SchiedsamtsZeitung
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SchiedsamtsZeitung Online-Archiv 53. Jahrgang 1982, Heft 09 Seite 129-130 -Organ des BDS Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen e.V. -BDSPostfach 100452 44704 Bochum www.schiedsamt.de [email protected] Aus der Rechtsprechung StGB § 123; GVG § 176 (Gewaltsames Eindringen in einen Gerichtssaal) Dringen Personen während einer öffentlichen Sitzung eines Gerichts in den Gerichtssaal ein, so kann Hausfriedensbruch vorliegen, wenn der Gerichtsvorsitzende zuvor im Wege der Sitzungspolizei die Zulassung weiterer Zuhörer wegen drohender Überfüllung des Sitzungssaals abgelehnt hatte. BGH, Beschl. v. 19.1.1982 — 5 StR 166/81 (Ergangen auf Vorlagebeschl. des OLG Oldenburg) Zum Sachverhalt: Während einer Hauptverhandlung vor einer StrafK. hatte der Vorsitzende den vor dem Sitzungssaal Wartenden mitgeteilt, dass der Saal voll besetzt sei und keine weiteren Zuhörer eingelassen werden könnten. Die Verteidiger beantragten, die „volle Öffentlichkeit” herzustellen. Der Vorsitzende, dem der Landgerichtspräsident das Hausrecht übertragen hatte, lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass alle Zuhörerplätze besetzt seien. Darauf drückte eine Gruppe von außen die Tür zum Sitzungssaal gewaltsam auf. Verschiedene Personen, unter ihnen die Angekl., drangen in den Sitzungssaal ein, der sodann auf Anordnung des Vorsitzenden geräumt wurde. Der Landgerichtspräsident hat fristgemäß gegen die Angekl. Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs gestellt. Das JugendschöffenGer. und die Berufungskammer haben eine Strafbarkeit wegen Hausfriedensbruchs verneint. Hiergegen wendet sich die Revision der StA, mit der geltend gemacht wird, dass die Angekl. M, B und P auch wegen Hausfriedensbruchs hätten verurteilt werden müssen. Das vorlegende OLG Oldenburg möchte der Revision der StA stattgeben. Es sieht sich daran durch das Urteil des OLG Celle vom 25.7. 1979 (DRiZ 1979, 376) gehindert. Nach Auffassung des vorlegenden OLG steht der Umstand, dass die Angekl. in einen Saal eingedrungen sind, in dem eine öffentliche Gerichtssitzung stattfand, nicht der Anwendbarkeit des § 123 StGB entgegen. Entscheidend ist nach Ansicht des OLG Oldenburg allein, dass die Angekl. im Zeitpunkt ihrer Tat nicht mehr das Recht hatten, in den Sitzungssaal einzutreten und dass „darüber hinaus der Wille des Hausrechtsinhabers dem Zutritt oder der Anwesenheit entgegenstand”. Das OLG Oldenburg geht davon aus, dass dem Gerichtsvorsitzenden während der Sitzung auch dann, wenn ihm Hausrechtsbefugnisse übertragen worden sind, „ausschließlich die Möglichkeiten der § 175 bis 176 GVG” zustehen und dass seine Anordnung, keine weiteren Zeugen einzulassen, eine sitzungspolizeiliche Maßnahme gewesen ist. Das vorlegende Nachdruck und Vervielfältigung Seite 1/3 Nachdrucke, auch auszugsweise, sowie fototemechanische Vervielfältigungen, auch von Teilen eines Heftes, gleichgültig in welcher Anzahl, auch für innerbetrieblichen Gebrauch, sind nicht gestattet. Die vorbehaltenen Urheber- und Verlagsrechte erstrecken sich auch auf die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze; sie sind vom Einsender oder von der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung der ausdrücklichen Einwilligung des Carl Heymanns Verlages. SchiedsamtsZeitung Online-Archiv 53. Jahrgang 1982, Heft 09 Seite 129-130 -Organ des BDS Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen e.V. -BDSPostfach 100452 44704 Bochum www.schiedsamt.de [email protected] Gericht ist ersichtlich der Auffassung, dass die Angekl. dem Hausrecht unterlagen, nachdem ihnen Zutritt und Aufenthalt durch eine sitzungspolizeiliche Maßnahme des Vorsitzenden untersagt worden waren. Auch das OLG Celle (DRiZ 1979, 376 [377]) versteht die während einer öffentlichen Sitzung an Zuhörer gerichtete Aufforderung des Vorsitzenden, den Sitzungssaal zu verlassen, als eine Maßnahme der Sitzungspolizei. Es hält im Gegensatz zum OLG Oldenburg die Strafvorschrift des § 123 StGB für unanwendbar, weil das Hausrecht während einer Gerichtsverhandlung, auch wenn es auf den Gerichtsvorsitzenden delegiert worden ist, von den sitzungspolizeilichen Befugnissen verdrängt wird. Nach Auffassung des OLG Celle lebt das Hausrecht auch nicht insoweit auf, als es „konform” mit den sitzungspolizeilichen Entscheidungen des Richters ausgeübt wird; auch ein „so eingeschränktes Nebeneinander von richterlicher Gewalt und Hausrecht” wird nach Auffassung des OLG Celle „der verfassungsrechtlichen Bedeutung und Stellung des Gerichts nicht gerecht”. Weil es von dieser Rechtsauffassung abweichen möchte, hat das OLG Oldenburg die Sache nach 5 121 II GVG dem BGH zur Entscheidung vorgelegt. Der BGH hat antragsgemäß entschieden. Aus den Gründen:... II. Die Voraussetzungen für eine Vorlage nach 5 121 I1 GVG sind erfüllt. In der Sache tritt der Senat der Rechtsansicht des OLG Oldenburg bei. 1. Die Angekl. haben den Tatbestand des Hausfriedensbruchs (g 123 StGB) verwirklicht, indem sie in einen zum öffentlichen Dienst bestimmten Raum eindrangen. Ihr Verhalten war widerrechtlich, weil der Gerichtsvorsitzende durch sitzungspolizeiliche Anordnung (g 176 GVG) bestimmt hatte, dass keine weitere Zuhörer den Sitzungssaal betreten sollten. Mit der Anordnung des Vorsitzenden war das Recht der Angekl., in den Sitzungssaal einzutreten (g 169 GVG), entfallen. Der Umstand, dass die Anordnung des Vorsitzenden ein Akt der Sitzungspolizei (§ 176 GVG) war, steht der Anwendung des § 123 StGB nicht entgegen. 2. a) Richtig ist der Ausgangspunkt des OLG Celle, dass die sitzungspolizeilichen Befugnisse des Vorsitzenden dem Hausrecht des Behördenleiters vorgehen. Das Hausrecht findet seine Grenze an der Sitzungspolizei (BGHSt 24, 329 [330] = NJW 1972, 1144), wobei es auf die Rechtsnatur des Hausrechts und seine sonstigen Grenzen nicht ankommt. Der Behördenleiter darf als Inhaber des Hausrechts insbesondere nicht einem Zuhörer den Zutritt zum Sitzungssaal verwehren, solange diesem Zutritt keine sitzungspolizeilichen Anordnungen entgegenstehen. Diese Abgrenzung der richterlichen Sitzungspolizei vom Hausrecht des Behördenleiters gewährleistet die Unabhängigkeit des Richters, zu dessen richterlichen Aufgaben auch die Sitzungspolizei gehört. b) Daraus folgt aber nicht, dass derjenige, der entgegen einer sitzungspolizeilichen Anordnung des Vorsitzenden in den Sitzungssaal eindringt, keinen Nachdruck und Vervielfältigung Seite 2/3 Nachdrucke, auch auszugsweise, sowie fototemechanische Vervielfältigungen, auch von Teilen eines Heftes, gleichgültig in welcher Anzahl, auch für innerbetrieblichen Gebrauch, sind nicht gestattet. Die vorbehaltenen Urheber- und Verlagsrechte erstrecken sich auch auf die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze; sie sind vom Einsender oder von der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung der ausdrücklichen Einwilligung des Carl Heymanns Verlages. SchiedsamtsZeitung Online-Archiv 53. Jahrgang 1982, Heft 09 Seite 129-130 -Organ des BDS Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen e.V. -BDSPostfach 100452 44704 Bochum www.schiedsamt.de [email protected] Hausfriedensbruch begeht. Zwar wird der Tatbestand des 5 123 StGB nicht schon dadurch erfüllt, dass der Täter gegen eine hoheitliche Anordnung verstößt, die sich auf seinen Aufenthalt in bestimmten Räumlichkeiten oder seinen Zutritt dazu bezieht (Schäfer, in: LK, 10.Aufl., 5 123 Rdnr. 35); den Hausfriedensbruch begründet erst der Verstoß gegen den Willen des Hausrechtsinhabers, der allerdings die Ausübung des Hausrechts anderen übertragen kann. Indessen fiel hier beides zusammen. Die Justizverwaltung hat den Gerichten die für ihre Tätigkeit erforderlichen Räume zur Verfügung zu stellen und ihnen eine den §§ 169ff. GVG entsprechende Verhandlung zu ermöglichen. Während der Verhandlung ist allein der Inhaber der richterlichen Sitzungspolizei befugt und verpflichtet, den räumlichen Bereich, in dem die Verhandlung stattfindet, von Störungen freizuhalten (5 176 GVG). Der Behördenleiter muss die auf den Zutritt von Zuhörern bezogenen richterlichen Anordnungen hinnehmen und sie nötigenfalls — z. B. durch den Einsatz von Wachtmeistern — auch unterstützen. Daher wird man in der Regel davon ausgehen können, dass der vom Vorsitzenden untersagte Zutritt eines Zuhörers zum Verhandlungssaal auch dem Willen des Hausrechtsinhaber widerspricht. Demnach kann Hausfriedensbruch begehen, wer entgegen einer sitzungspolizeilichen Anordnung in den Verhandlungssaal eindringt. Es ist dafür nicht erforderlich, dass — wie im Vorlegungsfall — der Behördenleiter dem Gerichtsvorsitzenden die Ausübung des Hausrechts übertragen hat. Nachdruck und Vervielfältigung Seite 3/3 Nachdrucke, auch auszugsweise, sowie fototemechanische Vervielfältigungen, auch von Teilen eines Heftes, gleichgültig in welcher Anzahl, auch für innerbetrieblichen Gebrauch, sind nicht gestattet. Die vorbehaltenen Urheber- und Verlagsrechte erstrecken sich auch auf die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze; sie sind vom Einsender oder von der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung der ausdrücklichen Einwilligung des Carl Heymanns Verlages.