was kommt - Die Welt
Transcription
was kommt - Die Welt
APRIL 2016 ICON ICON APRIL 2016 WAS KOMMT Entdecken Sie mehr. D E S I G N P O R T R A I T. Michel Club, sitzsystem design von Antonio Citterio. www.bebitalia.com B&B Italia Stores: München, Maximiliansplatz 21 - T. +49 0894 613680 Berlin, Torstrasse 140 - T. +49 3024 04773781 Plz 0 1 2 3 4 5 Andreas Weber T. +49 5130 5840584 [email protected] Plz 5 6 7 Thomas Köber T. +49 1737 490937 [email protected] Plz 0 7 8 9 Norbert Juelicher - T. +49 1729 572772 [email protected] PAOLO WOODS & GABRIELE GALIMBERT IN „1 % PRIVILEGE IN A TIME OF GLOBAL INEQUALITY“, HATJE CANTZ Auf den Punkt I ch gebe es zu, ich kann da nicht hinsehen. Jedenfalls nicht, ohne mich festzuhalten. Aber wo kämen wir denn hin, wenn wir uns deswegen solche faszinierenden Ausblicke entgehen ließen, wie den vom Pool im 57. Stock des „Marina Bay Sands Hotel“ vor der Skyline des Finanzdistrikts in Singapur, aufgenommen 2013 von Paolo Woods und Gabriele Galimberti. Wenn wir uns nicht in Stimmungen begeben, für die wir uns vielleicht überwinden müssen, die uns aber belohnen durch eine ungeahnte Perspektive. Ich bin auf allen vieren die Pyramiden von Chichén Itzá in Peru hinauf- und rückwärts wieder heruntergekrabbelt, aber der Ausblick, und das (erhaben schwindelige) Gefühl da oben auf einem der großen Monumente der Menschheit zu stehen, ließ jede blöde Gleichgewichtssache albern sein. Design ist eben das, was man aus dem Alltag macht. Das ist das Motto dieser Ausgabe. Und das haben wir auch gedacht, als wir einen Punkt gesetzt haben. Nicht, dass unser ICON je Alltag für uns werden könnte, wir brüten – durchaus dankbar für das Privileg – jede einzelne Ausgabe mit großer Leidenschaft aus. Aber das tun wir im Dezember dieses Jahres, wir können es selbst kaum glauben, schon seit zehn Jahren. Und deshalb haben wir uns, quasi als Warm-up zu unserem Jubiläumsgefühl, schon mal ein kleines DesignGeschenk gemacht. Um Heinrich Paravicini, den Inhaber der renommierten Designagentur Mutabor, die uns beim Markenauftritt unterstützt, zu zitieren: „Neben dem Titelschriftzug ICON steht jetzt ein Punkt, besser gesagt er fliegt – vielleicht schwebt er auch ... in jedem Fall ist er jetzt da. Die perfekte Bildmarke für ICON. Vielleicht kennen Sie das ‚registered‘-Zeichen oben rechts neben einem Logo. Das war uns zu profan. Stylischer ist es doch, genau dies puristisch zu vereinfachen – zu einem Icon eben. Ein Auge? Die Welt? Der ganze Planet des gehobenen Lifestyle verdichtet zu einem Zeichen.“ Nun. In Norddeutschland sagt man, wenn alles bestens ist, ein kurzes: Jo. Das ist ein ganzer, gut gelaunter Satz. Wie unser Punkt eben. COVER: Schauspielerin Marie Bäumer trägt eine Crêpe-de-Chine-Bluse mit Seidenrock von Chanel. Heels: Prada. Brille: Miu Miu „Das ist ja gar nicht meine!“ Dieser Satz fiel während des Modeshootings häufiger. Die Hamburger Fotografin Vanessa Maas und die Schauspielerin Marie Bäumer hatten sich nämlich an diesem Tag für die gleiche Tasche entschieden. „Wir haben sie ständig verwechselt, obwohl der Griff von Maries Modell grau ist, meiner schwarz.“ Sieht ja auch fabelhaft aus, die Kollektion von Ayzit Bostan für PB0110. „Wir beide lieben das schlichte Design, und sie reist jeweils wie ein kleines Büro mit uns durch die Welt.“ Von Starallüren also keine Spur. Die sind beiden ohnehin fremd. „Uns verbindet auch eine Freundschaft. Während des Fotografierens freue ich mich manchmal so sehr über Maries Art und ihr Wesen.“ Die 47-jährige Schauspielerin ist stets vielseitig rollenfest und hat zudem einen guten Humor. Zur Laune dürften auch die designbunten Zimmer des „Hôtel du Cloître“ in Arles nahe Maries Wahlheimat in Frankreich beigetragen haben. Ab Seite 42 TITEL: VANESSA MAAS; DIESE SEITE: MARIO TESTINO; MARIE BÄUMER; JENS SCHMIDT & LYDIA GORGES VANESSA MAAS HOTEL „AIRE DE BARDENAS“ Das Leben in einer Blase ist eben doch etwas Feines. Kommt Ihnen spanisch vor? Nun, das Team der Modestrecke von Jens Schmidt und Lydia Gorges hat im Hotel „Aire de Bardenas“ im nordspanischen Tudela übernachtet. Ein sehr naturverbundener Ort. In den runden Zelten mit transparentem Dach, den „Bubbles“, leuchten abends echte Sterne über dem Bett – und am Morgen ersetzt die Sonne den Wecker. Wer ein festes Dach über dem Kopf bevorzugt, kann es sich in einem der „Cubes“ bequem machen. Klingt nach Fabrik, meint aber moderne Einrichtung und große Fenster mit Ausblick auf die Weizenfelder des Naturparks Bardenas Reales. Auf Wunsch gibt es eine Terrasse und Badewanne im Freien. Auch nach 26 Designpreisen für das von den spanischen Architekten López-Rivera entworfene Hotel bleibt die Atmosphäre betont entspannt. Also, tief durchatmen und die Aussicht genießen, ab Seite 62 IMPRESSUM ICON Chefredakteurin: Inga Griese (verantwortlich) Textchef: Dr. Philip Cassier Redaktion: Caroline Börger, Heike Blümner, Nicola Erdmann, Julia Hackober, Jennifer Hinz, Silvia Ihring, Mira Wiesinger. Korrespondentin in den USA: Huberta von Voss. Korrespondentin in Paris: Silke Bender. Style-Editor in NY: Nadia Rath Autoren: Susanne Opalka, Esther Sterath, Andreas Tölke Redaktionsassistenz: Ursula Vogt-Duyver, Rebecca Bülow Artdirektorin: Barbara Krämer Gestaltung: Maria Christina Agerkop, Katja Schroedter, Adrian Staude Fotoredaktion: Julia Sörgel, Elias Gröb Bildbearbeitung: Thomas Gröschke, Liane Kühne-Kootz Lektorat: Matthias Sommer, Andreas Stöhr Verlagsgeschäftsführung: Dr. Stephanie Caspar, Dr. Torsten Rossmann Gesamtanzeigenleitung: Florian Klages; Anzeigen ICON: Roseline Nizet ([email protected]); Leonie Lepenos Objektleitung: Carola Curio ([email protected]) Verlag: WeltN24 GmbH Druck: Prinovis Ltd. & Co KG, Nürnberg Herstellung: Olaf Hopf ICON ist ein Supplement der „Welt am Sonntag“, die nächste Ausgabe erscheint am 1. Mai 2016. Sie erreichen uns unter [email protected] Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit. 9 ARMANI.COM Von links: Für unser Shooting streift Model Anja durch den Naturpark Bardenas Reales. Kleid und Armreif: Bally. Schuhe: Céline. Ohrring: Hermès JENS SCHMIDT & LYDIA GORGES Rechts: Jacke und Rock von Prada. Ärmelloser Unterziehrolli: „Michael“ Michael Kors. Chiffonoberteil: Prada. Schuhe: Akris. Socken: Falke. Die Ringe sind von Pomellato In die aufregendsten Farben und Muster des Frühjahrs haben wir Schauspielerin Marie Bäumer gehüllt. Seidenkleid: Dolce & Gabbana. Jacke: Paul Smith. Tasche: Salvatore Ferragamo. Ring: Susa Beck ICON APRIL 2016 14 LE BE NSLU S T Design, Living und Interieur treiben diesmal unsere Schöngeister und Stilexperten um 38 GESPRÄCHS -STO FF Bei der Firma Kvadrat macht man mit Stoff alles – nur nicht langweilen. Ein Porträt 24 VE RHE XT UND GUT GEN ÄHT Icona liebt ihren neuen Gothic Look. Iken mag es hingegen clean – buchstäblich 40 WAND-GEWA ND Anna von Mangoldt lässt gern Wände strahlen. Unsere Autorin will nach dem Besuch bei ihr jetzt renovieren. DESIGN 52 PROBIE R’S M AL MIT BE HAGLICHKEIT Wir sprachen mit dem New Yorker Innenarchitekt Peter Marino über den ikonischen Wohnstil von Coco Chanel SEHEN, SITZEN, STAUNEN Esther Strerath sah sich für uns auf der Mailänder Möbelmesse um – die Highlights 54 LABELS TO WATCH Diese fünf (noch) kleinen Möbelmarken haben großes Potenzial 26 28 ITALIE NISCHE EISBRECHERI N Paola Antonelli will über Gegenstände ins Gespräch kommen. Ein Treffen mit der Chefin der Designabteilung vom MoMA 56 IRMAS WO RLD Die Kunstfigur Irma hat sich in Mailand umgesehen. Tipps und Tricks aus Interieur und Gastronomie 30 ÜBE RFLIEGER Jean-Marie Massaud wollte eigentlich Erfinder werden. Dann Flugzeugbauer. Beides wurde er im übertragenen Sinne. Wir haben den Produktdesigner besucht 58 O UT O F THE BOX Im Londoner Concept Store „Dover Street Market“ hat Paul Smith sein erstes Geschäft originalgetreu nachgebaut. Eine Zeitreise. Plus: Das Phänomen „Dover Street Market“ 34 MAT E RIALF ETISCHISTEN Viele Designer starten mit einer Form, bei Henge aber beginnt man stets mit dem Material. Esther Strerath ging auf Metallfühlung bei der italienischen Möbelmarke 60 SHO P IN HO USE In Hamburg setzt der Designer Noé Duchaufour-Lawrance für die Firma Montblanc im schönsten Doppelsinn neue Standards VANESSA MAAS AUSGEWÄHLT 11 BAR REFAELI by Chen Man T H E A R T Big Bang Broderie Sugar Skull. Keramikgehäuse, mit 48 roten Spinellen besetzt. Einzigartiges Zifferblatt aus Karbonfaser mit feiner St. Gallener Stickerei in Form einer blütenartigen Arabeske. Armband aus bestickter Seide, aufgenäht auf schwarzem Kautschuk. Auf 200 Exemplare limitierte Serie. BOUTIQUES O F F U S I O N 76 BEAUTY NEWS Auch hier kommt es auf das Aussehen an: Besonders hübsch gestaltete Kosmetika 78 MUNITIO N AUS ROSEN Der Macher von „Juliette has a Gun“ über olfaktorische Outfits, Vater-Sohn-Beziehungen und das Dasein als Urenkel der großen Nina Ricci WE NN HO LLÄN DER EINEN AUF DICKE HOS E M ACHEN Dann kommt das sogenannte 3-DDenim dabei heraus. Bei G-Star hatte man allerhand zu erzählen über die Kulthose und einen Markt im Umbruch 61 WATCH O UT! Auch auf dem Sonnenbrillenmarkt tut sich was: Newcomer, Kooperationen und Objekte der Begierde 62 THE SIMPLE LI F E Reduzierte Outfits in karger Landschaft. Klingt öde? Ist es aber nicht! Ein Shooting in der Halbwüste Spaniens KOSMETIK 73 IN HÜLLE UN D F ÜLLE Diesmal geht’s um Äußerlichkeiten – von Flakons. Plus: Neue Produkte 74 MACHT DER VERPACKUN G Bei Shiseido verblasst der Tellerand, die Marke darf sich weiter entwickeln. Wir schauten in Tokio, wohin die Reise gehen könnte Kultiges Konfetti: Clutch von Miu Miu 50 FARBE BE KENNEN Marie Bäumer posierte in Südfrankreich in den prächtigsten Farben der Saison. Ein in vielerlei Hinsicht facettenreichen Ergebnis. GESCHICHTEN 80 GLO BAL DIARY Diesmal geht es nach Frankreich, Tansania und an die Costa Navarino 81 MI CASA ES SU CA SA In diesem Hotel soll nicht einfach nur übernachtet werden. In diesem Hotel soll man sein: Das „Casa Bonay“ in Barcelona ist mehr Zuhause als Herberge 82 DER BAUPLA N Es wird musikalisch: Wir durften bei Steinway zusehen, wie ein Flügel entsteht p ri m a : s ic h a u c h o tt i, s e t z it s So n M in e s li e “ v o S a lo n e S e s s e l „L e d f ll a u m e s te n u d ie a k tu e e ih re n e d e l M o b il z e ig e n E n tw ü rf e Go green: Die „C de Cartier“-Minitasche 42 Alles auf eine Karte setzen: Minaudière von Chanel I’ve got the flower! Die „Double Baguette Micro“ von Fendi Flachmann: Clutch „Explore“ von Dior Really red: Die Tasche ist von Giorgio Armani Mustergültig: Die „Metropolis“ von Furla Grauzone: Die „Bespoke Bag“ von Boss Minimal: Die „Mini Trunk“ von Marni Signal setzen: Die „Micro“ von Aigner Klein ganz groß: „Dionysus Blooms Mini“ von Gucci MODE Was Handtaschen betrifft, ist bigger derzeit nicht better – kleine Begleiter für große Anlässe APRIL 2016 Klein & fein ICON Lie b kön habe r vo n e Co mb n wied n Ico yne n e -Ap r ihre a und pn L ach ooks Gema h kau m fen it de l Iken . Se r ite 24 13 STILISTEN FANG TONG,YELLOWKORNER/WWW.YELLOWKORNER.COM WIE VIEL DESIGN BRAUCHT MAN EIGENTLICH? UNSERE STILISTEN HABEN DARÜBER NACHGEDACHT Kunstspringer Vor dem Absprung lebt die Illusion. Noch ist nicht alles auf eine Karte gesetzt, noch lässt sich die Zukunft in den schönsten Farben erträumen. Und vielleicht hat Fotografin Fang Tong deshalb für die Nr. 3 ihrer „Love Illusion“-Serie gar kein (Happy) End vorgesehen. In jedem Fall ist ihr Werk noch bis 18. Mai Teil der Pop-up-Ausstellung „Dolce Vita“ in allen „Yellow Korner“-Galerien. Etwa Neue Schönhauser Str. 15, Berlin. Erst im Zuge der Industrialisierung und mit Beginn der Massenproduktion übernahm der seinerzeit noch Modeller genannte Designer die Arbeit an der Schnittstelle zwischen Kunst und Industrie. Gestalter aller Genres fühlten sich berufen, der Flut neuer Produkte eine Form zu geben, bis Mitte des 19. Jahrhunderts das „Journal of Design“ den Begriff in England definierte. In Deutschland reformierten wenig später Gestalter wie Richard Riemerschmid und Peter Behrens Wohnen und Alltagsgegenstände. Der Werkbund wurde gegründet und schließlich das Bauhaus. In den USA rückte die Gestaltung am Anfang des 20. Jahrhunderts im Zuge der Entfaltung der Konsumgesellschaft und den neuen Vertriebsmethoden in den Blickpunkt und seit Anfang der 30er-Jahre war dann das New Yorker Dr. Maria Museum of Modern Art Sprachrohr des Designs Schneider der Moderne. Wenn heute der Designtheoretiker Kreativdirektorin Friedrich von Borries von einem erweiterten Deder Autostadt in Wolfsburg signbegriff spricht, lädt er ein, sich die Fülle von täglichen Designentscheidungen bewusst zu machen. Innovative Designbüros wie mischer’traxler experimentieren an der Schnittstelle zwischen Handwerk und Technologie. Für Manuel Goller und Sebastian Schönheit vom Büro New Tendency zeichnet sich zeitgenössisches Design aus durch Einfachheit und Handarbeit. Sebastian Scherer von Neo/Craft experimentiert mit dem Zusammenhang von Funktion und Materialität. Julia Lohmann gründete im Victoria and Albert Museum das Department of Seaweed und untersucht das Verhältnis vom Menschen zu Flora und Fauna. Stellt Fragen wie: Sind Meeresalgen ethisch betrachtet als Designmaterial geeignet? Themen wie Einfachheit, Handarbeit und Materialität bestimmen heute das Nachdenkens über ein Design, das über Funktionalität und Form hinausgeht. WAS IST DESIGN? Naturstein: Die Kollektion „Chevauchée“ gibt Onyx, Jaspis und Co den Feinschliff H E R M È S , N E U E R WA L L 4 0 , HAMBURG GANZ E L E E IE NEU D Während der Pariser Fashion Week, zwischen zwei Modeschauen, beschlossen wir zusammen mit der Lifestyle-Bloggerin Garance Doré ihr gerade erschienenes Buch „Love x Style x Life“ in unserem Store vorzustellen. Die zahlreichen deutschen Fans freuten sich, ihr Online-Idol live zu sehen und Garance fühlte sich wohl bei uns. Trotzdem, das Bild, das sie am Tag danach in ihrem Blog veröffentlichte, war nicht die Mode, die sie umgab. Nein, es zeigte sie gemütlich auf dem Sofa sitzend – in meiner Berliner Wohnung beim Interview. Interieurs, Design, Ambiente, alles Dinge, nach denen sie und ihre modebegeisterten Leserinnen immer mehr verlangen. Noch vor Kurzem gab es bei Gucci zum Beispiel laufend Mega-Shows und Geschäftseröffnungen. Der neue künstlerische Leiter, Alessandro Michele, hat jedoch ein Gespür dafür, in welEmmanuel che Richtung sich der Wind gerade dreht. Vor zwei Monaten de Bayser schickte er eine sehr persönlich gestaltete Einladung: Das MaMitbesitzer von The Corner gazin 032C lud einen kleinen Kreis zu Johanna von Boch zu eiBerlin ner „Gucci Soirée privée“. Hübsche Blumenbouquets verstreut in ihrer mit viel Poesie eingerichteten Berliner Wohnung bildeten den atmosphärischen Hintergrund für einen gelungenen Abend der neuen Art: Freunde, House DJ, Champagner. Alle tanzten wie verrückt, die Mädchen in romantischen Gucci-Kleidern, die Männer in pelzgefütterten Slippern und blumenbestickten Hemden. Man amüsierte sich in Gruppen, machte Selfies, fotografierte die Wohnung. Authentizität, Intimität, Atmosphäre: Das ist die neue Eleganz. Farbenfroh kolumbianisch ist Marnis neue Möbelkollektion. In Südamerika weiß man: Gute Stimmung kommt am besten bei einem Tänzchen auf. Das ließen sich die Italiener nicht zweimal sagen und funktionierten den Mailänder Showroom anlässlich des Salone del Mobile zum „Marni Ballhaus“ um. Getanzt wird der traditionelle Cumbia. Ja, alle (Schaukel-) Stühle, Tische, Lampen und Vasen wurden in Kolumbien gefertigt. Materialien wie Metall, Holz, handgewebtes PVC machen die Kollektion finca-, ähm gartentauglich. Geht im Großstadtdschungel nicht unter, die limitierte CamouflageKollektion von Tobias Rehberger für MCM G I B T ’ S E T WA I N M Ü N C H E N , M A R I E N P L A T Z 11 Ein Schrank voller High Heels: Zum 20. Jubiläum hat sich Sandra Choi, Kreativdirektorin von Jimmy Choo, etwas Besonderes einfallen lassen – die „Memento Trunk“ ist gleich mit 20 Paar Schuhen ausgestattet. Man muss nur noch seine Schuhgröße angeben. Bestellbar im Münchner Flagshipstore (Tel. 089/50 07 79 60) 16 MARNI BALLHAUS Schaukeln und schunkeln FRÜHJAHRSPUTZ IM SCHRANK Jetzt ist die Zeit, um den Kleiderschrank vom Wintermodus auf Sommermodus umzustellen, luftige Kleider und Sandalen in die vordere Reihe zu holen, die Winterjacken einzumotten. Dabei lässt es sich gleich herrlich ausmisten. Wenn Sie ein paar Tipps befolgen, geht’s leichter: 1. Das Wichtigste in Ihrem Kleiderschrank sind die klassischen Basics, die Sie immer wieder tragen. Legen Sie diese (und absolute Lieblinge, egal wie alt) beiseite, bevor Sie mit dem Ausmisten beginnen. 2. Denken Sie an Vielseitigkeit. Wenn Sie ein Kleidungsstück nicht auf drei verschiedene Arten kombinieren können, brauchen Sie es nicht in Ihrem Kleiderschrank Fanny Moizant aufzubewahren. Gründerin von 3. Verfahren Sie nach dem „Ein Teil rein – ein Teil raus“„Vestiaire Schema und sortieren Sie unbedingt ein Teil aus, wenn Collective“ Sie sich ein neues kaufen. in London 4. Seien Sie mutig! Wenn Sie etwas in den letzten 18 Monaten nicht getragen haben, sortieren Sie es bitte aus. Es wird sich nicht ändern ... 5. Gehen Sie bewusst den Stapel mit den aussortierten Teilen durch. Entscheiden Sie, welche weiterverkauft werden können, was gespendet oder endgültig entsorgt werden kann. Artikel in sehr gutem Zustand oder begehrte Stücke oder Accessoires haben einen hervorragenden Wiederverkaufswert. Investieren Sie den gewonnenen Betrag in neue Kleidungsstücke. DVA Wie im Bilderbuch Detox, Spa, Massage? Firlefanz! Ausmalen ist der neue Entspannungstrend. Wer zeichnet, baue Stress ab und steigere die Konzentration, sagen Wissenschaftler. Also gibt es auch Malbücher für Erwachsene: „Tapetenwechsel“ führt durch die Jahrhunderte des Tapetendesigns seit 1730 – unkoloriert versteht sich. Einrichtung und Hund sind dabei. Fazit: Die Tapeten wechseln, der entspannte Mops ist noch immer en vogue. (Deutsche Verlags-Anstalt) Form follows Punktion Florentine Joop llustratorin und Autorin in Berlin 18 Gutes Design bringt die Dinge auf den Punkt. Somit ist dieser Satz schon einmal gutes WortDesign. Wobei die etwas zu modernen Ansichten der aktuellen Designer bei dem Volk genau wie allzu moderne Kunst immer erst mal ein Naserümpfen erzeugen. Misstrauisch beäugt man dann, was man nun haben wollen soll – und der Toaster an sich wurde ja schon erfunden, aber wenn Herr Porsche Hand anlegt, dann kann man den Toast sozusagen neu erfahren. Es sei denn, man fährt auf Toast nicht ab. Design unterliegt, wie Kunst auch, einem meist ruhmreicheren Alterungsprozess. Modernes Design wird zum Klassiker, egal wie scheußlich man es in der ursprünglichen Gegenwart auch fand, erst wird es vintage und je mehr Zeit verstreicht, desto mehr bekommt es den würdigen Titel: retro. Irgendwann wird’s antik. Und das ist genau wie in der Kunst auch der Moment, wo es wirklich jeder irgendwie schön findet. Design – im Gegensatz zur Kunst – soll sich an dem Gebrauch orientieren. Es beugt sich der Technik und dem Konsumentenwunsch. Der Künstler gibt vor, dass ihm all diese Dinge schnuppe sind und lächelte verächtlich, würde man ihn zur Funktionalität seiner Werke befragen oder ob seine Skulptur auch kundenbedienfreundlich sei. In meiner Jugend in den 80er- und 90erJahren, wollte man „irgendwas mit Design“ studieren. Heute irgendwas mit Medien. Aber damals war Design ein Zauberschwert, welches dem Besitzer oder Studenten Macht, Unsterblichkeit, Ruhm und Moneten versprach. Heute kann man sich das nicht mehr vorstellen, aber einst wurde vielen unsexy Studiengängen einfach ein Design hintendran geklebt, um die Textilverarbeitung und das Fotografieren, das Schnippeln von Grafiken am Zeichenbrett und das Herumschneidern an Modepüppchen wieder schmackhaft zu gestalten und der Studenten habhaft zu werden. Aus Fotografie wurde Foto-Design, aus Grafikern wurden Grafik-Designer, und aus Bekleidungs- und Textiltechnik wurden Mode-Design und alle waren happy. Ich wurde erst gewahr, dass auch ich dazugehöre, nachdem ich mein Diplom genauer betrachtete und feststellen musste, dass ich ein Illustrations-Designer bin. Ach du Schande. Da hatte ich mich jahrelang lustig gemacht und war ganz plötzlich auch einer von ihnen. Ich beschränke mich nun mehr und mehr auf Wort-Design. Also nicht, wie diese Schrift-Designer, ehedem Typografen, die Schriften in die Länge und in die Breite ziehen, sondern ich finde die Sprache an sich unterliegt auch einem Design-Gefühl. Das Wort „Kö-tauglich“ ist eines meiner liebsten. Oder Restaurant-Qualität. Heute pappt man gern auf Hängeware ein „Design“-Etikett und schon ist die Jeans geadelt, weil Design immer ein Streben nach Perfektion verspricht. Perfektion ist gesucht und nie erreicht. Es gibt sie nur als Augenblick. Zeitlos ist auch ein Wort, das im Zusammenhang mit Design und Kunst verwendet wird. Das bedeutet, dass es so gut ist, dass es den Alterungsprozess, um zum Klassiker zu werden, einfach überspringen kann und schon gleich quasi unsterblich daherkommt. Zeitlos möchte man sein. Zeitlose Schönheit, zeitlose Pracht. Uhren in zeitlosem Design finde ich am besten. Zeitlose Mode, herrlich nie in Mode sein und deshalb nie aus ihr raus. Zeitlose Kunst hingegen findet man in der Gegenwart weniger, sie kommt meist aus einer anderen Zeit, war sehr modern einst und hat viel Zeit überdauert, ohne unmodern zu werden. Trotz vieler Parallelen, verschmelzen kann man die Begriffe nicht so einfach. KunstDesigner. Was ist das denn? Design-Kunst schon eher. Aber auch unperfekt. Bleibt eben doch nur der perfekte Augenblick. FLORENTINE JOOP „EIN PERFEKTER AUGENBLICK“ HOW TO ART – TEIL X: Aufwärmphase Die Arbeiten von Aktfotograf Sante D’Orazio aus den 90erJahren lassen sich so beschreiben: wahnsinnig heiß. Seine Making-of-Fotos haben es ebenfalls in sich, zeigt der Bildband „Polaroids“. Er erschien anlässlich des 60. Geburtstags des Künstlers. (Schirmer/Mosel) Guter Geschmack ist ein zwiespältiger Wesenszug bei der Weinauswahl. Natürlich ist er, was das Produkt betrifft, zwingend erforderlich. Er kann einen aber auch fehlleiten, wenn man sich von einer schönen Flasche blenden lässt. Auch die hübscheste Verpackung macht noch lange keinen guten Wein – oft werden mit dem Äußeren sogar Schwächen des Inhalts kaschiert. Ich bin Purist, was das angeht. Klar und einfach sollte eine Flasche gestaltet sein. Konzentrieren wir uns auf die inneren Werte. Ein viel besseres Qualitätskriterium als das Etikett ist sowieso das Herbert Seckler Glas. Je dicker und schwerer, desto Kultwirt vom hochwertiger ist in der Regel der Wein. Sylter „Sansibar“ Doch Sie ahnen: Auch diese Faustformel hat ihre Grenzen. Ganz anders macht es nämlich der Silver Chardonnay von „Mer Soleil“ aus Kalifornien. Er ruht in Metallfässern anstelle von Holz. Das natürliche Traubenaroma bleibt auf diese Weise unverfälscht. Anschließend wird er in eine schwere, graue Keramikflasche abgefüllt. Die macht schon was her. Und hält sie dann, leer und dekorativ, die ersten Frühlingsblumen, bleiben zumindest die Erinnerungen an den frischen Geschmack reifer Zitrusfrüchte. SANTE D'ORAZIO / COURTESY SCHIRMER/MOSEL SCHÖNER SCHEIN ER ET M G RO BA GAN D EN OLF TR NW VO P O JO ZIGN UND SONST NOCH 20 FASSADENKLETTERER: Mit dem flexiblen Schuhregal von Designer und Architekt Sigurd Larsen für „Zign“ lassen sich Wände füllen. Es wächst mit der Kollektion. Ausmisten? Nö, bei Bedarf wird einfach angebaut (zign.com) — SCHLAUE MÖBEL sind auch das Ergebnis der Kooperation von Loewe und dem „Smart Furniture“-Hersteller Spectral. Der Trick: Technik, die nicht zu sehen ist. Kabel werden versteckt und Smartphones laden durch bloßes Hinlegen auf — BAUBOOM: In der Bonner Bundeskunsthalle läuft bis Mitte August die Ausstellung: „Das Bauhaus. Alles ist Design.“ Alles ansehen! — SCHÖNE NEUIGKEITEN: Gerade noch präsentierte Molteni auf dem Salone del Mobile seine Neuheiten, da legt man schon mit einem aufgefrischten OnlineAuftritt nach(molteni.it) Herr Haka Es herrscht eine Stimmung wie in den 60er-Jahren. Bis dahin galt „Rive droite“, bei Balenciaga, Chanel bis Dior wählten die Kundinnen individuell ihre Modelle aus. Die Moderedakteure mussten nachts betteln, ob sie etwas fotografieren könnten, denn tagsüber hatte gerade Lady BlaBla das mit dem großen Fuchskragen zur Ansicht. Dann kam plötzlich „Rive Gauche“. Prêt-à-porter. Man konnte es angeblich gleich wegtragen, was nicht stimmte, aber es veränderte die Wahrnehmung nachhaltig. Heute regiert der soziale Netzwerk-Kundentypus, für den Fashion ein emotionales Momentum ist. Bestager anpeilen? Was soll so Marketingsprech noch? Frau Dob Jetzt muss es heißen: Ich mache ein Produkt, weil ich daran glaube. Das ist das neue Bekenntnis. Es gilt auch anders herum: Ich konsumiere dieses Produkt, weil ich mich damit besser, glücklicher fühle. Und nicht, weil ich Gesetze der Gesellschaft, des Red Carpets erfülle. Ich fühle mich gut. In dieser Zeit großer Ängste, ist das eine wichtige, gar nicht egoistisch gemeinte Ansage. Luxus. UND SONST NOCH GREENHOUSE/JONAS LINDSTROM EIGENGEWÄCHS: Wer es auch daheim grün mag, kann entweder die Wände streichen oder gleich das „Greenhouse“ von Design Stockholm aufstellen. Es braucht lediglich 130 x 95 Zentimeter Platz (über [email protected] bestellen) — ERÖFFNUNG: Nur weil die Tage wieder länger werden, muss der Schlaf nicht zu kurz kommen. Im ersten Shop der Matratzenexperten von „Muun“ dürfen nicht nur Loriot-Fans mal Probe liegen (Mulackstraße 16, Berlin). Und es darf auch zu Hause getestet werden — AUFWACHEN AUF KNOPFDRUCK: Wer trotzdem nicht aus den Federn kommt, kann per Nespresso-App und der neuen „Prodigio“-Maschine den dringend benötigten Kaffee vom Bett aus aufbrühen (im App-Store und über nespresso.com) — BUON APPETITO: Alessi hat Pizzaroller und Eislöffel für Härtefälle gestaltet. Pusteblume CAROLA BRACKROCK Einen langen Atem brauchte die Künstlerin Carola Brackrock für ihre Serie „Pustefarben“. Bis zum 8. Mai zeigt die Ausstellung „Digitale Originale“ in der Galerie STP in Greifswald eine Auswahl ihrer digital überarbeiteten Naturaufnahmen. ST I R 19, stuIGE ICHER diert,Unsertrinkt,SohnundDavid, N liebt FilmreE W CKL gie („HFF“) in Schwabing (wie EichinÜ L ger, Dietl, Fassbinder, Valentin). Seine Oase: zwei G David Blieswood Connaisseur aus Hamburg 22 Zimmer. Was braucht ein junger Mann? Doppelbett, WLAN, Ikea-Küche (Geschirrspüler), Schreibtisch, Besucher- und BesetzungsCouch, Flat-TV von Medion (mit DVDSchlitz), Apple Powerbook, Holz-RuderTrainer (Manufactum), Eisschrank voller Augustiner-Bier und einen Masskrugwurf weit: die Bier-Kult-Kneipe „Alter Simpl“. Eine Test-Couch-Übernachtung bei unserem Sohn macht aus mir altem Sack (60 plus) wieder einen glücklich verkaterten Romantiker. Entrümpelter Lifestyle! Lastlos sein schlägt Design. Viel Weiß. Viel Leere. Viel Luft. Viel Zeit. Wenig Geld. Lieblings-Klamotten: Hannes Roether (München). Lieblings-Industrie-Design: „flatsix.hamburg“. Lieblings-Essen: „Bratwurst Glöckl am Dom“ und „Andechser am Dom“ (sensationeller Wagyu-Burger!). Lieblings-Bar: Nur „Schumann’s“. Charles ist angeblich 74, äußerlich 54, im Herzen 34 und Oberpfälzer wie ich. Als ich nach Mitternacht allein meine labyrinthische Suite 328 im „Bayerischen Hof“ aufknipse und mit einem Minibar-„Fürstenberg“ am Kachelofen sitze, weiß ich, dass unser Sohn glücklicher lebt als ich. Eine kurze Nacht lang war ich wieder 19 und unbekümmert – so weit ich mich erinnere. Am Morgen ruft Schwabing an: „Kann ich zum Schwimmen im Pool kommen – und hast du eine Badehose?“ Cool: Auf 100 Stück limitierter Kühlschrank mit sizilianischer Handmalerei VON DOLCE & GABBANA UND SMEG.COM OH, LOOK! UNSERE ICONA ZEIGT IHRE AKTUELLEN LIEBLINGSTRENDS ILLUSTRATIONEN: JAMES DIGNAN (JAMESDIGNAN.COM) HEXICONA Magisch gewickelt? Das Halstuch ist von Drykorn Pflegeleichter Flattermann: Den „Eames House Bird“ von Vitra gibt’s bei iconist.de + + Donnerwetter! Die LederBomberjacke von The Row gibt’s über net-a-porter.com Nix da Schwarzmalerei! Der Überlack von Chanel bringt auf Hochglanz + Wicked! Kleid aus Makrameespitze ist von No. 21 Icona treibt gern ein böses Spiel mit ihrer Tischtenniskelle von Adidas + Double Trouble: Der „Slice“ von snarkitecture.com ist Ess- und Pingpongtisch zugleich Zweimal schwarzer Kater: Die Schuhe sind von Charlotte Olympia über matchesfashion.com + = 21.300 € PURISTIKEN Ruhig mal gemütlich abhängen: Garderobe „Bazar“ von Richard Lampert gibt’s bei markanto.de + + + Bubble Bath? Oh, ja! Den Spiegel „Epoca“ von Schönbuch gibt es über dieterhorn.de Umgarnt: Der Bademantel ist von Zimmerli über mrporter.com 24 Abgetaucht: Iken zieht sich gern mal in seine Badewanne „Cuna“ von agapeberlin.de zurück Fels in der Brandung: „Hanging Rock Cream“ von Prospector Co. über nichemen.com In Flausch und Braus: Handtücher „Bamboo Luxe“ von Möve + + Nah am Wasser gebaut: „Chic for Men“ von Carolina Herrera Zeit für eine Auszeit: „Oyster Perpetual“ von Rolex = 16.777 € + BOSSA NOVA WHEN STYLE BECOMES A STATEMENT. RIMOWA Stores in Deutschland: Hamburg, Köln, München, Stuttgart www.rimowa.com INTERTOPICS/MPTV/MARK SHAW cher als Ausdruck ihrer Persönlichkeit präsentierte, setzen wir das Ambiente ein, um die Produkte und Kleider wirken zu lassen. Die modernen Ikonen dazu sind ein Ingrid-DonatTisch, ein goldener Wendell-Castle-„Firebird“-Stuhl und Alastair-Cook-Keramiklampen in schwarzem und goldenem Kontrast. Kleine Oase: das Wohnzimmer von Coco Chanel in ihrem Pariser Appartment EINRICHTUNG Wohnen wie bei Mademoiselle Privat und geschäftlich waren eins bei Coco Chanel. Das prägt weiterhin das Design der Boutiquen. Die Wohnzimmer der Kunden offenbar auch N 26 ach Coolness und Loftstil geht der Trend nun wieder zu Behaglichkeit, neben Teppichen und Tapeten feiern Farbtöne wie Beige oder Braun ihr Comeback. Nicht ganz unschuldig daran ist eine Frau, die vor mehr als 80 Jahren Codes setzte, die ihr Unternehmen bis heute prägen, ebenso wie Wohnungen. Die Vorgaben sind bis heute zu besichtigen. In der Mode wie in Coco Chanels Privat-Appartement in der 31 Rue Cambon in Paris. Nicht nur, dass es relativ ungewöhnlich ist, dass Modeschöpfer über ihren Geschäften wohnen – das Erstaunliche ist, dass seine Bewohnerin schon 1971 verstorben ist, das Haus und die Geschäftsräume etliche Male erweitert und umgebaut wurden, das Appartement aber heute noch im Originalzustand erhalten ist. Zum Schlafen ging Mademoiselle allerdings stets in ihr Zimmer im gegenüberliegenden „Hotel Ritz“. Am Tag hielt sie sich hinter den Spiegeltüren auf, die, kaum merkbar für die Mitarbeiter, zu ihrer Wohnung über den Couture-Salons im zweiten Stock führen. Alles in diesen Räumen ist bis auf wenige Ausnahmen noch genau wie zu Lebzeiten Mademoiselles arrangiert. Das berühmte saharafarbene Steppsofa, das als Inspiration der Handtasche 2.55 diente, steht noch genau an dem Platz, an dem es immer stand, auch Romy Schneider oder Jeanne Moreau saßen darauf und lauschten den Monologen der Gastgeberin. Sie sagte einmal über Innenarchitekten, wenn die guten Geschmack sehen wollten, sollten sie einfach zur ihr in die Rue Cambon kommen. Und so war es auch. Angesagte Interiordesigner wie Chahan Minassian, Jean-Louis Deniot oder Alberto Pinto lassen sich von keinem Ort lieber inspirieren. Die englische Firma de Gournay produziert Chanels Coromandel-Wandschirme als Replik, die spanische Firma Blasco & Blasco fertigt das ikonografische Sofa nach Maß an. Einer, der sofort begeistert war vom Ambiente, ist der New Yorker Innenarchitekt Peter Marino, selbst ein Designstatement. Sein Faible für schwarze Lederkluft täuscht, er ist ein ausgesprochen amüsanter, feinsinniger, kreativer Geist. Viel gebucht von den großen Luxusmarken, zeichnet er sich auch verantwortlich für die Gestaltung aller Chanel-Boutiquen weltweit, wie jüngst in Düsseldorf. Seine Arbeit gilt als ein wesentlicher Grund für die starke Nachfrage nach „Wohnen à la Chanel“. Wie gehen Sie vor? Die Ikonografie von Chanel, das Schwarz und Weiß des Schriftzuges und dessen Klarheit und die detailverliebte Atmosphäre von Chanels Appartement sind die Ausgangspunkte jeder Planung. Bei einem Laden muss jedes Detail, von der Fassade bis zur kleinsten Ausstattung der Kabinen, diesen Geist atmen. So wie sie ihre Bilder, ihre Madonnenstatue, die sie von Boy Capel geschenkt bekam, oder Bü- Nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie die Kunstwerke aus? Die individuellen Standorte wie in diesem Fall Düsseldorf werden berücksichtigt, und wir beauftragen Künstler auch mit speziellen Werken. Gemälde von Remy Markowitsch und André Butzer, zwei zeitgenössische deutsche Künstler, zieren die Anproben, Olivia Berckemeyer gestaltete eine Bronzeskulptur, die wie fließendes Metall den Kassenbereich entlangrinnt. Die Kombination von Kunst und Interior-Architektur spiegelt so den gleichen Geist wieder wie im Appartement. Das heißt? Die Schlichtheit bemerkenswert machen durch luxuriöse Materialien lautete einer der Grundsätze von Mademoiselle. Strukturen der Stoffe auf Oberflächen und Materialien der Architektur übersetzen, das ist wiederum unsere Kunst und das Moderne daran. Die detaillierten Oberflächen sind in der Tat sehr aufwendig. Wo finden Sie noch die Handwerker, die solche Techniken beherrschen? Es gibt nur noch wenige ihrer Art. Ähnlich wie in den Paraffection-Ateliers von Chanel, von denen wir uns auch immer wieder inspirieren lassen, also wie die Sticker oder Federmacher, vermögen es diese Handwerker noch, jahrhundertealte Techniken in die heutige Zeit und Anforderungen zu übersetzen. So haben wir einen Handwerker in Belgien, der Tischplatten schafft, indem er Muscheln, Knochen oder Steine in Harze gießt und sie poliert. Oder auch spezielle Tapetenmanufakturen, die die Struktur von Stoffen auf Papier übertragen. Wir forschen und experimentieren aber auch für jedes Projekt, um maßgeschneiderte Lösungen für die Oberflächen und Möbel zu finden. Der Kontext des Appartements lässt der Fantasie freien Lauf für immer neue Interpretationen. Aber die Wohnung ist doch sehr viel kompakter und intimer als eine Boutique? Das gar nicht so große Appartement und seine besondere Aura durch die Materialien und die Farben auf große Flächen umzusetzen, das ist der Spagat, der gelingen muss. Dadurch wird seine Modernität weitergetragen. Coco Chanel zu ihrer Zeit und jetzt seit vielen Jahren Karl Lagerfeld haben immer neue Kollektionen gemacht, dadurch das Haus immer jung gehalten und stets neue Trends kreiert, aber eben immer auf der Basis des Stils der Mademoiselle. Ihre direkte Umgebung hat sie so gut wie nie und nicht einmal im Detail umgestellt oder verändert. Wie von einer Bühne mit festem Bühnenbild agierte sie von dort aus. Und dennoch hat sie nie ihren prägenden Einfluss eingebüßt. Warum ihr Einfluss so zeitlos ist und bis heute Inspiration für Einrichter, hat sie vor vielen Jahren selbst beantwortet: „Mode vergeht, Stil besteht.“ Und genau darauf berufen sich nachhaltige Trends Peter Kempe immer wieder. BOSS 0777/S HUGOBOSS.COM Wir müssen auch schauen Paola Antonelli ist Chefin der Designabteilung vom MoMA in New York. Ihre Ausstellungen und Anschaffungen für das Museum setzen die Dinge in Bezug zur Zeit, in der wir leben. Andreas Tölke ließ sich das genauer erklären Ihr Titel auf der Visitenkarte macht beinahe Angst: „Senior Curator, Architecture & Design Director, Research & Development – The Museum of Modern Art“ steht da. Seit mehr als 20 Jahren ist Paola Antonelli am MoMA in New York. Sie entscheidet, was in die Designsammlung des Museums aufgenommen wird. Wichtiger jedoch: Die Italienerin will über die Dinge, die uns umgeben, ein Gespräch führen. Zum Beispiel über „Juicy Salif“. Eigentlich ist es nur eine Saftpresse. Trotzdem steht sie in einem der renommiertesten Museen der Welt – und zwar nicht in der Kantine. „Philippe Starck hat den Entwurf zum Juicy Salif 1988 bei einem Urlaub in Italien auf die Serviette einer Pizzeria gekritzelt“, sagt Antonelli. Zu jedem noch so elaborierten Designstück hat sie die Anekdote parat, die den Dingen eine Seele einhaucht. An der Saftpresse erhitzen sich übrigens die Gemüter. Zu kaum einem Haushaltsgerät gab es einen ähnlich erregten Diskurs wie zu dem gusseisernen Sputnik: „Starck polarisiert. Zum einen hat er Produktdesign wie kaum ein anderer salonfähig gemacht, zum anderen hat er die Welt mit seinen Entwürfen fast geflutet – und es gibt nicht wenige, die seiner Formensprache überdrüssig sind“, erläutert die Expertin. Doch Juicy Salif sei frei nach Umberto Eco ein perfektes „Conversation Piece“ und schon deshalb interessant. Ihrer Herkunft nach ist auch Paola Antonelli eine Praktikerin. 1990 hat sie am Polytechnikum in Mailand ihren Abschluss in Architektur mit Auszeichnung gemacht. Gebaut hat sie jedoch nie: „Ich wäre wahrscheinlich eine schreckliche Architektin“, gibt sie unumwunden zu. Ihre Stärke ist Erkenntnis und Vermittlung auf allen Ebenen. Sie schreibt sowohl für die amerikanische „Harper’s Bazaar“ wie für das InsiderBlatt „Domus“. Sie lehrte fünf Jahre in Harvard DesignTheorie, ist Dozentin an der School of Visual Arts in New York und seit 1994 am MoMA. „Ich habe schon früh gemerkt, dass ich mich viel lieber mit Objekten als mit Menschen umgebe“, sagt sie fast schon kokett, denn ihre sozialen Fähigkeiten sind ebenfalls berühmt. M 28 Das freundliche Gesicht der Design-Macht: Paola Antonelli entscheidet, was es bis ins MoMA schafft Wen setzt man Rem Koolhaas, dem Stararchitekten mit dem Charme eines Pfeilers, beim Dinner in einem venezianischen Palazzo gegenüber? Am besten Paola Antonelli, die italienische Eisbrecherin. Regionale Einflüsse und Stärken sind für sie ein weiteres spannendes Thema: „Ich war gerade in Argentinien und begeistert von den Wohnhäusern, die dort entstehen. Eine Neuinterpretation der klassischen Moderne. Aber die zeitgenössische Kunst, die war schrecklich“, sagt sie. Als Kritikerin agiert sie wenig zurückhaltend, vertritt ihren Standpunkt stets mit Verve. Und das muss sie auch. Schließlich ist sie im MoMA für „die arme Schwester der Kunst“ verantwortlich, wie Design und Architektur heimlich genannt wird. Noch dazu als Frau mit zwei sendungsbewussten Männern an der Spitze des Museums: Glenn Lowry, der Direktor, gilt als Dandy und Kunst-Verführer. Klaus Biesenbach, Direktor beim PS1, dem wilderen und experimentellen MoMA-Ableger, ist nicht nur für sein Programm bekannt, sondern auch dafür, dass er sich mit Celebritys von Lady Gaga bis James Franco umgibt. Das MoMA startete schon 1932 als erstes Museum weltweit mit einer Designsammlung, über 28.000 Arbeiten versammeln sich bis dato: von Starcks Presse über die Mies van der Rohe Mid-Century-Klassiker bis zum iPhone. Paola Antonelli darf für das Museum frei shoppen gehen. Designstücke von Richard Sapper, Dieter Rams oder Ingo Maurer – was sie für die Sammlung erwirbt, ist geadelt. Ihre Anschaffungen sind immer auch gute Interiortipps. Aber sie setzt mit ihren Ausstellungskonzepten nicht nur auf Stühle, Lampen, Teppiche. Es muss immer einen Bezug zur Zeit geben: „This is for everyone“, war der Titel ihrer letzten Ausstellung. Etwas für jeden. Die Twitter-Nachricht von Tim BernersLee, dem Erfinder des World Wide Web, hat sie dazu inspiriert: „Das Internet ist das radikalste Designexperiment“, erklärt Paola Antonelli, die einen feinen Humor pflegt. Es biete grenzenlose Möglichkeiten für die Entdeckung, gemeinsame Nutzung und Erweiterung von Wissen und Informationen. Design versteht sie schließlich als aktive Gestaltung des Alltags. Die Liebe zum Detail ist ihr wichtig, den offenen Blick will sie sich bewahren. Auch deshalb wird ein mit Graffiti bemalter Straßenpoller zu einem MoMA-Exponat. Und kaum, dass er dort steht, wird deutlich, dass das Ding wirklich schön ist. Auf der Straße wäre man vielleicht daran vorbeigelaufen, vielleicht sogar verärgert. Doch „Graffiti ist im Grunde genommen Design“, sagt die Expertin, „denn es wird ja die Oberfläche eines bereits vorhandenen Gegenstands bearbeitet.“ Sie ist bei einem ihrer Lieblingsthemen: Wo fängt Kunst an? Wo hört Design auf? „Behandelt Design wie Kunst“, postulierte sie denn auch in einem Vortrag. Und wie hält sie es zu Hause mit den Dingen? „Genau so. In meiner Wohnung herrscht ein Miteinander aus Wertvollem und Wertlosem, aus Kunst und Design“, sagt sie. Diesen Stil trägt sie auch, edles Design kombiniert mit demokratischer Mode. Paola Antonelli ist eben selbst ein perfektes Beispiel für ihre kuratorische Grundhaltung: Mit offenen Augen entdeckt man die Liebe zum Detail. STEVE MARSEL STUDIO SOMERVILLE M ;THE MUSEUM OF MODERN ART,NEW YORK. COMMITTEE ON ARCHITECTURE AND DESIGN FUNDS IM MUSEUM SITZSYSTEM WHITE | DESIGN RODOLFO DORDONI B E R L I N BY HERRENDORF, BERLIN, LIETZENBURGER STR. 99 - T. 030 755 4204 56 AUCH BEI ANDEREN AUTORISIERTEN HÄNDLERN UND IN ANDEREN STÄDTEN. PLZ 0/1/2/3/4/5 HANDELSAGENTUR STOLLENWERK - T. 0221 2828259 - [email protected] PLZ 6/7/8/9 HANDELSAGENTUR RIEXINGER - T. 07121 325953 - [email protected] CREATE YOUR OWN DESIGN EXPERIENCE AT MINOTTI.COM M ATELIERBESUCH Monsieur Massaud macht blau Niemand verkörpert so überzeugend die These, dass das Sein das Design bestimmt, wie Jean-Marie Massaud. Esther Strerath ließ sich 30 Jean-Marie Massaud trifft man am besten dort, wo andere Leute Ferien machen. Seit drei Jahren lebt der französische Designer an der Côte d’Azur. Zum Gespräch bittet er in das legendäre „Colombe d’Or“ in Saint-Paul-deVence, ein kleines Hotel samt Restaurant im hügeligen Hinterland von Nizza. Picasso wohnte früher zuweilen hier und zahlte mit dem einen oder anderen Gemälde, die immer noch so unprätentiös wie Posterdrucke im Speisesaal hängen: „Es ist ein magischer Ort. Und das beste Museum, das ich kenne“, sagt Massaud, als er, wie immer in weißen Hosen und Sneakern, eintrifft. Er bestellt Rosé, Gemüse und Pastete, und schießt los: „Bei Architektur und Design sollte es immer darum ge- hen, eine neue und bessere Erfahrung mit den Dingen zu machen.“ Massaud hat für viele internationale Möbelfirmen entworfen, zuletzt ein rundes Sofa für Poltrona Frau. Armaturen mit integriertem Tablett für das Weinglas in der Badewanne für Axor, weich gepolsterte Hartschalen-Stühle für MDF. Außerdem ein neues „Nest“ für Dedon sowie ein Auto aus Bambus für Toyota und Gedecke für die Firstclass der Air France. Was seine Entwürfe eint, ist die scheinbare Einfachheit und das Überraschungsmoment, wenn man sich fragt, warum nicht vorher bereits jemand auf diese geniale Idee gekommen ist. Dazu gesellt sich stets ein tiefes Verständnis für modernen Komfort. Dieses Stilempfinden hat viel mit dem Lebensweg von Massaud zu tun: „Früher waren alle meine Ideen und Projekte super-progressiv, aber es gab immer einen Bruch mit der Realität.“ Der Designer verzieht das Gesicht, reißt mit beiden Händen an einem imaginären Seil und stößt ein „painfuuul“ hervor. „Heute, nach zahlreichen gescheiterten Projekten, die niemals realisiert wurden, habe ich verstanden, dass ich zu sehr mit der Revolution beschäftigt war. Ich konnte die Realität nicht akzeptieren.“ Jean-Marie Massaud wollte eigentlich Erfinder werden. In Toulouse geboren, der Vater war Handelsvertreter für eine Schokoladen3 firma, die Mutter Sekretärin, lag der DAMIEN GRENON / ULLSTEIN beim Mittagessen mit Rosé und Radieschen gern davon überzeugen molteni.it SYSTEM PASS-WORD— DANTE BONUCCELLI SOFA CHELSEA— RODOLFO DORDONI MOLTENI&C AGENTUREN PLZ 0-1-2-3 [email protected] T 0171 3785959 PLZ 7-8-9 [email protected] T 0172 9006429 PLZ 4-5-6 [email protected] T 0160 96472589 ABSTELLTISCH 45°— RON GILAD VICINO TABLE— FOSTER+PARTNERS TEPPICH HEM— PATRICIA URQUIOLA 2 Massauds-Kosmos: 1. Sein Wolkenstuhl „Wallace“ von Poliform. 2. Der Wal „Manned Cloud“ ist ein Entwurf für ein fliegendes Hotelzimmer. 3. „MeWe“ ist Pick-up, Cabrio, Off-Roader und ElektroMini in einem und leider nur eine Konzeptstudie von Toyota. 4. Outdoor-Stuhl „Dean“ für Dedon. 5. Multiple Choice: Beim Stuhl „Flow Slim“ können Farbe und Fuß gewählt werden (MDF Italia). 6. Sofa „Steve“ ist wandelbar (Arper) 1 3 4 atmen“, blickt er zurück. „Ich trug immer Schwarz, und ich träumte die ganze Zeit von einer besseren Situation.“ Der erste Befreiungsschlag war das Entsorgen der schwarzen Klamotten. Seither ist Massaud stets in Weiß gehüllt: „Es ist wie eine Therapie für mich, es gibt mir positive Energie.“ Nein, er kleide sich nicht wie ein Künstler, winkt er lachend ab, sondern „wie ein Tourist!“ Als er beschließt, die Metropole zu verlassen, ist er längst ein „großer Name“. Dann die Einsicht: „Das Leben ist zu kurz. Ich arbeite schon zu viel. Ich möchte mich auf das tägliche Leben konzentrieren.“ Großprojekte, vor allem aus der Architektur, legt er ad acta. Die zweite radikale Entscheidung ist der Ortswechsel. Die Massauds ziehen nach San Francisco. „Das war ein Reinfall. Ich glaubte, dort blühen die progressivsten Ideen. Aber in den USA, auch wenn Kalifornien anders ist, geht es doch sehr altmodisch zu.“ Die Familie kehrt zurück. Lebensqualität ist immer noch das oberste Gebot, es beinhaltet auch, die Kinder, heute 15 und elf Jahre alt, naturverbunden großzuziehen. „Frankreich also“, so Massaud. „Hier gibt es die Berge und das Meer, die Elemente sind stark, Italien ist ganz in der Nähe. Hier träume ich.“ Sehr lukrativ, möchte man hinzufügen. Auf der Mailänder Möbelmesse stellten gleich vier verschiedene Firmen seine Arbeiten vor. Er sieht sich nicht mehr als Soldat für eine Firma, sondern als Partner: „Es ist wie Klavierspielen. Man muss viel üben, um immer besser zu werden. Vielleicht komponiert man dann auch. Mit den Möbeln ist es, als spiele man ein Arpeggio, also einen Akkord, bei dem die Töne nicht gleichzeitig, sondern kurz hintereinander erklingen. Seine Einnahmen investiert Massaud in eigene, unabhängige Projekte: „Es gibt zum Beispiel kein Auto, das meinen Bedürfnissen entspricht. Ich segle gern, aber ich habe noch kein Segelboot entworfen.“ Gerade entwickelt er einen Thinktank namens „La belle + The Lab“, in dem Kreative zusammenkommen, die gemeinsam Ideen verwirklichen. Dort will er ebenfalls versuchen, die Harmonie zu leben, nach der er sich sehnt, diese Balance aus Verantwortung und Vergnügen. „Da drüben“, er deutet auf ein Gebäude, in der Ferne glitzert das Meer, „gehen meine Kinder zur Schule.“ Das „Lab“ ist nur ein paar hundert Meter entfernt. Ebenso sein Zuhause. „Dort“, er zeigt in Richtung der Hügel, „wohne ich. Wir bauen das ganze Haus um. Es wird kalifornisch, man betritt das Grundstück auf dem Hang und sieht nichts von dem Wohnhaus, das sich über mehrere Ebenen erstreckt.“ Sein Büro wird vielleicht ein Baumhaus: „Mehr und mehr fühle ich mich wie in einem großen Ozean, mit Strömungen und Wellen, ich lasse einfach geschehen“, sinniert er. Und fügt dann grinsend hinzu: „Vielleicht bin ich einfach cooler geworden.“ M 6 5 32 3 Wunsch nahe, Flugzeuge zu bauen. Als er jedoch herausfindet, dass man sich bereits früh spezialisieren muss, verwirft er die Idee und bewirbt sich stattdessen an dem Pariser Design Institut ENSCI-Les Ateliers. Sein Professor, Marc Berthier, wird sein Freund und Mentor, mit dem Jean-Marie nach seinem Abschluss vier Jahre lang kooperiert. 1996 gründet er dann sein eigenes Studio. Er will überzeugen, unbedingt, sei es die Nasa oder japanische Großunternehmen. Als selbst ernannter „Spezialist für Schönheit“ beschließt er, es zunächst mit Möbeln zu versuchen. 2002 produziert Cappellini sein erstes Werk, eine Bank, die zu schweben scheint. Vielleicht rühren seine revolutionären De- signs, wie der Zeppelin „Manned Cloud“, der einer Wolke ähnelnde Sessel „Wallace“ für Poliform sowie der Schwebe-Lounge-Sessel „Ad Hoc“ von seinem Jugendtraum her, Flugzeugbauer werden zu wollen. Monsieur Massaud begrüßt das Nachschenken des Kellners mit einem lächelnden „allez, allez!“, das Eis raschelt im Kühler, sein Lieblingsgericht wird serviert: ein großer Korb mit Radieschen und grünen Blättern, so als hätte ihn jemand, vom Markt kommend, versehentlich abgestellt. Der rastlose Franzose hat hier offenbar gefunden, wonach er lange gesucht hat. Inzwischen ist er nur noch zwei oder dreimal im Monat in Paris: „Irgendwann konnte ich in den engen Straßen nicht mehr shop at santonishoes.com HANDWERK 34 n , finde s t h c i n so ge. Al ringen n B e ? H e s ma romis belfir ö men – M Komp m r o e n d e r ng m ünde Beste h eine c m a die Gr o N v . r tet lles nu rarbei er e v d wird a t Esth an m H m n i o t s ur v Italien und n n i h c rn zu. e su g e t B p r nze Atelie em Ko s e i rte d th grafie o t Strera o f yer as Me m o h T HENGE Material maximal IER (2) AS ME Not macht erfinderisch. In manchen Dörfern der Hügelkette von Asolo im Veneto haben die Wirte beschlossen, den Preis für Mineralwasser anzuheben. Dieses wird leider allzu häufig bestellt – anstelle von Prosecco. Und das, obwohl hier, in Valdobbiadene, der allerbeste Prosecco angebaut und gekeltert wird. Das erzählt Paolo Tormena, dessen 2007 gegründete Möbelfirma Henge in der Nähe ihren Sitz hat. Umgeben von den Weinbergen, die mitunter so steil sind, dass die geernteten Trauben nur zu Fuß transportiert werden können. Neben dem Weinanbau hat auch das Möbelhandwerk in dieser Region eine lange, derzeit kriselnde Tradition: „Wir haben hier so viel savoir-faire“, schwärmt der Unternehmer. „Unsere Tischler kommen aus Bassano, wo früher klassische Möbel, vielleicht die schönsten der Welt, hergestellt wurden. Aber dieser Markt existiert nicht mehr und niemand wusste, wie man sich neu hätte erfinden können.“ Genau das aber, man darf es sagen, hat er mit Henge geschafft. 2011 holte Tormena den Architekten und Designer Massimo Castagna als Artdirector mit ins Boot und die Firma nahm an Fahrt auf: „Paolo und ich sind Komplizen“, sagt er verschmitzt. Das Konzept ist kompromisslos: Nur die besten Materialien, immer exklusiv, nur „Made in Italy“, nur Handarbeit. Die Dritte im Bunde ist die Architektin Isabella Genovese, zuständig für Farben und Stoffe. Sie und Paolo Tormena sind auch privat ein Paar. Ale drei sind wahre Materialfetischisten. „Viele Designer starten mit der Form“, holt Massimo Castagna aus. „Wir starten mit expressiven Materialien. Ich glaube nicht, dass es eine Firma gibt, die so recherchiert wie wir.“ Auf haben sie zum Beispiel Mooreichenholz entdeckt, das 500 Jahre unter der Erde wuchs und heute in ihren Beistelltischen oder Schränken zu finden ist. Es gibt Tischplatten, deren Oberflächen aus echtem Silber angefertigt werden. Das Material für den Bestseller in der Marmor-Kollektion – „Cappuccino“ – kommt aus Indien. Bei Henge ist alles echt. Die Messingleuchten, die wie galaktische Ufo-Silhouetten in den Räumen zu schweben scheinen, die Marmortische, deren feine Maserungen so aussehen, als wären sie sorgfältig von Menschenhand gemalt, das Leder-Fauteuil, dessen weiche THOM N Haut das Möbel umschlingt und nur vor der raffinierten Beinkonstruktion haltmacht. So reduziert die Stücke in ihrer Form sind, so ausgeklügelt erfolgt ihre Herstellung: „Wir arbeiten sehr speziell, wie heute wohl niemand mehr. Nur Restauratoren gehen noch so vor“, erzählt der Artdirector stolz. Eine Leuchte der Serie „Light Ring“ beispielsweise ist tagelang im „Henge-Netzwerk“ unterwegs: Zuerst werden die schmalen Messingstreifen von Christian, dem Metall-Profi, mit Säure gewaschen, dann taucht der Handwerker sie in große Wannen mit einer Schwefel-Lösung. Je länger sie dort verbleiben, desto dunkler färbt sich das Messing. Doch es dunkelt auch anschließend noch nach. Deshalb braucht es höchste Aufmerksamkeit. Auch die kleinen Tischgestelle von Henge erhalten hier ihren einzigartigen Look: „Es braucht jahrelange Erfahrung“, erklärt Christian. „Wenn es draußen zum Beispiel kalt ist, dauert der Vorgang länger als im Sommer bei großer Hitze.“ Für andere Stücke aus der Kollektion hat Christian eine pollocksche Methode perfektioniert, bei der er mit den Händen Schwefel auf die metallenen Oberflächen spritzt und so individuelle Muster kreiert. Ein paar Kilometer weiter reinigt Leuchtenhersteller Roberto, mit dem Paolo bereits in den Kindergarten ging, die Schnittstellen der Hula-Hoop-artigen Ringe, bringt kleine Stifte an ihrem Innenrand an. Dann werden sie gebürstet und gebrannt und hernach die gesamte Elektrizität installiert. Rund drei Stunden beschäftigen ihn die neun bis zehn Arbeitsschritte eines „Light Rings“. Gerade erfordert eine Murano-Leuchte seine ganze Aufmerksamkeit. Der schlanke, transparente Korpus mag sich einfach nicht auf die Messing-Konstruktion schieben lassen. Murano, das ist auch so eine Quelle der Inspiration. Während in dem venezianischen Ortsteil die Werkstätten schließen müssen, nutzt Henge die vom Rest der Möbel-Industrie längst als obsolet eingestuften Herstellungsprozesse, um modernste Entwürfe zu realisieren. Natürlich muss man für diese Art von Möbeln ein Liebhaber des Handwerks sein, aber davon gibt es immer mehr. Binnen kurzer Zeit ist das kleine Unternehmen bei internationalen Inneneinrichtern zu einem Geheimtipp geworden. Es gibt einen Showroom in 3 Alles Handarbeit: Ein „Light Ring“ von Henge wird in der LeuchtenManufaktur mit LEDs versorgt, Aluminiumstreifen zwecks nahtloser Reflexion verklebt, dann erst werden die Messingringe gebrannt 35 THOM AS ME YER (3 ) Im Uhrzeigersinn: Handgebranntes Gestell „Strip Chair“mit extradicken Lederstreifen. Kreativ-Duo: Isabella Genovese und Paolo Tormena in ihrer riesigen Lagerhalle in Farra di Soligo (Treviso), von der aus die Möbel in die ganze Welt versandt werden. Praktisch: das Objekt oder Regal „Tangram“aus Messing ist erweiter- und wieder reduzierbar. Designt auch für Henge: Architekt Massimo Castagna 36 3 Mailands eleganter Via della Spiga, in Los Angeles hat gerade ein „Shop in Shop“ eröffnet, in New York City wird es ein Atelier geben, in Shanghai ist Henge ebenso gefragt wie in Dubai. Dabei war der Anfang durchaus ruckelig: „Es gibt einen Holztisch, den Paolo entworfen hatte, bevor ich kam“, erklärt Castagna. „Er bot ihn für 3500 Euro an, doch das einschlägige Echo der Klienten lautete, dass das ohne bekannten Namen nicht interessant sei.“ Heute stellt Henge den Tisch aus Marmor her – für den dreifachen Preis. Inzwischen fragt niemand mehr nach einem großen Namensschild. Vermutlich würde man auch damit auflaufen: „Ich hasse BlingBling“, konstatiert Firmengründer Paolo Tormena. „Mein Großvater, ein Mann der Berge, hat noch alles selbst gemacht, Schlitten, Hocker, sogar Treppen. Er hat mir das Einmaleins des Holzes beigebracht.“ Als Paolo 14 Jahre alt war, verdonnerten ihn seine Eltern zu einem Sommer-Job. Sechs Wochen lang arbeitete er bei einem Tischler. Es machte ihm Spaß. Dennoch entschied er sich für ein BWL-Studium, aber seine Liebe zu alten, authentischen Möbeln und Häusern, ließ ihn nicht los: „Die Gründung von Henge war eine Entscheidung des Herzens“, weiß er heute. Der Firmenname wird Englisch ausgesprochen, angelehnt an Stonehenge, dem mysteriösen Bauwerk aus England, das als architektonische Urform gilt. Im Gespräch mit den traditionalistischen Visionären spürt man die Freude und die Leichtigkeit, die auch den Firmengründer erreicht hat. Für den diesjährigen Salone del Mobile hatte er ein ganz besonderes Stück entwickelt: „Eine Bar im Spirit von Mailand der 50er-Jahre, ein monolithisches und funktionales Juwel.“ Der Artdirector träumt derweil unter anderem von einer Vasen-Kollektion, die mit einer Technik aus den 60er-Jahren hergestellt wird, und Isabella Genovese wird die vielen schönen Dinge planen, die man auf einen Tisch stellen kann. Einen eigenen Prosecco, „7 Via della Spiga“, hat die Firma übrigens schon. Er wird in Valdobbiadene eigens für Henge in pechschwarze Flaschen gefüllt. Dafür lässt man garantiert jedes Mineralwasser stehen. STOFFLICH Spannen, ziehen, hängen Njusja de Gier initiiert die künstlerischen Kooperationen des Stoffherstellers Kvadrat – von Ólafur Elíasson bis Raf Simons. Sie bringt dekoratives Material an die Grenzen seiner ursprünglichen Bestimmung Mehr als Stoff – bei Kvadrat geht es um Design 38 Ihr erster Anruf im Job galt der Architektin und Designerin Patricia Urquiola, die für Boffi, Zegna, B&B Italia und Louis Vuitton arbeitet. „Ich war sehr nervös“, erinnert sich Njusja de Gier, Vice President of Branding and Communication beim Stoffhersteller Kvadrat. Doch sie merkte schnell, dass es dazu keinen Anlass gab: „Die Kreativen in der Designwelt lieben unsere Produkte.“ 52 verschiedene Vorhangstoffe hat Kvadrat im Angebot, 162 Polsterstoffe, 200 verschiedene Teppichdesigns und ebenso viele Wandbespannungen. Dazu kommen sogenannte Soft Cells zum Lärmschutz, die unter anderem bei Entwürfen der jüngst verstorbenen Stararchitektin Zaha Hadid zum Einsatz kamen. In den „25hours Hotels“ findet man die Stoffe, im „Le Méridien Zhengzhou“, im „Biohotel Werratal“, im Berliner Reichstag sowie im MoMA New York. Seit mehr als 50 Jahren wird mit Kvadrat-Textilien bespannt, bezogen und behängt. Alles ist „made in Denmark“. Der Standard ist somit gesetzt, die Kür erledigt dann Njusja de Gier. In Berlin, bei der Vorstellung der neuesten Rollos für Kvadrat, entworfen von den Brüdern Ronan und Erwan Bouroullec, hält sie sich dezent im Hintergrund. Aber sie strahlt zu sehr, um vor den Produkten zu verblassen. Es ist einer der vielen Events, den der dänische Stoffhersteller neben dem Kerngeschäft auf die Beine stellt. Einen Monat später, wieder in Berlin, werden die neuen Stoffe präsentiert, die der belgische Designer Raf Simons entworfen hat. Kurz zu- vor fand die Eröffnung einer von Kvadrat in Auftrag gegebenen Installation der indischen Künstlerin Shilpa Gupta statt, die bei der 56. Biennale von Venedig 2015 enthüllt wurde – und jetzt im Louisiana Museum of Modern Art nahe Kopenhagen gezeigt wird. Zeitgleich in der Fondazione Prada in Mailand noch eine Installation: „To the Son of Man Who Ate the Scroll“, hier von der polnischen Künstlerin Goshka Macuga. Ob das Unternehmen da aus dem Stand heraus den Überblick über all seine Aktivitäten hat? „Um wirklich sicher zu gehen, müsste ich auf unserer Webseite nachschauen“, sagt Njusja de Gier und lacht. Die Antwort würde lauten: Derzeit sind es 15 Events weltweit. Die Netzwerkerin ist immer unterwegs und reist stets mit leichtem Gepäck. „Die Kooperationen mit Künstlern sind völlig offen und auch eine deutlich größere Herausforderung als die mit Modedesignern“, erzählt sie. Als Beispiel führt sie Ólafur Elíasson an – mit dem dänischen Künstler, der sein Atelier in Berlin betreibt, kooperiert Kvadrat bereits zum zweiten Mal: „Es wird ein Slow-Fa, ein Objekt, dessen Name sich aus den Worten ‚slow‘ für langsam, und ‚Sofa‘ zusammensetzt“, erklärt die Vizepräsidentin. Seit sechs Monaten arbeiten die Kvadrat-Designer gemeinsam mit dem Künstler an dem Stoff. Elíasson habe „sehr genaue Vorstellungen“. Die Modemacher hingegen griffen für Projekte eher auf vorhandene Materialien zurück. Oder sie entwerfen, wie bei der Zusammenarbeit mit Paul Smith, exklusive Wirkwaren für den Hersteller. Mode-, Produktdesign und Kunst, drei Disziplinen, die sich nach Ansicht von Njusja de Gier beeinflussen und ergänzen. Aber was ist der Vorteil für die Marke? Außer komplizierter Abstimmungsprozesse? „In unserer Bilanz würden wir wahrscheinlich zwei bis drei Prozent besser abschließen“, gibt sie zu, sagt aber auch, dass das Verlassen der bekannten Pfade sich positiv auf das gesamte Angebot auswirkt: „Wir lernen viel.“ Die 43-Jährige hat in Rotterdam Marketing, Branding und Kommunikation studiert. Sie hat für MTV, Procter & Gamble und für eine der größten dänischen Werbeagenturen gearbeitet. Dann wollte sie sich neu orientieren, nach London ziehen und bekam einen Anruf von Anders Byriel, dem Chef von Kvadrat. Der offerierte ihr die Position, die sie heute innehält: „Freunde waren begeistert, aber ich kannte die Firma nicht. Die Webseite fand ich total verstaubt. Und ich dachte, mit der Ansage, dass ich nach London ziehe, hätte ich mich charmant um ein Nein gedrückt.“ Doch Anders Byriel ließ nicht locker und bot ihr an, in Rotterdam zu leben. Heute freut sie sich, dass sie „freie Hand hat, wie es nur in familiengeführten Unternehmen möglich ist“. Nun greift sie für Kooperationen zum Hörer und spricht mit den Großen der Szene. Das Engagement stärkt die Marke, macht sie sichtbar. Das geht fast eine Dekade so, und Njusja ist längst bei neuen Umbauten. Zusammen mit ihrem Partner, dem niederländischen Produktdesigner Richard Hutten, und dem gemeinsamen Kind wird gerade eifrig renoviert: „Bei uns ist alles Design“, lautet die klare Ansage. Ihr Lebensgefährte hat „What Design can do“ ins Leben gerufen, einen Thinktank, bei dem einige der Kvadrat-Kontributoren Vorträge gehalten haben. Hier schließen sich die Kreise. Einer als Ring. Der hat circa einen Karat, ist matt gefasst und wurde zur Verlobung überreicht. Persönlich entworfen von Richard Hutten für seine Frau. Andreas Tölke Geox - Respira - - are trademarks of Geox Spa #STARTBREATHING TM geox.com FARBWELTEN Alles so heiter Weiße Wände kann jeder. Neuen Anstrich bringt Jungunternehmerin und Farbexpertin Anna von Mangoldt mit ihren Kreideemulsionen. Jennifer Hinz besuchte sie in ihrem Atelier in Westfalen Gutes Team: Anna von Mangoldt mit Mischlingshündin Rosalie Es ist keine Prinzessinnengeschichte. Darauf pocht Christina von Mangoldt, wenn es um das Unternehmen ihrer Tochter Anna geht. Dabei könnte die Szenerie, in der „Anna von Mangoldt Farben“ gegründet wurde, kaum idyllischer sein. Eine breite Einfahrt führt hinauf zum opulenten Gutshaus. Dahinter grasen Pferde. Landleben in Nieheim. Es ist die Heimat der heute 30-Jährigen. Die Inspirationsquelle für die inzwischen 168 Kreide- und Silikatfarben. Satt und gleichzeitig pudrig. Eben solche, die man auf den Farbfächern im Baumarkt vergeblich sucht. Aber genau dort gehen die Deutschen hin, wenn ein Anstrich fällig ist. Sehen sich verschiedene Blautöne an und entscheiden sich schließlich doch für Beige, Grau oder Pastellgelb. Man mag es dezent. Pragmatiker bleiben gleich bei Weiß, so verlangt es der Vermieter beim Auszug ohnehin (auch wenn das nicht mehr vor Gericht Bestand hat). Dass es auch anders geht, zeigt Anna von Mangoldt. Den Blick für Farben und den Drang nach Veränderung hatte sie schon als Kind. „Ich habe mir immer Höhlen gebaut, die ich richtig gestaltet habe“, erinnert sie sich. „Mit sechs Jahren durfte ich mir endlich ein kleines Atelier im Keller einrichten.“ Hier entstanden Möbel, und weiße Wände gehörten fortan der Vergangenheit an. Unterstützung erhielt sie von ihrer Mutter: „Einmal haben wir in einem englischen Einrichtungsbuch eine orangetürkisfarbene Küche gesehen. Davon inspiriert, haben wir unsere Küche genauso gestrichen. Die meisten fanden es schrecklich. Wir fanden’s toll.“ Bis heute sind die beiden ein Team. Die eine spezialisiert auf Farben, die andere auf Inneneinrichtung. Nach ihrer Schulzeit auf Schloss Salem studierte Anna Geschichte und Kunstgeschichte an der University of Warwick in England und machte anschließend ein Praktikum bei Annie Sloan, einer Koryphäe auf dem Gebiet der farbigen Einrichtung. Den Heimweg trat sie mit einer Geschäftsidee im Gepäck an: Auch Deutschland könnte ein Anstrich à la Sloan gut stehen. „Ich habe absurd große Mengen Farbe gekauft“, sagt sie rückblickend. Zumal sie bald feststellen musste, dass englische Farben eben doch am besten in England funktionieren. Zu graustichig, zu gewagt seien die Klassiker. „Das Licht ist hier ein ganz anderes, viel dunkler.“ Doch die pudrige, tiefe Optik hatte es der jungen Frau angetan. Auch wenn Marken wie Sanderson oder Paint and Paper Library und besonders die britischen Klassiker Farrow & Ball (gegründet 1946) und auch Little Greene (1771) längst nicht mehr als Geheim- tipp in Deutschland gelten, F & B betreibt inzwischen eigene Geschäfte, gab es etwas Vergleichbares „made in Germany“ nicht. Und Anna von Mangoldt wollte lieber selbst mischen. Setzte dabei auf einen hohen Anteil an Pigmenten und eine hochwertige Basis mit so wenig wie möglich an Konservierungsstoffen. Wer eine ihrer Farbdosen öffnet, dem schlägt keine Chemiekeule entgegen, sondern ein leichter Duft, der schnell verfliegt. Die angebotenen Lacke sind so schadstoffarm, dass Kinderspielzeug mit ihnen bemalt werden kann. Zusammen mit ihrer Mutter berät sie heute Kunden daheim oder in Kursen bei Farbwahl und passender Einrichtung. Der persönliche Preis für die Karriere war hoch. Die Jungunternehmerin war verheiratet, lebte mit ihrem Mann, einem Investmentbanker, in Frankfurt. Das Unternehmen florierte, die Ehe scheiterte. Also richtete sie 2010 ihr Atelier auf dem Gut der Familie ein. Selbstständig zu sein, das bedeutet:s „früher aufstehen und länger wach bleiben“. Gerade ist ihre neue Kollektion als Ergänzung zur bisherigen Palette erschienen, ersetzt wurden ein paar Erd- und Terrakottatöne. „Die gingen nicht so gut.“ Zwei Jahre hat sie an den zwölf Neuzugängen getüftelt. Manchmal war sie schon nach einem Tag mit dem Ergebnis zufrieden, an anderen Tönen feilte sie über Monate. Mischen, vergleichen – nein, nicht ganz – wieder von vorn. Scheint ihr die Kreation perfekt, bestellt sie einen Liter bei ihrem Farbenmischer. Ein großer Anstrich als letzte Probe muss her. Denn, auch das kennt der Renovierer aus dem Baumarkt, was auf einem Schnipsel gut wirkt, kann sich auf einer kompletten Wand ganz anders darstellen. Kunden leiht sie daher große Bögen bemalter Tapete aus. „Das hat den Vorteil, dass man sie überall im Raum aufhängen und beobachten kann, wie der Anstrich bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen wirkt.“ Kleine Farbkarten dienen nur als erste Orientierung. Auch die sind handgemalt. Eine Arbeit, die die Unternehmerin früher selbst erledigt hat und nun Ghassan und Thaar überlässt. Die beiden Männer sind Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak. Mutter Christina lernte sie bei einem Deutsch-Sprachkurs kennen, den sie im Flüchtlingsheim Nieheim gab. Kürzlich feierte man die Einweihung des neuen Showrooms. Immer noch auf dem Hof, aber eben nicht mehr in Annas Wohnung, an deren Haustür Kunden auch gern mal spontan an einem Samstag klopften. Aquatöne an den Wänden, die mögen die Gestalterinnen am liebsten. Es sieht nach Arbeit aus. Viele Stoffrollen, Muster und Kataloge über einen großen Tisch verteilt und an der Wand Collagen eines aktuellen Auftrags: Ein Ehepaar ist sich bei der Gestaltung zweier Zimmer uneins. Sie mag Beige, er lieber Blau. Am Ende wird Christina von Mangoldt ein Konzept aus Stoffen und Wandfarben präsentieren, bei dem sie die Wünsche beider Ehepartner beherzigt und doch alles wie aus einem Guss wirkt. Die Einrichterin ist dennoch nervös vor jeder Abnahme – völlig unbegründet, wie sich stets herausstellt. Wer Lampenfieber hat, ist eben mit dem Herzen dabei. Alle Farben gibt’s auch im Online-Shop über annavonmangoldt.com R U ULE CO C O L B EN n î t re “ i o l C tel du ô H mung „ m i m t I S . de e r, d i e ern n g m e u h h c ä c i s arie B sellt s orherr e M v g n e t i i r n d e h die u l t c b e s r i i u d p h s d n c u n au ei Bunt Saiso e Sch f ra n k r i r d e w ü d o S ltung! s S a k n . i h o v k i o s c s e L s ü Arl ex p re e Zu r bigen r h d a c f n s l l u l a r f tue heite ke i n e r en ak u d n n , i s so f ü r u n s t re i f te. A l er Zimm FOTOGRAFIN: VANESSA MAAS STYLING: JENNIFER HAHN HAARE & MAKE-UP: MANUELA DEGELMANN C/ O NORDISH REPUBLIC MIT PRODUKTEN VON LAURA MERCIER; STYLING-ASSISTENZ: MAREEN BAYER POST PRODUCTION: JANINE HAHN Location: Hôtel du Cloître in Arles, hotelducloitre.com Besonderen Dank an Leslie c/o Maison d’Arles und Julia, Elodie und Andrea 42 ( Team im Hôtel du Cloître) und India Mahdavi für ihre inspirierenden Designs Seidenhose mit weitem Bein: Hermès. Platform-Sandalen: Ralph Lauren. Marie Bäumer steht auf den „Clay“-Stühlen von Maarten Baas Bluse aus bedrucktem Crêpe de Chine: Stella McCartney. Ausgestellte Hose: Victoria, Victoria Beckham. Schuhe: Jil Sander. Tasche aus rotem Lackleder: „Diorama“ von Christian Dior Bluse mit Makramee-Streifen: Paul Smith. Hose mit Zweigen in Metallic: Dries Van Noten. Ringe: Vieri. Tasche: Louis Vuitton. Darunter: Tasche von Salvatore Ferragamo Mantel mit Blütenapplikation von Gucci 45 Dunkelblauer Mantel: Paul Smith. Rote Jacke darunter: Kiton. Hose mit weitem Bein: Alexander McQueen. Schuhe mit flachem Absatz: Jil Sander. Tiara mit roten Zacken: Miu Miu. Tasche: Prada. Im Hintergrund: Wandkunst von Loris Cecchini Marie im Mantel mit schwarzem Lederkragen von Miu Miu und Armreif mit Rauchquarzen von Saskia Diez Oberteil: Marni. Seidenhose: Chanel. Plateau-Sandalen: Versace. Vergoldete Ohrringe mit Horn und Harz, vergoldetes Armband mit Horn am rechten Arm, vergoldete Armspange mit Harz- und Horndetails am linken Arm. Alles von Marni. Waschbecken und Hocker wurden von India Mahdavi entworfen Marie im Hemdblusenkleid aus Seide mit Gürtel von Hermès. Schwarze PlexiClutch: Giorgio Armani. Schnürstiefel mit Strass: Miu Miu. Ring: Susa Beck Die Fotografin Vanessa Maas und ich kennen uns schon seit vielen Jahren. Wir haben einen besonderen Draht zueinander. Ich mochte ihre Arbeit schon immer, und ich war im Jahr 2009 die erste Person, mit der sie ein „Menschenshooting“ gemacht hat – auch für ICON. Damals haben wir uns an einem nieseligen, diesigen Tag zu zweit in einer Hamburger Wohnung eingeschlossen und einfach losgelegt. Es war sehr konzentriert und intim und fühlte sich an wie außerhalb von Zeit und Raum. Das Resultat war geradezu cineastisch. Auch wenn wir heute in größeren Teams arbeiten, ist die Vertrautheit zwischen uns geblieben. Ich bin kein Model, sondern Schauspielerin, was eine völlig andere Voraussetzung ist. Deshalb erfinden Vanessa und ich gern Geschichten um das Thema herum. Da es diesmal schnell gehen musste und ich seit zehn Jahren in Südfrankreich lebe, war es naheliegend die Aufnahmen bei mir quasi vor der Haustür zu machen und die Sinnlichkeit der Gegend zu nutzen: Arles ist eine lebendige Stadt, in der man schon die Einflüsse Spaniens spürt. Schon zur Zeit van Goghs haben sich viele Künstler in der Stadt aufgehalten, es gibt zahlreiche alte Klöster und das Leben dort ist angenehm unprätentiös. Mit dem „Hôtel du Cloître“ hatten wir zudem eine Location, die das Thema des Shootings optisch potenziert. Gerade zum Ende des Winters sehne ich mich nach Farben. Es kann dann gar nicht bunt genug sein – am liebsten würde ich jegliches Schwarz und Grau für immer verbannen. Auch die 70er-Jahre haben es mir, ästhetisch gesehen, schon immer angetan. Schlaghosen, weite Spitzenblusen und lange Westen gehören zu meinen Lieblingsstücken. Inspiriert bin ich danach gleich zu meiner Schneiderin gefahren. Sie ist eine tolle Frau, die einerseits fantastische Stoffe wie zum Beispiel feinste bedruckte italienische Seide anbietet und dann auch noch nach Entwürfen nähen kann. Mir gefiel die lange Tunika mit dem Jackett besonders gut, und etwas Ähnliches würde ich mir jetzt gern von ihr nähen lassen. Ich mag den bunten Mix im Kleiderschrank – nicht nur, was die Farben angeht, sondern auch die Mischung aus gekauften Stücken und solchen, die eine eigene, persönlichere Entstehungsgeschichte haben. Aufgezeichnet von Heike Blümner Vom 25.–29. April, jeweils um 19.30 Uhr, läuft auf Arte die Dokumentation „Zwei im Wilden Westen“. Darin reitet Marie Bäumer mit einem Mountaineer innerhalb von sechs Wochen von Arizona nach Montana. Am 25. April um 20.15 Uhr bringt das ZDF zudem den Film „Brief an mein Leben“, in dem Marie Bäumer die Hauptrolle spielt. Leuchten von PSLab für India Mahdavi 49 G E S P R ÄC H S -STOFF Von wegen tot e Die G-Star Je ans „Elwood 5 Hose 620“ wollte e rst niemand h dischen Mark aben. Nun ist e. Mira Wiesi sie die erfolgre nger erfuhr m ichste ehr über das rebellische M odell der niederlän enn es um Denim geht, gibt es wohl keinen interessanteren Gesprächspartner als Shubhankar Ray. Der studierte Chemiker ist der Global Brand Director von G-Star und gilt in der Modebranche als Marketinggenie. Nicht wenige große Marken hat er neu positioniert – ein Gespräch über Image, Umweltschutz und Widersprüche. W Herr Ray, ist es ein Fluch oder ein Segen, wenn man im Vergleich zu Jeans-Marken wie Levi’s, Wrangler oder Lee im Wesentlichen keine Vergangenheit hat? G-Star gibt es ja erst seit 1989. Ich sehe es als Vorteil. Kein Erbe zu haben, bedeutet keine Grenzen zu kennen. Wir lassen uns nicht davon beeinträchtigen, dass wir auf kein eigenes Archiv zurückgreifen können. Das bedeutet aber nicht, dass wir VintageKleider nicht schätzen. Im Gegenteil: Viele Details unserer Entwürfe sind alten Militärund Arbeiterkleidern entliehen. Wovon ist „Elwood“ inspiriert? Von einer Motorradhose. Den gewissen 3-DEffekt vom Knie abwärts, der an ausgebeulte Lederhosen erinnert, wurde durch Abnäher erzielt. So entstand eine neue, o-beinige Silhouette. Doch Silhouetten, das wissen wir, ändern sich in der Mode nur sehr langsam. Die „Elwood“ kam zunächst nicht gut an? Niemand wollte sie haben. Mitte der 90erJahre war das Geschäft dominiert von den eingangs erwähnten Marken. Sie machten Hosen im klassischen Five-Pocket-Style. Produkte, die sich seit den 1850er-Jahren kaum geändert hatten. Und jeder, der sich in diesem Markt etablieren wollte, etwa Diesel, Tommy Hilfiger oder Calvin Klein, machte eine moderne Version davon. Die „Elwood“ war da eine radikale Änderung. Anders ist auch die Art und Weise Denim zu behandeln – nämlich oft gar nicht. Raw-Denim gefällt uns ästhetisch sehr. Er ist ganz nebenbei auch die umweltfreundlichste Variante, da er nicht gewaschen wird. Leute tendieren ohnehin dazu, ihre Jeans viel zu häufig zu waschen. Früher wurden die Hosen von Arbeitern nur an die Luft gehängt, das war’s. Mit der Zeit hinterlässt man auf diese Weise Spuren im Indigo. Wie ein Fossil. Dadurch wird die Hose einmalig. Und zu einem Produkt, das sämtliche Grenzen überwindet: Alter, Geschlecht, Nationalität, Klasse, Geschmack. Genau wie auch Turnschuhe es tun. Beide sind demokratisch und gleichzeitig sehr individuell durch die Art und Weise, wie sie getragen werden. Der eigene Charakter kann sich in ihnen offenbaren. Das verleiht den Produkten eine emotionale Kraft – fast wie Kunst. In der Mode ist das selten. Nach wie vor selten sind auch Unisexprodukte. Und das, obwohl Unisex in Zeiten von Gender-Debatten die Zukunft ist. Die Jeans ist ein Produkt, das für alle funktioniert: Für Weiße, Schwarze, Frauen, Männer, Homo- und Heterosexuelle. Es liegt daran, dass sie von Technikern und Ingenieuren in einer Fabrik, nicht von Designern in einem Atelier entwickelt und nie als Trend vorgegeben wurde. Jeder kann sich an ihr bedienen. Denim ist also von Natur aus bereits ein Unisexprodukt. Auch der Markt demokratisiert sich, oder? Wenn Marken im 21. Jahrhundert überleben wollen, brauchen sie Bedeutung und Eigendynamik. Marketing und Image werden immer wichtiger. Heute ist es egal, ob man eine Jeansmarke ist oder für die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten kandidiert – alles braucht die richtige Kampagne. Die Art der Kommunikation hat sich aber verändert. Markt und Medien sind zersplittert, man muss sich an vielen Kanälen beteiligen. Früher wurde allein von Magazinen vorgegeben, was Mode ist. Heute gibt es Blogs, Instagram, YouTu- be. Der Konsument hat mittlerweile mehr Macht und beginnt Dinge einzufordern. Zum Beispiel mehr Nachhaltigkeit? Seit 2008 befassen wir uns – wie viele andere Marken auch – mit diesem Thema. Weil aber eben nicht alle einfach auf Biobaumwolle umschwenken können, sie ist nun mal sehr begrenzt, experimentierten wir auch mit anderen Materialien. 2012 trafen wir auf Pharrell Williams und seinen Bionic Yarn, der aus recyceltem Meeresmüll hergestellt wird. Seit wir ihn in unsere Kollektionen integriert haben, konnten wir zwei Millionen PET-Flaschen verarbeiten und gleichzeitig unsere Abhängigkeit von Baumwolle reduzieren. Und Sie konnten Umweltschutz plötzlich attraktiv aussehen lassen. Nachhaltigkeit ist oft mit schlechtem Gewissen verbunden. Das macht keinen Spaß. Man muss es anders angehen: Sie muss erstrebenswert, reizvoll, sexy sein. Und bitte ohne jeglichen Hippie-Appeal. Pharrell ist ein gutes Signal dafür. Dabei ist er aber eben nicht bloß ein Posterboy, ein gekaufter Celebrity. Er ist seit Februar sogar Miteigentümer von G-Star, engagiert sich im und für das Unternehmen. Gleichzeitig lebt er aber auch einen ausschweifenden Lebensstil, betreibt die eigene Modelinie „Billionaire Boys Club“. Kollidiert das nicht mit dem Dasein eines Umweltaktivisten? F. Scott Fitzgerald hat einmal gesagt: „Widersprüche sind ein Zeichen von hoher Intelligenz.“ Denn das Individuum sei in der Lage, zwei gegensätzliche Ideen gleichzeitig festzuhalten und sich dabei die Fähigkeit zu bewahren, weiter zu funktionieren. Ich gebe ihm recht. Heute mehr denn je. Wir leben in einer Welt voller Widersprüche. Es war also wichtig, gerade jemanden aus der Hip-Hop-Welt zu begeistern, der durchaus auch seinen Bling mag. Er ist unser Katalysator. Nur so schafft man es, dass Menschen ihre Meinungen ändern und vielleicht auch irgendwann mal ihr Verhalten. 50 G-STAR; ILLUSTRATION: MARIA CHRISTINA AGERKOP D ie et wa s an de re Je an s „E lw oo d 56 20 “ fe ie rt ih r 20 . Ju bi lä um . A m 20 . ei ne s je de n M on at s in 2016 gi bt es je we ils ei ne lim iti er te A us ga be shop online www.brax.com JEDEN MOMENT ZU MEINEM MACHEN. MÖBEL NEWS Spacig: „Lichtbälle“ aus „gepiercten“ Stahlblechen von Tom Dixon Schwungvolle Silhouette: Stuhl von Caroline Eriksson Warm und kalt im Hier und Jetzt Hinsetzen und staunen – geht mit diesen Yellow Submarine: Stahlblech-Regal von Olaf Riedel neuen Möbeltrends ganz bequem. Auf dem Salone del Mobile in Mailand hat Esther Strerath schon mal Probe gesessen Two in one: Lampentisch von co.arch Nicht Aquarium, sondern Sideboard: „Aquário“ von den Campana-Brüdern für BD Barcelona Stuhl aus der „Boring Collection“ von Lensvelt, gemeinsam mit Space Encounters entwickelt Erinnert an einen modernen Ring, ist aber ein Tisch von Kristalia Gold-und-Puschel-Lehne: Zierlicher Stuhl von Opinion Ciatti Welcome back! Designer Bertjan Pot hat dem legendären „Utrecht“-Stuhl für Cassina ein neues Kleid verpasst 52 Zum „Dahinter-Entkleiden“: Raumteiler „Moralia“ von Dante Goods and Bads N ew, Now, Here!“ betitelt der niederländische Designer Maarten Baas seine Ausstellung im Bezirk Tortona, einem der Stadtteile außerhalb des Mailänder Messegeländes Rho. Dort ging kürzlich der 55. Salone del Mobile zu Ende. Aber das Motto trifft ebenso gut auf das gesamte Event zu, das die ganze Stadt mit einem Meer von Möbeln flutete. Egal, ob Jungdesigner oder etablierte Möbelfirma, das Entdecken neuer Herstellungsprozesse und Materialien steht für viele auf dem „Planet Design“ im Vordergrund, oft mehr als eine aufsehenerregende Form. So gelang Patricia Urquiola (für Molteni) dank 3-D-Printer-Technik ein Tischfuß aus sechs gleichförmig gebogenen „Holz-Blättern“. Das Studio Mieke Meijer setzte den sonst unscheinbaren Polyesterstoff „Triplex“ ins Spotlight – bei seinem Schrankentwurf „Airframe“, der an die Struktur von Flugzeugen von anno dazumal anSchön verformt: gelehnt ist (wiegt nur 18,5 Kilogramm). Vase aus Zwölf Stunden hatte der Designer Massimo einer Serie von Cappella für seinen „Racing Bar Stool“ benöMasha Bakker tigt – „ein persönliches Projekt, um mich selbst herauszufordern“, sagte der Italiener dazu. Andere Exponate beruhen dagegen auf jahrelangen Entstehungsprozessen. Etwa das außergewöhnliche Sideboard, das die brasilianischen Brüder Humberto und Fernando Campana auf dem Stand der Firma BD Barcelona vorstellten. „Wir sind schon seit einigen Jahren mit BD Barcelona in Kontakt. Wir haben Ideen diskutiert, die gereift sind und in unserem Buffet resultieren.“ Die InspiratiDrei sind keiner zu viel: Neues on war ein Aquarium. Die Produktion Hocker-Pouf-Beistelltisch-Set ist geknüpft an die Liebe zum Mix unvon Poltrona Frau terschiedlicher Materialien – kalt (Glas) und warm (Holz). „Hybride“, sind angesagt, Möbel, die mehr als nur eine Funktion erfüllen, ein Tisch mit Leuchte beispielsweise. Die Bürogestaltung mischt der Niederländer Hans Lensvelt mit seiner „Boring Collection“ auf: Die Stücke wollen Goldstück: überhaupt keine AufmerksamAluminiumkeit erzielen. Bis ins letzte DeHocker von tail sind sie in bescheidenem, Studio Joris weichem Grau gehalten, und De Groot alle Formen sind geradeheraus und diskret. Das einzige Ziel: Die Aufmerksamkeit auf Dinge lenken, die wirklich wichtig sind: „Denn es geht nicht um Möbel.“ Nicht? Schwungvoll: Schaukel aus Kunststoff von Philippe Starck für Kartells neue Kids-Collection Gewitzte Lampe mit Behälter von Jorge Najera Fast ein Sofa: „Between“ von Sara Polmar Seinen „Racing Bar Stool“ fertigte Massimo Cappella in zwölf Stunden Relaunch: Der „CH22“ wird wieder produziert, allerdings von Carl Hansen Lückenhaft: Schreibtisch „Contorno No 9“ von Jolanda van Goor Zugreifen: Türgriffe wie Korallen von NJ Interiors Für lange Ausritte: Schaukelpferd von Front für Gebrüder Thonet Vienna Borstige Bank im Tausendfüßer-Design von Riva 1920 Gewagt gebogen: Esstischfuß „Asterias“ von Patricia Urquiola für Molteni Swarovski für den Tisch: Schmucke Schalen aus der Serie „Raw Edges“ Famoses Trio: Lautsprecher, Schale und Leuchte von Designstudio Aklih Gebrannte Asche: Tomas Maier für Bottega Veneta Feder- leicht: Kleiderschrank von Studio Mieke Meijer für Baars & Bloemhoff Bett oder Sofa? Wie man mag. „Gio“ ist aus Teakholz und für draußen geeignet. Von Antonio Citterio für B&B Italia Goldene Gitter: Outdoor-Stuhl „Lyze“ von Florent Coirier für Emu Schräger Spiegel von Piet Boon 53 DESIGN-LABELS TO WATCH DIESE (NOCH) KLEINEN NAMEN HABEN GROSSE IDEEN SCHNEID STUDIO Memphis und Hansestadt: Julia Mülling und Niklas Jessen haben sich in Lübeck niedergelassen, wo sie seit 2012 ihre Kollektion unter dem Namen Schneid entwickeln, in der Region produzieren und selbst vertreiben. Leuchten (links im Bild: „Eikon“ aus Holz und Metall) sind ein Schwerpunkt des Kreativduos, dessen Stil man mit „ein bisschen Memphis, ein bisschen Bauhaus, viel Skandinavien“ beschreiben könnte. Die Stadt im Norden haben sie bewusst als Standort gewählt: die Nähe zum Meer, zur Natur und die Ruhe, die sie dort erfahren, sind die Basis ihrer Entwürfe. schneid.org Formvollendet: Manuel Goller und Sebastian Schönheit wollen mit ihrer Marke die Prinzipien der Moderne in zeitgenössische Gebrauchsgegenstände übertragen. Ihre Produkte, die in Deutschland hergestellt werden, verbinden konzeptuelles Design und eine cleane Ästhetik. Dafür arbeiten sie mit Designern und Architekten wie Clemens Tissi zusammen, der auch den Armlehnstuhl „Throne“ entworfen hat. Der Stuhl aus pulverbeschichtetem Aluminium ist mehr Skulptur als bequemes Sitzmöbel. Dafür kann er auch als Beistelltisch genutzt werden. newtendency.de La Chance 54 MULLER VAN SEVEREN Kunstvoll: Eigentlich sind Fien Muller und Hannes van Severen Künstler. Sie arrangiert und fotografiert abstrakte Stillleben, er ist Bildhauer. Was im Mai 2011 als spontanes Experiment begann, ist inzwischen zu einer veritablen Möbelkollektion angewachsen. Die Entwürfe des jungen belgischen Paares vereinen die individuellen Stärken der beiden: ihr Gespür für Farbe, seinen Sinn für Absurdes. Ihr gemeinsames Möbelprojekt bewegt sich zwischen Design und Kunst, benutzbarem Objekt und Skulptur: Die filigranen, farbstarken Entwürfe leugnen nicht ihre Verwandtschaft zu den Arbeiten von Donald Judd und Sol Lewitt – gewürzt mit einer Prise Humor. mullervanseveren.be ZUSAMMENGESTELLT VON ANNEMARIE BALLSCHMITER SOWIE SARA KRÜGER (ICONIST.DE) Auf dem Holzweg: Die Liebe zu Holz wurde den Geschwistern Nicola und Oliver Stattmann quasi in die Wiege gelegt, sind sie doch die vierte Generation einer Familie von Tischlern und Zimmerern. 2012 haben sie Stattmann Neue Möbel ins Leben gerufen. Alle Möbel der kleinen Kollektion, wie etwa der Tisch und die Bank „Profile“ von Sylvain Willenz, werden im familieneigenen Betrieb in Westfalen gefertigt. Was jedoch alle Stattmann-Entwürfe gemeinsam haben? Ihre intelligente Konstruktion und ihre klare, schlichte Anmutung. So hat der Münchner Designer Steffen Kehrle daraus ein Regal entwickelt, das ganz ohne Leim und Schrauben auskommt. stattmann-neuemoebel.de NEW TENDENCY Très français – und mehr: Das junge Designlabel La Chance aus Paris, gegründet von Jean-Baptiste Souletie und Louise Breguet, er ehemaliger Banker, sie Architektin, arbeitet vor allem mit französischen Designern zusammen. Es setzt auf edle Materialien und eine zeitgenössische Interpretation eines dekorativen ornamentalen Stils. Bestes Beispiel: das Baumsofa „Borghese“ von Noé Duchaufour-Lawrance, inspiriert von den Pinien im Park der Villa Borghese in Rom. lachance.fr Stattmann Neue Möbel hoerger.de Katalog und Händler unter www.next125.de Küchen made in Germany – next125. Ausgezeichnetes, internationales Design. Nachhaltig produziert. Und das zu einem überraschend angenehmen Preis. design im einklang mit natur und preis IRMAS WORLD Milano profissimo STÄDTEREISEN SIND PRIMA UND MIT DEN RICHTIGEN TIPPS FÜHLT MAN SICH WIE EIN EINHEIMISCHER. UNSERE KOLUMNISTIN IRMA HAT SICH IN MAILAND UMGESEHEN Rossana Orlandi Die gleichnamige Besitzerin führt das Möbelgeschäft samt Galerie schon seit vielen Jahren, aber immer wieder überrascht Rossana Orlandi mit neuen Installationen und Themen. Eine Galerie, die ebenso bekannt für ihre exzentrische Besitzerin, wie für ihren eklektischen Geschmack ist. Insbesondere zur Zeit des Salone ein Treffpunkt der DesignSzene. Via Matteo Bandello 14/16, 20123 Milano, Tel.: +39024674471; rossanaorlandi.com Mercatino Penelope Eine sehr schöne Auswahl an modernen Antiquitäten, von Mid-Century bis zu Memphis, zu verhältnismäßig fairen Preisen. Das besondere: Je länger ein Stück im Laden steht, desto mehr fällt der Preis. Nach vier Monaten kostet es nur noch die Hälfte. Via M. Melloni 6, 20129 Milano, Tel.: +3902396.805.88; mercatinopenelope.it Funky Table Geschirr und Besteck aus aller Welt. Von Afrika bis Portugal, von Argentinien bis Puglia, von England bis China. Alles für den gedeckten Tisch. Vieles, von dem man gar nicht wusste, dass man es braucht. Via Santa Marta 19, 20123 Milano, Tel. +39 02 36748619, funkytable.it Tischkultur: Bei „Funky Table“ gibt’s Geschirr aus aller Herren Länder 56 Cavalli e Nastri Der berühmteste Vintage-Laden Mailands. Ungewöhnliche Auswahl an schönen Stücken von Hermès, Chanel, YSL. Alles in ausgesucht gutem Zustand. Der Laden hat auch ein kleines Online-Museum, in dem sich Designer immer wieder Inspiration holen. Via Brera 2, 20121 Milano, Tel.: +39 02 72000 449; cavallienastri.com Spazio900 Auch hier haben sich die Inhaber auf das Design der 50er- bis 80er-Jahre spezialisiert. Die Möbel werden in einem großen Gebäude wie in einer Dauerausstellung präsentiert. Inzwischen gibt es auch einen großen Online-Shop. Viale Campania 51, 20133 Milano, Tel.: +39 02 70125737, spazio900.com Excelsior Milano Für das moderne Kaufhaus mit Boutiquen wurde ein siebenstöckiges ehemaliges Kino von den Star-Architekten Jean Nouvel und Vincenzo De Cotiis umgewandelt. Video-Installationen, die sich über die sieben Etagen erstrecken, inszenieren geschickt eine Reise durch die Welt der Mode, des Hightech und des guten Essens. Marken wie Etro, Lorenzo Villoresi, Aveda, Azagury und Tiffany & Co. sind ebenso vertreten wie Bars und Restaurants sowie die Mailänder Dependance der Pariser Pâtisserie Ladurée. Galleria del Corso, 4, 20122 Milano, Tel.: +39 02 7630 7301; excelsiormilano.com Peck Die weltberühmte Delikatessen-Institution erfüllt seit über 130 Jahren auf drei Etagen jeden kulinarischen Wunsch und bietet eines der größten Sortimente an Käse, Schinken und Wein Italiens. Es gibt auch ein eigenes Restaurant sowie ein Café im selben Gebäude. Besonders schön sind auch die Pasta- und Lebensmittel-Verpackungen in typisch italienischem Stil. Via Spadari, 9, 20123 Milano, Tel.: +39 02 802 3161; peck.it Trattoria „Milanese“ Unkomplizierte traditionelle Mailänder Trattoria. Das Ossobuco mit Risotto Milanese ist besonders zu empfehlen. Normalerweise hat eine Mailänder Trattoria meist wenig Tageslicht, dafür aber einen kalten Steinboden und oftmals geklöppelte Gardinen vor den Fenstern. Auf Beutezug: Irma weiß, wo es sich in Mailand lohnt vorbeizuschauen Ein schöner Kontrast, wenn man vorher in Design geschwelgt hat. Via Santa Marta 11, 20123 Milano, Tel: + 390286451991 Osteria La Risacca 6 Es gibt in Mailand mehrere RisaccaRestaurants, aber Risacca 6 gilt als das beste. Spezialisiert auf Seafood und Fisch. Man fühlt sich direkt ans Meer versetzt – das Ambiente ist italienisch maritim. Via Marcona, 6, 20129 Milano, Tel.: +39 02 55181658; larisacca6.it Ceresio 7 Das glamouröse Restaurant der beiden Modedesigner Dean und Dan Caten von Dsquared ist im Stil der 60er- Jahre eingerichtet. Viele Details möchte man gleich in den eigenen vier Wänden umsetzen und der Blick über Mailand und Umgebung ist einmalig. Im Sommer diniert man am Penthouse Pool und genießt die grandiose Aussicht. Via Ceresio 7, 20154 Mailand; Tel.: +39 02 3103 9221; ceresio7.com Pasticceria – Confetteria „Cova“ Der Klassiker unter den Mailänder Cafés im goldenen Dreieck.: kleine Panini an der Bar und ein Espresso im Stehen. Die schönen Verpackungen der Pralinen und Schokoladen bieten sich wunderbar zum Verschenken an und der kleine Tea Room ist perfekt zum Lunch. Via Montenapoleone 8, 20121 Milano, Tel. +390276000578; pasticceriacova.it IRMASWORLD N atürlich findet sich immer einen Grund, im Frühling nach Mailand zu fahren, aber der alljährliche Salone del Mobile ist sicherlich ein besonders überzeugender, denn Mailand steht für Design und die schönen Dinge. Ob Restaurants, Delikatessengeschäft oder Vintage-Shop, die Vorliebe für gutes Design und guten Geschmack sind allgegenwärtig. Irmas Auswahl der schönsten Geschäfte und Restaurants, denen man, jederzeit, einen Besuch abstatten sollte: SHOPP EN WI E GEST ERN Eine Kis t e Buntes Neun Q uadratm eter. Me braucht hr e Paul S m i t h anfan Nun ha gs nich t er sein t. e r s t es Gesc origina h ä lgetreu ft wieder Esther S aufgeba trerath ut. krabbel te hinei n D 58 er Mann, der mit Streifen weltberühmt wurde, erscheint in Karos. Sir Paul Smith hat es eilig, er wird in der Vergangenheit erwartet. Anlässlich des Umzugs und der Wiedereröffnung des Londoner Concept Stores „Dover Street Market“ holt sie ihn ein, und zwar im Untergeschoss. Dort hat der britische Designer die allererste Station seiner Mode-Karriere aufgebaut: den Store aus seinem Heimatort Nottingham in Originalmaßstab. Während auf den oberen drei Etagen sich Labels von Céline über Gucci bis Raf Simons und Molly Goddard in kühnen Raumkonzepten präsentieren, begnügt sich Smith mit drei Mal drei Metern und ein paar Holzregalen. Auf dem Boden steht ein Korb mit kunterbunten Radrennfahrer-Schirmmützen, gegenüber hängen Herrenanzüge in leuchtendem Orange, Grün und Blau. Bücher gibt es hier, Socken und auch Spielzeug-Comicfiguren. Von der Mitte, auf dem kleinen Teppich stehend, ist fast alles in dieser Mini-Boutique in Armlänge greifbar: „Genauso war mein erster Shop“, bestätigt Sir Paul. „Die Umkleide war nur ein schmaler Vorsprung zu einem modrigen Keller mit Vorhang, sehr gefährlich“, sagt der 69-Jährige und tut verschmitzt, als würde er stürzen. „Der Shop war eklektisch, mit Dingen, die Spaß machten, mit Objekten, Postern, Magazinen und Schallplatten.“ Und natürlich mit Mode. Die entwarf der schlaksige Brite damals im Jahr 1970 bei „Paul Smith Vêtement Pour Homme“ in der 10 Byard Lane noch gar nicht selbst: „Ich startete mit Teilen, die nie radikal, aber immer ein wenig anders waren. Klassischer Tweed in Gelb oder Lila zum Beispiel, oder mit interessanten Futterstoffen“, erinnert er sich. Er selbst trug damals hauptsächlich Levi’s und schwarze Kaschmir-Polos – „sehr bohemian“. Zu dieser Zeit war er, der Sohn eines Schneiders, der eigentlich Radrennfahrer werden wollte, bereits sechs Jahre lang „shop assistant“ bei einem Herrenausstatter gewesen. S ti l im Q u a d ra t: P a u l S m it h ; s e in „P s y c h e d e li c C a c tu s “ Dann kam Homer. Der junge Paul Smith hatte sich schon immer einen afghanischen Windhund gewünscht. Seine Ehefrau Pauline ermutigte ihn, ein eigenes Geschäft zu eröffnen, und ihr Afghane Homer war Smiths „erster Manager“, denn jeder, der den Laden betrat, begrüßte stets den Hund zuerst und nicht den Ladeninhaber: „Außerdem sahen wir genau gleich aus, große Nase, lange Haare“, erinnert sich Smith und lacht. Heute im „Dover Street Market“ kann der Designer sich keinen Meter fortbewegen, ohne angesprochen zu werden: Von Stephen Jones, dem Hutmacher, von der Journalistin Suzy Menkes oder von einem jungen Mann mit Mütze und Tattoos, den er mit einem vorgetäuschten „Autsch“ erschreckt, als dieser gerade aus dem Fahrstuhl steigt. Der Mann ist ein begnadeter Entertainer, er übersieht niemanden, hat stets ein nettes Wort parat, und ihn zeichnet die Gabe aus, fast jeden mit einem Lächeln zurückzulassen. Vielleicht waren diese Fähigkeiten das Geheimnis seines Debüts. Außerdem hatte er schon damals Passion, besuchte Abendkurse, war fasziniert von der Handarbeit und wurde immer neugieriger: „Irgendwann realisierte ich, dass die Kleidungsstücke, die ich anbot, nicht wirklich das waren, was die Bewohner dort, in der Provinz, suchten. Der Shop war einzigartig, aber zu speziell, um davon leben zu können. Deswegen sitze ich heute hier. Hätte ich Kompromisse gemacht, wäre es bei einem netten Provinzladen geblieben.“ Heute verkauft „Paul Smith“ in 66 Ländern, hat 17 Geschäfte in England, davon nunmehr elf in London, und auch einen in Hamburg ( re c h ts ) is t in li m it ie rt e r A u fl a g e e rs c h ie n e n und 1000 Mitarbeiter. Rebellisch, das gibt er gern zu, sei er nie gewesen. Aber er war auch niemand, der dem großen Modestrom erlag. Er freut sich diebisch darüber, dass der „Dover Street Market“ von Rei Kawakubo jetzt einen Hype um die bis dato modisch unerschlossene Straße Haymarket auslösen wird. In Paris hat er kürzlich im uncoolsten Teil des Marais einen Store eröffnet: „In der Rue Pastourelle, die absolut falsche Straße, es existiert überhaupt keine Mode dort.“ Ein „Yes!“ entfährt Smith – und er unterstreicht seine Freude über seinen letzten Streich mit Gewinnerfaust-Geste. Nein, zurück zu neun Quadratmetern möchte er nicht – das wäre selbst für einen wie ihn zu merkwürdig. Es gibt eine Schwarz-Weiß-Fotografie, sie zeigt ihn und seine Frau Pauline an einen amerikanischen Straßenkreuzer gelehnt. Sie trägt Bundfaltenhosen mit flachen Schuhen. Ein ähnlicher Look findet sich in seiner kommenden Herbst/Winter-Kollektion. Die Show sei eine seiner besten gewesen, findet er. Denn: „Meine Referenz bin ich!“ Soeben hat Smith seinem Unternehmen wieder einen neuen Spin verliehen, indem er seine zahlreichen Nebenlinien auf zwei Hauptlinien zusammenzog, die je zwei Kollektionen pro Jahr herausbringen werden. Das nennt man wohl ein klares Konzept – verständlich, dass der Mann so gute Laune hat. VO R R E ITER N e w Yo rk ,P „D o v e r S e k in g , To k io : d a s tr e e t M a rk e t“ s c h Ko n z e p t z u fu n k ti e in o n ie re n . O b e n : C t ü b e ra ll G a rç o n s omme d - C o rn e r es in N e li m it ie rt e P ro d u k te w Yo rk u n d zur Lond W ie d e re rö ff n u n g oner Der and e r e Markt Am sch limmst en wäre Unter d Langew iesem C eile. redo fü und Ad h ren Rei rian Jof Kawaku f e i h bo r e Gesch Und all äfte. e wolle n mitm achen D ie Abkürzung lässt Deutsche etwas mit Supermodels assoziieren: DSM. In der Modewelt markieren die drei Buchstaben hingegen den Code, der zunächst für die Einmaligkeit der Japanerin Rei Kawakubo stand, derer sich aber mittlerweile mehr und mehr Einzelhändler bedienen. Hatte die Gründerin des Avantgardelabels Comme des Garçons es doch immer schon verstanden, wie man mit Persönlichkeit und Individualität Aufmerksamkeit und Begehrlichkeit bei Konsumenten erzeugt. 1969 hatte sie ihr Unternehmen in Tokio gegründet, mit der ersten Show in Paris 1981 rief sie mit ihrem komplett schwarzen, dekonstruktiven Stil zunächst Unverständnis hervor. Nur um seither ein Maßstab zu sein. Auch dafür, wie man Marken sauber weiterentwickelt. Dazu gehört ein Gespür für Gegenden. Da Kawakubos Mode immer eher Installation als Kleidung war, brauchten auch ihre Geschäfte nicht das übliche Umfeld. Als der Mietvertrag für ihre erste mehr minimalistische Galerie als Geschäft in der Londoner Brook Street auslief, und ihr Mann Adrian Joffe einen neuen Standort suchte, entdeckte er das leer stehende Dover Street-Gebäude, ehemals das „Institute of Contemporary Art“. Und kam ihm prompt eine Idee: „Warum sollen nur wir hier einziehen? Wie wäre es, wenn wir das ganze Gebäude übernähmen und andere Leute dazuholten?“ fragte er seine Frau, die sofort assoziierte: „So wie Kensington Market?“. Also jener interkulturellen Einrichtung, die sie schon beim ersten London-Aufenthalt Anfang der 60er-Jahre fasziniert hatte und die bis in die 90er-Jahre kreative Maßstäbe setzte. Das war der Anfang ihres Conceptstores „Dover Street Market“ (DSM), der unter „verschiedene Leute“ Luxusmarken und junge Unbekannte vereinte. Hedi Slimane, Raf Simons, Alber Elbaz und Azzedine Alaïa waren die ersten Mitstreiter. Als Phoebe Philo 2009 ihre erste Kollektion für Céline zeigte, war es schon selbstverständlich, dass Teile bei DSM hingen. Mittlerweile gibt es vier Dependancen, in Tokio, New York und Peking, sowie den neuen Londoner Standort im ehemaligen Burberry Hauptquartier in Haymarket. Es wird wieder die Gegend verändern. Nicht alles in allen Farben, keine Komplett-Looks, zahlreiche individuelle Kooperationen – und was ausverkauft ist, ist wirklich weg. Dazwischen viel Kunst, Reibung, und was zu essen. Das Konzept war schon Antwort, als es den Fast-Fashion Druck durch das Netz noch nicht gab. Die Marken bekommen eine eigene Spielfläche aber keine „Corner“, die im Corporate Design gebrandet werden kann. Dass Paul Smith im neuen Dover Street Market seinen Ursprungsladen recycelt hat, ist eine Ausnahme, die auch damit zu tun hat, dass dieses winzige Geschäft mit seinem bunten Chaos eine Art Vorläufer von DSM war. Die Freiheit in Grenzen, die den Nachbarn respektiert, setzt die Entwürfe in einen anderen Kontext, die Labels müssen quasi aus eigener Kraft bestehen, beziehungsweise schöpfen Energie aus dem ganz anderen Umfeld. Design ist das Einzelne. Der Fall von Louis Vuitton zeigt, welchen Reiz das haben kann. Als Nicolas Ghesquière 2014 mit der Transformation begann, reagierten die Kunden in den Boutiquen der Marke noch etwas verstört, zu anders war der Stil nach zehn Jahren Marc Jacobs-Fantasie, als dass die neuen, definierten Teile von Ghesquière aus den Regalen gerissen worden wären. Genau das passierte aber mit der kleinen Kollektion, die Louis Vuitton entgegen der sonstigen stringenten Nur-in-eigenen-Boutiquen-Verkaufspolitik an DSM geliefert hatte. Der Buzz war da. Man braucht eigentlich nichts. Aber wenn man eine Weile im Dover Street Market eintaucht, will man zwei Dinge. Etwas kaufen. Und daInga Griese heim ausmisten. 59 Alles neu am Neuen Wall: Zeitreise im „Collectors Room“ mit limitierten Füllern aus der Andy-Warhol-Kollektion bis zum Montblanc-Klassiker „Fountain Pen“ NOTI ERT t h c i N n r e k c kle nd tsch u u e d d t. Nor ewuss b s n o i e tradit its ein e s r e r n darf h ü Ande k ie rma. W i f t l er e W ken? D n e d a man d oé at ose N ance h r Franz w a L ufour es n neu Ducha i e c n en ontbla tworf für M n e t p konze Laden 60 S chwarz wie Ebenholz, weiß wie Schnee, dazwischen liegen die Preziosen in Glasvitrinen. Es ist ein bisschen wie bei Schneewittchen: Das neue Montblanc-Geschäft am Neuen Wall in Hamburg hat etwas Märchenhaftes. Es gibt ein „Haus im Haus“, eine Kapsel, in die man wie in einen hohlen Baum einsteigt, und in der die Hamburger Manufaktur ihre Sammlerstücke präsentiert. Sämtliche Schränke sind nicht als solche zu erkennen, sondern in den Wänden oder den Trennelementen versteckt, die den 200 Quadratmeter großen Laden in unterschiedliche Bereiche teilen. Die Decken sind meterhoch und es duftet nach Holz. Ausgedacht hat sich diese Szenerie der Designer Noé Duchaufour-Lawrance aus Paris. Vor mehr als zwei Jahren bewarb er sich auf eine Ausschreibung des Unternehmens, das Teil der Richemont-Gruppe ist: „Zu modern, zu dramatisch, zu erzählerisch“, lautete das erste Urteil der Geschäftsführung, die den Montblanc-Look mit dem Umzug ein paar Häuser weiter am Neuen Wall zwar verändern wollte, aber besser nicht zu kühn. Nach neun Monaten aber hatte man sich doch geeinigt – und das Konzept entsprach beinahe seiner ursprünglichen Idee. Noé Duchaufour-Lawrance ist bekannt für seine eigenwillige Formensprache. Schon 2002 sorgte er für Aufsehen, als er in das damals neue Londoner Szene-Restaurant „Sketch“ Waschräume einbauen ließ, die an Raumfahrtstationen aus den Kinofilmen der 60er-Jahre erinnerten. Auch die Business-Lounges von Air France am Flughafen Paris Charles-de-Gaulle und Tokio gestaltete er mit ausladend skulpturalen Elementen. Zuletzt schuf er mit der Einrichtung des „Ciel de Paris“ ein Restaurant, das man sich genauso gern anschaut, wie man dort isst. Was seine Entwürfe aber so einzigartig macht, ist der Mix aus innovativen und traditionellen Materialien, die in dem für ihn typisch organischen Stil zusammenfinden. Weich geschwungene Kurven kennzeichnen seine Möbel und die Raumgestaltung. Unter seinen Entwürfen für namenhafte Hersteller wie Zanotta, Bernhardt Design, Ceccotti Collezioni, oder Cinna finden sich Leuchten, die wie verzweigte Äste aussehen, Sofa-Landschaften, die an bunte Steine erinnern, oder Tische, die wie aneinandergereihte Blätter wirken. Auch, dass alles eine Geschichte erzählen soll, ist eines seiner unverkennbaren Markenzeichen. Die Möbel für Montblanc hat er komplett selbst entworfen: zierliche Vitrinen aus Holz, auf manchen stehen große Schmuckkästen, unter jeder wartet ein graziler Hocker. Tische mit schwarzen Platten und Messingrändern und darauf abgestimmte Tabletts – sogar der Stab, den es braucht, um Taschen aus den obersten Regalen zu fischen, ist „Made to Measure“. Große Leuchten aus Messing erstrecken sich über die Länge des Verkaufstresens und erhellen den „Collectors-Room“. Ihm gab Duchaufour-Lawrance den Namen „Little Fountain“: „Ich habe eine Fotografie aus den 30ern entdeckt, die zeigt, wie damals der berühmte ,Fountain Pen‘ mithilfe eines Spiegelinstrumentes gereinigt wurde.“ Diese Form inspirierte ihn zu dem sechseckigen Lüster, den es nur in Hamburg gibt. Der Kunde solle sich eher „wie zu Hause“ fühlen denn in einem Geschäft. Um Gefühle und Wärme geht es: „Der Kunde soll den Store spontan betreten wollen“, so der Designer. „Ich wollte einen Raum, der die Emotionen der Marke reflektiert und nicht nur gebrandete Architektur ist.“ Das Konzept basiert auf drei Hauptthemen, die sich mit den Wurzeln des Hauses Montblanc auseinandersetzen, als da wären: Die kursive Handschrift in Verbindung mit dem „Fountain Pen“, das Emblem, das schon aus der Ferne wie eine Schneeflocke an der Fassade leuchtet, sowie die Tintenfarben und die Leidenschaft für Kunsthandwerk. „Ich wollte den Schreibgeräten, die das Fundament Montblancs bilden, eine Hommage erweisen“, erklärt der Designer. Und: „Die weißen Wände sind von der Struktur eines Papiers inspiriert.“ Die größte Herausforderung für den Pariser, der häufig schon Einzelstücke in Galerien ausgestellt hat und limitierte Editionen fertigte, war jedoch die Dimension des Montblanc-Auftrags: „Das Konzept wird weltweit 500-mal wiederholt werden, dennoch soll es sich jedes Mal aufs Neue einzigartig anfühlen. Um das zu erreichen, haben wir eine riesige Kollektion von Möbeln entworfen sowie Möglichkeiten, die direkt mit den Räumen und ihrer Konfiguration korrespondieren. So wirkt der Look des Projektes wie maßgeschneidert, dabei ist seine Konzeption beinahe industriell.“ E. Strerath HINGUCKER GUTE AUSSICHTEN FÜR DIE SONNENBRILLEN-ZEIT NASENBRÜCKEN Die Objekt-Künstlerin Clémence Seilles muss beim Betrachten einer Brille immer an Brücken denken: „Vor allem an die historische Form von Aquädukten.“ Das setzte die Französin nun sogleich in ihrer ersten, kleinen Capsule Collection für die italienische Marke Oxydo um. Sie gestaltete zwei Modelle in je drei Farben – und wer genau hinsieht, erkennt die Inspiration. Gibt’s über oxydo.de EINE FÜR ALLE: ACE & TATE Es begann mit einem Brillengestell, das Mark de Lange in New York kaufte. Zurück in Amsterdam, seiner Heimat, wollte er es mit geschliffenen Gläsern versehen lassen. Dem dortigen Optiker missfiel es jedoch, dass es nicht bei ihm gekauft worden war und er verhielt sich undurchsichtig bezüglich der Gläserpreise. Am Ende zahlte der Holländer insgesamt mehr als 400 Euro. Zu viel, wie er fand. Und er sagte sich: Das muss auch anders gehen. De Lange, zuvor bei einem privaten Investor tätig, wagte sich also an ein eigenes Geschäftsmodell: hochwertige Designbrillen zu einem vernünftigen Preis. Nämlich jeweils 98 Euro – egal welches Modell (auch Sonnenbrillen) und egal in welcher Stärke (für Gleitsicht sind es 248 Euro). „Produktion, Marketing und Vertrieb unter einem Dach machen die einheitlichen Preise möglich“, erklärt der 34-Jährige, dem sein Marketingstudium zugutekommt. Vor rund zwei Jahren startete er mit seinem Label Ace & Tate (abgeleitet von Hollywoodstreifen Großes Kino! Durch die Gläser der Sonnenbrille „Dior Split“ spielen Sie (Breitleinwand-Optik) und Ihr Gegenüber (verspiegelte Streifen) einen ganz eigenen Film. Die Entscheidung, ob dieser sich in Rosa, Silber oder Blau abspielen soll, liegt freilich allein bei Ihnen. Acetat, das von ihm favorisierte Material) mit einer ersten Kollektion, einem Onlineshop und promptem Erfolg. Interessenten können sich Modelle nach Hause schicken lassen, die eine Woche probiert und kommentiert werden sollen. „So kann man Freunde und Kollegen fragen, wie sie die Brillen finden, und nicht irgendeinen Typen in einem Geschäft, der vielleicht 30 Minuten mit einem verbringt“, so de Lange. Trotzdem gibt es nun auch drei stationäre Geschäfte in den Niederlanden, in Berlin-Mitte öffnete jüngst ein weiteres, und in Irland, Österreich, Schweden und Dänemark teste man gerade den Markt. Wie die Marke in der kurzen Zeit so rasant wachsen konnte? „Wir befriedigen offenbar ein Bedürfnis. Mit Klassikern, die gut gestaltet aber eben nicht zu hip sind. Wir sind eine Marke für alle“, antwortet der Unternehmer. Außerdem komme auch der Gedanke gut an, Brillen mit der Garderobe zu wechseln: „Wenn man etwa zur Bank geht, um einen Kredit aufzunehmen, dann zieht man doch lieber Anzug an als Jeans mit Turnschuhen. Wieso sollte man also immer dieselbe Brille tragen?“ Er selbst tue das längst nicht mehr, habe Gestelle für jeden Anlass. Und deshalb werde auch die Kollektion stetig vielseitiger. Heute gibt es neben Acetat- auch Metallrahmen und ganz neu im Sortiment sogenannte Clip-ons. Was er plant? In der Zukunft möchte er die europäische Brillenmarke für kultivierte Menschen werden und vielleicht eines Tages den amerikanischen Markt erobern. Durch sein Lieblingsmodell „Hudson“ sieht die Aussicht gut aus. Mira Wiesinger Fliegengewicht Versprochen – diese Sonnenbrille werden Sie nicht auf dem Nasenrücken spüren. Sie wiegt lediglich fünf Gramm und entstand in Zusammenarbeit von USDesigner Wes Gordon und Silhouette, der österreichischen Brillenmanufaktur, die sich auf randlose Modelle spezialisiert hat. „Meine Welt sind Stoffe und Scheren, bei Silhouette gibt’s Roboter und Laborkittel“, erzählt der 28-Jährige und lacht. Funktioniert hat die Zusammenarbeit trotzdem. Erstmals zeigte er seinen Entwurf während der New Yorker Fashion Week und schickte seine Models mit der Brille in vier Farben (blau sei die „Happy-Brille, durch die selbst blauer Himmel noch besser aussehe“, dazu Flaschengrün, Grau und Schwarz) auf den Laufsteg. Die Inspiration? „Die 90erJahre. Ich liebe die Ära der Supermodels, Slipdresses und kleinen Brillen.“ cb KNICK IN DER OPTIK? Von wegen! Ecken und Kanten gehören bei der Brillenmarke Pawaka nämlich fest ins Programm. „Pawaka“, das bedeutet in der altindischen Sprache Sanskrit „Feuer“. Ziemlich heiß finden wir auch die innovativen Entwürfe der indonesischen Schauspielerin Fahrani Empel, die seit Gründung des Labels in 2015 für das Design der Marke zuständig ist. 61 62 Top: Akris. Armreif: Georg Jensen Bluse: Longchamp. Hose: „Michael“ Michael Kors. Kette: Pomellato. Sandalen: Michael Kors Collection Down to Earth Im Naturpark Bardenas Reales im Norden Spaniens hat die Natur aufgeräumt. Mit korrespondierenden Looks bringen wir Leben in die Halbwüstenlandschaft Fotografen: Jens Schmidt & Lydia Gorges c/o Hille Photographers; Styling: Jürgen Claussen c/o juergenclaussen.com Haare/Make-up: Benjamin Becher c/o Nina Klein; Model: Anja Leuenberger c/o Munich Models; Casting: Martin Freimoser Location: Hotel „Aire de Bardenas“ in Tudela (airedebardenas.com) Top: Céline. Kette: Thomas Sabo 64 FOTOMONTAGEN: ICON / LUNA SIMIC Bluse und Hose: Hugo Boss. Armreifen: Tiffany & Co. Linke Seite: Kompletter Look: Bally. Ohrringe: Hermès. Diese Seite: Top und Schuhe: Akris. Rock: Brunello Cucinelli. Armreif: Georg Jensen Jacke und Hose: Max Mara. Rolli: American Vintage. Boots: Louis Vuitton. Armreif: Hermès 68 Bluse: Sportmax. Ohrringe und Ring: Atelier Swarovski by Jean-Paul Gaultier 69 Kleid und Mantel: Burberry Prorsum. Armreif: Fope 70 Mantel: Salvatore Ferragamo Hemd: Marc O’Polo Pure. Stiefel: Louis Vuitton. Ohrringe: Atelier Swarovski Core Collection T H E C U LT U R E O F T O TA L B E A U T Y Die Verbindung von Leben und Schönheit. Bios und Ästhetik. Die Verbindung von neuester Forschung und natürlichen Inhaltsstoffen. Individuell für jede Haut und jedes Haar. Das ist unsere Aufgabe. Exklusive Haarpflege und Kosmetik. In ausgesuchten Friseur – Salons und auf labiosthetique.de BEAUTY STILISTEN HIER KOMMEN UNSERE KOSMETIKEXPERTEN ZU WORT HALLO, DAISY! Jahr für Jahr gewinnt ein Flakon immer wieder aufs Neue mein Herz. Pünktlich zum Frühjahrsanfang trudelt er in unserer Parfümerie ein. Es ist „Daisy“ von Modedesigner Marc Jacobs, den er bereits 2008 kreiert hat. Der Flakon sieht mit seiner Gänseblümchen-Optik aus wie der Name es verspricht. Doch blieb es nicht bei diesem einen Duft, in jedem Jahr vermehrt er sich, ganz wie man es vom Rasen kennt, um eine limitierte und leichtere Edition. Und das nicht nur beim „Mutter-Duft“, sondern auch den Ablegern „Daisy Dream“ und „Daisy Eau so fresh“. 2016 heißen die drei Neuen alle mit Nachnamen „Blush“ – und Sie duften, wie es sich für Daisys nun einmal gehört, nach Sommer. Gute Laune ist inklusive. In der Ruhe ... Wie dekoriert man Haute-CoutureAugen? Im Januar zeigte Chanel eine sehr zurückgenommene und umso kostbarere Kollektion. Der allgemeinen Mode-Hektik setzte Karl Lagerfeld eine besonders friedliche Kulisse mit Holzhaus und Rollrasen entgegen. Das übertrug sich wohl auf das Backstage-Gewusel. Für diese Lidstriche brauchten die Make-up-Artisten schließlich eine besonders ruhige Hand. Ommm ... Die Macht sei mit euch! Wussten Sie eigentlich, dass der Malachit schon seit Jahrhunderten als Schutzstein gegen die Macht des Schicksals gilt? Sei es drum. Fakt ist, dass Giorgio Armani persönlich im Besitz eines Malachits ist und sich davon für seine Armani-PrivéDuftserie inspirieren ließ. Die Duft-Kreation von „Vert Malachite“ hat er aber dem Parfümeur Fabrice Pellegrin überlassen, der eine Lilie in den Stein, der nämlich nach nichts duftet, hineininterpretierte. Schmuck! © CHANEL 2016 Claudia Mikus Spielerisch: Normalerweise entwirft Charlotte Olympia Schuhe (Sie kennen bestimmt ihre niedlichen „Kitty“Ballerinas) und Taschen. Für Mac entwickelte sie nun ihre erste, limitierte Make-up-Kollektion. Neben rotem Lippenstift, Mascara und Puder ist vor allem das „Blotting Paper“ empfehlenswert, damit lässt sich schnell und in diesem Fall stylish überschüssiges Fett, das die Haut produziert, abtupfen. Wer hat hier die Nägel schön? Klar, dies ist eine Kosmetikseite, auf der wir normalerweise die spannendsten und wirksamsten neuen Produkte vorstellen. Doch bei dieser Tasche der wunderbar exzentrischen Britin Lulu Guiness konnten wir nicht widerstehen – und schließlich geht es ja auch um schöne Hände ... Kaufen kann man sie über avenue32.com, die passende Maniküre gibt es leider (noch) nicht dazu. In den Genen: Als Enkeltochter des Kiehl’s-Gründers hat Jami Morse das Beauty-Gen wohl geerbt. Im Jahr 2000 verkaufte sie die Marke zwar an L’Oréal, tüftelte aber weiterhin – mehr aus Spaß an der Freude – an neuen Tinkturen. Das Resultat? Retrouvé, eine feine Mini-Kollektion aus drei Seren, einer Augencreme und – ganz neu – einem „Luminous Cleansing Elixir“. Gibt’s etwa in der Kurfürstenparfümerie in Mannheim. Geschäftsführerin der Parfümerie „Mikus“ in Essen HEIMAT, HEIMAT Parfüms müssen gut riechen, aber auch gut aussehen. Beides vereinen die Produkte einer kleinen Münchner Manufaktur, die erst sieben Düfte kreiert hat: Lengling, benannt nach dem Inhaber-Ehepaar Ursula und Christian Lengling. Ihr Anliegen: in jedem Duft zwei konträre Noten miteinander zu kombinieren. Das funktioniert meiner Meinung nach besonders gut bei Nummer 4: „In between“ ist eine Mischung aus Jugend und Reife – duftet zart nach Pfirsich, aber auch nach Patschouli und Moschus. Doch zurück zur Optik: Das klare Design des Flakons, der in Gmundner Papier eingepackt ist, ziert ein silberfarbener Kiesel aus der Isar. Das ist doch wahre Heimatliebe, oder? Nola Bergner Geschäftsführerin der „Bergner Parfümerie“ in Pfaffenhofen Form folgt der Funktion – doch warum sollten Mascara und Flakon bei Shiseido nicht auch nach Design aussehen? Daneben: Ruba AbuNimah, illustriert von Donald Robertson W EET EST M S EAS t f n u k u Z ie T d n i Auf 74 werk werden gerade 20 Miniatur-Laborkittel ausgestellt, jeden ziert das eingestickte Konterfei eines anderen wissenschaftlichen Mitarbeiters. Man will schließlich zeigen und auch wissen, wer hier forscht. Und wieder Produkte, Produkte, Produkte – wohin man auch blickt. Hinter einer Wand verbergen sich kleine Kabinen, die „dressing tables“. Mal pur, mal poppig-bunt eingerichtet, ausgestattet mit beleuchtetem Spiegel und, selbstverständlich einer Menge Kosmetikprodukten. Doch wofür all das? Es seien die sogenannten After-WorkKabinen, erklärt die höfliche Verkäuferin mithilfe einer Dolmetscherin. Japanerinnen kommen nach Büroschluss hierhin, mieten sich für etwa 30 Minuten ein, schminken sich ab und dürfen dann alles benutzen, was die Kabine hergibt (Föhn und Glätteisen inklusive). Sie brezeln sich für die After-Work-Party auf und lassen so Stress und Norm hinter sich. 800 Yen kostet das Vergnügen (circa 7 Euro). Auch ein professionelles Fotostudio gibt es – das Schminken mit Shiseido-Produkten übernehmen dort allerdings Profis. Die Familienund Pärchenfotos sind schließlich als wichtiges Geschenk für die Verwandtschaft gedacht. Im dritten Stock wird es luxuriöser. Hier ist Clé de Peau Beauté untergebracht, die HighEnd Marke der Japaner, die es zwar nicht mehr in Deutschland zu kaufen gibt, aber die auf dem asiatischen und russischem Markt äußerst gut funktioniert. Und wieder Kabinen, in denen sich die Tokioter gern mal zwischendurch eine Kosmetik-Behandlung gönnen. Der zarte Porzellan-Teint will bewahrt und gepflegt werden. Denn es gilt: Ein Gesicht wird als deutlich älter empfunden, wenn es mit Altersflecken übersät ist, - nicht mit Falten. Tradition verpflichtet immer noch. Das Kaufhaus liegt an der selben Straßenecke, an der auch die erste Apotheke von Gründerfamilie Fukuhura lag, die heute etwa noch ein Prozent am Konzern besitzt. Das war 1872, und Chef-Pharmakologe der Marine. Er war es, der westliche Techniken mit japanischen Traditionen verband und 1888 die erste Zahnpasta Japans einführte (man benutzte noch Zahnpulver) und 1897 die Essenz Eudermine erdachte. Ein Dauerbrenner bis heute und immer noch ein Schritt des täglichen SiebenStufen-Pflegerituals (2-fach-Reinigung, Lotion, Serum, Creme und mehr) einer Japanerin. Es sollte Fukuharas Grundstein zur Kosmetikmarke sein. Heute wird Shiseido von Masahiko Uotani geführt, einem Japaner, der bereits Vorstandsvorsitzender von Coca-Cola war, in den USA lebte und sehr gut Englisch spricht. 2014 übernahm der Vater zweier Töchter das Zepter als 14. und zugleich erster externer Präsident in der Unternehmensgeschichte. Seither hat sich vieles verändert. Uotani, groß gewachsen, scheinbar stets gut gelaunte CEO, hat für frischen Wind in dem 29.000-Mitarbeiter-Konzern gesorgt, für den allein tausend in der Forschung arbeiten und der mittlerweile in 88 Ländern seine Produkte verkauft. Uotani hat den Blick über die Landes- und Traditionsgrenzen hinweg geschärft. Man will noch globaler werden. Ein guter Grund, Ruba Abu-Nimah einzustellen. Ruba, Kosmopolitin mit arabischen Wurzeln, spricht Französisch und Englisch fließend (mit starkem amerikanischem Akzent) und kümmert sich seit Juni 2015 als Kreativdirektorin um Shiseidos neuen Markenauftritt. Ein Job, den man der patenten Frau und Mutter einer Teenager-Tochter durchaus zutraut. In 140 Jahren Firmengeschichte kam es nur wenige Male vor, dass überhaupt jemand von außen geholt und in eine Top-Position befördert wurde. Abgesehen von Serge Lutens, den die Japaner in den 80ern engagierten und der sich um die Parfüms und Werbekampagnen kümmerte und später auch um die erfolgreiche Markteinführung in Europa. Also erst Uotani und nun Abu-Nimah, die zwischen New York und Tokio pendelt und sich auf Instagram ironischerweise „Queen Ruba“ DONALD ROBERTSON; GETTY IMAGES; CAROLINE BÖRGER; SHISEIDO M orgens 9 Uhr in Ginza, dem Shopping-Mekka von Tokio. Die Boutiquen der großen, westlichen Luxusketten, die hier aufgereiht wie eine Perlenkette nebeneinanderliegen, sind noch geschlossen, aber die Mega-Metropole erwacht. Dabei herrscht weder Hektik noch Stress, obwohl täglich Millionen Menschen wie stumme Ameisen zwischen UBahn-Stationen und Büro-Wolkenkratzern umherwuseln. Gehupt wird nicht, Autofahrer bleiben auf ihrer Spur, warten geduldig, selbst Rettungswagen gleiten ruhig durch den Verkehr. Es geht gesittet zu; Coffee-to-go-Becher wird man ebenso wenig finden wie im Gehen irgendetwas essende Japaner. Tradition verpflichtet. Doch bei Shiseido im „The Ginza Flagshipstore“ ist man in Aufbruchstimmung. Die Mitarbeiter stehen zwischen vollen Paketen und Körben, füllen die schneeweißen Regale und kleinen Counter wieder auf. Wimpernzangen, Make-up, Lippenstifte, Cremes, Seifen, Männer- und Babykosmetik, Shiseido-KollagenShots zum Trinken – im Erdgeschoss des hauseigenen Kosmetikkaufhauses mit den bodentiefen Fenstern gibt es nichts, was es nicht gibt. Der Shiseido-Kosmos ist um einiges größer als das, was Europäer im Allgemeinen damit verbinden. 38 unterschiedliche Marken zählen zum Portfolio des Kosmetikriesen, der in Europa etwa mit L’Oréal oder Beiersdorf vergleichbar ist. Von der Drogeriemarkt-Marke bis zum 1000-Euro-Luxusprodukt wird alles angeboten. Und das in einer der begehrtesten Lagen der Hauptstadt. Im ersten Stock- h t. Doc e t h . c i l erpf ndern v ä s n a o i d t ill adi rne, w rer Tr e h z i n n o n ikk , da n. osmet s sind K e n zeuge n i r e t e e s b r e e t ü l ä u Japan sich z er der n m i e u Wenn , , o o ki eid ach To e Shis n d a g r o e l g rf Börge e n i l o Chef war Arinobu Fukuhara, zu der Zeit noch Car Anzeige nennt. Vornehme japanische Zurückhaltung geht anders. Doch sie fühlt sich geehrt, vor allem, weil sie erst kürzlich erfuhr, dass sie in 140 Jahren wohl die erste weibliche Kreativdirektorin ist, die eingestellt wurde. „Dessen war ich mir nicht bewusst. Wissen Sie, Menschen sind Menschen – und letztlich geht es doch um den Job“, gibt sie zu. Anfangs wusste sie, die zwei Jahrzehnte lang als Kreativchefin für den Estée-Lauder-Konzern in New York gearbeitet hat, nicht viel über Shiseido. Sicher, dass es japanisch ist – „aber eben nicht was sie machten. Und das ist ein Problem, denn genau das ist den meisten nicht klar. Ich fand die Geschichte toll .“ Das hauseigene Museum in Kagegawa, zwei Stunden von Tokio entfernt, sei daher ein besonderer Ort. Dort ist alles archiviert, was je produziert wurde und passiert ist: Produkte, Werbekampagnen aus den 30er-Jahren, Filme und sogar alle Kostüme der Shiseido-Kosmetikerinnen und Verkäuferinnen sind ausgestellt – eines wurde von Issey Miyake entworfen. „Fragen Sie mal nach einem Tiegel aus dem Jahr 1913, und jemand wird Ihnen alles aus diesem Jahr heraussuchen können.“ Ein Segen für Kreative und wirklich außergewöhnlich. Aber die Japaner hätten „ einfach verstanden, was Geschichte bedeutet“. Abu-Nimahs erste offizielle Aufgabe bestand darin, einen neuen Counter für die Geschäfte zu entwickeln. Klingt harmlos, ist aber enorm wichtig. „Ich fragte, wie lange ich Zeit dafür Mitten in Tokio: Im roten Turm ist das „Shiseido Parlour“-Haus untergebracht. Hier gibt es Gebäck. Rechts daneben liegt das Kosmetikkaufhaus „The Ginza“, durch das dieser illustrierte Wegplan führt hätte. Die Antwort lautete Oktober, drei Monate nur. Man muss es einfach tun.“ Die NikePhilosophie „Just do it“ könnte von ihr stammen. Und tatsächlich wurde im Oktober der erste funktionale Prototyp des neuen Counters im Shibuya-Flagshipstore aufgestellt. Viel Holz, viele Spiegel, ausreichend Platz für Produkte und: integrierte iPhone-Aufladekabel, ihr Telefon sei schließlich auch immer leer. Ihr Credo? Die Form habe schließlich immer der Funktion zu folgen – „alles, was wir tun, muss kreativ, aber eben auch nutzbar sein“. Auch das Logo sollte sie verändern. „Es gab bereits Vorschläge für ein Re-Design, aber es funktionierte keiner davon. Wenn etwas nicht wirklich kaputt ist, versuche nicht, es zu retten. Das Logo brauchte nur etwas Unterstützung.“ Also ließ sie die Kamelie, das Markenzeichen, das bereits vom Firmengründer und seinem Sohn 1915 eingesetzt wurde. Sie ergänzte lediglich zwei Worte: Ginza Tokio, den Geburtsort der Kosmetikmarke. Authetizität ist ein Wettbewerbsvorteil. Alles findet schließlich in Ginza statt: das „Shiseido Parlour“-Haus, ein Art-déco-Gebäude, in dem ein Restaurant, eine Bar und ein Souvenirshop mit Kuchenvitrine (es gibt Shiseido-Baumkuchen!) untergebracht sind. Die Firmenzentrale ist ebenfalls fußläufig erreichbar. Hier sind Chefetage, Marketing und auch Ruba untergebracht, ein eigenes Büro besitzt sie nicht, teilt mit anderen Kreativen einen Tisch, sie braucht nur ihr Laptop. „Bis heute entwerfe ich liebend gern Dinge“, erzählt die gelernte Grafikdesignerin und lacht, denn gerade habe sie sich die UltimunePröbchen zur Brust genommen. Nichts ist zu klein, als dass es unbeachtet bliebe. Und Proben sind eine Visitenkarte. „Ich hatte das Gefühl, dass ich sie ändern muss.“ Sie teilt mit ihren neuen Landsleuten die Liebe zu schönen Verpackungen. Nicht nur, dass sie Schreibwaren schätzen (davon zeugt ein Flagshipstore auf der Shopping-Meile – zwölf Stockwerke, eingebettet zwischen Tiffany und Bulgari). „Packaging ist mir sehr wichtig“, sagt sie und gibt zu, dass sie nur Dinge kauft, deren Verpackungen ihr gefallen. Egal was es ist. „Japan hat eine Tradition in außergewöhnlicher Verpackung, aber bislang hat Shiseido das nicht ausgelebt. Wir werden in diesem Punkt jetzt sehr japanisch.“ Das neue Make-up etwa bekam eine schrägen, leicht geschwungenen Glasflakon und wurde in kirschroten Kartonagen eingehüllt, der Rest folgt. Alles wird in den nächsten Jahren angepasst. Ein krasser Wechsel? Davon hält sie nichts. Lieber ein sanfter Übergang. Man müsse sich schließlich auch in andere Abteilungen hineindenken, und für einige seien Neuerungen nicht nur ein logistischer Albtraum. Doch nicht alles wird anders. Den Namen Shiseido, der aus zwei Ideogrammen des chinesischen Klassikers „I Ging“ besteht, formten die Fukuharas: Shi-Sei-Do (Shi = Ressourcen, Sei = Leben, Do = Haus). Die Kalligrafie des Wortes müssen bis heute alle Mitglieder der Designabteilung ein Jahr lang, Tag für Tag auf Papier bringen, bevor sie überhaupt etwas anderes machen dürfen. „Ein Mitarbeiter macht das seit Jahrzehnten. Es ist eine ganz spezifische Schrift,“ erklärt Ruba. Auch sie wolle sie erlernen. Egal, wie lange es dauert. Das wird womöglich wieder schnell gehen. Shiseidos neuer Weg eben. Die Tradition bleibt. Nur das Tempo erhöht sich. #gutimbett Wir versprechen nicht viel. Nur 2 ml. Aber die haben es in sich: flüssiges Lifting im Schlaf. babor.de PSS Die SS t Neu! l ing e Superpower-Puder Wer nicht zu den glücklichen Frauen zählt, die von Natur aus schon morgens eine Mega-Mähne haben, muss im Bad zu kleinen Helferlein greifen. Neu ist etwa das „Volume Powder“ des Pariser Friseurs David Mallett, das Sie bloß auf das trockene Haar pumpen müssen (bitte direkt an der Wurzel, hinterlässt auch keine weißen, verräterischen Flecken). Der Clou: Das Pümpchen ist so klein, dass es in jede Clutch passt und sich der Trick somit auch schnell beim Dinner – etwa zwischen zwei Gängen – unkompliziert auftragen lässt. Über ausliebezumduft.de Echt sauber Ist schwarz, macht rein. So könnte ein Slogan lauten, der den „Thermal Cleansing Balm“ der ungarischen Marke Omorovicza beschreibt. Auch wenn es nicht danach aussieht, aber die grafitfarbene ReinigungsCreme, die aus ungarischem Heilschlamm gemacht wird, entfernt Make-up-Reste hervorragend. Ein wenig davon auf dem Gesicht verteilen (Augen muss man nicht aussparen), etwas einmassieren, mit einem feuchten Tuch abwischen. Sauber! Gibt’s bei Wheadon in Berlin-Mitte (Steinstraße 17). Zauberkugel Kleiner Exkurs: „To conceal“ bedeutet etwas verheimlichen, verschleiern oder auch – ganz unverblümt – etwas abdecken. Drum heißt der Concealer auch so. Und wer trotz Winterschlaf noch müde ist und unter dunklen Augenringen leidet, könnte zum neuen „Cashmere Concealer“ von Burberry greifen, um sie abzudecken. Allein der Name! Der weiche, kugelrunde Applikator soll die Farbe (es gibt 14 Nuancen) extra weich auf die empfindliche Augenpartie auftragen und sich leicht verteilen lassen. Poesie liegt in der Luft Hexenwerk Natürlich kann man einen Duft kreieren, weil einem die Rohstoffe gefallen oder einfach weil man etwas Neues machen muss. Doch einen Duft zu entwerfen, der dem Gedicht „Gedanken zweier Reiter im Wald“ von Victor Hugo entlehnt ist, in dem es um einen unsichtbaren Freund geht, den jeder von uns an seiner Seite hat (sei es das Gewissen, die Seele oder eben ein Parfüm), ist etwas anderes und vor allem die neueste Idee von Etienne de Swardt, dem Enfant terrible der Duft-Szene und Inhaber von „État Libre d’Orange“. Kunst/Literatur meets Nase sozusagen ... Elektro-Zahnbürste, Föhn, Gesichtsreinigungsmaschine, Wimpernzange, Anti-FaltenRoller ... die Liste an BadGerätschaften wird immer länger. Sogar bei Net-a-Porter setzt man schon auf eine eigene Beauty-Geräte-Rubrik. Eigens für den Online-Store wurde nun der „Color Me Automatic Foundation Applicator“ entwickelt – ein handflächengroßes Gerät, dessen Ultraschallschwingungen die Make-upEinklopftechniken von Visagisten auf Ihrem Gesicht imitieren sollen. Wozu? Damit Ihr Make-up noch ebenmäßiger aussieht. Selbst klopft die Frau, äh das Gerät. Fraglich ist, ob man wirklich 16 unterschiedliche Kajalstifte braucht und ob man sie überhaupt je aufbrauchen kann. Nein, liebe Männer, rein rational betrachtet, natürlich nicht. Aber Frauen möchten so etwas einfach besitzen. Zoeva hat daher die limitierte „Graphic Eyes + Box“ herausgebracht. Schwarzer und weißer Stift, Anspitzer und 14 Farben, etwa Dunkelviolett („Mr. Marvelous“) oder Türkis („Good Karma“), inklusive. Wer die Qual hat. Über zoeva.de 76 ZUSAMMENGESTELLT VON CAROLINE BÖRGER Alles in einer Box MARKENGESCHICHTE I ch habe nie erwartet, dass Juliette zehn werden würde. Ich dachte, ich könnte mit fünf Düften festnageln, was ich mit Juliette sagen will. Aber, überraschenderweise ... Sie hat so viel Power“ – da glimmt sie auf in seinen Augen, die Kraft und Leidenschaft für das, was er tut. Obwohl er erschöpft ist. „Die letzten zwei Wochen waren ein Albtraum“, sagt er und lacht dabei. New York, Istanbul, Polen, Moskau, Paris und dann zum Rennen nach Barcelona. Die Rennfahrerei ist seine Passion. Da kommt er gerade her. Fluglotsenstreik, acht Stunden warten am Flughafen, also setzt er sich in einen der letzten verfügbaren Leihwagen und brettert die 1000 Kilometer nach Paris. Bittet für die drei Stunden Verspätung mehrfach um Entschuldigung und ordert erst einmal Wodka. Das ist hier obligatorisch, im „Caviar Kaspia“, einem jedenfalls nicht mehr los. In einem Alter, da Jungs vom ersten Kuss träumen, tobt in Romano Ricci außerdem ein tiefer Konflikt. Großvater Robert, Sohn von Modelegende Nina Ricci und verantwortlich für das Unternehmen, entzweit sich mit seinem Sohn, Romanos Vater Jean-Louis. Der Junge ist hin- und hergerissen zwischen dem Großvater, der ihn ernst nimmt, die Welt der Parfüms nahebringt, und dem geliebten Vater, der so gar nicht den Erwartungen des Familienoberhaupts entsprach: Der Bruch kommt und ist endgültig. Jean-Louis sagt sich vom Vater und der Firma los, verkauft seinen Anteil und wird Profi-Rennfahrer. Romano Ricci schwört, niemals ins Parfümbusiness einzusteigen: „Mein Vater war ein feiner Mensch, wir waren sehr eng miteinander, haben uns alles erzählt und das VaterSohn-Ding vermieden, wir waren eher wie beste Freunde.“ Auch der Sohn beginnt mit 16 stärken, all ihre Facetten auszuleben!“ Für die Umsetzung holt er sich den Parfümeur Francis Kurkdjian an die Seite. „Seine Firma hatte ihn geschickt, und er war mäßig begeistert. Nach dem Motto: Ich treffe mich jetzt mit diesem Typen, diesem Ricci, dem Urenkel von Nina Ricci, dieser ganze Bullshit. Ob er überhaupt zugehört hat? Keine Ahnung. Aber als ich gesagt habe, es solle ‚Juliette has a Gun‘ heißen, da war er auf einmal wach und meinte, dass er es liebe!“ 2006 lässt er sie dann los, seine „Julia“. Bewaffnet mit Munition aus Rosen. Ein großer Erfolg. Alle ersten Düfte drehen sich um die Rose. „Miss Charming“, die noch kindliche Julia, romantisch voll der Illusionen, die Cinderella-Story; „Lady Vengeance“ ist schon selbstbewusster, „Citizen Queen“, die entdeckt, welche Kraft in ihrer Sinnlichkeit steckt. Bereits die vierte Juliette-Episode komponiert Romano selbst. „Calamaty J“. „Es war ein Flop“, gibt Gel(i)ebte Widersprüche Romano Ricci hat der bekanntesten Frauenfigur der Literatur eine Knarre verpasst und eine Duftmarke gewidmet. Susanne Opalka traf den 78 seiner zwei Lieblingsrestaurants in Paris. Herrlich plüschig, mit Jazz- und Swingklängen im Hintergrund. Zur Fashion Week sitzen hier Tom Ford und Karl Lagerfeld. „Es ist so dermaßen trendy, aber deswegen mag ich es nicht. Ich komme seit meiner Kindheit her, meine Großmutter war Russin.“ Romano Ricci ordert seine Lieblingsgerichte von der Speisekarte. „Einverstanden, wenn wir teilen?“, fragt er und schwärmt von der Kartoffelmousseline. „Ich arbeite eine Menge“, sagt er dann, „es ist kaum vorstellbar, was alles dazugehört, um so eine Marke zu haben und zu entwickeln. Es ist alles sehr, sehr persönlich, auch wenn es nach einer Menge Marketing aussieht.“ Ein ironisches Zwinkern in den Augen, schiebt er den Fedora nach hinten. Hut trägt er immer, schon seit Kindertagen. Ein paradoxer Typ sei er. Als typischer italienische Macho erzogen, habe er dennoch mit 14 oder 15 bereits empfunden, dass Frauen so viel mehr Stärke besäßen als Männer. Vielleicht lag das auch daran, dass er zusammen mit drei Schwestern aufwuchs Der Gedanke ließ ihn Jahren Motocross zu fahren, steigt auf Rennwagen um, fährt die 24 Stunden von Les Mans, merkt aber schnell, das Talent reicht nicht, um wirklich gut zu werden. Als er 20 ist, stirbt sein Vater. Ein Jahr zuvor hatte Jean-Louis Ricci sein letztes Rennen bestritten, zum ersten Mal mit seinem Sohn im Cockpit. „Der Tag, an dem er starb, änderte alles.“ Fünf Jahre lang lernt Romano von der Pike auf, was das Duftbusiness bedeutet. Geht zu einer großen Riechstofffirma, arbeitet für verschiedene Anbieter, startet als Trainee bei einer Marke, wird ihr Manager: „Ich hatte dieses Ding für Parfüm in mir – und ich wollte unbedingt besser sein als mein Großvater, bei ihm war alles außer „L’Air du Temps“ ein Flop. Aber er hatte diese Passion, und die hat er in mir geweckt.“ Überzeugt davon, es sei an der Zeit für eine moderne Auffassung von Duft, entwickelt er sein Konzept. Er startet allein, entwirft Logo, Packaging, die Flakons. Für ihn ist Parfüm ein olfaktorisches Outfit: „Mir macht es Spaß, ein Werkzeug zu erschaffen, mit dem man spielen kann. Und Frauen zu be- er zu und lacht. Er sei kein ausgebildeter Parfümeur, aber er habe das Riechen erlernt, vor allem von Francis Kurkdjian. Heute arbeite er mit etwa 50 Inhaltsstoffen, die er alle gut kenne. Der halbe Prozess der ganzen Kreation sei es eh, den klaren Gedanken zu haben, wer sie sei, die Frau. „Und es ist niemals jemand Bestimmtes. Es ist ein Ausdruck des Stils.“ Mehr als zwei Düfte pro Jahr könne er nicht schaffen. Einen für die „normale“ Linie und einen für die vor zwei Jahren entstandene Luxus-Kollektion, in der er Juliettes Facetten noch extremer ausspielt. Ein Ende ist auch nach zehn Jahren nicht in Sicht: „Die Frauen meiner Generation haben alle Freiheiten erreicht, haben aber noch dieses CinderellaSyndrom und kämpfen ständig mit sich.“ Persönlich liegt ihm noch etwas auf dem Herzen: „Der Urenkel von Nina Ricci, das bin ich, ich habe diesen Namen, aber darauf sollte es nicht reduziert werden, es ist so viel mehr dahinter.“ – „Was ist ein Name? Was uns Rose heißt, wie es auch hieße, würde lieblich duften“; Shakespeare, „Romeo und Julia“, zweiter Aufzug. MONTAGE: ICON Chef von „Juliette has a Gun“ in Paris – nicht am Schießstand ,)&8-,6)2&0-'/ (EW2)9)0MJXMRK)]I7IVYQ 0MJXMRKEYJ0Y\YWRMZIEY8EYGLIR7MIIMRMRHMI[YRHIVZSPPI;IPXHIV0E1IV ,EYXTÂIKIYRHIRXHIGOIR7MIHMIVIKIRIVMIVIRHIR/VmJXIHIW1IIVIWLEYXREL 9RWIVRIYIW8LI0MJXMRK)]I7IVYQIMRWIMHMKIW^MIPKIVMGLXIX[MVOIRHIW7IVYQLIFX-LVIR &PMGOMRRSGLRMIHEKI[IWIRI,}LIRYRHWGLIROXIMRIR%YKIREYJWGLPEKHIV^IMXPSWWGL}RMWX 4%6*i1)6-)21-84)67h20-',/)-8 -;-67-2((-)4*0)+))<4)68)2)VPIFIR7MI-LVIRTIVW}RPMGLIR0MJXMRK1SQIRXYRH PEWWIR7MIWMGLZSR-LVIV4EVJQIVMIFIVEXIVMRHMITIVJIOXI %YJXVEKIXIGLRMOJVIMRI7SJSVX[MVOYRK^IMKIR (MI4EVJQIVMIRQMX4IVW}RPMGLOIMXMRHIRIR7MIHMI4VSHYOXIZSR0%1)6EYWTVSFMIVIRO}RRIR ÁRHIR7MIYRXIV[[[TEVJYIQIVMIRQMXTIVWSIRPMGLOIMXHIEOXMSRIR SONNTAG, 17. APRIL 2016 Global Diary PARIS Wir waren gefühlt in einer Filmszene aus „Being John Malkovich“ gelandet. Die, die in diesem siebteinhalbten Stockwerk spielt, in dem die Deckenhöhe auf Brusthöhe hängt. Meine Mutter verrenkte sich, um die schmale Biegung der winzigen Stiege hinaufzugelangen, ohne sich den Kopf zu stoßen. Aber ihr Koffer hatte keine Chance. Meine Mutter ist übrigens sehr schlank. „Upgrade“ war das Zauberwort an der Rezeption gewesen, mit dem Amelie, die charmante Mit- 80 inhaberin des Hotels, verkündet hatte: „Sie bekommen die Suite in der obersten Etage.“ Großartig, nur hat das herrlichste Zimmer des kleinen Hotels leider keinen Balkon. Den Blick über die Dächer des 10. Arrondissement ohne eine Zigarette genießen? Bei meinen vorherigen Aufenthalten im „Hotel Paradis Paris“ hatte ich immer das Glück, eines der Balkonzimmer zu erhaschen. Verständnislos blickt mich Amelie an: „Lehnen Sie sich doch einfach ein bisschen aus dem Fenster.“ Echt? „Mais oui!“ Paris, je t’aime! Dass es ein wenig Geschicklichkeit erfordert, den Aufzug zu erreichen ohne zwischen Schnapptür, dem Hauch eines Korridors und Trennwand zur Bar festzustecken, wusste ich schon. Wer zu Fuß geht, freut sich über die von Stock zu Stock verschieden gemusterten Tapeten, Pfauen im ersten Stock, im zweiten große Karos, gefolgt von Störchen und Schwänen. Und dann der unglaubliche 7. Stock, aus dem ich meine Mutter wieder hinauszerre, um mit ihr unsere Zimmertür aufzuschließen. Wir haben bodentiefe Fenster, sehen Sacré-Cœur, haben ein feuerrotes Sofa und Fifties-Beistelltische, eine Espressomaschine und ein für Pariser Verhältnisse geräumiges Bad; der Schlafbereich ist durch eine Doppeltür getrennt – famos. Im vergangenen Wer käme schon im März auf die Idee, mitten in der tansanischen Savanne an Weihnachten zu denken? Nun, für einige deutsche Touristinnen im sportlichen Safari-Outfit ist das keineswegs abwegig. Zusammen mit vier MassaiFrauen sitzen wir im Schatten der Akazie vor einer Rundhütte aus Lehm und Stroh. Links erhebt sich der Kilimandscharo mit seiner schneebedeckten Spitze, rechts der etwas flachere Mount Meru. Dazwischen die weite, hügelige Steppe, auf der die Ziegen- und Kuhherden als helle Punkte in der Ferne blöken. Es ist jenes Stück Land, das für die Massai als heilig gilt. Wer hier herkommt, ist eigentlich gar kein Tourist, sondern Gast. So heißt es jedenfalls. Da sitzen wir also: sechs weibliche Gäste aus Europa, die sich von den einheimischen Frauen mit hinreißendem Lächeln zeigen lassen, wie man aus bunten Perlen und Draht traditionelle Ohrringe, Armreifen, Traumfänger oder Engelsfiguren fertigt. „Das geht ganz schön auf die Gelenke“, stellen die Urlauberinnen fest, während sie versuchen, die kleinen Perlen auf die Drahtschnur zu fädeln. Ebenfalls etwas unbeholfen, aber mit Hingabe fummle ich mir einen Traumfänger zurecht. Die Safari-Freundinnen haben es dagegen auf die Engelchen abgesehen. Besonders elegant sieht deren Himmelsboten-Wickelei allerdings auch nicht aus, wie sie selbst schnell feststellen. „Wir sollten noch ein paar kaufen“, sagt eine der Frauen und wendet sich ihrem Mann zu, der hinter dem bunten Grüppchen steht und fleißig Handybildchen schießt. „Hans-Jürgen, holst du mal?“ Hans-Jürgen zieht los. Die Massai-Frauen lächeln und legen einige fertige Engel vor sich auf die Decke. „10 Dollars each“, übersetzt ein Massai-Mann. „Das ist es absolut wert, so kompliziert wie das ist“, sagen die Frauen. Da haben sie recht. HansJürgen ist mit den Geld zurück. „Ist das heiß hier. Aber diese Natur. Unglaublich!“, sagt die Frau vom Hans-Jürgen und kauft gleich mehrere Engel. Dann fügt sie hinzu: „Sie passen einfach perfekt zum Weihnachtsbaum im Büro!“ Und so kommt es, dass im März in der tansanischen Steppe bei 30 Grad im Schatten die ersten Weihnachtsvorbereitungen getroffen werden. Friederike Ostermeyer findet, dass man in Tansania allein durch ein Lächeln großartige Unterhaltungen führen kann TANSANIA ERINNERN SIE SICH? AN DIE ZEIT, ALS MAN STATT WHATSAPP UND E-MAIL NOCH KARTEN VON FREMDEN ORTEN SCHRIEB? WIR TUN ES NOCH IMMER. ILLUSTRIERT VON TIM DINTER Jahr wurde das Hotel mit dem Wallpaper-Award als bestes Stadthotel ausgezeichnet, auch wegen des schönen Interieurs. Designerin Dorothee Meilichzon hatte 2012 das Haus in der Straße der kleinen Pferdeställe (Rue des Petites-Écuries) neu erfunden, so zum Beispiel die Decke der Lounge mit Metallkacheln gefliest, darunter weiße Lümmelsofas vor eine Boiserie gestellt, hat Vintage-Sideboards im Haus verteilt und extravagante Beleuchtung inszeniert. Ich lade meine Mutter in die Bar nebenan ein, auch so ein Kleinod mit schöner Weinkarte und einem sehr wortkargen Schweden hinter dem Tresen, der auf einer einzigen Kochplatte abendlich ein, zwei verschiedene Gerichte zubereitet. Am nächsten Morgen weiß die nur auf den ersten Blick streng wirkende Mitarbeiterin schon, dass ich ein Kännchen benötige (die Kaffeemaschine im Zimmer macht ja kein „au lait“), ich balanciere das Tablett mit Croissants und Co. inzwischen geübt gen Lift, da ruft jemand meinen Namen. Ich reagiere nicht. Verflixt, jetzt sehe ich die Rufende. Eine Ex-Kollegin aus Hamburg. Es wäre zu schön gewesen, wäre das Hotel ein Geheimtipp geblieben. Mein Paradies ist in Gefahr. Esther Strerath wird sicher bald wieder nachsehen, ob ihr Paradies noch in Ordnung ist COSTA NAVARINO Durchtrainierte Männer mit akkurat rasiertem Bart und Brusthaar kühlen sich im Pool ab, ein Glas Rosé in der Hand haltend. Nicht minder attraktive Frauen prosten ihnen zu und halten den großen Diamantring so geschickt in die Sonne, dass die Umgebung davon geblendet wird. Wer sehen will, wo Griechenland Bargeld in Lebensfreude umwandelt, der sollte einmal Urlaub im Hotel „The Romanos“ auf der Peloponnes machen. Das Fünf-Sterne-Haus, Teil der Luxury Collection Ressorts, liegt an der Costa Navarino, rund eine Stunde von Kalamata entfernt. Einem modernen Tempel ähnlich, „umarmen“ die Gebäude einen begrünten Park, der am Privatstrand endet. Dort kann man seinen Tag verbringen, darüber nachdenken, wie das Meer so klar und blau sein kann und im Beach-Restaurant einen Salat essen und ein Glas Roséwein von den eigenen Reben genießen. Wer aber gern Teil einer glamourösen Seifenoper sein will, der sollte sich ein Liegeplätzchen am Pool reservieren. Am besten direkt an der Bar. Bei angenehmen Beats lässt sich gut entspannen, und spätestens donnerstags treffen reiche Griechen fürs Wochenende ein und beweisen: Ja, sie können feiern und lieben es, in Gruppen aufzutreten. Was nie laut ist. Eher ein Beispiel dafür, dass Gemeinschaft Spaß machen kann. Vom Indoor-Pool über das Gym bis zu einer Sonnenuntergangsaussicht aus der offenen Lobby – eigentlich kann man keine Nachteile am „The Romanos“ finden. Vielleicht einen: Weil die Restaurants – vom Libanesen über den Japaner bis zum Steakhouse – so gut sind, will man das Areal nicht verlassen. Dabei gibt’s ganz in der Nähe den Voidokilia Beach, der zu einem der schönsten Strände der Welt gewählt wurde. Wein einpacken, gegen Abend hinfahren. Lohnt sich. Oliver C. Schilling hielt nach seinem Aufenthalt im „The Romanos“ den möglichen Austritt Griechenlands aus der EU für überaus bedauerlich UNTERWEGS Das stilistische Durcheinander ist gewollt – und macht das Hotel heimelig: Im „Casa Bonay“ soll niemand nur übernachten müssen E röffnet hat das „Casa Bo- hundert. Rechts führt eine Tür zur Rezeption, nay“ erst im Februar, doch links geht es ins vietnamesische Deli, geradeeigentlich existiert es seit aus kann man durch eine Glasfront ins „Liberacht Jahren. So lange hatte tine“ sehen: den Loungebereich, der nicht nur die Mitinhaberin Inés für Gäste großes Ess- und Wohnzimmer in eiMiró-Sans bereits im Kopf, nem sein soll. Ein moderner Kronleuchter welche Art von Hotel sie in thront über Bistrotischen und Korbstühlen, in ihrer Heimatstadt Barcelo- der Mitte vor dem Kamin stehen große Lederna vermisste: Ein Haus, das sofas, rechts die Tische, an denen morgens genicht nur Schlafstätte für Besucher, sondern frühstückt wird. Der Boden: das klassische auch Begegnungsstätte für alle Leute der Gehsteigpflaster von Barcelona. Stilistisch Stadt sein sollte. Anders als all die verschlosse- schon jetzt ein spannendes Durcheinander. nen Hallen der Hotels, in denen sie zuvor ge- Dann passiert man auf dem Weg zur Rezeptiarbeitet hatte. Doch ihr Konzept wurde von on den kleinen Toilettenbereich, für den von den Investoren abgelehnt – was vielleicht einer befreundeten Designerin extra eine eigene Tapete entworauch am Alter der amfen wurde: Asia-Pinbitionierten Unternehups auf Obst vor merin lag: gerade 24. Palmblättern – AlesAlso ging die Frau erst sandro Michele von einmal in die USA, arGucci wäre entbeitete einige Jahre bei zückt. Die Rezeptiden Gründern der on wiederum ist „Ace“-Hotels, um bei ihganz in hellem Holz rer Rückkehr noch gehalten und hartnäckiger nach eikommt eher skandinem Geldgeber zu sunavisch clean daher. chen. Diesmal jedoch Alles hier ist eine mit Erfolg. Collage aus Details, Dass das „Casa Bonay“ Wer sagt, Hotels seien nur die eigentlich nicht jetzt irgendwie anders, zusammenpassen offener ist, wird gleich zum Schlafen da? Im „Casa und doch am Ende am Eingang deutlich. Bonay“ in Barcelona stehen ein ziemlich authenKeine Glasschiebetür, tisches Ganzes ergesondern eines dieser tydie Türen der ganzen Stadt ben. Wie das oft in pischen, prächtigen den besten WohPortale, durch die früoffen. Silke Wichert überzeugte nungen der Fall ist. her die Kutschen einsich davon vor Ort Auch deshalb heißt und ausfuhren, und die es „Casa Bonay“, einen jetzt hineinzienach den früheren hen, wenn sie offen stehen. Ehe man es sich versieht, ist man also Besitzern des Hauses, und nicht „Hotel Bonay“. mitten drin im „Hause Bonay“, einem reprä- Tatsächlich ist diese Mischung bisher einmasentativen Wohngebäude aus dem 19. Jahr- lig im touristisch sonst so ausgereizten Barce- NACHO ALLEGRE (2); METRIXELL ARJALAGUER (1) Mein Haus ist dein Haus lona. Das geplante „Soho House“ unten am Hafen hat noch nicht eröffnet. Die teuren Hotels sind eher klassisch-elegant, die günstigen oft nicht der Rede wert. Zudem ist die Lage unschlagbar. Mitten an der Gran Via, der großen Straße, die ziemlich genau durch die Mitte von Barcelona führt. Ganz unterschiedliche Leute sollen hier übernachten können, deshalb gibt es sieben verschiedene Preiskategorien: kleine Suiten mit Terrasse und Blick auf einen der weitläufigen Hinterhöfe von Barcelonas Eixample-Viertel. Familienzimmer mit extra Wohnbereich und kleinem Wintergarten, kleinere Räume ab 100 Euro, und alle haben Tageslicht – in dieser Stadt ist das nicht selbstverständlich. Dafür ließ Miró-Sans kurzerhand eine luftige Schneise durch die Mitte des Hauses ziehen. Man blickt nun quasi auf einen kleinen Innenhof, in dem lauter Palmgewächse in Töpfen stehen. Eingerichtet sind die Zimmer fast alle einheitlich. Außer im obersten Geschoss, das mit großer Rooftop-Terrasse neu hinzukam, sind überall die alten Mosaikfußböden erhalten. Als Barcelonesin war es Miró-Sans wichtig, vor allem einheimische Designer zum Zug kommen zu lassen, weil die Stadt mehr davon zu bieten hat, als die meisten wissen. Die kleinen Hocker und Tische stammen also wie die Rezeption von Marc Morro, die Lampen von Santa&Cole, die natürlichen Seifen von Las Lilas. Die blaue, kuschelweiche Überdecke, in gewisser Weise das Herzstück jedes Zimmers, wurde von Teixidors eigens für das „Casa Bonay“ entworfen. Die Marke verwendet nur hochwertigste Wolle und lässt in Behindertenwerkstätten bei Barcelona fertigen. An der Rezeption gibt es eine kleinere Version der Decke zu kaufen – für alle, die sich nach ihrem Aufenthalt nicht ganz von diesem Zuhause trennen können. Und je öfter das passiert, desto mehr darf sich Inés Miró-Sans verstanden fühlen. 81 BAUPLAN 1 2 4 6 8 9 7 STEINWAY 5 3 DER „B“-FLÜGEL VON STEINWAY & SONS In den Ateliers und Manufakturen dieser Welt werden weiterhin Handwerkskünste gepflegt, und wir schauen zu Immer den richtigen Ton zu treffen, das ist in der Musik wie auch im Leben eine große Kunst. Die richtige Ausstattung hilft – zumindest in der Musik. Viele Konzertpianisten entscheiden sich daher für einen Steinway & Sons. In der Küche seiner Wohnung fertigte Heinrich Engelhard Steinweg 1836 seinen ersten Flügel an. Heute wird vor allem in Hamburg und New York gefertigt. Zwei Jahre muss das Holz für das Modell „B“ lagern und reifen. Ein weiteres braucht es, um die rund 12.000 Einzelteile zusammenzufügen. Der Weg bis zum ersten Ton in neun Schritten zusammengefasst: 1. An einem Rimbiege-Block entsteht die geschwungene Außenkontur, der sogenannte Rim. 2. Dafür werden lange Schichten von Harthölzern miteinander verleimt. Danach muss der Rim 100 Tage ruhen. 3. Ein Handwerker setzt nun den Stimmstock in den Rim ein. Mit ihm können später die Saiten gestimmt werden. 4. Parallel werden bereits kleinere Teile wie Füße, Klaviaturboden und Deckel gefertigt. 5. Der Resonanzboden aus Sitka-Fichte ist Feinarbeit. Er ist für den perfekten Klang entscheidend. Später wird er die Schwingungen der Saiten an die Umgebung abgeben. 6. Jede Saite ist mit einer Gewichtskraft von mehreren Tonnen gespannt. Eine Gusseisenplatte als tragendes Element hält dem Stand. 7. Rund 250 Saiten werden einzeln in den Flügel eingesetzt. 8. Für Einbau und Justierung von Klaviatur und Mechanik kommen weitere 7000 Einzelteile hinzu. 9. Zum Schluss überprüft Chefintoneurin Wiebke Wunstorf, auch „das Ohr“ genannt, die Intonation. Die ist entscheidend für die Klangfarbe und Lautstärke des Flügels. Ziel ist es, dass alle 88 Töne gleich reagieren. Übrigens: Es gibt nun erstmals einen Steinway, der von allein spielt. Mithilfe einer App übertragen sich 8000 Stücke – eingespielt etwa von Lang Lang oder Joja Wendt – auf das „Spirio“-Modell. ,,Leben wie ich will.“ Neu am Kiosk ab 31. März