRAGES
Sachverhalt: Überraschend wurde der Vertrag eines Geschäftsführers ordentlich gekündigt. Der Vertrag
sah – aus Gründen, die hier nicht weiter vertieft werden sollen – die Möglichkeit der Kündigung nach den
­gesetzlichen Vorschriften vor. Die Gesellschaft kündigte dem Geschäftsführer unter Bezugnahme auf
§ 622 Abs. 2 Ziffer 1 BGB mit einer Frist von einem Monat zu Monatsende und stellte ihn unwiderruflich frei.
Dem Geschäftsführer war bekannt, dass er keinen Kündigungsschutz genießt. Dennoch suchte er umgehend beim Verband juristischen Beistand und ließ die Wirksamkeit der Kündigung überprüfen.
Mit Erfolg: Denn für die Kündigung seines Vertrages galt nicht § 622
BGB, sondern § 621 Nr. 4 BGB und damit eine Kündigungsfrist von
sechs Wochen zum Quartal.
§ 622 Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen
(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten
(Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.
(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen
1. zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2. fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3. acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4. zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5. zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6. 15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7. 20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.
Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die
vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt.
(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist
von zwei Wochen gekündigt werden.
§ 621 Kündigungsfristen bei Dienstverhältnissen
Bei einem Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis im Sinne
des § 622 ist, ist die Kündigung zulässig,
1. wenn die Vergütung nach Tagen bemessen ist, an jedem Tag für
den Ablauf des folgenden Tages;
2. wenn die Vergütung nach Wochen bemessen ist, spätestens
am ersten Werktag einer Woche für den Ablauf des folgenden
Sonnabends;
3. wenn die Vergütung nach Monaten bemessen ist, spätestens
am 15. eines Monats für den Schluss des Kalendermonats;
4. wenn die Vergütung nach Vierteljahren oder längeren Zeitabschnitten bemessen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist
von sechs Wochen für den Schluss eines Kalendervierteljahrs;
5. wenn die Vergütung nicht nach Zeitabschnitten bemessen ist, jederzeit; bei einem die Erwerbstätigkeit des Verpflichteten vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nehmenden Dienstverhältnis
ist jedoch eine Kündigungsfrist von zwei Wochen einzuhalten.
Ein kurzes Schreiben des Verbandsanwaltes genügte: Die Gesellschaft sah den Fehler ein und korrigierte den Endtermin umgehend.
Im konkreten Fall führte das dazu, dass zwei weitere Monatsgehälter zu zahlen waren. Zudem ergab sich nach Vertragsprüfung noch
ein Anspruch auf Tantieme, der ebenfalls erfolgreich mitverhandelt
werden konnte. Ein abgestimmter Zeugnistext rundete die Ausscheidevereinbarung ab.
Der Kommentar des Mitgliedes: „Wahnsinn. Dass ich noch so viel
Geld erhalte, hätte ich nie gedacht. Damit haben sich die Mitgliedsbeiträge für mein gesamtes Berufsleben gelohnt. Gut, dass ich den
Verband dieses Mal so frühzeitig einbezogen habe.“
Tipp: Bitte setzen Sie sich gerade bei Kündigungen möglichst umgehend mit den Verbandsjuristen in Verbindung. Obwohl Geschäftsführer
grundsätzlich keinen Kündigungsschutz genießen, lohnt sich ein Blick
auf das Kündigungsschreiben immer. In manchen Fällen verschafft
einem auch eine unverzügliche Zurückweisung nach § 174 BGB eine
deutlich verbesserte Ausgangslage, wenn die Kündigung von einem
Bevollmächtigten ausgesprochen wurde. kr
§ 174 Einseitiges Rechtsgeschäft eines Bevollmächtigten
Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem
anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere
38
das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist.
Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber
den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.
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PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > RECHT/STEUERN
ALTERSDISKRIMINIERUNG IN BETRIEBLICHEN VERSORGUNGSZUSAGEN
Eine sogenannte „Spätehenklausel“ in dem Statut einer betrieblichen Versorgungzusage, die
Hinterbliebenenleistungen bei Heirat ab einem
bestimmten Lebensalter ausschließt, bedeutet eine unmittelbare Benachteiligung eines
Versorgungsberechtigten wegen Alters und ist
eine übermäßige Beeinträchtigung legitimer
Interessen versorgungsberechtigter Arbeitnehmer. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG)
mit Urteil vom 04.08.2015 in dem Verfahren mit
Aktenzeichen 3 AZR 137/13 entschieden:
Einem im Dezember 2010 verstorbenen
63-jährigen Arbeitnehmer hatte sein Arbeitgeber Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (bAV) einschließlich einer Hinterbliebenenversorgung zugesagt. Die maßgebliche
Pensionsregelung sah eine sogenannte „Spätehenklausel“ vor, nach der zusätzliche Voraus­
setzung für die Zahlung der Witwen-/Witwer­rente sein sollte, dass der Versorgungs­berech­
tigte die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hat. Diese Voraussetzung erfüllte der verstorbene Ehemann im
entschiedenen Fall nicht, denn die Ehe­leute
hatten erst rund 16 Monate nach Vollendung
Quelle: Fotolia, © MH
SPÄTEHENKLAUSELN VERSTOSSEN GEGEN
­GLEICHBEHANDLUNG
Auch bei später Heirat können Hinterbliebenen­
ansprüche auf betriebliche Altersversorgung bestehen
des 60. Lebensjahres des Versorgungsberech­
tigten am 8. August 2008 geheiratet. Der ehemalige Arbeitgeber des verstorbenen Arbeitgebers verweigerte deshalb die Zahlung von
Hinterbliebenenleistungen. Die Witwe des Beschäftigten forderte gleichwohl die Zahlung der
betrieblichen Hinterbliebenenbezüge.
Hatten die Vorinstanzen die Klage im Hinblick
auf den Inhalt des Versorgungsstatutes noch
abgewiesen, so war nun die Revision der Witwe vor dem BAG erfolgreich, denn die Bundesrichter sahen in der zeitlichen Bestimmung
für den Beginn eines Leistungsausschlus-
ses für eine Hinterbliebenenversorgung eine
unzulässige Diskriminierung des Versorgungsempfängers, der wegen seines Alters
gegenüber jüngeren Versorgungsempfängern im Sinn von § 7 Absatz 2 des Altersdiskriminierungsgesetzes – AGG unmittelbar
benachteiligt worden sei. Zwar lasse das AGG
bei betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit Unterscheidungen nach dem Alter
unter erleichterten Voraussetzungen zu, sie
umfassten aber allein die Alters- sowie Invaliditätsversorgung, nicht die Versorgung von
Hinterbliebenen, die hier zuzuerkennen sei.
Die Reichweite der BAG-Entscheidung vom
4. August 2015 ist noch nicht abzuschätzen,
zumal die schriftlichen Entscheidungsgründe im Zeitpunkt des Redaktionsschlusses
noch nicht vorlagen. Entscheidend wird auch
weiterhin die individuelle Anspruchsgrundlage sein. Die Chancen für die Durchsetzung
von Ansprüchen aus betrieblicher Hinterbliebenenversorgungen in Ehen, die nach Überschreiten einer Altersgrenze geschlossen
wurden, dürften sich aber grundsätzlich verbessert haben. te
BEITRAGSPFLICHT AUF SONDERZAHLUNGEN
ÜBERBRÜCKUNGSGELD KEINE RENTE
Wegen einer betriebsbedingten Kündigung
gezahlte Übergangsbezüge sind keine Rente
im Sinne der betrieblichen Altersversorgung
und unterliegen damit nicht der Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Das hat der 12. Senat des
Bundessozialgerichts (BSG) mit Urteil vom
29.07.2015 unter dem Aktenzeichen B 12 KR
4/14 R festgestellt und betont, dass er sich
für das Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenkasse (GKV) den vom Bundesarbeitsgericht (BAG) zur Abgrenzung sogenannter
„Überbrückungsgelder“ von Renten der betrieblichen Altersversorgung entwickelten
Grundsätzen anschließt.
In dem nun entschiedenen Fall ging es um
die Abfindung, die eine gekündigte Mitarbeiterin nicht als Einmalzahlung erhalten hatte, sondern in monatlichen Teilbeträgen. Zunächst zahlte der Ex-Arbeitgeber 1.569 €,
später 3.132 €. Die Zahlungen waren als
40
„Zeitrente“ und als eine „Abfindung für den
Verlust ihres Arbeitsplatzes“ benannt und
galten nach einer Betriebsvereinbarung.
Danach sollten Mitarbeiter ab dem 55. Lebensjahr in einer Übergangszeit ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres bzw. bis zum
frühestmöglichen Renteneintritt bei Wegfall ihres Arbeitsplatzes eine Leistungszusage erhalten. Anstelle einer einmaligen
Abfindung konnten sie auch für die Dauer
dieser Übergangszeit wirtschaftlich so gestellt werden, dass sie auch 60 % ihres letzten monatlichen Brutto-Regeleinkommens
erhalten konnten.
Krankenkasse fordert Beiträge für
Überbrückungsgeld
Im Rechtsstreit ging es um die Frage, ob die
Krankenkasse der Frau Beiträge für die gestaffelte Abfindungszahlung erheben durfte.
Das Bundessozialgericht folgte der Auffas-
sung der Vorinstanzen und verneinte die Zulässigkeit der Beitragserhebung. Die von der
früheren Arbeitgeberin zugewandten Übergangsbezüge seien keine Versorgungsbezüge, auf die Beiträge nach dem allgemeinen
Beitragssatz zu erheben wären. Es handele
sich bei den Übergangsbezügen nicht um
eine Rente der betrieblichen Altersversorgung nach § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V. Die
Auszahlung des Überbrückungsgeldes sei
keine mit der Rente aus der gesetzlichen
­Rentenversicherung vergleichbare Einnahme,
denn der eine Betriebsrente kennzeichnende
Altersversorgungszweck sei nur bei einem
Leistungsbeginn gewährleistet, der nach der
Verkehrsanschauung als Beginn des Ruhestandes gilt. Das BSG geht davon aus, dass
die Übergangsbezüge keine Einnahmen zur
­Altersversorgung sind. Sie dienten einem Überbrückungszweck, der den Betroffenen den
Übergang in ein neues Arbeitsverhältnis oder
in den Ruhestand erleichtern solle. te
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > RECHT/STEUERN
RASSISTISCHE & BELEIDIGENDE FACEBOOK-POSTS
WENN DIE GRENZE ÜBERSCHRITTEN IST
Rechtsanwalt Sebastian Müller
Es ging durch die Presse: Fremdenfeindliche
Äußerungen auf Facebook und anderen sozialen Netzwerken nehmen ein unerträgliches
Maß an. Dass solche Äußerungen beleidigend, beschämend und unerträglich sind, ist
so weit klar. Klar sollte aber auch sein, dass
sie den Job kosten können – auch wenn diese in einem privaten Umfeld, aber öffentlich
geäußert werden.
Der Fall trug sich in Österreich zu, aber auch
nach deutschem Recht besteht die Chance,
in einem solchen Fall zu kündigen. Nach Ablauf der Probezeit braucht der Arbeitgeber in
Deutschland zwar einen „wichtigen Grund“
i. S. von § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG, um die Kündigung zu rechtfertigen. Die Chance, dass die
Rechtsprechung solche Äußerungen auch
ohne Bezug zum Arbeitsverhältnis als wichtigen Grund einstuft, ist durchaus gegeben. Es
gibt jedoch noch keine höchstrichter­lichen
Urteile hierzu. Insofern ist die Rechtslage
nicht eindeutig geklärt. Das wird sich hoffentlich bald ändern.
Letztendlich sei dies natürlich immer eine
Einzelfallentscheidung des Gerichts. Zu berücksichtigen ist dabei auch, ob durch die
Äußerung des Mitarbeiters auf Facebook
Quelle: Fotolia, © Robert Kneschke
Dass dies nicht nur theoretisch denkbar
ist, sondern sehr praktisch, musste kürzlich ein Porsche-Lehrling feststellen: Auf
einem Foto wurde eine Wasserdusche für
Flüchtlingskinder im Hochsommer dargestellt, die die Freiwillige Feuerwehr aus
Feldkirchen auf Facebook veröffentlicht
hatte, er postete dazu den Kommentar:
„Flammenwerfer währe da die bessere
Lösung“. Ja, das Wort „währe“ hat er mit
„h“ geschrieben. Sein Arbeitgeber, die
Porsche-Holding, kündigte ihm umgehend
fristlos. Der Sprecher von Porsche sagte:
„Wir lehnen jegliche Art der Diskriminierung strikt ab. Dieser Vorfall hat uns daher
zum Handeln gezwungen“.
Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, und viele lesen mit
42
Quelle: Fotolia, © mattz90
der Ruf des Unternehmens geschädigt
wird. Das dürfte auf jeden Fall dann gegeben sein, wenn sich ein Mitarbeiter in herausgehobener Position rassistisch äußert.
Ausschlaggebend ist auch, ob es außerhalb des Betriebs zu heftigen Reaktionen
oder zum Beispiel zu Kundenbeschwerden
kommt.
Die Grenze ist aus meiner Sicht dann in
­jedem Fall überschritten, wenn der Arbeit­
nehmer die Menschenwürde zutiefst verletzt und sich – wie hier – letztendlich
wünscht, dass Menschen sterben. Damit
muss das Vertrauen zu einem Arbeitgeber
notwendigerweise zerstört sein. Eine solche Facebook-Äußerung ist etwas anderes
als ein Tuscheln hinter vorgehaltener Hand
oder das gewöhnliche Lästern beim Lunch
in der Kantine. Gerichte haben bereits entschieden, dass auch eine Bezeichnung des
Chefs bei Facebook als „Menschenschinder
& Ausbeuter“ und selbst ein „Gefällt mir"Klick unter dieser beleidigenden Aussage
eine Kündigung rechtfertigen können. Das
Landesarbeitsgericht Hamm urteilte, dass
eine derart „klare und schwere Beleidigung"
die fristlose Kündigung rechtfertige. Und
das ist auch gut so.
Dass derjenige, der mit Kollegen oder gar
Vorgesetzten befreundet ist, mindestens
zweimal nachdenken sollte, was er in Bezug auf den Job postet, versteht sich von
selbst – hoffentlich. Zuletzt wurde von
dem IT-Marktforschungsinstitut Gartner veröffentlicht, dass weltweit 60 % der Unternehmen alsbald Programme zur Überwachung
von e­xternen Social-Media-Aktivitäten implementieren werden. Man sollte also generell nicht damit rechnen, dass Aussagen in
den sozialen Netzwerken unentdeckt bleiben.
RECHT/STEUERN < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
UNGEWÖHNLICHES AUS DER RECHTSPRECHUNG
INTERESSANT & KURIOS
von Rechtsanwältin Diana Nier
Ein Unfall auf der Toilette während der Arbeitszeit stellt keinen Arbeitsunfall dar, so
urteilte aktuell das Landessozialgericht
Baden-Württemberg in seinem Urteil vom
30.07.2015, AZ: L 6 U 526/13.
Die Klägerin, eine Monteurin und Verpackerin, nutzte am 05.05.2009 das betriebliche
WC. Beim Verlassen des Toilettenraums
drückte sie den Türknauf der sich nach
innen öffnenden Stahltür, im gleichen Moment öffnete jedoch mit vollem Schwung
eine Kollegin die Tür.
Die Klägerin verletzte sich hierdurch am
Handgelenk und wurde krankgeschrieben. Sie bezog bis 09.08.2010 Verletztengeld und klagte über massive Schmerzen. Sie könne nur zwei bis drei Stunden
schlafen, und an ein Arbeiten sei nicht zu
denken.
Der Gutachter attestierte lediglich eine
Handgelenksverrenkung, die von der Klägerin geschilderten Symptome waren nicht
nachweisbar.
Im Rechtsstreit mit der Berufsgenossenschaft forderte sie die Anerkennung als
Arbeitsunfall und Gewährung einer Verletztenrente.
Dies lehnte das Landessozialgericht jedoch, mit Verweis auf die bestehende
höchstrichterliche Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG), ab. Die Toilettennutzung während der Arbeitszeit stehe
nicht unter dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz. Nach der Rechtsprechung des BSG sei der gesamte Aufenthalt
in den Toilettenräumlichkeiten nicht versichert. Das Verrichten der Notdurft sei eine
eigenwirtschaftliche Tätigkeit, die nicht
dem Arbeitgeberinteresse dient, so das
Gericht weiter. Erst mit Durchschreiten der
WC-Tür nach draußen, lebe der Unfallversicherungsschutz wieder auf.
Behindertengerechter Umbau einer
Motoryacht nicht steuerlich absetzbar
Der Bundesfinanzhof entschied in einem kürzlich veröffentlichen Urteil am
02.06.2015, AZ: VI R 30/14, dass der behindertengerechte Umbau einer Motoryacht
keine außergewöhnlichen Belastungen im
Sinne des § 33 EStG darstellen.
Geklagt hatte ein querschnittsgelähmter
Kläger, der auf einen Rollstuhl angewiesen
ist. Im Jahr 2008 erwarb dieser eine Motor­
yacht. Allerdings konnte er die vorhandene
Koje und den Dusch- und Toilettenbereich
nur mit einer Hilfsperson nutzen, Teilbereiche der Yacht aufgrund der schmalen
Durchgänge gar nicht.
Daher ließ er die erworbene Yacht bei einer
Werft für 37.000 E entsprechend umrüsten. Diese Kosten machte der Kläger dann
im Rahmen seiner Einkommenssteuer-
Quelle: Fotolia, © psdesign1
Vorsicht bei der WC-Nutzung während
der Arbeitszeit
erklärung in 2011 als außergewöhnliche
Belastungen geltend. Dies wurde ihm von
seinem zuständigen Finanzamt abschlägig
beschieden, ebenso durch das Niedersächsische Finanzgericht.
Der Bundesfinanzhof bestätigte die Ansicht der Vorinstanz. Ziel des § 33 EStG
sei es, zwangsläufige Mehrbelastungen
für den existenznotwendigen Grundbedarf
besonders zu berücksichtigen, die sich
­
einer pauschalen Erfassung von Entlastungsbeiträgen entziehen. Die Anschaffung und der Unterhalt einer Motoryacht
sind demgegenüber weder existenznotwendig noch zwangsläufig. Es bestehen
keine recht­lichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründe, Kostenaufwendungen für
eine ­Motoryacht zu tragen, sondern diese
stehen vielmehr im Belieben des Steuerpflichtigen. Die entstandenen Kosten
sind nicht vornehmlich der Krankheit oder
Behinderung geschuldet, sondern Folge
eines frei gewählten Konsumverhaltens.
Daher ist dieser Sachverhalt anders zu
bewerten als beispielsweise Aufwendungen für die Sicherungen des existenziellen
Wohn­bedarfs.
VERTRETUNG WEGEN KINDERBETREUUNG – SACHGRUND?
KETTENBEFRISTUNG
Ein Arbeitnehmer wurde insgesamt 15 Jahre immer befristet vom gleichen Arbeitgeber
beschäftigt. Befristungsgrund war die Vertretung einer Arbeitnehmerin, die auf Grund von
drei Geburten wegen Mutterschutz, Elternzeit
usw. ausfiel. Als Sachgrund der letzten Befris­
tung wurde der Sonderurlaub für Kinderbe-
treuung genannt, der dieser Arbeitnehmerin
gewährt wurde. Der Arbeitnehmer war der
Ansicht, dass die ständigen Befristungen unzulässig seien, und erhob Klage. Er unterlag
in allen Instanzen, so auch vor dem Bundes­
arbeitsgericht (BAG), das in seinem Urteil vom
29.04.2015 lediglich die letzte Befristung
auf ihre Wirksamkeit prüfte. Eine Befristung
auf Grund einer Vertretung für die Dauer des
Sonderurlaubs zur Kinderbetreuung wurde
­
von den Richtern als zulässiger Befristungsgrund anerkannt; mit der Folge, dass die vorher­gehende Kettenbefristung nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen wurde. st
43
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > RECHT/STEUERN
SCHWERPUNKT DIVERSITY
ELTERNGELDPLUS – NEUES KARRIEREVERSTÄNDNIS
DER GENERATION Y
von Fachanwalt für Arbeitsrecht Oliver Flesch
Als Generation Y werden Personen bezeichnet, die im Zeitraum von 1978 – 1999 geboren sind. In der
­Literatur finden sich für die Vorgängergenerationen die Bezeichnungen Generation X (Geburtsjahre 1965
– 1977) sowie die Boomers (1946 – 1964). Als Generation Z werden abschließend die Geburtsjahrgänge
1999 bis heute bezeichnet.
Balance bei der Rekrutierung neuer Führungskräfte zu einem der wichtigsten Themen
wird, sofern sie es nicht schon ist.
Klassische weibliche Rollenmuster gelten
nicht mehr. Weibliche Berufstätigkeit auf
hohem Qualifikationsniveau ist eine Selbstverständlichkeit, zumal nach Studien in NRW
Mädchen im Durchschnitt die besseren
Schulabschlüsse erzielen als Jungen. So erzielten zum Beispiel im Jahr 2011 an Gym­
nasien die Schülerinnen eine durchschnittliche Abiturnote von 2,42, während der
Durchschnittswert bei Schülern bei 2,55 lag.
Bei der Generation Y werden alternative
­Motivatoren neben guter Bezahlung wichtiger, und Brüche in der Berufsbiografie sind
nicht mehr die Ausnahme.
Oliver Flesch
Frauen und Männer der Generation Y verabschieden sich von dem klassischen Rollenmuster. Unternehmen müssen sich zukünftig darauf einstellen, dass junge Fach- und
Führungskräfte mit einem neuen Selbstverständnis in den Arbeitsmarkt vordrängen.
Trendstudien über die einzelnen Generationen sind diskutabel. Pauschale Aussagen
passen nicht immer auf den Einzelfall.
Gleichwohl lassen sich aus ihnen bestimmte Trends ableiten. Die Life-Balance ist ein
Schlagwort, wenn von der Generation Y gesprochen wird. Ein Großteil dieser Generation
wünscht sich flexiblere Arbeitszeiten, freiere
Arbeitseinteilung sowie die Möglichkeit, im
Home-Office zu arbeiten. Dazu gehört auch
die Möglichkeit, Familie und Job zu vereinbaren. Anstelle von Status und Prestige rücken
die Freude an der Arbeit sowie Sinnsuche ins
Zentrum. Für Arbeitgeber heißt dies, dass
zukünftig neben der Qualifikation die Life-
44
Beachtenswert ist, dass inzwischen auch
knapp jeder zweite Mann in Erwägung zieht,
eine Zeit lang in Teilzeit zu arbeiten, um sich
anderen Aufgaben wie zum Beispiel der Kindererziehung zu widmen.
Elternzeit und Elterngeld
Angesichts der demografischen Entwicklung,
der zunehmend gleichberechtigten Teilhabe
der Frauen am Arbeitsmarkt, dem Wunsch vieler junger Väter nach mehr Zeit für die ­Familie,
aber auch den Interessen der U
­ nternehmen
an langfristiger Bindung (vor allem) hoch qualifizierter Mitarbeiter und ihrer gesellschaft­
lichen Verantwortung werden sich die Bedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf weiter verbessern.
Bisherige Rechtslage
Von Beginn der Industrialisierung bis in die
frühen Siebzigerjahre war die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf kein Thema. Die Mutterschutzrichtlinie (nach dem Mutterschutz-
gesetz) stammt erst aus den Neunzigerjahren. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme
von Elternzeit wurde erstmals 1986 damals
noch unter dem Begriff „Erziehungsurlaub“
ermöglicht. Ursprünglich dauerte die Freistellung maximal zehn Monate, sie wurde später
auf 12, dann auf 24 Monate verlängert und
beträgt heute bis zu drei Jahre (§ 15 II BEEG).
Flankiert wird die Elternzeit durch die steuerfinanzierte Sozialleistung Elterngeld. Im
Gegensatz zum früheren Erziehungsgeld,
das zuletzt 300 € monatlich betrug, aber
davon abhängig war, dass die Berechtigten bestimmte Einkommensgrenzen nicht
überschritten (§ 5 Bundeserziehungsgeldgesetz) bemisst sich das Elterngeld nach
dem Einkommen der Eltern vor der Geburt
des Kindes und wird auch gut verdienenden
Eltern gewährt (§ 2 BEEG). Seit 2007 wird
Eltern durch die Elternzeit ermöglicht, in der
Anfangsphase der Kindererziehung beruflich
zu pausieren und den Lohnausfall in dieser
Zeit zu einem gewissen Teil über das Elterngeld abzufangen. Ebenfalls im BEEG verankert ist ein Recht auf Teilzeitarbeit. Eltern,
die von diesem Recht Gebrauch m
­ achen,
werden ab Juli 2015 durch die ElterngeldPlus-Reform neue Möglichkeiten zur Flexibilisierung ihrer Berufsphase bzw. ihres Elterngeldbezuges geboten.
Wer nimmt Elternzeit und Elterngeld in
Anspruch?
27,3 % der Väter von Kindern, die 2011 geboren wurden, nahmen Elternzeit in Anspruch,
während der Anteil der Väter vor Einführung
des Elterngeldes im Jahre 2006 lediglich
bei 3,5 % lag. Die Tendenz diesbezüglich bei
Vätern ist steigend. Während 77 % der Väter
Elterngeld für zwei Monate beantragen, blieben 12 % für drei bis sieben Monate und 7 %
der Väter für ein Jahr bei ihren Kindern. Wer
arbeitet und Hauptverdiener ist, nimmt kür-
RECHT/STEUERN < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
zer Elternzeit. Die durchschnittliche Bezugsdauer bei erwerbstätigen Vätern lag 2011 bei
3,1 Monaten. Väter bekamen im Jahr 2011
durchschnittlich 1.204 € Elterngeld, Mütter
durchschnittlich 868 € (Quelle BMFSFJ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend).
ElterngeldPlus
ElterngeldPlus gibt den Eltern mehr Spielraum für Kinder, die beide Elternteile als enge
Bezugspersonen erleben wollen. Mit dem
zum 1.1.2015 in Kraft getretenen Gesetz zur
Einführung des ElterngeldPlus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit
hat der Gesetzgeber die Elternzeit für die ab
1.7.2015 geborenen Kinder reformiert. Eltern
haben nunmehr die Möglichkeit, zwischen
dem Bezug von ElterngeldPlus und dem Bezug
von dem bisherigen Elterngeld (Basiselterngeld) zu wählen oder beides zu kombinieren.
Basiselterngeld
Basiselterngeld ist eine Familienleistung für
Eltern, die ihr Kind für die ersten 14 Monate
nach der Geburt selbst betreuen wollen
und deshalb nicht oder nicht voll erwerbstätig sind. Müttern und Vätern stehen zwölf
­Monatsbeiträge zur Verfügung, die sie untereinander aufteilen können. Wenn beide Eltern
das Elterngeld nutzen und ihr Erwerbseinkommen wegfällt, wird für zwei zusätzliche
Monate (Partnermonate) Elterngeld gezahlt.
Eine Teilzeittätigkeit mit bis zu 30 Wochenstunden ist auch beim Basis­elterngeld möglich, wobei allerdings bei Über­schreiten gewisser Einkommensgrenzen das Einkommen auf
das Basiselterngeld angerechnet wird. Das
Basiselterngeld beträgt mindestens 300 €
und höchstens 1.800 € (§ 2 Absatz 4 BEEG).
ElterngeldPlus
ElterngeldPlus stärkt die Vereinbarkeit von
Beruf und Familie und ist vor allem für Eltern,
die früher in den Beruf zurückkehren wollen.
Es berechnet sich wie das Basiselterngeld,
beträgt aber maximal die Hälfte des Basis­
elterngeldbetrages, der Eltern ohne Teilzeit­
einkommen nach der Geburt zustände.
Das ElterngeldPlus beträgt monatlich mindestens 150 E und maximal 900 E. Dafür wird es
für den doppelten Zeitraum gezahlt. Statt bisher 14 Monate kann man künftig 28 Monate
Förderung erhalten. Somit profitieren Eltern
auch über den 14. Lebensmonat des Kindes
hinaus und können sich mehr der Kinder­
Wichtig in der Elternzeit: Kontakt zum Job nicht verlieren
betreuung widmen. Auf der Internetseite des
Bundesfamilienministeriums (www.bmfsfj.de
bzw. www.familien-wegweiser.de) können
Eltern mit dem Elterngeldrechner mit Planer
die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten
ausprobieren und eine erste Einschätzung
ihres individuellen Elterngeldanspruches
be­kommen. Auch beim ElterngeldPlus wird
wieder ein Partnerschaftsbonus gewährt,
der Eltern ermutigen soll, sich für ein partnerschaftliches Zeitarrangement zu entscheiden. Der Partnerschaftsbonus bietet
hier die Möglichkeit, für vier weitere Monate
ElterngeldPlus zu nutzen. Wenn Mutter und
Vater in vier aufeinanderfolgenden Monaten
gleichzeitig zwischen 25 und 30 Wochenstunden arbeiten, bekommt jeder Elternteil vier
Monatsbeiträge ElterngeldPlus. Die Höhe des
Elterngeldes in einem Partnerschafts­bonusMonat wird genauso berechnet wie in einem
ElterngeldPlus-Monat.
Schriftform Elterngeldantrag
Der Elterngeldantrag ist schriftlich zu stellen. Rückwirkend werden Zahlungen nur für
die letzten drei Lebensmonate vor Beginn
des Lebensmonats geleistet, in dem der Antrag auf Elterngeld bei der Elterngeldstelle
eingegangen ist (§ 7 BEEG).
Auskünfte zum Elterngeld
Seit April 2014 gibt es in vielen Teilen Deutschlands unter der Rufnummer 115 eine direkte Verbindung zur öffentlichen Verwaltung,
­unter der Sie Fragen zum Elterngeld oder
der zuständigen Elterngeld­stelle bekommen
können (nähere Infos unter www.115.de).
Verbandsmitglieder können sich selbstverständlich bei Fragen rund um Elterngeld und
Elternzeit an die Verbands­juristen wenden.
Persönliches Fazit des Autors
Nach der Geburt unserer Tochter im Jahr
2013 habe ich mich auf das „Wagnis Elternzeit“ für 12 Monate eingelassen und konnte
anschließend viele Frauen verstehen, die
nach der Geburt von Kindern zunächst einen
Karriereknick hinnehmen.
Am Anfang war es ungewohnt, wenn nicht
arbeitsrechtliche Fortbildungen für ein Jahr
lang im Fokus stehen, sondern Fortbildungen im Bereich Erste Hilfe für Säuglinge, PEKIP, Babymassage, Babyschwimmen und
Musik- und Klanggarten für Kinder.
Teilweise fühlte ich mich bei den Veranstaltungen in der Woche „allein unter Frauen“.
Auf der anderen Seite hat es meinen Erfahrungsschatz deutlich erweitert, und statt
­lobender Worte vom Vorgesetzten erhält man
nach manch anstrengender Nacht ein zartes
Schulterklopfen von der Tochter. Wichtig war
für mich während der Elternzeit, den Kontakt
zum Arbeitgeber nicht zu verlieren und sich
durch Organisation der Kinderbetreuung persönliche Freiräume zu verschaffen.
Außerdem hat es meine Ehefrau „gewagt“,
mit ihrer Selbstständigkeit seit vielen Jahren
beruflich erfolgreicher zu sein als ich.
Willkommen in der „neuen Generation“!
45
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > RECHT/STEUERN
SCHWERPUNKT DIVERSITY
ALTERSDISKRIMINIERUNG IM KLEINBETRIEB
Kleine Betriebe können Mitarbeiter kündigen,
ohne die Kündigung begründen zu müssen.
Denn in einem sogenannten Kleinbetrieb
(§ 23 KSchG) mit bis zu zehn Arbeitnehmern
besteht kein Kündigungsschutz. Aber für
Führungskräfte ist Schweigen Gold. Denn
wenn man etwas zu den Gründen der Kündigung sagt und diese diskriminierend sind,
dann ist die Kündigung sehr wohl unwirksam.
Quelle: Fotolia, © ferkelraggae
Kündigungen können nach anderen Gesichtspunkten treuwidrig (§ 242 BGB) oder
gesetzeswidrig (§ 134 BGB) sein. In seinem
Urteil vom 23.7.2015 hat das Bundesarbeitsgericht eine altersdiskriminierende Kündigung einer Arzthelferin in einer ärztlichen
Gemeinschaftspraxis für unwirksam erklärt
wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG.
Achtung bei den Gründen für eine Kündigung
„Inzwischen pensionsberechtigt“
Die jetzt 65-jährige Klägerin war seit Dezember 1991 bei der beklagten Gemeinschafts­
praxis als Arzthelferin beschäftigt. In der
Praxis waren im Jahr 2013 noch vier jüngere
Arbeitnehmerinnen tätig. Im Mai 2013 kündigten die Gesellschafter der Beklagten ihr
Arbeitsverhältnis zum 31.12.2013 wegen
Veränderungen im Laborbereich, die eine Umstrukturierung der Praxis erforderten. Dabei
führten sie aber zusätzlich an, die Klägerin
sei „inzwischen pensionsberechtigt“. Den anderen Beschäftigten wurde nicht gekündigt.
Die Betroffene klagte, da die Äußerung des Arbeitgebers eine Benachteiligung wegen ihres
Alters vermuten lasse. Nach Darstellung des
Unternehmens war nur beabsichtigt, die Kündigung lediglich freundlich und verbindlich zu
formulieren. Die Kündigung sei vielmehr wegen
eines zu erwartenden Entfalls von 70 % bis 80 %
der abrechenbaren Laborleistungen erfolgt.
In Fällen, in denen bei einer Kündigung gegenüber einer Arbeitnehmerin aufgrund von ihr
vorgetragener Indizien eine unmittelbare Be-
46
nachteiligung wegen des Lebensalters nach
§ 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
(AGG) zu vermuten ist und es dem Arbeitgeber nicht gelingt, diese Vermutung zu widerlegen, ist die Kündigung auch im Kleinbetrieb
(hier: eine Gemeinschaftspraxis) unwirksam.
Indiz-Wirkung entscheidend
Die beklagte Praxis hatte keinen ausreichenden Beweis dafür angeboten, dass die
wegen der Erwähnung der „Pensionsberechtigung“ zu vermutende Altersdiskriminierung
nicht vorlag. An ihr wäre es aber gewesen, dies
zu tun. Dies ist der Kern der Rechtslage in AGGSachen: Wenn ein Indiz für eine Diskriminierung erst einmal vorliegt, dann ist es an dem
Unternehmen zu belegen, dass diese nicht gegeben ist. Und dies ist oftmals schwer. Ob der
Hinweis auf die Pensionsberechtigung nun
gut gemeint war oder nicht, in jedem Fall war
er sehr unklug. Das Indiz ist damit in der Welt.
Das machte nicht nur die Kündigung unwirksam, sondern wird zusätzlich noch zu einem
Entschädigungsanspruch führen können. Da
wird eine im besten Fall unbedachte Äußerung
teuer bezahlt. Reden ist Silber ... mü/tou
AUS DER BERATUNGSPRAXIS:
ERFOLGREICHE ARBEITSVERTRAGSVERHANDLUNGEN
Zur täglichen Beratung der Verbandsanwälte
zählt die Prüfung von Arbeits- oder Dienstverträgen. Zwischenzeitlich ist der eigentliche Vertrag nur wenige Seiten lang, dafür
wird oft auf Anlagen verwiesen, welche dann
überaus umfangreich sind. Beispiele hierfür
sind etwa Betriebsvereinbarungen, Dienst­
wagenrichtlinien, Datenschutz- und Compliance-Guidelines, Bonusvereinbarungen/
Incentivepläne, Arbeitsordnungen usw.
Hier muss genau gelesen und geprüft werden, was mit der Unterschrift unter dem
Vertrag bestätigt wird!
Bei der Beratung wird u. a. besonderes
Augen­merk auf mögliche Probezeitvereinbarungen gelegt. In den meisten Fällen wird
eine sechsmonatige Probezeit geregelt,
oft nur mit der gesetzlichen Mindestkündigungsfrist nach § 622 Abs. 3 BGB von zwei
Wochen. Hier empfiehlt sich nachzubessern. Fakten wie eine frühere Beschäftigung
beim Arbeitgeber, gezielte Abwerbung durch
Headhunter oder anstehender Umzug für
den neuen Job schaffen gute Argumente,
um die Risiken zu minimieren, innerhalb von
zwei Wochen plötzlich den Job zu verlieren.
Hier gelingt mit den richtigen Argumenten
eine kürze Probezeit und/oder eine längere
Kündigungsfrist innerhalb der Probezeit
oder gar der Komplettverzicht hierauf.
Achtung: Die Verhandlungen zur Probezeit
und deren Kündigungsmöglichkeit haben
jedoch keinen Einfluss auf den Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutz­
gesetz (KSchG). Hierfür bedarf es u. a. der
Erfüllung der Wartezeit von sechs Monaten
gemäß § 1 KSchG. Aber auch dies kann in
manchen Fällen Verhandlungssache sein.
Auch beim Thema Vergütung liegt ein großer Beratungsschwerpunkt. Hier liefern wir
­Ihnen Argumente und Positionen, die die
­Gehaltsverhandlungen erleichtern. Häufig ist
feststellbar, dass Bonusregelungen nur wenig exakt sind. Wie sieht die Bewertung aus?
Wird der Auszahlungstermin geregelt? Bis
wann sind die Zielvereinbarungen zu treffen?
Es kann sich allerdings auch empfehlen, nicht
allzu intensiv nachzuhaken und die ein oder
andere vorgegebene Klausel unangetastet
zu lassen. Oft gibt es unwirksame Klauseln,
die die Position stärken, vor allem wenn ein
Verstoß gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (kurz: AGBs) vorliegt. So sind
etwa oft Rückzahlungsklauseln von Fort-/
Weiterbildungskosten des Arbeitnehmers
zu allgemein gehalten und erfüllen nicht die
Anforderungen der Rechtsprechung. Auch
eine Klausel, die ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot eines Angestellten ohne entsprechende Karrenzentschädigung vorsieht,
ist unwirksam. Vielfach wird aber der Nicht­
jurist dies in aller Regel nicht ein- und abschätzen können. Hier leisten wir Verbands­
juristen gern Unterstützung!
Fragen Sie uns, es lohnt sich! dn
INTERN < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
REGION NORDBAYERN
DEMENZ – RISIKEN UND CHANCEN FÜR UNTERNEHMEN
Zu einem Gedankenaustausch über das kaum beachtete, aber zunehmend wichtige Thema „Demenz in
Unternehmen“ trafen sich in der Regionalgruppe Nordbayern Mitglieder des Regionalgruppenvorstands
mit dem Geschäftsführer der Angehörigenberatung e. V. Nürnberg, Hans-Dieter Mückschel. Da diese
E­ rkrankung in unserer Gesellschaft noch weitgehend tabuisiert ist, liegen hier ungenutzte Handlungs­
felder für Unternehmen vor.
Das Thema „Demenz“ ist uns allen geläufig,
insbesondere ihre Ausprägung in Form der
Alzheimer-Krankheit. Mancher kennt auch
Betroffene in seinem Familien- oder Bekanntenkreis und weiß von der dramatischen Situation, die mit dieser Erkrankung einhergeht.
In der Regel handelt es sich bei den Patienten um betagte Menschen. Aber auch Berufs­
tätige können von diesem schleichenden
Verlust mentaler Fähigkeiten betroffen sein,
selten in jüngeren Jahren, häufiger sicher in
der letzten Phase der aktiven Berufstätigkeit. In der Arbeitswelt werden bei steigendem Altersdurchschnitt in der Belegschaft
die Konflikte zunehmen, die unerkannt oder
offensichtlich auf eine Demenzerkrankung
zurückzuführen sind. Dazu kommt, dass
­Altersforscher dazu raten, möglichst lange
aktiv einer – auch beruflichen – Beschäftigung nachzugehen, um ein gesundes und
erfülltes Leben genießen zu können.
Demenz ist ein Tabuthema
Da Demenz in unserer Gesellschaft weitgehend tabuisiert ist und es sich auch um keine
meldepflichtige Erkrankung handelt, existiert
kaum eine offene Kommunikation. Die Personalverantwortlichen in den Betrieben haben
wenig spezifische Erfahrungen und können
arbeitsrechtlich den Schwankungen in den
erwartbaren Leistungen von Angestellten nur
schwer begegnen, die scheinbar mit dieser
Krankheit zusammenhängen könnten.
Die Problematik für Unternehmen kommt aus
zwei Richtungen: Einerseits können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Arbeitsprozess
aufgrund dieser Erkrankung ihrer Verantwortung nicht mehr ausreichend gerecht werden.
Das mag bei manchen Arbeitsplätzen weniger dramatisch sein, da die Reichweite von
Fehlleistungen gering ist. Bei Stelleninhabern
in sicherheitsrelevanten Bereichen oder bei
Entscheidungsträgern in hohen Positionen
kann es für das Überleben des Unternehmens
aber auch gefährlich werden.
Andererseits gibt es deutliche statistische
Hinweise aus der Gesundheitsbranche auf
die Existenz von Angehörigen, die in ihrem familiären Umfeld demenzerkrankte
Fami­lienmitglieder betreuen müssen. Rund
1,3 Millionen Menschen in Deutschland sind
demenzkrank. Berücksichtigt man deren Angehörige, die in der Regel jünger sind, kommt
man auf zwei bis drei Millionen betreuende
und berufstätige Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer. Dieser Personenkreis ist zum
Teil extremen physischen und psychischen
Belastungen ausgesetzt. Sie pflegen ihre
demenzkranken Eltern oder Verwandten
­
neben ihrer anstrengenden Berufstätigkeit
und müssen über Jahre mit der körperlichen
und seelischen Belastung oft alleine zurechtkommen. Es liegt auf der Hand, dass sich ­diese
Situation bei den heute hohen beruf­lichen
Anforderungen auf ihre Leistungs­
fähigkeit
­negativ auswirkt.
RG Nordbayern im Gedankenaustausch v.l.n.r.:
Michael Schneider, Hans-Dieter Mückschel,
Prof. Dr. Franz Janecek, Christian Sachslehner
nem Team seit fast 30 Jahren um Demenzberatung und Hilfe für pflegende Angehörige.
Seit einiger Zeit wird er zunehmend auch von
Firmen und Behörden angefragt, die sich für
die Thematik der Mitarbeiterberatung bei
Demenz interessieren und sich insgesamt
Hier könnten sich Chancen für Unternehmen zum Thema Demenz sensibilisieren lassen
ergeben, die ihren Angestellten einen attrak- wollen. Entlastungs- und Unterstützungstiven Arbeitsplatz bieten wollen, Fachkräfte leistungen für pflegende Mitarbeiter sowie
anwerben müssen und seltene Spitzenkräf- das Wissen über finanzielle Hilfen wie zum
te auf dem Markt suchen und an das Unter- Beispiel das neue Pflegestärkungsgesetz
nehmen binden wollen. Ist die Unterbringung mit den Möglichkeiten des Pflegezeitgesetder Kinder von Mitarbeiterinnen und Mitar- zes gewinnen in unserer künftigen Arbeitsbeitern im Betriebskindergarten oft schon welt deutlich an Bedeutung und müssen in
selbstverständlich, fehlt für die arbeitszeit- der Personal- und Mitarbeiterführung mitbebegleitende Unterbringung von demenz­
- dacht werden. Eine kooperative Zusammenkranken Angehörigen in unternehmens­ arbeit mit Beratungs- und Selbsthilfevereigenen Betreuungseinrichtungen bisher jeg- bänden wie den „Fachstellen für pflegende
licher Ansatz. Kaum gibt es firmeninterne Angehörige“ in Bayern oder den regionalen
Arbeitskreise oder Beratungsstellen für pfle- Alzheimer-Gesellschaften kann hier ein ersgende Angehörige. Oft scheuen sich Mitar- ter sinnvoller Schritt für die Unternehmen
beiterinnen und Mitarbeiter auch, ihre Belas- sein. Prof. Dr. Franz Janecek
tungen offenzulegen. Die intensiv diskutierte Inklusion umfasst bisher Demenzerkrank- Kontakt:
te kaum.
www.angehoerigenberatung-nuernberg.de
Laut Einschätzung von Mückschel sind diese
Probleme von pflegenden Angehörigen mit
Berufstätigkeit keinesfalls seltene Ausnahmen. Diese dramatischen Lebensumstände
wurden in Deutschland bisher kaum thematisiert. In Nürnberg kümmert er sich mit sei-
Hans-Dieter Mückschel ist Geschäftsführer der Angehörigenberatung e. V. Nürnberg, Fachstelle für pflegende Angehörige
und Demenzberatung.
47
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > INTERN
7. FRAUENNETZWERKTREFFEN DÜSSELDORF – WORKSHOP IMPROVISATIONS-THEATER
DIE FÜHRUNGSKRAFT ALS IMPROVISATIONSKÜNSTLER
Die Führungskraft von morgen soll möglichst alle positiven Eigenschaften eines Improvisationskünst­
lers in sich vereinen. Dazu zählt kreatives Denken, der Mut, Konventionen anzuzweifeln, und die Fähig­
keit, auf den Vorlagen von anderen aufzubauen.
Beim 7. Frauennetzwerktreffen Düsseldorf
wurde dieser These mit einem Improvisa­
tionstheater-Workshop nachgegangen. Zwölf
aufgeschlossene weibliche Führungskräfte
trafen sich am 1. Juli 2015 in den historischen
Räumen der ehemaligen Schneidwarenfabrik Herder in Solingen-Ohligs, um sich auf
das Abenteuer Improvisationstheater einzulassen. Referentin des Workshops war Frau
Kristina Krahnen. Mit ihrem Beratungsunternehmen ZUKUNFTSREICH nutzt die studierte
Kulturpädagogin die Mittel des Theaters, um
Führungskräfte beim Umgang mit wirtschaftlichen Herausforderungen zu unterstützen.
Improvisationstheater fordert eine offene
und positive Haltung, fördert Spontaneität
und Schlagfertigkeit, die hilft, im Berufsalltag überraschende, abstrakte oder zwischenmenschliche Situationen flexibel zu
meistern. Eingefahrene Wahrnehmungsmuster werden ausgeschaltet, ein offener
Blick ermöglicht, die Kreativität geschult.
Begonnen wurde der Workshop mit einem
Assoziationskreis. Startpunkt bildete ein
Begriff, zu dem der jeweilige Nachbar einen
anderen Begriff assoziieren musste. Eine
Ein-Wort-Geschichte, in der jeder reihum
Improvisation war gefragt
nur ein Wort beitragen durfte, ergänzte
das Warm-up. Durch die Schnelligkeit, in
der solche Übungen durchgeführt werden,
wird die „Zensur im Kopf“ ausgeschaltet
und spontanes und kreatives Handeln ermöglicht.
Im Hauptteil des Workshops erarbeiteten
die Teilnehmerinnen zunächst eine Improvisationsgrundlage. Gemeinsam wurde über-
legt, welche Rollen die Führungskraft als
Regisseur hat. Mit den Ergebnissen wie z. B.
Macher oder Kontrolleur galt es nun eine
Teamsitzung zu improvisieren, in der die
verschiedenen Rollen ausgespielt wurden.
Mit der Führungskraft als Improvisationskünstler und den dazu erarbeiteten Rollen
wie z. B. Menschenentwickler, Visionär und
Ermöglicher wurde die Szene anschließend
wiederholt. Dabei konnten die Teilnehmerin-
REGION DÜSSELDORF
1. KAMINABEND ZUR INTERKULTURELLEN ZUSAMMENARBEIT
Am 9. Juli fand im Industrieclub Düsseldorf
der erste Kaminabend – als Auftakt einer
neuen Serie – der Regionalgruppe Düsseldorf statt. Zum Thema Interkulturelle Zusammenarbeit konnte als Redner Dr. Zhigang
Zhang gewonnen werden. Dr. Zhang kam als
Student nach Deutschland, hat an der TU
Braunschweig promoviert und hat seitdem
in mehreren deutschen wie auch chinesichen Firmen in unterschiedlichen Management-Positionen einschließlich eines CEO
gearbeitet.
Erfolgreicher 1. Kaminabend
Zurzeit ist Dr. Zhang als Senior Executive
­Advisor bei Huawei Deutschland in Düsseldorf tätig.
Dr. Zhang hat anhand einer symbolhaften
Darstellung einiger gegenseitiger Vorurteile
von Chinesen und Deutschen einen unter-
48
haltsamen Einstieg in eine rege Diskussion
um die Zusammenarbeit mit Chinesen in
Deutschland aber auch die Arbeit von Deutschen in China und im weiteren asiatischen
Raum eingeführt. So konnten die deutschen
Teilnehmer nicht nur wertvolle Tipps für
ihre weitere Zusammenarbeit mit asiatischen Kollegen gewinnen, sondern darüber
hinaus auch erfahren, wie ein seit Jahren
in Deutschland lebender Chinese die Deutschen wahrnimmt. Die Teilnehmer waren sich
einig, dass dies ein gelungener und wert­
voller Abend war und dass diese neue ­Serie
weitergeführt werden soll.
Dirk Poppen
INTERN < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
nen aufgrund eigener Wahrnehmung und
anhand ihrer eigenen Verhaltensweisen erfahren, wie es gelingen kann, Kreativität zu
entfalten, seinen Mitarbeitern Handlungsspielraum zu verschaffen und zu guten Lösungen zu kommen.
In lockerer und zwangloser Runde zogen
die Teilnehmerinnen anschließend Resümee
des Workshops Improvisationstheater. Einhelliges Ergebnis: ein gelungener Abend im
Rahmen des Frauennetzwerktreffens der
Regionalgruppe Düsseldorf mit interessanten Erkenntnissen und Erfahrungen. Dazu
die Anregung, sich als Führungskraft zunehmend als Improvisationskünstler zu verstehen und so im Berufsalltag bei sich selbst
und bei den Mitarbeitern neue krea­
tive
­Potenziale freizusetzen.
Kristina Krahnen, Dr. Renate Schüller
REGION DÜSSELDORF
2. DÜSSELDORFER KAMINABEND
ERFOLGREICH
Auch der 2. Kaminabend war ein voller Erfolg
Unter dem Thema „Persönliche Standortbestimmung“ trafen sich die Mitglieder der
Regionalgruppe Düsseldorf zum zweiten
Düsseldorfer Kaminabend im Industrieclub. Es war ein sehr intensiver und persönlicher Austausch, begleitet von Stephanie
Bäcker (Supervisorin, Coach; Scope Beratung). Wer bin ich? Wo stehe ich? Was will
ich? Zu all diesen Fragen gab es Beiträge
der Teilnehmer, sodass jeder mit neuen
Perspektiven und Gedanken nach Hause
gehen konnte. Arne tom Wörden
24. FRAUENNETZWERK-TREFFEN IN FRANKFURT
GLÄSERNE DECKE – FRAUENQUOTE
DIE FÜHRUNGSKRÄFTE – DFK und BME luden am 30. Juli 2015 wieder
ein, um den Teilnehmerinnen die gute Nachricht zu vermitteln: Die „Glä­
serne Decke“, an der sich Frauen auf dem Weg in Führungspositionen
immer wieder eine blutige Nase holen, ist nicht undurchdringbar.
Die Referentin, Sylvia Prätorius-Walch, ist
eine Geschäftsfrau, die dieses Karrierehindernis durchbrochen hat und seit vielen Jahren im E.ON Konzern in Geschäftsführungen
und Vorständen höchst erfolgreich tätig ist.
Prätorius-Walch gab den Teilnehmerinnen
nach der Schilderung ihrer wechselvollen
Karriere praktische und pragmatische Tipps,
wie die „Gläserne Decke“ erfolgreich überwunden werden kann.
Quelle: wikipedia.org, © Mylius
von rechts: Evelyn Kunkel (BME), Sylvia PrätoriusWalch, Dr. Barbara Geck, Suzanne Toussaint (DFK)
Alte Oper, Frankfurt am Main
Es ist sicherlich nicht einfach, aber durchaus
machbar, wenn man konsequent handelt
und über Beharrungsvermögen verfügt. Im
Anschluss referierte Dr. Barbara Geck, Fach­
anwältin für Arbeitsrecht und Partnerin der
Kanzlei King & Wood Mallesons LLP , die ihre
Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt hatte,
zum Thema „Frauenquote“ und den zugrunde
liegenden gesetzlichen Regelungen. Sie hinterfragte jedoch auch die Wirksamkeit der
Quote, was zu einer lebhaften Diskussion
führte, die im Anschluss bei einem leckeren
modernen Büffet mit Blick auf die Alte Oper
gar nicht mehr enden wollte. st
49
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > INTERN
FRAUENNETZWERKTREFFEN BERLIN
„FÜHRUNGSFRAUEN FÜR FÜHRUNGSNACHWUCHS –
­FORDERN UND FÖRDERN“
Am 1. September 2015 fand bereits zum 7. Mal das Frauennetzwerktreffen in Berlin statt. DIE FÜHRUNGS­
KRÄFTE – DFK hatten gemeinsam mit dem Kooperationspartner-Verein „Frauen in der Immobilienwirt­
schaft e. V.“ zu einem spannenden Vortrag eingeladen.
Ort der Veranstaltung war das Allianz­
forum am Pariser Platz, wo sich das Haupt­
stadtbüro des DFK befindet und direkter Blick auf das Brandenburger Tor besteht.
Viele aufmerksame Zuhörerinnen beim Vortrag
Nach einer Begrüßung und Vorstellung durch
die Leiterin des DFK-Hauptstadt­büros, Diana
Nier, und durch Cornelia Eisenbacher, Mitglied des Vorstandes und Mitglied des Regio­
nalteams Berlin-Brandenburg des Vereins
„Frauen in der Immobilienwirtschaft e. V.“,
startete dann der Vortrag.
Die Referentin, Birgit Rüdesheim, ist langjährige Personalentwicklerin und Begleiterin
in Changeprozessen. Als Diplomarbeitspsychologin mit systemischer Ausrichtung berät sie Unternehmen in diesen Themen.
Rüdesheim gestaltete ihr Referat sehr abwechslungsreich und interaktiv, was bei den
knapp 30 Teilnehmerinnen hohen Anklang fand.
Inhaltlich ging es um aktuelle Themen zur Mitarbeiterentwicklung und Mitarbeiterbindung:
PENSIONÄRSGRUPPEN OBERHAUSEN WEST/OST UND BOTTROP
ZUKUNFT DES ALTER(N)S
Am 11. Juni 2015 fand das diesjährige Zusammentreffen der
­Pensionärsgruppen Oberhausen West, Oberhausen Ost und Bottrop
in der Gaststätte „Zur Egerheide“ in Dinslaken statt.
Als Referent konnte dieses Mal Hajo Hoffmann, Vorsitzender des Zukunftsbeirats
„Pro Seniore“, gewonnen werden. Er referierte zum Thema „Zukunft des Alter(n)s“
vor den etwa 30 anwesenden Mitgliedern.
Hoffmann berichtete über die Epigenetik,
die sich damit befasst, inwieweit sich die
Erbsubstanz durch Umwelteinflüsse verändert oder auch nicht. Beispielsweise
führen Stress, Alkohol, Drogen, einseitige
Ernährung oder mangelnde Bewegung zu
epigenetischen Prägungen. Epigenetische
Prägungen können zum großen Teil beeinflusst werden. Das Genom ist dagegen
weitgehend unveränderbar.
Es gelten 5 goldene Regeln:
1.Normalgewicht halten,
2.sich mit Obst, Gemüse, Vollkorn ausgewogen ernähren,
3.täglich 30 Minuten Körperaktivität,
4.Zucker, Fett, Fastfood unbedingt einschränken und
5.nicht rauchen.
50
Dies kann zu einer Reduzierung von:
Diabetes (Typ 2) um bis zu 90 %,
Herz/Kreislauf-Erkrankungen um bis zu
82 %,
Krebs um bis zu 70 % und
Schlaganfällen um bis zu 70 %
führen.
Fest steht jedoch, unsere längere Lebenserwartung erkaufen wir in der Regel nicht
mit einer längeren Krankheitsphase.
Jedes menschliche Gehirn ist durch seine
Gene, seine epigenetischen Prägungen,
seine Lernphasen, seine Erfahrung höchst
individuell. Die Entwicklungsfähigkeit ist
altersbedingt sehr unterschiedlich: Sprach­
areale sind beispielsweise in der Kindheit
in einem anderen Hirnareal als später. Bis
zum Lebensende entstehen im Gehirn
neue Gehirnzellen. Ein informationsreiches
Umfeld wirkt sehr positiv auf das alternde
Gehirn. Durch ein spezielles Training gelingt
es, dass dann Achtzigjährige Leistungen
wie Fünfzig- oder Sechzigjährige zeigen
können. Prof. Dr. Reinhard Wesely
Mitarbeiter gewinnen oder Mitarbeiter binden – welcher Hebel macht Sinn?
Lernen 4.0 – Was heißt das für Entwicklung?
Meine Rolle als Führungskraft: Fordern &
Fördern!
Maßnahmen on the job: kostengünstig &
effizient
Maßnahmen off the job: gezielter Einsatz
statt Gießkanne
Role-Models – die unbeabsichtigte Nebenwirkung?
Die hohe Anzahl an Teilnehmerinnen hielt
nicht von einer regen, offenen Diskussion ab.
Viele schilderten Erfahrungen, gerade zum
Thema Mitarbeitergespräch, Generation Y und
Elemente zur Mitarbeiterbindung.
Erstaunlich war die fast einhellige Feststellung
unter den Teilnehmerinnen, dass so gut wie keine eine bestimmte Person als Role Model zum
Vorbild hat. Vielfach findet ein „cherry picking“
statt, d. h. die Orientierung richtet sich nach
Verhaltensweisen Dritter, gute und authentische werden übernommen, und negative sind
Ansporn, es besser bzw. anders zu machen.
Der versierten und humorvollen Referentin
war es gelungen, die Teilnehmerinnen sehr
gut einzubinden und das Thema Personalentwicklung fundiert darzustellen.
Die Diskussion und das gegenseitige Netzwerken setzten sich dann noch im Anschluss
des Vortrages fort. dn
Kontakt:
www.ruedesheim-personalentwicklung.de
INTERN < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
REGION SÜD
SOMMERFEST DER REGIONALGRUPPE SÜD
Für das leibliche Wohl sorgte zu Beginn
des Festes (14:00 Uhr) unser Vorstandsmitglied Manuela Rasthofer mit leckerem
Kaffee und Kuchen. Ab halb vier heizte
dann – bei eh schon heißem Sommerwetter
– Christian Sachslehner den Grill an. Tatkräftig unterstützt wurden die Vorstandsmitglieder auch von ihren anwesenden
Partnern.
Damen-Quartett „Mission Possible“
Die letzten Jahre hatte die RG-Süd das Jahr
immer mit dem sog. „Christbaumschlagen“ beendet. Dieses Jahr sollte es zur Abwechslung
ein „Sommerfest“ sein. Ein Platz war durch die
freundliche Vermittlung unseres Vorstandes
Werner Wolf bald auf dem Gelände der Freien
Turnerschaft München gefunden. Es ist ein
Waldgrundstück direkt an der Amper am Ortsrand von Dachau und sehr romantisch gelegen.
Die Höhepunkte des Sommerfestes waren
aber sicherlich die Darbietungen verschiedener Künstler. So gab es das „a Cappella“ Damen-Quartett „Mission Possible“, das Lieder
aus dem Barber-Shop-Genre mit tollen Stimmen und Hingabe zum Besten gab. Danach
heizte die zehnköpfige Trommlergruppe Pica
Pau mit heißen brasilianischen Rhythmen
den Anwesenden kräftig ein. Den Höhepunkt
des Abends bildete dann der Auftritt der
Künstlerin Lydia Schönbrodt, die zeigte, wie
man Feuer beherrschen und damit bezaubernde „Elements of Fire Dance“ darbieten
kann.
Wie kurzweilig dieser Tag verging, zeigte sich
daran, dass fast alle bis zum Ende des Festes um ca. 19:30 Uhr geblieben sind.
Lydia Schönbrodt mit dem „Elements of Fire Dance“
Veränderungsmitteilung
l Ich bin umgezogen/ziehe um und wohne ab dem
Name, Vorname
Mitgliedsnummer
Straße
PLZ, Ort
l Ich habe meinen Arbeitgeber gewechselt
Name und Adresse des Arbeitgebers
Branche/Wirtschaftszweig
tätig als
l Ich bin in den Ruhestand getreten seit dem
Bitte berechnen Sie den ermäßigten Pensionärsbeitrag und melden Sie mich zur zuständigen Pensionsgruppe um.
Datum
Veraenderungsmitteilung.indd 1
Unterschrift
06.06.14 12:37
51
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > INTERN
REGION EMS-LIPPE
TAGESEXKURSION NACH BOURTANGE
Die Rekonstruktion der historischen Festung
„Bourtange“ direkt hinter der deutsch-niederländi­
schen Grenze ist ein attraktives Exkursionsziel
Organisation und Durchführung einer attrak­­
tiven Exkursion gehört seit Langem zum
­A ngebot der Regionalgruppe Ems-Lippe. Ziel
war am 7. August die „Festung Bourtange“
auf niederländischem Gebiet nur wenige
Kilo­meter hinter der Bundesgrenze, eine der
wenigen militärischen Anlagen in Europa,
die auf dem Stand ihrer größten Ausdehnung im Jahr 1742 wieder aufgebaut und
als Museums- und Freizeitort einen sehr
selten gewordenen Bauzustand wiedergibt.
Mehr als 50 Mitglieder und Gäste waren der
Einladung des Regionalvorstandes gefolgt.
Sie wurden zunächst in einem Film über die
Geschichte der Festung informiert, die ursprünglich zur Überwachung der wenigen
Straßen und Wege in dem vormals völlig
versumpften Umland gegründet und dann
in kriegerischen Zeiten beginnend mit den
80 Jahre währenden Aufständen der niederländischen Provinzen gegen die spanischen
­Besatzer zu einer Verteidigungsanlage ausgebaut wurde. Eine Führung durch die An­
lage mit ihren in der Vergangenheit praktisch
unüberwindbaren Bastionen, Wällen und
Wassergräben vermittelte den Teilnehmern
eindrucksvoll, warum die Festung niemals
von einem Angreifer erobert werden konnte. Nach einem gemeinsamen Mittagessen
hatten die Teilnehmer dann Gelegenheit, die
Rekonstruktion typischer zeitgenössischer
Wohnhäuser, der Kirche und verschiedener
Mühlen ebenso zu besichtigen wie die an
historischer Stelle wiedererrichtete Synagoge, die heute als Museum eingerichtet
ist und das einzig gut erhaltene Zeugnis
eines jüdischen Gotteshauses entlang der
niederländisch-deutschen Grenze darstellt.
Für viele Teilnehmer war es der erste Besuch
der bislang viel zu wenig bekannten Anlage in Bourtange. Die gute Resonanz zeigt
das große Interesse an solchen Veranstaltungen. Der Regionalvorstand plant daher,
auch künftig vergleichbare Exkursionen zu
organisieren und damit attraktive Gelegenheiten zur Teilhabe anzubieten. te
REGION WESER-EMS
WERKSBESICHTIGUNG BEI ARCELORMITTAL BREMEN
Das Hochofenwerk, das Stahlwerk und die Verzinkung waren die spannenden Stationen der über drei­
stündigen Führung durch das Werk der ArcelorMittal Bremen GmbH. Sie hat ihren Standort direkt am
Unterlauf der Weser auf einem ca. sieben Quadratkilometer großen Gelände im Norden von Bremen. Seit
1957 wird hier Stahl produziert.
Als zweitgrößter Arbeitgeber der Region nach
dem Mercedes-Benz-Werk verfügt ArcelorMittal Bremen über hoch technisierte Anlagen, mit denen bis zu vier Millionen Tonnen
Rohstahl hergestellt werden können. Das
Unternehmen ist ein modernes integriertes
Hüttenwerk: Alle Anlagen von der Roheisenerzeugung bis zur Feinblechverarbeitung
sind auf dem Gelände vereint. Damit sind
kurze Wege garantiert, die für einen optimalen Produktionsablauf sorgen.
Die überaus fachkundige Führung von Anette
Kaldasch begeisterte die Teilnehmer sehr.
Nach der beeindruckenden Besichtigung bestand noch die Möglichkeit, gemeinsam im
Inn­side Bremen ein frühes Abendessen einzunehmen. Das war sehr nötig nach den vielen Eindrücken aus dem Hüttenwerk. mü
52
Fachkundige Führung durch das Werk
INTERN < PERSPEKTIVEN 09-10/2015
REGION NORD
EXKLUSIVE BESICHTIGUNG DES KKW KRÜMMEL
An gleich drei Terminen im Juni, Juli und August hat die RG Nord seinen Mitgliedern einen exklusiven Blick
hinter die Kulissen des Kernkraftwerkes Krümmel in Geesthacht gewährt. Die Mitglieder kamen dahin,
wo sonst kaum einer hinkommt, in das Herz der Anlage.
Nach der Begrüßung gab es einen sehr informativen Vortrag über das KKW Krümmel,
seine Entstehungsgeschichte – das KKW
steht auf dem heutigen Grund und Boden der
ehemaligen Dynamit-Firma von Alfred Nobel
– Zahlen, Daten und Fakten zum KKW selbst
sowie die nun bestehenden Herausforde­
rungen in der Rückbauphase. Es wurden viele Fragen gestellt und auch bestens beantwortet, zur Sicherheit, zu den Unterschieden
zwischen den unterschiedlichen Reaktor­
typen selbst – das KKW ist ein Siedewasserreaktor, im Gegensatz z. B. zu Philipsburg,
welches ein Druckwasserreaktor ist.
Ausweis, musste das erste Mal zur Messung
– bei dieser Messung wurde der gesamte
Körper sowie die Extremitäten und Füße auf
eventuelle bestehende Strahlenbelastung
gemessen. Erst dann ging es durch die Personen-Sicherheitsschleuse, dann nochmals
zur Strahlen-Messung. Jeder Teilnehmer bekam sein eigenes Dosimeter, und dann hieß
es umziehen – jeder Teilnehmer durfte seine
Kleidung gegen einen Overall mit ­Kapuze,
Sicherheitsschuhe, Helm, Schutzbrille (zur
Vorsicht) und langärmelige Handschuhe
eintauschen (oder überziehen). Über EinzelSchleusen ging es dann endlich in den eigentlichen Sicherheitsbereich. Dort wurden das
Abklingbecken sowie die BrennstoffstabTransportanlage zum eigentlichen Reaktor
besichtigt. Weitere Stationen waren die Generatoren sowie die Dekontaminationshalle
und die ersten Rückbaumaßnahmen.
Auf dem Weg in den Sicherheitsbereich
Nach Beendigung der Besichtigung – und
wieder im zivilen Outfit – wurden die Dosimeter ausgewertet, und jeder musste ein-
zeln durch eine spezielle Mess-Schleuse, um
überhaupt den Sicherheitsbereich wieder
verlassen zu können. Danach gab es wieder
zwei weitere Messungen – erst danach durfte das KKW verlassen werden. Ganze vier
Stunden dauerte je eine Führung. Doch alle
Teilnehmer waren überaus beeindruckt und
werden diesen Tag so schnell nicht vergessen.
Mü/B-L
Norbert Degenhardt, starb am 29.07.2015
im 81. Lebensjahr
Felix Hulisz, Zeche Sachsen, starb am 29.06.
2015 im 98. Lebensjahr
Gottfried Paffrath, Prof. Dr.rer.nat., starb am
20.08.2015 im 69. Lebensjahr
Reinhard Dörnenburg, Ruhrkohle Bergbau AG,
Bw Hugo/Consolidation, starb am 10.08.2015
im 79. Lebensjahr
Reinhard Jordan, starb am 01.06.2015 im
88. Lebensjahr
Albrecht Ramrath, Dipl.-Ing., ThyssenKrupp
Steel Europe AG, starb 08.07.2015 im
66. Lebensjahr
Nach einer kurzen Pause und einer Stärkung
gab es die Strahlenschutz-Belehrung, in der
auf sehr bildhafte und lehrreiche Art und
­Weise die unterschiedlichen Strahlen sowie
ihre Wirksamkeit und übersetzt auch die
Schutzmaßnahmen dargestellt wurden.
Danach ging es „zur Sache“, jeder einzelne
Teilnehmer wurde fotografiert, bekam einen
WIR TRAUERN UM ...
Benjamin Dombrowski, Dipl.-Ing., Thyssen
Krupp Steel AG, starb am 12.05.2015 im
89. Lebensjahr
Günter Froese, Bergbau AG Niederrhein, Rheinland-Rheinpreussen, starb am 21.07.2015
im 92. Lebensjahr
Gustav Königsbüscher, Thyssen Schachtbau GmbH, starb am 01.08.2015 im 84. Lebensjahr
Bernhard Kösling, starb am 23.07.2015 im
64. Lebensjahr
Klaus Joachim Roth, Dr.rer.nat. Dipl.-Chem.,
RWE Power, starb am 09.05.2015 im 69. Lebensjahr
Peter Hebestreit, starb am 21.05.2015 im
74. Lebensjahr
Friedrich Meidler, BP Handel GmbH/BP Oil,
starb am 11.07.2015 im 82. Lebensjahr
Günter Wittmann, Assessor, Isar-Amper­
werke AG, Vorsitzender der Bezirksgruppe
Südbayern bis April 2002, starb am 09.07.
2015 im 75. Lebensjahr
Anton Himmelsbach, VEW Energie AG, starb
am 06.04.2015 im 72. Lebensjahr
Hildegard Nowaczyk, starb am 28.07.2015
im 79. Lebensjahr
Alfred Wolf, starb am 01.08.2015 im 76. Lebensjahr
Hans Lewer, Mansfeld, starb am 17.06.2015
im 98. Lebensjahr
53
PERSPEKTIVEN 09-10/2015 > INTERN
Titel:
Perspektiven – Zeitschrift für Führungskräfte
VERANSTALTUNGEN
› INTERESSENTEN WERDEN UM VERBINDLICHE ANMELDUNG GEBETEN
19.10.2015 RG Mitte
Bürgerhaus Süd, Recklinghausen
20.10.2015 RG Niederrhein und
18.00 Uhr, Vortrag „Fachkräftemangel und
Talentmanagement“, Mövenpick Konferenzzentrum Flughafen Nürnberg
17.00 Uhr, Vortrag „Digital Based Learning“,
Continental Teves AG & Co. OHG, Frankfurt
RG Ruhr
18.30 Uhr, „Wirtschaftsspionage/Konkurrenzausspähung – Gefahr für Daten
und Know-how in Ihrem Unternehmen“,
Mercure Hotel Duisburg
22.10.2015
RG Essen
17.30 Uhr, 2. Vortrag der dreiteiligen
Vortragsreihe zum Thema „Wie könnte
die Energiewende doch noch zum Erfolg
geführt werden?“, Prof. Dr.-Ing. Klaus
Görner: „Flexibilitätsoptionen bei der
Stromerzeugung – Brauchen wir noch eine
konventionelle Erzeugung?“, Haus der
Führungskräfte, Essen
22.10.2015
RG Düsseldorf
Mitgliederversammlung und Vortrag
­„Erben und Vererben“, RA Michael Krekels,
Industrie Club, Düsseldorf
23.-25.10.2015 VGF-Jahrestagung
„Im Zeichen Pfälzer Weine“
26.10.2015 RG Köln
Neumitgliederabend
29.–30.10.2015 Sprecherausschuss-
konferenz
Hotel Atlantic Congress Essen
30.10.2015
RG Niedersachsen
15.00 Uhr, Schlossbesichtigung und
­anschließende Stadtführung, Celle
31.10.2015 RG Mitte
Besichtigung der Feuerwehr des Flughafens
Frankfurt am Main
03.11.2015 45. Frauennetzwerk-
treffen Essen
19.00 Uhr, Vortrag „Über wen ich mich
ärgere, entscheide ich selbst!“, Haus der
Führungskräfte, Essen
03.11.2015 RG Düsseldorf
10.11.2015 RG Nordbayern
10.11.2015
Pensionäre
Berlin-Brandenburg
11.00–13.00 Uhr, Besichtigung des
Transmission Control Center bei 50Hertz
in Neuenhagen
10.11.2015
RG Köln
17.00 Uhr Vortragsveranstaltung, „Schöne
Neue Arbeitswelt“, Thomas Sattelberger,
Schloss Paffendorf, Bergheim
12.11.2015 Pensionäre Bochum
17.00 Uhr, Stammtisch, Stammhaus Fiege
in Bochum
17.11.2015
RG Essen
15.00 Uhr, Jahresversammlung der
­Pensionäre Essen mit Gastvortrag von
Dr.-Ing. Ansgar Fendel, Technischer
Geschäftsführer von Remondis „Sekundärrohstoffe“, Essener Hof
18.11.2015
RG Essen
17.30 Uhr, 3. Vortrag der dreiteiligen
Vortragsreihe zum Thema „Wie könnte
die Energiewende doch noch zum Erfolg
geführt werden?“, Prof. Dr.-Ing. Christian
Rehtanz: „Netze, Speicher und flexible
­Lasten als Bausteine für die Energiewende“,
Haus der Führungskräfte, Essen
19.11.2015
RG Niederrhein
17.00 Uhr, Jahreshauptversammlung,
Hotel van der Valk, Moers
19.11.2015
Stadtgruppen Dresden/
Görlitz und Chemnitz/Zwickau
Mitgliedertreffen der Stadtgruppen,
­Vortrag „Führungskraft im Wandel?“,
­Optional Museumsbesuch, Chemnitz
21.11.2015 RG Sachsen-Thüringen
19.00 Uhr, Kaminabend „Innovation:
rein in neue Denkmuster“, Industrie Club,
Düsseldorf
15.00 Uhr, Führungskräftetag mit Familie
bei der Deutschen Bläserakademie in
Bad Lausick
10.11.2015 RG Ruhr
25.11.2015
17.00 Uhr, Jahreshauptversammlung,
54
RG Ems-Lippe
16.30 Uhr, Jahreshauptversammlung
Herausgeber:
DIE FÜHRUNGSKRÄFTE e. V.
Internet: www.die-fuehrungskraefte.de
Geschäftsstellen:
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Redaktion:
Ralf T. Krüger
Erscheinungsweise:
6-mal jährlich
Verbreitete Auflage (IVW 04/2014):
14.663
Bezugspreis:
Im Mitgliedsbeitrag DIE FÜHRUNGSKRÄFTE e. V.
enthalten. Die Redaktion behält sich das
Recht vor, Artikel redaktionell zu bearbeiten.
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schriftlicher Genehmigung. Namentlich
­gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung
der Verfasser wieder.
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Inhalt: DFK-Bilddatenbank, andern­falls sind
die Quellen jeweils am B­ ildrand angegeben.
 Beschleunigung von Anzeigen und
Genehmigungen nach BImSchG
Bundesweit staatlich anerkannte Fortbildung für Immissionsschutzund Störfallbeauftragte im Sinne der 5. BImSchV
Leitung:
RD Karin Uhlenbrock, Bezirksregierung Arnsberg
Termin:
22. Oktober 2015 in Essen
Veranstaltungs-Nr.:
Z-H090-10-077-5
Dipl.-Ing. Matthias Wudtke, Bezirksregierung Köln,
Dezernat Immissionsschutz, Aachen
Termin:
03. bis 04. November 2015 in Essen
Veranstaltungs-Nr.:
Z-H090-11-193-5
 Betriebsbeauftragte für Abfall
Fachkundelehrgang für Betriebsbeauftragte für Abfall gemäß §§ 59-60
Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG)
 Betriebsbeauftragte für Gewässerschutz
Fachkundelehrgang für Gewässerschutzbeauftragte nach §§ 64 bis 66
des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG)
Termin:
26. bis 29. Oktober 2015 in Essen
Veranstaltungs-Nr.:
Z-H090-10-076-5
 Werkstoffeinsatz in modernen fossilbefeuerten
Kraftwerken
Leitung:
Leitung:
Prof. Dr.-Ing. Hans-Günther Oehmigen, ö.b.u.v.
Sachverständiger für Schäden an Schweißverbindungen, Ingenieurbüro Prof. Dr. H.-G. Oehmigen,
Bochum
Termin:
28. bis 29. Oktober 2015 in Essen
Veranstaltungs-Nr.:
Z-H070-10-059-5
 Hochbeständige metallische Sonderwerkstoffe
Eigenschaften, Verarbeitung und Anwendung von Nickelwerkstoffen,
Titan, Zirkonium und Tantal
Leitung:
Dr. rer. nat. Peter Drodten, Essen
Termin:
28. bis 29. Oktober 2015 in Essen
Veranstaltungs-Nr.:
Z-H070-10-058-5
Termin:
09. bis 11. November 2015 in Essen
Veranstaltungs-Nr.:
Z-H090-11-172-5
 Immissionsschutz – neue rechtliche/
technische Entwicklungen
Bundesweit staatlich anerkannte Fortbildung für Immissionsschutzund Störfallbeauftragte im Sinne der 5. BImSchV
Leitung:
Dr. Dieter Cohors-Freseborg, Umweltbundesamt
Dessau-Roßlau
Termin:
10. bis 11. November 2015 in Essen
Veranstaltungs-Nr.:
Z-H090-11-173-5
 Schweißtechnisches Wissen für Konstrukteure
Praxisgerechte Anforderungen an Schweißkonstruktionen, technische
Spezifikationen als Voraussetzungfür qualitätsgerechte Konstruktionen
sowie Fertigung und Montage
Leitung:
Prof. Dr.-Ing. Hans-Günther Oehmigen, ö.b.u.v.
Sachverständiger für Schäden an Schweißverbindungen, Ingenieurbüro Prof. Dr. H.-G.
Oehmigen, Bochum
Termin:
09. bis 10. Dezember 2015 in Berlin
Veranstaltungs-Nr.:
Z-H070-12-077-5
 Betriebsbeauftragte für Immissionsschutz
Bundesweit staatlich anerkannter Grundkurs zum Erwerb der Fachkunde
im Sinne der 5. BlmSchV
Termin:
02. bis 06. November 2015 in Essen
Veranstaltungs-Nr.:
Z-H090-11-169-5
 Das große Kraftfahrzeugakustik-Seminar
Intensivseminar zum Einstieg und zur Vertiefung
 Kompressorenschmierung und hydraulische
Kraftübertragung
Leitung:
Prof. Dr.-Ing. Wilfried Bartz, T+S Tribologie und
Schmierungstechnik, Denkendorf
Termin:
11. bis 12. Februar 2016 in Essen
Veranstaltungs-Nr.:
Z-H070-02-077-6
 9. Essener Tagung:
Turbogeneratoren in Kraftwerken
Leitung
Prof. Dr.-Ing. habil. Jan-Welm Biermann,
Institut für Kraftfahrzeuge, RWTH Aachen
Termin:
03. bis 04. November 2015 in München
Technik – Instandhaltung – Schäden
Veranstaltungs-Nr.:
Z-H070-11-148-5
Leitung:
Prof. Dr.-Ing. Stefan Kulig,
Technische Universität Dortmund
Prof. Dr.-Ing. Sven Exnowski,
Fachhochschule Südwestfalen, Hagen
Termin:
17. bis 18. Februar 2016 in Essen
Veranstaltungs-Nr.:
Z-H070-02-073-6
 Genehmigungs- und Anzeigeverfahren nach
dem Bundes-Immissionsschutzgesetz
Bundesweit staatlich anerkannt als Fortbildungskurs für Immissionsschutz- und Störfallbeauftragte im Sinne der 5. BImSchV
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