SchiedsamtsZeitung Aus der Rechtsprechung
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SchiedsamtsZeitung Aus der Rechtsprechung
SchiedsamtsZeitung Online-Archiv 67. Jahrgang 1996, Heft 12 Seite 185-186 Organ des BDS Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen e.V. -BDSPostfach 100452 44704 Bochum www.schiedsamt.de [email protected] Aus der Rechtsprechung Duldungspflicht spielbedingten Kinderlärms - Spielstraße StVO § 42 IV a; ZPO § 890 1; BGB § 90h 1. Die gegen einen im strafrechtlichen Sinne schuldunfähigen Minderjährigen gerichtete Klage auf Unterlassung tatsächlicher Handlungen ist unzulässig, da ein auf die Klage ergehendes Urteil weder gegen den Minderjährigen noch gegen den gesetzlichen Vertreter vollstreckbar wäre. 2. Der Grundstückseigentümer hat spielbedingten Kinderlärm jedenfalls dann hinzunehmen, wenn dieser Lärm absehbare Folge der Ausweisung des betroffenen Straßenraumes als verkehrsberuhigter Bereich ist, in dem nach der gesetzlichen Regelung Kinderspiele überall erlaubt sind. insoweit besteht auch kein Anspruch auf geräuschfreie Mittagszeiten. OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.10.1995 - 9 U 51195 Zum Sachverhalt: Die Straße, an der die Häuser der Parteien liegen, ist als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen. Die Kinder der Bekl. und andere Kinder aus der Siedlung spielen auf der Straße u. a. Fußball. Die Kl. behaupten, die Kinder der BekI. im Alter von 8 bis 12 Jahren hätten bis Mitte April 1994 "mit nervenzerreißender Regelmäßigkeit' in unmittelbarer Nähe ihres Grundstücks auch während der Mittagszeit und auch nach 20.00 Uhr Fußball und andere Ballspiele gespielt. Dabei hätten sie durch Schreien, Johlen und Pfeifen eine das Maß des Erträglichen übersteigernde Lärmentwicklung verursacht. Eine Erholung in den Mittags- und Abendstunden sei unmöglich gewesen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kl. hatte keinen Erfolg. Aus den Gründen: Die gegen die Bekl. Kinder gerichtete Klage ist unzulässig. Der Klage fehlt das Rechtsschutzinteresse. Denn ein den begehrten Unterlassungsanspruch titulierendes Urteil wäre nicht vollstreckbar. Ein gegen die Kinder gerichteter Unterlassungsanspruch könnte für den Fall der Zuwiderhandlung gern. § 890 Abs. 1 ZPO nur durch Verurteilung zu Ordnungsgeld oder Ordnungshaft vollstreckt werden. Jedoch ist die Verhängung dieser Ordnungsmittel gegen die Bekl. Kinder nicht möglich. Denn die Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsanspruch muss zur Verhängung der Ordnungsmittel schuldhaft erfolgen. Die zwischen 8 und 12 Jahre alten Kinder sind allerdings im strafrechtlichen Sinne schuldunfähig. Ein Urteil gegen die Bekl. Kinder würde den KI. aber auch keine Vollstreckungsmöglichkeit gegen die Bekl. als gesetzliche Vertreter geben. Denn die Verhängung von Ordnungsmitteln gegen den gesetzlichen Vertreter bedarf eines Nachdruck und Vervielfältigung Seite 1/3 Nachdrucke, auch auszugsweise, sowie fototemechanische Vervielfältigungen, auch von Teilen eines Heftes, gleichgültig in welcher Anzahl, auch für innerbetrieblichen Gebrauch, sind nicht gestattet. Die vorbehaltenen Urheber- und Verlagsrechte erstrecken sich auch auf die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze; sie sind vom Einsender oder von der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung der ausdrücklichen Einwilligung des Carl Heymanns Verlages. SchiedsamtsZeitung Online-Archiv 67. Jahrgang 1996, Heft 12 Seite 185-186 Organ des BDS Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen e.V. -BDSPostfach 100452 44704 Bochum www.schiedsamt.de [email protected] zusätzlichen, gegen den gesetzlichen Vertreter gerichteten Vollstreckungstitels. Dies gilt zumindest dann, wenn dem Minderjährigen tatsächliche Handlungen untersagt werden sollen. Denn in diesem Fall ist es der Minderjährige selbst, der dem Verbot zuwiderhandelt. Eines weiteren Handelns seines gesetzlichen Vertreters bedarf es dazu nicht. Eine andere Beurteilung kann sich dann ergeben, wenn dem Minderjährigen ein rechtsgeschäftliches Handeln untersagt worden ist. Hiergegen kann er gegebenenfalls nur mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters verstoßen. Denn wenn der gesetzliche Vertreter für den Minderjährigen ein verbotenes Rechtsgeschäft vornimmt oder genehmigt, handelt er selbst dem Verbot zuwider. Bei tatsächlichen Handlungen der vorliegenden Art ist der gesetzliche Vertreter allerdings nicht selbst Schuldner, der den Minderjährigen betreffenden Verbindlichkeit. Auch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Aufsichtspflicht ergibt sich keine Haftung des gesetzlichen Vertreters für die Erfüllung des Unterlassungsanspruchs. Zwar hat er als Inhaber der elterlichen Gewalt und der Verpflichtung zur Personensorge gem. 1631 Abs. 1 BGB durch Unterrichtung und Beaufsichtigung des Minderjährigen dafür Sorge zu tragen, dass dieser der gerichtlichen Anordnung eines Unterlassungsgebotes nicht zuwiderhandelt. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass die Aufsichtspflicht auch innerhalb des begründeten besonderen Pflichtenverhältnisses gegenüber dem Gläubiger gilt und dem Gläubiger auf diese Weise eine nicht gesondert zu titulierende Vollstreckungsmöglichkeit gegen den gesetzlichen Vertreter bietet. Denn zwischen der Verpflichtung des Minderjährigen aus dem Titel und der allgemeinen Aufsichtspflicht des gesetzlichen Vertreters besteht keine Identität. Gegenstand des Titels gegen den Minderjährigen ist gerade nicht eine erforderliche weitere schuldhafte Verletzung der Aufsichtspflicht im Hinblick auf eine Kontrolle, ob der Minderjährige das Unterlassungsgebot befolgt. Die Kl. haben auch keinen Anspruch gegen die Bekl., lärmintensives Ballspiel der bekl. Kinder zeitweise zu verhindern. Vielmehr haben die Kläger den spielbedingten Kinderlärm hinzunehmen. Es stellt bereits nur eine rein subjektive Wertung der KI. dar, dass Kinderlärm »unerträglich« ist. Auch wenn der Lärm spielender Kinder durch Schreien, Lachen und Toben die Immissionsrichtwerte der gesetzlichen Regelungen der TA-Lärm und VDI 2085 131. 1 zum 'feil erheblich überschreiten kann, führt dies nicht zwangsläufig zu einer wesentlichen Beeinträchtigung. Denn es ist zu berücksichtigen, dass Kinderlärm eine notwendige Ausdrucksform und Begleiterscheinung des kindlichen Spielens darstellt, die nicht generell unterdrückt oder auch nur beschränkt werden kann. Der Begriff der Wesentlichkeit steht daher unter Berücksichtigung einer Güterabwägung zwischen den Interessen der betroffenen Nachbarn an Ungestörtheit und dem Interesse der Allgemeinheit an einer kinderfreundlichen Umwelt und einem allgemeinen Toleranzgebot. Nachbarliches Nachdruck und Vervielfältigung Seite 2/3 Nachdrucke, auch auszugsweise, sowie fototemechanische Vervielfältigungen, auch von Teilen eines Heftes, gleichgültig in welcher Anzahl, auch für innerbetrieblichen Gebrauch, sind nicht gestattet. Die vorbehaltenen Urheber- und Verlagsrechte erstrecken sich auch auf die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze; sie sind vom Einsender oder von der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung der ausdrücklichen Einwilligung des Carl Heymanns Verlages. SchiedsamtsZeitung Online-Archiv 67. Jahrgang 1996, Heft 12 Seite 185-186 Organ des BDS Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen e.V. -BDSPostfach 100452 44704 Bochum www.schiedsamt.de [email protected] Zusammenleben ohne jede gegenseitige Störung ist nicht denkbar. Bereits aus diesem Grund muss jeder Eigentümer Störungen in gewissem Umfang hinnehmen. Die Frage, ob Lärm als wesentliche Beeinträchtigung anzusehen ist, richtet sich damit nach einer wertenden Abgrenzung durch eine situationsbezogene Abwägung. Hierbei ist auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen abzustellen und soziale Interessen des Störers und soziale Auswirkungen des Verbots der Störung sind zu berücksichtigen. Hiernach haben die Kl. spielbedingten Kinderlärm hinzunehmen. Denn bei der Siedlung in der die Parteien wohnen, handelt es sich um ein reines Wohngebiet mit Einfamilienhäusern, die überwiegend von Familien mit kleineren Kindern bewohnt werden. Schon diese Wohnsituation führt zu vermehrtem Kinderlärm. Durch die Ausweisung der T-Straße als verkehrsberuhigter Bereich wird zudem noch bewirkt, dass sich der Kinderlärm nicht nur auf einzelne Grundstücke beschränkt und dort Kinderspiele nicht nur erlaubt sind, sondern noch gefördert werden. Sofern die KI. sich für ein Wohnen in einer derartig kinderfreundlichen Umgebung entscheidet, hat sie die damit zusammenhängenden Nachteile durch Kinderlärm in Kauf zu nehmen. Auch geräuschfreie Mittagszeiten können bei den heutigen Lebensumständen mit zeitlich nicht mehr fest gegeneinander abgegrenzten Arbeits- und Ruhezeiten nicht gefordert werden. Nachdruck und Vervielfältigung Seite 3/3 Nachdrucke, auch auszugsweise, sowie fototemechanische Vervielfältigungen, auch von Teilen eines Heftes, gleichgültig in welcher Anzahl, auch für innerbetrieblichen Gebrauch, sind nicht gestattet. Die vorbehaltenen Urheber- und Verlagsrechte erstrecken sich auch auf die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze; sie sind vom Einsender oder von der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung der ausdrücklichen Einwilligung des Carl Heymanns Verlages.