thema europa - Bernd Lange
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THEMA EUROPA Verkehr und Umwelt Strategien für ein nachhaltiges Verkehrssystem in Europa Von Bernd Lange MdEP, Willi Piecyk MdEP, Ulrich Stockmann MdEP Mitarbeit: Nils Danklefsen, Andreas Kleiner, Tina Tomforde 01/2002 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt iNFO Weitere Informationen zum Thema erhalten Sie bei: Bernd Lange Europabüro Hannover Odeonstraße 15/16 D-30159 Hannover Tel.:+49/511/1674-210 Fax:+49/511/1674-262 e-mail: [email protected] Ulrich Stockmann SPD-Europabüro Sachsen Anhalt Bürgelstraße 1 D-39104 Magdeburg Tel.:+49/391/5411292 Fax:+49/391/5413326 e-mail: [email protected] Willi Piecyk Europabüro Kleiner Kuhberg 28-30 D-24103 Kiel Tel.:+49/431/90606-22 Fax:+49/431/90606-41 e-mail: [email protected] Europäisches Parlament Rue Wiertz, ASP 11 G 158 B-1047 Brüssel Tel.: +32/2/284-5596 Fax: +32/2/284-9596 e-mail: [email protected] Europäisches Parlament Rue Wiertz, ASP 12 G 263 B-1047 Brüssel Tel.: +32/2/284-7687 Fax: +32/2/284-9687 e-mail: [email protected] Europäisches Parlament Rue Wiertz, ASP 12 G 310 B-1047 Brüssel Tel.: +32/2/284-5502 Fax: +32/2/284-9502 e-mail: [email protected] Internet: http://www.bernd-lange.de Internet: http://www.ulrich-stockmann.de Internet: http://www.piecyk.de Herausgegeben von den SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament, Friedrichstraße 95/IHZ, 10117 Berlin, Telefon: 030 / 209 613 03, Fax: 030 / 209 613 10, e-mail: [email protected] Redaktion: Helmut Schmidt Verlagsservice GmbH, Burg Sahr, 53505 Kirchsahr Layout: Andrea Bendzko, Hamburg Titelgestaltung: Vollrath Pressebild, Bad Neuenahr, mit freundlicher Unterstützung von Dickie-Schuco GmbH, Fürth, Galerie Maritim, Hamburg, Gebr. Fleischmann GmbH, Nürnberg, Mairs Geographischer Verlag, Ostfildern Fotos und Abbildungen: Bundesbildstelle, Deutsche Bahn AG, Deutsche Lufthansa AG, dpa, Europäische Kommission, Globus Infografik, HSVArchiv Druck: Courir-Druck GmbH, Bonn 2 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 INHALT VORWORT: VERKEHRSPOLITIK AM SCHEIDEWEG 5 1. HERAUSFORDERUNGEN EINER UMWELTGERECHTEN VERKEHRSPOLITIK 7 1.1. Verkehrspolitik und Binnenmarkt 7 1.2. Die Verkehrssituation in Europa 8 1.3. Alarmierende Prognosen 9 1.4. Verkehrswende überfällig 10 1.5. Strategie für eine nachhaltige Verkehrspolitik 11 2. ECKPFEILER EINES NACHHALTIGEN VERKEHRSSYSTEMS IN EUROPA 2.1 Transeuropäische Verkehrsnetze – Erste Schritte zur Neuorientierung 13 13 2.1.1. Schwerpunkt: Umweltfreundliche Verkehrsträger 14 2.1.2. Problem: Finanzierung 16 2.1.3. Binnenwasserstraßen im TEN 17 2.1.4. Strategische Umweltanalyse 17 2.2 Kostenwahrheit: Mobilität und ihr Preis – Gebühren nach dem Verursacherprinzip 18 2.2.1. Vorschlag der Kommission 2002 21 2.3 Vernetzung der Verkehrsträger – Intermodalität und kombinierter Verkehr 23 2.3.1. Hindernisse auf dem Weg zu einem intermodalen Gesamtverkehrssystem 24 2.3.2. Strategien zur Förderung der Intermodalität 24 2.3.3. Kombinierter Verkehr: PACT und sein Nachfolger Marco Polo 24 2.4 Intelligente Lösungen für den Verkehr – Telematik und GALILEO 26 2.5 Vermeidung von unnötigem Verkehr 31 3. MASSNAHMEN ZUR OPTIMIERUNG DER EINZELNEN VERKEHRSTRÄGER 33 3.1 Revitalisierung der Eisenbahnen 33 3.1.1. Das Eisenbahninfrastrukturpaket 33 3.1.2. Interoperabilität auf der Schiene 34 3.1.3. Das zweite Eisenbahnpaket 36 3.2 Sichere und saubere Transporte auf dem Seeweg 37 3 01/2002 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 3.2.1. Ökologische Gefahrenpotentiale durch den Seeverkehr 37 3.2.2. Schiffssicherheitspolitik: Die „Erika-Pakete“ 39 3.2.2.1. Das „Erika I-Paket“ 40 3.2.2.2. Das „Erika II-Paket“ 41 3.2.3. Entsorgungseinrichtungen in den Häfen 42 3.2.4. Schifffahrt- und Luftverschmutzung 43 3.2.5. Förderung des Kurzstreckenseeverkehrs (ShortSeaShipping) 44 3.3 Stärkung der Binnenschifffahrt 45 3.3.1. Hindernisse und Handlungsbedarf 45 3.3.2. Strategien zur Stärkung der Binnenschifffahrt 47 3.4 Verbesserung der Umweltbilanz des Straßenverkehrs 48 3.4.1. Abgasemissionen in den Griff bekommen 48 3.4.2. Weiter zunehmendes Verkehrsvolumen 49 3.4.3. Eine Vielzahl von Schadstoffen erfasst 49 3.4.4. Abgasreduktion bei Kraftfahrzeugen 50 3.4.5. Das Problem der Dieselpartikel 51 3.4.6. Realistische Anforderungen 51 3.4.7. Kampf dem Schwefel im Kraftstoff 51 3.4.8. Alle mobilen Quellen erfasst 52 3.4.9. Herausforderung CO2-Reduktion 53 3.4.10. „Return to sender“: Rückgabe eines Altautos für den Letztbesitzer künftig kostenfrei 4 54 3.4.11. Alternative Antriebe stehen vor der Tür 55 3.5 Effizienter und umweltverträglicher Luftverkehr 57 3.5.1. Maßnahmen der EU im Luftverkehr 58 3.5.1.1. Schaffung eines einheitlichen europäischen Luftraums 58 3.5.1.2. Kerosinsteuer und Umweltabgabe 59 3.5.1.3. Optimale Nutzung der Flughafenkapazitäten 60 3.5.1.4. Flughafenkooperationsmodelle 60 FAZIT: 12 SOZIALDEMOKRATISCHE THESEN FÜR EINE NACHHALTIGE VERKEHRSPOLITIK 61 Weiterführende Informationen 63 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 VORWORT: VERKEHRSPOLITIK AM SCHEIDEWEG Bernd Lange, MdEP Willi Piecyk, MdEP Ulrich Stockmann, MdEP (von links nach rechts) „Der Gedanke der Nachhaltigkeit muss Grundlage und Maßstab der europäischen Verkehrspolitik sein.“ Die Europäische Union steht in der Verkehrspolitik vor gewaltigen Herausforderungen. Der massive Anstieg des Verkehrsaufkommens, überwiegend auf der Straße und in der Luft, führt zu Überlastungserscheinungen und einer drastischen Zunahme der Umweltbelastungen. Mobilität – geschweige denn nachhaltige Mobilität – wird immer mehr zur Farce. Auch in den kommenden Jahren ist, u.a. aufgrund von regionalen Arbeitsteilungen sowie der Osterweiterung der Europäischen Union, ein erhebliches Verkehrswachstum zu erwarten. Dieser Anstieg der Verkehrsströme kann weder von einem Verkehrsträger allein bewältigt werden, noch lassen sich die Verkehrsprobleme allein durch Verkehrswegebau oder durch die Verbesserung der Umweltbilanz der einzelnen Verkehrsträger lösen. 5 01/2002 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt Soll der Verkehrsinfarkt vermieden werden, müssen wir endlich konsequent neue Wege gehen und ökonomische Effizienz mit ökologischer Verträglichkeit verbinden. Einerseits muss die Gemeinschaft reibungsund lückenlose Mobilität von Personen, Waren und Dienstleistungen ermöglichen. Andererseits muss sie den Zielen des Umweltschutzes gerecht werden, den die europäischen Verträge als integralen Bestandteil sämtlicher Politikbereiche ausweisen. Die europäische Verkehrspolitik muss also das Spannungsverhältnis zwischen stetig steigendem Verkehrsaufkommen und daraus resultierenden Umweltbelastungen und ökologischen Folgekosten auflösen. Mit anderen Worten: der Gedanke der Nachhaltigkeit muss Grundlage und Maßstab der europäischen Verkehrspolitik sein. Dies erfordert einen Paradigmenwechsel, in dem Integration der einzelnen Verkehrs- 6 träger, Harmonisierung und partielle Liberalisierung Hand in Hand gehen. In diesem Sinne muss Verkehrspolitik zum einen vom Gesamtsystem her gedacht werden und nicht von den einzelnen Verkehrsträgern. Zum anderen ist neben der Optimierung des Gesamtverkehrssystems zugleich die Optimierung jedes einzelnen Verkehrsträgers notwendig. Ein nachhaltiges Verkehrssystem erfordert daher die Umkehr von einer verkehrsträgerspezifischen - hin zu einer verkehrsträgerübergreifenden Politik unter Berücksichtung der Belange des Umweltschutzes und des rationellen Umgangs mit Energie. Nur wenn diese verkehrspolitische Wende gelingt, können der drohende Verkehrskollaps und die sich anbahnende Umweltkatastrophe abgewendet werden. In dem vorliegenden Heft möchten die Autoren Strategien für ein nachhaltiges Verkehrssystem skizzieren. THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 1. HERAUSFORDERUNGEN EINER UMWELTGERECHTEN VERKEHRSPOLITIK 1.1. Verkehrspolitik und Binnenmarkt Verkehrswachstum EU 15 1985 = 100 Diese Binnenmarkteffekte trugen maßgeblich zu Wohlstand und Wirtschaftswachstum in allen Ländern der EU bei, erforderten aber zwangsläufig eine gravierende Steigerung der Mobilität und der Transport- Jährliche Wachstumsraten 19801990 19901997 1998 1999 BIP (reales Wachstum) 2,4% 1,8% 2,9% 2,5% Industrieproduktion 1,8% 0,9% 3,7% 1,6% Personenverkehr pkm (5 Verkehrsträger) 3,1% 1,7% 2,0% 3,0% Güterverkehr tkm (5 Verkehrsträger) 1,9% 2,6% 3,7% 3,6% Quelle: Europäische Kommission 170 160 150 140 130 120 11 0 100 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 Personen (pkm) Gter (tkm) BIP (zu konstanten Preisen) Quelle: Europäische Kommission Europa wächst zusammen. Die Schaffung des gemeinsamen Binnenmarktes ließ den grenzüberschreitenden Austausch von Gütern und Dienstleistungen in der EU stetig ansteigen. Den Unternehmen eröffnete die Verwirklichung der Freiheit des Dienstleistungs-, Waren-, Personen- und Kapitalverkehrs innerhalb der EU völlig neue Möglichkeiten und trug zu tiefgreifenden Veränderungen bei. Wesentliche Teile der Güterproduktion wurden an kostengünstigere Produktionsorte verlagert und die Lagerhaltung auf eine produktionssynchrone Lieferung umgestellt. Zugleich wurden die Wege zwischen Rohstoffgewinnung, Produktionsorten und Endverbrauchern durch die zunehmende regionale Arbeitsteilung immer länger. kapazitäten. Die anstehende EU-Osterweiterung wird diesen Prozess weiter beschleunigen. Mobilität von Gütern und Personen war und ist daher zentrales Element der europäischen Binnenmarktstrategie. Insofern war die europäische Verkehrspolitik bisher primär darauf ausgerichtet, die Erhöhung des Transportvolumens zu bewältigen. Wiederum der Binnenmarktlogik folgend, lag der Schwerpunkt der EU-Verkehrspolitik auf der Öffnung und der Liberalisierung der Verkehrsmärkte. Auf den ersten Blick ein Riesenerfolg: Erreicht wurden erhebliche Kostensenkungen, eine wesentlich höhere Dienstqualität und ein erheblich breiteres Angebot der Transportdienstleistungen. Das durchschnittliche Wachstum des Verkehrsaufkommens lag zwischen 1970 und 1998 stetig über dem des Bruttoinlandsproduktes (2,5%). Personen- und Güterverkehr haben sich in den letzten 30 Jahren mehr als verdoppelt. 7 01/2002 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 1.2. Die Verkehrssituation in Europa Auf den europäischen Straßen kommt es täglich auf einer Länge von 7.500 Kilometern, das sind rund 10% des gesamten Netzes, zu Staus. Die Kosten dafür liegen nach der neuesten Schätzung bei mindestens 0,5% des BIP der Gemeinschaft. Bei Schiene und Flugzeug sieht die Lage nicht anders aus: 20% des europäischen Eisenbahnnetzes, rund 16.000 Kilometer, gelten laut Kommission als Nadelöhre. Auf den größten europäischen Flughäfen haben mehr als 30% der Flüge Verspätungen von über einer Viertelstunde. Weitaus gravierender sind jedoch die Folgen des Verkehrsaufkommens für die Umwelt. In vielen Regionen Europas wurde die zu vertretende Umweltbelastung bereits überschritten. Der Verkehr gilt als einer der Hauptverursacher der CO2-Emissionen. Zwischen 1990 und 1998 haben sie durch die Zunahme des Verkehrsaufkommens und der damit verbundenen Zunahme des Verbrauchs fossiler Kraftstoffe in diesem Sektor um 15% zugenommen. 10. Mai 2000 auf der Autobahn München-Stuttgart. Auf den Straßen der EU staut sich der Verkehr täglich auf 7.500 Kilometern, das entspricht 10 Prozent des Europäischen Straßennetzes. 8 Der Verkehrssektor ist damit ein sehr dynamischer Wachstumsmarkt. Ökonomisch zwar sehr erfolgreich, ökologisch aber in höchstem Maße bedenklich, denn immer deutlicher werden auch die Schattenseiten dieser Entwicklung. Die einseitige Ausrichtung der europäischen Verkehrspolitik auf die Schaffung freier Transportmärkte trägt gleichzeitig zum Verkehrsinfarkt bei. Notwendig ist deshalb eine Neuausrichtung, um durch die Integration und Optimierung der einzelnen Verkehrsträger sowohl den Mobilitätsbedarf des Binnenmarktes als auch den Schutz von Umwelt und Ressourcen zu gewährleisten. Die vom Verkehrssektor verursachten Treibhausgas-Emissionen verzeichneten dabei die höchste Zuwachsrate aller Wirtschaftszweige. Dadurch gefährdet der Verkehr die Klimaschutzziele des Kyoto-Protokolls schon heute erheblich. Derzeit sind rund 28% aller CO2-Emissionen in der EU auf den Verkehr zurückzuführen. Davon entfallen rund 84% auf den Straßenverkehr. Andere Schadstoffemissionen sind nach Einführung des Katalysators zwar rückläufig, doch wird diese positive Entwicklung zumindest zum Teil durch das angestiegene Verkehrsaufkommen wieder THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt Die Gründe für den schleichenden Sieg der Straße sind vielfältig: Wachsender Wohlstand ließ die Nachfrage nach Pkw immens steigen. Der Siegeszug des Lkw wurde begünstigt durch die erfolgreich durchgeführte Marktöffnung im Straßengüterverkehr, während sie bei der Bahn bis vor kurzem kaum vorankam. Mit diesem und weiteren Vorteilen des Lkw wie der flächendeckenden Verfügbarkeit, der hohen Flexibilität und Geschwindigkeit kann die Schiene bis jetzt nicht mithalten. Gleichzeitig brachte die Notwendigkeit immer flexiblerer Lieferungen und der Abbau teurer Lagerhaltung der Unternehmen sogenannte „Zero-Stock“ und „Just-intime“ Logistikkonzepte hervor. Der Lkw dient immer mehr als „rollendes Lager“ auf den europäischen Straßen. 125 Verkehr 120 = 100 11 5 11 0 Energiebranche 105 Haushalte etc. 100 Elektrizitts- u. Wrmeproduktion 95 90 85 Industrie 80 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 Jahr 1998 1999 Quelle: Europäische Kommission Nicht nur die Luftverschmutzung, sondern auch der Flächenverbrauch für den Bau neuer Straßen ist problematisch: 1,2% der gesamten Fläche der Europäischen Union nimmt die Verkehrsinfrastruktur bereits insgesamt in Anspruch. 93% davon entfallen auf Straßen. Allein zwischen 1990 und 1996 wurde jeden Tag die Fläche von zehn Fußballfeldern für den Autobahnbau in Anspruch genommen. Der Flächenverbrauch geht weiter. CO 2 -Emissionen (EU 15) 1990 relativiert. Die Entwicklung der einzelnen Verkehrsträger in Bezug auf den ModalSplit gibt Anlass zu großer Sorge. Insgesamt sind in den letzten 30 Jahren deutliche Verlagerungen zwischen den einzelnen Verkehrsträgern zugunsten der Straße zu verzeichnen. Der Anteil der Schiene ging im Güterbereich von 21% auf 8,5%, im Bereich der Personenbeförderung von 10% auf 6% zurück. Der Anteil der Straße stieg demgegenüber beim Güterverkehr von 31% auf 44% und beim Pkw-Verkehr von 65% auf 74%. 01/2002 Hinzu kommen technische Probleme der Bahn, wie unterschiedliche Spurweiten und Signalsysteme in den einzelnen Mitgliedstaaten, die einen reibungslosen Verkehrsfluss auf der Schiene quer durch Europa erschweren. Nur auf längeren Strecken kann die Bahn aber ihre Vorteile gegenüber der Straße ausspielen. Für die Umwelt ist der Niedergang der Schiene verheerend. Sie ist zusammen mit den Wasserstraßen noch immer der mit Abstand umweltfreundlichste Verkehrsträger. Da aber bislang die Kosten der Umweltverschmutzung kaum in die Beförderungspreise der Verkehrsträger einfließen, kann die Bahn, wie auch die Binnenschifffahrt, diesen Umweltvorteil nicht im Wettbewerb mit den anderen Verkehrsträgern ausspielen. 1.3. Alarmierende Prognosen Setzt man voraus, dass sich diese skizzierte Entwicklung der letzten 30 Jahre auch nach der Osterweiterung fortsetzt, kommt man 9 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 Personenverkehr Transportleistung nach Verkehrsträger EU 15 : 1970 - 1999 und die Kosten der Staus um 142% (auf 80 Mrd. Euro im Jahr, also ca. 1% des BIP) ansteigen werden. in Milliarden pkm Im Vergleich zum Jahr 1990 würden die CO2-Emissionen des Verkehrssektors ohne einschneidende Maßnahmen für eine Trendwende beim Verkehrswachstum bis zum Jahr 2010 um 50% bis auf 1,113 Mrd. Tonnen steigen (1990: 739 Mio. Tonnen). Die Klimaschutzziele der EU wären so nicht zu erreichen. 4000 3500 3000 2500 2000 1.4. Verkehrswende überfällig 1500 Quelle: Europäische Kommission 1000 500 0 1970 1974 1978 1982 1986 1990 1994 1998 Auto Bus/Reisebus Schiene Luft zu erschreckenden Prognosen, wie sie die Europäische Kommission jüngst in ihrem Weißbuch „Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellung für die Zukunft“ veröffentlicht hat. Der Verkehrsbedarf wird bis zum Jahr 2010 massiv ansteigen (+38% beim Güterverkehr, +24% beim Personenverkehr). Gerade in den neuen Mitgliedstaaten und in Grenzgebieten wird der Verkehr dramatisch anwachsen. Ohne gravierende Änderungen der europäischen Verkehrspolitik erwartet die Kommission bis 2010, dass der Schwerlastverkehr um fast 50% gegenüber 1998 zunehmen 10 Die Richtung der europäischen Verkehrspolitik stimmt schon lange nicht mehr. Sie muss dringend korrigiert werden. Der Herausforderung, einerseits die Mobilität von Personen, Waren und Dienstleistungen zu fördern und wirtschaftliches Wachstum zu sichern, andererseits aber den Zielen des Umweltschutzes gerecht zu werden, die sich die Mitgliedstaaten im Vertrag über die Europäische Union auferlegt haben, muss sich die EU jetzt stellen. VERTRAG VON AMSTERDAM, ART. 6 „Die Erfordernisse des Umweltschutzes müssen bei der Festlegung und Durchführung der in Artikel 3 genannten Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung einbezogen werden.“ Nachhaltige Mobilität soll nicht nur möglichst umweltfreundlich, sondern auch zu niedrigen Kosten für die Gesellschaft als Ganzes garantiert werden und zugleich eine wettbewerbsfähige Wirtschafts- und Regionalentwicklung unterstützen. THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 Dezember 2000: Das Frankfurter Autobahnkreuz nach seiner Erweiterung. 1,2 Prozent der Fläche aller EU-Staaten wird vom Verkehr beansprucht. Über 90 Prozent davon von der Straße. Überdies muss eine nachhaltige Verkehrspolitik auch noch die vertraglichen Grundlagen der EU-Verkehrspolitik berücksichtigen. Hierzu gehören vor allem: einer Strategie für die Schaffung eines europäischen Gesamtverkehrssystems, in dem jeder Verkehrsträger seine Vorteile optimal ausspielen kann. Nichtdiskriminierung zwischen Verkehrsunternehmen in der Gemeinschaft; Oberstes Ziel muss dabei die Verlagerung der Verkehrszuwächse auf die umweltfreundlicheren Verkehrsträger Schiene und Binnen- bzw. Küstenschiff sein. freie Wahl des Verkehrsträgers durch den Benutzer; marktorientierte Lösungen (d.h. keine staatlichen Eingriffe durch Quoten); Beachtung des Subsidiaritätsprinzips (EU-Maßnahmen sind nur dann zulässig, wenn nationale Gesetze zur Erreichung eines gemeinschaftlichen Ziels nicht ausreichen). Eine Strategie für eine nachhaltige Verkehrspolitik basiert auf folgenden Säulen: 1. 2. 3. 4. 1.5. Strategie für eine nachhaltige Verkehrspolitik Damit das Konzept einer nachhaltigen Mobilität kein Luftschloss bleibt, bedarf es 5. 6. einer leistungsfähigen Infrastruktur und umweltschonendem Verkehrswegebau, der Herstellung von Kostenwahrheit und Wettbewerbsgleichheit zwischen den Verkehrsträgern, der Vernetzung der Verkehrsträger zu einem integrierten Gesamtsystem, der Schaffung intelligenter Verkehrslösungen der Vermeidung von unnötigem Verkehr,sowie auf Maßnahmen zur Optimierung der einzelnen Verkehrsträger. 11 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 Transeuropäische Netze 12/9/2001 1996 angenommene „spezifische“ Vorhaben (so genannte „Essener Liste“) 1:17550000 T AMPE R E L AHT I # # T UR KU # # HE L SINKI # KAR L S T AD # # 12 T ALL INN ST OCKHOL M MOSK VA # # R IGA GL ASGOW # L ONDONDE R R Y # EDINB UR GH KØBE NHAVN # BE L F #AST VIL NIUS # # 11 14 DUBL IN# HOL YHEAD L IVE R P OOL # # 9 COR K 13 # BIR MINGHAM # L ONDON # L IL L E # # # # HAL L E # L IEGE #KÖL N # L E IP ZIG # 2 WAR S ZAWA BE R L IN AMS T E R DAM # ## F EL IXST OWE 5 HAR WICH 1 # PAR IS # # 4 ME T Z ST UT T GAR T # # [% # MIL ANO 6 # GIJ ON # L A COR UNA DAX # 10 T OR INO # # T R IES T E BUDAP ES T # BUCUR ES T I # # Malp en s a # # # 1 L YON WIEN BR AT IS L AV A L INZ ST R ASB OUR G # PR AHA L# UXE MB OUR G # MANNHE IM # # VE R ONA VE NE ZIA T OUL OUSE SOF IYA # PAL ENCIA POR T O # # # # # # VALL ADOL ID 8 IS T ANB UL PE R P IGNAN MADR ID # ZAR AGOZA # T HES SAL ONIKI # 3 # BAR CE L ONA L ISB OA IGOUMENIT SA # # 7 PIR AEUS # SEV IL L A Quelle: Europäische Kommission # 12 1. Hochgeschwindigkeit ss trecke/kom binierter Verk ehr Nord-Süd 8. Mulit modale Verbindung P ortugal- Spanien- Mit teleuropa 2. Hochgeschwindigkeit ss trecke PBKA L 9. K onventionelle E is enbahnverbindung Cork- Dublin- B elfast - La rne- Stranraer (fertiggestellt ) 3. Hochgeschwindigkeit ss trecke Süd 10. F lughafen Malpens a (fertiggest ellt ) 4. Hochgeschwindigkeit ss trecke Os t 11. F este Schienen- /Straßen v e rb n i dung zwis chen Dänemark und S chweden (fertigges tellt) 5. B et uwe-L inie, konventionelle Zugstrecke/kombinierter Verkehr 12. Nordis ches Dreieck (E is enbahn/Straße 6. Hochgeschwindigkeit ss trecke/kom binierter Verk ehr, F rankreich- It alien 13. Straßenverbindung Irland/Vereinigtes Königreich/Benelux 7. Griechische Autobahnen P athe und Via E gnatia 14. Hauptverkehrsst recke Wes tküs te *Entsc heidung Nr. 1692/96/EG, geändert durch E nt scheidung Nr. 1346/2001/ EG 0 Eisenbahn Straße 200 400 600 Kilometers THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 2. ECKPFEILER EINES NACHHALTIGEN VERKEHRSSYSTEMS IN EUROPA 2.1. Transeuropäische Verkehrsnetze – erste Schritte zur Neuorientierung Ein erster Ansatz gemeinschaftlicher Verkehrspolitik findet sich in den transeuropäischen Verkehrsnetzen (TEN). In den neunziger Jahren begann die EU mit dem Aufbau der TEN. Das transeuropäische Verkehrsnetz sollte als Katalysator für den Binnenmarkt dienen. Hauptziel war die Erhöhung der Transportkapazitäten zur Bewältigung der steigenden Transportnachfrage im gemeinsamen, grenzüberschreitenden Markt. Darüber hinaus erhoffte man sich eine stärkere Anbindung der entfernten Regionen und eine Ankurbelung der Beschäftigung durch den Bau oder Ausbau von Infrastrukturen. Ein weiteres Ziel gewann erst auf Druck des Europäischen Parlaments an Bedeutung: Das transeuropäische Verkehrsnetz soll auch der Realisierung einer europäischen Verkehrspolitik dienen, die Umweltpolitik als Das transeuropäische Verkehrsnetz in Zahlen 75.000 Kilometer Straße 80.000 Kilometer Schiene 381 Flughäfen 273 internationale Seehäfen 210 Binnenhäfen Quelle: Europäische Kommission einen integralen Bestandteil begreift. Dies vor allem aufgrund der Priorität der TEN für die umweltfreundlichen Verkehrsträger Schiene und Wasser. Die TEN sind fester Bestandteil des Vertrags von Maastricht. Für die Errichtung von Verkehrswegen sind jedoch nach dem Prinzip der Subsidiarität in erster Linie die EU-Mitgliedstaaten zuständig. Zur Koordinierung und Schwerpunktsetzung verabschiedeten das Europäische Parlament und der Ministerrat im Juli 1996 die dafür notwendigen gemeinschaftlichen Leitlinien. In diesen Leitlinien werden Infrastrukturvorhaben von gemeinsamen europäischem Interesse ausgewiesen. Darunter 14 sogenannte prioritäre Projekte („Essener Liste“, vorgelegt vom Europäischen Rat im Dezember 1994 in Essen, siehe Karte Seite 12). Anfang 2001 machten das Europäische Parlament und der Ministerrat das transeuropäische Verkehrsnetz komplett. Bestimmte Seehäfen, Binnenhäfen und intermodale Terminals sind nun als wichtige Verkehrsknotenpunkte für umweltfreundlichen Transport ebenfalls Bestandteil des Netzes, so dass jetzt ein Entwicklungsplan vorliegt, der alle Verkehrsträger umfasst. Nach derzeitigen Schätzungen belaufen sich die Kosten für ein solches Netzwerk auf ungefähr 440 Mrd. Euro, die überwiegend von den betroffenen Mitgliedstaaten selbst aufgebracht werden müssen. Im Rahmen des TINA-Prozesses (Transport Infrastructure Needs Assessment) wurde parallel eine Bewertung des Verkehrsinfrastrukturbedarfs der Beitrittskandidaten vorgenommen. Nach der Erweiterung wird das Transeuropäische Verkehrsnetz entsprechend aktualisiert werden. Die Verwirklichung der vorrangigen Verkehrsinfrastrukturvorhaben der Beitritts- 13 01/2002 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt kandidaten wird bis zum Jahr 2015 nochmals rund 91 Mrd. Euro kosten. 29.000 Kilometer des transeuropäischen Schienennetzes sind für Hochgeschwindigkeitszüge geplant. ICE-Neubaustrecke Köln-Rhein/Main während der ersten Messfahrt zwischen Frankfurt/MainSportfeld und Montabaur. Foto: DB AG/Mann Für einzelne Infrastrukturprojekte der ausgewiesenen Verkehrsverbindungen kann die EU finanzielle Zuschüsse gewähren. Damit werden finanzielle Anreize in Aussicht gestellt, die meist der Anschubfinanzierung eines Projektes dienen, allerdings im Vergleich zu den Gesamtkosten vergleichsweise gering anmuten. Insgesamt fördert die Europäische Union den Ausbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes zwischen 2000 und 2006 mit ca. 4 Mrd. Euro. 60% dieser Mittel gehen in den Bahnbereich. Hinzu kommen Darlehen der Europäischen Investitionsbank EIB (1999: knapp 6 Mrd. Euro), sowie Kreditbürgschaften des Europäischen Investitionsfonds (1999: 266 Mio. Euro) und Zuschüsse aus dem Kohäsionsfonds (1999: 444 Mio. Euro). 2.1.1. Schwerpunkt: Umweltfreundliche Verkehrsträger Auf Druck des Europäischen Parlaments wurde der Schwerpunkt bei EU-Verkehrsinfrastrukturvorhaben auf den Ausbau der umweltfreundlicheren Verkehrsträger Schiene und Wasser gelegt. Insbesondere das europäische Schienennetz ist vielfach in marodem Zustand, der einen zügigen Verkehrsfluss verhindert. Die bisherigen 15 nationalen Eisenbahnnetze müssen zudem zu einem gesamteuropäischen Eisenbahnnetz zusammengeführt werden. Der frühere EU-Verkehrskommissar Neil Kinnock brachte diese Zielsetzung für den Schienenpersonenverkehr auf den Punkt: „1000 Kilometer in 4 Stunden zurücklegen, ohne fliegen zu müssen.“ Dass dies kein Traum bleiben muss, zeigen schon heute zum Beispiel die Erfahrungen mit den Hochgeschwindigkeitszügen zwischen Brüssel, Paris und London. Hier ist die Schiene die klar bessere und umweltfreundlichere Alternative zu Flugzeug und Pkw. Weitere Hochgeschwindigkeitsstrecken sind in ganz Europa in Planung oder im Bau. 29.000 Kilometer des transeuropäischen Schienennetzes sollen einmal als Hochgeschwindigkeitsstrecken genutzt werden. Davon sollen 12.600 Kilometer neu gebaut werden. Aber auch in den Ausbau konventioneller europäischer Schienenverbindungen wird investiert. Darunter fallen zum 14 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 Transeuropäische Netze 12/9/2001 Potentielle „Spezifische“ Vorhaben 15 T AMP E R E L AHT I # # T UR KU # # HE L S INKI # KAR L S T AD # # T AL L INN ST OCKHOL M MOS KVA # # R IGA GL AS GOW # L ONDONDE R R Y # EDINB URGH KØBENHAVN # BE L F #AST VIL NIUS # DUB L IN# HOL YHE AD L IVE R P OOL # # # 20 COR K # BIR MINGHAM # L ONDON # L IL L E # # WAR SZAWA BE R L IN AMS T E R DAM # ## F EL IX ST OWE HAR WICH # # HAL L E # L IEGE #KÖL N # L E IP ZIG # # PR AHA L#UX E MB OUR G # MANNHE IM 18 # #ST UT T GAR T L INZ ME T Z # # ST R AS B OUR G PAR IS # WIEN BR AT IS L AVA # # 17 L YON # MIL ANO # # # GIJ ON # L A COR UNA T OR INO DAX # POR T O 16 # # # VAL L ADOL ID # L ISB OA 19 # BUCUR E ST I # # # # VE R ONA VE NE ZIA SOF IYA 3 PE R P IGNAN # # IS T ANB UL 1 # ZAR AGOZA # # MADR ID BUDAP E S T T OUL OUS E # PAL ENCIA T RIE S T E # T HE S SAL ONIKI # BAR CE L ONA IGOUMENIT S A # # PIR AEUS # SE VIL L A Quelle: Europäische Kommission # 1 1. Hochges chwindigkeits s trecke/kombinierter Verkehr Nord- Süd 1. Hochgeschwindigkeitsstrecke/kombinierter Verkehr Nord-Süd 3. 3. Hochges chwindigkeits s trecke Süd Hochgeschwindigkeitsstrecke Süd 15.Galileo Galileo 15. 16. Eisenbahnverbindung mit großer Kapazität durch die Pyrenäen 16. E is enbahnverbindung mit großer Kapazität durch die P yrenäen 17.Hochgeschwindigkeitsstrecke/kombinierter Hochges chwindigkeits strecke/kombinierter Verkehr Os t- Wes t 17. Verkehr Ost-West 18.Schiffbarkeit Schiffbarkeit derDonau Donau zwischen Vilshofen und St raubing 18. der zwischen Vilshofen und Straubing 19. desdes iberischen Netzes 19.Eisenbahnhochgeschwindigkeitsinteroperabilität E is enbahnhochges chwindigkeits interoperabilität iberisc hen Netzes 20. Fehmarn Belt 20. F ehmarn B elt 0 200 400 600 Kilometer 15 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 Beispiel auch Schienenverbindungen, die ausschließlich für den Güterverkehr genutzt werden sollen (Freight freeways). dies vor dem Hintergrund von sinkenden Investitionen der Mitgliedstaaten in die Verkehrsinfrastruktur (1970: 1,5% des BIP, 1995: ca. 1% des BIP). 2.1.2. Problem: Finanzierung Trotz eindeutiger Priorität für die Schiene hat sich zudem in den letzten Jahren gezeigt, dass die Realisierung der TENStraßenvorhaben weitaus schneller vorangekommen ist als die der Schienenprojekte. Mittlerweile werden aber zeitliche Verzögerungen bei der Realisierung der Schienenvorhaben immer deutlicher. Nach jüngsten Schätzungen wird es ohne Veränderungen noch 20 Jahre dauern, bis alle anvisierten Hochgeschwindigkeitsschienenprojekte fertiggestellt werden. Probleme gibt es vor allem bei der Finanzierung: Der gesamte Investitionsbedarf für die Schiene liegt bei ca. 185 Mrd. Euro und Die Gründe dafür sind vielfältig: Die TENLeitlinien sind lediglich ein „allgemeiner Bezugsrahmen“ und kein Durchsetzungsinstrument der EU für ihre verkehrspolitischen Ziele. Die Planungshoheit liegt nach wie vor bei den Mitgliedstaaten. Die Umsetzung der TEN-Projekte ist für sie genau- Transeuropäische Verkehrsnetze Förderung der EU in Mio. Euro Art der Förderung Instrument 1993 -1995 1996 1997 1998 1999 Darlehen EIB 7666 3504 4943 4415 5977 Kreditbürgschaften Europäischer Investitionsfonds 161 303 55 71 266 Zuschüsse EFRE 999 2639 527 n. verf. n. verf. Kohäsionsfonds 2995 1221 1251 1337 444 TENHaushaltslinie B5-700 625 280 352 474 497 (darunter die 14 spezifischen Projekte) 362 211 211 305 266 Zuschüsse, Zinssubventionen, Kreditbürgschaften und Mitfinanzierung von Studien Quelle: Europäische Kommission 16 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt so wenig bindend, wie die EU-Priorität für die Schiene. Allenfalls über den Schwerpunkt der TEN-Förderung kann die EU Einfluss ausüben. Allerdings ist dieser Einfluss angesichts des gewaltigen Gesamtinvestitionsbedarfs begrenzt. Die Kommission hat aus diesen Gründen jüngst einige Änderungen der TEN-Leitlinien vorgeschlagen. Sie sollen eine Konzentration der Fördermittel auf die wichtigsten Projekte (insbesondere sogenannte Engpässe) ermöglichen, von denen einige mit 20% der Gesamtkosten bezuschusst werden sollen. Darüber hinaus schlägt sie vor, eine Reihe von neuen Vorhaben als prioritäre Projekte einzustufen (siehe Seite 15). Ein Blick auf die Mittel des Kohäsionsfonds für TEN-Projekte relativiert die Priorität für die Schiene. Zwischen 1993 und 1999 wurden TEN-Projekte in Spanien, Griechenland, Irland und Portugal mit insgesamt 8,3 Mrd. Euro bezuschusst. 56% davon entfielen auf den Straßenbau, nur 34% auf die Schiene. Ähnlich liegt der Fall bei Krediten der Europäischen Investitionsbank. Ohne gezielte Bedarfssteuerungsmaßnahmen auch in diesen Förderbereichen können sich umweltfreundliche Verkehrsträger nicht gegenüber der Straße behaupten. Die anstehende Revision der Leitlinien für das transeuropäische Verkehrsnetz bietet eine gute Gelegenheit, darauf zu drängen, dass die EU ihre knappen Fördermittel für Verkehrsinfrastrukturen ausschließlich auf umweltfreundliche Verkehrsträger konzentriert. Darüber hinaus sind die Haushaltsmittel der Europäischen Union bislang viel zu gering, um der Zielsetzung der TEN gerecht zu werden. Vor dem Hintergrund der Osterweiterung muss mittelfristig zumindest eine Verdoppelung der EU-Mittel angestrebt werden. 01/2002 Dass auch die Mitgliedstaaten gefordert sind, ihre Beiträge erheblich aufzustocken, versteht sich von selbst. Die Bundesregierung geht in Europa mit ihrem Unterstützungsprogramm für die Schiene mit gutem Beispiel voran. 2.1.3. Binnenwasserstraßen im TEN Auch bei den Binnenwasserstraßen verfolgt die Europäische Union das Ziel, ein durchgängiges, interoperables und wirtschaftliches Netz auf der Basis bestehender Wasserstraßen aufzubauen. So geht es im Rahmen der TEN zum Beispiel um die Beseitigung von Engpässen aufgrund einer zu geringen Fahrwassertiefe wie auf der Donau zwischen Straubing und Vilshofen. Die Verbesserung der Schiffbarkeit auf diesem Teilstück soll demnächst als prioritäres Projekt eingestuft werden, um eine durchgehende Fahrt von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer auf der Achse Rhein-Main-Donau zu ermöglichen. Mehr noch als der Bau neuer Schienenwege stößt gerade dieses Projekt auf den Widerstand von Umweltschützern, die bei einigen Ausbauvarianten den naturnahen Fließcharakter der Donau und somit den natürlichen Lebensraum vieler Tier- und Pflanzenarten gefährdet sehen. Bei diesem, aber auch bei vielen anderen Großprojekten, zeichnen sich Konflikte zwischen regionalen und übergeordneten verkehrs- und umweltpolitischen Interessen ab. 2.1.4. Strategische Umweltanalyse Das Europäische Parlament hat erfolgreich eine Richtlinie zur Prüfung der Umweltauswirkungen von Plänen und Programmen 17 01/2002 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt (strategische Umweltverträglichkeitsprüfung, 2001/42/EG) durchgesetzt, um die existierenden und projektbezogenen Richtlinien zur Umweltverträglichkeitsprüfung (85/337/EWG) und zum Schutz natürlicher Lebensräume („Vogelschutzrichtlinie“ (79/404/EWG) und FFH-Richtlinie (92/43/ EWG )) zu ergänzen. Spätestens ab 2004 müssen dann umweltfreundlichere Handlungsoptionen, mögliche Transportalternativen sowie langfristige oder globale Auswirkungen bereits in der Konzeptphase DIE EXTERNEN KOSTEN DES VERKEHRS (OHNE INFRASTRUKTURKOSTEN) Staus: je dichter der Verkehr, desto wahrscheinlicher werden Staus, die das Gesamtverkehrssystem lähmen und durch Zeitverluste und erhöhten Kraftstoffverbrauch zu Kosten führen. Luftverschmutzung: Abgase wie Kohlenmonoxid, Stickoxid, Schwefeldioxid und Partikel führen zu Gesundheits-, Umwelt- und Gebäudeschäden. Lärm: wirkt stresserzeugend und kann zu Gesundheitsschäden führen. Klimaveränderungen: vor allem durch den Ausstoß von Kohlendioxid als wesentlichem Einflussfaktor für den Treibhauseffekt. Langfristig drohen aufgrund der Erwärmung der Erdatmosphäre schwere Schäden unter anderem durch Bedrohung von Küstenregionen aufgrund des ansteigenden Meeresspiegels, Versteppung oder Schäden für die Landwirtschaft. Unfälle: Personen- und Sachschäden 18 neuer Infrastrukturvorhaben unter Beteiligung der Öffentlichkeit untersucht werden und ggf. umweltfreundlichere Alternativen realisiert werden. Gemäß einer Klausel in den TEN-Leitlinien wurden mehrere EU-Pilotstudien in Auftrag gegeben, um die methodischen Grundlagen für strategische Umwelt- bzw. Korridoranalysen zu untersuchen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen fasste die Kommission in einem Leitfaden zusammen. Die anstehende Revision der TEN-Leitlinien bietet die Gelegenheit, die Anwendung dieses Leitfadens auch rechtlich verbindlich für die Mitgliedstaaten vorzuschreiben. 2.2. Kostenwahrheit: Mobilität und ihr Preis – Gebühren nach dem Verursacherprinzip Mobilität kostet Geld. Ohne Einbeziehung der Kosten für Umwelt- und Gesundheitsschäden wird zur Zeit oftmals wesentlich weniger bezahlt als die Nutzung der Verkehrsträger tatsächlich kostet. Diejenigen Kosten, die in dem vom Benutzer gezahlten Preis für eine Verkehrsleistung nicht berücksichtigt werden, fallen in der verkehrspolitischen Diskussion unter den Begriff „externe Kosten“. Im Verkehrsbereich entstehen externe Kosten in erster Linie durch Luftverschmutzung, Lärm, Klimaveränderungen, Unfälle oder Staus. Diese externen Kosten, die bei der Entscheidung für ein bestimmtes Verkehrsmittel anfallen, sind den Nutzern dieser Verkehrsmittel oftmals gar nicht bewusst. THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 Externe Kosten (ohne Staukosten) in Westeuropa – 1995 530 Milliarden Euro 155,6 91,5 % STRASSE 485 nach Verkehrsträgern UNFÄLLE 29,4 % nach Kostenkategorien 134,3 LUFTVERSCHMUTZUNG 25,4 % 6,1 % LUFT 32,3 56,5 UP- UND DOWNSTREAMEFFEKTE 10,7 % 36,5 LÄRM 6,9 % 16 NATUR UND LANDSCHAFT 3,0 % 8,9 STÄDTISCHE EFFEKTE 1,7 % 1,9 % BAHN 10,3 0,5 % WASSERSTRASSEN 2,4 Eine Studie von INFRAS/IWW geht davon aus, dass die externen Kosten des Verkehrs in Westeuropa ohne Staukosten 1995 ca. 530 Milliarden Euro betrugen. Dabei entfielen anteilig auf den Straßenverkehr 90% und weniger als 3% auf die umweltfreundlichen Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße. Im direkten Vergleich der einzelnen Verkehrsträger macht die Studie die günstige Ökobilanz von Schiene und Wasserstraße deutlich. Danach belaufen sich im Personenverkehr die externen Kosten pro 1000 Personenkilometer auf 87 Euro beim Pkw, 48 Euro beim Flugzeug, 38 Euro bei Bussen und nur 20 Euro bei den Bahnen. Im Güterverkehr zeigt sich nach den Ergebnissen der Studie ein ähnliches Bild. Bei 1000 Tonnenkilometern fallen auf der Quelle: INFRAS/IWW 121,8 KLIMAVERÄNDERUNG 23,0 % Straße 88 Euro, auf Schiene und Binnenwasserstraße aber nur 19 bzw. 17 Euro an externen Kosten an. Lkw-Verbände bezweifeln diese Zahlen. Dennoch vermitteln sie eine ungefähre Vorstellung, welcher Kostenblock zusätzlich zu den Kosten für den Erhalt und die Errichtung der Infrastruktur hinzukommt. Gerade der Straßenverkehr aber gilt in der öffentlichen Meinung als viel zu hoch besteuert. Ob der Straßenverkehr für jedermann gerecht besteuert ist, wird nicht gefragt. Derzeit gilt vielfach: Wer viel fährt, zahlt weniger pro Kilometer. Beispiel EUROVignette, die bis zur Einführung der LkwMaut in Deutschland gültige zeitbezogene Autobahngebühr: Sie kostet schwere Lkw je 19 01/2002 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt Euro/1000 tkm Durchschnittliche Externe Kosten: Personenverkehr 1995 100 Vorgelagerte Kosten Folgen für die Städte Natur und Landschaft Klimawandel Luftverschmutzung Lärm Unfälle 87 75 48 50 38 Quelle: INFRAS/IWW 25 20 0 Pkw Busse Bahnen Luftverkehr Durchschnittliche Externe Kosten: Güterverkehr 1995 Euro/1000 tkm 250 205 200 150 Quelle: INFRAS/IWW 100 20 Vorgelagerte Kosten Folgen für die Städte Natur und Landschaft Klimawandel Luftverschmutzung Lärm Unfälle 88 50 19 17 0 Lkw Bahn Luftverkehr Wasserweg THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt nach Schadstoffklasse bis zu 1.500 Euro pro Jahr. Bei einer durchschnittlichen jährlichen Fahrleistung von ca. 120.000 Kilometern ergibt dies lediglich einen Betrag von 1,25 Cent pro Kilometer. Eine faire Kostenanlastung, also Preise, die die tatsächlichen Kosten jedes einzelnen Verkehrsträgers pro Kilometer widerspiegeln und damit ein Konzept, das statt auf allgemeine Abgaben und Steuerfinanzierung auf die Nutzerfinanzierung jedes einzelnen Verkehrsträgers setzt, würde in mehrfacher Hinsicht gerechter wirken. Jeder Bürger würde für die tatsächlichen Kosten seiner eigenen Mobilität aufkommen und der Preis für jedes Gut enthielte auch den tatsächlichen Transportpreis; dieser Ansatz würde darüber hinaus auch einen fairen Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern ermöglichen, da er die nur scheinbaren Kostenvorteile des Straßentransports relativiert. 01/2002 Verkehrsträger festgelegt werden sollen. Die externen Kosten sollen in diese Preise einfließen. Das Gebührensystem soll bei der verkehrsträgerspezifischen Berechnung die unterschiedliche Umweltbelastung und Infrastrukturabnutzung durch die Fahrzeuge oder aber die vom Zeitpunkt der Fahrt abhängige Stauneigung berücksichtigen. Ziel der Kommission ist die schrittweise Annäherung an das Gleichgewicht zwischen Kosten und Abgabenlast. Angesichts der noch umstrittenen Berechnungsmethoden für die externen Kosten macht dieses schrittweise Vorgehen auch Sinn, denn bislang wird von erheblichen Spannbreiten ausgegangen, wie die Tabelle zum Lkw-Verkehr (Seite 22) zeigt. Die Kommission will sich zunächst auf den Güterverkehr beschränken, weil sie nur beim gewerblichen Verkehr eindeutige Kompetenzen für Gesetzesvorschläge hat. Langfristig wird die Politik jedoch nicht umhin können, auch den privaten Personenverkehr anzugehen. 2.2.1. Vorschlag der Kommission 2002 Nachdem auch die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten auf ihrem Treffen von Göteborg die vollständige Internalisierung der sozialen und Umweltkosten forderten, kündigte unlängst die Kommission in ihrem Weißbuch „Verkehr“ konkrete Vorschläge für das Jahr 2002 an. Die derzeit in den jeweiligen Verkehrssystemen geltenden Steuern sollen nach dem Willen der Kommission schrittweise durch Instrumente ersetzt werden, die die Infrastrukturkosten und die externen Kosten pro Kilometer internalisieren. Hier geht es vor allem um die schrittweise Einführung von kostengerechten Preisen für die Infrastrukturnutzung, die für jeden Derzeit liegt die durchschnittliche Belastung für Lkw durch Steuern auf Fahrzeug und Kraftstoff sowie Infrastrukturgebühren im Bereich zwischen 12 und 24 Euro pro 100 Kilometer. Nicht mehr als 8 Euro entfallen davon auf Infrastrukturgebühren. Die zusätzlichen Kosten durch die schrittweise Einführung fairer und nutzungsbezogener Preise im Verkehr können zumindest zum Teil durch die gleichzeitige Senkung bestehender allgemeiner Abgaben verringert werden. Die Mitgliedstaaten sollen einen Spielraum bei der Festsetzung der Preise haben, sie aber so festlegen müssen, dass ein fairer Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern gewährleistet wird. 21 01/2002 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt Externe Kosten und Infrastrukturgebühren einer LkwAutobahnfahrt über 100 Kilometer zu Schwachlastzeiten Durchschnittliche Spanne (Euro) Luftverschmutzung 2,3 - 15 Klimaveränderung 0,2 - 1,54 Infrastruktur 2,1 - 3,3 Lärm 0,7 - 4 Unfälle 0,2 - 2,6 Staus 2,7 - 9,3 Gesamt 8 - 36 Quelle: Europäische Kommission Externe Kosten und Infrastrukturkosten Kosten und Gebühren einer Lkw-Fahrt über 100 km auf einer mautpflichtigen Autobahn zu Schwachlastzeiten Gesamtkosten (externe Kosten und Infrastrukturkosten) 8 - 36 Euro Derzeitige durchschnittliche Belastung 12 - 24 Euro Durchschnittliche Infrastrukturgebühren 8,3 Euro In Deutschland vorgesehene Infrastrukturgebühren ≈ 15 Euro Infrastrukturgebühren in der Schweiz 36 Euro Quelle: Europäische Kommission 22 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt Mit der Berücksichtigung der externen Kosten wird oftmals eine Überdeckung der für die Nutzung der Infrastruktur anfallenden Kosten erreicht werden können. Konsequenterweise sollten diese Kosten dann, wie die Kommission vorschlagen will, auch zweckgebunden für den Ausgleich oder die Verringerung der externen Kosten eingesetzt werden. Darüber hinaus strebt die Kommission in Ausnahmefällen an, dem Beispiel der Schweiz zu folgen. Dort schließt der Preis für den Lkw-Kilometer nicht nur die externen und Infrastrukturkosten ein, sondern auch eine zusätzliche Komponente, mit der große, aus verkehrspolitischer Sicht notwendige Infrastrukturvorhaben zugunsten umweltfreundlicherer Verkehrsträger finanziert werden. Angesichts der alarmierenden Verkehrsprognosen erscheint dieser Ansatz unabdingbar. Fazit: Das Schönrechnen muss aufhören. Die EU braucht die gerechte Anlastung der externen Kosten für jeden Verkehrsträger. Nur so kann es fairen Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern geben, nur so kann jeder Verkehrsträger seine Vorteile optimal ausspielen und nur so bekommt Europa die seit langem benötigte Verkehrswende. 2.3. Vernetzung der Verkehrsträger – Intermodalität und Kombinierter Verkehr Eine wesentliche Voraussetzung für ein nachhaltiges Verkehrssystem ist die effizientere und ausgewogenere Nutzung der vorhandenen Infrastrukturen. Schiene, Binnen- und Küstenschifffahrt verfügen über nennenswerte freie Kapazitäten beim Gütertransport, die es durch Vernetzung mit anderen Verkehrsträgern auszuschöpfen gilt. Hierfür ist eine Politik nötig, die auf die Integration des Gesamtverkehrssystems 01/2002 zielt und auf der Umstellung von einer verkehrsträgerspezifischen auf eine verkehrsträgerübergreifende Verkehrsplanung beruht. Die Förderung der Intermodalität ist ein vielversprechender Systemansatz, da hier Verkehrsdienste als nahtlose und verkehrsträgerunabhängige Verbindungen von Haus zu Haus angeboten werden. So können das Verkehrssystem effizient genutzt, die Transportkosten gesenkt und die Umweltbilanz des Verkehrs verbessert werden. DEFINITION Intermodalität bedeutet, dass mindestens zwei verschiedene Verkehrsträger integriert in einer Transportkette von Haus zu Haus genutzt werden. Der intermodale Verkehr setzt damit einen Paradigmenwechsel voraus: die Organisation der Transportvorgänge wird vom Gesamtverkehrssystem her entwickelt und nicht wie bisher von den einzelnen Verkehrsträgern. Auf diese Weise kann innerhalb einer lückenlosen Transportkette von Haus zu Haus die jeweils günstigste Kombination der verschiedenen Verkehrsträger gewählt werden. Das Intermodalitätskonzept ist weder an bestimmte Verkehrsträger gebunden, da sämtliche Verkehrsträger einen Beitrag zur optimalen Gestaltung des Gesamtsystems zu leisten haben, noch zielt es darauf ab, eine bestimmte Verkehrsverteilung zu erzwingen. Gleichwohl ermöglicht die Intermodalität eine bessere Nutzung von Schiene, Binnen- und Küstenschifffahrt, da sie als Teil von Transportketten ihre Stärken und ihre freien Kapazitäten besser nutzen können. 23 01/2002 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 2.3.1. Hindernisse auf dem Weg zu einem intermodalen Gesamtverkehrssystem Nach wie vor existieren jedoch zahlreiche Hindernisse auf dem Weg zu einem intermodalen Gesamtverkehrssystem. Schätzungen zufolge erreicht der intermodale Güterverkehr lediglich einen Marktanteil von 8% an den gesamten Tonnenkilometern. Erst bei Entfernungen über 600 km ist der intermodale Verkehr gegenüber dem Straßentransport wirklich wettbewerbsfähig. Die mangelnde Konkurrenzfähigkeit des intermodalen Verkehrs ist in erster Linie auf Schwierigkeiten in drei Bereichen zurückzuführen: Infrastruktur und Transportmittel: Die Infrastruktur ist noch immer größtenteils auf die einzelnen Verkehrsträger ausgerichtet. Ein lückenloser intermodaler Verkehr erfordert jedoch ein multimodales Infrastrukturnetz mit ausreichenden Schnittstellen, das in der Lage ist, verschiedene Verkehrsträger zu kombinieren und zu integrieren. Zudem gibt es zu viele unterschiedliche Ladeeinheiten, was den Umschlag schwieriger macht und zu hohen Kosten führt. Betrieb: Hier behindern die stark unterschiedliche Qualität des Terminalmanagements sowie die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Verkehrsträger die Weiterentwicklung des intermodalen Verkehrs. Verkehrsdienste und Vorschriften: Hier fehlt ein intermodales Informationssystem für ein effizientes Management des intermodalen Verkehrs und der Netzdienste. Zugleich mangelt es an auf intermodaler Basis organisierten Systemen für die Ortung und Verfolgung von Sendungen. Darüber hinaus sind die 24 Rechtsvorschriften für den Verkehrssektor verkehrsträgerbezogen, während der intermodale Verkehr eine eigene Systemdynamik und eigene Systemanforderungen aufweist. 2.3.2. Strategien zur Förderung der Intermodalität Der intermodale Verkehr ist ein Schlüsselelement nachhaltiger Mobilität. Die Politik steht deshalb in der Verantwortung, Maßnahmen zur Förderung und Verbesserung der Intermodalität zu ergreifen. Vor allem in folgenden Bereichen besteht Handlungsbedarf: Schaffung eines kohärenten Infrastrukturnetzes auf europäischer Ebene, das die Verbundfähigkeit und Interoperabilität der verschiedenen Verkehrsträger gewährleistet. Harmonisierung der Ladeeinheiten der einzelnen Verkehrsträger Vereinheitlichung der Haftungsregelungen Entwicklung gemeinsamer Grundsätze für Gebühren und Gebührenfestlegung Schaffung von Eisenbahngüterfreeways Entwicklung und Einrichtung integrierter Management- und Informationssysteme 2.3.3. Kombinierter Verkehr: PACT und sein Nachfolger Marco Polo Der Kombinierte Verkehr (KV) ist ein Paradebeispiel für die effiziente und intelligente Verknüpfung der Verkehrsträger und THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf umweltfreundlichere Verkehrsträger. Er ist deshalb ein wichtiger Bestandteil der verkehrs- und umweltpolitischen Strategie der EU für eine nachhaltige Mobilität. DEFINITION Kombinierter Verkehr bedeutet laut Definition der CEMT (Europäische Konferenz der Verkehrsminister): „Verkehr bei dem der größte Teil der Beförderung in Europa auf der Schiene, den Binnenwasserstraßen oder auf See und der erste und/oder letzte Abschnitt auf der Straße abgewickelt wird, wobei der Straßenabschnitt möglichst kurz sein muss.“ Der Kombinierte Verkehr verbindet beispielsweise die Stärken des Lkw mit den Qualitäten der Bahn: für die regionale Verteilung in der Fläche der flexible Lkw, für die großen Entfernungen die Schiene. Durch diese Arbeitsteilung werden die Kapazitäten der Verkehrswege optimal genutzt und ein Verlagerungseffekt erzielt. 01/2002 geförderten PACT-Projekte waren erfolgreich, d.h. sie konnten sich am Markt behaupten. Gleichwohl hat PACT gezeigt, dass die Einrichtung neuer intermodaler Dienste in Europa mit hohen Risiken verbunden ist. Die Gemeinschaft muss deshalb – im Sinne eines dauerhaft tragbaren Verkehrssystems – den PACT-Nachfolger Marco Polo mit deutlich mehr Finanzmitteln ausstatten. Anvisiert ist ein Jahresbudget von 30 Mio. Euro. Das Hauptziel von Marco Polo besteht darin, Güter in einer Größenordnung auf andere Verkehrsträger zu verlagern, die dem erwarteten Zuwachs des internationalen Straßengüterverkehrs entspricht. Marco Polo wird versuchen, Verlagerungseffekte in allen Segmenten des Güterverkehrs zu erzielen. Mit Blick auf das Subsidiaritätsprinzip wird Marco Polo sich auf internatio- Bei Oberwesel am Rhein: Containerbinnenschiff auf dem Strom, dahinter Güterzug mit Containern. Das PACTProgramm der EU förderte den Kombinierten Verkehr. Die EU-Politik zur Förderung des Kombinierten Verkehrs reicht bis in die 70er Jahre zurück. Entscheidende Fortschritte machte die EU-Politik des kombinierten Verkehrs mit dem PACT-Programm (Pilot Actions for Combined Transport). Gefördert im Sinne einer „Starthilfe“ wurden überwiegend der Aufbau neuer internationaler KV-Verbindungen sowie Qualitätsverbesserungen von KV-Diensten auf bestehenden Relationen. Wegen des geringen Budgets – 6 Mio. Euro pro Jahr - konnte PACT allerdings nur 15 bis 20% aller Anfragen zufrieden stellen. Trotz der beschränkten Mittel hat PACT Gutes geleistet: 81% der zwischen 1997 und 1999 25 01/2002 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt nale Projekte und weniger auf nationale Projekte konzentrieren. Zugleich wird das Programm EU-Nachbarstaaten, insbesondere die Beitrittskandidaten, einbeziehen. Drei Hauptlinien sollen mit Marco Polo gefördert werden: Marco Polo (1254-1324), Forschungsreisender aus Venedig, gab dem Nachfolgeprogramm von PACT den Namen. 26 1. Startbeihilfen für Verkehrsdienste, die auf einer internationalen Route Güterverkehr von der Straße und nicht von anderen umweltfreundlichen Verkehrsträgern übernehmen. Nach einem Förderzeitraum von maximal drei Jahren müssen diese Dienste wirtschaftlich rentabel sein. Der Förderbeitrag der Gemeinschaft darf 30% der Gesamtkosten des Vorhabens dabei nicht übersteigen. Die Förderung soll in Form einer Umweltprämie gewährt werden, deren Höhe auf der Basis des messbaren Umweltnutzens berechnet wird, der sich aus der Verlagerung des Verkehrs von der Straße ergibt. Zugangs, der Anbindung und der Logistikmöglichkeiten im Binnenschifffahrtssektor, die Einrichtung zuverlässiger Verkehrs- und Logistikinformationssysteme oder die Entwicklung wettbewerbsfähiger Konzepte im Hochqualitätsbereich des Güterverkehrsmarktes. 3. Die ungehinderte Weitergabe erfolgreicher Ideen, die Verbreitung der Ergebnisse sowie die schnelle Nachnutzung kostengünstiger Verkehrsträgerverlagerungen. Zudem soll die Kooperationsbereitschaft verbessert werden, um ein optimales Niveau der Zusammenarbeit im nichtstraßengebundenen Güterverkehrssektor zu erreichen. Gefördert werden hier Vorhaben, die sich auf innovative und mittelfristig rentable Dienste am Markt beziehen. Diese dürfen allerdings den Wettbewerb nicht in einer dem gemeinsamen Interesse zuwider laufenden Weise verzerren. Die Förderung der Gemeinschaft wird bis zu 30% der Kosten für die Implementierung des Dienstes und bis zu 100% für die Aktivitäten zur Verbreitung betragen. 2.4. Intelligente Lösungen für den Verkehr – Telematik und GALILEO Telematik 2. Die Inbetriebnahme von Diensten oder Einrichtungen von strategischem europäischen Interesse. Hier geht es um die Beseitigung von Marktschranken nicht nur im intermodalen Sektor, sondern auch bei den einzelnen Verkehrsträgern. Das Vorhaben muss international ausgerichtet sein und sich nach spätestens fünf Jahren als rentabel erweisen. Die Förderung der Gemeinschaft beträgt wiederum 30% der Kosten des Vorhabens. Beispiele für Aktionen mit Signalwirkung sind die Verbesserung des Die Überlastung unserer Infrastrukturen und der erwartete deutliche Anstieg der Verkehrsströme verlangen in der Verkehrspolitik nach innovativen und intelligenten Lösungen. Weder kann ein Verkehrsträger allein den Verkehrszuwachs bewältigen, noch lassen sich die Verkehrsprobleme allein durch Verkehrswegebau lösen. Es geht, in den Worten der Kommission, „um weniger Beton und mehr Intelligenz“. Aus Sicht der EU sind Intelligente Verkehrssysteme (ITS) ein wichtiger Bestandteil THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt der „Informationsgesellschaft“, in der Europas Bürger und Unternehmen gleichermaßen von den neuen Kommunikationstechnologien und „Mehrwertdiensten“ profitieren. Der Telematik kommt bei der Entwicklung intelligenter Verkehrslösungen eine Schlüsselrolle zu. Telematiksysteme beruhen auf der Kombination von Telekommunikationsund Informationstechnologien, wodurch Verkehrsdaten übertragen und Transportabläufe gesteuert werden können. Die Verkehrstelematik bietet große Potentiale, um Mobilität dauerhaft, effizient und umweltschonend zu sichern. Sie ermöglicht u.a. die bessere Vernetzung und Verknüpfung der Verkehrsträger, 01/2002 zurückgelegte Entfernung an einen Zentralcomputer, der die Mauthöhe speichert. Zielvorstellung für die gesamte EU ist ein standardisiertes Gebühreneinzugssystem, bei dem lediglich ein kleines Gerät zur Erfassung benötigt wird. Allerdings wurden in einigen EU-Mitgliedstaaten bereits Systeme zur elektronischen Gebührenerfassung eingeführt, die nicht kompatibel sind. Die Gemeinschaft muss deshalb die Interoperabilität der verschiedenen Systeme sicher stellen. Darüber hinaus müssen rechtliche und institutionelle Aspekte gelöst werden, wie z.B. Probleme des Datenschutzes, Fragen der Fahrzeugklassifizierung, Regelungen für nicht ausgerüstete Verkehrsteilnehmer oder auch Buchungsund Zahlungssysteme. Die Kombination von Telekommunikations- und Informationstechnologien führt zu intelligenter Verkehrsführung: Telematik auf der Autobahn bei Köln. die Erhöhung der Verkehrssicherheit, die Verflüssigung von Verkehrsabläufen, die Verlagerung von Transportleistungen auf andere Verkehrsträger, die Reduzierung von Leer- und Umwegfahrten sowie die Stauvermeidung und damit die Emissionsminderung. Ein weiteres wichtiges Anwendungsfeld der Telematik ist die elektronische Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren (Road Pricing). Telematikanwendungen können hier Mautstellen ersetzen, die den Verkehrsfluss behindern bzw. eine gezielte Lenkung des Verkehrs erschweren. Deutschland beispielsweise geht bei der Einführung der entfernungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe zum 1. Januar 2003 diesen Weg. Die Zahlung der Maut wird über ein elektronisches System gesteuert. Ein Erfassungsgerät an Bord des Lkw übermittelt dabei die Beispiel: RDS-TMC-Verkehrsinformationsdienste Radiodienste auf der Basis von RDS/TMC (Radio Data System/Traffic Message Channel) ermöglichen es Autofahrern, über ein fahrzeugseitiges Empfangsgerät europaweit aktuelle Verkehrsinformation akustisch und optisch in der Sprache ihrer Wahl abzurufen. Die Verkehrsmeldungen beziehen sich auf den Streckenabschnitt auf dem sich das Fahrzeug gerade befindet und ermöglichen 27 01/2002 Bessere Vernetzung der Verkehrsträger, mehr Sicherheit, besserer Verkehrsfluss, Verlagerung von Transporten, weniger Leerfahrten und Umwege, weniger Emissionen durch weniger Stau – Telematikpraxis im Großraum Köln. THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt so die Optimierung des Verkehrsflusses. Die Tätigkeit der EU bezieht sich v.a. auf technische Harmonisierung und politische Koordinierung, um die grenzüberschreitende Interoperabilität des Systems zu gewährleisten und einen europäischen Markt für Produkte und Dienste zu schaffen. Telematik ist jedoch kein „Wundermittel“ gegen den Verkehrsinfarkt. Sie kann ihre Wirksamkeit erst dann voll entfalten, wenn sie integriert wird in ein Gesamtkonzept, das verschiedene verkehrspolitische Instrumente miteinander verbindet. Die meisten „intelligenten Verkehrsysteme“ wurden bisher für einzelne Verkehrsträger eingesetzt. Im Hinblick auf das Ziel eines integrierten Verkehrsnetzes sollte der Schwerpunkt der EU-Förderung künftig auf der Entwicklung verkehrsträgerübergreifender Systeme liegen. Die Gemeinschaft muss dem innerhalb ihres 6. Forschungsrahmenprogramms Rechnung tragen. Beispiel: Das Projekt European Traffic Management Layer (ETML) befindet sich noch in der Frühphase. Es ist Teil des Dachprojektes ERTMS (European Rail Traffic Management System) und sieht vor, entlang der wichtigsten europäischen Eisenbahnkorridore Zugbeobachtungs- und Zugüberwachungstechniken zu installieren, um die unterschiedlichen nationalen und regionalen Betriebsleitzentralen bei der Steuerung des Verkehrs zu unterstützen. Ermöglicht werden soll der Austausch sowohl von betriebstechnischen Daten als auch von Daten, die für Verlader und Spediteure von besonderem Interesse sind (z.B. Ladungsortung, Sendungsverfolgung, Einhaltung des Fahrplans). Der Austausch von Logistikdaten fördert die Entstehung von Unternehmen, die intermodale Haus-zu-Haus-Transportdienstleistungen als Standardprodukt anbieten. GALILEO Eine entscheidende Bedingung für europaweite Telematikdienste sind präzise und zuverlässige satellitengestützte Ortungsund Navigationssysteme. Die EU plant bis zum Jahr 2008 die Entwicklung eines von ihr kontrollierten zivilen Satellitennavigationssystems GALILEO. Im Rahmen von GALILEO sollen in Zusammenarbeit mit der Europäischen Weltraumorganisation mindestens 20 Satelliten in etwa 20.000 km 28 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt Höhe in die Erdumlaufbahn gebracht und von einem Netz von Kontrollstationen auf der Erde überwacht werden, um die weltweite Abdeckung zu gewährleisten. GALILEO wird es ermöglichen, mittels eines kleinen Empfangsgeräts bis auf einige Meter genau die Position, etwa von Fahrzeugen oder Gütern, zu bestimmen. Zugleich gewährleistet ein unabhängiges Navigationssystem die ständige Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit des Dienstes, sichert die Wettbewerbsfähigkeit Europas auf einem Zukunftsmarkt und schafft Arbeitsplätze. Mit GALILEO erhielt die Kommission erstmals den Auftrag, ein großangelegtes industrielles Projekt von weltweiter Bedeutung einzuleiten und zu leiten. Vier Phasen sind für die Durchführung von GALILEO vorgesehen: Definitionsphase (2000) Entwicklung und Validierung (20012005) Errichtung (2006-2007) Betrieb (ab 2008) Die Kosten für Entwicklung und Inbetriebnahme von GALILEO belaufen sich nach Berechnungen der Kommission auf ca. 3 Milliarden Euro, die sowohl aus öffentlichen als auch aus privaten Geldern aufgebracht werden sollen. Die Entwicklungsphase wird aus dem Haushalt der EU und der Europäischen Weltraumorganisation finanziert. Der Start der Satelliten sowie die Erstellung der terrestrischen Infrastruktur machen Investitionen der Wirtschaft in Höhe von 1,5 Mrd. Euro erforderlich. Zwar existieren bereits zwei satellitengestützte Navigationssysteme, das amerikanische GPS (Global Positioning System) 01/2002 sowie das russische GLONASS (Global Navigation Satellite System). Zu beiden Systemen wird GALILEO kompatibel sein. Allerdings werden sowohl GPS als auch GLONASS militärisch kontrolliert, ihre Genauigkeit ist eingeschränkt und ihre dauerhafte Verfügbarkeit kann nicht garantiert werden. Genauigkeit und dauerhafte Verfügbarkeit sind jedoch unerlässlich, um Qualität und Zuverlässigkeit der Dienste zu garantieren. Auch wenn manche EU-Mitgliedsländer GALILEO – aus unterschiedlichen Gründen – noch skeptisch gegenüber stehen, braucht Europa ein eigenes Satellitennavigations- und Ortungssystem, das für die zivile Nutzung entwickelt wird. Die Vorteile von GALILEO, namentlich der Leistungsfortschritt, der technologische Mehrwert und die Kundenorientierung, rechtfertigen das Engagement der Gemeinschaft. Das Europäische Parlament hat sich in diesem Sinne klar für den Aufbau von GALILEO ausgesprochen. Galileo Galilei (1564-1642), italienischer Mathematiker, Philosoph und Physiker. Namensgeber für das geplante zivile Satellitennavigationssystem der EU, das ab 2008 weltweit die Position von Gütern und Fahrzeugen bis auf wenige Meter genau bestimmen soll. Die Anwendungsgebiete satellitengestützter Navigation sind weit gefächert. Sie reichen vom Freizeitbereich (Flug- und Segelsport, Trekking und Touring) über die Landwirtschaft (Feinverteilung von Düngemitteln) und die Medizin (Fernbehandlung von Patienten) bis zum Verkehrsbereich. Gerade der Verkehrsektor wird als Nutzer sehr stark von der Satellitennavigation profitieren. In diesem Sinne hat der Rat in einer Entschließung vom 19.07.1999 die Bedeutung 29 01/2002 Die weltweite Nutzung des satellitengestützten Ortungs- und Navigationssystems Galileo wird die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union auf einem wichtigen Zukunftsmarkt sichern. THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt der satellitengestützten Ortung und Navigation als „Schlüsselelement für den Aufbau einer verkehrsträgerübergreifenden Infrastruktur“ hervorgehoben. Im Verkehrssektor wird GALILEO in folgenden Bereichen eingesetzt werden können: Luftverkehr: GALILEO wird durch verbessertes Luftverkehrsmanagement und eine erhöhte Kontrollpräzision zur optimalen und sicheren Nutzung des Luftraums beitragen. Die effizientere Nutzung der vorhandenen Kapazitäten führt zur Verringerung von Verspätungen und damit zur Verringerung des Kerosinverbrauchs und der Schadstoffemissionen. Seeverkehr: Die hohe Verkehrsdichte in den europäischen Gewässern und Schiffsunglücke, wie z.B. der Untergang des Öltankers ERIKA, haben gezeigt, dass es im Seeverkehr der genaueren Identifizierung und Überwachung bedarf, insbesondere von Schiffen, die umweltschädliche Güter befördern. GALILEO ermöglicht die exakte Positionsbestimmung und -übermittlung und damit eine sichere Navigation, eine bessere Überwachung und die Vermeidung von Schiffsunglücken. Landverkehr: Durch aktuelle und zuverlässige Informationen über den Verkehrsfluss, z.B. Position und Geschwindigkeit von Fahrzeugen, können der Verkehr gesteuert und Staus vermieden werden. Dies wirkt sich positiv auf die Verkehrssicherheit sowie die Verringerung der Fahrzeit, des Kraftstoffverbrauchs und der Schadstoffemissionen aus. Zudem ermöglicht GALILEO die automatische Gebührenerhebung ohne Halt an Mautstellen und trägt durch die Förderung der Intermodalität zum Aufbau einer verkehrsträgerübergreifenden Infrastruktur bei. Vor allem letztere ist für die Nachhaltigkeit des europäischen Verkehrssystems unverzichtbar. Suche und Rettung: Das bisher verfügbare System zur Suche und Rettung COSPAS-SARSAT ist durch seine begrenzte Abdeckung, seine mangelhafte Ortung und seine häufigen Fehlermeldungen nur begrenzt leistungsfähig. GALILEO stellt die schnelle Übertragung und metergenaue Ortung sicher und ermöglicht sowohl an Land als auch auf See effiziente Such- und Rettungsdienste. 30 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 Zwanzig Satelliten sollen in 20.000 km Höhe die Erde umkreisen und von einem Netz von Kontrollstationen auf der Erde überwacht werden. Galileo ist das erste industrielle Großprojekt der EU mit weltweiter Bedeutung. 2.5. Vermeidung von unnötigem Verkehr Angesichts der Überlastung unseres Verkehrssystems, insbesondere im Straßenverkehr (Staus, verstopfte Innenstädte etc.), ist eine Strategie zur Verringerung und Vermeidung von Verkehr unausweichlich. Verkehrsvermeidung setzt an den Ursachen für Verkehr an und ist deshalb nicht allein eine zentrale Aufgabe der Verkehrspolitik, sondern Aufgabe nahezu aller Politikbereiche. Verkehrsvermeidung ist aus diesem Grund der komplexeste und am schwierigsten zu realisierende Bereich innerhalb der Strategie für ein nachhaltiges Verkehrssystem. Unverzichtbar ist zunächst, Verkehrsvermeidung als Bestandteil nachhaltiger Mobilitätsentwicklung nicht als Verzichtsideologie zu konzipieren und zu kommunizieren. Vielmehr müssen gezielt die damit verbundenen ökonomischen, ökologischen und so- zialen Vorteile herausgestellt werden, so dass der Verzicht auf hohen Verkehrsaufwand weder mit einer Reduktion von Lebensqualität noch mit Einbußen an Wettbewerbsfähigkeit gleichgesetzt wird. Konzepte zur Verkehrsvermeidung zielen daher nicht auf „mobile Askese“, sondern stellen die Möglichkeiten in den Mittelpunkt, individuelle Mobilität und Gütertransport erfolgreich zu rationalisieren. Strategien zur Verringerung des Verkehrsaufwandes setzen zum einen am individuellen Mobilitätsverhalten an. Dabei geht es nicht um den Verzicht auf persönliche Mobilität, sondern um eine Veränderung des Verkehrsverhaltens. Hierzu gehört u.a. die Förderung des Auf- und Ausbaus von Car-Sharing-Modellen, vor allem aber das Angebot leistungsfähiger und glaubwürdiger Alternativen zum motorisierten Individualverkehr, etwa ein qualitativ hochwertiger, kundenorientierter und flächen- 31 01/2002 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt deckender öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV). Innenstadt. Bremen und Berlin profitieren von diesem Förderprogramm bereits. Planung und Durchführung des ÖPNV müssen vornehmlich eine Sache der Kommunen sein und bleiben. Für einen kontrollierten Wettbewerb bedarf es aber europäischer Rahmengesetzgebung, die Qualitätsstandards festschreibt. Im Qualitätswettbewerb müssen vor allem sozial- und umweltpolitische Aspekte im Vordergrund stehen. Darüber hinaus ist es unabdingbar, europaweit einen einheitlichen und vor allem tragfähigen Rechtsrahmen zu schaffen, der den Unternehmen Planungssicherheit gibt. Ein zweiter wichtiger Aspekt der Strategie zur Verringerung von Verkehr ist die Vermeidung von Parallel- bzw. Doppelverkehren. Es ist unsinnig, beispielsweise Kurzstrecken- und Inlandsflüge auf Strecken aufrecht zu erhalten, wo Alternativen etwa in Form von Hochgeschwindigkeitsbahnstrecken existieren. Des weiteren fördert die EU innovative und integrierende ÖPNV-Projekte über die CIVITAS-Initiative im 5. Forschungsrahmenprogramm in Höhe von 50 Millionen Euro. Zu den förderungswürdigen Initiativen zählen zum Beispiel die Einführung umweltfreundlicherer Fahrzeuge, neue Verkehrsinformations- und Managementsysteme oder die Entwicklung von neuen, auf ökologischen Erwägungen beruhenden Tarifsystemen für den Verkehr in der Die Hälfte der EU-Bürger ist auf den Öffentlichen Personennahverkehr angewiesen. Seine Förderung lässt sich die EU im 5. Forschungsrahmenprogramm 50 Millionen Euro kosten. Straßenbahn und S-Bahn am Halleschen Markt in Berlin. 32 Des weiteren zielen Konzepte zur Verkehrsvermeidung auf die Schaffung verkehrssparender Raumstrukturen und sollen eine verkehrsmindernde Raumnutzung ermöglichen. Mit anderen Worten: Verkehrsvermeidung meint eine grundlegende Veränderung unserer Raum-, Siedlungs-, Struktur- und Wirtschaftspolitik. Auch das Modell der „Stadt der kurzen Wege“ mit der Einheit von Wohnen, Arbeit, Einkauf und Freizeit kann einen Beitrag dazu leisten, die Zahl der notwendigen Fahrten zu verringern. Die Änderung unserer Raum-, Siedlungs-, Stadt- und Wirtschaftspolitik ist allerdings nur in längerfristiger Perspektive zu realisieren. Zudem ist zu bedenken, dass die EU aufgrund des Subsidiaritätsprinzips hier keine direkte Entscheidungsbefugnis hat. Gleichwohl kann und sollte die Gemeinschaft etwa im Rahmen ihrer Forschungsprogramme die Entwicklung von Modellen zur Verkehrsverringerung voran treiben. Auch kann sie durch den Austausch von best practice die Nachnutzung erfolgreicher Projekte unterstützen. THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 3. MASSNAHMEN ZUR OPTIMIERUNG DER EINZELNEN VERKEHRSTRÄGER „Rechnet man sämtliche Stopps ein, beträgt die Durchschnittsgeschwindigkeit im grenzüberschreitenden Güterverkehr lediglich 18 km/h: Die Züge sind damit langsamer als ein Eisbrecher in der Ostsee!“ (Weißbuch der Kommission 2001) 3.1. Revitalisierung der Eisenbahnen Die zwischen Mitte und Ende des 19. Jahrhunderts unter nationalen und regionalen Aspekten errichteten Eisenbahninfrastrukturen sind dem zunehmenden Verkehr nicht mehr gewachsen. Die Engpässe im Eisenbahnverkehr haben sich in der Nähe der Ballungszentren in den vergangenen Jahren vervielfacht, wo unterschiedliche Verkehrsarten (Güter-, Regional- und Fernzüge) sich die gleichen Infrastruktureinrichtungen teilen. Weil dem Personenverkehr dabei Vorrang eingeräumt wurde, schwand das Vertrauen der Verlader in den Verkehrsträger Bahn. Eine Politik der geregelten Öffnung der Märkte sollte den Eisenbahnverkehr beleben. Darüber hinaus wurde die Beseitigung der sich aus den Unterschieden der nationalen Netze ergebenden funktionellen Mängel angestrebt. Die in der EU vorhandenen technischen und rechtlichen Hürden begünstigen bislang noch die bestehenden Unternehmen und verhindern den Markteintritt neuer Betreiber. Seit 1970 ist in der EU der Marktanteil der Schiene an der Güterbeförderung von 21% auf 8,5% oder in Tonnenkilometern von 283 Mrd. auf 241 Mrd. gesunken. Dieser Rückgang steht im Gegensatz zu den USA, wo der Schienengüterverkehr einen Anteil von 40% am gesamten Güterverkehr hat. Aus ökologischen Gründen ist eine erkennbare Steigerung des Anteils der Eisenbahnen am europäischen Transportverkehr unumgänglich. Ein zentraler Punkt in dem Gesamtkonzept zur Verlagerung des Gütertransportes auf umweltfreundlichere Verkehrsträger ist die Wiederbelebung des Schienenverkehrs. 3.1.1. Das Eisenbahninfrastrukturpaket Erst Anfang der 90er Jahre wurde damit begonnen, die Revitalisierung der Eisenbahnen auf europäischer Ebene anzugehen. Als Ergebnis dieser Unterschiede bestehen weiterhin mehrere geschlossene Märkte anstelle eines einheitlichen Netzes. In einigen Ländern ist ein und dasselbe Unternehmen Eigentümer der Infrastruktur, betreibt die Züge, erteilt Transitrechte für das Netz und ist für die Sicherheit zuständig. Morgenrot für die Schiene. Die Revitalisierung des Eisenbahnverkehrs in Europa ist einer der zentralen Punkte europäischer Verkehrspolitik. Ausfahrt eines ICE aus dem Frankfurter Hauptbahnhof. 33 01/2002 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt Eine wesentliche Voraussetzung für die Wiederbelebung des Schienenverkehrs ist dessen Öffnung für einen geregelten Wettbewerb. Sie wurde in der EU im Jahr 2000 mit dem ersten Eisenbahninfrastrukturpaket angegangen. Der Startschuss für europäischen Wettbewerb auf der Schiene fällt im März 2003 mit der Liberalisierung der grenzüberschreitenden Güterverkehrsdienste auf dem transeuropäischen Netz für den Schienengüterverkehr. Der darauf folgende Schritt im Jahr 2008 bedeutet die Öffnung des gesamten europäischen Schienengüterverkehrsnetzes für den Wettbewerb. Die Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrssektors gegenüber anderen Verkehrsträgern wird sich durch einen stärkeren Wettbewerb zwischen den Betreibern erhöhen. Eine gesunde Konkurrenz zwischen den etablierten und neu hinzu kommenden Betreibern könnte diesen Prozess beschleunigen. Das Ziel hierbei ist, die gerechte und diskriminierungsfreie Behandlung aller Eisenbahnunternehmen sowie die effiziente und wettbewerbsorientierte Nutzung der Fahrwege zu erreichen. Das Eisenbahninfrastrukturpaket sieht drei Kernbestimmungen mit weitreichenden Konsequenzen vor. richtet sein soll. Im TESGN sind die wichtigsten europäischen Schienengüterverkehrswege inklusive Zubringerstrecken und wesentlicher Hafenanschlüsse enthalten. Die Liberalisierung des Personenverkehrs ist in diesem Richtlinienpaket nicht enthalten und soll in einem neuen Richtlinienvorschlag behandelt werden, der von der Kommission für Ende des Jahres 2001 angekündigt worden ist. Auch wenn nicht unbedingt eine Trennung von Netz und Fahrbetrieb erfolgt, so entscheiden künftig unabhängige Stellen, die selbst keine Schienenverkehrsleistungen erbringen und rechtlich, organisatorisch und in ihren Entscheidungen von diesen unabhängig sind, über die Genehmigung von Bahnunternehmen, die Zuweisung von Trassen und die Erhebung von Wegegebühren. Quersubventionierungen und Wettbewerbsverzerrungen sollen hierdurch vermieden werden. Die Kosten für die Bahninfrastruktur sollen langfristig deren Nutzern angelastet werden (sog. Vollkostendeckungsprinzip). Danach werden bei der Gebührenfestsetzung grundsätzlich die Bauund Unterhaltskosten in Rechnung gestellt. 3.1.2. Interoperabilität auf der Schiene Die Bahnunternehmen im internationalen Güterverkehr bekommen spätestens sieben Jahre nach Inkrafttreten der geänderten Richtlinie zur Entwicklung der Eisenbahnen (91/440) – also im Jahre 2008 – Zugang zu allen EUSchienennetzen. Der Wettbewerb bleibt bis dahin auf das Transeuropäische Schienengüternetz (TESGN) reduziert, das bis spätestens Frühjahr 2003 einge- 34 Für einen leistungsfähigen Schienenverkehr ist ein interoperables transeuropäisches Netz erforderlich. Technische Unterschiede stellen die Haupthindernisse im europaweiten Schienenverkehr dar. Die Ausarbeitung von Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) von sechs Teilsystemen (Instandhaltung, Infrastrukturen, Energie, rollendes Material, Betrieb, THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt EISENBAHNEN RAILWAYS C HCHEMINS EM INS DE DEFER FER LEITSCHEMA DES TRANSEUROPÄISCHEN VERKEHRSNETZES (HORIZONT 2010) TRANS-EUROPEAN TRANSPORT NETWORK OUTLINE PLAN (2010 horizon) SCH ÉM A DUDURÉSEAU AN SEURO PÉENDEDE TRANSPO R T (horizon 2010) SCHÉMA RÉSEAU TR TRANSEUROPÉEN TRANSPORT (horizon 2010) EUROPE EUROPE Geplante Hochgeschwindigkeitszugstrecken, entsprechend Richtlinie 48/96 Planned High-speedlines, following Directive 48/96 Lignes planifiées à grande vitesse, selon la Directive 48/96 Ausbaustrecken Ausbaustrecken für für Hochgeschwindigkeitsverkehr Hochgeschwindigkeitsverkehr Upgraded high - speed lines Upgraded high-speed lines Lignes aménagées à grande vitesse Lignes aménagées à grande vitesse ; Konventionelle Strecken Konventionelle Strecken Conventional Conventional lineslines Lignes conventionnelles Lignes conventionnelles Verbindungen mit Drittländern Verbindungenmit Drittländern Third country connections Third country connections Connexions avec pays tiers Connexios avec les paysles tiers ; Geplante konventionelle Strecken Geplante konv entionelle Str Planned conventional lines Planned conventional li Lignes conventionnelles planifiées Lignes conventionnell ; Hochgeschwindigkeitszugstrecken H indigkeitszugstr High-speed lines lines High - speed Lignes à grande vitesse Lignes à grande vitesse 1:1755000 1:17550000 ; Quelle: Europäische Kommission 9/2001 9/2001 01/2002 0 200 400 High speed routezutoentwickeln be developed Verkehrsverbindung Liaison grande vitesse à développer High speedà route to be developed Verkehrsverbindung zu entwickeln Liaison à grande vitesse à développer Route to be developed Verkehrsverbindung zu entwickeln Liaison à développer Route to be developed Verkehrsverbindung zu entwickeln Liaison à développer 600 Kilometers 35 01/2002 Im März 2003 fällt mit der Liberalisierung der grenzüberschreitenden Güterverkehrsdienste auf dem transeuropäischen Netz der Startschuss für den europäischen Wettbewerb auf der Schiene. Foto: DB AG/Klee THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt Zugsteuerungs- und Zugsicherungssignalgebung) ist überfällig. Die erforderliche Harmonisierung dieser Bereiche wie auch der Elektrifizierungssysteme, der Gleisanlagen und weiterer technischer Standards für die gesamte Union steht jedoch noch immer aus. Gerade über große Entfernungen hat die Bahn aber die größten Wachstumschancen. Um eine dies berücksichtigende Neuorganisation der Netze erfolgreich durchzuführen, muss die Nutzung der bestehenden Kapazitäten optimiert werden. Damit der europäische Schienenverkehr wieder an Bedeutung gewinnen kann, sind leistungsstarke internationale Trassen erforderlich, die dem Gütertransport vorbehalten bleiben, entweder in Form von bestimmten Infrastrukturen oder in Form von bestimmten Tageszeiten. Schwerpunkte der technologischen Forschung zur Förderung der Interoperabilität auf der Schiene müssen zum einen auf der Integration von Planung und Bau der Schienenwege und zum anderen auf den Spezifikationen für die Fahrzeuge liegen, um einen sicheren, sauberen und wirtschaftlich tragfähigen Betrieb zu gewährleisten. Die Kosten für eine technische Harmonisierung (z.B. Verwendung von Mehrstromlokomotiven) werden vermutlich im zweistelligen Milliardenbereich (Euro) liegen. Das seit Anfang der 90er Jahre entwickelte Europäische Eisenbahnverkehrsleitsystem ERTMS stellt einen gewaltigen Fortschritt bei der Entwicklung der Interoperabilität der Netze und Systeme dar. Darüber hinaus soll die Verwendung des ERTMS eine Voraussetzung für die Kofinanzierung der Eisenbahninfrastrukturen und -ausrüstungen durch die Gemeinschaft sein. 3.1.3. Das zweite Eisenbahnpaket Die Kommission will im Rahmen des anstehenden „zweiten Eisenbahnpakets“ eine Ausweitung der Rechte für den Zugang zu allen Güterdiensten einschließlich Kabotagemöglichkeiten vorschlagen: Öffnung der nationalen Gütermärkte für die Kabotage Festlegung eines hohen Sicherheitsniveaus Überarbeitung der Richtlinien zur Interoperabilität schrittweise Öffnung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs Förderung von Maßnahmen zur Gewährleistung der Qualität der Schienenverkehrsdienste und der Rechte der Benutzer Schaffung einer gemeinschaftlichen Agentur für Sicherheit und Interoperabilität 36 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt Die Anziehungskraft der Eisenbahn ist zudem steigerbar durch Telematikanwendungen wie die Zusammenschaltung von Platzbuchungssystemen. Echtzeit-Informationssysteme oder die Möglichkeit, an Bord aller Züge ohne Unterbrechung zu telefonieren, stellen ebenfalls Chancen für die Bahnen dar. Die nationalen Regierungen sind nun gefordert, die von der Europäischen Union auf den Weg gebrachten Richtlinien mit Leben zu füllen. Eine erfolgreiche Revitalisierung des Schienenverkehrs ist ohne den Einsatz der Mitgliedsstaaten nicht möglich. 3.2. Sichere und saubere Transporte auf dem Seeweg 3.2.1. Ökologische Gefahrenpotentiale durch den Seeverkehr 70% des weltweiten, ca. 30% des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs und 90% des Erdölhandels der EU werden über den Seeweg abgewickelt. Im Vergleich mit anderen Verkehrsträgern weist das Schiff bei der Energieeffizienz die günstigste Ökobilanz auf. 01/2002 Mit einem Kilogramm Treibstoff lassen sich pro Kilometer 50 Tonnen auf der Straße, 97 Tonnen auf der Schiene und 127 Tonnen per Schiff transportieren. Der Transport auf dem Wasserweg bietet zudem noch erhebliche freie Transportkapazitäten, die mittelfristig zur Entlastung der Straße beitragen müssen. Gleichwohl schädigt auch dieser Verkehrsträger die Umwelt oftmals in beträchtlichem Maße. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder spektakuläre Schiffskollisionen oder -havarien, durch die auch europäische Küsten vor allem durch das Auslaufen von Schwer- oder Rohöl massiv geschädigt wurden. Der Untergang des 25 Jahre alten, unter maltesischer Flagge fahrenden, einwandigen Öltankers „Erika“ vor der bretonischen Küste mit dem Auslaufen von ca. 10.000 Tonnen Schweröl, ist einer der letzten traurigen Höhepunkte einer langen Liste von Schiffsunglücken mit zum Teil katastrophalen ökologischen Auswirkungen. Hinzu kommen eine Vielzahl von vergleichsweise kleinen Havarien anderer Schiffe, wie die des Holzfrachters „Pallas“ vor der Insel Amrum. Schon 100 Tonnen ausgelaufenes, als Schiffsbrennstoff gebunkertes Schweröl, schädigten damals das sensible Ökosystem Wattenmeer nachhaltig. Quelle: Europäische Kommission 37 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 Die wichtigsten Häfen der Gemeinschaft 1:19000000 S KÖLDV IK S ULL OM VOE ORK NE Y LYS E KI L GÖTE B ORG ROT TE RDAM FOR TH TE E S AND HART L E P OOL DUB LI N LI VE RP OOL MILF ORD HAVEN L ONDON FR ED E RI CIA Y SB IM AM G R NGH I M IM OW ST L IX FE ROS T OCK LÜB E CK HAMB URG WIL HE MS HAVE N AMS T E RDA M ANTWE RP E N UG GE ZE E B R R QUE DU NK E CAL AIS DOVE R B RE ME N GE NT -RO DE NHUIZE E SOUT HAMP TON LE HAVRE ROUE N NANTE S -S T -NAZAI RE TRIES T E VE NEZIA GE NOVA GIJON MARS E ILLE BI LB AO RAVE NNA LA S PE ZIA L IVORN O ANCONA E FAL CONARA M LE IX OE S THE S SALO NIKI CIVI TAVE CCHI A B ARCE LO NA TA RR AGONA TARANTO S ALE RNO S INES VALE NCI A CAGLIARI P . F OX I GIOI A TAURO HUE LV A AUGUS TA Quelle: Europäische Kommission B AHIA DE ALG E CIRAS 38 P IRA EUS S IRA CUS A-S .P ANAGI A Häfen > 13 Mio. T onnen/J ahr Gesamter Güt erverkehr (Mio. Tonnen /Jahr) Anzahl der Cont ainer pro Jahr (in Mio.) 3 90 1 30 0,3 0 1 00 2 00 3 00 Kilom et ers THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 Führt man sich vor Augen, dass schon ein mittelgroßes Containerschiff fast 2.000 Tonnen Schweröl und ca. 300 Tonnen Dieselkraftstoff bunkern kann, wird klar, dass die Gefahr einer schweren Ölkatastrophe vor europäischen Küsten nicht nur von Tankschiffen ausgeht. die große Anzahl veralteter Schiffe mit ungenügenden Sicherheitsstandards, Der Transport von anderen gefährlichen Stoffen wie Chemikalien birgt zusätzliche Gefahren, wie der Untergang der „Ievoli Sun“, wiederum vor der bretonischen Küste, gezeigt hat. Schiffssicherheitspolitik ist daher ein Kernelement für wirksamen Schutz der Meeresumwelt. die Tendenz zu Billig-Flaggen und ZweitRegister, die unzureichende Anwendung oder Beachtung internationaler Vorschriften durch Schiffseigner, Kapitäne und Mitgliedstaaten, ein mangelhaftes Zertifizierungssystem. Es sind allerdings nicht nur die spektakulären Schiffsunglücke, sondern vor allem auch der normale Schiffsbetrieb, der zu erheblichen Belastungen der Meeresumwelt führt. Grobe Schätzungen gehen davon aus, dass jährlich etwa 500.000 Tonnen Öl oder ölhaltige Substanzen infolge des Seeverkehrs in die Meere geleitet werden, 70% davon im Normalbetrieb. Hinzu kommen weitere hochgiftige Substanzen z. B. durch Schiffsanstriche sowie erhebliche Mengen sonstigen Schiffsmülls und Ladungsrückstände. Auch hier muss europäische Politik ansetzen. Ein letzter Eckpfeiler einer umweltverträglicheren Seeverkehrspolitik ist die Verringerung bestimmter Abgasemissionen der Seeschifffahrt aufgrund schlechter, weil billigerer Treibstoffqualitäten. 3.2.2. Schiffssicherheitspolitik: Die „Erika-Pakete“ Nach der „Erika“-Katastrophe wurde Schiffssicherheitspolitik zum europäischen Thema. Die Gesetzgebungspakete „Erika I“ und „Erika II“ zielen auf folgende Probleme: Schlechte Ausbildungsstandards der Besatzungen, unzureichende Wartung bzw. Seetüchtigkeit der Schiffe oder Fehler beim Beladen führen vor allem bei schlechten oder extremen Witterungsbedingungen zu einer erhöhten Unfallwahrscheinlichkeit auf hoher See. Dies vor allem, wenn die am Seetransport Beteiligten ihre Verantwortung für sicheren und umweltschonenden Transport nicht ernst genug nehmen oder für unverantwortliches Verhalten nicht genügend zur Rechenschaft gezogen werden können. Nach dem Untergang des 25 Jahre alten, unter maltesischer Flagge fahrenden Öltankers „Erika“ vor der bretonischen Küste laufen 10.000 Tonnen Schweröl in den Atlantik. Französische Soldaten säubern Felsen auf der Insel Belle Ile von dem schwarzen Ölfilm 39 01/2002 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt Seeverkehrspolitik bewegt sich immer im Spannungsfeld zwischen internationalen Regelungen (IMO) und europäischen Bedürfnissen. Das gilt natürlich auch für wirksamen Umweltschutz. Seeschifffahrt hat zwangsläufig eine globale Dimension. Dementsprechend gibt es seit langem den Versuch, die internationale Seeschifffahrt durch möglichst einheitliche und weltweit anerkannte Vorschriften auf der Ebene der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) zu regeln. Dennoch muss und kann die EU Motor für mehr Schiffssicherheit und höhere Umweltstandards sein, wie jüngste Beispiele zeigen: Bei der Einfahrt in den nordspanischen Hafen La Coruña lief am 3. Dezember 1992 der mit 80.000 Tonnen Rohöl beladene griechische Tanker „Aegean Sea“ auf Grund, zerbrach und explodierte. 200 Kilometer Küste wurden verschmutzt. Die Erika-Pakete der EU sollen künftig solche Katastrophen verhindern. 40 I) Verschärfung der Hafenstaatkontrolle Bei der Vorbeugung kommt der Hafenstaatkontrolle eine besondere Bedeutung zu. Hierbei geht es um eine koordinierte und einheitliche Kontrolle von Seeschiffen in den Häfen der Europäischen Union. Nicht nur EU-Schiffe, sondern auch Schiffe unter der Flagge eines Drittstaates fallen unter die Kontrollen. Die Hafenstaatkontrolle soll wie folgt verschärft werden: 3.2.2.1. Das „Erika I-Paket“ Den unter der Flagge eines Drittstaates fahrenden Schiffen soll der Zugang zu EU-Häfen verweigert werden können, wenn sie unter der Flagge eines Staates fahren, der auf einer schwarzen Liste steht und das Schiff im Vorfeld in anderen Häfen durch Sicherheitsmängel auffiel. Ende 2001 wurde das Erika I-Paket vom Europäischen Parlament und vom Ministerrat verabschiedet. Es umfasst drei Punkte: Die Mitgliedstaaten werden darüber hinaus zur häufigeren und gründlicheren Kontrolle, zu erweiterten Überprüfungen THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt von bestimmten Risikoschiffen wie Gas-, Öl- und Chemikalientankern ab einem gewissen Alter und zur Einstellung von mehr Besichtigern verpflichtet. Analog zum Flugverkehr sollen sogenannte „Black Boxes“ (Schiffsdatenschreiber) innerhalb eines festen Zeitraumes für Schiffe, die EU-Häfen anlaufen, obligatorisch werden. Falls eine internationale Lösung im Rahmen der IMO scheitert, würden die europäischen Rechtsvorschriften ab 2007/2008 in den europäischen Gewässern Black Boxes für Schiffe ab 3.000 Tonnen vorschreiben. II) Striktere Kontrollen und mehr Verantwortung für die Klassifikationsgesellschaften (Schiffs-TÜV) Neben der Hafenstaatkontrolle sollen vor allem die Klassifikationsgesellschaften für die Sicherheit und Zuverlässigkeit eines Schiffes sorgen. Je nach Schiffstyp sind regelmäßige Kontrollen und Besichtigungen der Schiffe bei den Klassifikationsgesellschaften (Schiffs-TÜV) für die Zulassung eines Schiffes vorgeschrieben. In Zukunft sollen sie sich schärferen Kontrollen und mehr Verantwortung stellen. Bei Leistungslücken soll die Anerkennung der Gesellschaft zeitweilig entzogen oder ganz aberkannt werden können. Vor allem aber sollen sie auch finanziell für die Folgen eines Schiffsunglücks haftbar gemacht werden können. III) Ausmusterung von unsicheren Einhüllen-Tankschiffen nach einem festen Zeitplan. Ziel der EU ist auch die Verstärkung der passiven Sicherheit der Schiffe, allen voran der Öltanker. Im Falle einer Kollision können sichere Doppelhüllentanker manchmal das Schlimmste verhindern. Natürlich können auch Doppelhüllen brechen, sie bieten 01/2002 aber dennoch wesentlich größeren Schutz bei Kollisionen oder Grundberührung. Auf Druck der EU wird international ab 2003 mit einer beschleunigten Ausmusterung der unsicheren Einhüllentankschiffe begonnen. In EU-Gewässern wird 2015 – zehn Jahre früher als im internationalen Abkommen vereinbart – endlich Schluss sein mit diesen schwimmenden Zeitbomben. 3.2.2.2. „Das Erika II-Paket“ Andere von der Kommission vorgeschlagene Maßnahmen, das sogenannte „Erika II-Paket“, sind im Gesetzgebungsverfahren zwischen Europäischem Parlament und Ministerrat noch nicht so weit fortgeschritten. Über die Mehrzahl der darin enthaltenen Bestimmungen besteht jedoch grundsätzlich Konsens. Hierzu gehören zum Beispiel: Verbesserungen der Identifizierung von Schiffen durch geeignete Transpondersysteme, eine Erweiterung der Eingreifbefugnisse der Mitgliedstaaten auf hoher See zur Vorbeugung von Schiffsunglücken oder die Einrichtung einer europäischen Agentur für den Seeverkehr. Kontrovers wird die von der Kommission vorgeschlagene Errichtung eines zusätzlichen europäischen Entschädigungsfonds (COPE) zum Ausgleich ölverschmutzungsbedingter Schäden diskutiert, für die das international vereinbarte Haftungssystem nicht ausreicht, den gesamten Schaden abzudecken. Dies war bei der „Erika“-Katastrophe der Fall. Noch immer warten viele Geschädigte auf ihr Geld. Nach dem Willen des Europäischen Parlaments soll diese Haftungsregelung auch auf andere gefährliche Stoffe (Chemikalien und 41 01/2002 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt Bunkeröle) ausgedehnt werden. Weiterhin sollen nicht nur die Ölunternehmen, sondern auch alle anderen am Transport von Öl oder gefährlichen Stoffen Beteiligte in diesen neuen Fonds einzahlen. Beide Forderungen des Europäischen Parlaments können ebenfalls dazu beitragen, Druck auf die internationale Seeschifffahrtorganisation IMO aufzubauen, die dringend erforderliche gründliche Revision der internationalen Haftungsregelung in der Seeschifffahrt anzugehen. Den Hunderttausenden im ausgelaufenen Öl bereits verendeten Seevögeln hilft auch der geplante europäische Entschädigungsfonds (COPE) zum Ausgleich verschmutzungsbedingter Schäden nicht mehr. Ölgesellschaften, Schiffs-TÜV, vor allem aber die Reeder und alle anderen am Transport von Öl oder gefährlichen Stoffen Beteiligte müssen gleichermaßen voll in die Verantwortung genommen werden, da derzeit bestehende Haftungsbeschränkungen zwangsläufig das Verantwortungsbewusstsein der Beteiligten reduzieren. Darüber hinaus müssen auch die unzureichenden Haftungsregelungen für alle anderen Schiffe dringend verschärft werden. Gleichzeitig müssen in der IMO wirksame Kontrollinstrumente geschaffen werden, um überprüfen zu können, ob die Flaggenstaaten ihre Zuständigkeiten wahrnehmen. Technische und juristische Maßnahmen lösen zudem nicht die Probleme bei Ausbildungs- und Sozialstandards der Besatzungen von Schiffen unter Billigflaggen. Aus diesem Grund täte die EU in Zukunft gut daran, Anreize zu schaffen, damit so viele Schiffe wie möglich wieder unter der Flagge ihrer Mitgliedstaaten fahren. 3.2.3. Entsorgungseinrichtungen in den Häfen Schätzungen gehen davon aus, dass jährlich ca. 70.000 Kubikmeter Müll von Schiffen allein in die Nordsee geworfen und über 500.000 Tonnen Öl und ölhaltige Gemische in die Weltmeere eingeleitet werden, wobei nur ein knappes Viertel auf Tankerunfälle zurückzuführen ist. 70% dieser Öleinleitungen werden im Normalbetrieb verursacht. Hinzu kommt die Belastung der Meere mit Schiffsabwässern, darunter häusliches Abwasser aber auch mit Chemikalien angereicherte Abwässer aus den Maschinenräumen. Diese Abwässer sind mitverantwortlich für die Überdüngung der Küstengewässer, die zur Sauerstoffarmut des Wassers führen können. Für Öl, ölhaltige Gemische, Schiffsmüll und Ladungsrückstände haben das Europäische Parlament und der Ministerrat im Jahr 2000 die Richtlinie über Hafenauffanganlagen (2000/59/EG) beschlossen. Danach werden die Häfen verpflichtet, geeignete Auffanganlagen einzurichten. Die Schiffseigner sind in der Pflicht, Rückstände in den Häfen auch tatsächlich zu entsorgen. Damit sie dies nicht vorher aus Kostengründen auf hoher See erledigen, setzte das Europäische Parlament gegen den Widerstand des Ministerrates zwei wesentliche Forderungen durch. 42 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt Künftig müssen mindestens 25% der Schiffe auf ordnungsgemäße Entsorgung überprüft werden. Künftig müssen alle Schiffe, die einen Hafen der EU anlaufen, unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme der Entsorgungsanlage einen wesentlichen Beitrag zu den Kosten entrichten. Gemäß Erklärung der Kommission bedeutet „wesentlicher Beitrag“ mindestens 30%. Durch diesen von der Entsorgung unabhängigen Kostenbeitrag der Schiffe wird der unverantwortlichen aber kostengünstigen Entsorgung auf See der finanzielle Anreiz genommen. Denn bislang entsorgen nur maximal 5-10% der Schiffe korrekt in den Häfen. Mit der Einführung dieses Gebührensystems („No-Special-Fee-System“) hat das Europäische Parlament gegenüber dem Ministerrat einen bedeutsamen Umweltaspekt durchgesetzt. Ziel muss aber weiterhin ein von der tatsächlichen Entsorgung vollständig unabhängiges Gebührensystem sein, zu dem sich bislang nur die Ostseeanrainerstaaten im Helsinki-Abkommen verpflichtet haben. Nur so lässt sich die Müllkippe Meer schließen und nur so gelingt es, Wettbewerbsgleichheit zwischen den Häfen herzustellen. 3.2.4. Schifffahrt- und Luftverschmutzung Erst seit kurzem finden die Abgasemissionen der Schiffe verstärkt Beachtung in der umwelt- und verkehrspolitischen Diskussion. Die Abgase der Schiffsmaschinen werden noch meist ungefiltert in die Atmosphäre abgegeben. Insbesondere die noch international erlaubten hohen Schwefel- 01/2002 werte im Schiffs-Treibstoff (max. 4,5% gegenüber 0,05% im Pkw-Kraftstoff) führen zu Emissionen, die die Grenzwerte in modernen Kraftwerken oder Müllverbrennungsanlagen bei weitem übersteigen. Obwohl bislang nur wenige Daten vorliegen, gilt als sicher, dass insbesondere der Schwefeldioxid-Ausstoß (SO2) der Schiffe als Einflussgröße für das globale Klima und den Effekt des sauren Regens unterschätzt wurde. Deutlich wird die Problematik besonders im Umfeld der Häfen, wo die Schiffe für bis zu 80% der verkehrsbedingten SchwefeldioxidBelastung verantwortlich sind, da sie unter anderem auch im Hafen den benötigten Strom über ihre Schiffsmaschinen erzeugen. Technisch sind Verbesserungen der Emissionswerte durch Einsatz von schwefelärmerem Treibstoff, Abgasreinigungs- und -rückführsystemen oder Katalysatoren ohne weiteres machbar. Ein erster Schritt wäre, dem Beispiel Schwedens und Norwegens zu folgen und diejenigen Schiffe, die schwefelarmen Brennstoff benutzen, über eine Staffelung der Hafengebühren zu belohnen. In Deutschland und den Niederlanden beginnen erste Projekte diesen Weg einzuschlagen. Die Internalisierung der externen Kosten muss auch im Schiffsverkehr zur Anwendung kommen. Abgesehen von der notwendigen Senkung der Schwefeldioxid-Emissionen kann aber der Schiffsverkehr im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern die mit Abstand höchste Energieeffizienz vorweisen. Kohlendioxid-, Kohlenmonoxid-, Kohlenwasserstoff- und Partikel-Emissionen sind 43 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 pro beförderter Tonne Ladung wesentlich geringer als bei den übrigen Verkehrsträgern. Die Europäische Kommission geht deshalb zu Recht davon aus, dass insbesondere eine Verlagerung des Gütertransports von der Straße auf den sogenannten Kurzstreckenseeverkehr wichtiger Bestandteil der EUStrategie zur Erfüllung der Klimaschutzverpflichtungen des Kyoto-Protokolls ist. Treibstoffverbrauch 100 Straße 90 Schiene 80 KSV* 70 31,330 8,911 4,828 3.2.5. Förderung des Kurzstreckenseeverkehrs (Short-Sea-Shipping) Der Kurzstreckenseeverkehr, also die Beförderung von Fracht und Fahrgästen auf See zwischen zwei europäischen Häfen, hat in den letzten Jahren als einziger Verkehrsträger ähnliche Wachstumsraten erzielt wie der Straßenverkehr (27% zwischen 1990 und 1998). 35.000 km Küstenlänge mit Hunderten von Häfen bieten aber noch ein weitaus größeres Beförderungspotential. So macht die Kommission zum Beispiel darauf aufmerksam, dass noch immer 75% des finnischen Holzes nach Italien über die Alpen transportiert werden, obwohl ein Seetransport ohne weiteres möglich wäre. Besonders zur Entlastung von Engpässen wie den Pyrenäen kann der Kurzstreckenseeverkehr beitragen. g/tkm 60 50 CO2 40 30 Straße 98,301 20 Schiene 28,338 10 KSV* 15,45 0 Treibstoffverbrauch CO2 1 0,9 Straße 0,479 Schiene 0,196 KSV* 0,8 0,7 Straße 0,227 Schiene 0,098 KSV* CO 0,036 HC 0,012 g/tkm 0,6 Straße 0,5 Schiene KSV* 0,4 0,3 0,027 Straße 0,978 Schiene 0,472 0,1 Straße 0,031 Schiene 0,036 *Kurzstreckenseeverkehr HC Partikel NOx SO 2 KSV* Partikel 0,006 KSV* CO 44 0,078 0,2 0 Um dieses Potential stärker auszuschöpfen, strebt die Europäische Kommission ein Bündel von Maßnahmen an. Ziel ist, den Kurzstreckenseeverkehr besser in die intermodale Transportkette einzugliedern. Notwendige Verbesserungen umfassen vor allem die logistische Organisation, die Dienstequalität (Häufigkeit, Regelmäßigkeit Zuverlässigkeit) sowie die Koordinierung des Managements und der Preispolitik in der gesamten Transportkette. Auch wenn diese Verbesserungen in erster Linie den Seeverkehrsunternehmen obliegen, kann die Europäische Union einen Beitrag leisten. Hierzu zählen zum Beispiel: NOx 0,311 SO2 0,29 Quelle: Europäische Kommission Beseitigung von bürokratischen Hürden durch Vereinheitlichung der Beförderungspapiere und Verwaltungsverfahren in Form der jüngst von der Kommission vorgeschlagenen standardisierten Meldeanforderungen für Schiffe, die EU-Häfen anlaufen. Gezielte Förderung von Projekten des Kurzstreckenseeverkehrs über das For- THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt schungsrahmenprogramm, im Rahmen von PACT, bzw. seines Nachfolgers MARCO POLO, Hafenprojekte im Rahmen der TEN sowie durch weitere Programme wie MEDA, EFRE und INTERREG III. Schaffung von europäischen „Hochgeschwindigkeits-Seewegen“. Seewege zwischen bestimmten europäischen Häfen, die eine Alternative zum Landverkehr darstellen, sollen nach dem Willen der Kommission gesondert im Leitschema der Transeuropäischen Verkehrsnetze ausgewiesen werden. Die Errichtung der für die effiziente Nutzung der Seewege erforderlichen Infrastruktur in den jeweiligen Häfen soll vorrangig mit EU-Geldern gefördert werden. Zu diesen besonderen Seewegen sollen in Zukunft Verbindungen zwischen Spanien und Frankreich oder zwischen Deutschland und Polen gehören. 01/2002 porte, z.B. von Chemikalien, besonders geeignet. Hinzu kommt, dass die Kapazitäten des Binnenschiffsverkehrs bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind. Im Vergleich zu Straße und Schiene haben die Wasserstraßen die höchsten Kapazitätsreserven. Sie könnten ein wesentlich höheres Gütervolumen bewältigen. Dies gilt nicht nur für den Massenguttransport, sondern ebenso für den Transport von Containern, mit denen v.a. hochwertige Güter wirtschaftlich befördert werden können. Der Binnenschiffsverkehr stellt deshalb auf einer Vielzahl von Strecken bereits heute eine wettbewerbsfähige Alternative zum Straßen- und Schienenverkehr dar. Gerade vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung kann die Binnenschifffahrt zu einer Entlastung der Ost-West-Verkehrsachsen beitragen. 3.3.1. Hindernisse und Handlungsbedarf 3.3. Stärkung der Binnenschifffahrt Der Binnenschiffsverkehr ist ein umweltfreundliches, lärmarmes sowie energie- und raumsparendes Verkehrsmittel. Der Energieverbrauch pro Tonnenkilometer mit dem Binnenschiff transportierter Güter entspricht lediglich einem Sechstel des Verbrauchs auf der Straße und der Hälfte dessen auf dem Schienenweg. Die externen Kosten des Binnenschiffsverkehrs (Luftverschmutzung, Flächenverbrauch, Staus etc.) sind insbesondere im Vergleich zum Straßentransport verschwindend gering. Weitere Vorzüge des Binnenschiffsverkehrs sind die geringen Transportkosten, ein großes Transportvolumen sowie die Sicherheit der Beförderung. Die Unfallzahlen liegen bezogen auf das Transportvolumen praktisch bei Null. Das Binnenschiff ist gerade deshalb auch für Gefahrguttrans- Trotz der unbestrittenen positiven Merkmale und trotz einer Reihe von Maßnahmen der EU, insbesondere zur Modernisierung der Flotte und zur völligen Öffnung des Binnenschifffahrtsmarktes, ist der ModalSplit-Anteil der Binnenschifffahrt mit 4% nach wie vor sehr gering. Ursache hierfür ist u.a., dass die Politik das Binnenschiff lange Zeit vernachlässigt hat. Beispielsweise wurden mit Blick auf Infrastrukturinvestitionen andere Verkehrsträger bevorzugt, während der Ausbau der Wasserstraßen und die Engpassbeseitigung vernachlässigt wurden. So gibt es bislang kein zusammenhängendes transeuropäisches Netz durchgehender Binnenwasserstraßen mit einheitlicher Fahrrinne. Das transeuropäische Binnenwasserstraßennetz besteht hauptsächlich aus den vorhandenen Flüssen und Kanälen 45 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 8/ 2001 8/2001 BINNENHÄFEN UND BINNENWASSERSTRASSEN B INNENHÄF UNDAND B INNENWASS ER STR ASSE N INLANDEN PORTS INLAND WATERWAYS INL ANDMARITIMES P OR T S AND INL AND WATE R WAYS PORTS ET VOIES NAVIGABLES P OR TS MAR IT IME S E T VOIES NAVIGAB L E S LEITSCHEMA DES TRANSEUROPÄISCHEN VERKEHRSNETZES (HORIZONT 2010) L EI TS CHE MA DE S T R ANSE UR OP ÄISCHEN VER K EHR SNETZES (Horizon t 2010) TRANS-EUROPEAN TRANSPORT NETWORK OUTLINE PLAN (2010 horizon) TR ANS - E UR OP E AN TR ANSP OR T NE TWOR K OUTL INE P L AN(2010 h orizon) SCHÉMA DU RÉSEAU TRANSEUROPÉEN DE TRANSPORT (horizon 2010) SCHÉMA DU R É SE AU TR ANSE UR OP ÉE N DE TR ANS POR T (horizon 2010) EUROPE E UR 1:7800000 OPE 1:17800000 $T SAIMA PORTS WA AL E T T$ T $ $ T$ EL D E S CH S AMB R$ TE T L AHN $ N H R OD E T $ E MO SE T $ T $ T T$$ L T T$$ DO NA U T $ T$$ T R HE IN T T$$ T $ T$ AR O T $ . N KA T$ T T$ $ AU ON T $ HAV E T E L BE $ K NE C E RN MA T$ T$ $ T R T $ LA AI SNE E IN S # T AU T $ UH R LL SE S # SC T R T$$ T $ T $ T $ CANAL AL B E R T T $ R T T$$ -D IN MA E WE SE MIT TE L AND K ANAL S CH ELD L YS S EM S # AL L E T $ IJ S SE L # S S # T $ IJ S S E L T#S $ T $ L EK S # S # HU NT E T $ T $ T$ T $ S AO NE S UB DO T $ PO R HONE S # Quelle: Europäische Kommission DOUR 46 Binnenwasserstraßen – -Inlandwaterways Binnenwassers trassen Inlandwaterways–- Voiesnavigables Voies navigables Bestehend Bestehend Existing Existing Existant Existant Geplant Geplant Planned Planned Planifié Planifié # S Seehäfen/Binnenhäfen Seehäfen/Binnenhäfen Inland/Maritime Inland/Maritime Intérieurs/Maritimes Häfen - Ports - Ports Häfen – Ports – Ports Eisenbahnen Eisenbahnen Railways Railways Chemins de fer Intérieurs/Maritimes $T Chemins de fer Binnenhäfen mit Umschlaganlagen für den kombinierten Verkehr und> 500000tonnen Binnenhäfen mit Umschlaganlagen kombinierten Verkehr > 500 000 Tonnen Inlandports with transshipment facilitiesfür forden combinedtransport and >50und 0000tonnes Inlandports with transshipment facilities for combined and > 500 000 tonnes Ports intérieurs avec installations de transbordement pour letransport transport combiné intérieurs avec installations de transbordement pour le transport combiné et > 500 000 tonnes etPorts >50000 0tonnes 0 0 200 200 400 400 Kilometers Kilomet ers Straßen Strassen Roads Roads Routes Routes T $ THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt sowie deren Verbindungen untereinander. Gerade die Beseitigung von Engpässen in der Binnenschifffahrt hat jedoch im Vergleich zu Straße und Schiene hochrentable Kosten-Nutzen-Verhältnisse. Hier ist ein Umdenken in der Politik dringend erforderlich. 3.3.2. Strategien zur Stärkung der Binnenschifffahrt Die Europäische Kommission hat in ihrem Weißbuch zur Verkehrspolitik folgende zeitnahe Maßnahmen angekündigt: 2002 wird sie sowohl einen Vorschlag zur Harmonisierung der Schifferpatente als auch zur Harmonisierung der Ruhezeiten, der Zusammensetzung der Besatzung sowie der Fahrzeiten von Schiffen vorlegen. Die Arbeiten zur Vereinheitlichung der technischen Vorschriften für das gesamte Binnenwasserstraßennetz der Gemeinschaft sollen ebenfalls bis 2002 abgeschlossen sein. Die Kommission will auch den Einsatz von leistungsfähigen Navigations- und Kommunikationsgeräten im Binnenschifffahrtsnetz unterstützen. Darüber hinaus sind folgende Maßnahmen zur Stärkung der Binnenschifffahrt notwendig: Engpassbeseitigung und zielgerichteter Infrastrukturbau: Das Ziel ist die Schaffung eines kohärenten und interoperablen Binnenwasserstraßennetzes. Der umweltverträgliche und naturnahe Ausbau von Wasserstraßen muss dabei einhergehen mit der Beseitigung von Hindernissen, die einem ganzjährigen Schiffsverkehr entgegen stehen. Hierzu gehören u.a. die Herstellung fehlender Verbindungen, die erneute Nutzung von nicht mehr genutzten Binnenschifffahrtsstraßen, die Beseitigung von Hindernissen wie unpassende Lichtraum- 01/2002 profile oder die Höhe von Brücken etc. Die Kommission plant in diesem Zusammenhang u.a. die Verbesserung der Schiffbarkeit der Donau zwischen Straubing und Vilshofen (Aufnahme in die vorrangigen Projekte innerhalb der TEN). Zur Komplettierung der transeuropäischen Netze gehört auch der ElbeLübeck-Kanal und seine Befähigung zur europäischen Binnenschifffahrt. Schaffung eines transparenten und integrierten gesamteuropäischen Marktes für den Transport auf Binnenwasserstraßen. Dieser Markt muss auf den Prinzipien der Gegenseitigkeit, der freien Schifffahrt, des fairen Wettbewerbs und der Gleichbehandlung der Benutzer von Binnenwasserstraßen beruhen. Stärkere Integration der Binnenhäfen in die Hinterlandverkehre. Dies erfordert u.a. eine höhere Qualität und Zuverlässigkeit der Schnittstellen sowie die Förderung des Baus und des Einsatzes innovativer Umschlagtechnologien. In diesem Zusammenhang sind auch die Terminals für den Kombinierten Verkehr auszubauen, um den Binnenschiffsverkehr besser in die Kette des Kombinierten Verkehrs zu integrieren. Einrichtung eines gesamteuropäischen Systems für Informationen über die Flüsse. Ein solches System wird zu einem sicheren und effizienten Transport auf den Binnenwasserstraßen beitragen. Entwicklung von „Port-to-Door“-Konzepten, um Lücken in der Transportkette zu schließen. Dies ermöglicht die Organisation eines Transportvorganges vom Seehafen bis tief ins Binnenland hinein. Verbesserung des intermodalen Verkehrs und bessere Einbeziehung in logistische 47 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 Systeme durch Förderung der Zusammenarbeit zwischen Transportunternehmen der Binnenschifffahrt sowie von Küstenschifffahrts-, Bahn- und Straßentransportunternehmen. tumsraten zu verzeichnen. Während bei uns das Verhältnis Auto : Mensch immerhin 1: 2 ist, liegt es beispielsweise in China derzeit noch bei 1: 3000. In Zukunft ist also ein gewaltiger Anstieg zu erwarten. 3.4. Verbesserung der Umweltbilanz des Straßenverkehrs 3.4.1. Abgasemissionen in den Griff bekommen Allein innerhalb der Europäischen Union wird der Personen- und Güterverkehr weiter regelmäßig steigen (seit 1980 um 60% bzw. 50%). Zugleich registrieren wir ein zunehmendes Ungleichgewicht in der Nutzung der Verkehrsmittel. Trotz verschiedener politischer Steuerungsinstrumente, etwa Anreize zur Vermeidung bzw. Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf umweltfreundlichere Verkehrsträger, werden Pkw und Lkw auch weiterhin eine dominante Rolle spielen. Infolge des sich entwickelnden „e-Zeitalters“ nimmt z.B. der Verteilungsverkehr der über Internet bestellten Waren zu („e-commerce“). Auch schlägt sich das Freizeitverhalten im Verkehrstrend nieder: 2/3 der Fahrten finden bei uns nach Feierabend statt. Die EU unternimmt große Schritte zur Bekämpfung der vom motorisierten Straßenverkehr verursachten Luftverschmutzung. Besonders die neuen Regelungen EURO III und EURO IV versprechen eine weitere, deutliche Reduktion der von Kraftfahrzeugen hervorgerufenen Schadstoffemissionen. Künftige Normensetzungen sollen aber auch die CO2-Frage stärker mit einbeziehen. Weltweit nimmt der Fahrzeugbestand ständig zu. Gerade in Asien sind enorme Wachs- Quelle: Europäische Kommission Mit dem 1. Januar 2000 ist die neue europäische Abgasgesetzgebung EURO III in Kraft getreten. Sie ist das Ergebnis eines intensiven Gesetzgebungsprozesses, der auf die Reduktion der Schadstoffemissionen von Motorfahrzeugen abzielt und auf die Entwicklungstrends in Sachen Mobilität angemessen reagiert. In den letzten Jahren ist das Verkehrsaufkommen in der Europäischen Union immer parallel zum Wirtschaftswachstum um 2-3% pro Jahr gestie- AOP-II Transport Base Case Transport Demand (vkm) Trend by mode 200 Road - passengers 180 Road - freight 1990 = 100 160 Rail Water 140 120 100 48 2020 2019 2018 2017 2016 2015 2014 2013 2012 2011 2010 2009 2008 2007 2006 2005 2004 2003 2002 2001 1999 2000 1998 1997 1996 1995 1994 1993 1992 1991 60 1990 80 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt gen. Im Durchschnitt bewegt sich heute jeder Mensch in der Europäischen Union etwa 45 Kilometer am Tag (1900 waren es noch 1000 m). Mobilität durch das Auto macht zur Zeit rund 80% der Personenbeförderung in der EU aus. Weit über 50% der Fahrten im Auto sind heute nicht berufsbedingt. 3.4.2. Weiter zunehmendes Verkehrsvolumen Seit 1970 ist der Straßenverkehr um 150% gestiegen und macht heute 75% des gesamten Frachtmarktes in Europa aus. Im gleichen Zeitraum ist der Anteil der Schiene von 21% auf 8,5% gesunken. Bis 2010 ist mit einem weiteren Anstieg von mehr als 30% gegenüber der heutigen Verkehrsleistung bei den Nutzfahrzeugen zu rechnen. Diese Trends verursachen eine zunehmende Belastung unserer Luftqualität, gerade in Europas Städten. So werden inzwischen im Sommer fast überall in Europa problemati- 01/2002 sche Ozonkonzentrationen notiert. Der Schwellenwert, bei dem die Öffentlichkeit über Ozonbelastungen informiert werden muss, aber auch der gesundheitsbezogene Unbedenklichkeitswert (eine Ozonbelastung von 120 µg/m3) wird häufig überschritten. Hauptproduzent der Ozonvorläufersubstanz Stickoxid (NOx) ist der Straßenverkehr (63% in ganz Europa, in einigen Städte bis zu 83%). Partikel, als Ruß oder Qualm wahrgenommen, sind belastend und gefährlich für die Atemwege und werden hauptsächlich von Motorfahrzeugen emittiert. 50% der Partikel stammen von den Nutzfahrzeugen, obwohl diese nur 10% des Fahrzeugbestandes ausmachen. 3.4.3. Eine Vielzahl von Schadstoffen erfasst Die EU verfolgt einen integrierten Ansatz zur Verbesserung und zur Erhaltung der Luftqualität unter Berücksichtigung aller Verursacher. Ausgangspunkt ist eine Rahmenrichtlinie zur Luftqualität, zu der nach und nach Grenzwerte und Alarmschwellen 49 01/2002 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt Um die dort festgelegten Grenzwerte zu erreichen, müsste die gegenwärtige Partikelemission in den Städten um 50% verringert werden. Die Luftverpestung durch die Automobilisten war schon in den Kinderschuhen des Automobils Quelle des Ärgers – aber auch Anstoß für manch mehr oder weniger sinnvolle technische Innovation. „Zufuhr von frischer, staubfreier Luft für Fußgänger“ nennt der Karikaturist aus dem „Schnauferl“ seine Idee (1904). 3.4.4. Abgasreduktion bei Kraftfahrzeugen für einzelne Schadstoffe festgelegt werden (Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid, Partikel, Blei, Kohlenmonoxid, Benzol, Ozon, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Cadmium, Arsen, Nickel und Quecksilber). Der erste Satz Grenzwerte enthält u.a. Werte für Partikel, die 2005 bzw. 2010 verbindlich erreicht werden müssen. Sie beruhen auf Luftqualitätsleitlinien, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zusammen mit der Europäischen Kommission entwickelt wurden. Zur Zeit stehen zwei Tochterrichtlinien der Luftqualitätsrahmenrichtlinie (1996/62/EG) zur Umsetzung an. Die Richtlinie über Grenzwerte für Benzol und Kohlenmonoxid in der Luft (2000/ 69/EG) muss bis Ende 2002 in nationales Recht umgesetzt werden. Bei der Tochterrichtlinie, welche in zwei Stufen Grenzwerte u.a. für Partikel und NOx festlegt, ist die Frist zur Umsetzung bereits am 19. Juli 2001 abgelaufen. 50 Die EU- Richtlinien Nr. 98/69/EG für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge, Nr. 99/96/EG für Lastwagen und Busse sowie Nr. 98/70/EG für Kraftstoffqualitäten sind das Ergebnis eines aufwendigen Gesetzgebungsprozesses, der in der EU-Sprache mit „Auto-ÖlProgramm“ bezeichnet wird. Die EU-Kommission hatte auf der Basis einer Studie, in die die Automobil- und die Mineralölindustrie einbezogen waren, einen integrierten Gesetzgebungsvorschlag vorgelegt, um für den Bereich Straßenverkehr die optimalen und kosteneffizientesten Maßnahmen zu ergreifen. Das Europäische Parlament hat diesen Ansatz unterstützt, den Vorschlag aber in wesentlichen Bereichen verbessert und sich damit auch im Vermittlungsverfahren zwischen Parlament und Ministerrat durchgesetzt. Damit sind die Rahmenbedingungen für die Fahrzeugtechnik der nächsten Jahre festgelegt. Das Europäische Parlament hat z.B. durchgesetzt, dass ehrgeizige Emissionsgrenzwerte sowohl für das Jahr 2000 als auch bereits jetzt für das Jahr 2005 festgelegt wurden. Dadurch hat die Industrie die nötige Planungssicherheit und ehrgeizige Vorgaben können rechtzeitig angegangen werden. Inzwischen stellen wir fest, dass bereits jetzt Autos gebaut werden, die die Grenzwerte für das Jahr 2005 einhalten können. Dies zeigt sehr deutlich, dass die Industrie nicht vor unlösbare technologische Anforderungen gestellt worden ist. Insbesondere Partikel und Stickoxide werden stark reduziert: THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 NOx (g/km) – Partikel (g/km) (Grenzwerte für Pkw und Leichte Nutzfahrzeuge, in Klammern prozentuale Reduktion im Vergleich zu 1996) NOx (g/km) Benzin Diesel Partikel (g/km) Diesel 2000 0,15 (-40%) 0,50 (-20-40%) 0,05 (-35-50%) 2005 0,08 (-68%) 0,25 (-60-70%) 0,025 (-68-75%) Quelle: Europäische Kommission Die Richtlinien erlauben den Mitgliedstaaten die steuerliche Förderung von Kraftfahrzeugen, die die Anforderungen der Richtlinie schon vor dem jeweiligen Termin erfüllen. So dürfen mit Inkrafttreten der Stufe EURO III Fahrzeuge, die die Grenzwerte der Stufe EURO IV einhalten, gefördert werden. Außerdem dürfen die Mitgliedstaaten steuerliche Anreize zur Nachrüstung von älteren Fahrzeugen gewähren, wenn dadurch die neuen Grenzwertsätze erreicht werden, und zur frühzeitigen Stillegung dieser Fahrzeuge führen. 3.4.5. Das Problem der Dieselpartikel Gerade bei Lastwagen und Bussen muss endlich wesentlich mehr für die Abgasreinigung getan werden. Die neuen Partikelgrenzwerte für 2005, welche ohne neuartigen Partikelfilter kaum zu erreichen sind, werden den Partikelausstoß im Vergleich zu heute um ca. weitere 70% senken. Es geht aber nicht nur um die absolute Menge, sondern auch um die Größe der einzelnen Partikel. Kleinstpartikel stehen im Verdacht, schwerwiegende Lungenschädigungen hervorzurufen. 3.4.6. Realistischere Anforderungen Es kann nicht sein, dass Motorfahrzeuge bei der Typenprüfung die strengsten Grenzwerte erreichen, aber innerhalb von weniger als 10.000 Kilometer zu „Stinkern“ werden. Rat und Parlament haben sich deshalb geeinigt, die Dauerhaltbarkeitsanforderungen bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen auf 80.000 km und ab 2005 auf 100.000 km festzulegen. Für Lastwagen gelten ähnliche Regelungen ab 2005. Künftig steht die Dauerhaltbarkeit unter permanenter Kontrolle. Sensoren überprüfen elektronisch die Funktionsfähigkeit der Abgasreinigung und lassen bei Defekten eine Warnlampe aufleuchten. Seit 2000 müssen alle neuen Pkw und ab 2005 alle neuen Lkw mit diesen sogenannten On-Board-Diagnose-Systemen ausgerüstet sein. 3.4.7. Kampf dem Schwefel im Kraftstoff Schwefelarmer Kraftstoff senkt die Partikelemissionen auch alter Fahrzeuge sofort deutlich, er steigert die Dauerhaltbarkeit von Abgasreinigungseinrichtungen, und er lässt notwendige neue Technologien der 51 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 Abgasreinigung wie einen Denox-Katalysator oder eine NOx-Falle überhaupt erst zu, die wiederum eine wichtige Voraussetzung bilden für die Einführung neuer kraftstoffsparender Triebwerke wie etwa des BenzinDirekteinspritzmotors. Das Europäische Parlament hat dafür gesorgt, dass spätestens ab 2005 überall in der Europäischen Union Benzin und Diesel mit einem sehr geringen Restschwefelgehalt von maximal 50 ppm flächendeckend zur Verfügung stehen wird. Gleichzeitig sollen Benzin und Diesel mit unter 10 ppm Schwefel in der EU eingeführt werden, um bis 2008 ausschließlich vorhanden zu sein. Wie schon bei der vorherigen Stufe sollen ergänzend steuerliche Förderungen möglich sein, um diese nochmals verbesserte Qualität möglichst frühzeitig auf den Markt zu bringen (Beispiel Deutschland). Wichtig für das EP ist zudem, dass dieser Kraftstoff auch für alle anderen Fahrzeuge, Traktoren und Geräte verpflichtend wird. 3.4.8. Alle mobilen Quellen erfasst Bis auf einige Ergänzungen ist damit die Gesetzgebung im Straßenverkehrsbereich komplett. Einzig die Standards für Mopeds, Motorroller und Motorräder müssen noch Stickoxidemissionen (kt) erarbeitet werden. Bei jährlichen Zuwachsraten von über 20% spielt es in diesem Bereich durchaus eine Rolle, dass für diese Fahrzeuge zur Zeit Schadstoffemissionen erlaubt sind, die ein Vielfaches über denen eines Pkw liegen. Zurzeit bereitet das EP die zweite Lesung der Gesetzgebung vor. Auch hier soll mit einem zweistufigen Ansatz (2003 und 2006) durch strengere Grenzwerte eine deutliche Reduktion der Abgasemissionen erreicht werden. Zudem sollen zukünftig Motorräder auch realistisch getestet und mit Dauerhaltbarkeitsauflagen belegt werden. Mit der neuen Gesetzgebung sind in der EU gute Voraussetzungen geschaffen worden, dass sich die Luftqualität in Europa, vor allem in städtischen Bereichen, deutlich verbessert. Da 2005 etwa 60 Pkw der GolfKlasse so viel Schadstoffe ausstoßen dürfen wie noch 1970 ein Auto allein, werden die verkehrsbedingten NOx- und PartikelEmissionen trotz steigendem Verkehrsaufkommen bis 2010 um rund 75% sinken. Mehrere Studien belegen den Erfolg der europäischen Gesetzgebung. Hier ist eine Tremod-Berechnung des IFEU-Institutes aus Heidelberg abgebildet, welche die zu erwartenden Reduzierungen der verkehrsbedingten schädlichen Abgase trotz des ansteigenden Verkehrs aufzeigt: Dieselpartikelemissionen (Mio. t) Kohlenwasserstoffemissionen (kt) 1.800 1.800 1.600 1.600 1.400 1.400 1.200 1.200 60 50 40 Flug 1.000 1.000 800 800 600 Flug Schiff Schiff 30 Bahn Straße 600 20 400 Straße 400 Bahn 10 200 0 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 52 Flug Schiff Bahn 200 0 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 0 1980 Straße 1985 1990 1995 2000 2005 2010 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 3.4.9. Herausforderung CO2-Reduktion Im Gegensatz zu den „klassischen“ Schadstoffen wachsen die CO2 -Emissionen aus dem Motorfahrzeugbereich noch immer stark an. Hier ist eine deutliche Reduzierung nötig, damit die EU die in Kyoto eingegangenen Verpflichtungen zum Schutz des Klimas und der Erdatmosphäre überhaupt erfüllen kann. Die Europäische Kommission hat Ende Oktober 1998 mit dem Verband der europäischen Automobilindustrie (ACEA) eine Vereinbarung über die Selbstverpflichtung zur Reduzierung der CO2 -Emissionen abgeschlossen; ein Jahr später auch mit den japanischen und koreanischen Automobilherstellern. Darin ist festgelegt, durch technische Maßnahmen eine durchschnittliche CO2 -Emission von 140 g/km (entspricht einem Kraftstoffverbrauch von etwa 6 Liter/100km gegenüber heute 8 Liter) für alle neu zugelassenen Pkw im Jahr 2008 zu erreichen. Das bedeutet, 01/2002 dass jedes Fahrzeug im Verbrauch reduziert wird. Europäisches Parlament und Ministerrat fordern sogar eine Reduktion auf 120 g/km (etwa 5 Liter/100km) für alle neu zugelassenen Fahrzeuge spätestens 2010. Dieses Ziel kann nur durch ergänzende Maßnahmen, z.B. durch steuerliche Förderung und verstärkte Verbraucherinformation, erreicht werden. Um die CO2 -Emissionen aus dem motorisierten Verkehr signifikant zu senken, reichen technische Maßnahmen allein nicht aus. Ebenso wichtig ist eine Änderung im Käuferverhalten. Mit breiter Mehrheit hat das Europäische Parlament deshalb ein Gesetz über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen über den Kraftstoffverbrauch und die CO2 -Emissionen von Neuwagen beschlossen. Die neue Regelung, die eigentlich bis zum 18. Januar 2001 in nationales Recht der 53 01/2002 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt Mitgliedsländer hätte umgesetzt werden müssen, wird dazu führen, dass Pkw-Kaufinteressenten erstmals detailliert über den Kraftstoffverbrauch und die CO2 -Emissionen eines Fahrzeugs informiert werden. Der Handel ist nun verpflichtet, Verbrauchsund Emissionswerte direkt am Auto im Verkaufsraum anzugeben. Gleiches gilt für die Werbung. Daneben müssen Hersteller die zehn verbrauchsärmsten Fahrzeuge einer Klasse auf einer Schautafel nennen, auch wenn sie von einem anderen Hersteller stammen. So kann jeder Fahrzeugkäufer durch einen entsprechenden Kaufentscheid aktiv zum Klimaschutz beitragen. Die bisherigen Prognosen machen weitere Handlungsnotwendigkeiten wahrscheinlich. 3.4.10. „Return to sender“: Rückgabe eines Altautos für den Letztbesitzer künftig kostenfrei Die neue europäische Altautorichtlinie ist ein deutlicher Durchbruch für die umweltgerechte Entsorgung von Altautos. Die neue Richtlinie legt europaweit einheitliche strenge Normen für die Behandlung von Altfahrzeugen fest. Mit dem formalen Inkrafttreten und nach der Umsetzung in nationales Recht muss jedes Auto bei einer zugelassenen Verwertungsstelle abgeliefert werden. Die Annahme und Verwertung erfolgt unabhängig vom Wartungszustand und von den verwendeten Ersatz- und Zubehörteilen. Die Abgabe soll für den Letztbesitzer möglichst kostenfrei sein – nur so kann erreicht werden, dass die Wagen wirklich abgegeben und nicht irgendwo abgestellt oder nach Osteuropa geschleust werden. Die Entsorgungskosten müssen die Hersteller tragen – dies gilt für alle Fahrzeuge, die nach dem 1. Juli 2002 neu zugelassen 54 werden. Diese Herstellerverantwortung für die Entsorgung ist der größtmögliche Anreiz für die Hersteller, die Fahrzeuge so recyclingfähig wie möglich zu bauen, damit sie am Ende ihres Lebenszyklus die Umwelt so wenig wie möglich belasten und für den Hersteller im Wettbewerb möglichst wenig Kosten hervorrufen. Die Frage der alleinigen Kostenübernahme für alle alten Autos hat nichts mehr mit Umweltschutz zu tun, sondern ist eine reine Wettbewerbsfrage. Darum hat das EP versucht, die kostenlose Rücknahme des Altbestandes von der Herstellerverantwortung abzukoppeln. Dies versuchte der Ministerrat jedoch zu verhindern. Im Kompromiss gilt nun die Lösung, dass für Fahrzeuge, die vor dem 1. Juli 2002 zugelassen worden sind, die Hersteller erst ab 1.1.2007 deren Entsorgungskosten tragen müssen. Aber auch für die Fahrzeuge in der „Lücke“ – das sind die Fahrzeuge, die vor dem 1. Juli 2002 zugelassen wurden und vor dem 1. Januar 2007 zu Altfahrzeugen werden – soll möglichst die kostenfreie Abgabe für den Letztbesitzer gelten. Die Mitgliedstaaten sind ausdrücklich aufgefordert, Rücknahmesysteme einzurichten, die dies garantieren. Funktionierende Vorbilder gibt es dazu schon in Dänemark und in den Niederlanden, wo die Käufer von Neuwagen einen Betrag von ca. 75 Euro in einen Fonds zahlen, aus dem dann die Entsorgungskosten der Altfahrzeuge bestritten werden. Das EP konnte leider nicht durchsetzen, dass diese Fonds-Lösung verbindlich vorgeschrieben wird. Die neue Richtlinie enthält detaillierte Auflagen für die Zerlegung und Demontage von Altfahrzeugen. Die Anforderungen an die Betriebe, die als Entsorgungsbetriebe zugelassen werden wollen, sind hoch. Gleiches gilt für Schredderanlagen und THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt Deponien. Die Richtlinie enthält dafür die Vorgaben: maximal 15 Prozent und ab 2015 nur fünf Prozent eines Autos dürfen auf die Deponie gelangen. Ab dem 1. Juli 2003 sind nur noch ganz begrenzte Ausnahmen für die Verwendung von Blei, Quecksilber, Chrom und Kadmium zulässig – mit der Perspektive, auch diese Restbestände an Schwermetallen auslaufen zu lassen. Mit Inkrafttreten der Richtlinie darf Quecksilber nicht mehr auf Deponien gelangen. Möglichst viele Teile sollen wiederverwendet werden. Ausdrücklich ausgenommen von der Richtlinie sind Oldtimer. Die Recyclingfreundlichkeit von Automobilen muss zukünftig deutlich beim Verkauf gekennzeichnet werden und auch Eingang in die Werbung für neue Fahrzeuge finden. Insofern wird die Recyclingfähigkeit von neuen Autos Eingang in deren Typzulassung finden. 01/2002 Damit ist die Altautorichtlinie nicht nur ein umweltpolitischer Erfolg, sondern gleichzeitig wegweisend für kommende Gesetzgebungen in der Abfallpolitik, z.B. für die Behandlung von Elektroschrott oder die Novellierung der Batterierichtlinie. Nur diese Entwicklung, den End-of-Pipe-Ansatz zu verlassen und bereits bei der Konstruktion und Herstellung von Produkten ihre Recyclingfähigkeit bewusst mit einzubeziehen, ist zukunftsgerecht. 3.4.11. Alternative Antriebe stehen vor der Tür Die weitere Optimierung der Verbrennungsmotorentechnologie wird irgendwann an ihre Grenzen stoßen, denn das Verhältnis von Aufwand zu Nutzen wird immer schlechter. Zukünftige Technologien wie die Hybrid- oder Brennstoffzellentechnologie Energiequelle der Zukunft? Strom aus der Brennstoffzelle Eine Brennstoffzelle verwandelt chemische Energie in elektrischen Strom H2 – Elektrolyt 1 BrennstoffEinleitung Wasserstoff (H2) Verbraucher (z.B. Motor) 3a Elektronen – fließen als nutzbarer – – Strom – – H 2 Zerfall von Wasser- H stoff in Protonen (H+) und Elektronen – H H – H H+ H H+ H+ Brenngas- H2 H2 Einleitung O2 – 4 Luft-Einleitung Sauerstoff (O2) Anode Kathode + – H+ O O H+ O + O H H+ O O H+ H+ O2 5 Sauerstoff (O2), Protonen (H+) und Elektronen – reagieren zusammen zu Wasserdampf, der als „Abgas“ entweicht H2O – + 3 Elektronen – und (Anode) (Kathode) O Protonen (H+) fließen auf 3b Protonen wandern getrennten Wegen H durch den Elektrolyten (3a, 3b) zur (z.B. Protonen-AustauschKathodenseite Membran PEM) LuftEinleitung BrennstoffEinzelzelle Stack H Funktionsprinzip O H H Die Energieausbeute wird erhöht, indem einzelne Brennstoffzellen zu Zellstapeln (Stacks) zusammengeschaltet werden. Katalysatoren (z.B. Platin) auf den Elektroden beschleunigen die Reaktion Einsatzmöglichkeiten Fahrzeuge u.a. Autos, Busse, Flugzeuge Häuser, Siedlungen Fabriken, Blockheizkraftwerke © Globus 7301 55 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 müssen deshalb ebenfalls weiterentwickelt werden, um langfristig als sinnvolle Ergänzung zum traditionellen Antrieb zur Verfügung zu stehen. Hier ist die Forschung gefragt und muss gefördert werden; nicht zuletzt, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU auf diesem Sektor sicherzustellen. Dies geschieht innerhalb des mittlerweile 6. Forschungsrahmenprogramms der EU. Die prinzipiellen CO2-Reduktionspotentiale der Brennstoffzelle sind enorm und so ist letztere mittelfristig eine überaus wichtige Ergänzung zu den traditionellen Antrieben. Allerdings scheint der Einsatz der Brennstoffzelle letztendlich nur sinnvoll, wenn sie mit aus regenerativen Energien gewonnenem Wasserstoff betrieben wird, denn nur dann wird die CO2-Gesamtbilanz günstiger als bei optimierten Verbrennungsmotoren. Well-to-Wheel CO2-Emissions (Trends) Compact-Car NEDC, 2010 250 Range CO2-Reduction through Technology Shift CO2 in g/km 200 Gasoline 150 Diesel CNG Methanol (from Natural Gas) CO2-Reduction through Fuel Shift Hydrogen (from Natural Gas) 100 Renewable Fuels Fossil Fuels 50 CO2-Reduction through Methanol Technology Shift Hydrogen Methanol 0 ICE FE ICE Ren-Fuels Hydrogen FC Ren-Fuels Quelle: DaimlerChrysler Das heißt, so revolutionär auch manche Ankündigen klingen – trotz ihrer Stärken ist die Brennstoffzelle keine „eierlegende PSWollmilchsau“ und bringt nicht die Lösung schlechthin. Im Gegenteil gibt es noch eine ganze Reihe von offenen Fragen in der Brennstoffzellenforschung, die vor einer eventuellen Markteinführung bedacht und beantwortet werden müssen: 56 Aus welcher Energie wird der Wasserstoff gewonnen? Ist die Gesamtenergiebilanz am Ende positiv? Wo im Fahrzeug wird der Wasserstofftank untergebracht? (auf Druck, Kühlung, etc. ist zu achten) Wenn kein Wasserstoff für den Antrieb verwandt wird, bringt der Einsatz einer Brennstoffzelle nach Umwandlung des Energieträgers im Fahrzeug noch Effizienzvorteile? Wie wird die komplett neue Infrastruktur (Tankstellen, Transport) geschaffen, die bei Anwendung der neuen Brennstoffzellen-Technologie notwendig wird? Insofern wird die Großserienfertigung des Brennstoffzellenautos eher mittelfristig auf der Tagesordnung stehen. Die Erfahrungen mit den „Zero-Emission-Vehicles“ in Kalifornien zeigen: Es wurden viele Anstrengungen unternommen, aber noch keine befriedigenden Lösungen gefunden. In urbanen Räumen macht der schnelle Einsatz von ZEV oder Brennstoffzellen aufgrund der spezifischen Problemlage bei der Luftqualität wirklich Sinn, doch als generelle Lösung ist dieser Weg zur Zeit noch fraglich. Allerdings hat die Diskussion um die Brennstoffzelle als Antriebsquelle für Kraftfahrzeuge erheblich dazu beigetragen, ungeahnte Optimierungspotentiale bei den Verbrennungsmotoren zu mobilisieren. Mit innovativer Technik haben neue Motoren erhebliche Effizienzsteigerungen erreicht, sowohl bei der Senkung des Verbrauchs als auch beim Wirkungsgrad. Dabei bewegen sich Otto- und Dieselmotor technisch immer weiter in die gleiche Richtung. Gesetzliche Maßnahmen auf europäischer Ebene wird es nur geben, wenn dies Vorteile THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt sowohl in Bezug auf die CO2 -Emissionen als auch auf die anderen Emissionen in der Gesamtbilanz bedeutet. Mit anderen Worten: Die Brennstoffzelleneuphorie darf nicht dazu führen, dass die Anstrengungen zur Optimierung der Ottound Dieselmotoren vernachlässigt werden! 3.5. Effizienter und umweltverträglicher Luftverkehr Der Luftverkehr in der EU nimmt seit Jahren kontinuierlich und deutlich zu. Das gilt sowohl für den Güter- als auch für den Personenflugverkehr. Letzterer hat seit 1960 jährlich um knapp 9% zugenommen, d.h. 2,4 mal so schnell wie das Bruttoinlandsprodukt. Die Luftverkehrsbranche und die damit zusammenhängenden Industriezweige wachsen also schneller als die Wirtschaft der EU im Durchschnitt. Zwischen 1993 und 1997 nahm der inner- und 01/2002 außergemeinschaftliche Passagierflugverkehr um fast 40% zu. Prognosen zufolge ist in den nächsten 15 Jahren eine Verdoppelung der Zahl der Fluggäste zu erwarten. Die starken Zuwachsraten im Luftverkehr gehen einher mit einer deutlichen Zunahme der negativen Umweltauswirkungen des Luftverkehrs. Diese betreffen in erster Linie den globalen Klimawandel, aber ebenso die Lebensqualität und Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger auf regionaler und lokaler Ebene, etwa durch Abgase und Lärm. Durch den Ausstoß des Treibhausgases CO2 trägt der Luftverkehr zum Treibhauseffekt und zum Abbau der Ozonschicht bei. Es wird erwartet, dass zwischen 1990 und 2015 die CO2 -Emissionen um jährlich 3% steigen. Der Gesamtbeitrag zum Treibhauseffekt durch Flugzeuge (einschließlich NOx-Emissionen, Kondensstreifen etc.) dürfte jedoch zwei- bis viermal größer sein als durch CO2 -Emissionen allein. Es wird daher angenommen, dass – Der starke Anstieg des Luftverkehrs könnte bis 2050 bis zu 15% der globalen Erwärmung durch Emissionen bewirken. 57 01/2002 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 3.5.1. Maßnahmen der EU im Luftverkehr Die Luftverkehrspolitik muss zusammen mit der Luftfahrtindustrie die Umweltverträglichkeit des Luftverkehrs in einem Maße steigern, das die negativen Umweltauswirkungen des Wachstums übersteigt. Folgende Maßnahmen sollen zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit des Luftverkehrs beitragen: 3.5.1.1. Schaffung eines einheitlichen europäischen Luftraums Die Überlastung des europäischen Luftraums ist zum größten Teil auf die Zersplitterung des Luftverkehrsmanagements zurückzuführen. Die Folgen: Verspätungen, mehr Treibstoffverbrauch, höhere Umweltbelastung. 58 verglichen mit 1990 – der durch den globalen Luftverkehr verursachte Treibhauseffekt 2015 mehr als doppelt so stark sein wird. Bis 2050 könnten Emissionen aus Flugzeugen bis zu 15% zur globalen Erwärmung beitragen. Problematisch erscheint vor allem, dass die Zuwachsraten im Luftverkehr die Umweltverbesserungen aufwiegen, die aus technologischen und Effizienzfortschritten erreicht wurden. Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit des Luftverkehrs sind daher dringend geboten, gerade auch mit Blick auf die in Kyoto vereinbarten Klimaschutzziele. Die EU muss aus diesem Grund beispielsweise die Einführung umweltfreundlicher Technologien und Betriebsverfahren zur Verringerung von Lärm und Abgasemissionen beschleunigen. Sollten keine Maßnahmen zur Steigerung der Umweltverträglichkeit und der Effizienz des Luftverkehrs ergriffen werden, würden die Emissionsverringerungen nach dem Kyoto-Protokoll bis 2012 zu 50% durch die zunehmenden Abgasemissionen im Luftverkehr (der nicht Gegenstand des KyotoProtokolls ist!) ausgeglichen werden. Trotz Binnenmarkt und einheitlicher Währung ist die Organisation des europäischen Luftraums nach wie vor durch nationale Grenzen und durch eine Zersplitterung des Luftverkehrsmanagements gekennzeichnet. Das europäische Flugverkehrsmanagement besteht heute aus 26 Teilsystemen und umfasst 58 Kontrollzentren. Dies ist auf einer vergleichbaren Fläche dreimal so viel wie in den USA. Folge der nicht vereinheitlichten Luftraumstruktur, Zuteilung und Nutzung sind die ineffiziente Nutzung und Organisation des Luftraums, erhöhte Kosten und massive Umweltbelastungen. Auf die Zersplitterung des europäischen Luftraums sind etwa die Hälfte aller Verspätungen im Flugverkehr zurückzuführen. Der Prozentsatz an Verspätungen von mehr als 15 Minuten ist von 12,7% im Jahr 1991 auf 30,3% im Jahr 1999 angestiegen. Das ist erstens für die Passagiere inakzeptabel und hat darüber hinaus aufgrund zusätzlichen Treibstoffverbrauchs und zusätzlicher Emissionen negative Auswirkungen auf die Umwelt. Die Kommission geht davon aus, dass die unmittelbar mit der Überlastung des Luftraums zusammenhängenden Verspätungen gesamtwirtschaftliche Kosten in Höhe von THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 5 Mrd. Euro verursachen. Die weiteren Gründe für Verspätungen (Auslastung der Flughafeninfrastruktur, operationelle und logistische Gründe) eingerechnet, belaufen sich die Kosten auf 10 Mrd. Euro. Die Union muss auf diese Situation eine gemeinsame Antwort geben. Aus diesem Grund soll bis 2004 ein einheitlicher europäischer Luftraum geschaffen werden, bei dem der Luftraum und das Flugverkehrsmanagement einheitlich gestaltet, reguliert und verwaltet werden. Ein als lückenlose Einheit angelegter Luftraum wird die Wirksamkeit des europäischen Flugverkehrssystems steigern und damit zur optimalen Nutzung des europäischen Luftraums beitragen. Dies wird zu einer deutlichen Verringerung der Umweltbelastungen des Luftverkehrs beitragen. 3.5.1.2. Kerosinsteuer und Umweltabgabe Seit längerer Zeit wird auf europäischer Ebene die Besteuerung von Flugkraftstoff (Kerosin) geprüft. Bisher sind die Luftverkehrsgesellschaften aufgrund internationaler Vereinbarungen in weiten Teilen von Steuern, u.a. von der Steuer auf Kerosin, befreit. Diese Steuerbefreiung hat zweierlei Folgen: Zum einen besteht für die Luftverkehrsgesellschaften kein Anreiz, sparsamere und energieeffizientere Flugzeuge nachzufragen, um damit zur Verringerung der CO2-Emissionen beizutragen. Zum anderen herrscht zwischen den Verkehrsträgern kein gleichberechtigter Wettbewerb. Wettbewerbsgleichheit ist jedoch für ein nachhaltiges Verkehrssystem von grundlegender Bedeutung. 01/2002 hinzuwirken. Da die Erfolgsaussichten hinsichtlich der Änderung der internationalen Rahmenbedingungen für die Kerosinbesteuerung ungewiss sind, wird zugleich die Streichung der Steuerbefreiung für Kerosin auf innergemeinschaftlichen Flügen diskutiert. Auch wird die Möglichkeit geprüft, Flüge nur dann zu besteuern, wenn andere Verkehrsträger, beispielsweise Hochgeschwindigkeitszüge, genutzt werden könnten. Dies hätte den Vorteil, dass sich ein Verlagerungseffekt erzielen ließe, während andernfalls die Besteuerung lediglich zu einer Preiserhöhung führen würde. Neben der Einführung der Kerosinbesteuerung scheint die Einführung einer Umweltabgabe, die auf dem Verursacherprinzip beruht, als vielversprechende Maßnahme zur Verbesserung der Umweltbilanz des Luftverkehrs. Die Kommission hat ihre diesbezüglichen Vorstellungen in ihrer Mitteilung „Luftverkehr und Umwelt: Wege zu einer nachhaltigen Entwicklung“ konkretisiert. Eine Umweltgebühr könnte beispielsweise abhängig gemacht werden von der zurückgelegten Flugstrecke und der Umweltverträglichkeit des benutzten Flug- Mehr als die Hälfte der fünfzig größten europäischen Flughäfen hat seine Kapazitätsgrenze bereits erreicht. Nur ein europäisches Flugverkehrsmanagement und der Einsatz größerer Flugzeuge kann zu einer effizienteren Nutzung der vorhandenen Kapazitäten führen. Die EU versucht aus diesem Grund innerhalb der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) bis zum Jahr 2004 auf die Einführung der Flugkraftstoffbesteuerung 59 01/2002 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt zeuges. Sie könnte als Abgabe in Verbindung mit den Lande- und Startgebühren des Flughafens oder in Form eines Aufschlages auf den Flugpreis erhoben werden. Die Kombination aus Grundgebühr plus Staffelung der Gebührensätze in Abhängigkeit von der Umweltverträglichkeit des Fluggeräts bietet die Möglichkeit, verkehrs-, umwelt- und wirtschaftspolitische Ziele miteinander in Einklang zu bringen. Eine solche Gebühr würde den Einsatz umweltfreundlicherer Verfahren vorantreiben, da sie auf dem Grundsatz „Belohnung“ der besten und „Bestrafung“ der schlechtesten Methoden beruht. Darüber hinaus würde eine Umweltgebühr zu mehr Wettbewerbsgleichheit beispielsweise zwischen Schiene und Luftverkehr beitragen. 3.5.1.3. Optimale Nutzung der Flughafenkapazitäten Mehr als die Hälfte der fünfzig größten europäischen Flughäfen hat die Kapazitätsgrenze bereits erreicht oder steht kurz davor. Notwendig ist deshalb sowohl der gezielte Ausbau der Flughafenkapazitäten als auch die effizientere und rationellere Nutzung der vorhandenen Kapazitäten, beispielsweise mit Hilfe des Flugverkehrsmanagements oder des Einsatzes größerer Flugzeuge. Entscheidend für die effiziente Nutzung der Flughafenkapazitäten ist die Vergabe der Slots (Zeitnischen). Eine Zeitnische ist das Recht, zu einer bestimmten Zeit auf einem Flughafen zu starten und zu landen. Die Kommission hat vor kurzem ihren Vorschlag zur Neuregelung für die Zuwei- 60 sung von Zeitnischen auf den Gemeinschaftsflughäfen vorgelegt. Ziel der Verordnung ist es zu gewährleisten, dass die verfügbaren Zeitnischen für Starts und Landungen effizient genutzt und auf unparteiische, diskriminierungsfreie und transparente Weise verteilt werden. In einem zweiten Schritt ist beabsichtigt, die Vergabe von Slots u.a. von der Umweltverträglichkeit abhängig zu machen. Auf diese Weise entsteht ein heilsamer Druck hin zu der Verwendung umweltverträglicherer Flugzeuge. Zur effizienteren Nutzung der beschränkten Flughafenkapazitäten gehört auch die Förderung der Intermodalität mit der Eisenbahn. Auf zahlreichen Streckenabschnitten, etwa zwischen Metropolen, machen sich Schiene und Flugzeug unnötig Konkurrenz. Es macht jedoch keinen Sinn, Flugverbindungen auf Strecken aufrecht zu erhalten, auf denen wettbewerbsfähige Hochgeschwindigkeitszugverbindungen existieren. Hier könnten Kapazitäten für Strecken frei gemacht werden, für die es bisher keine umweltfreundlicheren Alternativen gibt. 3.5.1.4. Flughafenkooperationsmodelle Überlegungen zu Flughafenkooperationsmodellen stecken noch in den Anfängen. Als Teil eines optimierten Gesamtverkehrssystems sind die Flughäfen Intermodalitätsknoten, die Verteilfunktionen wahrnehmen. Neben dem Wettbewerb zwischen den Flughäfen sind von diesem Gesichtspunkt aus auch Kooperationen erforderlich, wie man sie z.B. in Schweden beobachten kann. THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 FAZIT: 12 SOZIALDEMOKRATISCHE THESEN FUR EINE NACHHALTIGE VERKEHRSPOLITIK 1 Nachhaltiges Verkehrssystem schaffen Grundlage und Maßstab der europäischen Verkehrspolitik muss der Gedanke der Nachhaltigkeit sein. Wir stehen für eine integrierte Verkehrspolitik, die auf der Optimierung des Gesamtsystems wie auch der Optimierung jedes einzelnen Verkehrsträgers beruht. Unser Ziel ist die Sicherung der Mobilität von Menschen und Gütern in einem effizienten, sozial verträglichen und umweltfreundlichen Verkehrssystem. 2 Pro umweltfreundliche Verkehrsträger Trotz der Priorität für Schiene und Binnenwasserstraße beim Aufbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes kommt der Bau der Straßen weitaus schneller voran als der Bau von Infrastruktur für umweltfreundlichere Verkehrsträger. Da der Straßenbau in den Mitgliedstaaten immer noch eine Art Automatismus darstellt, sollte die EU bei der Bereitstellung ihre knappen Fördermittel und bei Krediten der europäischen Investitionsbank für den Aufbau des TEN umweltfreundlicheren Verkehrsträgern absolute Priorität einräumen. Europäische Mittel sollten des weiteren auf grenzüberschreitende Projekte konzentriert werden sowie auf Projekte, die den Abbau von Integrationshemmnissen voran bringen. 3 Kostenwahrheit im Verkehr durchsetzen Kostenwahrheit muss in der Verkehrspolitik auf die Tagesordnung. Die bisherige Ignoranz insbesondere in Sachen Einbeziehung der Umweltkosten widerspricht nicht nur dem Verursacherprinzip, sie benachteiligt vor allem umweltfreundlichere Verkehrsträger wie Schiene oder Binnenwasserstraße. Das Schönrechnen muss aufhören. Die EU braucht die gerechte Anlastung der externen Kosten für jeden Verkehrsträger. Nur so kann es fairen Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern geben. 4 Vernetzung der Verkehrsträger fördern Wir werden die Funktionsfähigkeit unseres Verkehrssystems nur erhalten können, wenn jeder Verkehrsträger seine Stärken voll zur Geltung bringen kann. Die Kooperation und Integration der Verkehrsträger muss ganz oben auf der verkehrspolitischen Agenda stehen. Ziel ist die Schaffung eines intermodalen Gesamtverkehrssystems, das auf der Umstellung von einer verkehrsträgerspezifischen zu einer verkehrsträgerübergreifenden Verkehrsplanung beruht. 5 Weniger Beton, mehr Intelligenz Der Auf- und Ausbau von Verkehrswegen sowie die bessere Verknüpfung der Infrastrukturen ist notwendig, doch darf sich die Verkehrspolitik darin nicht erschöpfen. Der Anstieg der Verkehrsströme verlangt nach intelligenten und innovativen Lösungen. Wir stehen aus diesem Grund für die Förderung und den verstärkten Einsatz von Informations-, Kommunikations- und Satellitennavigationstechnologien in der Verkehrspolitik, um die Verkehrsabläufe besser steuern und optimieren zu können. 6 Bei Entstehung von Verkehr ansetzen Verkehrsverringerung und -vermeidung sind ein wichtiger Bestandteil nachhaltiger Mobilitätsentwicklung. Wir verstehen Verkehrsverringerung nicht als gleichbedeutend mit Verzicht auf Mobilität, sondern als erfolgreiche Rationalisierung von individueller Mobilität und Gütertransport. Unser Ziel ist deshalb die Stärkung des ÖPNV, die Vermeidung von Parallelverkehren sowie als Querschnittsaufgabe die Schaffung verkehrssparender Raumstrukturen. 61 01/2002 THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 7 Verkehrsträger optimieren Hinsichtlich der Umweltleistung der einzelnen Verkehrsträger gibt es noch erhebliche Optimierungsmöglichkeiten, insbesondere bei den dominierenden bzw. den Verkehrsträgern mit dem stärksten Wachstum, der Luftfahrt und dem Auto. Hier gilt es, einerseits den Verbrauch und andererseits die Lärmemissionen deutlich zu senken. 8 Mehr Wettbewerb auf der Schiene Das, was im Straßenverkehr schon gilt, muss auch im Schienenverkehr möglich werden: Ein gemeinsamer Markt für die Schiene, in dem alle Eisenbahnunternehmen ihre Leistungen im Güterund im Personenverkehr ohne Diskriminierungen in ganz Europa anbieten können. 9 Seeschifffahrt stärken – Schiffssicherheit und Ökobilanz weiter verbessern Der Anteil der See- und Binnenschifffahrt am Gesamttransportvolumen muss weiter ausgebaut werden. Die Förderung dieser Verkehrsträger muss eine Priorität für die Europäische Union werden. Damit jedoch diese Verkehrsträger ihre Umweltvorteile ausspielen können, bedarf es einer weiteren Verschärfung der Sicherheits- und Umweltstandards auf den Schiffen sowie einer Revision der Haftungs- und Sozialvorschriften in der Seeschifffahrt. Wenn dies über ein weltweites Abkommen nicht möglich ist, darf die EU unilaterales Handeln nicht ausschließen. Darüber hinaus müssen insbesondere steuerpolitische Instrumente genutzt werden, um den Trend des Ausflaggens zu stoppen und möglichst viele Schiffe, die Europas Häfen anlaufen, auch unter europäischer Flagge fahren zu lassen. 10 Binnenschifffahrt stärken Bisher wurde der Binnenschifffahrt nicht die verkehrspolitische Beachtung geschenkt, die sie verdient. Wir setzen uns ein für die gezielte Förderung der Bin- 62 nenschifffahrt, etwa durch die Beseitigung von Engpässen und den naturnahen Ausbau der Infrastruktur, die stärkere Integration der Binnenhäfen in die Hinterlandverkehre, die Harmonisierung der steuerlichen, sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen im Binnenschiffsverkehr sowie die bessere Verknüpfung von Binnenschiffs- und Kurzstreckenseeverkehren. 11 Mehr Umweltverträglichkeit im Straßenverkehr Mittelfristig wird das Automobil unsere Mobilität bestimmen. Daher kommt es jetzt, nachdem die klassischen Emissionen trotz ansteigendem Verkehr deutlich gesenkt werden konnten, darauf an, den Verbrauch erheblich zu reduzieren. Nur so können wir die schädlichen Klimagase in den Griff bekommen. Das bedeutet, die traditionellen Verbrennungsmotoren zu optimieren und gleichzeitig bessere Kraftstoffqualitäten einzuführen. Parallel müssen alternative Antriebe auf ihre Tauglichkeit, insbesondere hinsichtlich der Gesamtenergiebilanz abgeklopft werden. Zukünftig müssen Autos so umweltfreundlich wie möglich gebaut, genutzt und wiederverwertet werden. 12 Für effizienten und umweltverträglichen Luftverkehr Effizienz und Umweltverträglichkeit des Luftverkehrs müssen deutlich verbessert werden. Hierzu ist eine Vielzahl an Maßnahmen auf internationaler und Gemeinschaftsebene notwendig. Wir müssen endlich den Einheitlichen Europäischen Himmel verwirklichen, um den europäischen Luftraum optimal zu nutzen. Zugleich müssen die beschränkten Flughafenkapazitäten effizienter und rationeller genutzt werden. Notwendig ist zudem die Einführung einer Kerosinsteuer und einer Umweltabgabe sowie die verstärkte Einbeziehung von Umweltparametern (Lärm, Emissionen) bei der Optimierung der Flughafenkapazitäten. THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt 01/2002 WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN Europäische Kommission: „Weißbuch: Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft“ KOM (2001) 370 Mitteilung: „Nachhaltige Entwicklung in Europa für eine bessere Welt: Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung“ KOM (2001) 264 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über GALILEO, KOM (2000) 750 Konsultationsdokument: „Das Programm Marco Polo. Ein neues Förderkonzept für Alternativen zum Straßengüterverkehr“, Brüssel, 22.06.2001 Mitteilung der Kommission: „Luftverkehr und Umwelt: Wege zu einer nachhaltigen Entwicklung“, KOM (1999) 640 Weiterführende Information im Internet: Übersicht über Arbeit des Europäischen Parlaments zur Verkehrspolitik: http://www.europarl.eu.int/committees/rett_home.htm Homepage der Kommission, Generaldirektion Energie und Verkehr: http://europa.eu.int/comm/ dgs/energy_transport/index_de.html Umwelt und Verkehr: http://www.europa.eu.int/ comm/ energy_transport/en/envir_en.html Informationen zu den Transeuropäischen Verkehrsnetzen: http://europa.eu.int/comm/energy_ transport/de/tn_de.html Schienenverkehr: http://www.europa.eu.int/ comm/transport/themes/land/english/lt_0_en.html „Der einheitliche europäische Luftraum. Bericht der hochrangigen Gruppe“, Brüssel 2001 Seeverkehr: http://www.europa.eu.int/comm/ transport/themes/maritime/english/mt_en.html „Mitteilung der Kommission über die Umsetzung des in der Mitteilung über Intermodalität und intermodalen Güterverkehr in der Europäischen Union [KOM (97) 243 vom 29. Mai 1997] festgelegten Aktionsprogramms“ Binnenschifffahrt: http://www.europa.eu.int/comm/ transport/iw/en/site_map_en.htm Mitteilung der Kommission: „Besteuerung von Flugkraftstoff“, KOM (2000) 110 Luftverkehr: http://www.europa.eu.int/comm/ transport/themes/air/english/at_en.html Mitteilung der Kommission: „Die Entwicklung des Kurzstreckenseeverkehrs in Europa“, KOM (1999) 317. Kombinierter Verkehr: http://www.europa.eu.int/ comm/transport/themes/land/english/lt_28_en.html Mitteilung der Kommission über die Sicherheit des Erdöltransports zur See (Erika 1 Paket), KOM(2000) 142 Mitteilung der Kommission über ein zweites Paket von Maßnahmen der Gemeinschaft für die Sicherheit der Seeschifffahrt im Anschluss an den Untergang des Öltankschiffs „Erika“ (Erika 2 Paket), KOM(2000) 802 Europäische Umweltagentur: Stimmt die Richtung? Indikatoren zur Integration von Verkehr und Umwelt in der EU, Term 2000 (Zusammenfassung), Kopenhagen 2000. Europäische Umweltagentur: Indikatoren zur Integration von Verkehr und Umwelt in der EU, Term 2001 (Zusammenfassung), Kopenhagen 2001. Straßenverkehr: http://www.europa.eu.int/comm/ transport/themes/land/english/lt_0_en.html ÖPNV: http://www.europa.eu.int/comm/energy_ transport/en/cut_en.html CO2 und Autos: http://www.europa.eu.int/comm/ environment/co2/co2_home.htm Abgasrichtlinien: http://www.europa.eu.int/ comm/enterprise/automotive/directives/index.htm LISTEC-Datenbank der Kommission zur Typgenehmigung in den Mitgliedstaaten: http://www.listec.lu Übersicht über EU-Emissionsgesetzgebung: http://www.europa.eu.int/comm/enterprise/automotive/pa gesbackground/pollutant_emission.pd 63 ZULETZT IN DIESER REIHE ERSCHIENEN: So hilft Europa seinen Regionen 2000-2006 Die neue EU-Regionalpolitik von Ralf Walter MdEP Über Nizza hinaus Herausforderungen und Perspektiven für die Verfassung der erweiterten Europäischen Union von Klaus Hänsch, MdEP Europa bildet sich EU-Fördermöglichkeiten im Jugend- und Bildungsbereich von Lissy Gröner, MdEP Europa fördert EU-Fördermöglichkeiten von Constanze Krehl, MdEP Unser Geld – unser Euro Der Euro ist mehr als nur neues Geld von Christa Randzio-Plath, MdEP Im Mittelpunkt der Mensch Lösungsansätze für die Daseinsvorsorge in der Europäischen Union von Bernhard Rapkay, MdEP