1992 07 S 103-105 - Bund Deutscher Schiedsmänner und

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1992 07 S 103-105 - Bund Deutscher Schiedsmänner und
SchiedsamtsZeitung
Online-Archiv
63. Jahrgang 1992, Heft 07
Seite 103-105
Organ des BDS
Bund Deutscher Schiedsmänner und
Schiedsfrauen e.V. -BDSPostfach 100452 ‹ 44704 Bochum
www.schiedsamt.de ‹ [email protected]
Das Notwegerecht und seine Bedeutung
von Detlef Stollenwerk, Plaidt
Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige
Verbindung mit einem öffentlichen Weg, so kann der Eigentümer von den Nachbarn
verlangen, dass sie bis zur Behebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke
zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden (g 917 Abs. 1 BGB).
Das Notwegerecht greift also dann, wenn dem benachbarten Grundstück die zur
ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit dem öffentlichen Weg
fehlt. Sofern sich die Betroffenen über die Richtung des Notweges und den Umfang
des Benutzungsrechts nicht einigen können wird dies ggfs. durch Urteil festgelegt
(vgl. § 917 Abs. 1 S. 2 BGB).
Benutzt der Notwegeberechtigte das fremde Grundstück ohne vorher das Verlangen
nach 5 917 Abs. 1 S. 1 BGB gestellt zu haben, so handelt er rechtswidrig. Auch die
Unkenntnis der gesetzlichen Voraussetzungen des 5 917 BGB werden hieran
regelmäßig nichts ändern.
Der Anspruch auf Einräumung des Notweges unterliegt ebenso wie andere
nachbarrechtliche Ansprüche nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch nicht der
Verjährung (vgl. § 924 BGB).
Ob einem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung
nach außen fehlt, bestimmt sich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Die bloße
Schwierigkeit oder Unbequemlichkeit der Benutzung rechtfertigt daher keinen
Notwegeanspruch (OLG Frankfurt, Urt. vorn 10.3.1981, Az. 8 U 219/80, MDR 1981,
S. 932).
Deshalb kann der Notweg wegen bloßen Gewinnes durch Wegabschneidung nicht
verlangt werden, wie es überhaupt ohne Bedeutung ist, ob die Benutzung der
vorhandenen Verbindung etwa kostspieliger ist als eine andere, während eine
unverhältnismäßige Ertragsschmälerung durchaus einen Anspruch auf Notweg
begründen kann.
Das OLG Köln hat mit Urteil vom 4.11.1991 (ZMR 92, S. 53 ff.) nochmals klargestellt,
dass bloße Zeitverzögerungen bei der Benutzung einer an sich ordnungsgemäßen
Zufahrt durch Rettungsfahrzeuge kein Notwegerecht begründen. Auch aus dem
nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebe sich keine Rechtspflicht zur
Beschleunigung, in Notfällen einen Weg über das Nachbargrundstück dauernd
freizuhalten.
Durch die Zubilligung des Notweges entsteht kein dingliches Recht, so dass eine
Eintragung ins Grundbuch nicht in Frage kommt, sogar unzulässig ist. Die Beteiligten
können allerdings etwaige Vereinbarungen im Wege einer Grunddienstbarkeit
dinglich absichern.
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Nachdrucke, auch auszugsweise, sowie fototemechanische Vervielfältigungen, auch von Teilen eines Heftes, gleichgültig in welcher Anzahl,
auch für innerbetrieblichen Gebrauch, sind nicht gestattet. Die vorbehaltenen Urheber- und Verlagsrechte erstrecken sich auch auf die
veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze; sie sind vom Einsender oder von der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert. Der
Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung der ausdrücklichen Einwilligung
des Carl Heymanns Verlages.
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Eine das Notwegerecht begründete Zugangsnot besteht nicht nur dann, wenn das
Grundstück überhaupt keine Verbindung mit dem öffentlichen Weg hat, sondern
auch dann, wenn der an sich vorhandene Zugang wegen seiner tatsächlichen
Beschaffenheit oder wegen der rechtlichen Einschränkung (z.B. im Rahmen einer
Widmungsbeschränkung als Fußweg) eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung des
Grundstücks nicht zulässt. Beweispflichtig dafür, dass eine erforderliche Verbindung
mit dem öffentlichen Weg fehlt, ist derjenige, der den Notweg beansprucht.
Der Notweg muss auch notwendigerweise nicht ebenerdig verlaufen. Bei besonderer
Geländegestaltung, insbesondere in gebirgigen Gegenden, kann es geboten sein,
ihn auf einem höheren Niveau (z.B. über eine Brücke) bei außergewöhnlichen
Verhältnissen auch unterirdisch zu führen. Ein solcher Notweg kann allerdings nur
dann beansprucht wer
Notwegerecht
den, wenn durch ihn der Eigentümer des in Anspruch genommenen Grundstücks
nicht stärker belastet wird als durch einen ebenerdigen Notweg.
Fehlt einem Grundstück die nötige Verbindung zu einem öffentlichen Kanal- oder
Versorgungsnetz, so sind die Bestimmungen der § 917, 918 BGB entsprechend
anwendbar (BGH, NJW 81, S. 1036). Die Länder Baden Württemberg, Hessen,
Rheinland-Pfalz und das Saarland haben in ihren Nachbarrechtsgesetzen das
Leitungsnotwegerecht gesetzlich niedergeschrieben. Da aber die §§ 917, 918 BGB
wie angeführt auch in analoger Anwendung ein Leitungsnotwegerecht enthalten, ist
fraglich, ob für eine Regelung dieser Rechtsmaterie durch den Landesgesetzgeber
noch Raum bleibt. Diese Problematik, die Dehner in seinem Grundwerk zum
Nachbarrecht, 7. Auflage 1991, Anm. S. 38 zu B § 27, aufgreift, soll allerdings nicht
Gegenstand dieser Abhandlung sein.
Umstritten ist, welchen Umfang das Notwegerecht erfasst. Allgemein wird das Recht
zugebilligt, das belastete Grundstück zu begehen, zu befahren, zu reiten, Fässer zu
rollen und Baumstämme zu schleifen. Der Berechtigte ist dagegen nicht befugt, auf
dem Nachbargrundstück zu verweilen und dort Handlungen vorzunehmen, die über
die bloße Wegebenutzung hinausgehen. Demgemäß braucht derjenige, der zur
Duldung des Notwegerechts verpflichtet ist, nicht zu dulden, dass auf seinem
Grundstück Fahrzeuge be- oder entladen werden (BGH, NJW 1960, S. 93).
Der Bundesgerichtshof verneinte auch ein Notwegerecht um eine
Zufahrtsmöglichkeit zur Unterbringung von Kraftfahrzeugen in Garagen herzustellen
(BGH, Urteil vom 9.11.1979, Az. V ZR 85/78, NJW 80, S. 585 ff.). Der Auffassung
des Oberlandesgerichts Frankfurt, die auch ein Recht zum Parken auf dem Notweg
per Urteil einräumte (abgedruckt in MDR 81, S. 932), ist daher nicht zuzustimmen
(vgl. hierzu auch Dehner, Nachbarrecht, 7. Aufl. 91, Anm. zu B § 27, S. 20).
Natürlich wird in der Praxis der Umfang des Notwegerechts im Einzelfall je nach den
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Nachdrucke, auch auszugsweise, sowie fototemechanische Vervielfältigungen, auch von Teilen eines Heftes, gleichgültig in welcher Anzahl,
auch für innerbetrieblichen Gebrauch, sind nicht gestattet. Die vorbehaltenen Urheber- und Verlagsrechte erstrecken sich auch auf die
veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze; sie sind vom Einsender oder von der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert. Der
Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung der ausdrücklichen Einwilligung
des Carl Heymanns Verlages.
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Umständen der Situation festzulegen sein. Für Ausnahmefälle, etwa bei Krankheit,
bedarf es nach Ansicht des OLG Frankfurt (Urteil vom 22.5.1986, Az. 5 U 615/86,
MW 87, S. 226) nicht der Einräumung eines Fahrrechts.
Ist der Notweg zu dulden, so entsteht gern. § 917 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf
Zahlung einer Notwegerente. Über den Zeitpunkt des Beginns der Zahlungsfrist
besteht Uneinigkeit. Einerseits wird die Auffassung vertreten, dass der Anspruch mit
Rechtskraft des Urteils entsteht, andererseits wird wohl richtigerweise auf den
tatsächlichen Zeitpunkt der Inanspruchnahme abzustellen sein.
Nach einer Entscheidung des BGH vom 16.11.1990, Az. V ZR 297/89 (NJW 91, 564
ff.) ist für die Bemessung der Notwegerente nicht auf den Vorteil oder den Nutzen
abzustellen, den der Berechtigte aus dem Notweg zieht, sondern auf den Umfang
des dem verpflichteten Eigentümer entstehenden Nutzungsverlustes. Bei der
Notwegerente bemisst sich der Nutzungsverlust nach der Minderung des
Verkehrswertes, die das gesamte Grundstück durch den Notweg erfährt.
Das Notwegerecht erlischt bei willkürlicher Herbeiführung des Wegebedarfs (vgl. §
918 BGB). Grundsätzlich ist es für die Gewährung des Notwegerechts ohne
Bedeutung, aus welchen Gründen heraus das Bedürfnis für den Notweg entsteht.
Hiervon wird lediglich durch § 918 BGB eine Ausnahme gemacht:
Das Notwegerecht ist demnach ausgeschlossen, wenn die bisherige Verbindung des
Grundstücks mit dem öffentlichen Weg durch eine willkürliche Handlung des
Eigentümers aufgehoben wird. Die Aufhebung ist durch eine willkürliche Handlung
herbeigeführt, wenn sie auf einer freien Entschließung beruht und einer
ordnungsgemäßen Nutzung des Grundstücks widerspricht (vgl. BGH DB 1975, S.
2469). Dabei ist davon auszugehen, dass es nur in Ausnahmefällen eine
ordnungsgemäße Nutzung des Grundstücks darstellt, wenn durch die Errichtung
eines Bauwerks der Zugang zum öffentlichen Weg aufgehoben wird.
Der Zugang zu einem öffentlichen Weg kann auch dadurch einem Grundstück
abgeschnitten werden, dass ein Teil des Grundstücks veräußert wird. An sich hat der
Grundstückseigentümer in diesem Fall den Notwegebedarf willkürlich herbeigeführt.
Jedoch bestimmt $ 918 Abs. 2 BGB, dass das infolge der Abtrennung vom
öffentlichen Weg abgeschnittene Grundstück einen Notweg über den anderen Teil
des Grundstücks beanspruchen kann.
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