„DIE GROSSEN SPIELER HABEN JETZT NOCH MEHR EINFLUSS“

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„DIE GROSSEN SPIELER HABEN JETZT NOCH MEHR EINFLUSS“
WWW.INVESTMENT-INSIDE.DE
WWW.INVESTMENT-INSIDE.DE
FEBRUAR 2011
OKTOBER 2011
Magazin für Finanzentscheider
16,50 EURO
16,50 EURO
Finanzmagazin für Entscheider
INTERVIEW MIT US-FINANZEXPERTIN SANDRA NAVIDI
„DIE GROSSEN SPIELER HABEN JETZT NOCH MEHR EINFLUSS“
REGULIERUNG
ISLAMIC FINANCE
EUROPA
AUFSEHER SENDEN
IN DEUTSCHLAND
AUTOMOBILWIRTSCHAFT
FALSCHE SIGNALE
FEHLANZEIGE
TROTZT DER KRISE
Deutsches Eigenkapitalforum
21. – 23. November 2011
Frankfurt am Main
»Unternehmer treffen Investoren«
Seit 1996 organisieren die Deutsche Börse und die KfW Bankengruppe das Deutsche Eigenkapitalforum.
Mit über 5.000 Teilnehmern aus der Finanzindustrie, der deutschen und internationalen Unternehmerschaft
sowie Investoren und Analysten ist die 3-tägige Veranstaltung inzwischen Europas größte Plattform rund
um die Eigenkapitalfinanzierung.
Treffen Sie das Top Management von rund 200 Small- und Mid-Cap Unternehmen
Rund 200 Unternehmen des Prime Standard aus den Bereichen Software & IT, Alternative Energies, Life
Science, Green Technology, Telecommunication, Consumer & Retail ,Industrial, Aerospace & Defense, MedTech, Media und Finanzdienstleistungen präsentieren die aktuellen Ergebnisse des dritten Quartals und
die zu erwartende Geschäftsentwicklung.
Des Weiteren bietet der 1on1 Bereich eine ruhige und exklusive Atmosphäre neue Emittenten kennenzulernen
und bestehende Kontakte zu vertiefen. In kürzester Zeit können sich Investoren einen ersten Eindruck von
den Unternehmen verschaffen in dem sie im Rahmen der 1on1 FACTory im Speed-Dating auf 12 Unternehmer
treffen. Die Teilnahme am Deutschen Eigenkapitalforum 2011 ist für institutionelle Investoren kostenfrei.
Ein attraktives Konferenz- und Seminarprogramm begleitet die Unternehmenspräsentationen und bietet einen
Überblick über die neuesten Entwicklungen im Bereich der Unternehmensfinanzierung.
Anmeldung und weitere Informationen: www.eigenkapitalforum.com
Sponsoren und Partner
Co-Initiator:
Ernst & Young
Hauptsponsoren:
Berenberg Bank, Close Brothers Seydler Bank AG, DZ BANK AG, equinet Bank AG,
FCF Fox Corporate Finance, Istanbul Stock Exchange, Jefferies International Limited,
LBBW/Landesbank Baden-Württemberg, Silvia Quandt & Cie. AG
Sponsoren:
BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, CMS Hasche Sigle, GSK STOCKMANN + KOLLEGEN,
Haubrok, HSBC Trinkaus, IKB Deutsche Industriebank AG, KPMG, Morgan Stanley, Rölfs Partner,
Taylor Wessing, WestLB
Partner:
Creathor Venture, cyberOne, DVFA, Holland Private Equity, PvF Investor Relations, STEP Award
Medienpartner:
BIOCOM AG, BNE Business New Europe, Bond Magazine, Börsen Radio Network, Börsen-Zeitung,
DAF Deutsches Anleger Fernsehen, Dow Jones - Private Markets, dpa-AFX Wirtschaftsnachrichten,
FID Verlag, FINANCE-Magazin, FinanzNachrichten.de, GoingPublic Magazin, International Herald
Tribune, IR Magazine, Markt und Mittelstand, mergermarket, n-tv, Neue Zürcher Zeitung,
Phoenix CNE, REITs Deutschland, Swiss Equity Magazin, VDI Nachrichten, VentureCapital Magazin
MEMO
Mut zur Wahrheit
Ulrike Germann, Chefredakteurin
liebe Leserinnen, liebe Leser,
in Brüssel ist derzeit viel von schärferen Sanktionen für Defizitsünder oder präventiven
Maßnahmen zu Verhinderung übermäßiger makroökonomischer Ungleichgewichte zu hören. Konkret wird durch eine nachträgliche Vertragskosmetik Aktionismus verbreitet, der
die Märkte beruhigen soll. Doch die Märkte haben erkannt, dass die EU seit ihrer Gründung
einige Webfehler hat, insbesondere da ihr Regelwerk bislang Tür und Tor für fast schon kriminellen Konsum der volkswirtschaftlichen Droge Staatsschulden öffnet. Dies stellt zwar
nicht die EU als Ganzes in Frage und noch viel weniger die funktionierende Gemeinschaftswährung. Es macht aber deutlich, dass es jetzt Zeit für eine Kalibrierung der Risiken ist.
Nur mit einem langfristig funktionierenden Gleichgewicht innerhalb der EU werden die
Märkte wieder Vertrauen fassen. Vertrauen, das die EU-Regierungen mit ihrer Politik der
kleinen Schritte fast verspielt haben. Anders ist schwer zu erklären, warum die Realwirtschaft derzeit belastbare Fakten für einen rund laufenden Konjunkturmotor liefert, die
Börsen darauf aber nur verhalten reagieren. An Panik erinnernde Ausverkäufe an den
Aktienbörsen sind nicht allein auf die Schulden zurückzuführen, sondern auch darauf,
wie die Verantwortlichen damit umgehen. Schließlich haben Griechenland oder Italien
nicht erst seit gestern über ihre Verhältnisse gelebt. Die Chance liegt in der schonungslosen Transparenz. Märkte können mit Schulden umgehen, wenn eine umsetzbare Strategie
zum Abbau vorliegt. Ein Einbruch der Konjunktur muss damit nicht einhergehen. Verantwortungsvoller Konsum ist guter Konsum!
Unsere Titelgeschichte zeigt auf, dass entschlossenes statt hektisches Handeln der Politik
gefragt ist. Rettungsschirme allein halten maximal den sauren Regen aus den Schuldenländern ab. Die aktuelle Krise erfordert jedoch den Silberstreif am Horizont. Es führt kein
Weg daran vorbei, die Schuldenberge der öffentlichen Haushalte abzubauen – in Berlin,
in Deutschland und in Europa. Fakt ist: Die Mehrzahl der Wähler will diesen Schritt, wie
Umfragen beweisen. Selbst wenn dafür ein paar mehr Schlaglöcher entstehen. Die Politik
schreckt vor der Wahrheit zurück, vermutlich aus Angst davor, beim nächsten Urnengang
das Vertrauen zu verlieren. So kurzsichtig kann man kein Land regieren und auch keine
Finanzkrise meistern. Mut ist jetzt gefragt.
Ihre
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
3
INHALTSVERZEICHNIS
03 Memo
Mut zur
Wahrheit
Investment
World
Investment
Topic
1
2
08 INVESTMENT-TALK USA
Ein Schattenmarkt für
Silicon-Valley-Aktien
21
Top-News aus aller Welt
14
Termine
06
29 impressum
34
VORSCHAU
10
in ASIEN
Goldrausch in China
12
in Deutschland,
Österreich & der Schweiz
Schweizer Franken
verhagelt Performance
34
UNTERNEHMENSIndex
INVESTMENT-TALK
13in EUROPA
Die Automobilwirtschaft trotzt der Krise – noch
14
NEWS
Sandra Navidi, Gründerin und CEO
der New Yorker Consultingfirma
Beyond Global, ist eine erfahrene
Kennerin der Wall Street. Im exklusiven Gespräch mit unserer USA-Korrespondentin Christine Mattauch
berichtet sie über die Stimmung
dort, bewertet die Schuldenkrise
und die Chancen für eine Erholung
der US-Wirtschaft.
16
REGULIERUNG
Aufseher senden
falsche Signale
Foto: Tobias Everke
„Die groSSen Spieler haben jetzt noch mehr Einfluss“
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10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
Investment
Practice
Investment
Facts
3 4
Information. Vorsprung. Erfolg.
1
Jahr am Markt!
Verbreitete Auflage: 17.337
ab sofort IVW geprüft!
(II/2011, laut IVW-Aufnahmeprüfung)
26 Islamic Finance
In Deutschland
Fehlanzeige
25 Pro + Contra
Boomen Mittelstands-Bonds zu Recht?
28 Immobilien oder Infra-
struktur – oder beides?
Gastbeitrag von
Prof. Dr. Wolfgang Schäfers, Universität Regensburg
meeting mit…
Michael
Montag, AQUILA
30
Geringere Volatilität
mit Sachwerten
Wir danken für Ihr
Interesse und freuen
uns auf die künftige
Zusammenarbeit!
32 Auswirkungen von
UCITS IV auf institu
tionelle Anleger
INVESTMENT INSIDE – das sind
relevante Finanzinformationen sowie
praxisnahe Strategien für den
Institutionellen Investor.
Gastbeitrag von Alexander Poppe und Norbert Starnow, HSBC
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schnell verständlich aufbereitet.
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10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
INVESTMENT WORLD
Top-News aus aller welt
Spanien: Investoren vertrauen Regierung
Spanien hat mit seiner Schuldenpolitik wohl doch noch nicht das
Vertrauen der Investoren verspielt. Vielmehr sind diese bereit,
das Land bei seiner Regeneration zu unterstützen. Für etwa fünf
Prozent haben Investoren im September Staatsanleihen mit
einem Gesamtvolumen von etwa vier Milliarden Euro gekauft.
Das Land sei mit seiner Arbeitsmarkt- und Steuerreform auf dem
richtigen Weg, begründete ein Investor die hohe Nachfrage. Der
Verkauf der Anleihen mit drei unterschiedlichen Laufzeiten war
Händlerangaben zufolge sogar bis zu 2,7-fach überzeichnet.
USA: Bondmarkt immer beliebter
Der amerikanische Markt für Firmenanleihen ist zunehmend
auch für europäische Firmen attraktiv. In den ersten neun Monaten dieses Jahres besorgten sich 719 Unternehmen des alten
Kontinents Kapital in den USA, so die internationale Researchfirma Dealogic. Das waren 212 mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum und mehr als dreimal so viele wie 2009. Hintergrund
ist offenbar, dass von der Euro-Krise betroffene Banken zunehmend restriktiv bei der Kreditvergabe verfahren, weshalb
sich die Unternehmen in Richtung USA orientieren. Dort ist der
High-Yield-Bond-Markt derzeit außerordentlich liquide, weil
angesichts der Niedrigzinspolitik der Fed viele Investoren nach
renditestarken Anlagen suchen und dafür auch höhere Risiken
in Kauf nehmen.
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Peru: Boom mit Gold
Der größte Goldproduzent der Welt, Barrick Gold mit Sitz in Kanada, berichtete Mitte September von dem Vorhaben, bis 2013
rund 550 Millionen Dollar in Peru zu investieren. Geschäftsführer
Darrel Wagner erklärte, man wolle die Position von Barrick in Peru
durch Produktion und Exploration stärken. Ein Großteil der Gelder wird in die Erweiterung der Lagunas-Norte-Mine fließen, die
2010 808.000 Unzen Gold produzierte. Barrick plant den Bau eines Laugungsfeldes, für das eine Investition von 365,5 Millionen
Dollar nötig sei, hieß es weiter. Das Unternehmen betreibt darüber
hinaus in Peru die Goldmine Pierina und hofft, deren produktives
Minenleben bis 2018 ausdehnen zu können. Bislang sollte dieses
2014 enden. Die Mine produzierte 2010 191.000 Unzen Gold.
Peru ist der sechstgrößte Goldproduzent weltweit. Vom Boom
könnten auch weitere Investoren profitieren.
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
INVESTMENT WORLD
Asien: Immer mehr Reiche
Vermögende Asiaten haben 2010 erstmals Europas Reiche überholt. Nach Angaben des World Wealth Report der Bank of America
und der Beratung Capgemini nennen 3,3 Millionen Asiaten ein
Vermögen von mehr als einer Million Dollar ihr eigen. Gemeinsam
besaßen sie im vergangenen Jahr 10.800 Milliarden Dollar, ein
Plus von 12,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die entsprechenden 3,1 Millionen Europäer in dieser Wohlstandsklasse haben zusammen 10.200 Milliarden Dollar. Der Trend ist ungebrochen.
Nach Einschätzung der Schweizer Privatbank Julius Baer wird
sich die Zahl der Superreichen in Asien bis 2015 verdoppeln,
ihr Vermögen gar verdreifachen. China steht einmal mehr an
der Spitze: Laut dem Hurun-Report, einer Art chinesischer Forbes-Liste, zählte das Land 2010 271 Dollar-Milliardäre, doppelt
so viele wie 2009.
Schweiz: Too big to fail
Nicht nur der kürzlich bekannt gewordene Betrugsfall im Hause
UBS, sondern auch finanzschwache Kreditinstitute beschäftigen
nachhaltig die Schweizer Behörden. So stimmte der Nationalrat
den Vorschlägen des Schweizerischen Bundesrats zu, dass große
Banken künftig strengere Anforderungen hinsichtlich Eigenkapital und Organisation einhalten müssen. Mit der Gesetzesrevision soll das Risiko vermindert werden, dass die großen Kreditinstitute in Schieflage geraten können. Ganz nach dem Prinzip „too
big to fail“. Die UBS hatte 2008 nur mit Hilfen des Staates einen
Konkurs abwenden können. Mittlerweile sind die Eidgenossen
überzeugt, dass ein solcher Fall eine ganze Volkswirtschaft gefährden kann und haben entsprechend gehandelt.
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INVESTMENT World
Ein Schattenmarkt für
Silicon-Valley-Aktien
Investoren suchen nach lukrativen Anlagen und finden Mitarbeiteraktien von Facebook
und Co. Noch vor vier Jahren war der Handel mit privat gehaltenen Firmenanteilen eine
Ausnahme – heute ist er ein Milliardengeschäft.
Bis Mitte 2007 war Barry Silbert ein Mann mit mäßigem Erfolg. In einem kleinen Büro nahe des Battery
Parks in Manhattan versuchte der ehemalige Investmentbanker von Houlihan Lokey, illiquide Assets an
„Wir bauen die nächste Generation aussichtsreicher
Unternehmen auf.“
Silicon Valley brauchen erfolgreiche Firmengründer
immer länger bis zum IPO. Gestiegene Anforderungen der Börsenaufsicht und die Rezession ließen
Gründern und Venture Capitalisten einen Börsengang häufig als unattraktiv erscheinen. Doch vielen
Mitarbeitern, die mit Aktien und Optionen entlohnt
werden, dauert das Warten auf bessere Zeiten zu
lange – sie wollen früher kassieren.
Vorstufe zum IPO
Partner und CEO
Felix Investments
den Mann zu bringen – nach Wall-Street-Kriterien
kein Traumjob. Dann traf er Vince Thompson, einen
ehemaligen Anzeigenleiter von Facebook. Der besaß
Mitarbeiteraktien des Social-Media-Unternehmens,
die er zu Geld machen wollte. Silbert vermittelte die
Aktien an einen Hedgefonds – und erlöste eine Millionen-Provision. Für ihn begann damit eine steile
Karriere – und für den Finanzsektor eine neue Ära.
Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit ist in den
vergangenen Jahren ein Schattenmarkt für Firmenanteile gewachsen, die noch nicht an den Börsen notiert
sind: von Facebook, Zynga, Groupon und anderen.
2007 gab es den Markt noch kaum; 2009 wurden nach
Branchenschätzungen bereits 2,4 Milliarden Dollar
umgesetzt, in diesem Jahr werden es rund sieben Milliarden sein. Das
Magazin Busine s s we e k h at
„Goldgräberstimmung“ und eine
„Welle der Gier“
ausgemacht.
USA
Hintergrund der
Entwicklung: Im
8
Ihre Ungeduld paart sich mit der von Investoren, die –
ähnlich wie zuvor nur Risikofinanziers – immer früher
in eine Firma einsteigen, um bei einem IPO satte Gewinne einzustreichen. Ursache ist die Niedrigzinspolitik der Fed, die es schwer macht, auf konventionellem
Weg hohe Gewinne zu erwirtschaften. „Die Investoren
suchen nach Alpha, um ihre Renditeverpflichtungen
gegenüber ihren Kunden zu erfüllen“, weiß Stephen
Bookbinder, Global Head of Sales der New Yorker Researchfirma GreenCrest Capital. Allerdings müssen
sie sich, um am Sekundärmarkt zu handeln, nach den
Kriterien der US-Börsenaufsicht SEC als professionelle
Marktteilnehmer ausweisen können.
Um Angebot und Nachfrage zueinander zu bringen,
formieren sich Mittler: Online-Marktplätze, die mit
Auktionen oder Kauf- und Verkauf-Anzeigen arbeiten,
ähnlich wie Ebay. Investmentfirmen, die selbst Anteile erwerben, sie in Fonds oder Holdings poolen und
an Anleger weiterverkaufen. Und schließlich Berater,
die diskret institutionelle Investoren und die Firmen
selbst zusammenbringen.
Zur ersten Kategorie gehört SecondMarket, die Firma
von Pionier Silbert. Nach seinem Anfangserfolg mit
Facebook baute dieser das Geschäft mit Mitarbeiteraktien zielstrebig aus. 2010 brokerte der 35-Jährige
bereits Aktien im Wert von 400 Millionen Dollar; gegenwärtig sollen auf der Plattform Firmenanteile im
Wert von rund 30 Milliarden Dollar im Angebot sein.
Freilich dauerte es nicht lange, bis Konkurrenten auf
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
Fotos: Unternehmen
Frank Mazzola
INVESTMENT World
den Plan traten. 2009 gründete Greg Brogger, ein Veteran der kalifornischen Start-Up-Szene, SharesPost mit
Sitz in San Bruno. Heute rühmt sich das Unternehmen,
für 77.000 Investoren tätig zu sein.
Die zweite Kategorie umfasst Banken und Investmentfirmen, die Fonds für ihre Kunden auflegen. Schlagzeilen machte im Januar Goldman Sachs, als die Bank
für 1,5 Milliarden Dollar Facebook-Anteile erwarb, einen Teil davon poolte und an Anleger weiterverkaufte.
Doch auch kleine, unabhängige Firmen mischen mit.
Etwa Felix Investments: Deren Gründer kamen Ende
2009 auf die Idee, ihre guten Kontakte an die Westküste zu kapitalisieren. „Im Februar 2010 kauften wir die
ersten Facebook-Anteile und legten zwei Fonds auf“,
erinnert sich Partner und CEO Frank Mazzola. Das
Investoreninteresse war überwältigend, und so wie„Die auf dem Secondary
Market kursierenden Anteile sind nicht mehr als
ein vages Versprechen.“
Vivek Wadhwa
Technologieexperte und
Forschungsdirektor
Duke University, Durham
(North Carolina)
derholten sie das Muster mit Twitter, Zynga, Pandora,
LinkedIn... Insgesamt waren es 14 firmenspezifische
Fonds. Sie seien heute alle geschlossen, erklärt Mazzola. Die Firma habe aber drei Multi-Opportunity-Fonds
aufgelegt und einen Seed Fund, der in Start-Ups investiert: „Wir bauen die nächste Generation aussichtsreicher Unternehmen auf.“ Ein riskanter, aber logischer
Schritt, denn die Konkurrenz um die etablierten TechFirmen ist inzwischen enorm.
Den Tech-Firmen selbst ist die Entwicklung alles andere als angenehm. Schließlich legten sie die Optionsprogramme einst auf, um die Mitarbeiter bis zum
Börsengang an die Firma zu binden. Jetzt aber gehen
viele vorzeitig und machen ihre Anteile am Schattenmarkt zu Geld. Einige Unternehmen versuchen die
Entwicklung zu kanalisieren, indem sie eigene Liquiditätsprogramme auflegen und den Mitarbeitern
einen Teilverkauf von Anteilen an ausgewählte Investoren anbieten. Hier setzt die dritte Kategorie von
Dienstleistern des Sekundärmarkts an: Sie stellen
Kontakte zwischen institutionellen Anlegern und Firmen mit Liquiditätsprogrammen her. Zu ihnen zählen
unter anderem GreenCrest Capital in New York, EB
Exchange Funds in San Francisco und Nyppex in Rye
Brook, 50 Kilometer nordöstlich von Manhattan.
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
Gelegenheit zum Betrug
Mit eigenen Research-Abteilungen versuchen die Berater dem Problem zu begegnen, dass Informationen
über private Firmen häufig schwer zugänglich und
ihre Chancen daher schlecht einschätzbar sind. „Die
auf dem Secondary Market kursierenden Anteile sind
nicht mehr als ein vages Versprechen“, warnt Vivek
Wadhwa, Technologieexperte und Forschungsdirektor an der Duke University in Durham (North Carolina). Der unkontrollierte Handel eröffne die Möglichkeit zu „Schwindel in einem Maßstab wie bei Enron“,
dem Energiekonzern, der nach einem spektakulären
Betrugsskandal 2001 pleite ging.
Es gibt noch andere Risiken. Viele Marktbeobachter
halten die hohen Bewertungen von Tech- und SocialMedia-Firmen für übertrieben, wenn nicht gar für
eine Spekulationsblase. Wer früh dabei ist, kann
prächtig verdienen, doch wenn der Hochpreismarkt
einbricht, werden die heute hoch begehrten Papiere
im Handumdrehen illiquide – wie 2001, als die erste
Internetblase platzte. Die Sekundärmarktfirmen freilich wollen von solchen Vergleichen nichts wissen.
Vor zehn Jahren sei viel Kapital in Firmen geflossen,
die außer Businessplänen nichts zu bieten hatten –
das sei heute anders, meint Mazzola: „Wir investieren
in Firmen, die eigentlich kein Geld brauchen.“ Auch
Stephen Bookbinder weist auf den bisherigen Erfolg
von Firmen wie Facebook und Groupon hin: „Das
sind etablierte Firmen mit Geschäftsmodellen, die
funktionieren.“ Allerdings gibt es schon in der zweiten Liga viele Start Ups, die bislang nur Geld verbrennen. „Deshalb ist Research, wie wir es bieten, umso
wichtiger“, sagt Bookbinder.
Gefahr von Insiderhandel
Mittlerweile ist die SEC auf die neue Dimension des
Sekundärhandels aufmerksam geworden und hat
von mehreren Firmen Auskunft verlangt. Sie sieht
die Gefahr von Insiderhandel – etwa wenn ein Mitarbeiter von einem Auftragseinbruch erfährt und
zuvor noch schnell Anteile verkauft. Zudem können
Firmen bei unkontrolliertem Handel unversehens
die Grenze von 500 Aktionären überschreiten, von
der an sie nach US-Gesetz detaillierte Finanzinformationen veröffentlichen müssen. Auch die Sekundärmarkt-Händler möchten verhindern, dass es da
Ärger gibt. Pionier Barry Silbert war deshalb schon
als Lobbyist in Washington. Sein Ziel: Der Kongress
soll die Grenze auf 1.000 Aktionäre anheben – und
Mitarbeiter sowie institutionelle Investoren von der
Zählung ausnehmen.
Christine Mattauch, New York
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1
INVESTMENT World
Goldrausch in China
In China wächst der Hunger auf Gold – sowohl in Form von Schmuck als auch als Anlageinstrument – seit Monaten rasant. Experten gehen davon aus, dass die Hausse weitergeht.
Doch es wird auch zur Vorsicht geraten.
Die Nachfrage nach Gold werde auch in den kommenden
beiden Jahren um jeweils mindestens ein Fünftel wachsen, sagt Zhang Bingnan, Generalsekretär der China
Gold Association. „Der Enthusiasmus für Gold als Anlageklasse wächst weiter und die Nachfrage wird sich
allein in diesem Bereich in den kommenden zwei Jahren
verdoppeln“, ist Zhang überzeugt. Den Goldpreis dürfte
die Nachfrage aus China – aber auch aus Indien – weiter hoch halten. „Die Stärke der Nachfrage in Indien und
China, verbunden mit einem Rückgang der RecyclingAktivitäten, unterstreicht, dass die Konsumenten sich
an das gestiegene Preisumfeld gewöhnt haben und mit
einer Fortdauer des steigenden Preistrends rechnen“,
erläutert Marcus Grubb, Leiter des Bereichs Investment
beim World Gold Council. Auch Jing Ulrich, Geschäftsführerin des Geschäfts mit chinesischen Aktien bei JP
Morgan in Hongkong, sieht eine ungebrochene Nachfrage. „Wir haben ein Umfeld, in dem klassische Papierwährungen viel an Vertrauen eingebüßt haben. Gold
wird auch in China immer mehr als Absicherung gegen
Inflation gesehen“, sagt sie. Die Preissteigerung lag mit
über sechs Prozent in den vergangenen Monaten deutlich über dem Ziel der Regierung von vier Prozent.
Asien
10
Der deutlich gestiegene Wohlstand im Land
und die begrenzten Anlagemöglichkeiten angesichts eines streng
regulierten Kapitalmarktes fördern den Hunger
nach Gold zusätzlich. Hinzu kommt, dass der Goldbesitz
je Kopf der Bevölkerung trotz des Kaufrausches im internationalen Vergleich sehr niedrig ausfällt. In den
50er Jahren hatte Mao Zedong der Bevölkerung den Besitz von Goldbarren untersagt. Das Verbot wurde 2003
aufgehoben, seither wurde der Goldmarkt schrittweise
liberalisiert. Entsprechend hoch ist der Nachholbedarf.
Auch der Gold-Anteil der chinesischen Währungsreserven liegt sehr niedrig. 2010 waren es 1.054 Tonnen,
weniger als zwei Prozent des riesigen Reservestocks
von 3.200 Milliarden Dollar. Beobachter gehen davon
aus, dass die Zentralbank Goldreserven kontinuierlich
aufstocken dürfte. Sie hält sich traditionell bedeckt zu
Käufen und veröffentlicht nur unregelmäßig Daten.
Mit einer Fördermenge von 351 Tonnen ist die Volksrepublik der größte Produzent des Edelmetalls. Binnen
drei Jahren soll der Output auf 400 Tonnen wachsen.
Bis 2007 konnte die Volksrepublik die Nachfrage noch
„Gold wird auch in China
immer mehr als Absicherung gegen Inflation
gesehen.“
Jing Ulrich
Geschäftsführerin des Geschäfts
mit chinesischen Aktien
JP Morgan Hongkong
mit der Produktion vor Ort decken. Seit zusätzliche
Importe nötig wurden, wurde der Goldmarkt teilweise
liberalisiert. Unter anderem entwickelt sich seit 2010
ein Markt für Goldpapiere, zwei Gold-ETFs sind bereits im Umlauf, zwei weitere haben eine Zulassung
erhalten. Zudem ist die Shanghai Gold Exchange zur
größten Spot-Börse für das Edelmetall gewachsen,
mit Lieferungen von 205 Tonnen im zweiten Quartal,
15 Prozent mehr als im Vorjahr. Trotz aller Begeisterung für Gold: Die Zentralbank mahnt Chinas Anleger
in regelmäßigen Abständen zur Vorsicht und verweist
auf die Volatilität des Goldpreises.
Claudia Wanner, Hongkong
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
FotoS: Unternehmen
In den zwölf Monaten bis Ende Juni legte die Goldnachfrage in China nach Angaben des World Gold Council
um 38 Prozent auf 782 Tonnen zu. Lediglich in Indien,
wo Gold traditionell als Hochzeitsschmuck eine wichtige Rolle spielt, ist der Absatz höher. Besonders deutlich
wird das Interesse der Chinesen bei den typischen Investmenteinheiten Münzen und Barren: Um 89 Prozent
legte die Nachfrage auf 259 Tonnen zu – und das trotz
des deutlichen Preisanstiegs.
ADVERTORIAL
Emerging Assets: Mehr Rendite
mit Lokalwährungs-Bonds
Autor
Tobias Bockholt
Head of Institutional Clients Germany
BNP Paribas Investment Partners
Rentenpapiere aus Schwellenländern bieten Investoren vielfältige Möglichkeiten: Staatsund Unternehmensanleihen werden in Hart- oder Landeswährung begeben, die Risiken
sind mittlerweile gut kalkulierbar.
Laut OECD-Prognose kommt in den nächsten Jahrzehnten 90 Prozent des Wachstums aus den Schwellenländern. Diese sind wirtschaftlich stabiler geworden,
wodurch sich auch ihre Kreditwürdigkeit deutlich verbessert hat. Sie verfügen über solide Fundamentaldaten,
insbesondere eine niedrige Verschuldungsquote, und
profitieren von einer steigenden Binnennachfrage: Die
Löhne steigen, neue Mittelschichten entstehen.
Um die Wachstumschancen der Schwellenländer zu verdeutlichen, ein Beispiel aus Indien: Schon jetzt ist die
Zahl von Mobiltelefon-Nutzern in Indien größer als die
Gesamtbevölkerung Europas. Zusätzlich erwarten wir
einen weiteren Zuwachs in der Höhe der Gesamtbevölkerung Japans, das wären mehr als 125 Millionen Menschen.
Im Frühjahr bedrohte eine erhöhte Inflation das Wirtschaftswachstum einiger Schwellenländer, vielerorts
ausgelöst durch steigende Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise. Um diese in den Griff zu bekommen, wurden
seitens der Regierungen Gegenmaßnahmen ergriffen:
Sparprogramme wurden auf den Weg gebracht und
in einzelnen Ländern der Leitzins angehoben. Selbst
zyklische Effekte, etwa Ernteausfälle aufgrund von
Unwettern und Naturkatastrophen, konnten die positiven Aussichten für diese Länder nicht eintrüben.
Dies hat ebenfalls zu einer Entspannung beigetragen.
Gleichzeitig sollte man in diesem Zusammenhang die
Heterogenität der Emerging Markets nicht vergessen.
Es handelt sich um sehr unterschiedliche Länder mit
verschiedenen Verbraucherpreisindizes, Zentral10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
banken und Inflationserwartungen. Während etwa
in der Ukraine Nahrungsmittel 50 Prozent des Verbraucherpreisindex ausmachen, sind es in Chile nur
20 Prozent – also sind die Auswirkungen steigender
Lebensmittelpreise in beiden Ländern sehr unterschiedlich. Von steigenden Rohstoffpreisen können
Schwellenländer sogar profitieren und müssen nicht,
wie oft angenommen, Eintrübungen des Wirtschaftswachstums fürchten. Denn etwa die Hälfte von ihnen
sind erdölexportierende Länder.
Lokalwährungsanleihen – doppelte Renditechancen
Als Resultat der guten wirtschaftlichen Entwicklungen
sind viele Ratings von Schwellenländern angehoben
worden. Gegenwärtig haben etwa 80 Prozent der Lokalwährungsanleihen aus Schwellenländern in der Benchmark Investment Grade. Diese bieten dabei oft höhere
Zinsen und kürzere Laufzeiten als Hartwährungsanleihen. Im Jahr 2010 konnte man mit Lokalwährungsanleihen bis zu 16 Prozent Rendite erzielen, wobei zehn
Prozentpunkte auf Couponrenditen und Kursgewinne
und sechs Prozentpunkte auf die Aufwertung von Währungen entfielen, wie sie beispielsweise in Indonesien
zu beobachten war. BNP Paribas Investment Partners erwartet Aufwertungen von Emerging-Market-Währungen
zwischen drei und fünf Prozent in den kommenden fünf
Jahren. Wegen der guten Rahmendaten der Schwellenländer und der Schuldenkrise in den Industrieländern
sind insbesondere Schwellenländeranleihen in Lokalwährung mittlerweile zu einer mehr als ernst zu nehmenden Anlagealternative geworden.
11
1
INVESTMENT World
Schweizer Franken verhagelt
Pensionskassen die Performance
Der starke Schweizer Franken hat Unternehmen und Anlegern in der Schweiz geschadet.
Und Pensionskassen schieben ihre schlechten Zahlen auf die Währung. Daran seien die
Investoren selbst schuld, sagt ein Pensionskassenmanager.
„Heillos überbewertete
Währung, die sich in
einer spekulativen Blase
befindet.“
Herbert Brändli
Präsident
Sammelstiftung Profond
senmarkt ab sofort keinen Euro-Franken-Kurs unter dem
Mindestkurs von 1,20 Schweizer Franken“ akzeptieren
werde. Außerdem sei sie bereit „unbegrenzt Devisen zu
kaufen“. Auch bei diesem Kurs sei der Schweizer Franken
„hoch bewertet“, aber er werde sich abschwächen. Die Nationalbank begründete den Schritt damit, dass die „massive Überbewertung“ des Schweizer Frankens eine „akute
Bedrohung für die Schweizer Wirtschaft“ darstelle.
In ihrem Jahresabschluss 2010/2011 hatte die SwisscantoGruppe festgehalten, dass der starke Schweizer Franken
im Berichtsjahr „zu einem wertbedingten Rückgang der
verwalteten Vermögen von 3,9 Milliarden Schweizer
Franken“ geführt habe, was fast sieben Prozent des gesamten Anlagevermögens entsprach. Auch
der Schweizer Pensionskassenverband ASIP
sah „die zunehmende
Stärke des Franken“ sowie die hohe Unsicherheit an den Märkten als
Treiber hinter der negativen Performance von
D+A+CH
12
0,2 Prozent, die die Schweizer Pensionskassen im Durchschnitt bis Ende Juni ausgewiesen haben. Zudem dränge der starke Franken die Pensionskassen, „dem Währungsmanagement zusätzliche Priorität zu schenken“.
Herbert Brändli, Präsident der Sammelstiftung Profond,
einer Pensionskasse für kleine und mittlere Unternehmen, kritisierte in seinem jüngsten Marktkommentar
Währungsabsicherungen zum falschen Zeitpunkt:
„Eine Währungsabsicherung ist ökonomisch nichts
anderes als ein (Termin-)Verkauf von Fremdwährungen gegen Schweizer Franken. In der heutigen Situation läuft sie darauf hinaus, eine heillos überbewertete
Währung zu kaufen, die sich wahrscheinlich in einer
spekulativen Blase befindet“, so der PensionskassenManager. Die absichernden Pensionskassen machten
sich „mitschuldig, das KMU-Fundament unserer Volkswirtschaft zu unterminieren“, klagt Brändli, der für seine kritischen Kommentare zur Pensionskassenindustrie
bekannt ist. Wenn die Währungsabsicherung systematisch erfolge, sei das weniger problematisch, so Brändli.
Er mutmaßt aber, dass solche Absicherungen am Ende
nur für die verkaufenden Finanzinstitute lohnend seien.
Die größte Pensionskasse der Schweiz, die Publica, der
öffentliche Beamte angehören, hat laut eigenen Angaben „bereits vor drei Jahren den strategischen Entscheid getroffen, Fremdwährungsrisiken gegenüber
Industrieländern systematisch abzusichern“. Unter
anderem durch diese Maßnahme habe die Kasse, die
ein Vermögen von 33 Milliarden Schweizer Franken
verwaltet, für das erste Halbjahr 2011 einen positiven
Ertrag von 1,09 Prozent erwirtschaften können.
Die UBS sieht in der Entscheidung der SNB ein „wichtiges Signal“. „Wenn sich die Märkte beruhigen und die
wirtschaftliche Entwicklung sich wieder stabilisiert,
dürfte dies auch das Verhältnis des Schweizer Franken
gegenüber dem Euro und dem US-Dollar weiter normalisieren“, meinen die Experten der Großbank. Und so wartet die Schweiz auf ein Ende des Notstands.
Barbara Ottawa
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
Fotos: Unternehmen
Jetzt ist er ausgebrochen, der angebliche Notstand:
Noch am 23. August forderte das britische Investmenthaus Henderson Global Investors, dass die Bindung des
Schweizer Franken an den Euro „lediglich in letzter Not
erfolgen“ dürfe. Zwei Wochen danach verkündete die
Schweizerische Nationalbank (SNB), dass sie „am Devi-
INVESTMENT WORLD
Europas Automobilwirtschaft
trotzt der KrisE - NOCH!
Während sich in Europa Konjunktursorgen ausbreiten, kontert die Automobilbranche mit
hervorragenden Absatzzahlen und sogar Rekorden. Auch enorme Investitionen fließen,
wie die aktuelle IAA in Frankfurt zeigte.
Der Eindruck von der 64. IAA überrascht nicht.
Mit 89 Weltpremieren verteidigte die Internationale Automobil-Ausstellung auch 2011 ihren Ruf als
Branchenbarometer. Der erwartete Trend in ferner
Zukunft sind Elektroautos mit akzeptabler Reichweite. Und VDA-Chef Matthias Wissmann übt sich in der
„Volkswagen investiert
zukunftsorientiert eine
Rekordsumme.“
Prof. Dr. Martin Winterkorn
strategischen Partner verloren. Doch laut der eben veröffentlichten Investitionsplanung sollen bis 2016 allein
62,4 Milliarden Euro in den Konzernbereich Automobile
fließen – inklusive aller Aufwendungen, um die Fabriken
mit regenerativ erzeugter Energie zu versorgen. Konzernlenker Prof. Martin Winterkorn: „Der VolkswagenKonzern investiert zukunftsorientiert eine Rekordsumme, um sein Ziel zu erreichen, der ökonomisch
und ökologisch beste Automobilhersteller der Welt zu
werden. Wir werden unsere Innovations- und Technologieführerschaft weiter ausbauen.“ Branchenkenner
wie Frank Schwope, Analyst der NordLB, stufen die
Vorzugsaktie von Volkswagen mit „kaufen“ ein.
Deutsche Autoindustrie gewinnt Marktanteile
Vorstandsvorsitzender
Volkswagen AG
Rosafärbung des Konjunkturhimmels. Aktuell ist die Entwicklung der Absatzzahlen in Europa gut – entgegen aller
Krisenstimmung. Im August 2011 sind in Europa deutlich
mehr Autos verkauft worden als im Vorjahresmonat. Die
Pkw-Neuzulassungen stiegen um 7,7 Prozent. Laut europäischem Branchenverband ACEA ging die Nachfrage sowohl auf den westeuropäischen Märkten als auch in den
neuen EU-Ländern nach oben. Der größte europäische
Markt bleibt Deutschland mit einem Plus von rund 18 Prozent. Sogar im krisenbelasteten Spanien wurden knapp
sechs Prozent mehr Fahrzeuge verkauft, Großbritannien
legte um mehr als sieben Prozent zu.
Außerhalb Europas und insbesondere in der Luxusklasse scheint die Zukunft ebenfalls gesichert. Daimler-Chef
Dr. Dieter Zetsche rief vor Mitarbeitern eine neue Mercedes-Dekade aus, da „die globale Automobilnachfrage
deutlich schneller wachsen wird als die Weltwirtschaft
insgesamt“. Für die heimischen Märkte sollen günstigere Modelle Appetit machen. Ein Beispiel: der VW Up.
Einfach, aber solide gebaut soll der Mini die Marktstellung von Volkswagen in Europa absichern und später als
Weltauto Karriere machen. Volkswagen musste zwar seine
Fusion mit Porsche verschieben und hat mit Suzuki einen
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
Die Perspektiven verdüstern sich aber. Das Center Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen hat
jüngst seine Absatzschätzung für 2011 auf weltweit 60 Millionen Einheiten nach unten korrigiert und sieht ein Absatzplateau ab 2012. In der Tat sind seit Jahresbeginn die
Verkäufe in Europa insgesamt rückläufig. 8,89 Millionen
neu zugelassene Pkw bedeuten ein Minus von 1,3 Prozent.
Die deutschen Hersteller gewannen jedoch im Vergleich
zu 2010 Marktanteile hinzu. Allein die Marke VW erzielte ein Zulassungsplus von 19 Prozent auf 102.465 Wagen.
Im Premiumsegment war Audi mit 41.436 verkauften Autos führend – Steigerung gut 18 Prozent. Der gesamte
VW-Konzern erzielte in Europa ein Viertel der Verkäufe. BMW erreichte mit 38.650 Neuzulassungen ein
Plus von fast einem Drittel. Mercedes-Benz legte um
knapp 18 Prozent
auf 34.416 Wagen
zu. Marktanteile
verloren dagegen
die französischen
Hersteller Citroen,
Renault und Peugeot sowie der
italienische Autobauer Fiat.
Europa
Eberhard Seitz
13
1
INVESTMENT WORLD
Gold ist fast alternativlos
Investoren kommen an Gold kaum noch vorbei. Täglich
empfehlen Analysten, Banken und Vermögensverwalter
das gelbe Metall zum Kauf – meist in Form von physisch
besicherten Exchange Traded Funds (ETFs) und Exchange Traded Commodities (ETCs). Nach Angaben des
World Gold Council (WGC) verwalten die Produkte einen
Goldbestand von deutlich mehr als 2.000 Tonnen mit
einem Wert von fast 80 Milliarden Euro. Der InvestorenAnsturm auf das gelbe Metall verwundert nicht. Nicht
nur, dass ganze Staaten von der Pleite bedroht sind. Den
Investoren gehen schlicht die Anlagealternativen aus.
Aktien zum Beispiel führen bei deutschen Versicherern
nur noch ein Schattendasein. Und auf Staatsanleihen
gibt es – trotz steigender Risiken – kaum noch Rendite.
Im Gegenteil: Wer zehnjährige amerikanische, britische
oder deutsche Papiere kauft, erleidet nach Inflation einen realen Verlust; Steuerabzüge kommen noch hinzu.
„Gold ist daher die ultimative Währung“, so Ulrich Stephan, Global Chief Investment Officer bei der Deutschen
Bank, gegenüber Medien. Das Kreditinstitut erwartet, dass
die Europäische Zentralbank ihren Leitzins bis zum Jahresende von derzeit 1,5 Prozent auf ein Prozent senken wird.
Und die US-Zentralbank will ihren Leitzins bis 2013 auf
dem aktuell niedrigen Niveau halten. Damit, so die Deutsche Bank, bleiben die Opportunitätskosten einer Goldanlage niedrig. Ganz wichtig: In den kommenden Wochen
stehen eine Reihe wichtiger Entscheidungen bezüglich
der Schuldenkrise an; allen voran die Abstimmung über
den Euro-Rettungsschirm EFSF in mehreren nationalen
Parlamenten. Je nachdem, wie diese ausfallen, könnte der
Goldpreis kräftig zulegen. Auf Sicht von ein bis zwei Jahren
kann sich die Deutsche Bank 2.900 Dollar vorstellen.
Auch die UBS hat jetzt ihre Prognose für den durchschnittlichen Goldpreis des Jahres 2012 kräftig von 1.380 Dollar
auf 2.075 Dollar erhöht. Die 2.000-Dollar-Marke werde das
Edelmetall noch in diesem Jahr nach oben durchbrechen,
meint auch das Research-Haus GFMS. Die investmentgetriebenen Goldkäufe würden im zweiten Halbjahr die
Rekordmarke von 1.000 Tonnen erreichen. Laut GFMS
treiben derzeit mehrere Faktoren den Goldpreis: ein weltweiter Abschwung der ökonomischen Aktivitäten, die
anhaltend niedrigen Zinsen, die ungelöste Schuldenkrise
in der Eurozone sowie die Angst vor Inflation. Aber natürlich sind auch Goldinvestments nicht frei von Risiken. Die
UBS weist auf mögliche Goldverkäufe durch eine europäische Notenbank oder auf ein Aufhellen der weltweiten
Konjunkturaussichten hin. Nicht zuletzt eine Lösung der
europäischen Schuldenkrise könnte den Goldpreis kräftig unter Druck bringen.
Goldpreis in Euro
1.900
1.700
1.500
1.300
1.100
900
700
2009
2010
2011
Quelle: Gold.de
18. Oktober 21. – 23. November
››› 5. Jahrestagung der AGZWK
››› Deutsches Eigenkapitalforum
in Köln, Arbeitsgemeinschaft Zeitwertkonten AGZWK
in Frankfurt, Deutsche Börse AG
www.agzwk.de
www.eigenkapitalforum.com/top50
9. - 10. November
22. – 23. November ››› Morningstar Investment Konferenz
››› Professionelle Asset Allocation
in Frankfurt, Morningstar Deutschland GmbH
in Frankfurt, Uhlenbruch-Verlag
http://global.morningstar.com/konferenz
www.uhlenbruch.com/seminare/details/?uid=2
15. – 16. November 26. und 27. Oktober
››› Performance-Messung und –Analyse
››› Strukturierte Produkte Messe
in Frankfurt, Uhlenbruch-Verlag
in Zürich, Scoach Schweiz AG und Schw. Verband für Strukturierte Produkte SVSP
www.uhlenbruch.com/seminare/details/?uid=11
www.svsp-verband.ch
Weitere Termine finden Sie im Internet unter www.investment-inside.de. Melden Sie uns Ihre Termine an [email protected]
14
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
Foto: Unternehmen
Termine
INVESTMENT WORLD
PERSONALIEN
MEHR NACHHALTIGKEIT
Gerald L. Hassell (59) wurde
überraschend mit sofortiger Wirkung
zum neuen Chairman und Chief
Executive Officer von BNY Mellon
ernannt. Bislang war Hassell als
President zweiter Mann des Unternehmens. An der Spitze wird er das
Amt des President zusätzlich ausüben. Der bisherige
Unternehmenslenker, Robert P. Kelly, trat unvorhergesehen von seinen Ämtern als Chairman, Chief Executive Officer und Director zurück. „Im gegenseitigen
Einvernehmen aufgrund unterschiedlicher Sichtweisen über die Führung des Unternehmens“, heißt es in
der offiziellen Erklärung.
Institutionelle Investoren legen Wert auf inhaltliche
Aspekte und einen direkten Management-Zugang,
wenn sie bei Brokern Beratungs- und Recherchedienstleistungen zu Nachhaltigkeitsthemen in Anspruch nehmen. Das ergab eine aktuelle Befragung von Thomson
Reuters und dem britischen Verband für nachhaltige
Investments und Finanzen UKSIF. Eine weitere Erkenntnis der Studie ist, dass 84 Prozent der europäischen Investoren einen Ausbau ihrer Tätigkeiten bei
sozialverantwortlichen Investitionen und nachhaltiger
Anlagestrategien im nächsten Jahr planen.
Elke König (57) soll die neue Chefin der Bundesanstalt
für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) werden. Wie
die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, soll König den
Chefsessel von Noch-Präsident Jochen Sanio übernehmen.
König kommt aus der Versicherungsbranche und ist seit
rund einem Jahr Mitglied des IASB.
Dr. Rolf Wiswesser wurde von der Ergo Versicherungsgruppe in den Vorstand des Unternehmens berufen. Er
wird ab dem 1. November das Ressort „Vertriebe“ übernehmen. Der bisherige Vertriebsvorstand, Jürgen Vetter,
verlässt die Ergo zum Jahresende (INVESTMENT INSIDE
berichtete bereits in der März-Ausgabe).
Als führendes Brokerhaus für sozialverantwortliche
Investments & Nachhaltigkeit haben die Analysten
CA Cheuvreux gekürt, als führendes Brokerhaus im
Bereich sozialverantwortliche Investments Bank of
America Securities – Merrill Lynch.
Führender Broker im Bereich SVI-Research sei Sarj
Nahal, Bank of America Securities – Merrill Lynch und
führendes Brokerhaus für Corporate-Governance-Research Oddo Securities. Als führendes börsennotiertes Unternehmen für Nachhaltigkeitskommunikation
zeichneten Thomson Reuters und der UKSIF GlaxoSmithKline aus. Die führende Fondsverwaltung für
sozialverantwortliche Investments komme von Henderson Global Investors, urteilten die Analysten.
Sergio Trezzi (39) und Miguel Rona (43) übernehmen
gemeinsam die Leitung des kontinentaleuropäischen Publikumsfondsgeschäfts von Invesco.
David Mercurio wurde von der Man Group zum Head of
Asia Equity und Co-Head of Global Equity Strategies ernannt.
Gleichzeitig hat Pierre Lagrange, Senior Managing Director
bei GLG und Mitglied des Executive Committee von Man, die
Funktion des Chairman von Man Asien übernommen.
Douglas A. Brown ist bei State Street neuer Sales Manager für den Geschäftsbereich Securities Finance in Nordund Südamerika.
Michael Geister heuert im Herbst als Director Sales bei
State Street Global Advisors an. Er wird Kunden in Deutschland und Österreich beraten.
Ingo Heinen verstärkt das Team von BlackRock Alternative Investors als Managing Director.
Silvia Graemiger Theler hat die Leitung des institutionellen Vertriebs von F&C Investments in der Schweiz und
Österreich übernommen.
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
INVESTMENT Buch des Monats
„Handbuch Investmentfonds
für institutionelle Anleger“
Uhlenbruch Verlag, 149 Euro
ISBN 978-3-933207-76-0
Das im Juni 2011 erschienene Handbuch Investmentfonds ist ein Muss für
institutionelle Anleger. Die Herausgeber Volker G. Heinke, Werner Krämer
und Bettina Nürk berichten auf 926 Seiten über grundlegende Änderungen
der institutionellen Fondsanlage. Mit dem Aufbrechen der Wertschöpfungskette auf Master-KAG, Global Custodian und Asset Manager ist heute eine
Struktur zum Standard geworden, die vor wenigen Jahren kaum verbreitet
war. Neue Fondslösungen und Produktgestaltungen haben sich etabliert.
Internationale Bilanzierungsvorschriften, gestiegene RisikomanagementAnforderungen, veränderte Regelungen zur Performancemessung und
performanceabhängige „Fee“-Modelle sind weitere Entwicklungen, die das
Umfeld für institutionelle Kapitalanleger und für die Anbieter von Dienstleistungen und Produkten in diesem Markt tiefgreifend verändert haben.
Bekannte Autoren von renommierten Anlegern, Beratungsunternehmen,
Asset-Management-Gesellschaften und Banken stellen all diese Themen in
insgesamt 32 Beiträgen vor.
15
2
INVESTMENT TOPIC
Regulierung
Aufseher senden
falsche Signale
Der Weg, Staaten zu helfen, um Banken zu retten, ist falsch. Banken müssen notfalls zwangsweise mit öffentlichen Mitteln ausgestattet werden. Notwendig ist zudem eine Insolvenzord
nung für Staaten und Banken. Beim Geld hört die Freundschaft
auf – sagt der Volksmund. Auch
die Freundschaft zu den Griechen?
„Griechenland muss pleitegehen
dürfen“, sagen prominente Ökonomen, darunter Kai Konrad, Vor16
sitzender des Wissenschaftlichen
Beirats des Bundesfinanzministeriums, und Clemens Fuest, dessen
früherer Vorsitzender. „Das ist
antieuropäisch“, erwidern andere. Wer hat Recht? Fragen die-
ser Art können nur anhand von
Wertvorstellungen beantwortet
werden. Ganz offensichtlich allerdings liegen hier die Vorstellungen in den Geber- und Nehmerländern der Euro-Zone weit
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
Fotos: Fotolia, Unternehmen
Von Stefan Terliesner
INVESTMENT TOPIC
auseinander. Das freilich gefährdet allmählich die Stabilität des
gesamten Finanzsystems. Fest
steht: Um die Finanz- und Schuldenkrise zu meistern, bedarf es
entschlossenen politischen Handelns. Mit „entschlossen“ ist aber
nicht „schnell“ gemeint, sondern
berechenbar und am Gemeinwohl orientiert.
Ein politisch entschlossenes Handeln setzt zweierlei voraus: Klare
Benennung der Ursachen der Krise.
Und Ausrichtung aller Rettungsmaßnahmen an Prinzipien, die die
langfristige wirtschaftliche Stabilität im Euro-Raum sicherstellen.
Wichtig dabei: Finanzmarktstabilität ist ein öffentliches Gut, das
vom Staat zwar nicht hergestellt,
aber bereitgestellt werden muss.
Und eben zur Bereitstellung des
öffentlichen Guts Finanzmarktstabilität bedarf es klarer Regeln. Zu
Recht warnt Jürgen Stark, bis Ende
des Jahres noch Chefvolkswirt der
Europäischen Zentralbank (EZB):
„Es ist wenig gewonnen, wenn wir
durch unreflektiertes Handeln auf
europäischer Ebene zwar kurzfris10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
tig den Druck in den Märkten lindern, dadurch aber die langfristige
Stabilität und somit ultimativ auch
das Bestehen der Wirtschafts- und
Währungsunion aufs Spiel setzen.“ Wenige Tage vor diesen Äu-
Finanzkrise ist Folge des Zinstiefs
Weil immer noch viel über die
Symptome, aber nur wenig über
die Ursachen der Krise debattiert
wird, hier nochmals: Unter unabhängigen Experten besteht
„Unsolide StaatsfinanEinigkeit darüzen sind ein systemisches
ber, dass die FiRisikos für die Stabilität der nanzkrise zum
Finanzmärkte.“
Teil ihre Ursachen in dem
weltweit sehr
niedrigen ZinsJürgen Stark
Chefvolkswirt
niveau nach
Europäische Zentralbank
dem Platzen der
Internet-Blase
ßerungen auf einer Veranstaltung 2001 und der daraus resultierenin Wien hatte Stark am 9. Septem- den reichlichen Liquiditätsausber aus Protest über den Ankauf stattung auf globaler Ebene hat.
von spanischen und italienischen Ein Problem war hier allerdings,
Staatsanleihen durch die EZB sei- dass der notwendige marktwirtnen Rücktritt angekündigt. Damit schaftliche Anpassungsprozess
verlässt ein weiterer an Prinzipi- nach dem Dotcom-Crash in den
en orientierter Währungshüter die USA nicht durch ein über Steuern
EZB. Denn Anfang des Jahres zog finanziertes ausreichendes Sozisich der damalige Bundesbank- alsystem ergänzt wurde. Vielmehr
Chef Axel Weber ebenfalls wegen wird Sozialpolitik in den USA
des Krisenmanagements in der Eu- letztlich auch über die Geldpolitik
ro-Zone aus dem EZB-Rat zurück.
gemacht, denn die Federal Reser17
INVESTMENT TOPIC
ve Bank hat auch das Mandat, für
Wachstum und Beschäftigung zu
sorgen. Billiges Geld sollte her.
„Jobs, Jobs, Jobs“ und „ein Eigenheim für alle“ lauteten die Paro-
neue finanzielle und ökonomische
Ungleichgewichte legen. Und wir
haben global extrem niedrige Zinsen und eine regelrechte Liquiditätsschwemme“, betont EZB-Mann
Stark. All das
ist
politisch
gewollt. In den
USA,
Japan,
Großbritannien und auch
in
Europa.
Wenn der Zins aber seine wichtige
Lenkungsfunktion verliert beziehungsweise ein manipulierter Zins
krasse Fehlanreize schafft, ist die
Krise vorprogrammiert. Auch, um
dem Zinstief zu entkommen, ersonnen findige Finanzkonstrukteure
immer undurchsichtigere Produkte
mit angeblich hohen und sicheren
Renditen. So entstand ein vergifteter Cocktail, der die Finanzmärkte
„irre“ werden ließ.
Grund der Krise ist eine
Art Staatskapitalismus
len. Hinzu kamen die Kriege im
Irak und in Afghanistan – niedrige Zinsen erleichtern auch die
Kriegsfinanzierung.
Doch das billige Geld schuf weitere
Probleme. „Überreichlich Liquidität bei niedrigen Zinsen“, darauf
weist Stark hin, „kann zu einer zu
niedrigen Einpreisung von Risiken
und einer übersteigerten und letztlich unverantwortlichen Risikobereitschaft auf Seiten der Investoren
führen. Eine lange Periode sehr
niedriger Zinsen kann die Basis für
Die Verantwortung für die Krise
nur auf die Finanzmarktakteure
EFSF – Mehr Geld für Sünder
Die Euro-Zone kämpft um ihren Zusammenhalt. Daher wurde am 7. Mai 2010 die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) mit Sitz in Luxemburg gegründet. Die
EFSF darf Kredite an Euro-Staaten ausgeben, aber nur bis Juli 2013. Dann übernimmt
der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) den Job. Erst im Juli 2011 haben die
Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder die Aufgaben der EFSF erweitert. Sie
soll nun Kredite an überschuldete Euro-Länder finanzieren, vorsorglich Kreditlinien
einräumen, Anleihen von Euro-Ländern kaufen und strauchelnde Banken retten.
Dafür stellen die Euro-Länder Garantien von insgesamt 780 Milliarden Euro bereit.
Deutschlands Anteil liegt bei 211 Milliarden Euro; bei Bedarf kommt ein Aufschlag
von 20 Prozent hinzu, sodass der Betrag auf 253 Milliarden Euro steigt – ohne Zinszahlungen, die Deutschland ebenfalls übernehmen müsste.
Diese erhöhte Garantiesumme ist notwendig, damit die EFSF am Kapitalmarkt zu
günstigen Konditionen bis zu 440 Milliarden Euro aufnehmen kann. Dieses Geld
steht für die Aufgaben des EFSF zur Verfügung. Die Garantiegeber tragen das Risiko.
Wenn ein Schuldnerland zum Beispiel einen EFSF-Kredit nicht zurückzahlen kann,
müssen die anderen Euro-Staaten anteilig einspringen und den Investoren die Zinsen und das Kapital zurückzahlen. Um die Garantiegeber zu schützen, vergibt die
EFSF Kredite nur an Euro-Länder, die ein strenges Spar- und Reformprogramm umsetzen. Bevor die EFSF aktiv wird, müssen alle Euro-Länder zustimmen, Deutschland
zukünftig mit parlamentarischer Beteiligung. Auch die Ausweitung des EFSF müssen
einige nationale Parlamente noch genehmigen, der Bundestag am 29. September
(das Ergebnis stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest).
18
abzuwälzen greift daher zu kurz.
„Marktteilnehmer verhalten sich
letztlich gemäß der Anreize, die
ihnen von den aufsichtsrechtlichen Behörden gesetzt werden“,
erklärt Stark. Und weiter: „Klar
ist heute, dass die Regulierung
und Aufsicht der Finanzmärkte auf europäischer und globaler
Ebene nicht ausreichend war, um
ein nachhaltiges Handeln in den
Finanzmärkten
sicherzustellen.
Gleichzeitig fanden systemische
Risiken im globalen Finanzsystem
nicht genug Beachtung, obwohl
einige Beobachter – darunter auch
die EZB – Anfang 2006 vor möglichen starken Korrekturen in den
Finanzmärkten gewarnt hatten.“
Schuldenabbau wurde versäumt
Chefvolkswirt Stark räumt mit
dem Missverständnis auf, dass
die Haushaltskrise in den Ländern der Euro-Zone primär auf
die vorangehende Finanz- und
Wirtschaftskrise zurückzuführen
sei: „Es gibt hier keine unschuldigen Opfer der Krise. Denn viele
Mitgliedstaaten des Euro-Raums
hatten bereits vor der Krise große
Ungleichgewichte in ihren Haushalten aufgebaut.“ Jahrzehntelang
haben westliche Staaten immer größere Schuldenberge aufgetürmt –
oft unter Berufung auf den Ökonomen John M. Keynes (1883 – 1946),
der sich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten für eine Ausweitung der
Verschuldung zur Nachfragebelebung aussprach. Was die Anhänger dieser Theorie dabei gerne
übersehen ist, dass die zusätzlichen Schulden in guten Zeiten
wieder abgebaut werden müssen.
Das wurde in vielen Ländern versäumt (Grafik rechts). Politik und
Wähler sind inzwischen so abhängig von der Droge „Schulden“,
dass Deutschland und Frankreich
im Jahr 2003 fast widerstandslos
den alten Stabilitäts- und Wachstumspakt brechen durften. Mehr
noch: 2005 vereinbarten die Euro10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
Foto: UNTERNEHMEN
2
INVESTMENT TOPIC
Staaten eine Reform, die den alten
Pakt richtig weichspülte und laut
Stark „zu einem Mehr an politischer
Diskretion“ führte. Das Schuldenmachen ging munter weiter. Die
aktuelle Krise bringt das Fass nun
zum Überlaufen.
Für Investoren sind Staatsanleihen
zum Risiko Nummer eins mutiert.
Die Aufseher freilich sehen das immer noch anders. In der schönen
Welt der Regulierung müssen Banken Staatsanleihen immer noch
nicht mit Eigenkapital unterlegen.
Zwar werden mit den neuen Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften Basel III die Risikogewichte
zum Teil kräftig erhöht, Anleihen
von Griechenland & Co. müssen
Banken aber weiterhin nicht mit
einem Cent absichern. Diese Nullgewichtung von Staatsanleihen
hat dazu geführt, dass sich Banken
mit Staatsanleihen vollgesogen
haben. Dieser Transfer hat Staaten
und Banken derart voneinander
abhängig gemacht, dass nun Staaten gerettet werden, um Banken zu
helfen – und umgekehrt. Diese Mischung aus Staatsbürokratie und
Kartell-Kapitalismus hat die Welt
an den Rand des Ruins gebracht.
Die europäischen Rettungspolitiker wollen hiervon nichts wissen und spannen immer größere
Rettungsschirme auf. Über die
Europäische
Finanzstabil ität sfa zi l ität
(EFSF) stimmen
in diesen Tagen
einige nationale
Parlamente ab.
Vermutlich wird
die EFSF überall abgenickt.
Dann stehen für
die Rettung von
Staaten und Banken 780 Milliarden Euro Garantien zur Verfügung
(Kasten links).
Rekapitalisierung wird zum Problem
Doch auch diese Summe wird nicht
reichen. Denn mittelfristig wird die
Refinanzierung der rund 500 Milliarden Euro spanischen und etwa
1.900 Milliarden Euro italienischen
Staatsanleihen zu einem riesigen
Problem. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die jüngste Äußerung von Christine Lagarde,
der neuen Chefin des Internationalen Wähungsfonds (IWF): „Banken
bedürfen dringend einer Rekapitalisierung. Sie müssen stark genug
sein, um den Risiken von Staatsan„Banken müssen stark
genug sein, um den Risiken
von Staatsinsolvenzen zu
wiederstehen.“
Christine Lagarde
Direktorin
Internationaler Währungsfonds
leihen und Wachstumsschwäche zu
widerstehen. Dies ist der Schlüssel,
um Ansteckungseffekte zu verhindern.“ Die Aussage ist klar: Staatsinsolvenzen werden kommen, sie sind
nicht zu verhindern. Doch diese
realistische Einschätzung wird
von der europäischen Politik immer noch geleugnet. Es gibt noch
immer keine Insolvenzordnung
für Staaten. Im Gegenteil: Wer
auch nur über eine „geordnete
Insolvenz“ spricht, wird von der
Einheits-Rettungsfront niedergewalzt. Dabei kann wohl nur das
Das läuft falsch beim Schuldenmachen
Was „Keynesianer“ taten
Geld
Geld
Was Keynes meinte
Zeit
Staatsverschuldung
Zeit
Konjunkturverlauf
Quelle: Ineichen Research and Management (I&RM), Regulomics, Mai 2011; Primärquelle: Protégé Partners 4Q 2009 quaterly letter
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
19
2
INVESTMENT TOPIC
rischen Nachbesserungsbedarf“, schreiben Jan Pieter Krahnen, Professor
an der Universität Frankfurt, sowie
weitere Ökonomen in dem White
Paper: „Eurobonds zur Bewältigung
der europäischen Krise? WegweiInsolvenzordnung für Banken
sung zu einer modernen EntwickAnaloges gilt auch für Banken. lungsunion“. Eurobonds – also
Eine implizite Staatsgarantie für Kre- Anleihen, die von allen Euro-Länditinstitute („too big to fail“) darf es dern gesamtschuldnerisch verbürgt
nicht geben. Wie jedes Unternehmen, werden – lehnen die Autoren entmüssen auch Banken Pleite gehen schieden ab. „Probleme im Finanzsektor sollten
nicht über eine
„An einem Schuldenschnitt
Unterst üt zung
Griechenlands führt kein
von Staaten geWeg vorbei.“
löst
werden.
Wenn hinter der
Forderung nach
Eurobonds auch
de r
Wu n s c h
Clemens Fuest
Professor
steht, die ProUniversität Oxford
bleme unterkapitalisierter Bandürfen. Für den Vordenker der Sozia- ken zu lösen, ist es günstiger und
len Marktwirtschaft Walter Eucken sinnvoller, dieses Problem über eine
(1891 bis 1950) gehört die Haftung zu Rekapitalisierung der Banken oder
den konstituierenden Prinzipien ei- auch Garantieleistungen für einige
ner Wettbewerbsordnung. Dies setzt systemrelevante Banken zu lösen.“
ein Insolvenzverfahren für Banken
voraus. Deutschland ist mit dem Ähnlich argumentieren die ÖkonoRestrukturierungsgesetz immerhin men Harald Hau von der Universischon mal in Vorlage gegangen. „In tät Genf und Bernd Lucke von der
Europa und den USA gibt es hier aber Universität Hamburg: „Damit die
noch einen entscheidenden regulato- europäischen Banken einer StaatsRisiko einer Staatsinsolvenz die
Mittelmeerstaaten dazu bewegen,
ihre Staatshaushalte in Ordnung
zu bringen.
insolvenz trotzen können, brauchen sie frisches Kapital.“ Wenn
die Banken nicht in der Lage oder
nicht willens sind, ihr Kapital zu
erhöhen, müsse dies zwangsweise
geschehen. Im Gegenzug wird der
Staat zeitlich begrenzt Miteigentümer der Banken. „Ziel der obligatorischen Kapitalerhöhung ist es,
ihren Kapitalpuffer den möglichen
Verlusten zukünftiger Staatsinsolvenzen anzupassen und damit
eine Bankenkrise vorausschauend
abzuwenden.“ Kommt es zu einer
Bankenpleite, würde das haftende Eigenkapital der Bankaktionäre den ersten Puffer für Verluste
bilden. Das Geld der Steuerzahler
käme erst nachrangig zum Einsatz.
Kostengünstig und effektiv wäre
eine solche Maßnahme, weil nur
dort Kapital zugeschossen wird,
wo systemische Risiken bestehen.
„Alle anderen Investoren“, so die
Ökonomen weiter, „müssen die Risiken ihrer selbstverschuldeten Anlageentscheidungen selbst tragen.“
Fazit: Notwendig sind Insolvenzordnungen – und zwar für Staaten
und für Banken. Nur so bekommen
die Akteure die Finanz- und Schuldenkrise nachhaltig in den Griff.
Denkverbote darf es nicht geben
– erst recht nicht unter Freunden.
SWP – Früher Strafe für Sünder
Die geplante Reform der EU-Aufsicht betrifft primär eine Änderung des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) und die Einführung
eines Verfahrens bei „übermäßigen makroökonomischen Ungleichgewichten“. Strittig zwischen Europaparlament und EU-Finanzministern war insbesondere die Frage, unter welchen Bedingungen die EU-Kommission Defizitsünder schon bei sich abzeichnendem
haushaltspolitischen Fehlverhalten mit einer Geldbuße von bis zu 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) belegen können soll.
Der SWP sieht dafür nun zwei Teile vor. Der neue präventive Teil verlangt, dass die Euro-Staaten nur noch ein geringes strukturelles,
also um konjunkturelle Einflüsse bereinigtes Haushaltsdefizit haben dürfen. Die Kommission kann in diesem Fall bereits vor Überschreiten des Maastrichter Referenzwertes von drei Prozent des BIP Sanktionen verhängen. Für einen Sanktionsvorschlag braucht die
Kommission eine qualifizierte Mehrheit im Ministerrat. Erreicht sie diese nicht, kann sie den Sanktionsvorschlag nach einem Monat
erneut zur Abstimmung vorlegen. Dann ist nur noch eine einfache Mehrheit zur Billigung des Vorschlags notwendig. Im zweiten Teil des
SWP – dem klassischen Defizitverfahren, das angewendet wird, wenn das normale Staatsdefizit die Drei-Prozent-Marke überschritten
hat – kann der Ministerrat Sanktionsvorschläge der Kommission grundsätzlich nur noch mit qualifizierter Mehrheit abwehren. Neu im
SWP ist auch, dass Staaten mit „exzessiven“ Leistungsbilanzüberschüssen aufgefordert werden können, die Überschüsse abzubauen.
Sanktionen gegen Überschussländer wie Deutschland soll es keine geben. Die abschließende Beratung des Parlaments über den SWP
hatte bei Redaktionsschluss noch nicht stattgefunden.
20
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
INVESTMENT TOPIC
„Die groSSen Spieler haben
jetzt noch mehr Einfluss“
Sandra Navidi, Gründerin und CEO der New Yorker Consultingfirma Beyond Global, ist eine erfahrene Kennerin der Wall Street. Unserer USA-Korrespondentin Christine Mattauch berichtet sie über die
Stimmung dort, bewertet die Schuldenkrise und die Chancen für eine Erholung der US-Wirtschaft.
Navidi: Ja, denn die Ursachen der Krise sind nie ganz behoben worden. Und leider formiert sich deshalb bereits
die nächste Krise. Sie könnte sogar noch größer werden
als die vorherige.
Jetzt klingen Sie wie der Ökonom und Untergangs-Prophet Nouriel Roubini, dessen Strategieberaterin Sie in den vergangenen
Jahren waren.
Sandra Navidi
Gründerin und CEO
Beyond Global
Frau Navidi, Sie sind an der Wall Street zuhause und besuchen regelmäßig die Konferenzen, auf denen sich die Reichen und Mächtigen dieser Welt begegnen. Wie ist die Stimmung der globalen Eliten?
Navidi: Die Stimmung ist gedrückt, ernüchtert. Viele hatten geglaubt, die Krise von 2008 sei überwunden und die
Welt bereits wieder auf dem Weg der Besserung. Das Desaster in Europa haben wenige kommen sehen. Die Welt
formiert sich neu, alte Paradigmen gelten nicht mehr.
Viele Investoren verlieren Geld und Status, andere versuchen sich möglichst schnell neu zu positionieren.
Wo konkret?
Navidi: Vor allen Dingen in den Schwellenländern: Lateinamerika, Asien... Alle wollen irgendwas in China
aufbauen. Es ist nicht ganz einfach, dort zu investieren,
aber mit guten Kontakten und chinesischen Mitarbeitern
machbar. Sicher, das Risiko von Spekulationsblasen in
diesen Ländern steigt. Aber viele institutionelle Anleger müssen ja irgendwohin mit ihrem Geld. Und in den
aufstrebenden Schwellenländern sind die Renditen vergleichsweise hoch.
Navidi: Ich bin keine Pessimistin vom Dienst. Ich halte es
ebenso für denkbar, dass wir die Symptome unter Kontrolle behalten und es nicht zu einer Eskalation kommt.
Schließlich haben wir inzwischen einige Erfahrung mit
der Bewältigung von Krisen. Die Entwicklung vor drei
Jahren kam für viele Politiker überraschend. Das hätte
eigentlich nicht der Fall sein dürfen.
Wo sehen Sie die Hauptgefahr?
Navidi: Das Schuldenproblem ist überall. Wir haben immer geglaubt, dass in China mit wenig Leverage gearbeitet wurde. Jetzt sieht man, dass auch dort Bilanzen
geschönt wurden und dass es viele versteckte Schulden
gibt, besonders auf lokaler Ebene. Die Lage in den USA
und Europa ist dramatisch. Irgendwann kann man die
Probleme eben nicht weiter hinausschieben, dann muss
man die bittere Pille schlucken. Und es wird wahrscheinlich darauf hinauslaufen, dass in der westlichen Welt der
Lebensstandard sinkt. Schauen Sie sich doch die hohe
Arbeitslosigkeit an – in vielen europäischen Staaten,
aber auch in den USA. Die offizielle Quote von rund neun
Prozent sagt gar nichts aus – nimmt man die verdeckte
Arbeitslosigkeit hinzu, liegt sie bei über 15 Prozent. Ein
Fünftel der Jobverluste kam aus der Bauindustrie. Diese
Jobs werden vorerst nicht wiederkommen, und viele Arbeitslose haben nicht die Qualifikation, um anderswo
einen Job zu finden. Jeder siebte Amerikaner bezieht Lebensmittelmarken. Eigentlich unvorstellbar.
Sie sind schon wieder pessimistisch.
Ist die Finanzkrise nach wie vor ein Thema, drei Jahre nach der
Lehman-Pleite?
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
Navidi: Realistisch!
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2
INVESTMENT TOPIC
Die Welt wartet vergebens auf eine nachhaltige Erholung der
USA. Die Arbeitslosigkeit geht kaum zurück, die Stimmung der Verbraucher ist schlecht, die Unternehmen horten Geld statt zu investieren. Was kann Amerika beleben?
Navidi: Amerika erwacht gerade. Die ersten Zeichen der
Krise kamen 2007, da wurden sie von vielen noch geleugnet – Weltuntergangsszenarien verkaufen sich eben
nicht. Sie sind nicht gut fürs Finanzgeschäft und auch
nicht für Unternehmen. Die Einsicht, dass wir die fundamentalen Probleme grundlegend lösen müssen, kommt
bei vielen erst heute.
tem gefährdet. An Reformen führt kein Weg vorbei. Das
Problem ist: Sie brauchen Zeit.
Und der Kongress hatte im Sommer schon große Mühe, sich auf
eine vergleichsweise einfache Maßnahme zu verständigen: die Anhebung der Schuldengrenze.
Navidi: Die Situation in Washington ist außerordentlich bedrohlich. Die Wirtschaftskrise ist grundsätzlich lösbar, aber nicht, wenn die Politik so festgefahren ist. Die USA müssen Entscheidungen treffen, auch
schmerzhafte, aber bis zu den nächsten Wahlen wird
„Die USA müssen Entscheidungen treffen, auch schmerzhafte.“
Einspruch. Spätestens nach dem Zusammenbruch von Lehman
muss doch jeder gemerkt haben, was die Stunde geschlagen hat.
Navidi: Es gab damals immer noch Leute, die das wahre
Ausmaß der Ungleichgewichte nicht sehen wollten. Ein
bekannter Bankchef hat kurz nach der Lehman-Pleite
zu mir gesagt: Ach, das renkt sich wieder ein, wir bereinigen unsere Bilanzen und schreiben die toxischen Papiere ab. Als sei dann alles wieder gut. Das Ausmaß der
Krise wurde immer noch heruntergespielt!
sich in Washington nichts bewegen. Weil die Parteien so ideologisch sind wie nie zuvor. Es müsste ein
Ruck durch die Gesellschaft gehen. Die Amerikaner
müssten sich besser informieren und aktiver eingreifen, mehr Nachrichten gucken und nicht so viele Soap
Operas (lacht). Dann würden sie auch nicht auf die
Polemik hereinfallen, wie sie Sarah Palin oder Michele Bachmann verbreiten. Die sind echte Giftspritzen,
aber Lösungen haben sie nicht.
Aber sie sind populär.
Navidi: Ja, sie lassen sich auch nicht mehr übersehen.
Jeder vernünftige Mensch weiß, dass Amerika Schulden
abbauen und Strukturreformen in Angriff nehmen muss.
Das betrifft das Ausbildungssystem, das Rentensystem,
die Gesundheitsfürsorge Medicare und Medicaid sowie
die verstaatlichten Hypothekenbanken Fannie Mae und
Freddie Mac, die immer noch Verluste anhäufen. Hinzu
kommt die Alterung der Gesellschaft, die das Rentensys22
Navidi: Weil sie alles extrem vereinfacht darstellen. Jetzt,
wo es den Menschen nicht so gut geht, ist es natürlich
einfach, Feindbilder zu kreieren. Man muss wahrscheinlich schon froh sein, wenn kein Tea-Party-Kandidat den
Präsidentschaftswahlkampf gewinnt. Das wäre wirklich
beängstigend.
Was erneut die Frage aufwirft, wie dieses Land die Fähigkeit zu
Reformen finden soll.
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
Foto: Tobias Everke
Aber jetzt werden die Probleme endlich ernst genommen?
INVESTMENT TOPiC
Navidi: Es geht wohl nur durch Schocks und massiven
Druck von außen...
Ein weiteres Problem ist die anhaltende Krise auf dem Häusermarkt. Sehen Sie Zeichen der Besserung oder müssen wir uns darauf einstellen, dass Überschuldungen und Zwangsversteigerungen
noch auf Jahre das Wachstum bremsen?
Navidi: Die Häuserpreise fallen jetzt seit fünf Jahren.
Nach seriösen Schätzungen übersteigt bei rund zehn
Millionen Amerikanern die Hypothek den Wert des Hauses. Auch Leute mit vormals solider Kreditwürdigkeit
bei einer globalen Betrachtung gibt es nicht viele Länder, die die Weltkonjunktur nachhaltig stützen. In China
wird sich das Wachstum abflachen, Europa ist in der Krise. Wenn sich Anzeichen für einen Double Dip mehren,
wird es vermutlich ein QE3 geben...
...die Federal Reserve wird also erneut die Geldmenge ausweiten.
Halten Sie das wirklich für wahrscheinlich?
Navidi: In irgendeiner Form schon. Welche Alternativen
gibt es denn? Die Möglichkeiten sind ausgeschöpft. Und es
ist immer das einfachste, die Geldpresse anzuschmeißen.
Mattauch und Navidi führten das Gespräch im Rockefeller Center in Midtown Manhattan.
kommen immer mehr unter Druck. Wir müssen also damit rechnen, dass weitere zehn Millionen Häuser in die
Zwangsversteigerung gehen – wenn nicht durch Schuldennachlass und Refinanzierung gegengesteuert wird.
Die Regierung macht den Banken gegenwärtig Druck,
um eine weitere Abwärtsspirale zu verhindern.
Optimisten gehen davon aus, dass die Nachfrage nach Wohneigentum bald wieder anzieht...
Navidi: 70 Prozent des US-Inlandsprodukts ging vor
der Krise in den Konsum, und der ist über steigende
Hauspreise finanziert worden. Heute sparen die Leute.
Wo soll die Nachfrage herkommen? Wir haben noch
auf Jahre hinweg ein massives Überangebot auf dem
Immobilienmarkt.
Sehen Sie die Gefahr einer erneuten Rezession?
Navidi: Ja, durchaus. Wir erleben einen DeleveragingProzess, der auch noch eine Weile anhalten wird. Und
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
Wie beurteilen Sie die Zukunft des Dollar?
Navidi: Seine Bedeutung als Leitwährung wird über das
nächste Jahrzehnt abnehmen. Anleger werden diversifizieren und vermehrt andere, auch asiatische Währungen einsetzen. Die Chinesen wollen raus aus dem Dollar,
müssen raus! Das geht nur nicht über Nacht. In welchem
Maße der Euro profitiert, wird man sehen. Wenn sich die
Währungsunion künftig auf Kernstaaten beschränkt,
wird er stärker werden.
Deutschland schien von den Verwerfungen lange Zeit merkwürdig unberührt, erlebte eine Sonderkonjunktur...
Navidi: ... die aber, wie sich jetzt bereits zeigt, unmöglich
anhalten kann, wenn sich das weltweite Wachstum abschwächt und an die Stelle der Exportnachfrage keine
Binnennachfrage tritt.
Sie leben jetzt seit zehn Jahren in New York. Wie hat sich die Wall
Street seither verändert?
23
2
INVESTMENT TOPIC
Navidi: Ich kam kurz vor dem Terroranschlag 9/11, deshalb erlebte ich die Wall Street erst mal in Krisenstimmung. Dann ging es steil nach oben, euphorisch geradezu, bis etwa Mitte 2007, als die ersten Risse sichtbar
wurden und schließlich Panik ausbrach. Zurzeit herrscht
Ratlosigkeit. Alle fragen sich, wie es weitergeht.
Für die Stimmung an der Wall Street spielt die Zukunft der USWirtschaft eine entscheidende Rolle. Was beschäftigt die Investoren besonders?
Navidi: Die Veränderung der Koordinaten im Finanzsystem. Es ist nichts mehr so, wie es früher war. Die Schulden der Verbraucher sind auf die Banken verlagert worden und von den Banken auf Regierungen. Die Folge ist,
dass die Politik viel mehr Gewicht in der Wirtschaft hat,
viele Entscheidungen jetzt von Politikern abhängen. Die
handeln nach ihren eigenen Kriterien, und das ist nicht
das Terrain der Investoren. Selbst George Soros sagt,
dass er die Märkte nicht mehr versteht.
Navidi: Klar ist jedenfalls, dass man den Parketthandel
nicht mehr braucht. Aber er ist in den Augen der Amerikaner geradezu ein Denkmal – und eine gefragte Medienkulisse. Deshalb wird er bleiben. Die NYSE ist eine
Top-Marke, die vermutlich weiter an Bedeutung verliert,
aber niemals so viel, dass dieses Symbol des amerikanischen Kapitalismus überflüssig wird.
Die NYSE wird gerade von der Deutschen Börse übernommen,
was für viele US-Händler schwer zu akzeptieren war. Als WallStreet-Kommentatorin sind Sie oft auf dem Parkett. Hat sich der
Unmut gelegt?
Navidi: Die Rückmeldungen, die ich von Händlern bekomme, sind inzwischen positiv. Die Synergien werden
als positiv wahrgenommen und man ist stolz, einen
starken Partner zu bekommen. Die Deutschen haben
das auch gut gemacht. Sie haben auf nationale Empfindlichkeiten Rücksicht genommen, und sie haben mit
Duncan Niederauer einen amerikanischen, hoch angesehenen CEO installiert.
Das heißt, es ist Berechenbarkeit verloren gegangen.
Was wird sich durch die Fusion ändern?
Navidi: Jamie Dimon, der Chef von JP Morgan Chase,
hat neulich gesagt, wenn er in die Politik hätte gehen
wollen, dann wäre er nach Washington gegangen und
hätte nicht die Führung einer Bank übernommen. Er
war ziemlich genervt.
In den USA wird erbittert um die Umsetzung der Finanzmarktregulierung gestritten, des sogenannten Dodd-Frank-Gesetzes. Aus
deutscher Sicht ist schwer verständlich, warum Republikaner Arm in
Arm mit der Wall Street gegen Vorschriften kämpfen, die doch den
Finanzplatz sicherer machen sollen.
Navidi: Weil die meisten Finanzmarktteilnehmer im Eigeninteresse handeln. Die Wall Street denkt nicht langfristig. Warum auch? Es hat für diejenigen, die vor der
Krise verantwortliche Positionen bekleideten und Millionen verdienten, bisher kaum rechtliche oder finanzielle
Konsequenzen gegeben.
Navidi: Da die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt wird, befürchten Investoren, dass die Preise steigen. Niederauer argumentiert, dass die Gebühren durch die Synergien tendenziell sinken. Man wird sehen.
Zum Abschluss: Was raten Sie den Lesern von INVESTMENT INSIDE – sind die USA noch ein interessantes und sicheres Anlageland?
Navidi: Konkrete Anlagetipps gebe ich aus juristischen
Gründen nicht. Aber natürlich gibt es in den USA viele
gute Investments, insbesondere im Tech-Bereich. Die innovativsten Ideen und Erfindungen, die kommen immer
noch aus den USA. Was die Sicherheit angeht: Die USA
sind vermutlich „too big to fail“. Nur auf einen kann man
mehr zählen als auf den besten Freund, und das ist der
Gläubiger, im Fall der USA also China. Es klingt vielleicht
hart, aber wenn man keine Alternativen hat, gibt es –
letztlich – auch kein Problem.
Hat die Rettung des Bankensystems falsche Anreize gesetzt?
Die Tendenz geht immer mehr zu Dark Pools und High Frequency
Tradern. Wird die NYSE bedeutungslos?
24
Sandra Navidi
machte sich in diesem Jahr mit ihrer eigenen Consultingfirma selbstständig. Zuvor war sie Director of Research Strategies und Senior
Relationship Managerin bei Roubini Global Economics (RGE), der
Researchfirma des New Yorker Starökonomen Nouriel Roubini. Sie
vertrat RGE unter anderem auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos.
Die gebürtige Deutsche ging 2001 nach New York, arbeitete bei der
Vermögensverwaltung Muzinich & Company und später bei der Investmentfirma Scarsdale Equities.
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
FotoS: Tobias Everke, UNTERNEHMEN
Wir danken Ihnen für dieses Interview.
Navidi: Moral Hazard, ja. Ich sehe auch als Problem, dass
die Banken durch die Krise noch größer geworden sind.
Einige Konkurrenten sind vom Markt – JP Morgan hat
Bear Stearns übernommen, die Bank of America Merrill
Lynch, viele Regionalbanken haben Pleite gemacht. Die
großen Spieler haben jetzt noch mehr Einfluss, auch auf
die Politik. Und natürlich möchten sie so wenig wie möglich von Regulierern gegängelt werden.
INVESTMENT PRACTICE
Boomen Mittelstand-Bonds
zu Recht?
Viele Investoren stürzen sich geradezu auf Anleihen mittelständischer Unternehmen. Während
Jürgen Detering von Johannnes Führ Asset Management die Renditen für attraktiv hält, warnt
Jens Spudy von Spudy & Co. Family Office vor unvorhersehbaren Risiken.
Jürgen Detering
Jens Spudy
ist Leiter Institutionelle Kunden bei der Johannes
Führ Asset Management AG. Zuvor war er in leitenden Positionen im Private Wealth Management
und im Asset Management tätig. Dazu gehörten
Stationen bei Prudential Bache, Bank of Ireland
und BNP Paribas.
Gründer und Geschäftsführender Gesellschafter der
Spudy & Co. Family Office GmbH. Seit 1994 ist Spudy
Unternehmer. Nach seinem BWL-Studium arbeitete
er von 1991 bis 1994 für die Deutsche Bank. Spudy
war bei der Bundesmarine und ist Leutnant zur See.
Pro
Contra
Die Verschärfung der Bankenregulierung hat negative
Folgen für die Kreditvergabe der Banken, sodass mittelständische Unternehmen sich in der Unternehmensfinanzierung breiter aufstellen müssen. Die Zurückhaltung bei der Kreditvergabe der Banken trifft hier auch
auf den Wunsch der mittelständischen Unternehmen,
sich vom Hausbankkredit unabhängiger zu machen.
Zwar bleibt der Bankkredit ein Kernelement der Finanzierung, die Fremdfinanzierung über den Kapitalmarkt
in Form von Mittelstandsanleihen wird aber eine immer größere Rolle spielen.
Prinzipiell sind Mittelstandsanleihen interessant. Sie
versprechen Renditen zwischen fünf und zehn Prozent. Dagegen sind die Renditen von Staatsanleihen
äußerst niedrig. Im aktuellen Umfeld jedoch können
Investoren nur sehr schwer einschätzen, ob die Rendite/Risiko-Erwartungen der Emittenten von Mittelstandsanleihen realisierbar sind. Die Einschätzungen
von Ratingagenturen helfen kaum weiter. Auch hinter
einem Triple-AAA-Rating können verborgene Risiken
lauern. Wichtig ist die Struktur der Anleihe. Ähnlich
wie bei strukturierten US-Anleihen in der Vergangenheit kann eine Anleihe bewusst so konstruiert sein,
dass sie den Anforderungen für Bestnoten entspricht.
Bei einer Investition muss zudem beachtet werden,
dass eine Mittelstandsanleihe nicht den gleichen Grad
der Liquidität besitzt wie eine Staatsanleihe.
Mit eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Mittelstandsanleihen sind die neuen Emissionsplattformen der Börsen. Wichtig für den Anleger ist, dass die
Unternehmen Zulassungsbedingungen erfüllen müssen, die für mehr Transparenz und einen verbesserten
Qualitätsstandard sorgen sollen. Zum Beispiel muss ein
Unternehmensrating vorliegen und ein aufwendiger
Prospekt erstellt werden. Für Investoren bietet sich hier
die Chance, am globalen Erfolg der mittelständischen
Unternehmen zu partizipieren, die sich im Wachstum
befinden und ein überzeugendes Geschäftsmodell aufweisen. Durch die Investition in Anleihen solcher Unternehmen sind höhere Renditen zu erzielen. Eine breit
diversifizierte Fondslösung ist dabei einer Investition
in einen Einzeltitel vorzuziehen. So hat der JohannesFühr-Mittelstands-Rentenfonds bisher in etwa 80 Unternehmen investiert und erwartet eine Durchschnittsrendite zwischen fünf und sieben Prozent.
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
Zudem unterliegen die meisten mittelständischen Unternehmen nicht den gleichen strengen Transparenz- und
Publizitätspflichten wie börsennotierte Gesellschaften.
Das erschwert die Analyse. Im Ergebnis ist das Emittentenrisiko selbst für Profis schwer einzuschätzen.
Bedenken sollten Investoren auch, dass wenn ein Unternehmen Anleihen emittiert, der Grund dafür auch darin
liegen kann, dass Banken nicht mehr bereit sind, das
Unternehmen mit Krediten zu vertretbaren Konditionen
zu unterstützen. Im Falle der Emission einer Anleihe generieren Banken zwar keine unmittelbaren Umsätze
durch die Vergabe eines Kredites, jedoch verdienen sie
an der Emission und der Strukturierung von Anleihen.
25
3
INVESTMENT PRACTICE
Islamic Finance:
In Deutschland Fehlanzeige
Weltweit steigt die Bedeutung von islamkonformen Geldanlagen. Islamic Finance ist mehr als
ein religiös motiviertes Konzept zum Umgang mit Geld. Der Begriff steht für eine reale Form
des Wirtschaftens. In Deutschland gibt es bislang nahezu keine entsprechenden Produkte.
„Mit den Prinzipien von
Islamic Banking wäre die
Finanzkrise nicht so
abgelaufen“
Murat Ünal
Gründer und Vorstand
Funds@Work AG
enorm: Weltweit gehören 1,6 Milliarden Menschen diesem Glauben an. Und nur zwei Prozent der weltweiten
Investments entsprechen den Regeln des Islam.
Islamic Banking basiert auf einem Zinsverbot, das auf
den Propheten Mohammed zurückzuführen ist. In der islamischen Ökonomie besitzt Geld keinen Wert und darf
daher nicht als Handelsware genutzt werden. In vielen
islamischen Ländern nehmen daher Unternehmen keinen
Kredit auf, sondern beteiligen ihre Investoren am Erfolg.
Auch Häuslebauer zahlen dort keinen Zins an ihre Bank,
sondern eine Art Miete. Generell verboten sind Spielen und
Wetten. Investments in bestimmte Branchen sind ebenfalls untersagt: Dazu zählen Alkohol-, Tabak- oder Glücksspielindustrie, aber auch Waffenindustrie, Pornografie
oder sogar konventionelle Finanzdienstleistungen. Zudem
26
dürfen Aktionäre keine Dividende kassieren. Diese werden
regelmäßig an karitative Organisationen gespendet.
„Islamic Finance setzt grundsätzlich den realen Tausch
von Gütern und Dienstleistungen voraus“, erklärt Murat
Ünal, Gründer und Geschäftsführer der Consultingfirma
Funds@Work. Der Handel mit Futures und anderen Optionsgeschäften ist damit nicht erlaubt. Kreditderivate
oder auch die Verpackung von Immobilienkrediten in
verschachtelte Zweckgesellschaften sind schlicht verboten. Auch Spekulationen mit Nahrungsmitteln über Derivate sind tabu. Es kann jeweils nur gehandelt werden,
was real vorhanden ist. Daher müssen Kreditgeber und
Banken Risiken teilen. So bestehen auch keine Fehlanreize für hochspekulative Investments.
Keine Finanzkrise mit Islamic Banking
„Mit den Prinzipien von Islamic Banking wäre die Finanzkrise mit großer Sicherheit nicht passiert“, sagt
Ünal. Kein Wunder also, dass das Interesse an diesem
Ansatz auch in konservativen und christlichen Anlegerkreisen zunimmt. Denn dieser Ansatz ist vor allem
ein nachhaltiges Konzept zum Umgang mit Geld. Susilo
Bambang Yidhoyono, Präsident des bevölkerungsreichsten muslimischen Landes Indonesien, sieht Islamic Finance sogar in einer Vorreiterrolle. „Es ist Zeit für islamische Banken, Missionarsarbeit im Westen zu leisten.“
Nicht nur an den Bankschaltern muslimischer Länder
gehören islamkonforme Produkte zum Repertoire. „In
Ländern wie Malaysia liegt der Anteil von Islamic Finance bei zehn Prozent. Der Großteil macht auch hier
die konventionelle Finanzindustrie aus“, erläutert Ünal.
Auch in Großbritannien sind diese Geldanlagen weit verbreitet. Rund 20 englische Geschäftsbanken vertreiben
islamkonforme Anlageprodukte. Ihr Wert: rund sechs
Milliarden Pfund. Wichtigster Handelsplatz in Kontinentaleuropa ist Luxemburg, wo mehr als 40 islamkonforme
Fonds und Subfonds aufgelegt wurden.
Dagegen hinkt die Entwicklung in Deutschland hinterher, obwohl mehr als vier Millionen Muslime hier leben.
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
Fotos: Unternehmen
Der Umbruch in den Ländern Nordafrikas erinnert
an den Fall der Berliner Mauer vor mehr als 20 Jahren.
Die Revolutionen kennzeichnen eine Zeitenwende. Abseits der Schlagzeilen gewinnen islamische Investoren
weltweit an Bedeutung. Und das liegt nur teilweise an
den arabischen Ölstaaten, die mit milliardenschweren
Staatsfonds auf Einkaufstour gehen. Auch Islamic Finance erlebt derzeit ein enormes Wachstum. Weltweit
liegt das Volumen, das nach solchen Grundsätzen verwaltet wird, bei rund 900 Milliarden Dollar. Experten gehen von einem jährlichen Zuwachs von 20 Prozent aus.
Schätzungen zufolge werden Moslems in zehn Jahren
die Hälfte ihrer Spareinlagen von derzeit rund 2,5 Billionen Dollar islamkonform investieren. Das Potenzial ist
INVESTMENT PRACTICE
Das potenzielle Marktvolumen für islamkonforme Anlageprodukte liegt nach einer Schätzung des Institute
for Islamic Banking and Finance (IVIBAF) in Frankfurt
in Deutschland bei 1,2 Milliarden Dollar pro Jahr. Jährlich sparen die 4,4 Millionen Muslime zwischen 2,2 und
sechs Milliarden Euro. Das gesamte Sparvolumen liegt
zwischen 25 und 40 Milliarden Euro. „Der vorhandenen
„Unser Bankenlandschaft
basiert auf Zinsgeschäften, die der Islam ausdrücklich verbietet.“
Uwe Zimmer
Vorstandsvorsitzender
Meridio Vermögensverwaltung
Nachfrage steht aber aktuell noch kein adäquates Angebot gegenüber“, beklagt Zahid El Mogaddedi, Leiter des
IVIBAF. Bisher konnten sich Produkte nicht durchsetzen.
So hatte die Fondsgesellschaft Cominvest, die heute zu
Allianz Global Investors gehört, einen shariakonformen
Fonds aufgelegt, der mittlerweile wieder geschlossen
wurde. Das Volumen der drei weiteren in Deutschland
aufgelegten shariakonformen Aktienfonds ist gering. Dabei zeigten sich bei einer repräsentativen Umfrage unter
Muslimen in Deutschland 70 Prozent interessiert an islamkonformen Finanzprodukten.
Doch warum halten sich die deutschen Banken zurück?
„Unsere Bankenlandschaft basiert auf Zinsgeschäften,
die der Islam ausdrücklich verbietet“, erklärt Uwe Zimmer, Vorstandsvorsitzender der Meridio Vermögensverwaltung. Er bietet mit dem Meridio Global Islamic Multi
Asset Fonds eines der wenigen islamkonformen Produk-
te für den deutschen Markt an. Zimmer sieht die deutschen Banken vor einem Glaubwürdigkeitsproblem:
„Entweder die Kunden glauben, dass die Bank nicht
islamkonform ist. Und hätten sie zum Beispiel einen eigenen Fonds, würde die Kompetenz bei der islamkonformen Auswahl der Titel angezweifelt“, so Zimmer. Bisher waren sämtliche Ansätze nicht von Erfolg gekrönt.
Zimmer versucht nun, den Meridio Global Islamic Multi
Asset Fonds mit einem Vertriebspartner direkt an die
Türken in Deutschland zu vertreiben.
Nicht nur auf dem Investmentsektor ist der deutsche
Markt unterentwickelt. Auch beim Thema Immobilienfinanzierung gibt es keine passende Lösungen: „Viele
muslimische Familien würden gerne ein Eigenheim
kaufen. Doch wegen der Zinsproblematik kommen Bank
und Kunde oft nicht zueinander“, weiß Zimmer. Damit
für 650.000 Haushalte der Immobilienkauf attraktiv
wird, müssten die Banken ein System ohne Zinsen entwickeln. Bei einer islamkonformen Immobilienfinanzierung kaufen Bank und Kunde das Haus gemeinsam. Der
Kunde bezahlt am Anfang so viel, wie sein Eigenkapital
zulässt. Danach trägt er keine Hypotheken ab, sondern
erwirbt über die Miete einen immer größeren Anteil an
der Immobilie, bis er schließlich alleiniger Eigentümer
ist. Das Problem dabei: Die Grunderwerbssteuer fiele
bei einer solchen Finanzierung in Deutschland zweimal an. In Großbritannien wurde diese Doppelbesteuerung vom damaligen Finanzminister Gordon Brown
abgeschafft. In Deutschland fehlt es noch an einer Initialzündung dieser Art, aber Zimmer ist optimistisch:
„Wenn der Gesetzgeber hier die Regeln vereinfacht und
eine Bank Produkte auflegt, werden auch die anderen
folgen. Wenn der Zug sich in Bewegung setzt, kann das
Potenzial von Islamic Banking auch in Deutschland voll
zum Tragen kommen.“
Dirk Wohleb
Investoren verlangen mehr Transparenz
Die Sharia umfasst die Gesamtheit aller Gebote und Verbote des Islam. Ziel ist es, der Gemeinschaft Nutzen zu bringen und Schaden
abzuwenden. Wie genau eine islam- oder shariakonforme Geldanlage auszusehen hat, ist auch unter Fachleuten strittig. Diese Frage
ist Auslegungssache. Darüber müssen im Einzelfall muslimische Gelehrte entscheiden. In Staaten wie dem Iran existiert ein National
Sharia Board, das über die Einhaltung der Regeln wacht. In vielen muslimischen Ländern existiert ein solches Gremium nicht. Daher gibt
es in der Regel für Banken und einzelne Produkte ein Sharia Board, das die Einhaltung der Regeln überprüft. Doch dieser Prozess läuft
in der Regel hinter verschlossenen Türen ab und ist für Investoren kaum nachvollziehbar. Eine Netzwerkanalyse von Funds@Work über
die Mitglieder dieser Kontrollgremien erregte in der islamischen Welt Aufsehen: „Manche Boardmitglieder arbeiten in 86 Gremien. Ob
solch ein Gelehrter seine Kontrollpflicht allein aus zeitlichen Gründen wahrnehmen kann, ist fraglich“, zweifelt Mural Ünal, Gründer und
Geschäftsführer von Funds@Work. Weiteres Resultat der Studie, die das Netzwerk von 600 Gelehrten unter die Lupe nahm: „Die Top Ten
unter den Gelehrten machen 40 Prozent der Boardpositionen weltweit aus.“ Die Konsequenz: „Nun verlangen immer mehr Investoren
Transparenz bei der Besetzung der Kontrollposten und den Entscheidungen“, erklärt Ünal. So sollen Protokolle von Sitzungen veröffentlicht werden. Und auch eine Beschränkung der Zahl der Mandate wird ernsthaft diskutiert.
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
27
3
INVESTMENT practice
Immobilien, Infrastruktur
– oder beides?
Autor
Prof. Dr. Wolfgang Schäfers
Universität Regensburg
und Vorstand
IVG Immobilien AG
Der Rückzug des Staates aus verschiedenen Bereichen
schafft vermehrt Anlagemöglichkeiten für privates Kapital. Große kanadische und australische Institutionelle haben heute bereits Infrastrukturquoten von bis zu
15 Prozent. Im ersten Quartal 2010 betrug das weltweite
Volumen von Infrastrukturaktien 20,5 Billionen USDollar. Im ungelisteten Fondsbereich wurden während
der vergangenen Jahre global zirka 200 Milliarden USDollar in Infrastrukturvehikel investiert.
Forschung diesem Trend mangels qualitativ hochwertiger Daten hinterher. Institutionelle Investoren haben infolgedessen keine eindeutigen Informationen
über das Performanceverhalten derartiger Assets.
Von Interesse ist dabei vor allem die Frage, wie sich
ein höherer Infrastrukturanteil auf die Zusammensetzung der Portfolios institutioneller Investoren auswirkt und welchen Anteil Infrastruktur grundsätzlich
im Portfolio einnehmen sollte.
Prinzipiell weisen direkte Infrastrukturinvestments
ähnliche Eigenschaften auf wie direkte Immobilieninvestments. Die Vorteile von direkt gehaltenen Immobilien für die Diversifikation von gemischten Portfolios sind gut untersucht und hinlänglich bekannt:
Immobilien weisen eine geringe Korrelation mit Aktien und Anleihen auf, sie bringen stabile Cashflows
und schützen vor unerwarteter Inflation. Allerdings
sind sie vergleichsweise illiquide und nur in großen
Losgrößen erhältlich. Gemeinhin werden direkten
Infrastrukturinvestments ähnliche Eigenschaften
unterstellt: Auch Investitionen in mautpflichtige Tunnel, Straßen oder in die Energieversorgung liefern
stabile, weitgehend konjunkturunabhängige Erträge.
Direkt gehaltene Infrastruktur könnte also für die
Portfoliodiversifizierung ähnlich vorteilhaft sein wie
direkte Immobilienanlagen. Trotz der enormen Wichtigkeit der Infrastruktur hinkt die wissenschaftliche
Um die Beziehung von direkten Immobilien- und Infrastrukturinvestments zu untersuchen, wurden breit
diversifizierte US-Portfolios mit und ohne Infrastrukturanteil untersucht. Dies ergab, dass Portfolios ohne
Infrastruktur theoretisch einen optimalen Immobilienanteil von bis zu 25 Prozent enthalten sollten. Bezieht
man die Infrastruktur mit ein, sinkt der Immobilienanteil auf maximal sieben Prozent. Dies ist hauptsächlich
dem hohen Diversifikationspotential von Infrastruktur
geschuldet, wodurch Schwankungen von Aktien- und
Anleihenrenditen noch effektiver ausgeglichen werden
können als durch Immobilien. Diese Ergebnisse beziehen allerdings einen wichtigen Aspekt nicht mit ein:
Die Situation des Gesamtmarktes muss berücksichtigt
werden. Die Renditen der meisten Anlageklassen hängen stark von der Marktlage ab. Berücksichtigt man
diesen Faktor, zeigt sich, dass in Phasen des Marktwachstums Aktien, Rohstoffe, REITs und direkte Infra-
28
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
Foto: UNTERNEHMEN
Infrastrukturinvestments finden zunehmend Berücksichtigung in den Portfolios institutioneller Investoren. Dies liegt unter anderem am Privatisierungsdruck, der seit einigen
Jahren auf den öffentlichen Haushalten lastet.
strukturinvestments die dominierenden Assetklassen
sind. Immobilien hingegen liefern in Phasen schrumpfender Märkte gute Ergebnisse und helfen die Mindererträge anderer Anlageklassen auszugleichen.
Infrastruktur bei rezessiven Marktentwicklungen
In Abhängigkeit vom anvisierten Ertrag sind Immobilienquoten von bis zu 27 Prozent zu empfehlen. Direkte
Infrastruktur sollte bei rezessiven Marktentwicklungen ebenfalls eine größere Gewichtung im Portfolio
erfahren. Infrastruktur bietet in fallenden Aktienmärkten Diversifikationsvorteile und ist zudem selbst
relativ risikoarm. In Rezessionen sind Immobilien allerdings der Infrastruktur beim Aspekt Rendite überlegen. Steigen die anvisierten Renditen, verkleinert
sich der optimale Infrastrukturanteil eines Portfolios
stärker als der Immobilienanteil.
Beide Assets – direkte Infrastruktur- und direkte Immobilieninvestments – leisten einen wichtigen Beitrag zur Portfoliostabilität, wenn der Gesamtmarkt
schrumpft. Daher sind beide zu empfehlen, wenn das
Hauptziel der Schutz des Portfolios ist und die Investoren zugleich gewillt sind, diesem Ziel einen Teil der
Rendite zu opfern. Wollen Anleger hingegen eher von
Aufwärtsbewegungen des Marktes profitieren, sollten
sie vorwiegend in Aktien und Rohstoffe investieren. Allerdings ist die Umsetzung dieser Empfehlungen in die
Realität nicht ganz einfach: Die Portfolioanpassung an
die jeweiligen Marktgegebenheiten ist kostenintensiv,
da der Kauf und Verkauf von direkt gehaltenen Immobilien oder Infrastruktur hohe Transaktionskosten mit
sich bringt. Einen möglichen Ausweg hierfür stellen
nicht gelistete Fondsvehikel dar.
Unsere Untersuchungen ergeben, dass sowohl bei positiver als auch bei negativer Marktlage eine signifikante
Gewichtung von direkter Infrastruktur in gemischten
Portfolios institutioneller Investoren zu empfehlen ist.
Allerdings kann weder Infrastruktur noch eine andere
alternative Assetklasse Immobilien in einem gemischten Portfolio komplett ersetzen. Die Vorteile von direkten Immobilieninvestments sind überzeugend: Es existiert keine andere Anlageklasse, die in einem negativen
Marktumfeld so hohe Renditen liefert und gleichzeitig
ähnliche Diversifikationsvorteile mit sich bringt.
Prof. Dr. Wolfgang Schäfers
ist Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienmanagement an der
IREBS International Real Estate Business School der Universität
Regensburg und Vorstand der IVG Immobilien AG. An der Studie „Portfoliooptimierung: Immobilie oder Infrastruktur – oder
beides?“ wirkten Tobias Dechant und Konrad Finkenzeller mit.
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
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Meeting mit...
Michael Montag,
Aquila
Ort: Redaktion INVESTMENT INSIDE, Düsseldorf
Gesprächspartner: Eberhard Seitz, Autor INVESTMENT INSIDE
Meetingzeit: 19. September 2011, 14 bis 15 Uhr
Thema:
Sachwertinvestitionen zur Stabilisierung des Portfolios
In Sachwerte zu investieren hat neben der ökonomischen Dimension auch eine ethische. Mit einer Investition in Agrar- oder Waldflächen wird in die Produktion
von Nahrungsmitteln und Rohstoffen investiert und
nicht auf Preisveränderungen spekuliert. Im Zeichen
des Energiewandels ist der Ausbau erneuerbarer Energien wie Solar, Wind und Wasserkraft gesellschaftlich
und politisch gewollt und als Ersatz für nicht erneuerbare Energieträger unabdingbar.
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Welche Renditen sind mit den genannten Sachwerten zu erzielen?
Montag: Wir gehen bei Wald und Agrar von einem IRR
in Höhe von rund sieben bis neun Prozent, bezogen auf
die 15-jährige Laufzeit der Fonds, aus. Im Bereich der
erneuerbaren Energien von rund acht Prozent.
Aquila bietet zum Thema drei neue Fonds für institutionelle Investoren an. Worin unterscheiden die sich von den vielen anderen Sachwertefonds, die es längst schon gibt?
Montag: Die Fonds sind explizit auf die formalen Anforderungen institutioneller Investoren zugeschnitten und als
SICAV/SIF strukturiert. Dieses Vehikel ist nicht neu, seine
Rolle für Sachwertanlagen im institutionellen Bereich gewinnt allerdings zunehmend an Bedeutung. Die Fonds sind
steuerlich sauber und spezialfondsfähig, darüber hinaus
können Investitionen in Grund und Boden, wie sie bei Agrar und überwiegend auch Wald der Fall sind, zum großen
Maße der Immobilienquote angerechnet werden, was für
viele VAG-Investoren von entscheidender Bedeutung ist.
Große institutionelle Investoren setzen lieber auf Direktinvestments. Das soll lohnender sein. Richtig?
Montag: Richtig, allerdings muss auch das nötige Knowhow vorhanden sein, diese zu managen. Gerade für mittelgroße Investoren, die selbst nicht über die notwendige
Expertise verfügen, ist ein Fonds-Investment der bessere
Weg. Die Diversifikation innerhalb eines Fonds, bietet Investoren außerdem eine bessere Absicherung.
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
Foto: Unternehmen
Statement von Michael Montag: Auf der Suche nach alternativen Anlageformen, die weitgehend unabhängig von den
Bewegungen der Aktien- und Anleihemärkte sind, rücken
bei vielen Investoren Sachwerte in den Vordergrund. Dazu
zählen auch Investitionen in Agrarland, in Wälder und
in erneuerbare Energien. Im Gegensatz zu anderen Sachwertanlagen wie Immobilien oder Gold spielen Konjunkturzyklen und aktuelle Marktschwankungen hier eine
nur untergeordnete Rolle. Die Weltbevölkerung wächst,
gleichzeitig verknappen sich die lebenserhaltenden Güter
und Energierohstoffe: Pro Jahr gehen etwa 17 Millionen
Hektar bewirtschaftbare Fläche durch Umweltverschmutzung, Urbanisierung, Erosion, Wassermangel und Versalzung verloren. Aufgrund der Verknappung gewinnt das
Land zunehmend an Wert. Ein ähnliches Bild bietet sich
bei den Waldflächen: Es besteht eine direkte Abhängigkeit zwischen der Entwicklung der Weltbevölkerung und
der Nachfrage nach Holz. Jährlich gehen jedoch weltweit
13 Millionen Hektar Waldfläche verloren. Hinzu kommt
das nahende Ende der Verfügbarkeit von nicht erneuerbaren Energien wie Erdöl und Erdgas.
Wenn es zu einer starken Verknappung kommt, finden sich
dann auf Dauer noch gute Investitionsobjekte? Schließlich sind
Sachwertinvestitionen ja schon länger im Trend.
Montag: Natürlich liegen gute Anlageobjekte nicht auf
der Straße und sind nicht unendlich skalierbar. Dank
unserer guten Beziehungen zu Marktteilnehmern durch
Vorgängerfonds konnten wir uns jedoch frühzeitig Projekte zu guten Konditionen sichern, was uns eine hohe
Investitionseffizienz ermöglicht. Zwölf bis 18 Monate
nach dem ersten Closing der jeweiligen Fonds sollten wir
voll investiert sein.
Wie unabhängig sind denn Sachwertinvestitionen von Konjunktur und Märkten?
Montag: Sachwertinvestitionen haben keine Wertpapierkennnummer, mit denen man sie via Bloomberg
identifizieren könnte. Vielmehr ist der Dealflow sehr
stark netzwerkgetrieben und folgt klassischen Kaufmannsgesetzen wie erarbeitetem Vertrauen, Preisverhandlungen oder Vertrauen auf das gesprochene Wort.
Netzwerk und praktische Erfahrung sind viel wichtiger
als bei liquiden Anlagen, bei denen man sich nicht
über mehrere Jahre binden muss. Sachwertinvestments
unterliegen weitaus weniger Bewertungszeitpunkten
als liquide Assets, sie entwickeln sich wertbeständiger
und haben eine geringere Volatilität.
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Weniger Volatilität klingt gut. Aber es gibt auch andere Risiken...
Montag: Sachwertinvestitionen bergen Risiken auf der
Betriebs- oder Betreiberebene, darüber hinaus Risiken
in Bezug auf Lage oder Beschaffenheit der Investments.
Und die Risiken von Preisschwankungen an den globalen
Rohstoffmärkten. Im Vergleich mit einer global operierenden Aktiengesellschaft sind dies ganz ähnliche Risiken.
Grundsätzlich ist die erzielbare Rendite bei jedem Investment mit entsprechenden Risiken gepaart.
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Was empfehlen Sie, wie hoch sollte der Anteil am Gesamtportfolio – sagen wir mal eines größeren Versicherers – denn aussehen?
Montag: Grundsätzlich gilt, dass jede Portfoliodiversifizierung einen nachhaltigen positiven Einfluss auf die Gesamtperformance haben sollte. Eine Aussage zur genauen Höhe des Anteils am Gesamtportfolio ist allerdings
nur unter Kenntnis des Gesamtbildes eines Investors zu
treffen. Die Asset-Liability-Studie einer mir bekannten
Pensionskasse hat ergeben, dass bis zu 20 Prozent an
Sachwertinvestments für ihr Portfolio sinnvoll wären.
Dies ist auf die Situation von anderen Investoren jedoch
nicht eins zu eins übertragbar.
Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
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4
INVESTMENT FActs
Auswirkungen von UCITS IV
auf institutionelle Anleger
Autor
Autor
Alexander Poppe
Norbert Stabenow
Geschäftsführer
Leiter Legal
HSBC INKA
HSBC Securities Services Germany
Zum 1. Juli dieses Jahres ist das UCITS-IV-Umsetzungsgesetz in Kraft getreten und hat das Investmentgesetz (InvG) über die Regelungen für richtlinienkonforme Sondervermögen hinaus
geändert. Die neuen Regelungen haben geringe Auswirkungen auf institutionelle Anleger.
Für Private-Equity-Anlagen hat die Regierungsbegründung zu Diskussionen geführt, und zwar mit der
Formulierung, dass Private-Equity-Strategien nicht
in den Anwendungsbereich des InvG fallen. Seitdem
wird mitunter vertreten, dass Investments in Private
Equity für deutsche Fonds grundsätzlich unzulässig
seien. Dies ist jedoch nicht haltbar. Erstens meint die
Regierungsbegründung, dass ein Fonds nicht selbst
unmittelbar Private-Equity-Strategien verfolgen darf
im Unterschied zu Beteiligungen an Private-EquityFonds. Zweitens ist Private Equity kein im Investmentgesetz geregelter Begriff. Beteiligungsmöglichkeiten
in Private Equity können rechtlich sehr unterschied32
lich strukturiert sein. Als geschlossene Fonds sind
sie unter der Voraussetzung des Paragraph 47 Abs.
1 Satz 1 Nr. 7 InvG sogar für richtlinienkonforme
Fonds investierbar. Drittens haben die Regierungsbegründungen zum InvG 2004 und zum InvÄndG 2007
ausdrücklich die beschränkte Beteiligung in Private
Equity gestattet.
Wettbewerb der Anbieter
Die langfristig mögliche Änderung in der Wettbewerbssituation auf der Seite der Fondsanbieter dürfte
für institutionelle Anleger die bedeutsamsten Änderungen der UCITS-IV-Umsetzung bringen. Auslöser
ist die Regelung der grenzüberschreitenden Fondsverwaltung: Eine KAG kann nun erleichtert auch Fonds in
einem anderen EU-Land verwalten, wogegen die Depotbank weiterhin ihren Sitz im Fondsdomizil haben
muss. Es ist daher zum Beispiel möglich, dass eine
deutsche Publikumsfondsgesellschaft keine Luxemburger Tochtergesellschaft mehr betreibt, sondern
selbst unmittelbar Luxemburger Fonds auflegt. Diese
Möglichkeit ist jedoch auf die Verwaltung von UCITS
beschränkt. Die Verwaltung deutscher Spezialfonds
aus dem Ausland ist dagegen nicht vorgesehen, sodass
wir hier keine unmittelbaren Auswirkungen erwarten.
Jedoch kann die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Verwaltung von UCITS bestehende Konzentrationstendenzen bei den Fondsgesellschaften beschleunigen, sodass auch Spezialfondsinvestoren in Zukunft
weniger, aber größere Anbieter zur Auswahl haben
werden. Fondsgesellschaften und Administratoren,
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
FotoS: UNTERNEHMEN
Ein Blick auf die Vorschriften des InvG für die Spezialfonds zeigt nur wenige substanzielle Änderungen. Zunächst regelt das Gesetz die Anwendbarkeit der für Publikumsfonds geltenden Verschmelzungsregeln und
legt fest, dass eine Verschmelzung von Spezialfonds
auf Publikumsfonds und umgekehrt nicht zulässig
ist. Ebenso ist eine Master-Feeder-Struktur unzulässig, wenn der Feederfonds ein Spezialfonds und der
Masterfonds ein Publikumsfonds ist und vice versa.
Eine wichtige Klarstellung, die die Verwaltungspraxis der BaFin bestätigt, erfolgt für die Investition in
Schuldscheindarlehen und Private Equity. Die 20-Prozent-Grenze gilt nun ausdrücklich nur noch für nicht
börsengehandelte Aktien und Unternehmensbeteiligungen, nicht mehr für Schuldscheindarlehen. Diese
Freiheit wird jedoch für VAG-regulierte Anleger durch
die im Kapitalanlagerundschreiben 4/2011 der BaFin
enthaltene 30-Prozent-Grenze wieder eingeschränkt.
INVESTMENT facts
die länderübergreifend tätig werden wollen, müssen
in der Lage sein, unterschiedliche Rechtsordnungen
bei der Fondsverwaltung zu berücksichtigen. Diese beziehen sich nicht nur auf die Fondsverwaltung
selbst, sondern auch auf die länderspezifische Steuergesetzgebung. Dies werden nur große Gesellschaften
umsetzen können. Eine weitere denkbare Tendenz ist
die Herausbildung großer Administratoren in den jeweiligen Ländern, die es Fondsgesellschaften unterschiedlicher Herkunftsländer ermöglichen, Fonds in
den Sitzländern der Administratoren zu verwalten.
In diesem Zusammenhang wird zum Teil das Entwicklungspotential der deutschen Master-KAG diskutiert. Sie wird gelegentlich als Zwischenschritt
zu Fondsfabriken, Administrationsstätten und international aufgestellten Managern mit Zulassung
als Fondsverwaltungsgesellschaft bezeichnet. Die
bestehenden Tendenzen zeigen aber ein ganz anderes Bild. Die Master-KAG bietet als Fondsgesellschaft
unterschiedlichen Asset Managern die Möglichkeit
zum Fondsmanagement, ohne dass diese selbst eine
Lizenz als Fondsverwaltungsgesellschaft benötigen.
Ist es für Asset Manager dann noch sinnvoll, selbst
eine Lizenz zur Fondsverwaltung zu beantragen?
Dies ist sicherlich davon abhängig, welche Lösung
weniger Aufwand birgt, und damit vom jeweiligen
Einzelfall. Derzeit sprechen zumindest die jeweiligen
Zulassungszahlen eher für die Zusammenarbeit von
Master-KAGen mit Asset Managern als für die Lizenzierung von Asset Managern zur Fondsverwaltung.
Eine solche wird auch künftig wohl nur für die ganz
10 | 2011 INVESTMENT INSIDE
großen europäischen Asset Manager von Publikumsfonds in Betracht kommen.
Auch aus Sicht des Spezialfondsanlegers ist ein Asset
Manager als Fondsgesellschaft nicht nur positiv. Der
Vorteil einer Master-KAG liegt für den Investor darin,
eine Vielzahl unterschiedlicher Asset Manager für einen Fonds beauftragen zu können. Darüber hinaus
erhält er ein einheitliches Reporting über alle AssetManagement-Mandate hinweg. Beides lässt ein Asset
Manager mit Fondsverwaltungslizenz wohl kaum zu.
Der Anleger kann das gleiche Ergebnis wie mit einer
Master-KAG nur erreichen, wenn er eine DachfondsLösung wählt, die zusätzliche Gebühren verursacht.
Aus Anleger- und Asset-Manager-Sicht kann die Master-KAG daher vielmehr als Blaupause für das Ausland und weniger als Zwischenlösung gelten. Die in
den letzten Jahren gegründeten UCITS-Plattformen
zeigen, dass es auch im Ausland Bedarf an den Möglichkeiten gibt, wie sie die Master-KAG bietet.
Zusammenfassend haben institutionelle Investoren
von der Umsetzung von UCITS IV wenige unmittelbare
Wirkungen auf Spezialfonds oder sonstige Fondsprodukte zu erwarten. Diese bleiben der Umsetzung der
AIFM-Richtlinie vorbehalten. Die größten Auswirkungen durch UCITS IV könnten sich für institutionelle
Anleger aus den potenziellen Veränderungen auf der
Anbieterseite, den KAGen und Fondsadministratoren,
ergeben. UCITS IV ist durchaus in der Lage, hier den
Konzentrationsprozess voranzutreiben, der sich nicht
nur auf das Angebot von UCITS beschränkt.
33
Themen der
nächsten Ausgabe
Index
Unternehmen und Institutionen, die in
dieser Ausgabe erwähnt werden:
Aquila 30; ASIP 12;
Beyond Global 21;
China Gold Association 10;
Daimler-Benz 13;
Deutsche Bank 14;
Duke University 9; EZB 17, 18;
Felix Investments 8, 9;
Funds@work AG 26;
GreenCrest Capital 8; HSBC Inka 32;
HSBC Securities Services Germany 32;
Trend zur Nachhaltigkeit
Investoren haben in diesem Jahr ihre Engagements in nachhaltige Investments ausgebaut und wollen dies auch im kommenden Jahr fortsetzen. Nicht nur aufgrund soziologischer und ökologischer
Institute for Islamic Banking and
Finance 27; IVG Immobilien AG 28;
Aspekte liegt Nachhaltigkeit im Trend. Investoren versprechen sich auch dauerhaft gute Renditen.
IWF 19; Johannes Führ Asset
Immer häufiger fordern sie nun von Unternehmen, sich nachhaltig und sozial zu verhalten. Vor al-
Management 25; JP Morgan Hongkong 10;
lem Stimmrechte in Hauptversammlungen werden stärker eingesetzt, um dieses Ziel zu erreichen.
Meridio Vermögensverwaltung 27;
Damit könnte sich langfristig die Industrie einer ganzen Nation verändern.
Angebot von Infrastrukturinvestments
Der Bedarf an Infrastruktur steigt weltweit, aber die Regierungen sind immer weniger gewillt oder
Publica 12; Sammelstiftung Profond 12;
Schweizerische Nationalbank 12;
Spudy & Co. Family Office 25;
in der Lage, die notwendigen Investitionen zu tätigen. Private Investoren werden daher dringend
UBS 12; Universität Frankfurt 20;
gesucht. Und attraktive Renditen sollen überzeugen.
Universität Genf 20;
Universität Hamburg 20;
Lösungen für Pension Pooling
Universität Oxford 20; Universität
Grenzübergreifende Altersvorsorgelösungen für globale Unternehmen verbessern die Wettbe-
Regensburg 28; Volkswagen 13;
werbsfähigkeit und erleichtern die Verwaltung. Noch hinkt Deutschland hinterher, doch eine Lösung für ein steuertransparentes Pension Pooling ist in Sicht. Noch in diesem Jahr soll eine Entscheidung getroffen werden.
Ausgabe 11/2011
Erscheinungstag: 2. November 2011
Bestellungen an: [email protected]
Wissenschaftlicher Beirat des
Bundesfinanzministeriums 16
Morningstar
Investment Konferenz 2011
9. und 10. November 2011
Radisson Blu Hotel, Frankfurt am Main
Morningstar Investment Konferenz 2011
Es ist wieder soweit. Am 9. und 10. November
2011 findet die Morningstar Investment Konferenz
zum sechsten Mal in Frankfurt statt. Die
Konferenz ist ein etabliertes Forum für Berater
und institutionelle Investoren, das aktuelle
Finanzthemen und hochkarätige Referenten aus
der Investmentbranche mit einem qualifizierten
Publikum teilt.
Im Programm sind makroökonomische Ausblicke
und praxisorientierte Themen rund um Fonds, ETFs
und Beratung. Renommierte Referenten wie z.B.
Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt Commerzbank
AG und Thomas Breuer von Greenpeace sind
bestätigte Redner. Und erfolgreiche Fondsmanager
wie Dr. Jens Ehrhardt, Klaus Kaldemorgen,
DWS, und Robin Batchelor von BlackRock. Sowie
erfahrene Vertriebsverantwortliche von MLP,
Argentos und Deutsche Bank.
Morningstar ist seit zehn Jahren auf dem
deutschen Markt aktiv. Dies feiern wir
am Abend des ersten Konferenztages mit
einer Jubiläumsparty. Konferenzteilnehmer
sind zur Feier eingeladen.
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50
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
–5
%
44,28 %
Ø = 11,32 % pro Jahr
2008
2009
2010
2011
* Stand: 31. August 2011; Wertentwicklungen der Vergangenheit sind keine Garantie für künftige Entwicklungen. Diese Anzeige ist eine Werbemitteilung,
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