was kommt - Die Welt

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was kommt - Die Welt
APRIL 2016
ICON
ICON
APRIL 2016
WAS KOMMT
Entdecken Sie mehr.
D E S I G N P O R T R A I T.
Michel Club, sitzsystem design von Antonio Citterio. www.bebitalia.com
B&B Italia Stores: München, Maximiliansplatz 21 - T. +49 0894 613680
Berlin, Torstrasse 140 - T. +49 3024 04773781
Plz 0 1 2 3 4 5 Andreas Weber T. +49 5130 5840584 [email protected]
Plz 5 6 7 Thomas Köber T. +49 1737 490937 [email protected]
Plz 0 7 8 9 Norbert Juelicher - T. +49 1729 572772 [email protected]
PAOLO WOODS & GABRIELE GALIMBERT IN „1 % PRIVILEGE IN A TIME OF GLOBAL INEQUALITY“, HATJE CANTZ
Auf den Punkt
I
ch gebe es zu, ich kann da nicht hinsehen. Jedenfalls nicht, ohne mich festzuhalten. Aber wo kämen wir denn hin, wenn
wir uns deswegen solche faszinierenden Ausblicke entgehen ließen, wie den vom Pool im 57. Stock des „Marina Bay Sands
Hotel“ vor der Skyline des Finanzdistrikts in Singapur, aufgenommen 2013 von Paolo Woods und Gabriele Galimberti.
Wenn wir uns nicht in Stimmungen begeben, für die wir uns vielleicht überwinden müssen, die uns aber belohnen durch
eine ungeahnte Perspektive. Ich bin auf allen vieren die Pyramiden von Chichén Itzá in Peru hinauf- und rückwärts wieder
heruntergekrabbelt, aber der Ausblick, und das (erhaben schwindelige) Gefühl da oben auf einem der großen Monumente der
Menschheit zu stehen, ließ jede blöde Gleichgewichtssache albern sein.
Design ist eben das, was man aus dem Alltag macht. Das ist das Motto dieser Ausgabe. Und das haben wir auch gedacht, als wir einen
Punkt gesetzt haben. Nicht, dass unser ICON je Alltag für uns werden könnte, wir brüten – durchaus dankbar für das Privileg – jede
einzelne Ausgabe mit großer Leidenschaft aus. Aber das tun wir im Dezember dieses Jahres, wir können es selbst kaum glauben,
schon seit zehn Jahren. Und deshalb haben wir uns, quasi als Warm-up zu unserem Jubiläumsgefühl, schon mal ein kleines DesignGeschenk gemacht. Um Heinrich Paravicini, den Inhaber der renommierten Designagentur Mutabor, die uns beim Markenauftritt
unterstützt, zu zitieren: „Neben dem Titelschriftzug ICON steht jetzt ein Punkt, besser gesagt er fliegt – vielleicht schwebt er auch ...
in jedem Fall ist er jetzt da. Die perfekte Bildmarke für ICON. Vielleicht kennen Sie das ‚registered‘-Zeichen oben rechts neben einem Logo. Das war uns zu profan. Stylischer ist es doch, genau dies puristisch zu vereinfachen – zu einem Icon eben. Ein Auge? Die
Welt? Der ganze Planet des gehobenen Lifestyle verdichtet zu einem Zeichen.“ Nun. In Norddeutschland sagt man, wenn alles bestens ist, ein kurzes: Jo. Das ist ein ganzer, gut gelaunter Satz. Wie unser Punkt eben.
COVER: Schauspielerin Marie Bäumer trägt eine Crêpe-de-Chine-Bluse mit Seidenrock von Chanel. Heels: Prada. Brille: Miu Miu
„Das ist ja gar nicht meine!“ Dieser Satz fiel während des Modeshootings häufiger. Die Hamburger Fotografin Vanessa
Maas und die Schauspielerin Marie Bäumer hatten sich nämlich an diesem Tag für die gleiche Tasche entschieden. „Wir
haben sie ständig verwechselt, obwohl der Griff von Maries Modell grau ist, meiner schwarz.“ Sieht ja auch fabelhaft aus, die Kollektion von Ayzit
Bostan für PB0110. „Wir beide lieben das schlichte Design, und sie reist jeweils wie ein kleines Büro mit uns durch die Welt.“ Von Starallüren also keine Spur. Die sind beiden ohnehin fremd. „Uns verbindet auch eine Freundschaft. Während des Fotografierens freue ich mich manchmal so sehr über
Maries Art und ihr Wesen.“ Die 47-jährige Schauspielerin ist stets vielseitig rollenfest und hat zudem einen guten Humor. Zur Laune dürften auch
die designbunten Zimmer des „Hôtel du Cloître“ in Arles nahe Maries Wahlheimat in Frankreich beigetragen haben. Ab Seite 42
TITEL: VANESSA MAAS; DIESE SEITE: MARIO TESTINO; MARIE BÄUMER; JENS SCHMIDT & LYDIA GORGES
VANESSA MAAS
HOTEL „AIRE DE BARDENAS“ Das Leben in einer Blase ist eben doch etwas Feines. Kommt Ihnen spanisch vor? Nun, das Team der
Modestrecke von Jens Schmidt und Lydia Gorges hat im Hotel „Aire de Bardenas“ im nordspanischen Tudela übernachtet. Ein sehr naturverbundener Ort. In den runden Zelten mit transparentem Dach, den „Bubbles“, leuchten abends echte
Sterne über dem Bett – und am Morgen ersetzt die Sonne den Wecker. Wer ein festes Dach über dem Kopf bevorzugt, kann es sich in einem der
„Cubes“ bequem machen. Klingt nach Fabrik, meint aber moderne Einrichtung und große Fenster mit Ausblick auf die Weizenfelder des Naturparks Bardenas Reales. Auf Wunsch gibt es eine Terrasse und Badewanne im Freien. Auch nach 26 Designpreisen für das von den spanischen Architekten López-Rivera entworfene Hotel bleibt die Atmosphäre betont entspannt. Also, tief durchatmen und die Aussicht genießen, ab Seite 62
IMPRESSUM ICON
Chefredakteurin: Inga Griese (verantwortlich) Textchef: Dr. Philip Cassier Redaktion: Caroline Börger, Heike Blümner, Nicola Erdmann, Julia Hackober, Jennifer Hinz, Silvia Ihring, Mira Wiesinger.
Korrespondentin in den USA: Huberta von Voss. Korrespondentin in Paris: Silke Bender. Style-Editor in NY: Nadia Rath Autoren: Susanne Opalka, Esther Sterath, Andreas Tölke Redaktionsassistenz: Ursula Vogt-Duyver, Rebecca Bülow
Artdirektorin: Barbara Krämer Gestaltung: Maria Christina Agerkop, Katja Schroedter, Adrian Staude Fotoredaktion: Julia Sörgel, Elias Gröb
Bildbearbeitung: Thomas Gröschke, Liane Kühne-Kootz Lektorat: Matthias Sommer, Andreas Stöhr
Verlagsgeschäftsführung: Dr. Stephanie Caspar, Dr. Torsten Rossmann Gesamtanzeigenleitung: Florian Klages; Anzeigen ICON: Roseline Nizet ([email protected]); Leonie Lepenos
Objektleitung: Carola Curio ([email protected]) Verlag: WeltN24 GmbH Druck: Prinovis Ltd. & Co KG, Nürnberg Herstellung: Olaf Hopf
ICON ist ein Supplement der „Welt am Sonntag“, die nächste Ausgabe erscheint am 1. Mai 2016. Sie erreichen uns unter [email protected]
Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit.
9
ARMANI.COM
Von links: Für unser
Shooting streift Model
Anja durch den Naturpark Bardenas Reales.
Kleid und Armreif:
Bally. Schuhe: Céline.
Ohrring: Hermès
JENS SCHMIDT & LYDIA GORGES
Rechts: Jacke und
Rock von Prada.
Ärmelloser Unterziehrolli: „Michael“ Michael Kors. Chiffonoberteil: Prada. Schuhe: Akris. Socken:
Falke. Die Ringe sind
von Pomellato
In die aufregendsten
Farben und Muster des
Frühjahrs haben wir
Schauspielerin Marie
Bäumer gehüllt. Seidenkleid: Dolce & Gabbana.
Jacke: Paul Smith.
Tasche: Salvatore Ferragamo. Ring: Susa Beck
ICON
APRIL 2016
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LE BE NSLU S T
Design, Living und Interieur treiben diesmal
unsere Schöngeister und Stilexperten um
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GESPRÄCHS -STO FF
Bei der Firma Kvadrat macht man mit Stoff
alles – nur nicht langweilen. Ein Porträt
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VE RHE XT UND GUT GEN ÄHT
Icona liebt ihren neuen Gothic Look. Iken
mag es hingegen clean – buchstäblich
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WAND-GEWA ND
Anna von Mangoldt lässt gern Wände
strahlen. Unsere Autorin will nach dem
Besuch bei ihr jetzt renovieren.
DESIGN
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PROBIE R’S M AL MIT
BE HAGLICHKEIT
Wir sprachen mit dem New Yorker Innenarchitekt Peter Marino über den ikonischen
Wohnstil von Coco Chanel
SEHEN, SITZEN, STAUNEN
Esther Strerath sah sich für uns auf der
Mailänder Möbelmesse um – die Highlights
54
LABELS TO WATCH
Diese fünf (noch) kleinen Möbelmarken
haben großes Potenzial
26
28
ITALIE NISCHE EISBRECHERI N
Paola Antonelli will über Gegenstände ins
Gespräch kommen. Ein Treffen mit der
Chefin der Designabteilung vom MoMA
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IRMAS WO RLD
Die Kunstfigur Irma hat sich in Mailand
umgesehen. Tipps und Tricks aus Interieur
und Gastronomie
30
ÜBE RFLIEGER
Jean-Marie Massaud wollte eigentlich
Erfinder werden. Dann Flugzeugbauer.
Beides wurde er im übertragenen Sinne.
Wir haben den Produktdesigner besucht
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O UT O F THE BOX
Im Londoner Concept Store „Dover Street
Market“ hat Paul Smith sein erstes Geschäft
originalgetreu nachgebaut. Eine Zeitreise.
Plus: Das Phänomen „Dover Street Market“
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MAT E RIALF ETISCHISTEN
Viele Designer starten mit einer Form, bei
Henge aber beginnt man stets mit dem
Material. Esther Strerath ging auf Metallfühlung bei der italienischen Möbelmarke
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SHO P IN HO USE
In Hamburg setzt der Designer Noé
Duchaufour-Lawrance für die Firma
Montblanc im schönsten Doppelsinn
neue Standards
VANESSA MAAS
AUSGEWÄHLT
11
BAR REFAELI
by Chen Man
T
H
E
A
R
T
Big Bang Broderie Sugar Skull.
Keramikgehäuse, mit 48 roten Spinellen besetzt.
Einzigartiges Zifferblatt aus Karbonfaser mit feiner St. Gallener
Stickerei in Form einer blütenartigen Arabeske. Armband
aus bestickter Seide, aufgenäht auf schwarzem Kautschuk.
Auf 200 Exemplare limitierte Serie.
BOUTIQUES
O
F
F
U
S
I
O
N
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BEAUTY NEWS
Auch hier kommt es auf das Aussehen an:
Besonders hübsch gestaltete Kosmetika
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MUNITIO N AUS ROSEN
Der Macher von „Juliette has a Gun“ über
olfaktorische Outfits, Vater-Sohn-Beziehungen und das Dasein als Urenkel der
großen Nina Ricci
WE NN HO LLÄN DER EINEN
AUF DICKE HOS E M ACHEN
Dann kommt das sogenannte 3-DDenim dabei heraus. Bei G-Star hatte
man allerhand zu erzählen über die
Kulthose und einen Markt im Umbruch
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WATCH O UT!
Auch auf dem Sonnenbrillenmarkt tut
sich was: Newcomer, Kooperationen
und Objekte der Begierde
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THE SIMPLE LI F E
Reduzierte Outfits in karger Landschaft. Klingt öde? Ist es aber nicht! Ein
Shooting in der Halbwüste Spaniens
KOSMETIK
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IN HÜLLE UN D F ÜLLE
Diesmal geht’s um Äußerlichkeiten –
von Flakons. Plus: Neue Produkte
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MACHT DER VERPACKUN G
Bei Shiseido verblasst der Tellerand,
die Marke darf sich weiter entwickeln.
Wir schauten in Tokio, wohin die Reise
gehen könnte
Kultiges Konfetti: Clutch von Miu Miu
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FARBE BE KENNEN
Marie Bäumer posierte in Südfrankreich in den prächtigsten Farben der
Saison. Ein in vielerlei Hinsicht facettenreichen Ergebnis.
GESCHICHTEN
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GLO BAL DIARY
Diesmal geht es nach Frankreich, Tansania
und an die Costa Navarino
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MI CASA ES SU CA SA
In diesem Hotel soll nicht einfach nur übernachtet werden. In diesem Hotel soll man
sein: Das „Casa Bonay“ in Barcelona ist
mehr Zuhause als Herberge
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DER BAUPLA N
Es wird musikalisch: Wir durften bei Steinway zusehen, wie ein Flügel entsteht
p ri m a :
s ic h a u c h o tt i,
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E n tw ü rf e
Go green: Die „C de Cartier“-Minitasche
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Alles auf eine Karte setzen: Minaudière von Chanel
I’ve got the flower! Die „Double
Baguette Micro“ von Fendi
Flachmann: Clutch „Explore“ von Dior
Really red: Die Tasche ist
von Giorgio Armani
Mustergültig: Die „Metropolis“ von Furla
Grauzone: Die „Bespoke
Bag“ von Boss
Minimal: Die „Mini Trunk“
von Marni
Signal setzen: Die „Micro“
von Aigner
Klein ganz groß: „Dionysus
Blooms Mini“ von Gucci
MODE
Was Handtaschen betrifft, ist bigger derzeit nicht better – kleine Begleiter für große Anlässe
APRIL 2016
Klein & fein
ICON
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24
13
STILISTEN
FANG TONG,YELLOWKORNER/WWW.YELLOWKORNER.COM
WIE VIEL DESIGN BRAUCHT MAN EIGENTLICH? UNSERE STILISTEN HABEN DARÜBER NACHGEDACHT
Kunstspringer
Vor dem Absprung lebt die Illusion. Noch ist nicht alles auf eine Karte gesetzt, noch
lässt sich die Zukunft in den schönsten Farben erträumen. Und vielleicht hat Fotografin Fang Tong deshalb für die Nr. 3 ihrer „Love Illusion“-Serie gar kein (Happy) End
vorgesehen. In jedem Fall ist ihr Werk noch bis 18. Mai Teil der Pop-up-Ausstellung
„Dolce Vita“ in allen „Yellow Korner“-Galerien. Etwa Neue Schönhauser Str. 15, Berlin.
Erst im Zuge der Industrialisierung und mit
Beginn der Massenproduktion übernahm der
seinerzeit noch Modeller genannte Designer
die Arbeit an der Schnittstelle zwischen Kunst
und Industrie. Gestalter aller Genres fühlten
sich berufen, der Flut neuer Produkte eine Form zu geben, bis
Mitte des 19. Jahrhunderts das „Journal of Design“ den Begriff
in England definierte. In Deutschland reformierten wenig später Gestalter wie Richard Riemerschmid und Peter Behrens Wohnen und Alltagsgegenstände.
Der Werkbund wurde gegründet und schließlich
das Bauhaus. In den USA rückte die Gestaltung
am Anfang des 20. Jahrhunderts im Zuge der
Entfaltung der Konsumgesellschaft und den neuen Vertriebsmethoden in den Blickpunkt und seit
Anfang der 30er-Jahre war dann das New Yorker
Dr. Maria
Museum of Modern Art Sprachrohr des Designs
Schneider
der Moderne. Wenn heute der Designtheoretiker
Kreativdirektorin
Friedrich von Borries von einem erweiterten Deder Autostadt
in Wolfsburg
signbegriff spricht, lädt er ein, sich die Fülle von
täglichen
Designentscheidungen
bewusst zu machen. Innovative
Designbüros wie mischer’traxler experimentieren an der Schnittstelle zwischen Handwerk und Technologie. Für Manuel Goller und Sebastian Schönheit vom Büro New Tendency zeichnet
sich zeitgenössisches Design aus durch Einfachheit
und Handarbeit. Sebastian Scherer von Neo/Craft
experimentiert mit dem Zusammenhang von Funktion und Materialität. Julia Lohmann gründete im
Victoria and Albert Museum das Department of Seaweed und untersucht das Verhältnis vom Menschen
zu Flora und Fauna. Stellt Fragen wie: Sind Meeresalgen ethisch betrachtet als Designmaterial geeignet?
Themen wie Einfachheit, Handarbeit und Materialität bestimmen heute das Nachdenkens über ein Design, das über Funktionalität und Form hinausgeht.
WAS IST
DESIGN?
Naturstein:
Die Kollektion
„Chevauchée“ gibt
Onyx, Jaspis und Co
den Feinschliff
H E R M È S , N E U E R WA L L 4 0 ,
HAMBURG
GANZ
E
L
E
E
IE NEU
D
Während der Pariser Fashion Week, zwischen
zwei Modeschauen, beschlossen wir zusammen
mit der Lifestyle-Bloggerin Garance Doré ihr gerade erschienenes
Buch „Love x Style x Life“ in unserem Store vorzustellen. Die zahlreichen
deutschen Fans freuten sich, ihr Online-Idol live zu sehen und Garance
fühlte sich wohl bei uns. Trotzdem, das Bild, das sie am Tag danach in ihrem Blog veröffentlichte, war nicht die Mode, die sie umgab.
Nein, es zeigte sie gemütlich auf dem Sofa sitzend – in meiner
Berliner Wohnung beim Interview. Interieurs, Design, Ambiente, alles Dinge, nach denen sie und ihre modebegeisterten Leserinnen immer mehr verlangen.
Noch vor Kurzem gab es bei Gucci zum Beispiel laufend Mega-Shows und Geschäftseröffnungen. Der neue künstlerische
Leiter, Alessandro Michele, hat jedoch ein Gespür dafür, in welEmmanuel
che
Richtung sich der Wind gerade dreht. Vor zwei Monaten
de Bayser
schickte
er eine sehr persönlich gestaltete Einladung: Das MaMitbesitzer von
The Corner
gazin 032C lud einen kleinen Kreis zu Johanna von Boch zu eiBerlin
ner „Gucci Soirée privée“. Hübsche Blumenbouquets verstreut
in ihrer mit viel Poesie eingerichteten Berliner Wohnung bildeten den atmosphärischen Hintergrund für einen gelungenen Abend der
neuen Art: Freunde, House DJ, Champagner. Alle tanzten wie verrückt,
die Mädchen in romantischen Gucci-Kleidern, die Männer in pelzgefütterten Slippern und blumenbestickten Hemden. Man amüsierte sich in
Gruppen, machte Selfies, fotografierte die Wohnung. Authentizität, Intimität, Atmosphäre: Das ist die neue Eleganz.
Farbenfroh kolumbianisch ist Marnis neue Möbelkollektion.
In Südamerika weiß man: Gute Stimmung kommt am besten
bei einem Tänzchen auf. Das ließen sich die Italiener nicht
zweimal sagen und funktionierten den Mailänder Showroom
anlässlich des Salone del Mobile zum „Marni Ballhaus“ um.
Getanzt wird der traditionelle Cumbia. Ja, alle (Schaukel-)
Stühle, Tische, Lampen und Vasen wurden in Kolumbien
gefertigt. Materialien wie Metall, Holz, handgewebtes PVC
machen die Kollektion finca-, ähm gartentauglich.
Geht im
Großstadtdschungel
nicht unter,
die limitierte
CamouflageKollektion von
Tobias Rehberger
für MCM
G I B T ’ S E T WA I N M Ü N C H E N ,
M A R I E N P L A T Z 11
Ein Schrank voller High Heels: Zum 20. Jubiläum hat sich Sandra Choi,
Kreativdirektorin von Jimmy Choo, etwas Besonderes einfallen lassen –
die „Memento Trunk“ ist gleich mit 20 Paar Schuhen ausgestattet.
Man muss nur noch seine Schuhgröße angeben. Bestellbar im Münchner Flagshipstore (Tel. 089/50 07 79 60)
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MARNI BALLHAUS
Schaukeln und
schunkeln
FRÜHJAHRSPUTZ
IM SCHRANK
Jetzt ist die Zeit, um den Kleiderschrank vom Wintermodus auf
Sommermodus umzustellen, luftige Kleider und Sandalen in die
vordere Reihe zu holen, die Winterjacken einzumotten. Dabei
lässt es sich gleich herrlich ausmisten. Wenn Sie ein paar Tipps
befolgen, geht’s leichter:
1. Das Wichtigste in Ihrem Kleiderschrank sind die klassischen Basics, die Sie immer wieder tragen. Legen Sie
diese (und absolute Lieblinge, egal wie alt) beiseite, bevor
Sie mit dem Ausmisten beginnen.
2. Denken Sie an Vielseitigkeit. Wenn Sie ein Kleidungsstück nicht auf drei verschiedene Arten kombinieren
können, brauchen Sie es nicht in Ihrem Kleiderschrank
Fanny Moizant
aufzubewahren.
Gründerin von
3. Verfahren Sie nach dem „Ein Teil rein – ein Teil raus“„Vestiaire
Schema und sortieren Sie unbedingt ein Teil aus, wenn
Collective“
Sie sich ein neues kaufen.
in London
4. Seien Sie mutig! Wenn Sie etwas in den letzten 18
Monaten nicht getragen haben, sortieren Sie es bitte aus.
Es wird sich nicht ändern ...
5. Gehen Sie bewusst den Stapel mit den aussortierten Teilen durch. Entscheiden Sie, welche
weiterverkauft werden können, was gespendet
oder endgültig entsorgt werden kann. Artikel in
sehr gutem Zustand oder begehrte Stücke oder
Accessoires haben einen hervorragenden
Wiederverkaufswert. Investieren Sie den gewonnenen Betrag in neue Kleidungsstücke.
DVA
Wie im Bilderbuch
Detox, Spa, Massage? Firlefanz! Ausmalen ist der neue Entspannungstrend.
Wer zeichnet, baue Stress ab und steigere die Konzentration, sagen Wissenschaftler. Also gibt es auch Malbücher für Erwachsene: „Tapetenwechsel“
führt durch die Jahrhunderte des Tapetendesigns seit 1730 – unkoloriert versteht sich. Einrichtung und Hund sind dabei. Fazit: Die Tapeten wechseln,
der entspannte Mops ist noch immer en vogue. (Deutsche Verlags-Anstalt)
Form follows
Punktion
Florentine
Joop
llustratorin
und Autorin
in Berlin
18
Gutes Design bringt die Dinge auf den Punkt.
Somit ist dieser Satz schon einmal gutes WortDesign. Wobei die etwas zu modernen Ansichten der aktuellen Designer bei dem Volk genau
wie allzu moderne Kunst immer erst mal ein Naserümpfen erzeugen. Misstrauisch beäugt man
dann, was man nun haben wollen soll – und der
Toaster an sich wurde ja schon erfunden, aber
wenn Herr Porsche Hand anlegt, dann kann
man den Toast sozusagen neu erfahren. Es
sei denn, man fährt auf Toast nicht ab.
Design unterliegt, wie Kunst auch, einem
meist ruhmreicheren Alterungsprozess. Modernes Design wird zum Klassiker, egal wie
scheußlich man es in der ursprünglichen Gegenwart auch fand, erst wird es vintage und je
mehr Zeit verstreicht, desto mehr bekommt
es den würdigen Titel: retro. Irgendwann
wird’s antik. Und das ist genau wie in der
Kunst auch der Moment,
wo es wirklich jeder irgendwie
schön findet.
Design – im Gegensatz zur
Kunst – soll sich an dem Gebrauch orientieren. Es beugt
sich der Technik und dem Konsumentenwunsch. Der Künstler gibt vor, dass ihm all diese
Dinge schnuppe sind und lächelte verächtlich, würde man
ihn zur Funktionalität seiner
Werke befragen oder ob seine
Skulptur auch kundenbedienfreundlich sei. In meiner Jugend in den 80er- und 90erJahren, wollte man „irgendwas
mit Design“ studieren. Heute irgendwas mit Medien. Aber damals war Design ein
Zauberschwert, welches dem Besitzer oder Studenten Macht, Unsterblichkeit, Ruhm
und Moneten versprach. Heute kann man sich das nicht mehr vorstellen, aber einst
wurde vielen unsexy Studiengängen einfach ein Design hintendran geklebt, um die
Textilverarbeitung und das Fotografieren, das Schnippeln von Grafiken am Zeichenbrett und das Herumschneidern an Modepüppchen wieder schmackhaft zu gestalten
und der Studenten habhaft zu werden.
Aus Fotografie wurde Foto-Design, aus Grafikern wurden Grafik-Designer, und aus
Bekleidungs- und Textiltechnik wurden Mode-Design und alle waren happy. Ich wurde
erst gewahr, dass auch ich dazugehöre, nachdem ich mein Diplom genauer betrachtete und feststellen musste, dass ich ein Illustrations-Designer bin. Ach du Schande. Da
hatte ich mich jahrelang lustig gemacht und war ganz plötzlich auch einer von ihnen.
Ich beschränke mich nun mehr und mehr auf Wort-Design. Also nicht, wie diese
Schrift-Designer, ehedem Typografen, die Schriften in die Länge und in die Breite
ziehen, sondern ich finde die Sprache an sich unterliegt auch einem Design-Gefühl.
Das Wort „Kö-tauglich“ ist eines meiner liebsten. Oder Restaurant-Qualität. Heute
pappt man gern auf Hängeware ein „Design“-Etikett und schon ist die Jeans geadelt,
weil Design immer ein Streben nach Perfektion verspricht. Perfektion ist gesucht und
nie erreicht. Es gibt sie nur als Augenblick.
Zeitlos ist auch ein Wort, das im Zusammenhang mit Design und Kunst verwendet
wird. Das bedeutet, dass es so gut ist, dass es den Alterungsprozess, um zum Klassiker
zu werden, einfach überspringen kann und schon gleich quasi unsterblich daherkommt. Zeitlos möchte man sein. Zeitlose Schönheit, zeitlose Pracht. Uhren in zeitlosem Design finde ich am besten. Zeitlose Mode, herrlich nie in Mode sein und deshalb nie aus ihr raus. Zeitlose Kunst hingegen findet man in der Gegenwart weniger,
sie kommt meist aus einer anderen Zeit, war sehr modern einst und hat viel Zeit überdauert, ohne unmodern
zu werden. Trotz vieler
Parallelen, verschmelzen
kann man die Begriffe
nicht so einfach. KunstDesigner. Was ist das
denn?
Design-Kunst
schon eher. Aber auch
unperfekt. Bleibt eben
doch nur der perfekte
Augenblick.
FLORENTINE JOOP „EIN PERFEKTER AUGENBLICK“
HOW TO ART – TEIL X:
Aufwärmphase
Die Arbeiten von
Aktfotograf Sante
D’Orazio aus den 90erJahren lassen sich so
beschreiben: wahnsinnig heiß. Seine
Making-of-Fotos
haben es ebenfalls
in sich, zeigt der
Bildband „Polaroids“.
Er erschien anlässlich
des 60. Geburtstags
des Künstlers.
(Schirmer/Mosel)
Guter Geschmack ist ein zwiespältiger Wesenszug
bei der Weinauswahl. Natürlich ist er, was das Produkt betrifft, zwingend erforderlich. Er kann einen
aber auch fehlleiten, wenn man sich von einer
schönen Flasche blenden lässt. Auch die hübscheste Verpackung macht noch lange keinen guten
Wein – oft werden mit dem Äußeren
sogar Schwächen des Inhalts kaschiert.
Ich bin Purist, was das angeht. Klar und
einfach sollte eine Flasche gestaltet
sein. Konzentrieren wir uns auf die inneren Werte. Ein viel besseres Qualitätskriterium als das Etikett ist sowieso das
Herbert Seckler Glas. Je dicker und schwerer, desto
Kultwirt vom
hochwertiger ist in der Regel der Wein.
Sylter „Sansibar“
Doch Sie ahnen: Auch diese Faustformel hat ihre Grenzen. Ganz anders
macht es nämlich der Silver Chardonnay von „Mer
Soleil“ aus Kalifornien. Er ruht in Metallfässern anstelle von Holz. Das natürliche Traubenaroma
bleibt auf diese Weise unverfälscht. Anschließend
wird er in eine schwere, graue Keramikflasche abgefüllt. Die macht schon was her. Und hält sie
dann, leer und dekorativ, die ersten Frühlingsblumen, bleiben zumindest die Erinnerungen an den
frischen Geschmack reifer Zitrusfrüchte.
SANTE D'ORAZIO / COURTESY SCHIRMER/MOSEL
SCHÖNER SCHEIN
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UND SONST NOCH
20
FASSADENKLETTERER: Mit dem flexiblen Schuhregal von Designer und Architekt Sigurd Larsen für „Zign“ lassen sich Wände füllen. Es wächst
mit der Kollektion. Ausmisten? Nö, bei Bedarf wird einfach angebaut
(zign.com) — SCHLAUE MÖBEL sind auch das Ergebnis der Kooperation von
Loewe und dem „Smart Furniture“-Hersteller Spectral. Der Trick: Technik, die nicht zu sehen ist. Kabel werden versteckt und Smartphones laden durch bloßes Hinlegen auf — BAUBOOM: In der Bonner Bundeskunsthalle
läuft bis Mitte August die Ausstellung:
„Das Bauhaus. Alles ist Design.“ Alles
ansehen! — SCHÖNE NEUIGKEITEN: Gerade
noch präsentierte Molteni auf dem Salone
del Mobile seine Neuheiten, da legt man
schon mit einem aufgefrischten OnlineAuftritt nach(molteni.it)
Herr Haka
Es herrscht eine Stimmung wie in den
60er-Jahren. Bis dahin galt „Rive droite“, bei Balenciaga, Chanel bis Dior
wählten die Kundinnen individuell ihre
Modelle aus. Die Moderedakteure
mussten nachts betteln, ob sie etwas
fotografieren könnten, denn tagsüber
hatte gerade Lady BlaBla das mit dem
großen Fuchskragen zur Ansicht.
Dann kam plötzlich „Rive Gauche“.
Prêt-à-porter. Man konnte es angeblich gleich wegtragen, was nicht
stimmte, aber es veränderte die Wahrnehmung nachhaltig. Heute regiert
der soziale Netzwerk-Kundentypus,
für den Fashion ein emotionales Momentum ist. Bestager anpeilen? Was
soll so Marketingsprech noch?
Frau Dob
Jetzt muss es heißen: Ich mache ein Produkt, weil ich daran glaube. Das ist das
neue Bekenntnis. Es gilt auch anders
herum: Ich konsumiere dieses Produkt,
weil ich mich damit besser, glücklicher
fühle. Und nicht, weil ich Gesetze der
Gesellschaft, des Red Carpets erfülle. Ich
fühle mich gut. In dieser Zeit großer
Ängste, ist das eine wichtige, gar nicht
egoistisch gemeinte Ansage. Luxus.
UND SONST NOCH
GREENHOUSE/JONAS LINDSTROM
EIGENGEWÄCHS: Wer es auch daheim grün mag, kann entweder die Wände streichen oder
gleich das „Greenhouse“ von Design Stockholm aufstellen. Es braucht lediglich 130
x 95 Zentimeter Platz (über [email protected] bestellen) — ERÖFFNUNG: Nur weil die Tage wieder länger werden, muss der Schlaf nicht zu kurz kommen.
Im ersten Shop der Matratzenexperten von „Muun“ dürfen nicht nur Loriot-Fans mal
Probe liegen (Mulackstraße 16, Berlin). Und es darf auch zu Hause getestet werden
— AUFWACHEN AUF KNOPFDRUCK: Wer trotzdem nicht aus den Federn kommt, kann per Nespresso-App und der neuen „Prodigio“-Maschine den dringend benötigten Kaffee vom
Bett aus aufbrühen (im App-Store und über nespresso.com) — BUON APPETITO: Alessi
hat Pizzaroller und Eislöffel für Härtefälle gestaltet.
Pusteblume
CAROLA BRACKROCK
Einen langen Atem brauchte
die Künstlerin Carola Brackrock für ihre Serie „Pustefarben“. Bis zum 8. Mai zeigt
die Ausstellung „Digitale
Originale“ in der Galerie STP
in Greifswald eine Auswahl
ihrer digital überarbeiteten
Naturaufnahmen.
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19, stuIGE ICHER diert,Unsertrinkt,SohnundDavid,
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W CKL
gie („HFF“) in Schwabing (wie EichinÜ
L
ger,
Dietl,
Fassbinder, Valentin). Seine Oase: zwei
G
David Blieswood
Connaisseur aus Hamburg
22
Zimmer. Was braucht ein junger Mann? Doppelbett, WLAN, Ikea-Küche (Geschirrspüler),
Schreibtisch, Besucher- und BesetzungsCouch, Flat-TV von Medion (mit DVDSchlitz), Apple Powerbook, Holz-RuderTrainer (Manufactum), Eisschrank voller
Augustiner-Bier und einen Masskrugwurf
weit: die Bier-Kult-Kneipe „Alter Simpl“.
Eine Test-Couch-Übernachtung bei unserem Sohn macht aus mir altem Sack (60
plus) wieder einen glücklich verkaterten Romantiker. Entrümpelter Lifestyle! Lastlos sein schlägt Design. Viel Weiß. Viel Leere. Viel Luft. Viel Zeit. Wenig Geld. Lieblings-Klamotten: Hannes Roether
(München). Lieblings-Industrie-Design: „flatsix.hamburg“. Lieblings-Essen: „Bratwurst Glöckl am
Dom“ und „Andechser am Dom“ (sensationeller
Wagyu-Burger!). Lieblings-Bar: Nur „Schumann’s“.
Charles ist angeblich 74, äußerlich 54, im Herzen 34
und Oberpfälzer wie ich.
Als ich nach Mitternacht allein meine labyrinthische Suite 328 im „Bayerischen Hof“ aufknipse und
mit einem Minibar-„Fürstenberg“ am Kachelofen
sitze, weiß ich, dass unser Sohn glücklicher lebt als
ich. Eine kurze Nacht lang war ich wieder 19 und unbekümmert – so weit ich mich erinnere.
Am Morgen ruft Schwabing an: „Kann ich zum
Schwimmen im Pool kommen – und hast du eine
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Kleine Oase: das Wohnzimmer von Coco Chanel
in ihrem Pariser Appartment
EINRICHTUNG
Wohnen wie bei
Mademoiselle
Privat und geschäftlich waren eins bei Coco Chanel. Das prägt weiterhin
das Design der Boutiquen. Die Wohnzimmer der Kunden offenbar auch
N
26
ach Coolness und
Loftstil geht der
Trend nun wieder
zu Behaglichkeit,
neben Teppichen
und Tapeten feiern
Farbtöne wie Beige
oder Braun ihr Comeback. Nicht ganz unschuldig daran ist eine Frau, die vor mehr als
80 Jahren Codes setzte, die ihr Unternehmen
bis heute prägen, ebenso wie Wohnungen.
Die Vorgaben sind bis heute zu besichtigen. In
der Mode wie in Coco Chanels Privat-Appartement in der 31 Rue Cambon in Paris. Nicht
nur, dass es relativ ungewöhnlich ist, dass Modeschöpfer über ihren Geschäften wohnen –
das Erstaunliche ist, dass seine Bewohnerin
schon 1971 verstorben ist, das Haus und die Geschäftsräume etliche Male erweitert und umgebaut wurden, das Appartement aber heute
noch im Originalzustand erhalten ist. Zum
Schlafen ging Mademoiselle allerdings stets in
ihr Zimmer im gegenüberliegenden „Hotel
Ritz“. Am Tag hielt sie sich hinter den Spiegeltüren auf, die, kaum merkbar für die Mitarbeiter, zu ihrer Wohnung über den Couture-Salons im zweiten Stock führen.
Alles in diesen Räumen ist bis auf wenige Ausnahmen noch genau wie zu Lebzeiten Mademoiselles arrangiert. Das berühmte saharafarbene Steppsofa, das als Inspiration der Handtasche 2.55 diente, steht noch genau an dem
Platz, an dem es immer stand, auch Romy
Schneider oder Jeanne Moreau saßen darauf
und lauschten den Monologen der Gastgeberin. Sie sagte einmal über Innenarchitekten,
wenn die guten Geschmack sehen wollten,
sollten sie einfach zur ihr in die Rue Cambon
kommen. Und so war es auch.
Angesagte Interiordesigner wie Chahan Minassian, Jean-Louis Deniot oder Alberto Pinto
lassen sich von keinem Ort lieber inspirieren.
Die englische Firma de Gournay produziert
Chanels Coromandel-Wandschirme als Replik, die spanische Firma Blasco & Blasco fertigt das ikonografische Sofa nach Maß an. Einer, der sofort begeistert war vom Ambiente,
ist der New Yorker Innenarchitekt Peter Marino, selbst ein Designstatement. Sein Faible für
schwarze Lederkluft täuscht, er ist ein ausgesprochen amüsanter, feinsinniger, kreativer
Geist. Viel gebucht von den großen Luxusmarken, zeichnet er sich auch verantwortlich
für die Gestaltung aller Chanel-Boutiquen
weltweit, wie jüngst in Düsseldorf. Seine Arbeit gilt als ein wesentlicher Grund für die
starke Nachfrage nach „Wohnen à la Chanel“.
Wie gehen Sie vor?
Die Ikonografie von Chanel, das Schwarz und
Weiß des Schriftzuges und dessen Klarheit
und die detailverliebte Atmosphäre von Chanels Appartement sind die Ausgangspunkte
jeder Planung. Bei einem Laden muss jedes
Detail, von der Fassade bis zur kleinsten Ausstattung der Kabinen, diesen Geist atmen. So
wie sie ihre Bilder, ihre Madonnenstatue, die
sie von Boy Capel geschenkt bekam, oder Bü-
Nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie die
Kunstwerke aus?
Die individuellen Standorte wie in diesem Fall
Düsseldorf werden berücksichtigt, und wir
beauftragen Künstler auch mit speziellen
Werken. Gemälde von Remy Markowitsch
und André Butzer, zwei zeitgenössische deutsche Künstler, zieren die Anproben, Olivia
Berckemeyer gestaltete eine Bronzeskulptur,
die wie fließendes Metall den Kassenbereich
entlangrinnt. Die Kombination von Kunst und
Interior-Architektur spiegelt so den gleichen
Geist wieder wie im Appartement.
Das heißt?
Die Schlichtheit bemerkenswert machen
durch luxuriöse Materialien lautete einer der
Grundsätze von Mademoiselle. Strukturen der
Stoffe auf Oberflächen und Materialien der
Architektur übersetzen, das ist wiederum unsere Kunst und das Moderne daran.
Die detaillierten Oberflächen sind in der Tat
sehr aufwendig. Wo finden Sie noch die Handwerker, die solche Techniken beherrschen?
Es gibt nur noch wenige ihrer Art. Ähnlich
wie in den Paraffection-Ateliers von Chanel,
von denen wir uns auch immer wieder inspirieren lassen, also wie die Sticker oder Federmacher, vermögen es diese Handwerker noch,
jahrhundertealte Techniken in die heutige
Zeit und Anforderungen zu übersetzen. So haben wir einen Handwerker in Belgien, der
Tischplatten schafft, indem er Muscheln, Knochen oder Steine in Harze gießt und sie poliert. Oder auch spezielle Tapetenmanufakturen, die die Struktur von Stoffen auf Papier
übertragen. Wir forschen und experimentieren aber auch für jedes Projekt, um maßgeschneiderte Lösungen für die Oberflächen
und Möbel zu finden. Der Kontext des Appartements lässt der Fantasie freien Lauf für immer neue Interpretationen.
Aber die Wohnung ist doch sehr viel kompakter
und intimer als eine Boutique?
Das gar nicht so große Appartement und seine
besondere Aura durch die Materialien und die
Farben auf große Flächen umzusetzen, das ist
der Spagat, der gelingen muss. Dadurch wird
seine Modernität weitergetragen. Coco Chanel zu ihrer Zeit und jetzt seit vielen Jahren
Karl Lagerfeld haben immer neue Kollektionen gemacht, dadurch das Haus immer jung
gehalten und stets neue Trends kreiert, aber
eben immer auf der Basis des Stils der Mademoiselle. Ihre direkte Umgebung hat sie so
gut wie nie und nicht einmal im Detail umgestellt oder verändert. Wie von einer Bühne
mit festem Bühnenbild agierte sie von dort
aus. Und dennoch hat sie nie ihren prägenden
Einfluss eingebüßt. Warum ihr Einfluss so
zeitlos ist und bis heute Inspiration für Einrichter, hat sie vor vielen Jahren selbst beantwortet: „Mode vergeht, Stil besteht.“ Und genau darauf berufen sich nachhaltige Trends
Peter Kempe
immer wieder.
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Wir müssen
auch schauen
Paola Antonelli ist Chefin
der Designabteilung vom
MoMA in New York.
Ihre Ausstellungen und
Anschaffungen für das
Museum setzen die Dinge in
Bezug zur Zeit, in der wir
leben. Andreas Tölke ließ
sich das genauer erklären
Ihr Titel auf der Visitenkarte macht beinahe
Angst: „Senior Curator, Architecture & Design
Director, Research & Development – The Museum of Modern Art“ steht da. Seit mehr als 20
Jahren ist Paola Antonelli am MoMA in New
York. Sie entscheidet, was in die Designsammlung des Museums aufgenommen wird. Wichtiger jedoch: Die Italienerin will über die Dinge, die uns umgeben, ein Gespräch führen.
Zum Beispiel über „Juicy Salif“. Eigentlich ist
es nur eine Saftpresse. Trotzdem steht sie in
einem der renommiertesten Museen der Welt
– und zwar nicht in der Kantine. „Philippe
Starck hat den Entwurf zum Juicy Salif 1988
bei einem Urlaub in Italien auf die Serviette
einer Pizzeria gekritzelt“, sagt Antonelli. Zu
jedem noch so elaborierten Designstück hat
sie die Anekdote parat, die den Dingen eine
Seele einhaucht. An der Saftpresse erhitzen
sich übrigens die Gemüter. Zu kaum einem
Haushaltsgerät gab es einen ähnlich erregten
Diskurs wie zu dem gusseisernen Sputnik:
„Starck polarisiert. Zum einen hat er Produktdesign wie kaum ein anderer
salonfähig gemacht, zum
anderen hat er die Welt
mit seinen Entwürfen
fast geflutet – und es gibt
nicht wenige, die seiner
Formensprache überdrüssig sind“, erläutert die Expertin. Doch Juicy Salif sei
frei nach Umberto Eco ein
perfektes „Conversation Piece“
und schon deshalb interessant.
Ihrer Herkunft nach ist auch
Paola Antonelli eine Praktikerin. 1990 hat sie am Polytechnikum in Mailand ihren
Abschluss in Architektur
mit Auszeichnung gemacht. Gebaut hat sie jedoch nie: „Ich wäre
wahrscheinlich
eine
schreckliche Architektin“, gibt sie unumwunden zu. Ihre
Stärke ist Erkenntnis und Vermittlung auf allen Ebenen. Sie schreibt
sowohl für die
amerikanische
„Harper’s Bazaar“ wie für
das InsiderBlatt
„Domus“.
Sie
lehrte fünf Jahre in Harvard DesignTheorie, ist Dozentin an der
School of Visual Arts in New York
und seit 1994 am MoMA.
„Ich habe schon früh gemerkt, dass ich mich
viel lieber mit Objekten als mit Menschen umgebe“, sagt sie fast schon kokett, denn ihre sozialen Fähigkeiten sind ebenfalls berühmt.
M
28
Das freundliche Gesicht
der Design-Macht: Paola
Antonelli entscheidet, was
es bis ins MoMA schafft
Wen setzt man Rem Koolhaas,
dem Stararchitekten mit dem
Charme eines Pfeilers, beim Dinner in einem venezianischen Palazzo gegenüber? Am besten Paola Antonelli, die italienische Eisbrecherin.
Regionale Einflüsse und Stärken
sind für sie ein weiteres spannendes Thema: „Ich war gerade in Argentinien
und begeistert von den Wohnhäusern, die
dort entstehen. Eine Neuinterpretation der
klassischen Moderne. Aber die zeitgenössische Kunst, die war schrecklich“, sagt sie. Als
Kritikerin agiert sie wenig zurückhaltend,
vertritt ihren Standpunkt stets mit Verve. Und
das muss sie auch. Schließlich ist sie im MoMA für „die arme Schwester der Kunst“ verantwortlich, wie Design und Architektur
heimlich genannt wird. Noch dazu als Frau
mit zwei sendungsbewussten Männern an der
Spitze des Museums: Glenn Lowry, der Direktor, gilt als Dandy und Kunst-Verführer. Klaus
Biesenbach, Direktor beim PS1, dem wilderen
und experimentellen MoMA-Ableger, ist nicht
nur für sein Programm bekannt, sondern
auch dafür, dass er sich mit Celebritys von Lady Gaga bis James Franco umgibt.
Das MoMA startete schon 1932 als erstes Museum weltweit mit einer Designsammlung,
über 28.000 Arbeiten versammeln sich bis dato: von Starcks Presse über die Mies van der
Rohe Mid-Century-Klassiker bis zum iPhone.
Paola Antonelli darf für das Museum frei
shoppen gehen. Designstücke von Richard
Sapper, Dieter Rams oder Ingo Maurer – was
sie für die Sammlung erwirbt, ist geadelt.
Ihre Anschaffungen sind immer auch gute Interiortipps. Aber sie setzt mit ihren Ausstellungskonzepten nicht nur auf Stühle, Lampen, Teppiche. Es muss immer einen Bezug
zur Zeit geben: „This is for everyone“, war der
Titel ihrer letzten Ausstellung. Etwas für jeden. Die Twitter-Nachricht von Tim BernersLee, dem Erfinder des World Wide Web, hat
sie dazu inspiriert: „Das Internet ist das radikalste Designexperiment“, erklärt Paola Antonelli, die einen feinen Humor pflegt. Es biete
grenzenlose Möglichkeiten für die Entdeckung, gemeinsame Nutzung und Erweiterung von Wissen und Informationen. Design
versteht sie schließlich als aktive Gestaltung
des Alltags. Die Liebe zum Detail ist ihr wichtig, den offenen Blick will sie sich bewahren.
Auch deshalb wird ein mit Graffiti bemalter
Straßenpoller zu einem MoMA-Exponat. Und
kaum, dass er dort steht, wird deutlich, dass
das Ding wirklich schön ist. Auf der Straße
wäre man vielleicht daran vorbeigelaufen,
vielleicht sogar verärgert. Doch „Graffiti ist im
Grunde genommen Design“, sagt die Expertin, „denn es wird ja die Oberfläche eines bereits vorhandenen Gegenstands bearbeitet.“
Sie ist bei einem ihrer Lieblingsthemen: Wo
fängt Kunst an? Wo hört Design auf? „Behandelt Design wie Kunst“, postulierte sie denn
auch in einem Vortrag.
Und wie hält sie es zu Hause mit den Dingen?
„Genau so. In meiner Wohnung herrscht ein
Miteinander aus Wertvollem und Wertlosem,
aus Kunst und Design“, sagt sie. Diesen Stil
trägt sie auch, edles Design kombiniert mit
demokratischer Mode. Paola Antonelli ist
eben selbst ein perfektes Beispiel für ihre kuratorische Grundhaltung: Mit offenen Augen
entdeckt man die Liebe zum Detail.
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ATELIERBESUCH
Monsieur
Massaud
macht blau
Niemand verkörpert so überzeugend die These, dass das Sein das Design
bestimmt, wie Jean-Marie Massaud. Esther Strerath ließ sich
30
Jean-Marie Massaud trifft man am besten
dort, wo andere Leute Ferien machen. Seit
drei Jahren lebt der französische Designer an
der Côte d’Azur. Zum Gespräch bittet er in das
legendäre „Colombe d’Or“ in Saint-Paul-deVence, ein kleines Hotel samt Restaurant im
hügeligen Hinterland von Nizza. Picasso
wohnte früher zuweilen hier und zahlte mit
dem einen oder anderen Gemälde, die immer
noch so unprätentiös wie Posterdrucke im
Speisesaal hängen: „Es ist ein magischer Ort.
Und das beste Museum, das ich kenne“, sagt
Massaud, als er, wie immer in weißen Hosen
und Sneakern, eintrifft. Er bestellt Rosé, Gemüse und Pastete, und schießt los: „Bei Architektur und Design sollte es immer darum ge-
hen, eine neue und bessere Erfahrung mit den
Dingen zu machen.“
Massaud hat für viele internationale Möbelfirmen entworfen, zuletzt ein rundes Sofa für
Poltrona Frau. Armaturen mit integriertem
Tablett für das Weinglas in der Badewanne für
Axor, weich gepolsterte Hartschalen-Stühle
für MDF. Außerdem ein neues „Nest“ für Dedon sowie ein Auto aus Bambus für Toyota
und Gedecke für die Firstclass der Air France.
Was seine Entwürfe eint, ist die scheinbare
Einfachheit und das Überraschungsmoment,
wenn man sich fragt, warum nicht vorher bereits jemand auf diese geniale Idee gekommen ist. Dazu gesellt sich stets ein tiefes Verständnis für modernen Komfort.
Dieses Stilempfinden hat viel mit dem Lebensweg von Massaud zu tun: „Früher waren
alle meine Ideen und Projekte super-progressiv, aber es gab immer einen Bruch mit der
Realität.“ Der Designer verzieht das Gesicht,
reißt mit beiden Händen an einem imaginären Seil und stößt ein „painfuuul“ hervor.
„Heute, nach zahlreichen gescheiterten Projekten, die niemals realisiert wurden, habe ich
verstanden, dass ich zu sehr mit der Revolution beschäftigt war. Ich konnte die Realität
nicht akzeptieren.“
Jean-Marie Massaud wollte eigentlich Erfinder werden. In Toulouse geboren, der Vater
war Handelsvertreter für eine Schokoladen3
firma, die Mutter Sekretärin, lag der
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beim Mittagessen mit Rosé und Radieschen gern davon überzeugen
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Massauds-Kosmos: 1. Sein Wolkenstuhl „Wallace“
von Poliform. 2. Der Wal „Manned Cloud“ ist ein
Entwurf für ein fliegendes Hotelzimmer. 3. „MeWe“ ist Pick-up, Cabrio, Off-Roader und ElektroMini in einem und leider nur eine Konzeptstudie
von Toyota. 4. Outdoor-Stuhl „Dean“ für Dedon.
5. Multiple Choice: Beim Stuhl „Flow Slim“
können Farbe und Fuß gewählt werden (MDF
Italia). 6. Sofa „Steve“ ist wandelbar (Arper)
1
3
4
atmen“, blickt er zurück. „Ich trug immer
Schwarz, und ich träumte die ganze Zeit von
einer besseren Situation.“
Der erste Befreiungsschlag war das Entsorgen
der schwarzen Klamotten. Seither ist Massaud
stets in Weiß gehüllt: „Es ist wie eine Therapie
für mich, es gibt mir positive Energie.“ Nein,
er kleide sich nicht wie ein Künstler, winkt er
lachend ab, sondern „wie ein Tourist!“
Als er beschließt, die Metropole zu verlassen,
ist er längst ein „großer Name“. Dann die Einsicht: „Das Leben ist zu kurz. Ich arbeite
schon zu viel. Ich möchte mich auf das tägliche Leben konzentrieren.“ Großprojekte, vor
allem aus der Architektur, legt er ad acta. Die
zweite radikale Entscheidung ist der Ortswechsel. Die Massauds ziehen nach San Francisco. „Das war ein Reinfall. Ich glaubte, dort
blühen die progressivsten Ideen. Aber in den
USA, auch wenn Kalifornien anders ist, geht
es doch sehr altmodisch zu.“ Die Familie
kehrt zurück. Lebensqualität ist immer noch
das oberste Gebot, es beinhaltet auch, die Kinder, heute 15 und elf Jahre alt, naturverbunden großzuziehen. „Frankreich also“, so Massaud. „Hier gibt es die Berge und das Meer, die
Elemente sind stark, Italien ist ganz in der Nähe. Hier träume ich.“ Sehr lukrativ, möchte
man hinzufügen.
Auf der Mailänder Möbelmesse stellten gleich
vier verschiedene Firmen seine Arbeiten vor.
Er sieht sich nicht mehr als Soldat für eine
Firma, sondern als Partner: „Es ist wie Klavierspielen. Man muss viel üben, um immer besser zu werden. Vielleicht komponiert man
dann auch. Mit den Möbeln ist es, als spiele
man ein Arpeggio, also einen Akkord, bei dem
die Töne nicht gleichzeitig, sondern kurz hintereinander erklingen. Seine Einnahmen investiert Massaud in eigene, unabhängige Projekte: „Es gibt zum Beispiel kein Auto, das
meinen Bedürfnissen entspricht. Ich segle
gern, aber ich habe noch kein Segelboot entworfen.“ Gerade entwickelt er einen Thinktank namens „La belle + The Lab“, in dem
Kreative zusammenkommen, die gemeinsam
Ideen verwirklichen. Dort will er ebenfalls
versuchen, die Harmonie zu leben, nach der
er sich sehnt, diese Balance aus Verantwortung und Vergnügen.
„Da drüben“, er deutet auf ein Gebäude, in der
Ferne glitzert das Meer, „gehen meine Kinder
zur Schule.“ Das „Lab“ ist nur ein paar hundert
Meter entfernt. Ebenso sein Zuhause. „Dort“,
er zeigt in Richtung der Hügel, „wohne ich.
Wir bauen das ganze Haus um. Es wird kalifornisch, man betritt das Grundstück auf dem
Hang und sieht nichts von dem Wohnhaus,
das sich über mehrere Ebenen erstreckt.“ Sein
Büro wird vielleicht ein Baumhaus: „Mehr
und mehr fühle ich mich wie in einem großen
Ozean, mit Strömungen und Wellen, ich lasse
einfach geschehen“, sinniert er. Und fügt dann
grinsend hinzu: „Vielleicht bin ich einfach
cooler geworden.“
M
6
5
32
3 Wunsch nahe, Flugzeuge zu bauen. Als er
jedoch herausfindet, dass man sich bereits
früh spezialisieren muss, verwirft er die Idee
und bewirbt sich stattdessen an dem Pariser
Design Institut ENSCI-Les Ateliers. Sein Professor, Marc Berthier, wird sein Freund und
Mentor, mit dem Jean-Marie nach seinem Abschluss vier Jahre lang kooperiert. 1996 gründet er dann sein eigenes Studio.
Er will überzeugen, unbedingt, sei es die Nasa
oder japanische Großunternehmen. Als selbst
ernannter „Spezialist für Schönheit“ beschließt er, es zunächst mit Möbeln zu versuchen. 2002 produziert Cappellini sein erstes
Werk, eine Bank, die zu schweben scheint.
Vielleicht rühren seine revolutionären De-
signs, wie der Zeppelin „Manned Cloud“, der
einer Wolke ähnelnde Sessel „Wallace“ für Poliform sowie der Schwebe-Lounge-Sessel „Ad
Hoc“ von seinem Jugendtraum her, Flugzeugbauer werden zu wollen.
Monsieur Massaud begrüßt das Nachschenken
des Kellners mit einem lächelnden „allez, allez!“, das Eis raschelt im Kühler, sein Lieblingsgericht wird serviert: ein großer Korb
mit Radieschen und grünen Blättern, so als
hätte ihn jemand, vom Markt kommend, versehentlich abgestellt. Der rastlose Franzose
hat hier offenbar gefunden, wonach er lange
gesucht hat. Inzwischen ist er nur noch zwei
oder dreimal im Monat in Paris: „Irgendwann
konnte ich in den engen Straßen nicht mehr
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Not macht erfinderisch. In manchen Dörfern
der Hügelkette von Asolo im Veneto haben die
Wirte beschlossen, den Preis für Mineralwasser anzuheben. Dieses wird leider allzu häufig
bestellt – anstelle von Prosecco. Und das, obwohl hier, in Valdobbiadene, der allerbeste
Prosecco angebaut und gekeltert wird.
Das erzählt Paolo Tormena, dessen 2007 gegründete Möbelfirma Henge in der Nähe ihren Sitz hat. Umgeben von den Weinbergen,
die mitunter so steil sind, dass die geernteten
Trauben nur zu Fuß transportiert werden können. Neben dem Weinanbau hat auch das Möbelhandwerk in dieser Region eine lange, derzeit kriselnde Tradition: „Wir haben hier so
viel savoir-faire“, schwärmt der Unternehmer.
„Unsere Tischler kommen aus Bassano, wo
früher klassische Möbel, vielleicht die schönsten der Welt, hergestellt wurden. Aber dieser
Markt existiert nicht mehr und niemand
wusste, wie man sich neu hätte erfinden können.“ Genau das aber, man darf es sagen, hat er
mit Henge geschafft.
2011 holte Tormena den Architekten und Designer Massimo Castagna als Artdirector mit
ins Boot und die Firma nahm an Fahrt auf:
„Paolo und ich sind Komplizen“, sagt er verschmitzt. Das Konzept ist kompromisslos: Nur
die besten Materialien, immer exklusiv, nur
„Made in Italy“, nur Handarbeit. Die Dritte im
Bunde ist die Architektin Isabella Genovese,
zuständig für Farben und Stoffe. Sie und Paolo
Tormena sind auch privat ein Paar.
Ale drei sind wahre Materialfetischisten. „Viele Designer starten mit der Form“, holt Massimo Castagna aus. „Wir starten mit expressiven Materialien. Ich glaube nicht, dass es eine
Firma gibt, die so recherchiert wie wir.“ Auf
haben sie zum Beispiel Mooreichenholz entdeckt, das 500 Jahre unter der Erde wuchs
und heute in ihren Beistelltischen oder
Schränken zu finden ist. Es gibt Tischplatten,
deren Oberflächen aus echtem Silber angefertigt werden. Das Material für den Bestseller in
der Marmor-Kollektion – „Cappuccino“ –
kommt aus Indien.
Bei Henge ist alles echt. Die Messingleuchten,
die wie galaktische Ufo-Silhouetten in den
Räumen zu schweben scheinen, die Marmortische, deren feine Maserungen so aussehen,
als wären sie sorgfältig von Menschenhand
gemalt, das Leder-Fauteuil, dessen weiche
THOM
N
Haut das Möbel umschlingt und nur vor der
raffinierten Beinkonstruktion haltmacht.
So reduziert die Stücke in ihrer Form sind, so
ausgeklügelt erfolgt ihre Herstellung: „Wir arbeiten sehr speziell, wie heute wohl niemand
mehr. Nur Restauratoren gehen noch so vor“,
erzählt der Artdirector stolz. Eine Leuchte der
Serie „Light Ring“ beispielsweise ist tagelang
im „Henge-Netzwerk“ unterwegs: Zuerst werden die schmalen Messingstreifen von Christian, dem Metall-Profi, mit Säure gewaschen,
dann taucht der Handwerker sie in große
Wannen mit einer Schwefel-Lösung. Je länger
sie dort verbleiben, desto dunkler färbt sich
das Messing. Doch es dunkelt auch anschließend noch nach. Deshalb braucht es höchste
Aufmerksamkeit. Auch die kleinen Tischgestelle von Henge erhalten hier ihren einzigartigen Look: „Es braucht jahrelange Erfahrung“, erklärt Christian. „Wenn es draußen
zum Beispiel kalt ist, dauert der Vorgang länger als im Sommer bei großer Hitze.“ Für andere Stücke aus der Kollektion hat Christian
eine pollocksche Methode perfektioniert, bei
der er mit den Händen Schwefel auf die metallenen Oberflächen spritzt und so individuelle Muster kreiert.
Ein paar Kilometer weiter reinigt Leuchtenhersteller Roberto, mit dem Paolo bereits in
den Kindergarten ging, die Schnittstellen der
Hula-Hoop-artigen Ringe, bringt kleine Stifte
an ihrem Innenrand an. Dann werden sie gebürstet und gebrannt und hernach die gesamte Elektrizität installiert. Rund drei Stunden
beschäftigen ihn die neun bis zehn Arbeitsschritte eines „Light Rings“. Gerade erfordert
eine Murano-Leuchte seine ganze Aufmerksamkeit. Der schlanke, transparente Korpus
mag sich einfach nicht auf die Messing-Konstruktion schieben lassen. Murano, das ist
auch so eine Quelle der Inspiration. Während
in dem venezianischen Ortsteil die Werkstätten schließen müssen, nutzt Henge die vom
Rest der Möbel-Industrie längst als obsolet
eingestuften Herstellungsprozesse, um modernste Entwürfe zu realisieren.
Natürlich muss man für diese Art von Möbeln
ein Liebhaber des Handwerks sein, aber davon gibt es immer mehr. Binnen kurzer Zeit
ist das kleine Unternehmen bei internationalen Inneneinrichtern zu einem Geheimtipp
geworden. Es gibt einen Showroom in 3
Alles Handarbeit: Ein
„Light Ring“ von Henge
wird in der LeuchtenManufaktur mit LEDs
versorgt, Aluminiumstreifen zwecks nahtloser
Reflexion verklebt, dann
erst werden die Messingringe gebrannt
35
THOM
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)
Im Uhrzeigersinn: Handgebranntes Gestell „Strip
Chair“mit extradicken
Lederstreifen. Kreativ-Duo:
Isabella Genovese und
Paolo Tormena in ihrer
riesigen Lagerhalle in Farra
di Soligo (Treviso), von der
aus die Möbel in die ganze
Welt versandt werden.
Praktisch: das Objekt oder
Regal „Tangram“aus
Messing ist erweiter- und
wieder reduzierbar. Designt
auch für Henge: Architekt
Massimo Castagna
36
3 Mailands eleganter Via della Spiga, in Los
Angeles hat gerade ein „Shop in Shop“ eröffnet, in New York City wird es ein Atelier geben, in Shanghai ist Henge ebenso gefragt wie
in Dubai. Dabei war der Anfang durchaus ruckelig: „Es gibt einen Holztisch, den Paolo entworfen hatte, bevor ich kam“, erklärt Castagna. „Er bot ihn für 3500 Euro an, doch das einschlägige Echo der Klienten lautete, dass das
ohne bekannten Namen nicht interessant sei.“
Heute stellt Henge den Tisch aus Marmor her
– für den dreifachen Preis.
Inzwischen fragt niemand mehr nach einem
großen Namensschild. Vermutlich würde
man auch damit auflaufen: „Ich hasse BlingBling“, konstatiert Firmengründer Paolo Tormena. „Mein Großvater, ein Mann der Berge,
hat noch alles selbst gemacht, Schlitten, Hocker, sogar Treppen. Er hat mir das Einmaleins des Holzes beigebracht.“ Als Paolo 14 Jahre alt war, verdonnerten ihn seine Eltern zu einem Sommer-Job. Sechs Wochen lang arbeitete er bei einem Tischler. Es machte ihm
Spaß. Dennoch entschied er sich für ein
BWL-Studium, aber seine Liebe zu alten, authentischen Möbeln und Häusern, ließ ihn
nicht los: „Die Gründung von Henge war eine
Entscheidung des Herzens“, weiß er heute.
Der Firmenname wird Englisch ausgesprochen, angelehnt an Stonehenge, dem mysteriösen Bauwerk aus England, das als architektonische Urform gilt.
Im Gespräch mit den traditionalistischen Visionären spürt man die Freude und die Leichtigkeit, die auch den Firmengründer erreicht
hat. Für den diesjährigen Salone del Mobile
hatte er ein ganz besonderes Stück entwickelt:
„Eine Bar im Spirit von Mailand der 50er-Jahre, ein monolithisches und funktionales Juwel.“ Der Artdirector träumt derweil unter anderem von einer Vasen-Kollektion, die mit einer Technik aus den 60er-Jahren hergestellt
wird, und Isabella Genovese wird die vielen
schönen Dinge planen, die man auf einen
Tisch stellen kann. Einen eigenen Prosecco, „7
Via della Spiga“, hat die Firma übrigens schon.
Er wird in Valdobbiadene eigens für Henge in
pechschwarze Flaschen gefüllt. Dafür lässt
man garantiert jedes Mineralwasser stehen.
STOFFLICH
Spannen,
ziehen,
hängen
Njusja de Gier initiiert die
künstlerischen Kooperationen
des Stoffherstellers Kvadrat –
von Ólafur Elíasson bis Raf
Simons. Sie bringt dekoratives
Material an die Grenzen
seiner ursprünglichen
Bestimmung
Mehr als Stoff – bei Kvadrat
geht es um Design
38
Ihr erster Anruf im Job galt der Architektin
und Designerin Patricia Urquiola, die für Boffi, Zegna, B&B Italia und Louis Vuitton arbeitet. „Ich war sehr nervös“, erinnert sich Njusja
de Gier, Vice President of Branding and Communication beim Stoffhersteller Kvadrat.
Doch sie merkte schnell, dass es dazu keinen
Anlass gab: „Die Kreativen in der Designwelt
lieben unsere Produkte.“ 52 verschiedene
Vorhangstoffe hat Kvadrat im Angebot, 162
Polsterstoffe, 200 verschiedene Teppichdesigns und ebenso viele Wandbespannungen.
Dazu kommen sogenannte Soft Cells zum
Lärmschutz, die unter anderem bei Entwürfen der jüngst verstorbenen Stararchitektin
Zaha Hadid zum Einsatz kamen. In den
„25hours Hotels“ findet man die Stoffe, im „Le
Méridien Zhengzhou“, im „Biohotel Werratal“, im Berliner Reichstag sowie im MoMA
New York. Seit mehr als 50 Jahren wird mit
Kvadrat-Textilien bespannt, bezogen und behängt. Alles ist „made in Denmark“. Der Standard ist somit gesetzt, die Kür erledigt dann
Njusja de Gier.
In Berlin, bei der Vorstellung der neuesten
Rollos für Kvadrat, entworfen von den Brüdern Ronan und Erwan Bouroullec, hält sie
sich dezent im Hintergrund. Aber sie strahlt
zu sehr, um vor den Produkten zu verblassen.
Es ist einer der vielen Events, den der dänische Stoffhersteller neben dem Kerngeschäft auf die Beine stellt. Einen Monat später, wieder in Berlin, werden die neuen
Stoffe präsentiert, die der belgische Designer Raf Simons entworfen hat. Kurz zu-
vor fand die Eröffnung einer von Kvadrat in
Auftrag gegebenen Installation der indischen
Künstlerin Shilpa Gupta statt, die bei der 56.
Biennale von Venedig 2015 enthüllt wurde –
und jetzt im Louisiana Museum of Modern Art
nahe Kopenhagen gezeigt wird. Zeitgleich in
der Fondazione Prada in Mailand noch eine
Installation: „To the Son of Man Who Ate the
Scroll“, hier von der polnischen Künstlerin
Goshka Macuga.
Ob das Unternehmen da aus dem Stand heraus den Überblick über all seine Aktivitäten
hat? „Um wirklich sicher zu gehen, müsste ich
auf unserer Webseite nachschauen“, sagt
Njusja de Gier und lacht. Die Antwort würde
lauten: Derzeit sind es 15 Events weltweit. Die
Netzwerkerin ist immer unterwegs und reist
stets mit leichtem Gepäck. „Die Kooperationen mit Künstlern sind völlig offen und auch
eine deutlich größere Herausforderung als
die mit Modedesignern“, erzählt sie. Als Beispiel führt sie Ólafur Elíasson an – mit dem
dänischen Künstler, der sein Atelier in Berlin
betreibt, kooperiert Kvadrat bereits zum zweiten Mal: „Es wird ein Slow-Fa, ein Objekt, dessen Name sich aus den Worten ‚slow‘ für langsam, und ‚Sofa‘ zusammensetzt“, erklärt die
Vizepräsidentin. Seit sechs Monaten arbeiten
die Kvadrat-Designer gemeinsam mit dem
Künstler an dem Stoff. Elíasson habe „sehr genaue Vorstellungen“.
Die Modemacher hingegen griffen für Projekte eher auf vorhandene Materialien zurück.
Oder sie entwerfen, wie bei der Zusammenarbeit mit Paul Smith, exklusive Wirkwaren für
den Hersteller. Mode-, Produktdesign und
Kunst, drei Disziplinen, die sich nach Ansicht
von Njusja de Gier beeinflussen und ergänzen. Aber was ist der Vorteil für die Marke?
Außer komplizierter Abstimmungsprozesse?
„In unserer Bilanz würden wir wahrscheinlich zwei bis drei Prozent besser abschließen“,
gibt sie zu, sagt aber auch, dass das Verlassen
der bekannten Pfade sich positiv auf das gesamte Angebot auswirkt: „Wir lernen viel.“
Die 43-Jährige hat in Rotterdam Marketing,
Branding und Kommunikation studiert. Sie
hat für MTV, Procter & Gamble und für eine
der größten dänischen Werbeagenturen gearbeitet. Dann wollte sie sich neu orientieren,
nach London ziehen und bekam einen Anruf
von Anders Byriel, dem Chef von Kvadrat. Der
offerierte ihr die Position, die sie heute innehält: „Freunde waren begeistert, aber ich
kannte die Firma nicht. Die Webseite fand ich
total verstaubt. Und ich dachte, mit der Ansage, dass ich nach London ziehe, hätte ich mich
charmant um ein Nein gedrückt.“ Doch Anders Byriel ließ nicht locker und bot ihr an, in
Rotterdam zu leben. Heute freut sie sich, dass
sie „freie Hand hat, wie es nur in familiengeführten Unternehmen möglich ist“.
Nun greift sie für Kooperationen zum Hörer
und spricht mit den Großen der Szene. Das
Engagement stärkt die Marke, macht sie sichtbar. Das geht fast eine Dekade so, und Njusja
ist längst bei neuen Umbauten. Zusammen
mit ihrem Partner, dem niederländischen
Produktdesigner Richard Hutten, und dem
gemeinsamen Kind wird gerade eifrig renoviert: „Bei uns ist alles Design“, lautet die klare
Ansage. Ihr Lebensgefährte hat „What Design
can do“ ins Leben gerufen, einen Thinktank,
bei dem einige der Kvadrat-Kontributoren
Vorträge gehalten haben. Hier schließen sich
die Kreise. Einer als Ring. Der hat circa einen
Karat, ist matt gefasst und wurde zur Verlobung überreicht. Persönlich entworfen von
Richard Hutten für seine Frau.
Andreas Tölke
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- are trademarks of Geox Spa
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FARBWELTEN
Alles so heiter
Weiße Wände kann jeder.
Neuen Anstrich bringt
Jungunternehmerin und
Farbexpertin Anna von
Mangoldt mit ihren
Kreideemulsionen.
Jennifer Hinz besuchte sie in
ihrem Atelier in Westfalen
Gutes Team: Anna von Mangoldt mit
Mischlingshündin Rosalie
Es ist keine Prinzessinnengeschichte. Darauf
pocht Christina von Mangoldt, wenn es um
das Unternehmen ihrer Tochter Anna geht.
Dabei könnte die Szenerie, in der „Anna von
Mangoldt Farben“ gegründet wurde, kaum
idyllischer sein. Eine breite Einfahrt führt hinauf zum opulenten Gutshaus. Dahinter grasen Pferde. Landleben in Nieheim. Es ist die
Heimat der heute 30-Jährigen. Die Inspirationsquelle für die inzwischen 168 Kreide- und
Silikatfarben. Satt und gleichzeitig pudrig.
Eben solche, die man auf den Farbfächern im
Baumarkt vergeblich sucht.
Aber genau dort gehen die Deutschen hin,
wenn ein Anstrich fällig ist. Sehen sich verschiedene Blautöne an und entscheiden sich
schließlich doch für Beige, Grau oder Pastellgelb. Man mag es dezent. Pragmatiker bleiben
gleich bei Weiß, so verlangt es der Vermieter
beim Auszug ohnehin (auch wenn das nicht
mehr vor Gericht Bestand hat). Dass es auch
anders geht, zeigt Anna von Mangoldt.
Den Blick für Farben und den Drang nach Veränderung hatte sie schon als Kind. „Ich habe
mir immer Höhlen gebaut, die ich richtig gestaltet habe“, erinnert sie sich. „Mit sechs Jahren durfte ich mir endlich ein kleines Atelier
im Keller einrichten.“ Hier entstanden Möbel,
und weiße Wände gehörten fortan der Vergangenheit an. Unterstützung erhielt sie von
ihrer Mutter: „Einmal haben wir in einem
englischen Einrichtungsbuch eine orangetürkisfarbene Küche gesehen. Davon inspiriert, haben wir unsere Küche genauso gestrichen. Die meisten fanden es schrecklich. Wir
fanden’s toll.“
Bis heute sind die beiden ein Team. Die eine
spezialisiert auf Farben, die andere auf Inneneinrichtung. Nach ihrer Schulzeit auf Schloss
Salem studierte Anna Geschichte und Kunstgeschichte an der University of Warwick in
England und machte anschließend ein Praktikum bei Annie Sloan, einer Koryphäe auf dem
Gebiet der farbigen Einrichtung. Den Heimweg trat sie mit einer Geschäftsidee im Gepäck an: Auch Deutschland könnte ein Anstrich à la Sloan gut stehen. „Ich habe absurd
große Mengen Farbe gekauft“, sagt sie rückblickend. Zumal sie bald feststellen musste,
dass englische Farben eben doch am besten in
England funktionieren. Zu graustichig, zu gewagt seien die Klassiker. „Das Licht ist hier
ein ganz anderes, viel dunkler.“ Doch die
pudrige, tiefe Optik hatte es der jungen
Frau angetan.
Auch wenn Marken wie Sanderson
oder Paint and Paper Library und besonders die britischen Klassiker
Farrow & Ball (gegründet 1946)
und auch Little Greene (1771)
längst nicht mehr als Geheim-
tipp in Deutschland gelten, F & B betreibt inzwischen eigene Geschäfte, gab es etwas Vergleichbares „made in Germany“ nicht.
Und Anna von Mangoldt wollte lieber selbst
mischen. Setzte dabei auf einen hohen Anteil
an Pigmenten und eine hochwertige Basis mit
so wenig wie möglich an Konservierungsstoffen. Wer eine ihrer Farbdosen öffnet, dem
schlägt keine Chemiekeule entgegen, sondern
ein leichter Duft, der schnell verfliegt. Die angebotenen Lacke sind so schadstoffarm, dass
Kinderspielzeug mit ihnen bemalt werden
kann. Zusammen mit ihrer Mutter berät sie
heute Kunden daheim oder in Kursen bei
Farbwahl und passender Einrichtung. Der
persönliche Preis für die Karriere war hoch.
Die Jungunternehmerin war verheiratet, lebte mit ihrem Mann, einem Investmentbanker,
in Frankfurt. Das Unternehmen florierte, die
Ehe scheiterte.
Also richtete sie 2010 ihr Atelier auf dem Gut
der Familie ein. Selbstständig zu sein, das bedeutet:s „früher aufstehen und länger wach
bleiben“. Gerade ist ihre neue Kollektion als
Ergänzung zur bisherigen Palette erschienen,
ersetzt wurden ein paar Erd- und Terrakottatöne. „Die gingen nicht so gut.“ Zwei Jahre hat
sie an den zwölf Neuzugängen getüftelt.
Manchmal war sie schon nach einem Tag mit
dem Ergebnis zufrieden, an anderen Tönen
feilte sie über Monate. Mischen, vergleichen –
nein, nicht ganz – wieder von vorn. Scheint
ihr die Kreation perfekt, bestellt sie einen Liter bei ihrem Farbenmischer. Ein großer Anstrich als letzte Probe muss her. Denn, auch
das kennt der Renovierer aus dem Baumarkt,
was auf einem Schnipsel gut wirkt, kann sich
auf einer kompletten Wand ganz anders darstellen. Kunden leiht sie daher große Bögen
bemalter Tapete aus. „Das hat den Vorteil, dass
man sie überall im Raum aufhängen und beobachten kann, wie der Anstrich bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen wirkt.“ Kleine Farbkarten dienen nur als erste Orientierung. Auch die sind handgemalt. Eine Arbeit,
die die Unternehmerin früher selbst erledigt
hat und nun Ghassan und Thaar überlässt. Die
beiden Männer sind Flüchtlinge aus Syrien
und dem Irak. Mutter Christina lernte sie bei
einem Deutsch-Sprachkurs kennen, den sie
im Flüchtlingsheim Nieheim gab.
Kürzlich feierte man die Einweihung des neuen Showrooms. Immer noch auf dem Hof,
aber eben nicht mehr in Annas Wohnung, an
deren Haustür Kunden auch gern mal spontan
an einem Samstag klopften. Aquatöne an den
Wänden, die mögen die Gestalterinnen am
liebsten. Es sieht nach Arbeit aus. Viele Stoffrollen, Muster und Kataloge über einen großen Tisch verteilt und an der Wand Collagen
eines aktuellen Auftrags: Ein Ehepaar ist sich
bei der Gestaltung zweier Zimmer uneins. Sie
mag Beige, er lieber Blau. Am Ende wird
Christina von Mangoldt ein Konzept aus Stoffen und Wandfarben präsentieren, bei dem sie
die Wünsche beider Ehepartner beherzigt
und doch alles wie aus einem Guss wirkt. Die
Einrichterin ist dennoch nervös vor jeder Abnahme – völlig unbegründet, wie sich stets herausstellt. Wer Lampenfieber hat, ist eben mit
dem Herzen dabei.
Alle Farben gibt’s auch im Online-Shop über
annavonmangoldt.com
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FOTOGRAFIN: VANESSA MAAS
STYLING: JENNIFER HAHN
HAARE & MAKE-UP: MANUELA DEGELMANN C/ O
NORDISH REPUBLIC MIT PRODUKTEN VON LAURA
MERCIER; STYLING-ASSISTENZ: MAREEN BAYER
POST PRODUCTION: JANINE HAHN
Location: Hôtel du Cloître in Arles, hotelducloitre.com
Besonderen Dank an Leslie c/o Maison d’Arles und Julia, Elodie und Andrea
42
( Team im Hôtel du Cloître) und India Mahdavi für ihre inspirierenden Designs
Seidenhose mit weitem Bein: Hermès.
Platform-Sandalen: Ralph Lauren.
Marie Bäumer steht auf den
„Clay“-Stühlen von Maarten Baas
Bluse aus
bedrucktem Crêpe
de Chine: Stella
McCartney.
Ausgestellte Hose:
Victoria, Victoria
Beckham.
Schuhe: Jil Sander.
Tasche aus rotem
Lackleder:
„Diorama“ von
Christian Dior
Bluse mit Makramee-Streifen: Paul Smith. Hose mit Zweigen in Metallic: Dries Van
Noten. Ringe: Vieri. Tasche: Louis Vuitton. Darunter: Tasche von Salvatore Ferragamo
Mantel mit Blütenapplikation von Gucci
45
Dunkelblauer Mantel:
Paul Smith.
Rote Jacke
darunter: Kiton.
Hose mit weitem Bein:
Alexander McQueen.
Schuhe mit flachem
Absatz: Jil Sander.
Tiara mit roten
Zacken: Miu Miu.
Tasche: Prada. Im
Hintergrund: Wandkunst von Loris
Cecchini
Marie im Mantel mit
schwarzem Lederkragen
von Miu Miu und Armreif mit Rauchquarzen
von Saskia Diez
Oberteil: Marni. Seidenhose:
Chanel. Plateau-Sandalen:
Versace. Vergoldete Ohrringe
mit Horn und Harz, vergoldetes Armband mit Horn
am rechten Arm, vergoldete
Armspange mit Harz- und
Horndetails am linken Arm.
Alles von Marni. Waschbecken
und Hocker wurden von India
Mahdavi entworfen
Marie im Hemdblusenkleid aus Seide mit Gürtel von Hermès. Schwarze PlexiClutch: Giorgio Armani. Schnürstiefel mit Strass: Miu Miu. Ring: Susa Beck
Die Fotografin Vanessa Maas und ich kennen uns schon seit
vielen Jahren. Wir haben einen besonderen Draht zueinander. Ich mochte ihre Arbeit schon immer, und ich war
im Jahr 2009 die erste Person, mit der sie ein „Menschenshooting“ gemacht hat – auch für ICON. Damals haben wir
uns an einem nieseligen, diesigen Tag zu zweit in einer
Hamburger Wohnung eingeschlossen und einfach losgelegt. Es war sehr konzentriert und intim und fühlte sich an
wie außerhalb von Zeit und Raum. Das Resultat war geradezu cineastisch. Auch wenn wir heute in größeren Teams
arbeiten, ist die Vertrautheit zwischen uns geblieben. Ich
bin kein Model, sondern Schauspielerin, was eine völlig
andere Voraussetzung ist. Deshalb erfinden Vanessa und
ich gern Geschichten um das Thema herum.
Da es diesmal schnell gehen musste und ich seit zehn Jahren in Südfrankreich lebe, war es naheliegend die Aufnahmen bei mir quasi vor der Haustür zu machen und die
Sinnlichkeit der Gegend zu nutzen: Arles ist eine lebendige
Stadt, in der man schon die Einflüsse Spaniens spürt.
Schon zur Zeit van Goghs haben sich viele Künstler in der
Stadt aufgehalten, es gibt zahlreiche alte Klöster und das
Leben dort ist angenehm unprätentiös.
Mit dem „Hôtel du Cloître“ hatten wir zudem eine Location, die das Thema des Shootings optisch potenziert. Gerade zum Ende des Winters sehne ich mich nach Farben. Es
kann dann gar nicht bunt genug sein – am liebsten würde
ich jegliches Schwarz und Grau für immer verbannen.
Auch die 70er-Jahre haben es mir, ästhetisch gesehen,
schon immer angetan. Schlaghosen, weite Spitzenblusen
und lange Westen gehören zu meinen Lieblingsstücken.
Inspiriert bin ich danach gleich zu meiner Schneiderin gefahren. Sie ist eine tolle Frau, die einerseits fantastische
Stoffe wie zum Beispiel feinste bedruckte italienische Seide anbietet und dann auch noch nach Entwürfen nähen
kann. Mir gefiel die lange Tunika mit dem Jackett besonders gut, und etwas Ähnliches würde ich mir jetzt gern von
ihr nähen lassen. Ich mag den bunten Mix im Kleiderschrank – nicht nur, was die Farben angeht, sondern auch
die Mischung aus gekauften Stücken und solchen, die eine
eigene, persönlichere Entstehungsgeschichte haben.
Aufgezeichnet von Heike Blümner
Vom 25.–29. April, jeweils um 19.30 Uhr, läuft auf Arte die Dokumentation „Zwei im Wilden Westen“. Darin reitet Marie
Bäumer mit einem Mountaineer innerhalb von sechs Wochen
von Arizona nach Montana. Am 25. April um 20.15 Uhr bringt
das ZDF zudem den Film „Brief an mein Leben“, in dem Marie
Bäumer die Hauptrolle spielt.
Leuchten von PSLab für India Mahdavi
49
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geht, gibt es wohl
keinen interessanteren Gesprächspartner als Shubhankar Ray. Der
studierte Chemiker ist der Global
Brand
Director
von G-Star und gilt in der Modebranche als
Marketinggenie. Nicht wenige große Marken
hat er neu positioniert – ein Gespräch über
Image, Umweltschutz und Widersprüche.
W
Herr Ray, ist es ein Fluch oder ein Segen, wenn
man im Vergleich zu Jeans-Marken wie Levi’s,
Wrangler oder Lee im Wesentlichen keine Vergangenheit hat? G-Star gibt es ja erst seit 1989.
Ich sehe es als Vorteil. Kein Erbe zu haben, bedeutet keine Grenzen zu kennen. Wir lassen
uns nicht davon beeinträchtigen, dass wir auf
kein eigenes Archiv zurückgreifen können.
Das bedeutet aber nicht, dass wir VintageKleider nicht schätzen. Im Gegenteil: Viele
Details unserer Entwürfe sind alten Militärund Arbeiterkleidern entliehen.
Wovon ist „Elwood“ inspiriert?
Von einer Motorradhose. Den gewissen 3-DEffekt vom Knie abwärts, der an ausgebeulte
Lederhosen erinnert, wurde durch Abnäher
erzielt. So entstand eine neue, o-beinige Silhouette. Doch Silhouetten, das wissen wir, ändern sich in der Mode nur sehr langsam.
Die „Elwood“ kam zunächst nicht gut an?
Niemand wollte sie haben. Mitte der 90erJahre war das Geschäft dominiert von den
eingangs erwähnten Marken. Sie machten Hosen im klassischen Five-Pocket-Style. Produkte, die sich seit den 1850er-Jahren kaum geändert hatten. Und jeder, der sich in diesem
Markt etablieren wollte, etwa Diesel, Tommy
Hilfiger oder Calvin Klein, machte eine moderne Version davon. Die „Elwood“ war da eine radikale Änderung.
Anders ist auch die Art und Weise Denim zu behandeln – nämlich oft gar nicht.
Raw-Denim gefällt uns ästhetisch sehr. Er ist
ganz nebenbei auch die umweltfreundlichste
Variante, da er nicht gewaschen wird. Leute
tendieren ohnehin dazu, ihre Jeans viel zu
häufig zu waschen. Früher wurden die Hosen
von Arbeitern nur an die Luft gehängt, das
war’s. Mit der Zeit hinterlässt man auf diese
Weise Spuren im Indigo. Wie ein Fossil. Dadurch wird die Hose einmalig. Und zu einem
Produkt, das sämtliche Grenzen überwindet:
Alter, Geschlecht, Nationalität, Klasse, Geschmack. Genau wie auch Turnschuhe es tun.
Beide sind demokratisch und gleichzeitig
sehr individuell durch die Art und Weise, wie
sie getragen werden. Der eigene Charakter
kann sich in ihnen offenbaren. Das verleiht
den Produkten eine emotionale Kraft – fast
wie Kunst. In der Mode ist das selten.
Nach wie vor selten sind auch Unisexprodukte.
Und das, obwohl Unisex in Zeiten von Gender-Debatten die Zukunft ist. Die Jeans ist ein
Produkt, das für alle funktioniert: Für Weiße,
Schwarze, Frauen, Männer, Homo- und Heterosexuelle. Es liegt daran, dass sie von Technikern und Ingenieuren in einer Fabrik, nicht
von Designern in einem Atelier entwickelt
und nie als Trend vorgegeben wurde. Jeder
kann sich an ihr bedienen. Denim ist also von
Natur aus bereits ein Unisexprodukt.
Auch der Markt demokratisiert sich, oder?
Wenn Marken im 21. Jahrhundert überleben
wollen, brauchen sie Bedeutung und Eigendynamik. Marketing und Image werden immer
wichtiger. Heute ist es egal, ob man eine
Jeansmarke ist oder für die Präsidentschaft
der Vereinigten Staaten kandidiert – alles
braucht die richtige Kampagne. Die Art der
Kommunikation hat sich aber verändert.
Markt und Medien sind zersplittert, man muss
sich an vielen Kanälen beteiligen. Früher wurde allein von Magazinen vorgegeben, was Mode ist. Heute gibt es Blogs, Instagram, YouTu-
be. Der Konsument hat mittlerweile mehr
Macht und beginnt Dinge einzufordern.
Zum Beispiel mehr Nachhaltigkeit?
Seit 2008 befassen wir uns – wie viele andere
Marken auch – mit diesem Thema. Weil aber
eben nicht alle einfach auf Biobaumwolle umschwenken können, sie ist nun mal sehr begrenzt, experimentierten wir auch mit anderen Materialien. 2012 trafen wir auf Pharrell
Williams und seinen Bionic Yarn, der aus recyceltem Meeresmüll hergestellt wird. Seit wir
ihn in unsere Kollektionen integriert haben,
konnten wir zwei Millionen PET-Flaschen verarbeiten und gleichzeitig unsere Abhängigkeit
von Baumwolle reduzieren.
Und Sie konnten Umweltschutz plötzlich attraktiv aussehen lassen.
Nachhaltigkeit ist oft mit schlechtem Gewissen
verbunden. Das macht keinen Spaß. Man muss
es anders angehen: Sie muss erstrebenswert,
reizvoll, sexy sein. Und bitte ohne jeglichen
Hippie-Appeal. Pharrell ist ein gutes Signal dafür. Dabei ist er aber eben nicht bloß ein Posterboy, ein gekaufter Celebrity. Er ist seit Februar sogar Miteigentümer von G-Star, engagiert sich im und für das Unternehmen.
Gleichzeitig lebt er aber auch einen ausschweifenden Lebensstil, betreibt die eigene Modelinie
„Billionaire Boys Club“. Kollidiert das nicht mit
dem Dasein eines Umweltaktivisten?
F. Scott Fitzgerald hat einmal gesagt: „Widersprüche sind ein Zeichen von hoher Intelligenz.“ Denn das Individuum sei in der Lage,
zwei gegensätzliche Ideen gleichzeitig festzuhalten und sich dabei die Fähigkeit zu bewahren, weiter zu funktionieren. Ich gebe ihm
recht. Heute mehr denn je. Wir leben in einer
Welt voller Widersprüche. Es war also wichtig,
gerade jemanden aus der Hip-Hop-Welt zu begeistern, der durchaus auch seinen Bling mag.
Er ist unser Katalysator. Nur so schafft man es,
dass Menschen ihre Meinungen ändern und
vielleicht auch irgendwann mal ihr Verhalten.
50
G-STAR; ILLUSTRATION: MARIA CHRISTINA AGERKOP
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JEDEN MOMENT
ZU MEINEM MACHEN.
MÖBEL NEWS
Spacig: „Lichtbälle“ aus
„gepiercten“
Stahlblechen
von Tom Dixon
Schwungvolle
Silhouette: Stuhl
von Caroline
Eriksson
Warm und kalt
im Hier und Jetzt
Hinsetzen und staunen – geht mit diesen
Yellow Submarine: Stahlblech-Regal
von Olaf
Riedel
neuen Möbeltrends ganz bequem. Auf dem
Salone del Mobile in Mailand hat
Esther Strerath schon mal Probe gesessen
Two in one: Lampentisch von co.arch
Nicht Aquarium,
sondern Sideboard: „Aquário“
von den Campana-Brüdern für BD
Barcelona
Stuhl aus der „Boring Collection“ von Lensvelt,
gemeinsam mit Space Encounters entwickelt
Erinnert an einen modernen Ring, ist
aber ein Tisch von Kristalia
Gold-und-Puschel-Lehne:
Zierlicher Stuhl von Opinion Ciatti
Welcome back! Designer Bertjan Pot hat
dem legendären „Utrecht“-Stuhl für
Cassina ein neues Kleid verpasst
52
Zum „Dahinter-Entkleiden“: Raumteiler
„Moralia“ von Dante Goods and Bads
N
ew, Now, Here!“ betitelt der niederländische Designer Maarten Baas
seine Ausstellung im Bezirk Tortona, einem der Stadtteile außerhalb
des Mailänder Messegeländes Rho.
Dort ging kürzlich der 55. Salone del
Mobile zu Ende. Aber das Motto
trifft ebenso gut auf das gesamte
Event zu, das die ganze Stadt mit einem Meer von Möbeln flutete. Egal, ob Jungdesigner oder etablierte Möbelfirma, das Entdecken neuer Herstellungsprozesse
und Materialien steht für viele auf dem „Planet Design“ im Vordergrund, oft mehr als eine aufsehenerregende Form. So gelang Patricia Urquiola (für Molteni) dank 3-D-Printer-Technik ein Tischfuß aus
sechs gleichförmig gebogenen „Holz-Blättern“. Das
Studio Mieke Meijer setzte den sonst unscheinbaren Polyesterstoff „Triplex“ ins Spotlight – bei seinem Schrankentwurf „Airframe“, der an die
Struktur von Flugzeugen von anno dazumal anSchön verformt:
gelehnt ist (wiegt nur 18,5 Kilogramm).
Vase aus
Zwölf Stunden hatte der Designer Massimo
einer Serie von
Cappella für seinen „Racing Bar Stool“ benöMasha Bakker
tigt – „ein persönliches Projekt, um mich
selbst herauszufordern“, sagte der Italiener
dazu. Andere Exponate beruhen dagegen
auf jahrelangen Entstehungsprozessen. Etwa das außergewöhnliche Sideboard, das
die brasilianischen Brüder Humberto und
Fernando Campana auf dem Stand der
Firma BD Barcelona vorstellten. „Wir
sind schon seit einigen Jahren mit BD
Barcelona in Kontakt. Wir haben Ideen
diskutiert, die gereift sind und in unserem Buffet resultieren.“ Die InspiratiDrei sind keiner zu viel: Neues
on war ein Aquarium. Die Produktion
Hocker-Pouf-Beistelltisch-Set
ist geknüpft an die Liebe zum Mix unvon Poltrona Frau
terschiedlicher Materialien – kalt
(Glas) und warm (Holz).
„Hybride“, sind angesagt, Möbel, die
mehr als nur eine Funktion erfüllen, ein Tisch mit Leuchte beispielsweise. Die Bürogestaltung
mischt der Niederländer Hans
Lensvelt mit seiner „Boring Collection“ auf: Die Stücke wollen
Goldstück:
überhaupt keine AufmerksamAluminiumkeit erzielen. Bis ins letzte DeHocker von
tail sind sie in bescheidenem,
Studio Joris
weichem Grau gehalten, und
De Groot
alle Formen sind geradeheraus und diskret. Das einzige Ziel: Die Aufmerksamkeit auf Dinge lenken, die
wirklich wichtig sind:
„Denn es geht nicht um
Möbel.“ Nicht?
Schwungvoll: Schaukel aus
Kunststoff von Philippe Starck
für Kartells neue Kids-Collection
Gewitzte
Lampe mit
Behälter von
Jorge Najera
Fast ein Sofa:
„Between“ von
Sara Polmar
Seinen „Racing Bar Stool“
fertigte Massimo Cappella
in zwölf Stunden
Relaunch:
Der „CH22“
wird wieder
produziert,
allerdings
von Carl
Hansen
Lückenhaft: Schreibtisch „Contorno
No 9“ von Jolanda van Goor
Zugreifen: Türgriffe wie Korallen
von NJ Interiors
Für lange Ausritte: Schaukelpferd von Front
für Gebrüder
Thonet Vienna
Borstige Bank im Tausendfüßer-Design von Riva 1920
Gewagt gebogen:
Esstischfuß
„Asterias“ von
Patricia Urquiola
für Molteni
Swarovski für den Tisch:
Schmucke Schalen aus der
Serie „Raw Edges“
Famoses Trio:
Lautsprecher,
Schale und
Leuchte von
Designstudio
Aklih
Gebrannte Asche:
Tomas Maier für
Bottega Veneta
Feder- leicht:
Kleiderschrank
von Studio
Mieke Meijer
für Baars &
Bloemhoff
Bett oder Sofa? Wie man mag. „Gio“ ist
aus Teakholz und für draußen geeignet.
Von Antonio Citterio für B&B Italia
Goldene
Gitter: Outdoor-Stuhl
„Lyze“ von
Florent Coirier
für Emu
Schräger Spiegel
von Piet Boon
53
DESIGN-LABELS TO WATCH
DIESE (NOCH) KLEINEN NAMEN HABEN GROSSE IDEEN
SCHNEID STUDIO
Memphis und Hansestadt: Julia Mülling und
Niklas Jessen haben sich in Lübeck niedergelassen, wo sie seit 2012 ihre Kollektion unter
dem Namen Schneid entwickeln, in der Region produzieren und selbst vertreiben. Leuchten (links im Bild: „Eikon“ aus Holz und Metall) sind ein Schwerpunkt des Kreativduos,
dessen Stil man mit „ein bisschen Memphis,
ein bisschen Bauhaus, viel Skandinavien“ beschreiben könnte. Die Stadt im Norden haben
sie bewusst als Standort gewählt: die Nähe
zum Meer, zur Natur und die Ruhe, die sie dort
erfahren, sind die Basis ihrer Entwürfe.
schneid.org
Formvollendet: Manuel Goller und Sebastian Schönheit wollen mit ihrer Marke die Prinzipien der Moderne in zeitgenössische Gebrauchsgegenstände übertragen. Ihre Produkte, die in Deutschland hergestellt
werden, verbinden konzeptuelles Design und eine
cleane Ästhetik. Dafür arbeiten sie mit Designern und
Architekten wie Clemens Tissi zusammen, der auch
den Armlehnstuhl „Throne“ entworfen hat. Der Stuhl
aus pulverbeschichtetem Aluminium ist mehr Skulptur als bequemes Sitzmöbel. Dafür kann er auch als
Beistelltisch genutzt werden. newtendency.de
La Chance
54
MULLER VAN SEVEREN
Kunstvoll: Eigentlich sind Fien Muller und
Hannes van Severen Künstler. Sie arrangiert und fotografiert abstrakte Stillleben,
er ist Bildhauer. Was im Mai 2011 als spontanes Experiment begann, ist inzwischen
zu einer veritablen Möbelkollektion angewachsen. Die Entwürfe des jungen belgischen Paares vereinen die individuellen
Stärken der beiden: ihr Gespür für Farbe,
seinen Sinn für Absurdes. Ihr gemeinsames Möbelprojekt bewegt sich zwischen Design und Kunst, benutzbarem
Objekt und Skulptur: Die filigranen, farbstarken Entwürfe leugnen nicht ihre Verwandtschaft zu den Arbeiten von Donald
Judd und Sol Lewitt – gewürzt mit einer
Prise Humor. mullervanseveren.be
ZUSAMMENGESTELLT VON ANNEMARIE BALLSCHMITER SOWIE SARA KRÜGER (ICONIST.DE)
Auf dem Holzweg: Die Liebe zu Holz wurde den Geschwistern Nicola und Oliver
Stattmann quasi in die Wiege gelegt, sind
sie doch die vierte Generation einer Familie von Tischlern und Zimmerern. 2012
haben sie Stattmann Neue Möbel ins Leben
gerufen. Alle Möbel der kleinen Kollektion,
wie etwa der Tisch und die Bank „Profile“
von Sylvain Willenz, werden im familieneigenen Betrieb in Westfalen gefertigt. Was
jedoch alle Stattmann-Entwürfe gemeinsam haben? Ihre intelligente Konstruktion
und ihre klare, schlichte Anmutung. So hat
der Münchner Designer Steffen Kehrle
daraus ein Regal entwickelt, das ganz ohne
Leim und Schrauben auskommt.
stattmann-neuemoebel.de
NEW TENDENCY
Très français – und mehr: Das junge Designlabel La
Chance aus Paris, gegründet von Jean-Baptiste Souletie und Louise Breguet, er ehemaliger Banker, sie Architektin, arbeitet vor allem mit französischen Designern zusammen. Es setzt auf edle Materialien und eine
zeitgenössische Interpretation eines dekorativen ornamentalen Stils. Bestes Beispiel: das Baumsofa „Borghese“ von Noé Duchaufour-Lawrance, inspiriert von
den Pinien im Park der Villa Borghese in
Rom. lachance.fr
Stattmann
Neue Möbel
hoerger.de
Katalog und Händler unter www.next125.de
Küchen made in Germany – next125.
Ausgezeichnetes, internationales Design. Nachhaltig produziert.
Und das zu einem überraschend angenehmen Preis.
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EINHEIMISCHER. UNSERE
KOLUMNISTIN IRMA HAT SICH IN
MAILAND UMGESEHEN
Rossana Orlandi
Die gleichnamige Besitzerin führt das
Möbelgeschäft samt Galerie schon seit
vielen Jahren, aber immer wieder überrascht Rossana Orlandi mit neuen Installationen und Themen. Eine Galerie,
die ebenso bekannt für ihre exzentrische
Besitzerin, wie für ihren eklektischen
Geschmack ist. Insbesondere zur Zeit
des Salone ein Treffpunkt der DesignSzene. Via Matteo Bandello 14/16, 20123
Milano, Tel.: +39024674471;
rossanaorlandi.com
Mercatino Penelope
Eine sehr schöne Auswahl an modernen
Antiquitäten, von Mid-Century bis zu
Memphis, zu verhältnismäßig fairen
Preisen. Das besondere: Je länger ein
Stück im Laden steht, desto mehr fällt
der Preis. Nach vier Monaten kostet es
nur noch die Hälfte. Via M. Melloni 6,
20129 Milano, Tel.: +3902396.805.88;
mercatinopenelope.it
Funky Table
Geschirr und Besteck aus aller Welt. Von
Afrika bis Portugal, von Argentinien bis
Puglia, von England bis China. Alles für
den gedeckten Tisch. Vieles, von dem
man gar nicht wusste, dass man es
braucht. Via Santa Marta 19, 20123 Milano,
Tel. +39 02 36748619, funkytable.it
Tischkultur: Bei „Funky Table“ gibt’s
Geschirr aus aller Herren Länder
56
Cavalli e Nastri
Der berühmteste Vintage-Laden Mailands. Ungewöhnliche Auswahl an schönen Stücken von Hermès, Chanel, YSL.
Alles in ausgesucht gutem Zustand. Der
Laden hat auch ein kleines Online-Museum, in dem sich Designer immer wieder Inspiration holen. Via Brera 2, 20121
Milano, Tel.: +39 02 72000 449;
cavallienastri.com
Spazio900
Auch hier haben sich die Inhaber auf das
Design der 50er- bis 80er-Jahre spezialisiert. Die Möbel werden in einem großen Gebäude wie in einer Dauerausstellung präsentiert. Inzwischen gibt es
auch einen großen Online-Shop. Viale
Campania 51, 20133 Milano, Tel.: +39 02
70125737, spazio900.com
Excelsior Milano
Für das moderne Kaufhaus mit Boutiquen wurde ein siebenstöckiges ehemaliges Kino von den Star-Architekten
Jean Nouvel und Vincenzo De Cotiis
umgewandelt. Video-Installationen, die
sich über die sieben Etagen erstrecken,
inszenieren geschickt eine Reise durch
die Welt der Mode, des Hightech und des
guten Essens. Marken wie Etro, Lorenzo
Villoresi, Aveda, Azagury und Tiffany &
Co. sind ebenso vertreten wie Bars und
Restaurants sowie die Mailänder Dependance der Pariser Pâtisserie Ladurée.
Galleria del Corso, 4, 20122 Milano, Tel.: +39
02 7630 7301; excelsiormilano.com
Peck
Die weltberühmte Delikatessen-Institution erfüllt seit über 130 Jahren auf
drei Etagen jeden kulinarischen Wunsch
und bietet eines der größten Sortimente
an Käse, Schinken und Wein Italiens. Es
gibt auch ein eigenes Restaurant sowie
ein Café im selben Gebäude. Besonders
schön sind auch die Pasta- und Lebensmittel-Verpackungen in typisch italienischem Stil. Via Spadari, 9, 20123 Milano,
Tel.: +39 02 802 3161; peck.it
Trattoria „Milanese“
Unkomplizierte traditionelle Mailänder
Trattoria. Das Ossobuco mit Risotto
Milanese ist besonders zu empfehlen.
Normalerweise hat eine Mailänder Trattoria meist wenig Tageslicht, dafür aber
einen kalten Steinboden und oftmals
geklöppelte Gardinen vor den Fenstern.
Auf Beutezug:
Irma weiß, wo es
sich in Mailand
lohnt vorbeizuschauen
Ein schöner Kontrast, wenn man vorher
in Design geschwelgt hat.
Via Santa Marta 11, 20123 Milano,
Tel: + 390286451991
Osteria La Risacca 6
Es gibt in Mailand mehrere RisaccaRestaurants, aber Risacca 6 gilt als das
beste. Spezialisiert auf Seafood und
Fisch. Man fühlt sich direkt ans Meer
versetzt – das Ambiente ist italienisch
maritim. Via Marcona, 6, 20129 Milano,
Tel.: +39 02 55181658; larisacca6.it
Ceresio 7
Das glamouröse Restaurant der beiden
Modedesigner Dean und Dan Caten von
Dsquared ist im Stil der 60er- Jahre
eingerichtet. Viele Details möchte man
gleich in den eigenen vier Wänden umsetzen und der Blick über Mailand und
Umgebung ist einmalig. Im Sommer
diniert man am Penthouse Pool und
genießt die grandiose Aussicht. Via Ceresio 7, 20154 Mailand; Tel.: +39 02 3103 9221;
ceresio7.com
Pasticceria – Confetteria „Cova“
Der Klassiker unter den Mailänder Cafés
im goldenen Dreieck.: kleine Panini an
der Bar und ein Espresso im Stehen. Die
schönen Verpackungen der Pralinen und
Schokoladen bieten sich wunderbar zum
Verschenken an und der kleine Tea
Room ist perfekt zum Lunch. Via Montenapoleone 8, 20121 Milano, Tel.
+390276000578; pasticceriacova.it
IRMASWORLD
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atürlich findet sich
immer einen Grund,
im Frühling nach
Mailand zu fahren,
aber der alljährliche
Salone del Mobile ist
sicherlich ein besonders überzeugender, denn Mailand
steht für Design und die schönen Dinge.
Ob Restaurants, Delikatessengeschäft
oder Vintage-Shop, die Vorliebe für
gutes Design und guten Geschmack sind
allgegenwärtig. Irmas Auswahl der
schönsten Geschäfte und Restaurants,
denen man, jederzeit, einen Besuch
abstatten sollte:
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er Mann, der mit Streifen weltberühmt wurde, erscheint in Karos.
Sir Paul Smith hat es eilig, er wird in der Vergangenheit erwartet.
Anlässlich des Umzugs
und der Wiedereröffnung des Londoner Concept Stores „Dover
Street Market“ holt sie ihn ein, und zwar im
Untergeschoss. Dort hat der britische Designer die allererste Station seiner Mode-Karriere aufgebaut: den Store aus seinem Heimatort
Nottingham in Originalmaßstab. Während auf
den oberen drei Etagen sich Labels von Céline
über Gucci bis Raf Simons und Molly Goddard
in kühnen Raumkonzepten präsentieren, begnügt sich Smith mit drei Mal drei Metern
und ein paar Holzregalen.
Auf dem Boden steht ein Korb mit kunterbunten Radrennfahrer-Schirmmützen, gegenüber hängen Herrenanzüge in leuchtendem
Orange, Grün und Blau. Bücher gibt es hier,
Socken und auch Spielzeug-Comicfiguren.
Von der Mitte, auf dem kleinen Teppich stehend, ist fast alles in dieser Mini-Boutique in
Armlänge greifbar: „Genauso war mein erster
Shop“, bestätigt Sir Paul. „Die Umkleide war
nur ein schmaler Vorsprung zu einem modrigen Keller mit Vorhang, sehr gefährlich“, sagt
der 69-Jährige und tut verschmitzt, als würde
er stürzen. „Der Shop war eklektisch, mit Dingen, die Spaß machten, mit Objekten, Postern,
Magazinen und Schallplatten.“
Und natürlich mit Mode. Die entwarf der
schlaksige Brite damals im Jahr 1970 bei „Paul
Smith Vêtement Pour Homme“ in der 10 Byard Lane noch gar nicht selbst: „Ich startete
mit Teilen, die nie radikal, aber immer ein wenig anders waren. Klassischer Tweed in Gelb
oder Lila zum Beispiel, oder mit interessanten
Futterstoffen“, erinnert er sich. Er selbst trug
damals hauptsächlich Levi’s und schwarze
Kaschmir-Polos – „sehr bohemian“. Zu dieser
Zeit war er, der Sohn eines Schneiders, der eigentlich Radrennfahrer werden wollte, bereits sechs Jahre lang „shop assistant“ bei einem Herrenausstatter gewesen.
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Dann kam Homer. Der junge Paul Smith hatte
sich schon immer einen afghanischen Windhund gewünscht. Seine Ehefrau Pauline ermutigte ihn, ein eigenes Geschäft zu eröffnen,
und ihr Afghane Homer war Smiths „erster
Manager“, denn jeder, der den Laden betrat,
begrüßte stets den Hund zuerst und nicht den
Ladeninhaber: „Außerdem sahen wir genau
gleich aus, große Nase, lange Haare“, erinnert
sich Smith und lacht.
Heute im „Dover Street Market“ kann der Designer sich keinen Meter fortbewegen, ohne
angesprochen zu werden: Von Stephen Jones,
dem Hutmacher, von der Journalistin Suzy
Menkes oder von einem jungen Mann mit
Mütze und Tattoos, den er mit einem vorgetäuschten „Autsch“ erschreckt, als dieser gerade aus dem Fahrstuhl steigt. Der Mann ist ein
begnadeter Entertainer, er übersieht niemanden, hat stets ein nettes Wort parat, und ihn
zeichnet die Gabe aus, fast jeden mit einem
Lächeln zurückzulassen. Vielleicht waren diese Fähigkeiten das Geheimnis seines Debüts.
Außerdem hatte er schon damals Passion, besuchte Abendkurse, war fasziniert von der
Handarbeit und wurde immer neugieriger:
„Irgendwann realisierte ich, dass die Kleidungsstücke, die ich anbot, nicht wirklich das
waren, was die Bewohner dort, in der Provinz,
suchten. Der Shop war einzigartig, aber zu
speziell, um davon leben zu können. Deswegen sitze ich heute hier. Hätte ich Kompromisse gemacht, wäre es bei einem netten Provinzladen geblieben.“
Heute verkauft „Paul Smith“ in 66 Ländern,
hat 17 Geschäfte in England, davon nunmehr
elf in London, und auch einen in Hamburg
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und 1000 Mitarbeiter. Rebellisch, das gibt er
gern zu, sei er nie gewesen. Aber er war auch
niemand, der dem großen Modestrom erlag.
Er freut sich diebisch darüber, dass der „Dover
Street Market“ von Rei Kawakubo jetzt einen
Hype um die bis dato modisch unerschlossene
Straße Haymarket auslösen wird. In Paris hat
er kürzlich im uncoolsten Teil des Marais einen Store eröffnet: „In der Rue Pastourelle,
die absolut falsche Straße, es existiert überhaupt keine Mode dort.“ Ein „Yes!“ entfährt
Smith – und er unterstreicht seine Freude
über seinen letzten Streich mit Gewinnerfaust-Geste. Nein, zurück zu neun Quadratmetern möchte er nicht – das wäre selbst für einen wie ihn zu merkwürdig.
Es gibt eine Schwarz-Weiß-Fotografie, sie
zeigt ihn und seine Frau Pauline an einen
amerikanischen Straßenkreuzer gelehnt. Sie
trägt Bundfaltenhosen mit flachen Schuhen.
Ein ähnlicher Look findet sich in seiner kommenden Herbst/Winter-Kollektion. Die Show
sei eine seiner besten gewesen, findet er.
Denn: „Meine Referenz bin ich!“ Soeben hat
Smith seinem Unternehmen wieder einen
neuen Spin verliehen, indem er seine zahlreichen Nebenlinien auf zwei Hauptlinien zusammenzog, die je zwei Kollektionen pro Jahr
herausbringen werden. Das nennt man wohl
ein klares Konzept – verständlich, dass der
Mann so gute Laune hat.
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ie Abkürzung lässt Deutsche etwas mit Supermodels
assoziieren:
DSM. In der Modewelt
markieren die drei
Buchstaben hingegen
den Code, der zunächst
für die Einmaligkeit der
Japanerin Rei Kawakubo stand, derer sich aber
mittlerweile mehr und mehr Einzelhändler bedienen. Hatte die Gründerin des Avantgardelabels Comme des Garçons es doch immer schon
verstanden, wie man mit Persönlichkeit und
Individualität Aufmerksamkeit und Begehrlichkeit bei Konsumenten erzeugt. 1969 hatte
sie ihr Unternehmen in Tokio gegründet, mit
der ersten Show in Paris 1981 rief sie mit ihrem
komplett schwarzen, dekonstruktiven Stil zunächst Unverständnis hervor. Nur um seither
ein Maßstab zu sein. Auch dafür, wie man Marken sauber weiterentwickelt.
Dazu gehört ein Gespür für Gegenden. Da Kawakubos Mode immer eher Installation als
Kleidung war, brauchten auch ihre Geschäfte
nicht das übliche Umfeld. Als der Mietvertrag
für ihre erste mehr minimalistische Galerie als
Geschäft in der Londoner Brook Street auslief,
und ihr Mann Adrian Joffe einen neuen Standort suchte, entdeckte er das leer stehende Dover Street-Gebäude, ehemals das „Institute of
Contemporary Art“. Und kam ihm prompt eine
Idee: „Warum sollen nur wir hier einziehen?
Wie wäre es, wenn wir das ganze Gebäude
übernähmen und andere Leute dazuholten?“
fragte er seine Frau, die sofort assoziierte: „So
wie Kensington Market?“. Also jener interkulturellen Einrichtung, die sie schon beim ersten
London-Aufenthalt Anfang der 60er-Jahre fasziniert hatte und die bis in die 90er-Jahre kreative Maßstäbe setzte. Das war der Anfang ihres
Conceptstores „Dover Street Market“ (DSM),
der unter „verschiedene Leute“ Luxusmarken
und junge Unbekannte vereinte. Hedi Slimane,
Raf Simons, Alber Elbaz und Azzedine Alaïa
waren die ersten Mitstreiter. Als Phoebe Philo
2009 ihre erste Kollektion für Céline zeigte,
war es schon selbstverständlich, dass Teile bei
DSM hingen.
Mittlerweile gibt es vier Dependancen, in Tokio, New York und Peking, sowie den neuen
Londoner Standort im ehemaligen Burberry
Hauptquartier in Haymarket. Es wird wieder
die Gegend verändern. Nicht alles in allen Farben, keine Komplett-Looks, zahlreiche individuelle Kooperationen – und was ausverkauft
ist, ist wirklich weg. Dazwischen viel Kunst,
Reibung, und was zu essen. Das Konzept war
schon Antwort, als es den Fast-Fashion Druck
durch das Netz noch nicht gab. Die Marken bekommen eine eigene Spielfläche aber keine
„Corner“, die im Corporate Design gebrandet
werden kann. Dass Paul Smith im neuen Dover
Street Market seinen Ursprungsladen recycelt
hat, ist eine Ausnahme, die auch damit zu tun
hat, dass dieses winzige Geschäft mit seinem
bunten Chaos eine Art Vorläufer von DSM war.
Die Freiheit in Grenzen, die den Nachbarn respektiert, setzt die Entwürfe in einen anderen
Kontext, die Labels müssen quasi aus eigener
Kraft bestehen, beziehungsweise schöpfen
Energie aus dem ganz anderen Umfeld.
Design ist das Einzelne. Der Fall von Louis
Vuitton zeigt, welchen Reiz das haben kann.
Als Nicolas Ghesquière 2014 mit der Transformation begann, reagierten die Kunden in den
Boutiquen der Marke noch etwas verstört, zu
anders war der Stil nach zehn Jahren Marc Jacobs-Fantasie, als dass die neuen, definierten
Teile von Ghesquière aus den Regalen gerissen
worden wären. Genau das passierte aber mit
der kleinen Kollektion, die Louis Vuitton entgegen der sonstigen stringenten Nur-in-eigenen-Boutiquen-Verkaufspolitik an DSM geliefert hatte. Der Buzz war da.
Man braucht eigentlich nichts. Aber wenn man
eine Weile im Dover Street Market eintaucht,
will man zwei Dinge. Etwas kaufen. Und daInga Griese
heim ausmisten.
59
Alles neu am Neuen Wall:
Zeitreise im „Collectors Room“
mit limitierten Füllern aus der
Andy-Warhol-Kollektion bis
zum Montblanc-Klassiker
„Fountain Pen“
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chwarz wie Ebenholz, weiß wie Schnee, dazwischen liegen die Preziosen in Glasvitrinen. Es ist
ein bisschen wie bei Schneewittchen: Das neue
Montblanc-Geschäft am Neuen Wall in Hamburg
hat etwas Märchenhaftes. Es gibt ein „Haus im
Haus“, eine Kapsel, in die man wie in einen hohlen
Baum einsteigt, und in der die Hamburger Manufaktur ihre Sammlerstücke präsentiert. Sämtliche
Schränke sind nicht als solche zu erkennen, sondern in den
Wänden oder den Trennelementen versteckt, die den 200
Quadratmeter großen Laden in unterschiedliche Bereiche
teilen. Die Decken sind meterhoch und es duftet nach Holz.
Ausgedacht hat sich diese Szenerie der Designer Noé
Duchaufour-Lawrance aus Paris. Vor mehr als zwei Jahren bewarb er sich auf eine Ausschreibung des Unternehmens, das Teil der Richemont-Gruppe ist: „Zu modern, zu dramatisch, zu erzählerisch“, lautete das erste
Urteil der Geschäftsführung, die den Montblanc-Look
mit dem Umzug ein paar Häuser weiter am Neuen
Wall zwar verändern wollte, aber besser nicht zu
kühn. Nach neun Monaten aber hatte man sich doch
geeinigt – und das Konzept entsprach beinahe seiner ursprünglichen Idee.
Noé Duchaufour-Lawrance ist bekannt für seine
eigenwillige Formensprache. Schon 2002 sorgte
er für Aufsehen, als er in das damals neue Londoner Szene-Restaurant „Sketch“ Waschräume einbauen ließ, die an Raumfahrtstationen aus den
Kinofilmen der 60er-Jahre erinnerten. Auch
die Business-Lounges von Air France am Flughafen Paris Charles-de-Gaulle und Tokio gestaltete er mit ausladend skulpturalen Elementen. Zuletzt schuf er mit der Einrichtung des „Ciel
de Paris“ ein Restaurant, das man sich genauso gern anschaut, wie
man dort isst. Was seine Entwürfe aber so einzigartig macht, ist der Mix
aus innovativen und traditionellen Materialien, die in dem für ihn typisch organischen Stil zusammenfinden. Weich geschwungene Kurven
kennzeichnen seine Möbel und die Raumgestaltung. Unter seinen Entwürfen für namenhafte Hersteller wie Zanotta, Bernhardt Design, Ceccotti Collezioni, oder Cinna finden sich Leuchten, die wie verzweigte
Äste aussehen, Sofa-Landschaften, die an bunte Steine erinnern, oder
Tische, die wie aneinandergereihte Blätter wirken.
Auch, dass alles eine Geschichte erzählen soll, ist eines seiner unverkennbaren Markenzeichen. Die Möbel für Montblanc hat er komplett
selbst entworfen: zierliche Vitrinen aus Holz, auf manchen stehen große Schmuckkästen, unter jeder wartet ein graziler Hocker. Tische mit
schwarzen Platten und Messingrändern und darauf abgestimmte Tabletts – sogar der Stab, den es braucht, um Taschen aus den obersten Regalen zu fischen, ist „Made to Measure“. Große Leuchten aus Messing
erstrecken sich über die Länge des Verkaufstresens und erhellen den
„Collectors-Room“. Ihm gab Duchaufour-Lawrance den Namen „Little
Fountain“: „Ich habe eine Fotografie aus den 30ern entdeckt, die zeigt,
wie damals der berühmte ,Fountain Pen‘ mithilfe eines Spiegelinstrumentes gereinigt wurde.“ Diese Form inspirierte ihn zu dem sechseckigen Lüster, den es nur in Hamburg gibt. Der Kunde solle sich eher „wie
zu Hause“ fühlen denn in einem Geschäft. Um Gefühle und Wärme geht
es: „Der Kunde soll den Store spontan betreten wollen“, so der Designer. „Ich wollte einen Raum, der die Emotionen der Marke reflektiert
und nicht nur gebrandete Architektur ist.“
Das Konzept basiert auf drei Hauptthemen, die sich mit den Wurzeln
des Hauses Montblanc auseinandersetzen, als da wären: Die kursive
Handschrift in Verbindung mit dem „Fountain Pen“, das Emblem, das
schon aus der Ferne wie eine Schneeflocke an der Fassade leuchtet, sowie die Tintenfarben und die Leidenschaft für Kunsthandwerk. „Ich
wollte den Schreibgeräten, die das Fundament Montblancs bilden, eine
Hommage erweisen“, erklärt der Designer. Und: „Die weißen Wände
sind von der Struktur eines Papiers inspiriert.“ Die größte Herausforderung für den Pariser, der häufig schon Einzelstücke in Galerien ausgestellt hat und limitierte Editionen fertigte, war jedoch die Dimension
des Montblanc-Auftrags: „Das Konzept wird weltweit 500-mal wiederholt werden, dennoch soll es sich jedes Mal aufs Neue einzigartig anfühlen. Um das zu erreichen, haben wir eine riesige Kollektion von Möbeln entworfen sowie Möglichkeiten, die direkt mit den Räumen und
ihrer Konfiguration korrespondieren. So wirkt der Look des Projektes
wie maßgeschneidert, dabei ist seine Konzeption beinahe industriell.“
E. Strerath
HINGUCKER
GUTE AUSSICHTEN FÜR DIE SONNENBRILLEN-ZEIT
NASENBRÜCKEN
Die Objekt-Künstlerin Clémence Seilles muss beim Betrachten einer Brille immer an Brücken denken: „Vor allem an die historische Form von Aquädukten.“ Das setzte
die Französin nun sogleich in ihrer ersten, kleinen Capsule Collection für die italienische Marke Oxydo um. Sie
gestaltete zwei Modelle in je drei Farben – und wer genau
hinsieht, erkennt die Inspiration. Gibt’s über oxydo.de
EINE FÜR ALLE:
ACE & TATE
Es begann mit einem Brillengestell, das Mark de Lange in New
York kaufte. Zurück in Amsterdam,
seiner Heimat, wollte er es mit
geschliffenen Gläsern versehen
lassen. Dem dortigen Optiker missfiel es jedoch, dass es nicht bei ihm
gekauft worden war und er verhielt
sich undurchsichtig bezüglich der
Gläserpreise. Am Ende zahlte der
Holländer insgesamt mehr als 400
Euro. Zu viel, wie er fand. Und er
sagte sich: Das muss auch anders
gehen. De Lange, zuvor bei einem
privaten Investor tätig, wagte sich
also an ein eigenes Geschäftsmodell: hochwertige Designbrillen
zu einem vernünftigen Preis. Nämlich jeweils 98 Euro – egal welches
Modell (auch Sonnenbrillen) und
egal in welcher Stärke (für Gleitsicht sind es 248 Euro). „Produktion, Marketing und Vertrieb unter
einem Dach machen die einheitlichen Preise möglich“, erklärt der
34-Jährige, dem sein Marketingstudium zugutekommt. Vor rund
zwei Jahren startete er mit seinem
Label Ace & Tate (abgeleitet von
Hollywoodstreifen
Großes Kino! Durch die Gläser der Sonnenbrille „Dior Split“ spielen Sie (Breitleinwand-Optik) und Ihr Gegenüber
(verspiegelte Streifen) einen ganz eigenen Film. Die Entscheidung, ob dieser
sich in Rosa, Silber oder Blau abspielen
soll, liegt freilich allein bei Ihnen.
Acetat, das von ihm favorisierte
Material) mit einer ersten Kollektion, einem Onlineshop und promptem Erfolg. Interessenten können
sich Modelle nach Hause schicken
lassen, die eine Woche probiert
und kommentiert werden sollen.
„So kann man Freunde und Kollegen fragen, wie sie die Brillen
finden, und nicht irgendeinen
Typen in einem Geschäft, der vielleicht 30 Minuten mit einem verbringt“, so de Lange. Trotzdem gibt
es nun auch drei stationäre Geschäfte in den Niederlanden, in
Berlin-Mitte öffnete jüngst ein
weiteres, und in Irland, Österreich,
Schweden und Dänemark teste
man gerade den Markt. Wie die
Marke in der kurzen Zeit so rasant
wachsen konnte? „Wir befriedigen
offenbar ein Bedürfnis. Mit Klassikern, die gut gestaltet aber eben
nicht zu hip sind. Wir sind eine
Marke für alle“, antwortet der Unternehmer. Außerdem komme
auch der Gedanke gut an, Brillen
mit der Garderobe zu wechseln:
„Wenn man etwa zur Bank geht,
um einen Kredit aufzunehmen,
dann zieht man doch lieber Anzug
an als Jeans mit Turnschuhen.
Wieso sollte man also immer dieselbe Brille tragen?“ Er selbst tue
das längst nicht mehr, habe Gestelle für jeden Anlass. Und deshalb
werde auch die Kollektion stetig
vielseitiger. Heute gibt es neben
Acetat- auch Metallrahmen und
ganz neu im Sortiment sogenannte
Clip-ons. Was er plant? In der Zukunft möchte er die europäische
Brillenmarke für kultivierte Menschen werden und vielleicht eines
Tages den amerikanischen Markt
erobern. Durch sein Lieblingsmodell „Hudson“ sieht die Aussicht
gut aus.
Mira Wiesinger
Fliegengewicht
Versprochen – diese Sonnenbrille werden Sie nicht auf dem Nasenrücken spüren. Sie wiegt lediglich fünf Gramm und
entstand in Zusammenarbeit von USDesigner Wes Gordon und Silhouette,
der österreichischen Brillenmanufaktur,
die sich auf randlose Modelle spezialisiert hat. „Meine Welt sind Stoffe und
Scheren, bei Silhouette gibt’s Roboter
und Laborkittel“, erzählt der 28-Jährige
und lacht. Funktioniert hat die Zusammenarbeit trotzdem. Erstmals zeigte er
seinen Entwurf während der New Yorker
Fashion Week und schickte seine Models
mit der Brille in vier Farben (blau sei die
„Happy-Brille, durch die selbst blauer
Himmel noch besser aussehe“, dazu
Flaschengrün, Grau und Schwarz) auf
den Laufsteg. Die Inspiration? „Die 90erJahre. Ich liebe die Ära der Supermodels,
Slipdresses und kleinen Brillen.“ cb
KNICK IN DER OPTIK?
Von wegen! Ecken und Kanten gehören bei der Brillenmarke Pawaka nämlich fest ins Programm. „Pawaka“, das bedeutet in der altindischen Sprache Sanskrit
„Feuer“. Ziemlich heiß finden wir auch die innovativen Entwürfe der indonesischen Schauspielerin Fahrani Empel, die seit Gründung des Labels in 2015 für
das Design der Marke zuständig ist.
61
62
Top: Akris. Armreif: Georg Jensen
Bluse: Longchamp.
Hose: „Michael“
Michael Kors. Kette:
Pomellato. Sandalen:
Michael Kors Collection
Down to Earth
Im Naturpark Bardenas Reales im Norden Spaniens hat die Natur aufgeräumt.
Mit korrespondierenden Looks bringen wir Leben in die Halbwüstenlandschaft
Fotografen: Jens Schmidt & Lydia Gorges c/o Hille Photographers; Styling:
Jürgen Claussen c/o juergenclaussen.com Haare/Make-up: Benjamin Becher c/o Nina Klein;
Model: Anja Leuenberger c/o Munich Models; Casting: Martin Freimoser
Location: Hotel „Aire de Bardenas“ in Tudela (airedebardenas.com)
Top: Céline. Kette: Thomas Sabo
64
FOTOMONTAGEN: ICON / LUNA SIMIC
Bluse und Hose: Hugo Boss.
Armreifen: Tiffany & Co.
Linke Seite:
Kompletter Look: Bally.
Ohrringe: Hermès.
Diese Seite:
Top und Schuhe: Akris.
Rock: Brunello Cucinelli.
Armreif: Georg Jensen
Jacke und Hose: Max Mara.
Rolli: American Vintage.
Boots: Louis Vuitton.
Armreif: Hermès
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Bluse: Sportmax.
Ohrringe und Ring: Atelier Swarovski by Jean-Paul Gaultier
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Kleid und Mantel: Burberry Prorsum. Armreif: Fope
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Mantel: Salvatore Ferragamo
Hemd: Marc O’Polo Pure.
Stiefel: Louis Vuitton.
Ohrringe: Atelier Swarovski
Core Collection
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HALLO, DAISY!
Jahr für Jahr gewinnt ein Flakon
immer wieder aufs Neue mein
Herz. Pünktlich zum Frühjahrsanfang trudelt er in unserer
Parfümerie ein. Es ist „Daisy“
von Modedesigner Marc Jacobs, den er bereits 2008 kreiert
hat. Der Flakon sieht mit seiner
Gänseblümchen-Optik aus wie
der Name es verspricht. Doch
blieb es nicht bei diesem einen
Duft, in jedem Jahr vermehrt er
sich, ganz wie man es vom
Rasen kennt, um eine limitierte
und leichtere Edition. Und das
nicht nur beim „Mutter-Duft“,
sondern auch den Ablegern
„Daisy Dream“ und „Daisy Eau
so fresh“. 2016 heißen die drei
Neuen alle mit Nachnamen
„Blush“ – und Sie duften, wie es
sich für Daisys nun einmal gehört, nach Sommer. Gute Laune ist inklusive.
In der
Ruhe ...
Wie dekoriert man
Haute-CoutureAugen? Im Januar
zeigte Chanel eine
sehr zurückgenommene und umso
kostbarere Kollektion. Der allgemeinen
Mode-Hektik setzte
Karl Lagerfeld eine
besonders friedliche
Kulisse mit Holzhaus und Rollrasen
entgegen. Das übertrug sich wohl auf
das Backstage-Gewusel. Für diese
Lidstriche brauchten
die Make-up-Artisten schließlich eine
besonders ruhige
Hand. Ommm ...
Die Macht sei mit euch!
Wussten Sie eigentlich, dass
der Malachit schon seit
Jahrhunderten als Schutzstein gegen die Macht des
Schicksals gilt? Sei es drum.
Fakt ist, dass Giorgio Armani persönlich im Besitz eines
Malachits ist und sich davon
für seine Armani-PrivéDuftserie inspirieren ließ.
Die Duft-Kreation von „Vert
Malachite“ hat er aber dem
Parfümeur Fabrice Pellegrin
überlassen, der eine Lilie in
den Stein, der nämlich nach
nichts duftet, hineininterpretierte. Schmuck!
© CHANEL 2016
Claudia Mikus
Spielerisch: Normalerweise entwirft
Charlotte Olympia Schuhe (Sie kennen
bestimmt ihre niedlichen „Kitty“Ballerinas) und Taschen. Für Mac
entwickelte sie nun ihre erste, limitierte
Make-up-Kollektion. Neben rotem
Lippenstift, Mascara und Puder ist vor
allem das „Blotting Paper“ empfehlenswert, damit lässt sich schnell und in
diesem Fall stylish überschüssiges Fett,
das die Haut produziert, abtupfen.
Wer hat hier die Nägel schön?
Klar, dies ist eine Kosmetikseite,
auf der wir normalerweise die
spannendsten und wirksamsten
neuen Produkte vorstellen. Doch
bei dieser Tasche der wunderbar
exzentrischen Britin Lulu Guiness
konnten wir nicht widerstehen –
und schließlich geht es ja auch um
schöne Hände ... Kaufen kann man
sie über avenue32.com, die passende Maniküre gibt es leider
(noch) nicht dazu.
In den Genen: Als Enkeltochter des Kiehl’s-Gründers hat Jami
Morse das Beauty-Gen wohl geerbt. Im Jahr 2000 verkaufte
sie die Marke zwar an L’Oréal, tüftelte aber weiterhin – mehr
aus Spaß an der Freude – an neuen Tinkturen. Das Resultat?
Retrouvé, eine feine Mini-Kollektion aus drei Seren, einer Augencreme und – ganz neu – einem „Luminous Cleansing Elixir“.
Gibt’s etwa in der Kurfürstenparfümerie in Mannheim.
Geschäftsführerin
der Parfümerie
„Mikus“ in Essen
HEIMAT, HEIMAT
Parfüms müssen gut riechen,
aber auch gut aussehen. Beides
vereinen die Produkte einer
kleinen Münchner Manufaktur,
die erst sieben Düfte kreiert hat:
Lengling, benannt nach dem
Inhaber-Ehepaar Ursula und
Christian Lengling. Ihr Anliegen: in jedem Duft zwei
konträre Noten miteinander zu
kombinieren. Das funktioniert
meiner Meinung nach besonders gut bei Nummer 4:
„In between“ ist eine Mischung
aus Jugend und Reife – duftet
zart nach Pfirsich, aber auch
nach Patschouli und Moschus.
Doch zurück zur Optik: Das
klare Design des Flakons, der in
Gmundner Papier eingepackt
ist, ziert ein silberfarbener Kiesel
aus der Isar. Das ist doch wahre
Heimatliebe, oder?
Nola Bergner
Geschäftsführerin der
„Bergner Parfümerie“
in Pfaffenhofen
Form folgt der Funktion
– doch warum sollten
Mascara und Flakon bei
Shiseido nicht auch nach
Design aussehen?
Daneben: Ruba AbuNimah, illustriert von
Donald Robertson
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werk werden gerade 20 Miniatur-Laborkittel
ausgestellt, jeden ziert das eingestickte Konterfei eines anderen wissenschaftlichen Mitarbeiters. Man will schließlich zeigen und
auch wissen, wer hier forscht. Und wieder
Produkte, Produkte, Produkte – wohin man
auch blickt.
Hinter einer Wand verbergen sich kleine Kabinen, die „dressing tables“. Mal pur, mal poppig-bunt eingerichtet, ausgestattet mit beleuchtetem Spiegel und, selbstverständlich einer Menge Kosmetikprodukten. Doch wofür
all das? Es seien die sogenannten After-WorkKabinen, erklärt die höfliche Verkäuferin mithilfe einer Dolmetscherin. Japanerinnen
kommen nach Büroschluss hierhin, mieten
sich für etwa 30 Minuten ein, schminken sich
ab und dürfen dann alles benutzen, was die
Kabine hergibt (Föhn und Glätteisen inklusive). Sie brezeln sich für die After-Work-Party
auf und lassen so Stress und Norm hinter sich.
800 Yen kostet das Vergnügen (circa 7 Euro).
Auch ein professionelles Fotostudio gibt es –
das Schminken mit Shiseido-Produkten übernehmen dort allerdings Profis. Die Familienund Pärchenfotos sind schließlich als wichtiges Geschenk für die Verwandtschaft gedacht.
Im dritten Stock wird es luxuriöser. Hier ist
Clé de Peau Beauté untergebracht, die HighEnd Marke der Japaner, die es zwar nicht
mehr in Deutschland zu kaufen gibt, aber die
auf dem asiatischen und russischem Markt äußerst gut funktioniert. Und wieder Kabinen,
in denen sich die Tokioter gern mal zwischendurch eine Kosmetik-Behandlung gönnen.
Der zarte Porzellan-Teint will bewahrt und gepflegt werden. Denn es gilt: Ein Gesicht wird
als deutlich älter empfunden, wenn es mit Altersflecken übersät ist, - nicht mit Falten.
Tradition verpflichtet immer noch. Das Kaufhaus liegt an der selben Straßenecke, an der
auch die erste Apotheke von Gründerfamilie
Fukuhura lag, die heute etwa noch ein Prozent am Konzern besitzt. Das war 1872, und
Chef-Pharmakologe der Marine. Er war es, der
westliche Techniken mit japanischen Traditionen verband und 1888 die erste Zahnpasta
Japans einführte (man benutzte noch Zahnpulver) und 1897 die Essenz Eudermine erdachte. Ein Dauerbrenner bis heute und immer noch ein Schritt des täglichen SiebenStufen-Pflegerituals (2-fach-Reinigung, Lotion, Serum, Creme und mehr) einer Japanerin.
Es sollte Fukuharas Grundstein zur Kosmetikmarke sein.
Heute wird Shiseido von Masahiko Uotani geführt, einem Japaner, der bereits Vorstandsvorsitzender von Coca-Cola war, in den USA
lebte und sehr gut Englisch spricht. 2014 übernahm der Vater zweier Töchter das Zepter als
14. und zugleich erster externer Präsident in
der Unternehmensgeschichte. Seither hat
sich vieles verändert. Uotani, groß gewachsen,
scheinbar stets gut gelaunte CEO, hat für frischen Wind in dem 29.000-Mitarbeiter-Konzern gesorgt, für den allein tausend in der Forschung arbeiten und der mittlerweile in 88
Ländern seine Produkte verkauft. Uotani hat
den Blick über die Landes- und Traditionsgrenzen hinweg geschärft. Man will noch globaler werden. Ein guter Grund, Ruba Abu-Nimah einzustellen. Ruba, Kosmopolitin mit
arabischen Wurzeln, spricht Französisch und
Englisch fließend (mit starkem amerikanischem Akzent) und kümmert sich seit Juni
2015 als Kreativdirektorin um Shiseidos neuen
Markenauftritt. Ein Job, den man der patenten
Frau und Mutter einer Teenager-Tochter
durchaus zutraut. In 140 Jahren Firmengeschichte kam es nur wenige Male vor, dass
überhaupt jemand von außen geholt und in
eine Top-Position befördert wurde. Abgesehen von Serge Lutens, den die Japaner in den
80ern engagierten und der sich um die Parfüms und Werbekampagnen kümmerte und
später auch um die erfolgreiche Markteinführung in Europa.
Also erst Uotani und nun Abu-Nimah, die zwischen New York und Tokio pendelt und sich
auf Instagram ironischerweise „Queen Ruba“
DONALD ROBERTSON; GETTY IMAGES; CAROLINE BÖRGER; SHISEIDO
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orgens 9 Uhr in Ginza,
dem Shopping-Mekka
von Tokio. Die Boutiquen der großen,
westlichen Luxusketten, die hier aufgereiht
wie eine Perlenkette nebeneinanderliegen,
sind noch geschlossen, aber die Mega-Metropole erwacht. Dabei herrscht weder Hektik
noch Stress, obwohl täglich Millionen Menschen wie stumme Ameisen zwischen UBahn-Stationen und Büro-Wolkenkratzern
umherwuseln. Gehupt wird nicht, Autofahrer
bleiben auf ihrer Spur, warten geduldig, selbst
Rettungswagen gleiten ruhig durch den Verkehr. Es geht gesittet zu; Coffee-to-go-Becher
wird man ebenso wenig finden wie im Gehen
irgendetwas essende Japaner. Tradition verpflichtet.
Doch bei Shiseido im „The Ginza Flagshipstore“ ist man in Aufbruchstimmung. Die Mitarbeiter stehen zwischen vollen Paketen und
Körben, füllen die schneeweißen Regale und
kleinen Counter wieder auf. Wimpernzangen,
Make-up, Lippenstifte, Cremes, Seifen, Männer- und Babykosmetik, Shiseido-KollagenShots zum Trinken – im Erdgeschoss des
hauseigenen Kosmetikkaufhauses mit den bodentiefen Fenstern gibt es nichts, was es nicht
gibt. Der Shiseido-Kosmos ist um einiges größer als das, was Europäer im Allgemeinen damit verbinden. 38 unterschiedliche Marken
zählen zum Portfolio des Kosmetikriesen, der
in Europa etwa mit L’Oréal oder Beiersdorf
vergleichbar ist. Von der Drogeriemarkt-Marke bis zum 1000-Euro-Luxusprodukt wird alles angeboten. Und das in einer der begehrtesten Lagen der Hauptstadt. Im ersten Stock-
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Chef war Arinobu Fukuhara, zu der Zeit noch
Car
Anzeige
nennt. Vornehme japanische Zurückhaltung
geht anders. Doch sie fühlt sich geehrt, vor allem, weil sie erst kürzlich erfuhr, dass sie in
140 Jahren wohl die erste weibliche Kreativdirektorin ist, die eingestellt wurde. „Dessen
war ich mir nicht bewusst. Wissen Sie, Menschen sind Menschen – und letztlich geht es
doch um den Job“, gibt sie zu. Anfangs wusste
sie, die zwei Jahrzehnte lang als Kreativchefin
für den Estée-Lauder-Konzern in New York
gearbeitet hat, nicht viel über Shiseido. Sicher,
dass es japanisch ist – „aber eben nicht was sie
machten. Und das ist ein Problem, denn genau
das ist den meisten nicht klar. Ich fand die Geschichte toll .“
Das hauseigene Museum in Kagegawa, zwei
Stunden von Tokio entfernt, sei daher ein besonderer Ort. Dort ist alles archiviert, was je
produziert wurde und passiert ist: Produkte,
Werbekampagnen aus den 30er-Jahren, Filme
und sogar alle Kostüme der Shiseido-Kosmetikerinnen und Verkäuferinnen sind ausgestellt
– eines wurde von Issey Miyake entworfen.
„Fragen Sie mal nach einem Tiegel aus dem
Jahr 1913, und jemand wird Ihnen alles aus diesem Jahr heraussuchen können.“ Ein Segen
für Kreative und wirklich außergewöhnlich.
Aber die Japaner hätten „ einfach verstanden,
was Geschichte bedeutet“.
Abu-Nimahs erste offizielle Aufgabe bestand
darin, einen neuen Counter für die Geschäfte
zu entwickeln. Klingt harmlos, ist aber enorm
wichtig. „Ich fragte, wie lange ich Zeit dafür
Mitten in Tokio: Im roten Turm ist das „Shiseido
Parlour“-Haus untergebracht. Hier gibt es Gebäck.
Rechts daneben liegt das Kosmetikkaufhaus „The
Ginza“, durch das dieser illustrierte Wegplan führt
hätte. Die Antwort lautete Oktober, drei Monate nur. Man muss es einfach tun.“ Die NikePhilosophie „Just do it“ könnte von ihr stammen. Und tatsächlich wurde im Oktober der
erste funktionale Prototyp des neuen Counters im Shibuya-Flagshipstore aufgestellt. Viel
Holz, viele Spiegel, ausreichend Platz für Produkte und: integrierte iPhone-Aufladekabel,
ihr Telefon sei schließlich auch immer leer.
Ihr Credo? Die Form habe schließlich immer
der Funktion zu folgen – „alles, was wir tun,
muss kreativ, aber eben auch nutzbar sein“.
Auch das Logo sollte sie verändern. „Es gab
bereits Vorschläge für ein Re-Design, aber es
funktionierte keiner davon. Wenn etwas nicht
wirklich kaputt ist, versuche nicht, es zu retten. Das Logo brauchte nur etwas Unterstützung.“ Also ließ sie die Kamelie, das Markenzeichen, das bereits vom Firmengründer und
seinem Sohn 1915 eingesetzt wurde. Sie ergänzte lediglich zwei Worte: Ginza Tokio, den
Geburtsort der Kosmetikmarke. Authetizität
ist ein Wettbewerbsvorteil. Alles findet
schließlich in Ginza statt: das „Shiseido Parlour“-Haus, ein Art-déco-Gebäude, in dem ein
Restaurant, eine Bar und ein Souvenirshop
mit Kuchenvitrine (es gibt Shiseido-Baumkuchen!) untergebracht sind. Die Firmenzentrale ist ebenfalls fußläufig erreichbar. Hier sind
Chefetage, Marketing und auch Ruba untergebracht, ein eigenes Büro besitzt sie nicht, teilt
mit anderen Kreativen einen Tisch, sie
braucht nur ihr Laptop.
„Bis heute entwerfe ich liebend gern Dinge“,
erzählt die gelernte Grafikdesignerin und
lacht, denn gerade habe sie sich die UltimunePröbchen zur Brust genommen. Nichts ist zu
klein, als dass es unbeachtet bliebe. Und Proben sind eine Visitenkarte. „Ich hatte das Gefühl, dass ich sie ändern muss.“ Sie teilt mit ihren neuen Landsleuten die Liebe zu schönen
Verpackungen. Nicht nur, dass sie Schreibwaren schätzen (davon zeugt ein Flagshipstore
auf der Shopping-Meile – zwölf Stockwerke,
eingebettet zwischen Tiffany und Bulgari).
„Packaging ist mir sehr wichtig“, sagt sie und
gibt zu, dass sie nur Dinge kauft, deren Verpackungen ihr gefallen. Egal was es ist. „Japan
hat eine Tradition in außergewöhnlicher Verpackung, aber bislang hat Shiseido das nicht
ausgelebt. Wir werden in diesem Punkt jetzt
sehr japanisch.“ Das neue Make-up etwa bekam eine schrägen, leicht geschwungenen
Glasflakon und wurde in kirschroten Kartonagen eingehüllt, der Rest folgt. Alles wird in
den nächsten Jahren angepasst. Ein krasser
Wechsel? Davon hält sie nichts. Lieber ein
sanfter Übergang. Man müsse sich schließlich
auch in andere Abteilungen hineindenken,
und für einige seien Neuerungen nicht nur
ein logistischer Albtraum.
Doch nicht alles wird anders. Den Namen Shiseido, der aus zwei Ideogrammen des chinesischen Klassikers „I Ging“ besteht, formten die
Fukuharas: Shi-Sei-Do (Shi = Ressourcen, Sei =
Leben, Do = Haus). Die Kalligrafie des Wortes
müssen bis heute alle Mitglieder der Designabteilung ein Jahr lang, Tag für Tag auf Papier bringen, bevor sie überhaupt etwas anderes machen dürfen. „Ein Mitarbeiter macht
das seit Jahrzehnten. Es ist eine ganz spezifische Schrift,“ erklärt Ruba. Auch sie wolle sie
erlernen. Egal, wie lange es dauert. Das wird
womöglich wieder schnell gehen. Shiseidos
neuer Weg eben. Die Tradition bleibt. Nur das
Tempo erhöht sich.
#gutimbett
Wir versprechen nicht viel.
Nur 2 ml.
Aber die haben es in sich:
flüssiges Lifting im Schlaf.
babor.de
PSS
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Neu!
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Superpower-Puder
Wer nicht zu den glücklichen
Frauen zählt, die von Natur aus
schon morgens eine Mega-Mähne
haben, muss im Bad zu kleinen
Helferlein greifen.
Neu ist etwa das „Volume Powder“
des Pariser Friseurs David Mallett,
das Sie bloß auf das trockene Haar
pumpen müssen (bitte direkt an
der Wurzel, hinterlässt auch keine
weißen, verräterischen Flecken).
Der Clou: Das Pümpchen ist so
klein, dass es in jede Clutch passt
und sich der Trick somit auch
schnell beim Dinner – etwa zwischen zwei Gängen – unkompliziert auftragen lässt.
Über ausliebezumduft.de
Echt sauber
Ist schwarz, macht rein. So könnte ein Slogan
lauten, der den „Thermal Cleansing Balm“
der ungarischen Marke Omorovicza beschreibt. Auch wenn es nicht danach aussieht, aber die grafitfarbene ReinigungsCreme, die aus ungarischem Heilschlamm
gemacht wird, entfernt Make-up-Reste
hervorragend. Ein wenig davon auf dem
Gesicht verteilen (Augen muss man nicht
aussparen), etwas einmassieren, mit einem
feuchten Tuch abwischen. Sauber! Gibt’s bei
Wheadon in Berlin-Mitte (Steinstraße 17).
Zauberkugel
Kleiner Exkurs: „To conceal“ bedeutet
etwas verheimlichen, verschleiern oder
auch – ganz unverblümt – etwas
abdecken. Drum heißt der Concealer
auch so. Und wer trotz Winterschlaf
noch müde ist und unter dunklen
Augenringen leidet, könnte zum
neuen „Cashmere Concealer“ von
Burberry greifen, um sie abzudecken. Allein der Name! Der weiche, kugelrunde Applikator soll
die Farbe (es gibt 14 Nuancen)
extra weich auf die empfindliche
Augenpartie auftragen und sich
leicht verteilen lassen.
Poesie liegt in der Luft
Hexenwerk
Natürlich kann man einen Duft kreieren,
weil einem die Rohstoffe gefallen oder
einfach weil man etwas Neues machen
muss. Doch einen Duft zu entwerfen,
der dem Gedicht „Gedanken zweier
Reiter im Wald“ von Victor Hugo
entlehnt ist, in dem es um einen
unsichtbaren Freund geht, den jeder
von uns an seiner Seite hat (sei es
das Gewissen, die Seele oder eben
ein Parfüm), ist etwas anderes und
vor allem die neueste Idee von
Etienne de Swardt, dem Enfant
terrible der Duft-Szene und
Inhaber von „État Libre d’Orange“. Kunst/Literatur meets
Nase sozusagen ...
Elektro-Zahnbürste, Föhn,
Gesichtsreinigungsmaschine,
Wimpernzange, Anti-FaltenRoller ... die Liste an BadGerätschaften wird immer
länger. Sogar bei Net-a-Porter
setzt man schon auf eine eigene Beauty-Geräte-Rubrik.
Eigens für den Online-Store
wurde nun der „Color Me Automatic Foundation Applicator“
entwickelt – ein handflächengroßes Gerät, dessen Ultraschallschwingungen die Make-upEinklopftechniken von Visagisten
auf Ihrem Gesicht imitieren sollen.
Wozu? Damit Ihr Make-up noch
ebenmäßiger aussieht. Selbst klopft
die Frau, äh das Gerät.
Fraglich ist, ob man wirklich 16 unterschiedliche
Kajalstifte braucht und ob man sie überhaupt je
aufbrauchen kann. Nein, liebe Männer, rein rational betrachtet, natürlich nicht. Aber Frauen
möchten so etwas einfach besitzen. Zoeva hat
daher die limitierte „Graphic Eyes + Box“ herausgebracht. Schwarzer und weißer Stift, Anspitzer
und 14 Farben, etwa Dunkelviolett („Mr. Marvelous“) oder Türkis („Good Karma“), inklusive.
Wer die Qual hat. Über zoeva.de
76
ZUSAMMENGESTELLT VON CAROLINE BÖRGER
Alles in einer Box
MARKENGESCHICHTE
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ch habe nie erwartet, dass Juliette zehn werden würde. Ich
dachte, ich könnte mit fünf
Düften festnageln, was ich mit
Juliette sagen will. Aber, überraschenderweise ... Sie hat so
viel Power“ – da glimmt sie
auf in seinen Augen, die Kraft
und Leidenschaft für das, was er tut. Obwohl
er erschöpft ist. „Die letzten zwei Wochen waren ein Albtraum“, sagt er und lacht dabei.
New York, Istanbul, Polen, Moskau, Paris und
dann zum Rennen nach Barcelona. Die Rennfahrerei ist seine Passion. Da kommt er gerade
her. Fluglotsenstreik, acht Stunden warten am
Flughafen, also setzt er sich in einen der letzten verfügbaren Leihwagen und brettert die
1000 Kilometer nach Paris. Bittet für die drei
Stunden Verspätung mehrfach um Entschuldigung und ordert erst einmal Wodka. Das ist
hier obligatorisch, im „Caviar Kaspia“, einem
jedenfalls nicht mehr los. In einem Alter, da
Jungs vom ersten Kuss träumen, tobt in Romano Ricci außerdem ein tiefer Konflikt.
Großvater Robert, Sohn von Modelegende Nina Ricci und verantwortlich für das Unternehmen, entzweit sich mit seinem Sohn, Romanos Vater Jean-Louis. Der Junge ist hin- und
hergerissen zwischen dem Großvater, der ihn
ernst nimmt, die Welt der Parfüms nahebringt, und dem geliebten Vater, der so gar
nicht den Erwartungen des Familienoberhaupts entsprach: Der Bruch kommt und ist
endgültig. Jean-Louis sagt sich vom Vater und
der Firma los, verkauft seinen Anteil und wird
Profi-Rennfahrer.
Romano Ricci schwört, niemals ins Parfümbusiness einzusteigen: „Mein Vater war ein
feiner Mensch, wir waren sehr eng miteinander, haben uns alles erzählt und das VaterSohn-Ding vermieden, wir waren eher wie
beste Freunde.“ Auch der Sohn beginnt mit 16
stärken, all ihre Facetten auszuleben!“ Für die
Umsetzung holt er sich den Parfümeur Francis Kurkdjian an die Seite. „Seine Firma hatte
ihn geschickt, und er war mäßig begeistert.
Nach dem Motto: Ich treffe mich jetzt mit diesem Typen, diesem Ricci, dem Urenkel von Nina Ricci, dieser ganze Bullshit. Ob er überhaupt zugehört hat? Keine Ahnung. Aber als
ich gesagt habe, es solle ‚Juliette has a Gun‘
heißen, da war er auf einmal wach und meinte, dass er es liebe!“
2006 lässt er sie dann los, seine „Julia“. Bewaffnet mit Munition aus Rosen. Ein großer
Erfolg. Alle ersten Düfte drehen sich um die
Rose. „Miss Charming“, die noch kindliche Julia, romantisch voll der Illusionen, die Cinderella-Story; „Lady Vengeance“ ist schon selbstbewusster, „Citizen Queen“, die entdeckt, welche Kraft in ihrer Sinnlichkeit steckt. Bereits
die vierte Juliette-Episode komponiert Romano selbst. „Calamaty J“. „Es war ein Flop“, gibt
Gel(i)ebte Widersprüche
Romano Ricci hat der bekanntesten Frauenfigur der Literatur eine
Knarre verpasst und eine Duftmarke gewidmet. Susanne Opalka traf den
78
seiner zwei Lieblingsrestaurants in Paris.
Herrlich plüschig, mit Jazz- und Swingklängen im Hintergrund. Zur Fashion Week sitzen
hier Tom Ford und Karl Lagerfeld. „Es ist so
dermaßen trendy, aber deswegen mag ich es
nicht. Ich komme seit meiner Kindheit her,
meine Großmutter war Russin.“ Romano Ricci ordert seine Lieblingsgerichte von der
Speisekarte. „Einverstanden, wenn wir teilen?“, fragt er und schwärmt von der Kartoffelmousseline. „Ich arbeite eine Menge“, sagt
er dann, „es ist kaum vorstellbar, was alles dazugehört, um so eine Marke zu haben und zu
entwickeln. Es ist alles sehr, sehr persönlich,
auch wenn es nach einer Menge Marketing
aussieht.“ Ein ironisches Zwinkern in den Augen, schiebt er den Fedora nach hinten. Hut
trägt er immer, schon seit Kindertagen.
Ein paradoxer Typ sei er. Als typischer italienische Macho erzogen, habe er dennoch mit 14
oder 15 bereits empfunden, dass Frauen so viel
mehr Stärke besäßen als Männer. Vielleicht
lag das auch daran, dass er zusammen mit drei
Schwestern aufwuchs Der Gedanke ließ ihn
Jahren Motocross zu fahren, steigt auf Rennwagen um, fährt die 24 Stunden von Les Mans,
merkt aber schnell, das Talent reicht nicht, um
wirklich gut zu werden. Als er 20 ist, stirbt
sein Vater. Ein Jahr zuvor hatte Jean-Louis
Ricci sein letztes Rennen bestritten, zum ersten Mal mit seinem Sohn im Cockpit. „Der
Tag, an dem er starb, änderte alles.“
Fünf Jahre lang lernt Romano von der Pike
auf, was das Duftbusiness bedeutet. Geht zu
einer großen Riechstofffirma, arbeitet für
verschiedene Anbieter, startet als Trainee bei
einer Marke, wird ihr Manager: „Ich hatte dieses Ding für Parfüm in mir – und ich wollte
unbedingt besser sein als mein Großvater, bei
ihm war alles außer „L’Air du Temps“ ein Flop.
Aber er hatte diese Passion, und die hat er in
mir geweckt.“ Überzeugt davon, es sei an der
Zeit für eine moderne Auffassung von Duft,
entwickelt er sein Konzept. Er startet allein,
entwirft Logo, Packaging, die Flakons. Für ihn
ist Parfüm ein olfaktorisches Outfit: „Mir
macht es Spaß, ein Werkzeug zu erschaffen,
mit dem man spielen kann. Und Frauen zu be-
er zu und lacht. Er sei kein ausgebildeter Parfümeur, aber er habe das Riechen erlernt, vor
allem von Francis Kurkdjian. Heute arbeite er
mit etwa 50 Inhaltsstoffen, die er alle gut kenne. Der halbe Prozess der ganzen Kreation sei
es eh, den klaren Gedanken zu haben, wer sie
sei, die Frau. „Und es ist niemals jemand Bestimmtes. Es ist ein Ausdruck des Stils.“
Mehr als zwei Düfte pro Jahr könne er nicht
schaffen. Einen für die „normale“ Linie und
einen für die vor zwei Jahren entstandene Luxus-Kollektion, in der er Juliettes Facetten
noch extremer ausspielt. Ein Ende ist auch
nach zehn Jahren nicht in Sicht: „Die Frauen
meiner Generation haben alle Freiheiten erreicht, haben aber noch dieses CinderellaSyndrom und kämpfen ständig mit sich.“ Persönlich liegt ihm noch etwas auf dem Herzen:
„Der Urenkel von Nina Ricci, das bin ich, ich
habe diesen Namen, aber darauf sollte es nicht
reduziert werden, es ist so viel mehr dahinter.“
– „Was ist ein Name? Was uns Rose heißt, wie
es auch hieße, würde lieblich duften“; Shakespeare, „Romeo und Julia“, zweiter Aufzug.
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Chef von „Juliette has a Gun“ in Paris – nicht am Schießstand
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SONNTAG, 17. APRIL 2016
Global Diary
PARIS
Wir waren gefühlt in einer Filmszene aus „Being
John Malkovich“ gelandet. Die, die in diesem
siebteinhalbten Stockwerk spielt, in dem die Deckenhöhe auf Brusthöhe hängt. Meine Mutter
verrenkte sich, um die schmale Biegung der winzigen Stiege hinaufzugelangen, ohne sich den
Kopf zu stoßen. Aber ihr Koffer hatte keine
Chance. Meine Mutter ist übrigens sehr schlank.
„Upgrade“ war das Zauberwort an der Rezeption
gewesen, mit dem Amelie, die charmante Mit-
80
inhaberin des Hotels, verkündet hatte: „Sie bekommen die Suite in der obersten Etage.“ Großartig, nur hat das herrlichste Zimmer des kleinen
Hotels leider keinen Balkon. Den Blick über die
Dächer des 10. Arrondissement ohne eine Zigarette genießen? Bei meinen vorherigen Aufenthalten im „Hotel Paradis Paris“ hatte ich immer
das Glück, eines der Balkonzimmer zu erhaschen. Verständnislos blickt mich Amelie an:
„Lehnen Sie sich doch einfach ein bisschen aus
dem Fenster.“ Echt? „Mais oui!“ Paris, je t’aime!
Dass es ein wenig Geschicklichkeit erfordert,
den Aufzug zu erreichen ohne zwischen
Schnapptür, dem Hauch eines Korridors und
Trennwand zur Bar festzustecken, wusste ich
schon. Wer zu Fuß geht, freut sich über die von
Stock zu Stock verschieden gemusterten Tapeten, Pfauen im ersten Stock, im zweiten große
Karos, gefolgt von Störchen und Schwänen. Und
dann der unglaubliche 7. Stock, aus dem ich meine Mutter wieder hinauszerre, um mit ihr unsere
Zimmertür aufzuschließen. Wir haben bodentiefe Fenster, sehen Sacré-Cœur, haben ein feuerrotes Sofa und Fifties-Beistelltische, eine Espressomaschine und ein für Pariser Verhältnisse geräumiges Bad; der Schlafbereich ist durch eine
Doppeltür getrennt – famos. Im vergangenen
Wer käme schon im März auf die Idee, mitten in der tansanischen Savanne
an Weihnachten zu denken? Nun, für einige deutsche Touristinnen im sportlichen Safari-Outfit ist das keineswegs abwegig. Zusammen mit vier MassaiFrauen sitzen wir im Schatten der Akazie vor einer Rundhütte aus Lehm und
Stroh. Links erhebt sich der Kilimandscharo mit seiner schneebedeckten
Spitze, rechts der etwas flachere Mount Meru. Dazwischen die weite, hügelige Steppe, auf der die Ziegen- und Kuhherden als helle Punkte in der Ferne
blöken. Es ist jenes Stück Land, das für die Massai als heilig gilt. Wer hier herkommt, ist eigentlich gar kein Tourist, sondern Gast. So heißt es jedenfalls.
Da sitzen wir also: sechs weibliche Gäste aus Europa,
die sich von den einheimischen Frauen mit hinreißendem Lächeln zeigen lassen, wie man aus bunten
Perlen und Draht traditionelle Ohrringe, Armreifen, Traumfänger oder Engelsfiguren fertigt.
„Das geht ganz schön auf die Gelenke“, stellen die Urlauberinnen fest, während sie versuchen, die kleinen Perlen auf die Drahtschnur zu fädeln. Ebenfalls etwas unbeholfen, aber mit Hingabe fummle ich
mir einen Traumfänger zurecht. Die Safari-Freundinnen haben es dagegen auf
die Engelchen abgesehen. Besonders
elegant sieht deren Himmelsboten-Wickelei allerdings auch nicht aus, wie sie
selbst schnell feststellen. „Wir sollten noch
ein paar kaufen“, sagt eine der Frauen und
wendet sich ihrem Mann zu, der hinter dem bunten Grüppchen steht und fleißig Handybildchen
schießt. „Hans-Jürgen, holst du mal?“ Hans-Jürgen zieht
los. Die Massai-Frauen lächeln und legen einige fertige Engel vor sich auf die
Decke. „10 Dollars each“, übersetzt ein Massai-Mann. „Das ist es absolut
wert, so kompliziert wie das ist“, sagen die Frauen. Da haben sie recht. HansJürgen ist mit den Geld zurück. „Ist das heiß hier. Aber diese Natur. Unglaublich!“, sagt die Frau vom Hans-Jürgen und kauft gleich mehrere Engel.
Dann fügt sie hinzu: „Sie passen einfach perfekt zum Weihnachtsbaum im
Büro!“ Und so kommt es, dass im März in der tansanischen Steppe bei 30
Grad im Schatten die ersten Weihnachtsvorbereitungen getroffen werden.
Friederike Ostermeyer findet, dass man in Tansania allein durch ein Lächeln großartige Unterhaltungen führen kann
TANSANIA
ERINNERN SIE SICH? AN DIE ZEIT, ALS MAN
STATT WHATSAPP UND E-MAIL NOCH KARTEN VON
FREMDEN ORTEN SCHRIEB? WIR TUN ES NOCH IMMER.
ILLUSTRIERT VON TIM DINTER
Jahr wurde das Hotel mit dem Wallpaper-Award
als bestes Stadthotel ausgezeichnet, auch wegen
des schönen Interieurs. Designerin Dorothee
Meilichzon hatte 2012 das Haus in der Straße der
kleinen Pferdeställe (Rue des Petites-Écuries)
neu erfunden, so zum Beispiel die Decke der
Lounge mit Metallkacheln gefliest, darunter weiße Lümmelsofas vor eine Boiserie gestellt, hat
Vintage-Sideboards im Haus verteilt und extravagante Beleuchtung inszeniert.
Ich lade meine Mutter in die Bar nebenan ein,
auch so ein Kleinod mit schöner Weinkarte und
einem sehr wortkargen Schweden hinter dem
Tresen, der auf einer einzigen Kochplatte abendlich ein, zwei verschiedene Gerichte zubereitet.
Am nächsten Morgen weiß die nur auf den ersten Blick streng wirkende Mitarbeiterin schon,
dass ich ein Kännchen benötige (die Kaffeemaschine im Zimmer macht ja kein „au lait“), ich balanciere das Tablett mit Croissants und Co. inzwischen geübt gen Lift, da ruft jemand meinen
Namen. Ich reagiere nicht. Verflixt, jetzt sehe ich
die Rufende. Eine Ex-Kollegin aus Hamburg. Es
wäre zu schön gewesen, wäre das Hotel ein Geheimtipp geblieben. Mein Paradies ist in Gefahr.
Esther Strerath wird sicher bald wieder nachsehen, ob ihr Paradies noch in Ordnung ist
COSTA NAVARINO
Durchtrainierte Männer mit akkurat rasiertem Bart und Brusthaar kühlen
sich im Pool ab, ein Glas Rosé in der Hand haltend. Nicht minder attraktive
Frauen prosten ihnen zu und halten den großen Diamantring so geschickt
in die Sonne, dass die Umgebung davon geblendet wird. Wer sehen will,
wo Griechenland Bargeld in Lebensfreude umwandelt, der sollte einmal Urlaub im Hotel
„The Romanos“ auf der Peloponnes
machen. Das Fünf-Sterne-Haus, Teil
der Luxury Collection Ressorts,
liegt an der Costa Navarino, rund
eine Stunde von Kalamata entfernt. Einem modernen Tempel
ähnlich, „umarmen“ die Gebäude einen begrünten Park,
der am Privatstrand endet.
Dort kann man seinen Tag verbringen, darüber nachdenken,
wie das Meer so klar und blau sein
kann und im Beach-Restaurant einen Salat essen und ein Glas
Roséwein von den eigenen Reben genießen. Wer aber gern Teil einer glamourösen Seifenoper sein will, der sollte sich ein Liegeplätzchen am Pool reservieren. Am besten direkt an der Bar. Bei angenehmen Beats lässt sich gut entspannen, und spätestens donnerstags treffen
reiche Griechen fürs Wochenende ein und beweisen: Ja, sie können feiern
und lieben es, in Gruppen aufzutreten. Was nie laut ist. Eher ein Beispiel
dafür, dass Gemeinschaft Spaß machen kann. Vom Indoor-Pool über das
Gym bis zu einer Sonnenuntergangsaussicht aus der offenen Lobby – eigentlich kann man keine Nachteile am „The Romanos“ finden. Vielleicht
einen: Weil die Restaurants – vom Libanesen über den Japaner bis zum
Steakhouse – so gut sind, will man das Areal nicht verlassen. Dabei gibt’s
ganz in der Nähe den Voidokilia Beach, der zu einem der schönsten Strände der Welt gewählt wurde. Wein einpacken, gegen Abend hinfahren.
Lohnt sich.
Oliver C. Schilling hielt nach seinem Aufenthalt im „The Romanos“ den
möglichen Austritt Griechenlands aus der EU für überaus bedauerlich
UNTERWEGS
Das stilistische Durcheinander ist gewollt – und macht das Hotel heimelig: Im „Casa Bonay“ soll niemand nur übernachten müssen
E
röffnet hat das „Casa Bo- hundert. Rechts führt eine Tür zur Rezeption,
nay“ erst im Februar, doch links geht es ins vietnamesische Deli, geradeeigentlich existiert es seit aus kann man durch eine Glasfront ins „Liberacht Jahren. So lange hatte tine“ sehen: den Loungebereich, der nicht nur
die Mitinhaberin Inés für Gäste großes Ess- und Wohnzimmer in eiMiró-Sans bereits im Kopf, nem sein soll. Ein moderner Kronleuchter
welche Art von Hotel sie in thront über Bistrotischen und Korbstühlen, in
ihrer Heimatstadt Barcelo- der Mitte vor dem Kamin stehen große Lederna vermisste: Ein Haus, das sofas, rechts die Tische, an denen morgens genicht nur Schlafstätte für Besucher, sondern frühstückt wird. Der Boden: das klassische
auch Begegnungsstätte für alle Leute der Gehsteigpflaster von Barcelona. Stilistisch
Stadt sein sollte. Anders als all die verschlosse- schon jetzt ein spannendes Durcheinander.
nen Hallen der Hotels, in denen sie zuvor ge- Dann passiert man auf dem Weg zur Rezeptiarbeitet hatte. Doch ihr Konzept wurde von on den kleinen Toilettenbereich, für den von
den Investoren abgelehnt – was vielleicht einer befreundeten Designerin extra eine eigene Tapete entworauch am Alter der amfen wurde: Asia-Pinbitionierten Unternehups auf Obst vor
merin lag: gerade 24.
Palmblättern – AlesAlso ging die Frau erst
sandro Michele von
einmal in die USA, arGucci wäre entbeitete einige Jahre bei
zückt. Die Rezeptiden Gründern der
on wiederum ist
„Ace“-Hotels, um bei ihganz in hellem Holz
rer Rückkehr noch
gehalten
und
hartnäckiger nach eikommt eher skandinem Geldgeber zu sunavisch clean daher.
chen. Diesmal jedoch
Alles hier ist eine
mit Erfolg.
Collage aus Details,
Dass das „Casa Bonay“
Wer sagt, Hotels seien nur
die eigentlich nicht
jetzt irgendwie anders,
zusammenpassen
offener ist, wird gleich
zum Schlafen da? Im „Casa
und doch am Ende
am Eingang deutlich.
Bonay“ in Barcelona stehen
ein ziemlich authenKeine Glasschiebetür,
tisches Ganzes ergesondern eines dieser tydie Türen der ganzen Stadt
ben. Wie das oft in
pischen,
prächtigen
den besten WohPortale, durch die früoffen. Silke Wichert überzeugte
nungen der Fall ist.
her die Kutschen einsich davon vor Ort
Auch deshalb heißt
und ausfuhren, und die
es „Casa Bonay“,
einen jetzt hineinzienach den früheren
hen, wenn sie offen stehen. Ehe man es sich versieht, ist man also Besitzern des Hauses, und nicht „Hotel Bonay“.
mitten drin im „Hause Bonay“, einem reprä- Tatsächlich ist diese Mischung bisher einmasentativen Wohngebäude aus dem 19. Jahr- lig im touristisch sonst so ausgereizten Barce-
NACHO ALLEGRE (2); METRIXELL ARJALAGUER (1)
Mein
Haus ist
dein Haus
lona. Das geplante „Soho House“ unten am Hafen hat noch nicht eröffnet. Die teuren Hotels
sind eher klassisch-elegant, die günstigen oft
nicht der Rede wert. Zudem ist die Lage unschlagbar. Mitten an der Gran Via, der großen
Straße, die ziemlich genau durch die Mitte
von Barcelona führt. Ganz unterschiedliche
Leute sollen hier übernachten können, deshalb gibt es sieben verschiedene Preiskategorien: kleine Suiten mit Terrasse und Blick auf
einen der weitläufigen Hinterhöfe von Barcelonas Eixample-Viertel. Familienzimmer mit
extra Wohnbereich und kleinem Wintergarten, kleinere Räume ab 100 Euro, und alle haben Tageslicht – in dieser Stadt ist das nicht
selbstverständlich. Dafür ließ Miró-Sans kurzerhand eine luftige Schneise durch die Mitte
des Hauses ziehen. Man blickt nun quasi auf
einen kleinen Innenhof, in dem lauter Palmgewächse in Töpfen stehen.
Eingerichtet sind die Zimmer fast alle einheitlich. Außer im obersten Geschoss, das mit großer Rooftop-Terrasse neu hinzukam, sind
überall die alten Mosaikfußböden erhalten.
Als Barcelonesin war es Miró-Sans wichtig,
vor allem einheimische Designer zum Zug
kommen zu lassen, weil die Stadt mehr davon
zu bieten hat, als die meisten wissen. Die kleinen Hocker und Tische stammen also wie die
Rezeption von Marc Morro, die Lampen von
Santa&Cole, die natürlichen Seifen von Las
Lilas. Die blaue, kuschelweiche Überdecke, in
gewisser Weise das Herzstück jedes Zimmers,
wurde von Teixidors eigens für das „Casa Bonay“ entworfen. Die Marke verwendet nur
hochwertigste Wolle und lässt in Behindertenwerkstätten bei Barcelona fertigen. An der
Rezeption gibt es eine kleinere Version der
Decke zu kaufen – für alle, die sich nach ihrem Aufenthalt nicht ganz von diesem Zuhause trennen können. Und je öfter das passiert,
desto mehr darf sich Inés Miró-Sans verstanden fühlen.
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BAUPLAN
1
2
4
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8
9
7
STEINWAY
5
3
DER „B“-FLÜGEL
VON STEINWAY
& SONS
In den Ateliers und Manufakturen dieser Welt werden
weiterhin Handwerkskünste gepflegt, und wir schauen zu
Immer den richtigen Ton zu treffen, das ist in der Musik wie auch im Leben eine große Kunst. Die richtige Ausstattung hilft – zumindest in der Musik. Viele Konzertpianisten entscheiden sich daher für einen Steinway & Sons. In der Küche seiner Wohnung fertigte Heinrich Engelhard Steinweg 1836 seinen ersten Flügel
an. Heute wird vor allem in Hamburg und New York gefertigt. Zwei Jahre muss das Holz für das Modell „B“ lagern und reifen. Ein weiteres braucht es, um die
rund 12.000 Einzelteile zusammenzufügen. Der Weg bis zum ersten Ton in neun Schritten zusammengefasst: 1. An einem Rimbiege-Block entsteht die geschwungene Außenkontur, der sogenannte Rim. 2. Dafür werden lange Schichten von Harthölzern miteinander verleimt. Danach muss der Rim 100 Tage ruhen. 3. Ein Handwerker setzt nun den Stimmstock in den Rim ein. Mit ihm können später die Saiten gestimmt werden. 4. Parallel werden bereits kleinere Teile
wie Füße, Klaviaturboden und Deckel gefertigt. 5. Der Resonanzboden aus Sitka-Fichte ist Feinarbeit. Er ist für den perfekten Klang entscheidend. Später wird
er die Schwingungen der Saiten an die Umgebung abgeben. 6. Jede Saite ist mit einer Gewichtskraft von mehreren Tonnen gespannt. Eine Gusseisenplatte als
tragendes Element hält dem Stand. 7. Rund 250 Saiten werden einzeln in den Flügel eingesetzt. 8. Für Einbau und Justierung von Klaviatur und Mechanik
kommen weitere 7000 Einzelteile hinzu. 9. Zum Schluss überprüft Chefintoneurin Wiebke Wunstorf, auch „das Ohr“ genannt, die Intonation. Die ist entscheidend für die Klangfarbe und Lautstärke des Flügels. Ziel ist es, dass alle 88 Töne gleich reagieren. Übrigens: Es gibt nun erstmals einen Steinway, der von
allein spielt. Mithilfe einer App übertragen sich 8000 Stücke – eingespielt etwa von Lang Lang oder Joja Wendt – auf das „Spirio“-Modell.
,,Leben wie ich will.“
Neu am Kiosk
ab 31. März